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German Pages 217 Year 2002
CORNELIUS RENNER
Die deliktische Haftung für Hilfspersonen in Buropa
Untersuchungen zum Europäischen Privatrecht
Band 15
Die deliktische Haftung für Hilfspersonen in Buropa Von Comelius Renner
Duncker & Humblot · Berlin
Gedruckt mit Unterstützung der Deutschen Forschungsgemeinschaft.
Die Juristische Fakultät der Humboldt-Universität zu Berlin hat diese Arbeit im Jahre 200112002 als Dissertation angenommen.
Bibliografische Information Der Deutschen Bibliothek Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über abrufbar.
Alle Rechte vorbehalten
© 2002 Duncker & Humblot GmbH, Berlin
Fremddatenübemahme: Selignow Verlagsservice, Berlin Druck: Berliner Buchdruckerei Union GmbH, Berlin Printed in Germany ISSN 1438-6739 ISBN 3-428-10752-7 Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier entsprechend ISO 9706@
Meinen Eltern
Vorwort Die vorliegende Arbeit wurde im Wintersemester 2001/2002 von der Juristischen Fakultät der Humboldt-Universität zu Berlin als Dissertation angenommen. Das Manuskript wurde im Mai 2001 abgeschlossen, einige Anmerkungen zu den Auswirkungen des Schuldrechtsmodernisierungsgesetzes wurden nachträglich noch ergänzt. Viele liebe Menschen haben die Entstehung dieser Arbeit begleitet. Zu großem Dank verpflichtet bin ich meinem Doktorvater Professor Dr. Christoph G. Paulus, der mir während meiner Promotion mit Rat und Tat zur Seite stand und mich an seinem Lehrstuhl zunächst als studentische Hilfskraft und später als wissenschaftlichen Mitarbeiter mit großer Herzlichkeit aufgenommen hat. Herrn Professor Dr. Hans-PeterBenöhr danke ich für die Übernahme des Zweitgutachtens. Besonders hervorzuheben ist die unermüdliche Unterstützung meines Freundes und Kollegen Wolfgang Zenker, der stets ein offenes Ohr hatte und mit zahlreichen wertvollen Hinweisen zum Gelingen dieser Arbeit beigetragen hat. Viele gute Anregungen verdanke ich auch Tina Winkler und Michael Droege; Viola Heinze hat mich beim Ausdrucken der Arbeit und im Dschungel der Verwaltungsangelegenheiten tatkräftig unterstützt. Wahrend meines Aufenthaltes in Paris hat mich Familie Pello mit unermesslicher Gastfreundschaft aufgenommen. Danken möchte ich vor allem meiner Freundin Iris Klasse. Sie hat mich während der ganzen Entstehungsphase der Arbeit mit viel Geduld und Nachsicht begleitet und mir die nötige Kraft gegeben. Meine Eltern haben mir Studium und Promotion finanziell ermöglicht und auch sonst in jeder Hinsicht beigestanden. llmen widme ich diese Arbeit in tiefer Dankbarkeit. Die Deutsche Forschungsgemeinschaft hat die Drucklegung großzügig gefördert. Berlin, im Februar 2002
Cornelius Renner
Inhaltsübersicht Einleitung . .. . .. .. .. . .. .. .. .. .. . . . .. . .. .. .. .. .. .. .. .. .. . . . . .. .. .. . .. . .. . .. . .. . . . . . .. . . . .. . 21 Erstes Kapitel: Die Haftung für Hilfspersonen in der europäischen Geschichte . . . . . §I
23
Das römische Recht . . .. .. .. . . . .. .. .. . .. . . .. . . . . .. . . . . . .. . .. . . . .. . .. . .. . . . . . .. . .. . .. . 23
§ 2 Die Entwicklung bis ins 19. Jahrhundert .... .. . .... .. .. .. .. .. .. .... ... ... .. . .. .. .. . .
29
§ 3 Die Entwicklung in Deutschland im I9. Jahrhundert .. .. .. . . . .. . .. .. .. .. .. . . . .. .. ..
33
§ 4 Zusammenfassung und Schlussbemerkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
39
Zweites Kapitel: Die Haftung für Hilfspersonen im Europa der Gegenwart . . . . . . . . . 41 §I
Das deutsche Recht . . .. . .. .. . . .. . .. .. .. .. .. .. .. .. .. . . . . .. . .. . . . .. . .. .. .. .. . . . .. .. . .. . 4I
§ 2 Das französische Recht ........... . ................... . . . ... ................ .. ....... IOI §3
Das englische Recht .......... . ... . ................... . . . ................... . . . . . .... 135
§4
Überblick über andere europäische Regelungen . . . . . . .. . . .. .. . .. .. . . . . .. .. . .. . . . . . . I70
Drittes Kapitel: Die Haftung für Hilfspersonen im künftigen Europa . . . . . . . . . . . . . . . . I75 §I
Die dogmatischen Grundlagen einer europäischen Geschäftsherrnhaftung . . . . . . . . . I7 5
§ 2 Ausgestaltung einer zukünftigen Regelung . . ........ . . . .. . .... .. . . . . . . ... . . . . ...... 187 § 3 Ergebnis . . .. .. .. .. . . . . . .. .. . . .. . .. .. . .. . . .. .. .. .. .. . . . . .. . .. . . . . . . .. . .. . . . . . . . . .. . .. . I98
Literaturverzeichnis
199
Sachwortverzeichnis
215
Inhaltsverzeichnis Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21 Erstes Kapitel
Die Haftung für Hilfspersonen in der europäischen Geschichte
23
§ 1 Das römische Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . A. Die Noxalhaftung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Entwicklung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Ausgestaltung der Haftung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 111. Die noxae deditio . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Eigenes Verschulden des Eigentümers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . B. Die quasideliktische Haftung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Die Haftung des Hausbewohners . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Die Haftung der Reeder und der Gast- und Stallwirte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . C. Die vertragliche Haftung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Die Haftung für Auswahlverschulden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Die Haftung für custodia . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
23 24 24 24 25 25 26 26 27 27 27 28
§ 2 Die Entwicklung bis ins 19. Jahrhundert . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . A. Die germanischen Volksrechte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . B. Die Entwicklung im englischen Recht seit dem Mittelalter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . C. Das römisch-holländische Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . D. Die Regelungen der Kodifikationen vor dem BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Die Gesetzgebung in Deutschland . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Der Code civil von 1804 . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
29 29 30 31 32 32 33
§3
Die Entwicklung in Deutschland im 19. Jahrhundert . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . A. Die Wissenschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . B. Die Rechtsprechung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . C. Spezialgesetzgebung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . D. Die Juristentage 1884 und 1886 . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . E. Die BOB-Entstehung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
33 34 35 36 37 37
§ 4 Zusammenfassung und Schlussbemerkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
39
12
Inhaltsverzeichnis Zweites Kapitel
Die Haftung für Hilfspersonen im Europa der Gegenwart § 1 Das deutsche Recht .. .. . .. .. . . . . . .. .. .. . . .. . .. .. .. . . .. . .. . . . . . .. .. . . .. .. . . . ... . . .. .
A. Die Haftung des Geschäftsherrn nach § 831 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Dogmatische Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . l. Ausgestaltung der Regelung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Haftungsgrund . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Das Verschulden des Geschäftsherrn . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Die Verkehrssicherungspflichten des Geschäftsherrn . . . . . . . . . . . . . . . 3. Bedeutung des § 831 Abs. l BGB im Gefüge des Deliktsrechts . . . . . . . . II. Die Bestellung zu einer Verrichtung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . l. Weisungsabhängigkeit in Einzelfällen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Selbständige Unternehmer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Mehrere Geschäftsherren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Die rechtswidrige Schadenszufügung durch den Gehilfen . . . . . . . . . . . . . . . . l. Begründungsansätze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Voraussetzung des schuldhaften Gehilfenhandeins . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Das"verkehrsrichtige Verhalten" . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Der Entlastungsbeweis des §831 Abs.l S.2a.E. BGB ... . ... . ..... 2. Konsequenzen für die Beweislast . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Handeln in Ausführung der Verrichtung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . l. Der Funktionsbereich des Gehilfen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Überschreitung der Befugnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Verbotene Tätigkeiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Straftaten des Gehilfen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Fazit................ . . . ................. . . . .................... . ......... V. Widerrechtliches und schuldhaftes Verhalten des Geschäftsherrn . . . . . . . . . l. Vom Geschäftsherrn zu beachtende Sorgfaltspflichten . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Pflicht zu Auswahl und Überwachung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (I) Auswahl und Überwachung? . .. . . ... . . . .. .... . . ............ . . . .. (2) Inhalt der Pflichten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Statuiert § 831 BGB eine allgemeine Organisationsptlicht? . . . . . . . . . c) Pflicht zur sorgfältigen Leitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Sorgfaltspflicht bei der Beschaffung von Vorrichtungen und Gerätschaften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Der Entlastungsbeweis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Bedeutung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Entkräften der Verschuldensvermutung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Entkräften der Kausalitätsvermutung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Reichweite der Beweislastumkehr . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . e) Der dezentralisierte Entlastungsbeweis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ( l) Entwicklung und Begründung des dezentralisierten Entlastungsbeweises . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Kritik der Literatur und Bedeutung in der heutigen Rechtsprechung........... . ................ . . . .................... . ........ VI. Rückgriff des Geschäftsherrn . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
41 41 41 41 41 42 42 42 43 44 46 46 50 50 52 52 52 53 54 55
56 56 57 58 59 60 60 60 61 62 63 64 65 65 65 66 67 68 68 69 70 72
Inhaltsverzeichnis
13
B. Kunstgriffe zur Umgehung des § 831 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 72 I. Das Deliktsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 72 1. Haftung aus § 823 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 72 a) Die Lehre vom Organisationsverschulden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 72 (1) Die Organisationspflicht und das Organisationsverschulden. . .. 73 (2) Beweislast . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 74 (3) Hintergrund der Entwicklung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 75 (4) Kritik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 76 b) Verkehrssicherungspflichten als Sonderverbindung . . . . . . . . . . . . . . . . . 77 c) Produzentenhaftung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 78 d) Schadenszufügung bei betrieblich veranlasster Tätigkeit . . . . . . . . . . . 81 2. Haftung aus§ 31 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 82 a) Das körperschaftliche Organisationsverschulden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 83 b) Kritik an der Ausweitung des § 31 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 84 II. Die Haftung des Staates nach § 839 BGB i. V. m. Art. 34 GG . . . . . . . . . . . . . . 86 III. Auswirkungen auf die vertragliche und quasivertragliche Haftung . . . . . . . 86 1. Culpa in contrahendo . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 87 a) Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 87 b) Beweislast . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 88 c) Kritik an der "deliktischen" culpa in contrahendo . . . . . . . . . . . . . . . . . . 89 2. Vertrag mit Schutzwirkung für Dritte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 90 3. Drittschadensliquidation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 91 4. Ausdehnung des §618 BGB auf den Werkvertrag............. . ...... . . 92 5. Fazit................ ... ........................ . ......................... 93 a) Verortung deliktischer Pflichten im Vertragsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 93 b) Verschmelzen von Vertrags- und Deliktsrecht.............. . .... . . . . 94 c) Wertungswidersprüche ... .. ... . . .. . . . .. ... . .. . . . .. . .. .. . . .. . . ... . . . . 94 C. Spezialgesetzliche Regelungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 95 I. §485 HGB ......... .. . . . . ................... . ................... ........... 95 I. Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 95 2. Anwendungsbereich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 96 3. Beweislast . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 97 II. Gefährdungshaftung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 97 1. §7 StVG .. .. . .... . ......... ......... ... . ...... . ..... . . .. . . ........ . . . ... 97 2. Produkthaftungsgesetz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 98 3. §§ 1, 3 HaftP:flG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 98 4. §22 WHG .......... . .......................... . ................. . ..... . . 99 5. §26AtomG ...... . . . ...................... . . . ................... . . . . . ... 99 D. Versicherungsmäßige Deckung ......................... . ................. . . . ... 100 E. Zusammenfassung und Schlussbemerkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 100 §2
Das französische Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . A. Die Haftung der commettants nach Art. 1384 al. 5 Ce . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Dogmatische Grundlagen .................... . . . ................... . . . . . .. . 1. Terminologie .............................. . ..................... . . . ..... 2. Ausgestaltung der Regelung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Die sonstigen Regelungen des Art. 1384 al. 5 Ce . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Art.1384 al.1 Ce als Generalklausel ............ .. ........ . ........ . 3. Rechtsnatur . .. .... ... .. .............. .. . . .............. . .. . ............ .
101 101 101 101 101 102 102 103
14
Inhaltsverzeichnis 4. Haftungsgrund .......................................................... a) L'idee de representation .................... ................ . ........ b) La theorie du risque .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. . c) L'autorite (risque-autorite) .......................................... d) La theorie de la garantie/cautionnement legale . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . e) Neuere Entwicklung .......................................... . ...... II. Lien de preposition .. .. .. .. .. .. . .. . . .. . .. .. . . .. .. .. .. . .. .. .. .. .. . . . . . .. .. . . 1. La subordinationjuridique ..................................... . ........ 2. Selbständige Unternehmer .............................................. 3. Mehrheit von commettants oder preposes .............................. a) Pluralite de commettants .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. b) Sous-preposes . . . . . . ............................................... .. III. Le fait dommageable de prepose ............... . . . .................... . ... 1. Prepose gardien .. . . .. .. .. .. .. .. .. . .. .. . .. .. . . .. .. .. . .. .. .. .. . . .. . . . .. .. . 2. Prepose aliene ................................................. . ........ 3. Genereller Verzicht auf die faute des prepose? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. L'exercice des fonctions ................................................... 1. Funktionsbereich des prepose .. .. . .. . . .. .. . .. .. .. .. .. . .. .. .. . . .. .. . .. .. 2. Abus de fonctions . .. .. .. .. .. .. . . . . . . . . .. . . . . .. .. .. .. . .. .. .. .. .. . .. .. .. .. a) Entwicklung der Rechtsprechung ................................... b) Die Abgrenzung im Einzelnen . . . . .. . . .. .. .. .. . .. . . .. . . .. . . . .. .. .. .. (1) Verbotene Tatigkeiten .................................... .... ... (2) Straftaten ............................... . ........................ c) Resonanz . .. . . . .. .. .. .. .. .. .. .. . . .. . .. . . . .. .. .. .. . .. .. .. .. . . . .. .. .. .. 3. Fazit ...... ........... .... ..... .. ......... .... .... ... .......... .. ..... ... . V. Recours du commettant .................................................. . . Haftung für Gehilfenhandeln außerhalb des Art. 1384 al. 5 Ce . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Deliktische Haftung . ..................... . . . ............. . .. ......... ..... 1. Art.1382Cc ..................................................... . . . ..... 2. Produkthaftung ............................................... . ......... 3. Organhaftung .......................... . .......................... . ..... II. Responsabilite contractuelle du fait d 'autrui . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Culpa in contrahendo ................ .... . . .. ................. . . .. . ..... 2. Vertrag mit Schutzwirkung für Dritte ............... ...... . . .. . . . ....... 3. Drittschadensliquidation . . .. .. .. .. . .. .. . . .. .. . . . . . .. .. . . . . .. . . . . . .. .. . .. 111. Fazit ................................................................ . ....... Spezialgesetzliche Regelungen ....................... . . . ............... . . . ..... I. Art. 228-43 Code rural .. .. .. .. .. .. .. . .. .. . . .. . .. .. .. .. .. . .. .. .. .. .. .. . .. . . II. Art. l21-20 al.2 Code de la consommation ...... .................... .. .. .. III. Art. 511- 1 Code des assurances .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. Versicherungsmäßige Deckung .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. . Zusammenfassung und Schlussbemerkung .. .. . . .. .. . .. . . .. .. . .. .. . . .. . . .. . .. ..
104 104 105 106 107 108 109 110 113 113 113 114 115 116 116 117 118 118 119 120 123 123 124 125 126 126 129 129 129 129 129 130 132 132 132 132 133 133 133 134 134 134
§ 3 Das englische Recht ....... . ..... . ........................................ ... ....... A. Vicarious liability ...... . .. .... ........................ . ............... . ......... I. Dogmatische Grundlagen .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. 1. Terminologie .... .... .. .. .... . ....... ... ........ ........ ......... .. ... .. . 2. Rechtsnatur ........................... .. . .. .. ...... .............. ..... .. 3. Haftungsgrund . . .. . . . . . . .. .. .. .. . .. .. . . .. . . . .. .. . .. .. .. .. .. .. . . .. . .. .. . .
135 135 135 135 136 137
B.
C.
D. E.
Inhaltsverzeichnis
B.
C. D. E. §4
a) Deepest Pocket ...................... . ..... . .................. .. . . ... b) Master's Benefit ................. . ... .. . ..... ................ . . . ..... c) Distribution mechanism .......... . . . ... . ............. . ...... . . . . . . . . d) Accident Prevention ............. . .......... ............... . ... . . . ... e) Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Masterand Servant Relationship ............... . . ...... . ........ . . . . . .... . 1. Die Abgrenzungskriterien ............... . ... . . ............... . . . . . ..... a) Der Control Test ... ............... . ... .. .... . .............. . . . .. . . ... b) Part of the Business ............. . .... . .. . ... .............. . .... . ... . c) Financial Risk/Own Account . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Intention of the Parties . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . e) Multiple test . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Independent Contractors ....... . ......... . . . .................. . .... . . . . . 3. Mehrheit von servants oder masters ... . . . . . ..................... . . . . . . . a) Borrowed Servant . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) SuperiorServant ... . ................ . .. .. . .. ............. . .. . . . . . .... 4. Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 111. Servant's Tort . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Course of Employment .. . ..... . . . . . ......... . . . ........................... 1. Der Funktionsbereich des servant . ... ...................... . ........... 2. Überschreitung der Befugnisse ............. . . . ............ . ... . . . ...... a) Implied Authority . . ................... . . . ................ . . . . .. . . . . . b) Ostensihle Authority ................ . . . .. . . . . ............. .. .. ... . . . c) Prohibition of an Act .... . ........... . . . ... . ......... . ....... ... ... . . d) Straftaten des servant . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Fazit ..................... . .. . . . . .. . ......... . . . . ........ . . . .... . ......... V. Rückgriff des master . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Haftung für Gehilfenhandeln außerhalb der Vicarious Liability . . ... . . ....... . . I. Deliktische Haftung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Primäre Verantwortlichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Authorisation ofTort ................. . . . . . . . ... . .......... . ....... . . b) Negligence of the Employer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Non-delegable Duties ... .. .. . ... . .... . . . ..... . . .. . ... .......... . . ... d) Resonanz ..... . . . . . ..... .... .. . . ...... . ... . ...... .... . .... .... . ... ... e) Rückgriff gegen den independent contractor ..... ... . .... .... . .. . .. . 2. Produkthaftung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Organhaftung .. . . . . . . . ............ . .... . . . . . .... . ................ . . . . . . . II. Vertragliche Haftung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Culpa in contrahendo . . . . . . . ........ . .. . . . . .. .................. . . . ...... 2. Vertrag mit Schutzwirkung für Dritte .. . .... . . . . . . . . . ... . .... . . . ........ 111. Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Spezialgesetzliche Regelungen ... .. . . . . .... . .. .. . ..... . . .. .. . . .. . . . . . . . ... ..... I. Police Act 1996, s. 88 (1) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Employer's Liability (Defective Equipment) Act 1969 ........... . .... . .. . Versicherungsmäßige Deckung . .. . ........ . .... . . . . . . . . . ................. . . . .. . Zusammenfassung und Schlussbemerkung ..... . . . ..... . .. . . . ............ . . ... .
15 138 139 139 140 140 141 142 143 144 146 147 148 149 150 150 151 152 152 152 153 154 154 155 156 158 160 160 162 162 162 162 163 163 165 166 166 167 167 167 167 168 168 168 169 169 169
Überblick über andere europäische Regelungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 170 A. Österreichisches Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 170
16
Inhaltsverzeichnis B. C. D. E.
Niederländisches Recht ... .. .. . .................. . ... . . ..................... . ... Der skandinavische Rechtskreis, insbesondere Schweden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Der romanische Rechtskreis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Zusammenfassung und Schlussbemerkung . . .. . ........ ... . ... . ....... . .. ... . ..
171
172
173 174
Drittes Kapitel
Die Haftung für HUfspersonen im künftigen Europa
175
§ 1 Die dogmatischen Grundlagen einer europäischen Geschäftsherrnhaftung . . . . A. Folgerungen aus der jetzigen Lage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Deutschland . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Die Folgen des § 83 I BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Bisherige Reformüberlegungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. England und Frankreich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . B. Haftungsgrund . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Gefährdungshaftung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Bereichshaftung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 111. Haftung für das kalkulierbare Risiko . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Risikoerhöhung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Die Auswirkungen des Gehilfeneinsatzes .. . ................ . ..... . . b) Risikozuweisung an den Geschäftsherrn . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Kalkulierbarkeit des Risikos . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Versicherbarkeit des Risikos .................................... . . . . . ... a) Versicherung des Geschädigten ...... . ........... . .......... . . . . . .. . b) Eigene Versicherung des Gehilfen ... . ...................... . . . . . ... c) Bedenken gegen die Begründung über die Versicherbarkeit .... . ... IV. Verschwimmen von Verschuldens- und Gefahrdungshaftung . . . . . . . . . . . . . V. Fazit .................. . . . .................. . ... . ... . ................ . ..... . .
175 175 176 176 178 179 179 179 180
§2
187
Ausgestaltung einer zukünftigen Regelung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . A. Die Bestimmung der Hilfsperson .. .... .. . . . ... . . . . . . . . .............. . .. . . . . . ... I. Grundsätzliche Einstandspflicht auch für Handlungen Selbständiger? . . . . II. Abgrenzung ........ . ... . ...................... . .................... . . . . . ... B. Unerlaubte Handlung des Gehilfen ............ . ...................... . ... . . . ... C. Ausführung der Verrichtung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . D. Beweislast ................. . . . .................. . . . . . . . . . .............. . . . . . . . .. . E. Beschränkung der Haftung auf Unternehmen oder Großbetriebe . . . . . . . . . . . . . . I. Beschränkung auf den Großbetrieb . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Beschränkung auf die Haftung von Unternehmen .... . .................... F. Haftungshöchstgrenze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . G. Haftung für eigenes Verschulden mit Beweislastumkehr ................. . . . . . . H. Anspruch gegen den Gehilfen/Rückgriff . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
181
181 182 183 183 184
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190 191 192 193 193 193 195
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196
§ 3 Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . l98 Literaturverzeichnis
199
Sachwortverzeichnis
215
Abkürzungsverzeichnis a.A. a.a.O. AbLEG Abs. Abschn. A.C. AcP a.E. al. All E.R.
ALR
AtomG AÜG
BAG BAGE BB Bd. BGH BGHZ B.L.R. Bos. &Pul. Buch Bull. civ. Bull.crim. BW B.W.C.C.
c.
Cass. Cass. ass. plen. Cass. eh. rt~un. Cass.civ. Cass.com. Cass.crim. Cass.req. Cass. soc. Ce Chap. Chron. 2 Renner
anderer Ansicht am angegebenen Ort Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften Absatz Abschnitt Appeal Cases (Law Reports) Archiv für die civilistische Praxis amEnde alinea All England Law Reports Preußisches Allgemeines Landrecht Atomgesetz Gesetz zur Regelung der gewerbsmäßigen Arbeitnehmerüberlassung Bundesarbeitsgericht Entscheidungen des Bundesarbeitsgerichts - amtliche Sammlung Der Betriebs-Berater Band Bundesgerichtshof Entscheidungen des Bundesgerichtshofs in Zivilsachen - amtliche Sammlung Building Law Reports Bosanquet & Puller's Common Pleas Reports (1796-1804) Buchanan's Report Bulletin des arrets de Ia Cour de Cassation en matiere civile Bulletin arrets de Ia Chambre Criminelle de Ia Cour de Cassation Burgerlijk Wetboek - niederländisches Zivilgesetzbuch Butterworth's Workmen's Compensation Cases (1908-47) Codex Cour de cassation Assemblee pleniere de Ia Cour de cassation Chambre reunis de Ia Cour de cassation Chambre civile de Ia Cour de cassation Chambre commerciale de Ia Cour de cassation Chambre criminelle de 1a Cour de cassation Chambre de requetes de Ia Cour de cassation Chambre sociale de Ia Cour de cassation Französischer Code civil Chapter Chronique
18 C.L.J. C.L.R. Comm. Cons. d'Et.
D. D.
ders./dies. D.H. DJT D.L.R. D.P. DRiZ E.&B. E.R. EWiR Ex. Exch. EzA f. FamRZ
ff. Fn. FS Gaz.Pal. Gaz. Trib. Gruchot GS GS HaftPflG Harv.L.R. HGB h.M. I. I.C.R. Inf. insbes. I.R. I.R.L.R. J. JA JBI. J.C.P. J.P. Jura JuS
Abkürzungsverzeichnis Cambridge Law Journal Comrnon Law Reports comrnentaires Conseil d'Etat Recueil Dalloz Sirey de doctrine de jurisprudence et de legislation Digesten derselbe/dieselbe Dalloz hebdomadaire Verhandlungen des Deutschen Juristentages Dominion Law Reports Recueil Dalloz periodique Deutsche Richterzeitung Ellis & Blackbum's Queen's Bench Reports English Reports Entscheidungen zum Wirtschaftsrecht Exchequer Exchequer Reports Entscheidungssammlung zum Arbeitsrecht folgende Familienrechtszeitschrift (Zeitschrift für das gesamte Familienrecht) fortfolgende Fußnote Festschrift Gazette du Palais Gazette de Tribuneaux Beiträge zur Erläuterung des deutschen Rechts, begründet von Gruchot Gedenkschrift Großer Senat Haftpflichtgesetz Harvard Law Review Handelsgesetzbuch herrschende Meinung Institutionen Industrial Case Reports Information rapide insbesondere Irish Reports Industrial Relations Law Reports Judge Juristische Arbeitsblätter Juristische Blätter Jurisclasseur periodique (semaine juridique) Justice of the Peace and Local Govemment Review Juristische Ausbildung Juristische Schulung
Abkürzungsverzeichnis JW JZ Kap. K.B. KF K.I.R. Leg. LG L.J.M.C. Lloyds Rep. L.Q.R. L.R. L.S. MDR M.L.R. Mod. NJW NJW-RR N.S.W. N.S.W.L.R. OAG OGH OLG OR Pan. pr. Q.B. Q.B.D. RabelsZ R. bancaire Rec. Cons. d 'Et. Rec. Dijon et Nancy Resp. civ. et ass. Rev.crit. Rev. gen. ass. terr. Rev. trim. dr. civ. RGZ RIDA
RIW
Rn. RRa R.T.R.
s.
s.
S.A.S.R. 2*
19
Juristische Wochenschrift Juristenzeitung Kapitel King's Bench (Law Reports) Karlsruher Forum Knights lndustrial Reports Legislation Landgericht Law Journal Reports Magistrates' Cases (1831-96) Lloyd's List Law Reports Law Quartly Review Law Reports Legal Studies Monatsschrift für Deutsches Recht Modern Law Review Modern Reports Neue Juristische Wochenschrift NJW-Rechtsprechungs-Report Zivilrecht New South Wales New South Wales Law Reports Oberappelationsgericht Oberster Gerichtshof (Österreich) Oberlandesgericht Schweizerisches Obligationenrecht Panorama principium Queen's Bench (Law Reports) Queen's Bench Devision Zeitschrift für ausländisches und internationales Privatrecht; begrtindet von Ernst Rabe! Revue bancaire Recueil des arrets du Conseil d'Etat Recueil de jurisprudence des cours d'appel de Dijon et Nancy Responsabilite civile et assurance Revue critique de legislation et de jurisprudence Revue generale des assurances terrestres Revue trimestrielle de droit civil Entscheidungen des Reichsgerichts in Zivilsachen - amtliche Sammlung Revue internationale des droits de l' antiquite Recht der internationalen Wirtschaft Randnummer Reiserecht aktuell Road Traflic Reports Seite Sirey South Australian State Reports
20
s.c.
SeuffA SKL S.L.T. Somm. st. Stan.L.R. StVG
sz
T.L.R. Trib. Trib.civ. Trib. confl. Trib.inst. U.T.L.J. VersR vgl. VRS VVG WHG W.L.R. WM Yale L.J. ZEuP ZfRV ZfW ZHR ZIP ZPO ZSSt
Abkürzungsverzeichnis Session Cases Seufferts Archiv für Entscheidungen der obersten Gerichte Skadeständslag - schwedisches Schadensersatzgesetz Scots Law Times Sommaires stycke (schwedisch für Absatz) Stanford Law Review Straßenverkehrsgesetz Entscheidungen des Österreichischen Obersten Gerichts in Zivilsachen Times Law Reports Tribunal Tribunal civil Tribunal des conflits Tribunal d'instance University of Toronto Law Journal Versicherungsrecht vergleiche Verkehrsrechts-Sammlung Gesetz über den Versicherungsvertrag Wasserhaushaltsgesetz Weekly Law Reports Wertpapier-Mitteilungen (Zeitschrift für Wirtschafts- und Bankrecht) Yale Law Journal Zeitschrift für Europäisches Privatrecht Zeitschrift für Rechtsvergleichung Zeitschrift für Wasserrecht Zeitschrift für das gesamte Handels- und Wirtschaftsrecht Zeitschrift für Wirtschaftsrecht Zivilprozessordnung Zeitschrift der Savigny-Stiftung für Rechtsgeschichte (Romanistische Abteilung)
Was Henker! Freilich Händ' und Füße Und Kopfund H--, die sind dein; Doch alles, was ich frisch genieße, Ist das drum weniger mein? Wenn ich sechs Hengste zahlen kann, Sind ihre Kräfte nicht die meine? Ich renne zu und bin ein rechter Mann, Als hätt' ich vierundzwanzig Beine. (Johann Wolfgang von Goethe, Fausri)
Einleitung Das Voranstellen der Zeilen Goethes mag in einer Arbeit zum Thema Geschäftsherrnhaftung seltsam erscheinen, geht es doch nicht um die Tierhalterhaftung und ist in der heutigen Arbeitswelt der Einsatz von Hengsten eher selten. Man könnte den Gedanken Goethes aber weiterführen: "Wenn ich zwölf Knechte zahlen kann ... ". Dahinter steckt die Überlegung, dass derjenige, der sich die Arbeitskraft anderer zunutze macht und damit seinen Handlungsradius erweitert, so zu behandeln ist, als wäre er selbst tätig geworden. Vor allem mit diesem Gedanken wurde schon sehr früh und wird bis heute die außervertragliche Haftung für Hilfspersonen begründet. Und so ist die Verantwortlichkeit für das Verhalten anderer zwar nicht so selbstverständlich wie die Verantwortlichkeit für die eigene unerlaubte Handlung, sie scheint sich aber doch oft recht eindeutig daraus zu ergeben, dass die Hilfsperson im Interesse des zur Verantwortung Gezogenen tätig wird. In das BGB ist dieser Gedanke nur ansatzweise eingeflossen- sieht doch § 831 BGB eine Haftung nur bei eigenem Fehlverhalten auch des Geschäftsherrn vor-, wohingegen die Nachbarn Deutschlands die Geschäftsherrnhaftung mehrheitlich nur an eine schuldhafte Handlung des Gehilfen knüpfen. Die vorliegende Arbeit untersucht zunächst die gemeinsamen geschichtlichen Grundlagen des europäischen Rechts, bevor sie sich schwerpunktmäßig der Geschäftsherrnhaftung im gegenwärtigen Europa zuwendet. Schließlich soll ein Blick in das künftige Europagewagt und die Frage gestellt werden, inwieweit sich die unterschiedlichen Wege, die die europäischen Rechtsordnungen gegangen sind, zu Beginn des 21. Jahrhunderts im Rahmen der europäischen Zivilrechtsharmonisierung, die in einer gemeinsamen Zivilrechtskodifikation ihren Höhepunkt finden könnte, wieder vereinen lassen. Die Darstellung der Gegenwart beschränkt sich dabei im Wesentlichen auf das deutsche, das französische und das englische Recht. Das deutsche Recht zeichnet sich dadurch aus, dass es als eines der letzten europäischen Rechtssysteme an einer 1
Der Tragödie erster Teil, Zeilen 1820-1827.
22
Einleitung
vom Verschulden des Geschäftsherrn abhängigen Haftung festgehalten hat. Das französische Recht hat mit seiner weiten Haftungsregelung vielen anderen Rechtsordnungen als Vorbild gedient. Das englische Recht schließlich fällt etwas aus dem Rahmen: Zum einen hat es eine inhaltliche Rezeption des römischen Rechts in England allenfalls ansatzweise gegeben, 2 und insofern kann man hier nur schwer von einem gemeinsamen Ursprung sprechen. Zum anderen hat sich das common /aw auch weitgehend späterer Einflüsse durch das kontinentaleuropäische Recht erwehren können. Eben aus diesem Grund bedarf das englische Recht, das es ebenfalls in ein europäisches Rechtssystem zu integrieren gilt, hier besonderer Betrachtung. Zudem stellt sich die Frage, ob nicht die größere Flexibilität des common /aw zu einer den veränderten Verhältnissen der Wirtschafts- und Arbeitswelt besser angepassten Regelung geführt hat, als sie das kodifizierte Recht Kontinentaleuropas bereithält. Auch in Deutschland und Frankreich ist man aber nicht auf dem Stand des Gesetzgebers stehen geblieben. Die Darstellung des gegenwärtigen Rechts berücksichtigt daher in besonderer Weise die Ausprägung, die die Geschäftsherrnhaftung durch Rechtsprechung und Lehre erfahren hat, denn es kommt bei der Untersuchung der europäischen Rechtssysteme im Hinblick auf eine mögliche Vereinheitlichung, so schreibt zu Recht v. Bar, 3 darauf an, das "tatsächlich gelebte Recht einzufangen und nicht nur auf der Ebene des oft blassen Gesetzesrechts stehen zu bleiben". Bevor schließlich versucht wird, eine europäische Regelung auf ein gemeinsames Fundament zu stellen, wird noch ein kurzer Blick auf andere europäische Regelungen geworfen, die entweder der deutschen oder der französischen ähnlich sind.
2 Zimmermann, JZ 1992, 8 (15), wendet sich gegen die These, das common law habe sich völlig isoliert, und meint, man befände sich überdies bereits im Prozess der Reintegration des
common/aw. J
ZfRV 1994, 221 (232).
Erstes Kapitel
Die Haftung für HUfspersonen in der europäischen Geschichte Die Hilfe ihrer Mitmenschen haben sich die Menschen seit jeher zunutze gemacht. Es war selbstverständlich, dass für Schädigungen durch einen Einzelnen der Familien-, genauer Agnatenverband des Schädigers verantwortlich war. Aus der einer Schädigung in der Frühzeit folgenden Gruppenfehde 1 entwickelte sich zunehmend ein Schadensersatzanspruch, der in das staatliche Rechtssystem einbezogen wurde. 2 Die Erweiterung des Aktionskreises über den Familienverband hinaus führte die rechtliche Problematik des Handeins für andere aus dem kleinen überschaubaren Bereich langsam heraus. Diese Tendenz zeigt sich im Ansatz bereits bei den Römern, die bald - wenn auch nur in Ausnahmefällen - eine Haftung für freie Hilfspersonen vorsahen. Das römische Recht - nach Koschaker 3 "Mittler unter den großen europäischen Privatrechtssystemen"- wird hier zuerst vorgestellt und bildet den Schwerpunkt. 4 Anschließend wird die weitere Entwicklung in Buropa skizziert, die in Kontinentaleuropa in den Erlass der großen Privatrechtskodifikationen mündet.
§ 1 Das römische Recht Die Römer kannten keine allgemeine Regelung der Haftung für andere. 1 Deliktisch haftete der paterfamiliasnach den Noxalklagen. In bestimmten Fällen war eine verschuldensunabhängige, quasideliktische Haftung anerkannt, teilweise auch eine Haftung für Auswahlverschulden. Schließlich gab es in einigen Bereichen eine strenge vertragliche Haftung, in die auch Taten von Hilfspersonen einbezogen waren. Kaser, Das römische Privatrecht I,§ 39 Fn. 7 (S. 147). Vgl. dazu Luzzatto, ZSSt 73 (1956), 29 (44). 3 Europa und das römische Recht, XIII C (S. 352). 4 Zimmermann, The Law of Obligations, Preface (S. viii), schreibt zur Bedeutung des römischen Rechts für die heutige Rechtswissenschaft: ..... by analysing a crisp opinion given by Celsus or Ulpian, one canfrequently learn more about legal ingenuity than by wading through the elaborate treatises of many modern professors ". 1 Drcyer, 17. DJT (1884), Bd. 1, 46 (70); Kaser, Das römische Privatrecht I, § 119 lll6 (S. 513); Seiler, JZ 1967, 525 (526); Zimmermann, The Law of Obligations, Chap. 32 112(a) (S.1120). 1
2
24
I. Kap.: Haftung für Hilfspersonen in der europäischen Geschichte
A. Die Noxalhaftung I. Entwicklung
Aus der Verantwortlichkeit des Familienverbandes ging im römischen Recht die Noxalhaftung hervor, die bereits dem altrömischen Recht bekannt war. 2 Danach haftete der pater familias für die Delikte seiner Gewaltunterworfenen, also vor allem der Abkömmlinge und der Sklaven. Der Geschädigte sollte zwar grundsätzlich auch auf den Schädiger selbst zugreifen können, 3 verklagt werden konnte dieser aber mangels eigenen Vermögens nicht. 4 Durch die Noxalhaftung konnte nun der Geschädigte mittelbar über denpater familias auf den eigentlichen Schädiger zugreifen: Der Gewalthaber konnte sich nämlich durch die Auslieferung des Sklaven befreien (noxae deditio) oder, um diesen vor der Auslieferung zu bewahren, selbst den Schaden begleichen. Während der paterfamiliasbis in die klassische Zeit mit der Noxalklage für Delikte seiner Kinder und Sklaven belangt werden konnte, hafteten zu iustinianischer Zeit mit nachlassender Bedeutung der patria potestas die Hauskinder selbst. 5 Dass man die Noxalklage für die Hauskinder nicht mehr anwendete, hängt vor allem mit der Auslieferungsmöglichkeit des Vaters zusammen. 6 Im Corpus Iuris Civilis findet sich in der Mitte des sechsten nachchristlichen Jahrhunderts die Haftung für die Hauskinder nicht mehr. An der Noxalhaftung für Sklaven, um die es im Folgenden ausschließlich gehen wird, änderte sich indes wenig.7 II. Ausgestaltung der Haftung
Voraussetzung der Haftung war, dass der Sklave vorsätzlich oder fahrlässig 8 ein Delikt (maleficium) begangen hatte. 9 Die Tat des Sklaven konnte irgendeine unerlaubte Handlung sein, die Institutionen 10 nennen beispielhaft den Diebstahl nach dem Zwölftafelgesetz, die widerrechtliche Schädigung nach der Iex Aquilia und Taten, die das prätorisehe Edikt verbot, etwa die Personenverletzung. Es ist dabei selbstverständlich, dass es eine Begrenzung der Haftung auf bestimmte Tätigkeiten, Vgl. die Regelung im Zwölftafelgesetz, Tafel XII, 2. So auch Benöhr, ZSSt 97 (1980), 273 (274). Vgl. etwa noch das Zwölftafelgesetz, Tafel VIII, II, wonach der Geschädigte den Sklaven von einem Fels stoßen durfte. 4 Vgl. Benöhr, ZSSt 97 (1980), 273. 5 Zimmermann, The Law of Obligations, Chap. 32 II 1 (b) (S. 1119). 6 In den Institutionen lustinians, I.4, 8, 7 wird die Frage aufgeworfen: "quis enim patitur fi· Iium suum et maxime filiam in noxam alii dare? ". 7 Zimmermann, The Law of Obligations, Chap. 32 II 1 (b) (S. 1119). 8 Vgl. Benöhr, ZSSt 97 (1980), 273 (275). 9 Vgl.I.4, 8, pr. 10 I.4, 8, 4. 2 3
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wie wir sie heute kennen, 11 nicht gab - der pater familias war umfassend für alle schädigenden Tätigkeiten des Sklaven verantwortlich. Bemerkenswert ist, dass es nicht auf die patria potestas im Zeitpunkt der Schadenszufügung ankam, sondern auf das Gewaltverhältnis im Zeitpunkt der Inanspruchnahme. Derpaterfamilias haftete nur, solange der Sklave sich in seinem Eigentum befand; übereignete er ihn nach der Tat an einen anderen, so haftete der neue Eigentümer. 12 111. Die noxae deditio Der Gewalthaber hatte die Wahl, entweder die festgesetzte Buße zu bezahlen oder den Täter dem Verletzten auszuliefern. 13 Durch die Auslieferung - die Übertragung der Gewalt auf den Geschädigten durch mancipatio oder in iure cessio 14 - wurde der Eigentümer von der Haftung frei. 15 Begründet wurde die Auslieferungsmöglichkeit in den Institutionen damit, dass der Sklave dem Eigentümer nicht über seinen Wert hinaus nachteilig sein sollte. 16 IV. Eigenes Verschulden des Eigentümers Wie sich schon aus der Tatsache ergibt, dass immer der jeweilige Eigentümer eines Sklaven haftete, unabhängig davon, ob er zur Schadensbegehung bereits dessen Gewalthaber gewesen war, kann es für die Noxalklage auf ein eigenes Verschulden des Eigentümers nicht angekommen sein 17 - die Haftung gründete sich vielmehr auf die generelle Verantwortlichkeit des Eigentümers für seine Sklaven und kann als eine Haftung für den Wirkungs- und Gefahrenkreis angesehen werden. 18 Das eigene Verschulden spielte aber insoweit eine Rolle, als es dazu führen konnte, dass die Entlastungsmöglichkeit der noxae deditio entfiel. Der Eigentümer konnte dann direkt wegen eigener widerrechtlicher Schadenszufügung verklagt werden. Der FrühVgl. unten 2. Kap. § 1 A IV, 2. Kap. § 2 A IV, 2. Kap. § 3 A IV. 1.4, 8, 5. 13 D. 9, 4, 1 (Gaius); I. 4, 8, 2. 14 Vgl. dazu Kaser, Das römische Privatrecht I,§ 147 I 1 (S. 630). IS I.4, 8, 3. 16 1.4, 8, 2. 17 So auch Benöhr, FS Kaser, S. 689 (S. 691); ders., ZSSt 97 (1980), 273; v. Wyss, Haftung für fremde culpa, 1. Abschn. 1. Kap. I A (S. 9ff.); Zimmern, Das System der römischen Noxalklagen, §§ 17 ff. (S. 57 ff.). Zur gegenteiligen Annahme der Pandektistik vgl. unten 1. Kap. §3 A. 18 So Kaser, JuS 1967, 337 (344). Man kann freilich einwenden, dieser Begründung stehe 11
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ebenfalls die Haftung des neuen Eigentümers beim Eigentümerwechsel entgegen. Die Aussage lässt sich aber aufrecht erhalten, wenn man sie so versteht, dass der Eigentümer jedenfalls die Gefahr der Inanspruchnahme hinsichtlich der Sklaven trägt, die zu diesem Zeitpunkt in seinem Eigentum stehen.
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klassiker Proculus 19 beschreibt etwa den Fall eines Pächters, dessen Sklave ein Wirtschaftsgebäude durch einen Brand zerstört hat. Dieser Pächter hafte, so Proculus, grundsätzlich sowohl aus Vertrag als auch aus der Noxalklage -letzteres aber nur, soweit ihn kein Verschulden treffe, sonst hafte er selbst wegen eigener widerrechtlicher Handlung ohne die Möglichkeit der noxae deditio. 20 Mit dem eigenen Verschulden sind dabei insbesondere Fälle gemeint, in denen der Pächter von der Ungeeignetheil des Sklaven wusste oder davon hätte wissen müssen. 21 Allerdings finden sich auch gegensätzliche Stellen: Der Spätklassiker Paulus 22 bemerkt etwa, die Noxalklage bleibetrotzdes Fehlverhaltens des Eigentümers neben derjenigen aus eigener Tat bestehen. 23 Dass die Haftung verschuldeosunabhängig war, geht schließlich aus einer Aussage des Frühklassikers Sabinus 24 hervor, der schreibt, die Tat des Sklaven dürfe dem Eigentümer deshalb nur begrenzt schaden, weil er selbst nichts Unrechtes getan habe. B. Die quasideliktische Haftung Als quasideliktische Haftung (quasi ex maleficio) bezeichneten die Römer bestimmte Fälle der Haftung, in denen der Geschäftsherr nur "in gewissem Maße" wegen Verschuldeos verantwortlich war (aliquatenus culpae reus est). 25 Gerneint sind Fälle, in denen die Haftung kein Verschulden im eigentlichen Sinne voraussetzte, in denen aber an ein Verhalten des Haftenden angeknüpft wurde, für das man ein Verschulden gleichsam vermutete. I. Die Haftung des Hausbewohners
So haftete der Bewohner eines Hauses, aus dem etwas geworfen wurde oder herabfiel, der Eigentümer war hingegen nicht verantwortlich- ., culpa enim penes eum [qui inhabitat] est". 26 Obwohl Ulpian hier von culpa spricht, stellt er im nächsten Satz klar, dass ein Verschulden des Bewohners nicht Voraussetzung der Haftung 19 Zitiert von Ulpian in D. 9, 2, 27, II. Vgl. zu dieser Stelle auch MacCormack, 18 (1971) RIDA 525 (536). 20 So ftir den Fall, dass der Eigentümer den Befehl zur schädigenden Handlung gegeben hat, auch der Hochklassiker Celsus, zitiert von Ulpian in D . 9, 4, 2, I. Celsus meint, der Sklave sei hier entschuldigt, da er beim Widerstand gegen den Befehl sein Leben geflihrdet hätte. 21 MacCormack, 18 (1971) RIDA 525 (536f.); Zimmern, Das System derrömischen Noxalklagen, § 9 (S. 35). 22 D. 9, 4, 4, 2. 23 Er begründet dies damit, dass der Sklave selbst nicht straflos bleiben könne. V gl. aber Celsus, Fn. 20; vgl. auch Zimmern, Das System der römischen Noxalklagen, § 23 (S. 76 ff.). 24 Zitiert von Paulus in D. 2, 10, 2. 25 1.4, 5, 3. 26 D.9,3,1,4.
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war, .,quamquis damni iniuriae utrumque exiget" 21 , culpa scheint daher eher im Sinne von Zurechenbarkeit gemeint zu sein. 28 Die Verantwortlichkeit war eine Art Gefahrdungshaftung des Bewohners, 29 der seinen Haushalt so zu organisieren hatte, dass derartige Dinge nicht geschehen. 30 II. Die Haftung der Reeder und der Gast- und Stallwirte Ebenfalls verschuldensunabhängig hafteten bestimmte Berufsgruppen für Diebstähle31 und Sachbeschädigungen32 sogar ihrer freien Hilfspersonen: die Reeder (nautae), sowie die Gast- (caupones) und Stallwirte (stabularii). Hintergrund der Haftung war, dass man diese als eine Gattung besonders unzuverlässiger Menschen33 und damit das Schadensrisiko als gesteigert ansah. Wurde der Diebstahl durch einen eigenen Sklaven verübt, konnte sich der Reeder durch dessen Auslieferung entlasten. 34 Diese Privilegierung erklärte Ulpian 35 damit, dass der Reeder bei der Einstellung freier Menschen auf deren Charakter zu achten habe, die Tat des Sklaven aber sei als häusliches Übel anzusehen. Die Haftung für Freie wurde demnach mit der Auswahl einer ungeeigneten Person gerechtfertigt, gleichwohl scheint aber ein Auswahlverschulden nicht Voraussetzung der Haftung gewesen zu sein.
C. Die vertragliche Haftung Eine Haftung für Hilfspersonen gab es auch im Vertragsrecht. Sie stützte sich weitgehend auf ein Auswahlverschulden des Geschäftsherrn. Daneben kannte das römische Recht die verschuldensunabhängige custodia-Haftung. I. Die Haftung für Auswahlverschulden
Die Verantwortlichkeit richtete sich nach der Art des zugrunde liegenden Schuldverhältnisses: So musste neben dem eben erwähnten Reeder auch der Pächter für die Handlungen all seiner Leute einstehen. Er haftete für die auf dem gepachteten Vgl. MacCormack, 18 (1971) RIDA 525 (548). Vgl. auch Kaser, Das römische Privatrecht II, § 146 V 1, insbes. Fn. 38 (S. 629f.). 29 Kaser, Das römische Privatrecht I,§ 146 V 1 (S. 628 f.); ders., Das römische Privatrecht II, § 271 II 2 (S. 428 f.); Zimmermann, The Law of Obligations, Chap. 32 II 2 (c) (S. 1122); vgl. auch Petersen, 18. DJT (1886), Bd. 1, 275 (278). 30 So auch MacCormack 18 (1971) RIDA 525 (548). 31 D.47, 5, 1 (Ulpian). Vgl. dazu ausführlich v. Wyss, Haftung für fremde culpa, l.Abschn. 2.Kap. lA (S.57ff.). 32 D.4, 9, 6, I (Paulus). 33 Vgl. etwa D.4, 9, 3, 1 (Ulpian). 34 D.47, 5, 1, 5 (Ulpian). 35 D.47, 5, 1, 5. 27
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Grundstück tätigen Sklaven und freien Gehilfen, und zwar für das Verschulden dieser Personen, wenn ihm vorzuwerfen war, dass er sie auf seinem Grundstück geduldet hatte. 36 Ulpian 31 schildert etwa nach Neratius den Fall, dass ein Landhaus abbrennt, weil der als Ofenheizer tätige Sklave des Pächters bei der Arbeit eingeschlafen ist: "Ceterum si noxios servos habuit, damnum eum iniuria teneri, cur ta/es habuit. "
Der Reeder haftete neben der quasideliktischen Haftung vertraglich für Schäden an den von Passagieren an Bord mitgenommenen Sachen: "Debet exercitor omnium nautarum suorum, sive liberi sint sive servi,factum praestare: nec immerito factum eorum praestat, cum ipse eos periculo adhibuerit. " 38
Neben der Aussage, dass der Reeder für alle seine Gehilfen, Sklaven und Freie, einstehen muss, findet sich hier also ein zweiter, für die heutige Geschäftsherrnhaftung noch wesentlicher Gedanke, nämlich dass der Geschäftsherr hafte, weil er die Gehilfen auf seine Gefahr eingesetzt habe. Er ist verantwortlich aufgrund des Verschuldens, solche Leute beschäftigt zu haben - culpae scilicet suae qui ta/es adhibuit. 39 Für eigene Sklaven kann er sich wiederum durch die noxae daeditio entlasten.40 Die Quellen 41 legen nahe, dass das Auswahlverschulden nicht wirkliche Voraussetzung der Haftung war, sondern gewissermaßen unwiderleglich vermutet wurde. 42
11. Die Haftung für custodia
Kein Verschulden erforderte die vertragliche Haftung für custodia43 - eine Art Garantiehaftung für Zufall, mit Ausnahme der höheren Gewalt. 44 Der Schuldner haftete danach für Schädigungen an Gegenständen aus dem Vermögen des Gläubigers, die er zu seinem eigenen Vorteil in seinem Besitz hatte, wie etwa bei der Leihe. 45 Er 36 0 . I9, 2, 11, pr. (Ulipan): ,.mihi ita placet, ut culpam etiam eorum quos induxit praestet suo nomine, etsi nihil convenit, si tarnen culpam in inducendis admittit, quod ta/es habuerit vel suos vel hospites." 37 0. 9, 2, 27, 9. 38 0.4, 9, 7, pr. (Ulpian). 39 0.4, 9, 7, 4 (Ulpian). 40 0.4, 9, 7, 4 (Ulpian). 41 Vgl. erneut 0 .4, 9, 7, 4 (Ulpian) und 0 .47, 5, I (Ulpian). 42 So auch Krückmann, ZSSt 60 (1940), I (19); Zimmermann, The Law of Obligations, Chap. 32 II 2(c) (S. 112I). Gegen die Annahme, es handele sich um eine Fiktion der culpa, Goldschmidt, ZHR 16 (1871), 287 (340ff.) und, zur insoweit ähnlichen Stelle 0.44, 7, 5, 6 (Gaius), MacCormack, I8 (I971) RIDA 525 (549f.). 43 Vgl. D. 4, 9, 3, I (Ulpian); D. I8, 6, 2, I (Gaius); D. I9, 5, I7, 4 (Ulpian). 44 0. I8, 6, 2, I (Gaius); 0. I9, 2, 36 (Florentin). 45 Vgl. Kaser, Das römische Privatrecht I,§ II8 1112 (S. 506f.).
§ 2 Die Entwicklung bis ins 19. Jahrhundert
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musste für die sorgfältige Überwachung unabhängig davon einstehen, wen er damit betraut hatte - er haftete insofern auch für Hilfspersonen. 46 Der Praetor gewährte hier neben der zivilrechtliehen Klage aus dem jeweiligen Vertrag, die verschuldensoder sogar vorsatzabhängig war, eine verschuldeosunabhängige honorarrechtliche Klage für die ordnungsgemäße Bewachung.47 Begründet wurde die Haftung damit, dass derjenige, der den Vorteil des Besitzes habe, auch die Gefahr trage (Utilitätsprinzip)48 -eine wichtige Ausnahme vom Grundsatz casum sentit dominus.49 Eine Mischform zwischen custodia-Haftung und Verschuldenshaftung, bei der es auf die Fahrlässigkeit des Gehilfen ankam, kannte wohl Ulpian 50, der den Fall beschreibt, dass ein Gutachter den Rücktransport der begutachteten Sache zum Eigentümer durch einen Gehilfen veranlasst hat und die Sache untergeht. Der Gutachter hafte, so Ulpian, bei Fahrlässigkeit des Gehilfen, als habe er die Sache in seinem Interesse bekommen (si sui causa accepit); er haftete also, als hätte er für deren Bewachung einstehen müssen. 51
§ 2 Die Entwicklung bis ins 19. Jahrhundert In den folgenden Jahrhunderten sind vor allem drei wesentliche Entwicklungslinien von Interesse. Zum einen wird der weitere Weg des römischen Rechts verfolgt, das sich nach der Rezeption in verschiedenen Ausprägungen in Buropa niedergeschlagen hat und die europäischen Privatrechtskodifikationen maßgeblich geformt hat. Daneben wird die Geschichte des englischen Rechts verfolgt, das sich weitgehend römisch-rechtlicher Einflüsse erwehren konnte. Schließlich sind die germanischen Volksrechte, vom klassischen römischen Recht nur marginal über das Vulgarrecht geprägt, wegen ihres Einflusses auf das deutsche Recht von Interesse. A. Die germanischen Volksrechte In den germanischen Rechtsordnungen ging die Haftung für Hilfspersonen ebenfalls aus der Verantwortlichkeit des Hausherrn für seine Sippe und Hausgenossenschaft hervor. 1 Der Herr haftete mit Ersatz oder Buße auch für die Taten seiner Leib46 Zur Bedeutung der custodia-Haftung für den heutigen § 278 BGB vgl. Krückmann, ZSSt 60 (1940), 1 (17f.). 47 Vgl. zum Ganzen ausführlich D.4, 9, 3, 1 (Ulpian). 48 Vgl. dazu Kaser, Das römische Privatrecht I, § 118 II14 b (S.512). 49 V gl. zu diesem Grundsatz etwa C. 4, 24, 9. 50 D. 13, 6, 10, 1. 51 Paulus, D. 13, 6, II, begründet die Haftung wiederum mit der mangelhaften Auswahl der Hilfsperson. 1 v. Gierke, Deutsches Privatrecht,§ 213 (S. 922); Hübner, Grundzüge des deutschen Privatrechts, § 89 II 1 (S. 565); v. Schwerin, Grundzüge des Deutschen Privatrechts, §57 113 (S. 182).
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1. Kap.: Haftung für HUfspersonen in der europäischen Geschichte
eigenen 2 - die Haftung war von einem Verschulden des Herrn unabhängig. 3 Teilweise gab es -ähnlich wie bei der N oxalhaftung4 - eine Entlastungsmöglichkeit durch Auslieferung des Schädigers. 5 Mit nachlassender Bedeutung der Hausverbände entwickelte sich auch für andere HUfspersonen eine verschuldensunabhängige Haftung. 6 Neben die Auslieferungsmöglichkeit trat später eine andere Haftungsbegrenzung: Im Sachsenspiegel (Landrecht, 2. Buch, XXXII 1) heißt es: "Nimant en iz vor sinen knecht phlichtig zu antwertene vorbaz, wen alse sin Ion gewert, her en werde sin borge."
Der Herr musste lediglich den Lohn, der gegenüber dem Knecht noch ausstand, an den Geschädigten statt an den Knecht zahlen. Die Haftung war insoweit streng, als der Herr für jegliche Schädigungen durch den Gehilfen haftete und es eine Beschränkung auf bestimmte Handlungen nicht gab. 7
B. Die Entwicklung im englischen Recht seit dem Mittelalter Auch im englischen Recht ist der Ausgangspunkt der Verantwortlichkeit für das Handeln Dritter die Haftung des Hausherrn für alle Personen seines Haushalts. 8 Im Frühmittelalter wurde daraus, resultierend aus dem Feudalsystem, eine Haftung des Herrn für seine Untergebenen. 9 Die vicarious liability 10 desmasterfür seine servants in der heutigen Form hat ihren eigentlichen Ursprung im 17. Jahrhundert; Sir lohn Holtu adaptierte die mittelalterlichen Regeln für die moderne Gesellschaft. 12 Nachdem zunächst der ausdrückliche Befehl ("express command") desmasterzur schädigenden Handlung des servant Voraussetzung der Haftung gewesen war, 13 bedurfte es nach Holt nur noch eines stillschweigenden Befehls ("implied command" später "implied authority"). 14 Von Bedeutung war diese Änderung vor allem für die Stobbe, Handbuch des Deutschen Privatrechts, § 264 I (5. 548). Vgl. etwa Lex Angliorum et Werinorum §59: "Omne damnum, quod servus f ecerit, dominus emendet ". Vgl. auch Hübner, Grundzüge des deutschen Privatrechts, §77 12b (5.519). 4 Vgl. dazu oben 1. Kap.§ 1 A. 5 Vgl. etwa Lex Salica 40 § 4, 5, wonach der Herr, wenn er den Verbrecher nicht dem Gericht stellen wollte, für ihn ganz so einzustehen hatte, als wäre er selbst der Verbrecher gewesen; vgl. auch v. Schwerin, Grundzüge des Deutschen Privatrechts, §57 II 3 (S. 182); Stobbe, Handbuch des Deutschen Privatrechts, § 264 I (S. 548). 6 Stobbe, Handbuch des Deutschen Privatrechts, § 264 II I (5. 549). 7 Vgl. auch Zimmermann, The Law of Obligations, Chap. 32 II 1 (b) (S. 1120). 8 Vgl. Fleming, Law ofTorts, Chap.19, 1 (S.366). 9 Fleming, Law ofTorts, Chap. 19, 1 (5.366). 10 Der Begriff wurde wohl erstmals 1916 verwendet von Pollack, vgl. Pollock-Holmes Letters I, 5. 233. 11 Vgl. Tuberville v. Stamp (1697) 12 Mod. 152f. 12 Salmond!Heuston, Law of Torts, Chap. 21.1. (5.430). 13 Vgl. auch Baker, English Legal History, Chap. 22 (5. 465). 14 Vgl. Tuberville v. Stamp (1697) 12 Mod.l52f. 2
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§ 2 Die Entwicklung bis ins 19. Jahrhundert
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Beweismöglichkeiten des Geschädigten, wenn master und servant im Verhältnis employer-employee standen, weil nunmehr ein Beschäftigungsverhältnis allein bereits wichtige Indizwirkung für das Vorliegen des erforderlichen implizierten Befehls hatte. 15 Zu Beginn des 19. Jahrhunderts schließlich ließ man das Vorliegen eines "master and servant relationship" und eine Schädigung durch den servant "in course ofemployment" für die Haftung genügen und verzichtete auf die "implied authority" oder sonst eine schuldhafte Handlung des master. 16 Die eigentlich bis dahin nur über ein eigenes Verschulden desmasterkonstruierte Verantwortlichkeit 17 wurde damit auch formell aufgegeben.
C. Das römisch-holländische Recht Das römisch-holländische Recht, dessen Bedeutung sich aus der wirtschaftlichen und kulturellen Blüte Hollands im 17. Jahrhundert erklärt, 18 ist trotz Anlehnung an das römisch-kanonische ius commune, beeinflusst durch das säkularisierte Naturrecht, in einigen Bereichen eigene Wege gegangen. Die Geschäftsherrnhaftung war verschuldeosunabhängig und wird zumindest auch auf die Haftung des Familienoberhauptes für Verfehlungen der Glieder der Hausgemeinschaft im germanischen Recht 19 zurückgeführt. Wie im Sachsenspiegel ist die Haftung auf den noch ausstehenden Lohn begrenzt. 20 Schon bei Grotius 21 findet sich diese Begrenzung: "Door der dienaers misdaed en werdende meesters ende vrouwen in 't ghemeen niet verbanden, dan zoo veel de onbetaelde huir mag bedragen."
Ein Teil der Literatur ging dagegen von einer unbegrenzten Verantwortlichkeit des Geschäftsherrn aus; 22 hergeleitet wurde dies wohl aus der quasideliktischen Haftung nach dem römischen Recht, insbesondere aus der Haftung des Hausbewohners. 23 Die Meinungsverschiedenheit zeigt, wie schwer man sich damit tat, aus dem Winfield!Jolowicz, Tort, Chap. 21 (S. 594). Vgl. etwaReedie v. London andNorth WesternRy. (1849) 154E.R. 1201 ff.; in diese Richtung auch schonBush v. Steinman (1799) 1 Bos. & Pul.404 (408). Vgl. auchSalmond!Heuston, Law of Torts, Chap. 21.1. (S. 430): " ... master' s liability was based, not on the fiction that he has impliedly commanded his servant to do what he did, but on the saferandsimpler ground that it wasdonein the scope or course of his employment or authority." 17 Vgl. Jones, Torts, Chap. 8.4.2 (S. 269); Winfield!Jolowicz, Tort, Chap. 21 (S. 620). 18 Vgl. Zimmermann, Das römisch-holländische Recht, S. 9 (S.14ff.). 19 Vgl. dazu oben 1. Kap.§ 2 A. 20 Vgl. vanderMerwe, Das römisch-holländische Recht, S.455 (S.467); Zimmermann, The Law ofObligations, Chap.32 II 1 (b) (S.I119f.). 21 Inleiding, III, XXXVIII, I, 8. 22 Vgl. etwa Voet, Commentarius, ad D.9, 4, 10. 23 V gl. zum Ganzen vander Merwe, Das römisch-holländische Recht, S.455 (S.468) und zur Haftung des Hausbewohners oben I. Kap. § 1 B I. 15
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I. Kap.: Haftung für Hilfspersonen in der europäischen Geschichte
römischen Recht ein allgemein gültiges Prinzip der Haftung für Hilfspersonen abzuleiten. D. Die Regelungen der Kodifikationen vor dem BGB Ab dem Ende des 18. Jahrhunderts wurden in Europa umfangreiche Gesetzeswerke geschaffen, von denen vor allem das Preußische Allgemeine Landrecht und der französische Code civil, der für mehrere andere Kodifikationen im romanischen Rechtskreis Pate gestanden hat, im vorliegenden Zusammenhang Bedeutung haben. I. Die Gesetzgebung in Deutschland
In Deutschland statuierte das Preußische Allgemeine Landrecht von 1794 erstmals ausdrücklich eine vom Verschulden des Geschäftsherrn abhängige Haftung. Weder im vertraglichen noch im deliktischen Bereich kannte das Gesetz eine Generalklausel der Haftung für andere. Geregelt war die außervertragliche Haftung für Bevollmächtigte, Dienstboten, Gesellen und Lehrlinge, die sich in allen diesen Fällen auf das eigene Verschulden des Herrn gründete. ALR I 6 § 62 bestimmte: "Wer Gesinde, das durch einen überwiegenden Hang zu groben Lastern, durch einen hohen Grad von Blödsinn oder Schwerrnuth, oder durch ansteckende Krankheiten, andem gefährlich werden kann, wissentlich in seine Dienste nimmt, oder darin behält, der haftet für alle Gefahr."
Der Geschäftsherr haftete überdies subsidiär lediglich insoweit, "als der Beschädiger selbst zum Ersatz unvermögend" war. 24 Nur wenn der Geschäftsherr die Beschädigung wissentlich geschehen ließ, befohlen oder den Schädiger sonst dazu veranlasst hatte, haftete er neben dem unmittelbaren Schädiger. 25
In Baden trat der französische Code civi/1809 in deutscher Übersetzung in Kraft. Damit wurde auch die Regelung der Geschäftsherrnhaftung in Art. 1384 al. 5 des französischen Code civil übernommen. Das badische Recht räumte dem Geschäftsherrn allerdings - anders als das französische, um das es sogleich gehen wird - die Möglichkeit der Exkulpation ein: die Haftung gründete sich damit auf das Geschäftsherrnverschulden. 26 Im Bürgerlichen Gesetzbuch für das Königreich Sachsen von 1863 war die Haftung in den§§ 116, 126, 773, 776 ebenfalls als solche für eigenes Verschulden des Geschäftsherrn ausgestaltet, 27 und auch der Entwurf eines bayerischen bürgerlichen 24 ALRI6 §53 für die Haftung des Auftragebers. Dies bestimmt auch ALRI6 §67 hinsichtlich der Haftung für Dienstboten, Handwerksgesellen und Lehrlinge. 2s Vgl. ALRI6 §§51, 52, 56, 58, 59, 61. 26 Vgl. Petersen, 18. DJT (1886), Bd.l, 275 (281). 27 Vgl. dazuDreyer, 17. DJT (1884), Bd. l, 46 (74f.), und Goldschmidt, ZHR 16 (1871), 287 (377f.).
§ 3 Die Entwick.Iung in Deutschland im 19. Jahrhundert
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Gesetzbuchs von 1861 sah grundsätzlich nur eine Haftung bei eigenem Fehlverhalten des Geschäftsherrn vor. 28 II. Der Code civi1 von 1804
In Frankreich trat 1804 der Code civil in Kraft. Die bis heute unverändert geltende Regelung des Art. 1384 al. 5 Ce, die im zweiten Kapitel ausführlich behandelt wird, regelt eine vom Verschulden des Geschäftsherrn unabhängige Haftung. Sie wurzelt bereits im vorrevolutionären Recht und wurde überliefert durch Pothier. 29 Nachdem der Vorentwurf des Code civil zunächst noch eine Regelung ähnlich der Elternhaftung in Art. 1384 al. 4 Ce und der späteren Regelung des § 831 BGB mit widerlegbarer Vermutung derfaute 30 vorgesehen hatte, hat sich der Gesetzgeber des Code civil ausdrücklich dagegen entschieden, die Haftung an die faute des Geschäftsherrn zu binden, 31 wenn auch dessen ungeachtet die heutige Regelung noch einige Zeit nach ihrer Entstehung als unwiderlegbare Verschuldensvermutung angesehen wurde. 32
§ 3 Die Entwicklung in Deutschland im 19. Jahrhundert Das 19. Jahrhundert hat insoweit eine entscheidende Bedeutung, als das Schuldprinzip hier seinen Siegeszug antrat und die deutschrechtlich ursprünglich anerkannte - von einem Verschulden des Geschäftsherrn unabhängige - Haftung endgültig verdrängte. Auf die Spitze trieb es Jhering 1 mit dem berühmt gewordenen Satz: "Nicht der Schaden verpflichtet zum Schadensersatz sondern die Schuld". 2 Mit zunehmender Industrialisierung verbreitete sich aber auf der anderen Seite die Ansicht, der Unternehmer müsse für die verursachten Risiken verschuldensunabhängig haften. 3 Immer mehr wurde der Zusammenhang erkannt zwischen der Erweiterung der Handlungsmöglichkeiten und den damit verbundenen Vorteilen ei28 V gl. im Einzelnen Dreyer, 17. DJT ( 1884), Bd. 1, 46 (75 f.). Dazu auch Goldschmidt, ZHR 16 (1871), 287 (378). 29 Obligations, Nr.121 f: ,.On rend aussi les maltresresponsables du tort causi par lesdilits [. ..] de leurs serviteurs ou ouvriers qu' ils emploient a quelque service [. ..], lorsque /es dilits [. ..] sont commis par lesdits serviteurs ou ouvriers dans I' exercice des fonctions auxquelles ils sont employis par leurs maltres, quoiqu' en I' absence de leurs maltres ... ". Vgl. zu dieser Entwick.Iung Demogue, Obligations V, Nr. 881. 30 V gl. zum Begriff der faute unten 2. Kap. § 2 Fn. 16. 31 Locre, La legislation, XIII, S.42f. 32 Vgl. dazu unten 2. Kap.§ 2 Al3. 1 Schuldmoment, S.40. 2 Er erkannte daher eine unbedingte Haftung für Gehilfenhandeln nur im vertraglichen Bereich an, vgl. Schuldmoment, S.47. 3 Vgl. Benöhr, FS Kaser, S.689 (S.694ff.).
3 Renner
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nerseits und der Konsequenz andererseits, aus diesem Handeln entstandene Schäden ersetzen zu müssen. 4 A. Die Wissenschaft Die Pandektisten5 verabsolutierten das Schuldprinzip und gingen von einer Haftung nur bei eigenem Verschulden des Geschäftsherrn aus. So haftete etwa nach Windscheid6 der Dienstgeber nur, "wenn ihn eine eigene culpa trifft, in der Auswahl, oder in der Beaufsichtigung oder er[...] etwa zum Zweck der Ausführung derbetreffenden Tätigkeit fehlerhafte Werkzeuge gestellt" hat. Den Beweis des Verschuldens sollte zudem der Kläger erbringen. 7 Windscheid 8 hielt sogar die vertragliche Haftung für fremdes Verschulden für verfehlt. Er belegte dies an der über viele Jahrzehnte umstrittenen Digestenstelle 19, 2, 25, 7. Danach haftete, wer den Transport einer Säule übernommen hat, " ... si qua ipsius eorumque, quarum opera uteretur, culpa acciderit". Der Streit entzündete sich am Wort .. eorumque". Windscheid9 meinte, Voraussetzung sei das Verschulden des Transporteurs und derjenigen, deren Hilfe er sich bediente- andernfalls hätte der Frühklassiker Gaius, so Windscheid, das Wort "eorumve" verwendet. 10 Dagegen hat etwa die vom ius commune stark geprägte11 südafrikanische Rechtsprechung die deliktische Haftung für Gehilfenhandeln vor allem aus dieser Stelle hergeleitet, 12 und ebenso hat das ROHGin Leipzig 13 dieser Stelle die unbeschränkte Haftung des Werkunternehmers für seine Gehilfen entnommen, wobei es ausdrücklich darauf hinweist, dass "que" oftmals die Bedeutung einer conjunctio disjunctiva gehabt habe. Haymann 14 schließlich erklärt die Wortwahl als "Entgleisung" Tribonians. Und so wird die Stelle jetzt auch weitgehend verstanden als Beleg für die vom Verschulden des Herrn unabhängige Haf4 V gl. auch v. Gierke, Genossenschaftstheorie, S. 803: ,,Denn der Ursprung aller Haftung für fremdes Verschulden liegt in der ehemaligen Einheit des häuslichen Verbandes, den der Hausherr als Träger dieser Einheit nach innen zu beherrschen und nach aussen zu vertreten hat. Immer aber ist [...] der eigentliche Grund der Haftung ein Herrschaftsverhältnis geblieben, vermöge dessen in einem bestimmten Bereiche die Persönlichkeit durch eine ihrer Willensbethätigung als Werkzeug dienende fremde Persönlichkeit erweitert wird und mit dem Zuwachs an Willensmacht nun auch eine entsprechende Verantwortlichkeit für Willensfehler in dieser Sphäre übernehmen soll." Vgl. auch dens., Deutsches Privatrecht,§ 213 I (S. 924). s Vgl. etwa Dernburg, Pandekten,§ 6 (S. 16); Puchta, Pandekten,§ 261 (S. 374). 6 Lehrbuch des Pandektenrechts, § 455, 6 (S. 645). 7 Lehrbuch des Pandektenrechts, §455, Fn. 12 (S. 643). 8 Lehrbuch des Pandektenrechts, §401, Fn.5 (S.462). 9 Windscheid, Lehrbuch des Pandektenrechts, §401 , Fn. 5 (S.462). 10 Zum gleichen Ergebnis wie Windscheid kommt auch Goldschmidt, ZHR 16 ( 1871 ), 287 (353ff.). 11 Vgl. Zimmermann, The Law of Obligations, Preface (S. xiii). 12 Vgl. Gifford v. Table Bay Dock and Breakwater Management Commission (1874) 4 Buch 96 (113 f.). 13 SeuffA 30, 139. 14 ZSSt40 (1919), 167 (193).
§ 3 Die Entwicklung in Deutschland im 19. Jahrhundert
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tung. 15 Die Annahme der Pandektistik, das römische Recht habe die deliktische Haftung ausnahmslos auf das Verschulden gestützt, 16 ist, wie oben 17 gezeigt wurde, ein Irrtum - er hat die Entstehung des BGB maßgeblich beeinflusst. Andere, besonders der Germanist Otto v. Gierke 18, waren einer unbeschränkten Geschäftsherrnhaftung zugeneigt. Anders als die Pandektisten verstand offenbar auch Hege/ 19 die römisch-rechtliche Noxalhaftung: er erklärte sie mit der rechtlichen Stellung des Herrn, dem Herrschaftverhältnis über den Schädiger. ,,Meine eigene Tat ist es zwar nicht, wenn Dinge, deren Eigentümer ich bin und die als äußerliche in mannigfaltigem Zusammenhange stehen und wirken[ ...], anderen dadurch Schaden verursachen. Dieser fällt mir aber mehr oder weniger zur Last, weil jene Dinge überhaupt die meinigen, jedoch auch nach ihrer eigentümlichen Natur nur mehr oder weniger meiner Herrschaft, Aufmerksamkeit usf. unterworfen sind". 20
B. Die Rechtsprechung Die Rechtsprechung des 19. Jahrhundert ging, gegründet auf das gemeine Recht, vorwiegend von einer Haftung des Geschäftsherrn nur für culpa in eligendo vel in viligando aus. 21 Zurückgewiesen wurde in den meisten Fällen das Vorbringen des geschädigten Klägers, dass der Geschäftsherr das Verschulden des Knechtes zu vertreten habe 22 - die Regelung des französischen Code civil wurde ausdrücklich als Lösungsmöglichkeit verworfen. 23 Begründet wurde dies vor allem mit der Iex Aquilia, die für die Haftung ein Verschulden des Dienstherrn vorausgesetzt habe. 24 Das OAG Celle 25 führte etwa aus: "Bei Uebertretungen der Untergebenen, welche[ ...] in ihrer Eigenschaft als den Dienstleuten des Herrn vorgenommen sind, und mit den ihnen übertragenen Geschäften zusammenhängen[ ...], darf allerdings zwar einerseits[...] die Haftung des Herrn auch für das rechtswidrige Verfahren der Dienstleute als ausgeschlossen nicht betrachtet werden. Andererseits ist jedoch diese Haftung durch die, dem aus der Lex Aquilia klagenden Theile obliegende
Kaser, Das römische Privatrecht I,§ 119 Fn. 81 (S. 513); ders., JuS 1967, 337 (344). Vgl. v. Caemmerer, ZfRV 1971, 241 (245); Zweigert/Kötz, Rechtsvergleichung, § 41 li (S. 633 f.). Vgl. auch Petersen, 18. DJT (1886), Bd.1, 275 (278): "Thatsächlich reichte in Rom die Haftung des Arbeitgebers viel weiter als heute nach gemeinem Recht". 17 1. Kap. § 1. 1s Entwurf, Abschn. V (S. 261 ). 19 Philosophie des Rechts,§ 116. 20 V gl. zu dieser Stelle und zur Einschränkung der Haftung durch die Formulierung ,,mehr oder weniger" auch Benöhr, FS Kaser, S. 689 (S. 700). 21 Vgl. OAG Celle, SeuffA 13, 140; OAG Darmstadt, SeuffA 34, 194; OAG München, SeuffA 14, 35; OAG Wiesbaden, SeuffA 17, 34; Obertribunal Stuttgart, SeuffA 32,238. 22 V gl. OAG Darmstadt, SeuffA 34, 194. 23 OAG München, SeuffA 14, 35. 24 OAG Celle, SeuffA 13, 140. 25 SeuffA 15, 26. 15
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Behauptung und Nachweisung eines den Dienstherrn selbst treffenden Verschuldens als bedingt anzunehmen."
Im vertraglichen Bereich war man strenger. Hier nahm das Reichsgericht26 - allerdings deutlich später- an, dass der Geschäftsherr bei auf einen Erfolg gerichteten Handlungen haftete, und auch das Reichsoberhandelsgericht21 nahm nahezu ohne Begründung die unbedingte Haftung eines Werkunternehmers an. Ganz vereinzelt ist allerdings auch im deliktischen Bereich eine strenge Haftung bejaht worden: Das OAG München 28 hat in zwei Fällen die Haftung einer Eisenbahngesellschaft für durch Funkenflug verursachten Brand angenommen, ohne dass es den Nachweis eines Auswahl- oder Überwachungsverschuldens verlangt hätte. Das Gericht begründete dies damit, dass wegen der Gefahr des Funkenfluges schon der Betrieb einer Eisenbahn eine "culpose Handlungsweise" sei. 29 Der Grund für die verschuldensunabhängige Haftung ist hier demnach nicht der Gehilfeneinsatz, sondern die Gefahrlichkeit des Eisenbahnbetriebs.
C. Spezialgesetzgebung Auch in der Spezialgesetzgebung im wirtschaftsrechtlichen Bereich wurde die Haftung - vor dem Hintergrund der bei wirtschaftlicher Betätigung entstehenden Risiken - teilweise strenger verstanden. Eine unbeschränkte Geschäftsherrnhaftung sah der preußische Entwurf des Handelsgesetzbuches vor. 30 Nach Art. 42 sollte der Prinzipal für den Schaden haften, der durch unerlaubte Handlungen eines Prokuristen " ... in Ausführung eines Geschäfts, auf welches sich sein Auftrag erstreckt, ..." verursacht wurde. Art. 50 des Entwurfs sah Entsprechendes für Schädigungen durch Handlungsbevollmächtigte vor, Art. 57 schließlich für alle Handelsgehilfen. Bei der Ausarbeitung eines Allgemeinen Deutschen Handelsgesetzbuches lehnte man die Vorschläge, die in Art. 42, 50 und 57 des preußischen Entwurfs gemacht worden waren, allerdings ab. Zu erwähnen ist schließlich die Gefahrdungshaftung nach dem Reichshaftpflichtgesetz von 1871, das im Haftpflichtgesetz von 1978 aufgegangen ist; darum wird es später noch gehen. 31
RGZ 33, 169 (170). Die Entscheidung stammt aus dem Jahr 1894. SeuffA 30, 139. 2s SeuffA 10, 164; 14, 208. 29 OAG München, SeuffA 14,208. 30 Dazu ausführlich Dreyer, 17. DJT (1884), Bd. 2, 46 (71 ff.) und Goldschmidt, ZHR 16 (1871), 287 (379ff.). 31 Vgl.2.Kap. § 1 CII3. 26
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§ 3 Die Entwicklung in Deutschland im 19. Jahrhundert
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D. Die Juristentage 1884 und 1886 Auf den Deutschen Juristentagen der Jahre 1884 und 1886 wurde ausgiebig über eine Regelung der Geschäftsherrnhaftung diskutiert. Während man sich 1884 im Bereich der vertraglichen Geschäftsherrnhaftung für eine unbeschränkte Haftung aussprach, wurde die Frage nach der deliktischen Haftung auf das Jahr 1886 vertragt, weil hinsichtlich dieser Problematik "die schöne Aufgabe des Juristentages, die communis opinio der deutschen Rechtswelt zu formulieren, zur Zeit unerfüllbar"32 schien. Die Tendenz ging aber dahin, eine unbeschränkte Haftung einzuführen - dafür sprachen sich zwei der drei Gutachten aus. 33 Lediglich das Gutachten von Leonhard34 wollte an der Lösung des gemeinen Rechts festhalten. Der 18. Deutsche Juristentag 1886 rang sich dann zu einer Stellungnahme durch und entschied sich mehrheitlich für eine vom Verschulden des Geschäftsherrn unabhängige Haftung. Bedenken dagegen äußerte etwa Enneccerus. 35 Er hielt eine unbedingte Geschäftsherrnverantwortlichkeit für eine Zufallshaftung, die nur durch falsche "Bilder" - wie etwa, der Gehilfe sei das "Verlängerte Ich" des Geschäftsherrn- anstau durch fundierte Konstruktionen begründet werde. Jaques 36 hielt dem entgegen, indem das Gehilfenverschulden Voraussetzung der Haftung bleibe, handele es sich keineswegs um Zufallshaftung. Letztlich ohne überzeugende Begründung favorisierte die Mehrheit eine Regelung, die der französischen ähnlich sein sollte.37 Otto Mayer 38 , der das Verwaltungsrecht später so maßgeblich geprägt hat, schrieb etwa: "Wenn die Sache da ist, findet sich[... ] die Construktion immer."
E. Die BGB-Entstehung Geprägt durch die dargestellte Entwicklung seit Beginn des 19. Jahrhunderts, standen an dessen Ende die Beratungen über das BGB. Die erste Kommission legte dem Schuldrecht den 20 Jahre alten pandektistischen Dresdner Entwurf zugrunde, dessen Regelung der Geschäftsherrnhaftung nicht nur das Verschulden des GeSo Dreyer, 17. DIT (1884), Bd. 2, 81 (94). 0. Mayer, 17. DJT (1884), Bd.1, 125ff.; Dreyer, 17. DIT (1884), Bd. 1, 46ff. 34 17. DIT (1884), Bd.1, 337ff. 35 18. DIT (1886), Bd. 2, 99 (101). 36 18. DJT (1886), Bd. 2, 102. 37 Die extensive Rechtsprechung zur Haftung für Gelegenheitsdelikte des Gehilfen im französischen Recht (vgl. unten 2. Kap. § 2 A IV 2) empfand man aber eher als abschreckend, Vgl. etwa Petersen, 18. DIT (1886), Bd. 1, 275 (281). 38 17. DJT (1884), Bd. 1, 124 (127). 32 33
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1. Kap.: Haftung für Hi1fspersonen in der europäischen Geschichte
schäftsherrn voraussetzte, sondern überdies dem Geschädigten die Beweislast hinsichtlich dieses Verschuldeos auferlegte. 39 Die auf diesen Entwurf folgenden Änderungsanträge verlangten teilweise nur die Umkehrung der Beweislast,40 teilweise eine unbeschränkte Haftung. 41 Eine vermittelnde Auffassung wollte die unbeschränkte Verantwortlichkeit auf die Handlungen von Vertretern, 42 eine andere auf die für Gehilfen von Gewerbetreibenden43 beschränkt sehen. Begründet wurden die Anträge vor allem mit der industriellen Entwicklung - Ausgangspunkt der Haftung sei der volkswirtschaftliche Grundsatz, dass jeder Betrieb diejenigen Lasten tragen müsse, die in der Eigenart des Betriebes lägen. 44 Die Antragsteller beriefen sich zudem auf die Spezialgesetze, etwa das Haftptlichtgesetz, das schon in diese Richtung weise. Kritisiert am Entwurf wurde schließlich schon damals, dass er den Großbetrieb bevorzuge - eine Ungleichheit, die- so vermutete man- "von der Bevölkerung übel empfunden werden würde". 45 Die Verfechter der unbeschränkten Haftung aller Geschäftsherrn ohne Begrenzung auf Großbetriebe brachten gegen die Unterscheidung zwischen verschiedenen Geschäftsherrn vor, sie führe zu willkürlichen Entscheidungen bei der Abgrenzung;46 für den Geschädigten könne es keine Rolle spielen, ob er "von einem Geschäftswagen oder von einem Vergnügungsfuhrwerk überfahren" worden sei. 47 Trotz der Kritik, die es bekanntlich auch am Entwurf insgesamt reichlich gegeben hatte, 48 wurden die Anträge, die eine gänzlich andere Haftungskonzeption vorschlugen, von der Mehrheit der zweiten Kommission abgelehnt. Lediglich zur Umkehr der Beweislast konnte man sich durchringen. Zwar sei es ein "berechtigtes Element" der Anträge, dass derjenige, der die Vorteile eines Unternehmens genieße, auch für Schäden Dritter aufkommen müsse. Im Rahmen des BGB lasse sich dieser Gedanke aber nicht ausgestalten, dies sei Spezialgesetzen zu überlassen. 49 Hinzu kamen BeVgl. Motive, Mugdan li, S.4ll, und Dreyer, 17. DIT (1884), Bd.1, 46 (71). Antrag 1 sah eine der heutigen Regelung des § 831 BGB weitgehend entsprechende Fassung vor- der Geschäftsherr sollte also seine Sorgfalt bei der Auswahl (und bei Verrichtungen unter seiner Leitung auch bei der Aufsicht) beweisen müssen; Antrag 5 sah ebenfalls eine Beweislastumkehr vor, allerdings ohne die Pflichten, deren Beachtung der Geschäftsherr beweisen müssen sollte, näher zu konkretisieren; vgl. Protokolle, Mugdan II, S.1090f. 41 Antrag 6, vgl. Protokolle, Mugdan li, S.109l. 42 Anträge 2 und 3, vgl. Protokolle, Mugdan II, S. 1091. 43 Antrag 4, vgl. Protokolle, Mugdan II, S. 1091; diese Lösung favorisierte wohl auch v. Gierke, Entwurf, Abschn. V (S. 261). 44 Protokolle, Mugdan II, S. 1093. 45 Protokolle, Mugdan II, S. 1093. 46 Protokolle, Mugdan II, S. 1094. 47 Protokolle, Mugdan II, S.l094. 48 Vgl. Bähr, Das bürgerliche Gesetzbuch, passim; v. Gierke, Entwurf, passim; Menger, Das bürgerliche Recht, passim. 49 Protokolle, Mugdan II, S. 1094. 39
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§ 4 Zusammenfassung und Schlussbemerkung
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denken, die man im Hinblick auf die finanzielle Leistungsfähigkeit der Geschäftsherrn hatte. So findet sich etwa folgende Aussage in den Protokollen50: "Besonders werde sich bezweifeln lassen, ob mancher der Schonung bedürftigen industrielle Zweige sowie die kleine Landwirthschaft eine so schwere Last ertragen könnten."
Durch die Umkehr der Beweislast sei die Lage des Geschädigten hingegen schon erheblich verbessert und "die Verantwortlichkeit des Geschäftsherrn richtig bemessen".51 Die konservative Auffassung der Kommission hängt damit zusammen, dass die Mitglieder ganz "im Banne der Pandektenwissenschaft"52 standen. Außerdem widerstrebte es der Kommission, sich dem französischen Recht anzupassen, von dessen Regelungen man sich geradezu distanzierte53 : "Mit Unrecht berufe sich die Minderheit zur Verteidigung auf die ausländischen Gesetzgebungen und Gewohnheiten; dem deutschen Rechtsbewußtsein, auf das es alleine ankomme, liege der Rechtssatz, welchen der code civil aufgestellt habe, ganz fem." 54
§ 4 Zusammenfassung und Schlussbemerkung Zwar ist die dargestellte Entwicklung äußerst wechselvoll und facettenreich, sie durchzieht aber doch ein roter Faden: Wie v. Caemmerer 1 bemerkt, ist das Gefühl, "daß ein vermögensmäßiges Einstehen des Geschäftsherrn für Gehilfendelikte gerecht und sozial notwendig ist, [ ...] immer ganz stark geblieben und hat dazu geführt, daß man stets bemüht war, diese Haftung aus den jeweils geltenden Rechtsanschauungen zu begründen." Der geschichtliche Rückblick hat auf der anderen Seite gezeigt, dass die Haftung für Verrichtungsgehilfen des § 831 BGB in ihrer heutigen Ausgestaltung letztlich auf der zweifelhaften Annahme der Pandektistik beruht, bei den Römern sei die Haftung für das Verhalten anderer grundsätzlich nur bei eigenem Verschulden des Dienstherrn möglich gewesen. Zuzugeben ist freilich, dass man eine gewisse Scheu der Römer erkennen kann, jemanden ohne eigenes Verschulden haften zu lassen. 2 Sowohl im Delikts- als auch im Vertragsrecht kannten die Römer aber auch verso Mugdan II, S. 1094. Protokolle, Mugdan II, S. 1094f. 52 So Seiler, JZ 1967, 525 (528). 53 Vgl. v.Bar, ZfRV 1994,221, der schreibt, das BGB sei geradezu ein ,,Anti-Code-civil". 54 Vgl. Protokolle, Mugdan II, S. 1094; vgl. dazu auch v. Gierke, Entwurf, Abschn. V (S. 261 ), der darauf hinweist, dass eine unbeschränkte Haftung für Hilfspersonen "tief im deutsehen Rechtsgedanken" wurzele; so auch Hübner, Grundzüge des Deutschen Privatrechts, § 89 II 1 (S. 565). 1 ZfRV 1973, 241 (243f.). 2 So Zimmern, Das System der römischen Noxalklagen, § 10 (S. 36). 51
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1. Kap.: Haftung für Hilfspersonen in der europäischen Geschichte
schiedene Formen der verschuldensunabhägigen Verantwortlichkeit für Schädigungen durch Sklaven und freie Gehilfen. Und die Ausgestaltung des§ 831 BGB folgt nicht nur keineswegs zwingend aus dem römischen Recht, sondern läuft auch deutschrechtlichen Grundsätzen3 zuwider und entsprach schon am Ende des 19. Jahrhunderts nicht mehr der herrschenden Meinung in der Wissenschaft- wie sie etwa auf den Deutschen Juristentagen 1884 und 1886 zum Ausdruck kam.
3 Vgl. v.Gierke, Das deutsche Privatrecht, § 213 I (S. 922): "Soweit im heutigen Recht eine Verantwortlichkeit für unerlaubte Handlungen anderer Personen anerkannt ist, entstammte sie im wesentlichen deutschrechtlichen Keimen".
Zweites Kapitel
Die Haftung für HUfspersonen im Europa der Gegenwart § 1 Das deutsche Recht A. Die Haftung des Geschäftsherrn nach§ 831 BGB Nach§ 831 Abs. 1 S. 1 BGB haftet, wer einen anderen zu einer Verrichtung bestellt hat, wenn dieser einem Dritten widerrechtlich einen Schaden zufügt. Nach Absatz 1 Satz 2 der Norm entfällt die Haftung, wenn den Geschäftsherrn hinsichtlich der Auswahl des Verrichtungsgehilfen, der Leitung der Ausführung oder des Beschaffens von Gerätschaften kein Verschulden trifft oder wenn der Schaden auch bei Anwendung der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt entstanden wäre. I. Dogmatische Grundlagen
1. Ausgestaltung der Regelung § 831 Abs. 1 BGB setzt im Gegensatz zu seiner "Schwestervorschrift" im allgemeinen Schuldrecht, dem § 278 BGB, ein Verschulden des Geschäftsherrn voraus. Auf Seiten des Gehilfen muss eine jedenfalls rechtswidrige 1 unerlaubte Handlung vorliegen. Weil also die Tatbestandsmerkmale der Norm teilweise in der Person des Geschäftsherm, teilweise in der Person des Gehilfen erfüllt sein müssen, wird häufig von einem zusammengesetzten Tatbestand aus rechtswidrigem Handeln des Gehilfen und Verschulden des Geschäftsherrn gesprochen. 2
1 Zur umstrittenen Frage, ob die Handlung auch schuldhaft sein muss, vgl. unten 2. Kap. § 1 A3. 2 RGZ 142,356 (368); Brüggemeier, AcP 191 (1991), 33 (38); ders., Deliktsrecht, Rn. 881; Hassold, JuS 1982, 583 (584); Schmitz, Verhaltenszurechnung, Erster Teil, Einleitung (S. 11 ); Weber-Häusermann, Neue Verantwortungsformen, 1. Teil 1. Kap. I, 31 (S. 7); Westermann, JuS 1961, 333 (342). Jakobs, VersR 1969, 1061 (1064), meint hingegen, auch die Handlung, an die die Haftung anknüpft, sei eine solche des Geschäftsherm, nämlich die unzureichende Auswahl und Überwachung. Kritisch auch Staudinger 13-Belling/Eberl-Borges, § 831 Rn. 3.
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2. Kap.: Die Haftung für Hilfspersonen im Europa der Gegenwart
2 . Haftungsgrund a) Das Verschulden des Geschäftsherrn Da § 831 Abs. 1 BGB das Verschulden des Geschäftsherrn voraussetzt und sich damit dem das Schadensersatzrecht des BGB so dominierenden Verschuldeosprinzip unterordnet, bedarf die Tatsache, dass der Geschäftsherr haftet, keiner weiteren Rechtfertigung. Nur ganz vereinzelt wurde die Einordnung des § 831 BGB als Verschuldenshaftung ausdrücklich angezweifelt oder verneint. 3 Zwar wird mit der Beweislastumkehr des § 831 Abs. 1 S. 2 BGB dem Geschäftsherrn das Betriebsrisiko in gewisser Weise auferlegt. 4 Dies genügt aber nicht für die Annahme einer Gefährdungs- oder Repräsentantenhaftung.5 Da der Schaden nicht unmittelbar durch eine Handlung des Geschäftsherrn verursacht wird, sondern durch eine andere Person, die dieser nicht sorgfältig ausgewählt oder überwacht hat, handelt es sich bei der Verletzungshandlung aber nur um eine mittelbare. Und weil auch das Verschulden in § 831 BGB im Gegensatz zu § 823 BGB nicht auf das schädigende Ereignis selbst, sondern auf die Auswahl oder Überwachung gerichtet ist, spricht Westermann 6 von einer "mittelbaren Verschuldenshaftung". b) Die Verkehrssicherungspflichten des Geschäftsherrn § 831 Abs. l S. 2 BGB spricht nicht trivial davon, dass der Geschäftsherr sein fehlendes Verschulden beweisen müsse, sondern umreißt die ihm obliegenden Verpflichtungen genau. Die Pflichten bei der Auswahl des Gehilfen und der Leitung der Verrichtung sowie bei der Beschaffung von Vorrichtungen und Gerätschaften sind Konkretisierung allgemeiner Verkehrssicherungspflichten. 7 Sie gebieten, dass je3 So explizit wohl nur Deetz, Gruchot 64, 161 (168), der dem Wortlautargument entgegenhält, § 831 Abs. 1 S. 2 BGB spreche nicht davon, dass der Geschäftsherr vorsätzlich oder fahrlässig gehandelt haben müsse. Vgl. auch Esser, JZ 1953, 129, und Becker, Unerlaubte Handlungen, S. 75, der schreibt, die herrschende Meinung habe sich in das Haftungsprinzip des vermuteten Verschuldens "verbissen". 4 Vgl. BGH, VersR 1958, 549 (550); BGHZ 24,21 (30); Brüggemeier, AcP 191 (1991), 33 (60); Soergel 12-Zeuner, § 831 Rn. 1; Staudinger 13 -Belling/Eberl-Borges, § 831 Rn. 5. Larenzl Canaris, Schuldrecht Il/2, § 79 III I c (S. 477), sehen einen ,,rudimentären" Ansatz einer Betriebs- oder Unternehmenshaftung. Kötz, Deliktsrecht, Rn. 263, spricht immerhin von einer Abschwächung des Verschuldensprinzips. 5 Westermann, JuS 1961,333 (342); vgl. auchBaur, KF 1962, 14; Fikentscher, Schuldrecht, Rn. 1300; Staudinger 13-Belling/Eberl-Borges, § 831 Rn. 7. Im Einzelfall kann es zwar zu einer Haftung ohne Verschulden des Geschäftsherrn kommen, nämlich dann, wenn dieser den Entlastungsbeweis nicht führen kann. Der "echten" Gefährdungshaftung ist aber immanent, dass auch im Falle des Nachweises unverschuldeter Verletzung die Haftung besteht. 6 JuS 1961,333 (342). So auchNitschke, NJW 1969, 1737. 7 So RGRK-Steffen, § 831 Rn.4; ähnlich: v.Bar, Verkehrspflichten, § 9 I I (S. 242); ErrnanSchiemann, § 831 Rn. 2; Soergel 12-Zeuner, § 831 Rn. 1; Staudinger 13-Belling/Eberl-Borges,
§ 1 Das deutsche Recht
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mand, der eine Gefahrenquelle schafft, für eine daraus resultierende Schädigung haftet, wenn er schuldhaft mögliche und zurnutbare Maßnahmen zur Gefahrenabwehr unterlassen hat. 8 Der Grund für diese Pflicht zur "Minimierung der spezifischen Gefährdungen" 9 wird bei der Geschäftsherrnhaftung vor allem darin gesehen, dass der Geschäftsherr durch seine Stellung gegenüber dem Gehilfen die Möglichkeit zur Gefahrbeherrschung und -Vermeidung hat. 10 Die Verkehrssicherungspflichtverletzung des Geschäftsherrn wird ebenso wie sein Verschulden vermutet. 11
3. Bedeutung des§ 831 Abs.l BGB im Gefüge des Deliktsrechts Die Tatsache, dass der Geschäftsherr nur bei eigenem Verschulden haftet, führt zu der Frage, welche Funktion § 831 Abs. 1 BGB im Gefüge des Deliktsrechts hat, denn für eigenes Verschulden haftet der Geschäftsherr schon aus § 823 BGB. Handelt es sich also um eine - an sich überflüssige - Konkretisierung allgemeiner deliktsrechtlicher Grundsätze? § 831 Abs. I BGB ist zwar- insoweit ist der Wortlaut zwingend- eine selbständige Anspruchsgrundlage, 12 eine eigene über die Klarstellungsfunktion hinausgehende Bedeutung wird ihm aber dennoch teilweise abgesprochen. Jakobs 13 sieht etwa die Bedeutung der Norm lediglich in der Beweislastumkehr; die Haftung für Hilfspersonen an sich ergebe sich schon aus einer allgemeinen Verkehrspflichtverletzung, die nach § 823 Abs. I BGB zum Schadensersatz führe. Man darf dabei al§ 831 Rn. 9. Teilweise wird auch von Verkehrspflichten gesprochen; die Unterscheidung ist aber nur terminologischer Natur und wird uneinheitlich gehandhabt, vgl. dazu Kötz, Deliktsrecht, Rn. 233. Weitgehend wird jedenfalls die Verkehrssicherungspflicht als Unterfall der Verkehrspflichthinsichtlich gefährlicher Sachen verstanden; vgl. Esser/Weyers, Schuldrecht II 2, §55 113, insbes. Fn.150 (S.173), und v.Bar, Verkehrspflichten, §3 I (S.44ff.). 8 BGHZ 121, 367 (375); 65, 221 (224); 34, 206 (209); 16, 95 (98); 14, 83 (85); 5, 378 (380f.); v. Bar, Verkehrspflichten, § 3 (S. 43); Deutsch, Allgemeines Haftungsrecht, Rn. 71; ders., JuS 1967, 152 (157); Soerge11 2-Zeuner, § 823 Rn.l87; Staudinger 13-Belling/Eberl-Borges, § 831 Rn. 9. Allgemein zur Begründung der Verkehrssicherungspflichten MüKo-Mertens, § 823 Rn. 208 ff. v. Bar, Verkehrspflichten, § 9 II (S. 247), spricht plastisch von "Gefahrsteuerungsgeboten". 9 MüKo-Stein, § 831 Rn. l. 10 Erman-Schiemann, § 831 Rn. 2. Das impliziert, dass der Einsatz von Hilfspersonen eine Gefahrsteigerung zur Folge hat, so auch ausdrücklich: MüKo-Stein, § 831 Rn. I; Weitnauer, VersR 1970, 586 (593). Eine solche Gefahrsteigerung bestreitet etwa v. Caemmerer, Gesammelte Schriften, S. 452 (S. 531 ): ,,Arbeiten werden nicht gefährlicher, wenn der Betriebsinhaber nicht selbst tätig wird, sondern Arbeitnehmer für sie einsetzt." Die Frage spielt an dieser Stelle aber keine praktische Rolle; auf sie wird unten, 3. Kap. § 1 B III 1 a, zurückzukommen sein. 11 Erman-Schiemann, § 831 Rn. 2; Esser!Weyers, Schuldrecht II 2, §58 I I (S. 209); MüKoStein, § 831 Rn. I. 12 Vgl. nur etwa Kadel, ZfRV 1997, 56; Schreiber, Jura 1987, 647 (651). 13 VersR 1969, 1061 (1065); ähnlich auch Stoll, JZ 1958, 137.
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2. Kap.: Die Haftung für Hilfspersonen im Europa der Gegenwart
lerdings nicht vergessen, dass die Verkehrssicherungspflichten ursprünglich unter anderem aus § 831 Abs. 1 BGB hergeleitet wurden. 14 Noch weiter geht offenbar Stein 15 , der auch die Beweislastumkehr dem § 823 Abs. 1 BGB entnehmen will; 16 sie soll daraus resultieren, dass wegen der Unüberschaubarkeit innerer Betriebvorgänge für den Geschädigten der Geschäftsherr eher in der Lage sei, die maßgebenden Vorgänge aufzuklären. 17 Dass man inzwischen sehr weitgehend im Rahmen des § 823 Abs. 1 BGB eine Beweislastumkehr eintreten lässt, etwa in den Bereichen der Produzenten- 18 und der Krankenhaushaftung, 19 ist aber seinerseits vor allem Folge der Unzufriedenheit mit§ 831 BGB und entspricht keineswegs der gesetzgebefischen Konzeption. Im Übrigen sind Fälle denkbar, in denen sich eine Beweislastumkehr bei der Haftung nach § 823 Abs. 1 BGB mit komplizierten Betriebsinterna schlechterdings nicht begründen ließe - man denke etwa an die Haftung für eine Schädigung durch ein Dienstmädchen im privaten Bereich. Zumindest die Beweislastumkehr verleiht § 831 Abs. 1 BGB gegenüber § 823 Abs. 1 BGB daher eine eigenständige Bedeutung; im Übrigen ist die Norm Iex specialis zu § 823 BGB. 20 II. Die Bestellung zu einer Verrichtung
Das Gesetz verlangt für die Haftung zunächst, dass der Schaden durch eine Person verursacht wurde, die der Haftende "zu einer Verrichtung bestellt" hat. Das Reichsgericht21 hat die Verrichtung treffend als jede tatsächliche oder rechtliche, entgeltliche oder unentgeltliche, dauernde oder vorübergehende Tätigkeit niederer oder höherer Art definiert. Kaum ausdrücklich erwähnt, da eigentlich eine Selbstverständlichkeit und im Wort "bestellt" enthalten, wird, dass es sich um eine Verrichtungfür den Geschäftsherrn handeln muss. 22 V gl. Soergel-Zeuner, § 823 Rn. 213. MüKo, § 831 Rn. 3. 16 Auch v. Bar, Verkehrspflichten, § 9 I I, 2 (S. 243 ff.), hält § 831 BGB angesichts der Ausweitung der Verkehrssicherungspflichten für obsolet. 17 Staudinger 12-Schäfer, § 831 Rn. 11. 18 Dazu eingehender unten 2. Kap. § I BI 1 c. 19 V gl. zum Organisationsverschulden in diesem Bereich Lippert, NJW 1984, 2606; zur Beweislastverteilung bei der Arzthaftung vgl. nur BGH, NJW 1982, 699, sowie NJW 1999, 3408. 20 Larenz/Canaris, Schuldrecht 11/2, § 79 III I d (S. 477 f.), sehen einen eigenen Anwendungsbereich des § 831 BGB vor allem beim Vorliegen primärer Vermögensschäden, die von § 823 Abs. 1 BGB nicht und von Abs. 2 nur bei Verletzung eines Schutzgesetzes erfasst sind. 21 z 92, 345 (346). 22 Etwas zweifelhaft insoweit OLG Köln, NJW 2000, 2905 f.: Das Gericht hielt die Eltern einer 18-Jährigen im Rahmen der§§ 254, 831 BGB für mitverantwortlich für einen Schaden, der durch das unsachgemäße Abbrennen von Feuerwerkskörpern auf einer von der Tochter in Abwesenheit der Eltern veranstalteten Silvesterfeier entstand. Die Verrichtung soll hier ganz allgemein die Überwachung des Hauses gewesen sein, die der Tochter übertragen wurde. Das Ge•4
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Zu dieser Tatigkeit muss der Gehilfe vom Geschäftsherrn bestellt23 worden sein. Dem Terminus "Bestellung" wird das Erfordernis eines Abhängigkeitsverhältnisses zwischen Geschäftsherrn und Verrichtungsgehilfen entnommen; 24 nicht erforderlich ist aber jedenfalls ein soziales Abhängigkeitsverhältnis. 25 Der Gehilfe muss vielmehr nur der Herrschafts- und Organisationssphäre des Geschäftsherrn zuzuordnen sein. 26 Dies schlägt sich nach Ansicht der Rechtsprechung in der Möglichkeit des Geschäftsherrn nieder, dem Gehilfen Weisungen zu erteilen: Schon nach ständiger Rechtsprechung des Reichsgerichts21 war demnach Voraussetzung der Bestellung, dass der Gehilfe von den Weisungen des Geschäftsherrn "mehr oder weniger" abhängig war. Der BGH hat diese Definition übemommen28 und bis heute im Wesentlichen beibehalten. 29 Nachdem er allerdings 1956 noch ausgeführt hat, es genüge für ein Weisungsrecht in diesem Sinne nicht, dass der Auftraggeber Zeit und Art der Ausführung bestimmen könne, 30 hat er die Voraussetzungen an die Weisungsgebundenheit später gelockert 31: ,.Das[...] Weisungsrecht braucht nicht ins Einzelne gehen. Es genügt, daß der Geschäftsherr die Tätigkeit des Handelnden jederzeit beschränken oder entziehen oder nach Zeit und Umfang bestimmen kann." 32
Mit der Aussage, dass die Weisungen nicht ins Einzelne gehen müssen, ist vor allem klargestellt, dass überlegenes Fachwissen33 des Geschäftsherrn nicht erforderriebt scheint hier mehr auf die generellen Aufgaben der Tochter abgestellt zu haben, ohne eine konkrete Bestellung zu einer Tätigkeit im fremden Interesse zu prüfen. 23 Die Bestellung ist ein tatsächlicher Akt, vgl. Staudinger 13-Belling!Eber/-Borges, § 831 Rn. 63; ähnlich Oertmann, Schuldverhältnisse, § 831 2a (S. 1431). Enneccerus/Lehmann, Schuldverhältnisse, § 241 II 1 (S. 980), fordern eine Willenserklärung. Eine solche kann aber jedenfalls im technischen Sinne nicht zu verlangen sein; dies folgt schon daraus, dass der Bestellte nicht einmal beschränkt geschäftsfähig sein muss, vgl. BGH, FamRZ 1964, 84. 24 V gl. Erman-Schiemann, § 831 Rn. 6; Soergel1 1-Zeuner, § 831 Rn. 16. 25 Vgl. etwa Staudinger 13-Belling!Eber/-Borges, § 831 Rn. 57. Der sozialen Abhängigkeit misst wohl Leßmann, JA 1980, 193 (198), Bedeutung im Rahmen der Abgrenzung bei. 26 Erman-Schiemann, § 831 Rn. 6; Soergel 12 -Zeuner, § 831 Rn. 16. 27 Z97, 91, 363 (364); 92, 345 (346). Vgl. auch RGZ 148, 154 (161). 28 BGH, NJW 1966, 1807 (1808); FamRZ 1964, 84; NJW 1958,220 (221); MDR 1953,667. 29 Vgl. nur BGH, WM 1998, 257; NJW 1994, 2756 (2757); 1983, 1108 (1109); außerdem aus der übrigen obergerichtliehen Rechtsprechung OLG Frankfurt/M., RRa 1999, 211 (212); OLG Karlsruhe, VersR 1998, 212 (214). 3o BGH, VersR 1956,504 (505f.). 31 BGH, NJW 1966, 1807 (1808); so oder ähnlich außerdem BGH, WM 1998, 257 (259); 1989, 1047 (1050); VersR 1957, 301. Vgl. auch OLG Frankfurt/M., RRa 1999, 211 (212). 32 Das Reichsgericht, Z 92, 345 (347), hatte bereits 1918 die Möglichkeit des Entziehens einer Tätigkeit genügen lassen, allerdings ohne die Voraussetzungen an die Weisungsgebundenheil ausdrücklich zu lockern. 33 Die fachliche Überlegenheit der Gehilfen mag dazu beigetragen haben, dass sich die Rechtsprechung zunächst schwer getan hat, Krankenhäuser für die Fehler angestellter Ärzte haften zu Jassen. Zwar wurde wohl nicht die Verrichtungsgehilfeneigenschaft der Ärzte ausdrücklich angezweifelt, der BGH, Z 1, 383 (387 f.), führt aber aus, der Entlastungsbeweis sei ei-
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lieh ist. 34 Zudem sollte die strenge Beschränkung der Haftung auf Handlungen von Arbeit- und Dienstnehmern gelockert werden. 35
1. Weisungsabhängigkeit in Einzelfällen Die Arbeit- und Dienstnehmer sind zunächst einmal der ,,Prototyp" der Verrichtungsgehilfen. § 831 Abs. 1 BGB kennt dabei keine Einschränkung auf gewerbliche Betätigungen, auch wenn hier der Hauptanwendungsfall der Norm liegt. Der Gesetzgeber hat sich vielmehr ausdrücklich dafür entschieden, dass Verrichtungsgehilfen auch Hilfspersonen im privaten Bereich - etwa im Haushalt36 - sein können. 37 Nicht zuletzt daran wird auch deutlich, dass die Abhängigkeit von Weisungen nicht meinen kann, dass dem Geschäftsherrn eine Weisungsrecht zusteht. Es kann vor dem Hintergrund der Verantwortlichkeit des Geschäftsherrn für seinen Herrschaftsund Organisationsbereich nur auf die tatsächliche Möglichkeit von Weisungen ankommen, 38 also darauf, ob der Gehilfe die Weisungen befolgen würde, nicht aber, ob er sie befolgen müsste. Daraus folgt auch, dass keineswegs immer ein vertragliches Verhältnis zwischen Geschäftsherrn und Gehilfen bestehen muss.
2. Selbständige Unternehmer Das meiste Kopfzerbrechen hat der Rechtsprechung die Frage nach der Haftung für die Handlungen selbständiger Unternehmer bereitet. Traditionell ist der selbständige Unternehmer die Gegenfigur zum Verrichtungsgehilfen, da er nach dem ursprünglich strengen Verständnis des Bestellungsverhältnisses an die Weisungen des Auftraggebers nicht gebunden ist. 39 Der selbständige Unternehmer führt die ihm nem Krankenhausträger für einen seit langen Jahren dort beschäftigten Arzt "nicht zuzumuten". V gl. auch BGH, NJW 1988, 2298 (2300); BGHZ 96, 360 (369). 34 Errnan-Schiemann, § 831 Rn. 6; Soerge!I 2-Zeuner, § 831 Rn. 16. Vgl. auch BGH, NJW 1956, 1834 (1835). Das Reichsgericht, Z 51, 199 (201), hatte teilweise noch die überlegene Sachkunde des Geschäftsherrn gefordert. 3s Vgl. dazu unten 2. Kap. § 1 A II 2. 36 Vgl. Kötz, Deliktsrecht, Rn. 271. Ein Ehegatte ist freilich nicht a priori Verrichtungsgehilfe des anderen- etwa im Bereich der Haushaltsführung - , wohl aber dann, wenn dieser ihn zur Erledigung eines Geschäfts besonders beauftragt; RGRK-Steffen, § 831 Rn. 20. Nicht einzusehen ist, warum es unter Ehegatten eines konkreten Anstellungsverhältnisses bedürfen, eine sich aus der Lebensgemeinschaft ergebende tatsächliche Mitwirkung des Ehegatten im Beruf oder Geschäft des anderen aber nicht genügen soll, so Staudinger 13-Belling/Eber/-Borges, § 831 Rn. 66. Auch hier ist der mitarbeitende Ehegatte den Weisungen des anderen unterworfen. 37 Vgl. zur Gesetzesbegründung oben 1. Kap. § 3 E. 38 Vgl. auch Staudinger 13-Belling/Eberl-Borges, § 831 Rn. 58. 39 BGH VersR 1965, 185 (186); 1964,46 (47); NJW 1958,220 (221); RGZ 86,425 (433); Eubel, Geschäftshertnhaftung, A 1 b bb (S. 36); Kötz, Deliktsrecht, Rn. 272; Leßmann, JA 1980, 193; Schreiber, Jura 1987, 647 (651); Soerge!I 2-Zeuner, § 831 Rn.16; Zweigert/Kötz, Rechtsvergleichung, § 41 II (S. 635). Auf das Gleiche läuft es hinaus, wenn man davon ausgeht, nur der Dienst- oder Arbeitsvertrag, nicht der Werkvertrag begründe ein Verhältnis, das die Haf-
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übertragene Tatigkeit selbständig und nach eigenem Ermessen gemäß eigener Sachkunde und Erfahrung aus und kann über die fachlichen und zeitlichen Voraussetzungen der Tätigkeit selbst disponieren. 40 Zwar behalte sich, so der BGH41 , der Besteller im Regelfall vor, auch dem selbständigen Unternehmer bestimmte Weisungen zu erteilen, der im Sinne des § 831 Abs. 1 BGB Bestellte müsse aber in der Weise abhängig sein, dass er Zeit und Umfang seiner Tätigkeit nicht selbst bestimmen könne. 42 Die Rechtsprechung hat allerdings, nachdem sie die Voraussetzungen an die Weisungsgebundenheit gelockert hatte, Ausnahmen von diesem Grundsatz zugelassen. 43 So wurde etwa eine GmbH trotz ihrer rechtlichen Selbständigkeit als Verrichtungsgehilfin angesehen. 44 Der BGH führt aus: "Der Umstand, daß [die GmbH] ein rechtlich selbständiges Unternehmen ist, schließt unter den besonderen Umständen des Einzelfalles die Verrichtungsgehilfeneigenschaft nicht aus. Entscheidend ist, ob die Hilfsperson allgemein oder doch im konkreten Fall im Einflußbereich des Geschäftsherrn steht und sich in einer gewissen Abhängigkeit befindet. Strikte Weisungsgebundenheit ist nicht erforderlich; die Haftung des Geschäftsherrn erstreckt sich auf alle Tätigkeiten eines Gehilfen, die er im Prinzip beschränken, unterbinden oder nach Zeit, Art, Dauer und Umfang näher bestimmen kann." 45
Ebenso wurde ein Anwalt als Verrichtungsgehilfe seines Mandanten im Prozess angesehen, 46 ein freier Journalist, der für einen Restaurantführer als Testesser arbeitete, als Verrichtungsgehilfe des Verlegers. 47 Begründet wurden diese Ausnahmen meist mit der Möglichkeit des Geschäftsherrn, die Tatigkeit des Handelnden jederzeit zu beschränken, diesem zu entziehen oder nach Zeit und Umfang zu bestimmen. Teilweise wurde aber auch, ohne dass ein tung des Geschäftsherrn zur Folge habe, so BGH, VersR 1956,504 (505); OLG Frankfurt/M., RRa 1999, 211 (212); v. Caemmerer, ZfRV 1973, 241 (254); Geigel-Haag, Haftpfiichtprozeß, 17. Kap. Rn. 5; Kiser, VersR 1984, 213 (215); Staudinger 13-Be/ling/Eberl-Borges, § 831 Rn. 60. 40 MüKo-Stein, § 831 Rn. 27; der BGH verneint mit ähnlicher Begründung in BGHZ 80, 1 (3 f.) die Verrichtungsgehilfeneigenschaft eines selbständigen Unternehmers. 4t MDR 1953, 666 (667). 42 Teilweise wurde bereits aus der Verwendung des Wortes "Geschäftsherr" in § 831 Abs. 1 S. 2 BGB die Weisungsgebundenheit und der Ausschluss des selbständigen Unternehmers gefolgert, vgl. RGZ 86, 425 (432). P/anck, BGB, § 831 1 a a (S. 1779), hat jedoch überzeugend dargelegt, dass mit dem Terminus ,.Geschäftsherr" keineswegs eine Einschränkung des § 831 Abs. 1 S. 1 BGB erfolgen sollte. 43 Daneben hat der BGH, vgl. etwa VersR 1966, 145 (146), teilweise die Haftung für selbständige Unternehmer auch aus § 823 Abs. 1 BGB wegen einer Organisationspflichtverletzung des Auftraggebers hergeleitet, vgl. auch unten 2. Kap. § 1 B I 1 a. 44 BGH, WM 1989, 1047 (1050). 45 Auch für den selbständigen Generalvertreter, der im Einzelfall gewissen Weisungen des Auftraggebers unterworfen war, hat der BGH, NJW 1956, 1715 (1716), die Verrichtungsgehilfeneigenschaft bejaht. 46 BGH, VersR 1957, 301; a. A. Böhmer, MDR 1960, 445. 47 BGH, WM 1998, 257 (259): Der Verleger haftete infolgedessen für einen rufschädigenden (im Tatbestand abgedruckten und äußerst lesenswerten!) Bericht über ein Restaurant.
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solchermaßen auf einen Kernbestand begrenztes Weisungsrecht herangezogen wurde, mit der organisatorischen Eingliederung des Gehilfen argumentiert. 48 So sehr der grundsätzliche Ausschluss der Haftung für Selbständige vor dem Hintergrund sachgerecht ist, dass der Geschäftsherr die Handlungen des Gehilfen in irgendeiner Weise beherrschen können muss, 49 so sehr ist es auf der anderen Seite auch die Einbeziehung bestimmter selbständiger Unternehmer in den Kreis der Verrichtungsgehilfen. Es sind Fälle denkbar, in denen ein selbständiger Unternehmer faktisch einer wesentlich größeren Kontrolle des Geschäftsherrn unterworfen ist als ein Arbeitnehmer, der zwar unzweifelhaft in untergeordneter Stellung agiert, aber über wesentlich größere Sachkunde verfügt als der damit in seiner tatsächlichen Kontrollmöglichkeit eingeschränkte Geschäftsherr. 50 Den Letzteren in diesen Fällen für den spezialisierten Arbeitnehmer haften zu lassen, für den Selbständigen aber nicht, kann vor dem Hintergrund, dass der Geschäftsherr für die Auswahl und Überwachung seiner Gehilfen haftet, nicht sachgerecht sein - die tatsächliche Einwirkungsmöglichkeit auf den Gehilfen, auf die es im Hinblick auf das eigene Verschulden des Geschäftsherrn nur ankommen kann, bliebe dabei unberücksichtigt. Der Rechtsprechung ist daher im Ergebnis insoweit zuzustimmen, als der Geschäftsherr für die Handlungen bestimmter selbständiger Unternehmer einstehen muss. Die dann erforderliche Abgrenzung, für welche Selbständigen der Auftraggeber haftet, bereitet aber- wenn man am Kriterium der Weisungsgebundenheit festhalten will- erhebliche Probleme. Verlangt man eine ins Einzelne gehende Weisungsmöglichkeit oder ein Über-/Unterordnungsverhältnis, 51 so lässt sich die Haftung für selbständige Unternehmer damit selten begründen. Greift man hingegen auf die begrenzte Weisungsgebundenheit im Sinne der neueren Rechtsprechung zurück, so wäre nahezu jeder Unternehmer, der sich im Rahmen eines Werkvertrages verpflichtet, als Verrichtungsgehilfe anzusehen, weil er jedenfalls faktisch durch die Kündigungsmöglichkeit des Bestellers und dessen Einfluss auf die Vertragsgestaltung gewissen Weisungen unterworfen ist, die den Anforderungen der Rechtsprechung regelmäßig genügen müssten. 52 Streng genommen müsste dann etwa auch der Fahrgast eines Taxis nach § 831 BGB für den schuldhaft durch den Fahrer verBGH, NJW 1956, 1715f. Nicht überzeugend ist die Ansicht Oertmanns, Schuldverhältnisse, § 831 2 a (S. 1431), im Umkehrschluss aus§ 831 Abs. 1 S. 2 BGB ergebe sich die generelle Verantwortlichkeit auch für Selbständige, indem er den Fall als Sonderkonstellation erwähne, dass der Geschäftsherr die Ausführung der Verrichtung zu leiten habe. Dies impliziere, dass auch eine gegenteilige Arbeitsaufteilung durchaus von § 831 BGB erfasst sei, während eine Leitungspflicht für Arbeitnehmer immer bestehe. Die Leitungspflicht ist aber nicht jedem Verhältnis Arbeitnehmer-Arbeitgeber immanent; vgl. auch unten 2. Kap. § 1 A V 1 c. 50 Ähnlich Kadel, ZfRV 1997, 56 (57). st Mit dem Fehlen eines solchen Verhältnisses begründet Fabricius, GS Schmidt, S. 177, das Fehlen der Verrichtungsgehilfeneigenschaft beim Tätigwerden des OhR-Gesellschafters für die Gesellschaft. s2 Ähnlich Erman-Schiemann, § 831 Rn. 7. 48
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ursachten Unfall haften, wenn er sich nicht durch den Nachweis der sorgfältigen Auswahl entlasten könnte. Denn der Fahrgast kann jedenfalls das Ziel bestimmen und jederzeit das Ende der Fahrt verlangen oder den Zielwunsch ändern. Das allgemeine Verkehrsrisiko des Taxibetriebes kann aber unmöglich dem Fahrgast aufgebürdet werden. 53 Die Rechtsprechung zum selbständigen Unternehmer zeigt, dass offenbar je nach gewünschtem Ergebnis mal eine mehr, mal eine weniger ins Detail gehende Weisungsmöglichkeit gefordert wird. 54 Böhmer55 warnte schon 1960 davor, dass eine "unerfreuliche" Rechtsunsicherheit durch die Kriterien der Weisungsgebundenheit und der Abhängigkeit entstünde. Die Weisungsgebundenheit und ihr Umfang sind gleichwohl wichtige Indizien bei der Abgrenzung. Liegt eine ins Einzelne gehende Weisungsgebundenheit vor, haftet der Geschäftsherr nach § 831 BGB. Ist das nicht der Fall, muss es auf die organisatorische und wirtschaftliche Eingliederung in den Betrieb des Geschäftsherrn ankommen. 56 Maßgeblich ist etwa, wessen Vermögen die unmittelbaren Vorteile der Ausführung zufließen. Nach Oertmann 51 ist die Haftung dann ausgeschlossen, wenn die "Tätigkeit dem Vermögensbereich des Schuldners angehört und dieser nur verpflichtet ist, das Arbeitsergebnis demnächst in das Vermögen des Bestellers zurückzuführen". In eine ähnliche Richtung geht es, danach zu fragen, wer wirtschaftlich und wegen der Beherrschbarkeit des Betriebsrisikos dazu verpflichtet ist, das Haftpflichtrisiko zu tragen58 und wer es versichern kann und muss. 59 Im oben genannten "Taxifall" trägt der Taxifahrer beziehungsweise der Taxiunternehmer das Betriebsrisiko; ihm obliegt es, dieses Risiko zu versichern. Die Fahrt gehört der "Betriebssphäre" 60 des Fahrers an, während der Fahrgast nur das Endprodukt erlangt, das Erreichen des Zielortes.
53 Jones, Torts, Chap. 8.4.3 (S. 376), schreibt für das englische Recht: "/t would be strange if passengers were responsible for the neglient driving of a taxi driver ... ". Plastisch formuliert die Konsequenzen einer Haftung des Fahrgastes auch Rogers, Tort, Chap. 2 C (S. 33): " ... imagine al/ the old ladies, non-car-owners, who would need to buy insurance cover against the day they picked an inattentive taxi driver". 54 Letzteres insbesondere, damit bei Vermögenslosigkeit des unmittelbaren Schädigers ein solventer Schuldner zur Verfügung steht; ähnlich auch Böhmer, MDR 1960, 445 (446). 55 MDR 1960,445. 56 Ähnlich grenzt Sellert, AcP 175 (1975), 77 (87ff.), ab, der von wirtschaftlicher Abhängigkeit spricht. 57 Schuldverhältnisse,§ 831 2a (S. 1431). 58 So v. Caemmerer, ZfRV 1973, 241 (254 f.). 59 Vgl. Kötz, Deliktsrecht, Rn. 273. 60 Vgl. Oertmann, Schuldverhältnisse, § 831 2 a (S. 1432).
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3. Mehrere Geschäftsherren Im Regelfall wird nur eine Person überhaupt als Geschäftsherr in Frage kommen. Schwieriger wird es aber, wenn der Gehilfe - und diese Konstellation ist im Hinblick auf die Abgrenzung lehrreich- zum "Diener zweier Herren" wird, wie etwa in den Fällen der Arbeitnehmerüberlassung. Grundsätzlich bleibt der permanente Arbeitgeber jedenfalls insoweit verantwortlich, als ein Schadenaufgrund der mangelhaften Auswahl des Gehilfen entsteht. 61 Allerdings kann je nach dem Grad der Eingliederung in den Betrieb des zeitweiligen Arbeitgebers und nach dem Grund des Schadens auch der "Entleiher"62 haften. 63 Es ist dann nach dem konkreten Verantwortungsbereich abzugrenzen, dem die schädigende Handlung zuzuordnen ist, 64 also danach zu fragen, in wessen Organisationszuständigkeit das rechtswidrige Verhalten fiel. Geht der Schaden auf mangelhafte Instruktion des zeitweiligen Arbeitgebers bei einer konkreten Verrichtung zurück, so haftet dieser. 65 111. Die rechtswidrige Schadenszufügung durch den Gehilfen
Der Gehilfe muss widerrechtlich einen Schaden verursacht haben. Das bedeutet zunächst, dass in der Person des Gehilfen die objektiven Voraussetzungen eines Haftungstatbestandes vorliegen müssen. 66 Ein Verschulden des Gehilfen setzt der Wortlaut des § 831 Abs. 1 S. 1 BGB hingegen nicht voraus. 67 Der Gesetzgeber hat ganz bewusst auf das Element des Gehilfenverschuldens verzichtet, indem er die Haftung für Hilfspersonen im Deliktsrecht eben nicht als Haftung für fremdes, sondern für eigenes Verschulden des Geschäftsherrn ausgestaltet hat. 68 Er mag vor alVgl. BGHZ 80, 1 (3f.); BGH, VersR 1968,779 (780). Dieser etwas unsauber erscheinende Terminus wird auch von § 1 Abs. 1 S. 1 AÜG verwendet. 63 OLG Düsseldorf, NJW-RR 1995, 1430 (1431). 64 Vgl. BGHZ 80, 1 (3f.); BGH, VersR 1979,674 (675); OLG Düsseldorf, NJW-RR 1998, 382; MüKo-Stein, §831 Rn.40. 65 Vgl. OLG Düsseldorf,NJW-RR 1998, 382;NJW-RR 1995,1430(1431); VersR 1979,674 (675). Denkbar ist freilich auch, dass im Einzelfall beide Geschäftsherren ein Verschulden trifft, dann haften sie als Gesamtschuldner, § 840 Abs. 1 BOB. 66 BGHZ 24, 21 (24); Deutsch, Unerlaubte Handlungen, Rn. 320; Staudinger 13-Belling/ Eberl-Borges, § 831 Rn. 4; Westermann, JuS 1961, 383 (385); vgl. auch Motive, Mugdan II, S. 411. Im Regelfall wird der Gehilfe den Tatbestand des § 823 Abs. 1 oder 2 BOB oder des § 826 BOB verwirklicht haben. In Betracht kommen aber auch Haftungstatbestände außerhalb des BOB, vgl. Staudinger 13-Belling/Eberl-Borges, § 831 Rn. 4. 67 Dennoch spielen subjektive Elemente in der Person des Gehilfen unzweifelhaft zunächst einmal dann eine Rolle, wenn sie schon Voraussetzung der widerrechtlichen Schädigung sind, wie etwa die Sittenwidrigkeit bei§ 826 BOB, vgl. BGH, NJW 1956, 1715; Larenz/Canaris, Schuldrechtii/2, §79 III2c (S.479); MüKo-Stein, §831 Rn. 56; Schreiber, Jura 1987,647 (652), oder subjektive Tatbestandsmerkmale eines Schutzgesetzes i. S. des § 823 Abs. 2 BOB, hier aber wiederum nicht das Verschulden, MüKo-Stein, § 831 Rn. 56. 68 So auch Oertmann, Schuldverhältnisse, § 831 2d (S. 1434). 61
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lern die Fälle vor Augen gehabt haben, in denen das Auswahlverschulden des Geschäftsherrn gerade darin lag, dass er sich eines deliktsunflihigen Verrichtungsgehilfen bedient hat. 69 Dass es gleichwohl keineswegs fernliegend ist, das Erfordernis des Gehilfenverschuldens zu erwägen, hängt mit folgender Fallkonstellation zusammen: Der Gehilfe schädigt einen Dritten und handelt dabei zwar objektiv sorgfaltswidrig, verletzt subjektiv aber keine Verkehrspflicht Beispiel: Der Geselle einer Tischlerei, der keinen Führerschein besitzt und deshalb nicht als Fahrer hätte eingesetzt werden dürfen, verletzt auf der Fahrt zu einem Kunden mit seinem Dienstwagen einen Fußgänger, der achtlos die Straße überquert. Der Angestellte hat dabei in keiner Weise sorgfaltswidrig gehandelt. Wenn kein anerkannter Rechtfertigungsgrund eingreift, ist diese Verletzung des Dritten zwar rechtswidrig, 70 nicht aber schuldhaft.
Der Gehilfe haftet in diesen Fällen persönlich nicht nach § 823 Abs. 1 BGB. Solange nun aber das Verschulden des Gehilfen im Rahmen der Haftung nach § 831 BGB nicht erforderlich ist, scheint einer Inanspruchnahme des Geschäftsherrn nichts entgegenzustehen. Die Konsequenz liegt auf der Hand: Der Geschäftsherr haftete schärfer, als wenn er selbst genauso gehandelt hätte. Darüber, dass dieses Ergebnis nicht haltbar ist und dass man den Geschäftsherrn in so gelagerten Fällen nicht haften lassen will, besteht weitgehend71 Einigkeit. 72 Wie man zu diesem Ergebnis kommt, ist aber Gegenstand einer heftigen Diskussion, die vor allem seit einer Entscheidung des Großen Zivilsenats des BGH13 zu dieser Frage im Jahr 1957 geführt wird: Der Kläger war bei dem Versuch, die vordere Plattform einer Straßenbahn zu besteigen, von dieser überfahren und schwer verletzt worden. Die als Geschäftsherrin beklagte Straßenbahngesellschaft behauptete, der Schaffner habe sich vorschriftsmäßig verhalten. Der VI. Zivilsenat legte dem Großen Senat daraufhin die Frage vor, ob die Beklagte auch hafte, wenn bei der Beweisaufnahme die Möglichkeit offengeblieben sei, dass der Verrichtungsgehilfe alle Sorgfaltspflichten eingehalten habe. 74 69 V gl. zu diesem Motiv des Gesetzgebers auch v. Caemmerer, Gesammelte Schriften, S. 452 (S.534); Esser/Weyers, Schuldrechtll/2, §5812b (S.211); Kadel, ZfRV 1997,56 (59) und Wieacker, JZ 1957, 535. 70 So jedenfalls hätte man wohl vor der- insoweit abweichenden- Entscheidung des BGH, Z24, 21 ff. (vgl. unten 2.Kap. § 1 Alll 1 b), entschieden; vgl. auch Staudinger12-Schäfer, § 831 Rn. 128: "Widerrechtlich ist auch hier ein Handeln, das objektiv rechtsverletzend ist, weil es an einem Rechtswidrigkeitsausschießungsgrund fehlt, ohne daß eine moralische Wertung damit verbunden wäre". 71 A. A. offenbar Wenneberg, DRiZ 1967, 336, der schreibt, indem man dem Geschäftsherrn die Möglichkeit gebe, sich wegen des verkehrsrichtigen Verhaltens des Gehilfen zu entlasten, würden die Vorstellungen der Verfasser des BGB über den Haufen geworfen. 72 v. Caemmerer, Gesammelte Schriften, S 452 (S. 535); Kadel, ZfRV 1997, 56 (58); Kupisch, JuS 1984, 250 (253). 73 BGHZ 24,21 ff. 74 BGHZ 24, 21 (24).
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Zwei Fragen sind demnach zu unterscheiden- erstens: Mit welcher Begründung lässt man die Haftung des Geschäftsherrn in derartigen Fällen scheitern? Und zweitens: Wer trägt die Beweislast für das sorgfaltsgemäße Verhalten des Gehilfen? Dabei ist die erste Frage nicht bloß theoretischer Natur, da die Beantwortung der zweiten untrennbar mit ihr zusammenhängt. 75
1. Begründungsansätze a) Voraussetzung des schuldhaften Gehilfenhandeins Die erste Lösungsmöglichkeit wurde eingangs bereits angedeutet. Fordert man grundsätzlich nicht nur das schuldhafte Handeln des Geschäftsherrn, sondern entgegen dem Wortlaut- dieser wird insoweit als Redaktionsversehen angesehen76 - auch das Verschulden des Gehilfen, 77 so würde die Haftung des Geschäftsherrn nach § 831 BGB von vornherein ausscheiden. Eine Ausnahme muss man dann in dem bereits genannten Fall zulassen, dass das Verschulden des Geschäftsherrn gerade in der Auswahl eines Deliktsunfähigen liegt, 78 wenn also- anders formuliert- sich aus dem fehlenden Verschulden des Gehilfen auf ein Verschulden des Geschäftsherrn schließen lässt. 79 b) Das "verkehrsrichtige Verhalten" Einen anderen Weg hat der Große Zivilsenat des BGH80 beschritten; er hat das Problem mit einem dogmatischen Kunstgriff gelöst und einen neuen Rechtfertigungsgrund kreiert: das "verkehrsrichtige Verhalten". 81 Er zieht damit die Frage nach der subjektiven Sorgfalt des Gehilfen auf die Ebene der Rechtswidrigkeit, die auch beim Gehilfen nach dem Wortlaut des § 831 BGB unzweifelhaft vorliegen muss. Trotz des fehlenden Verschuldenserfordernisses haftet der Geschäftsherr damit nicht. Ähnlich Esser/Weyers, Schuldrecht 11/2, §58 I 2 b (S. 212). So ausdrücklich Kupisch, JuS 1984, 250 (253); ähnlich Larenz!Canaris, Schuldrecht 11/2 § 79 III 2 c (S. 479). 77 So v. Caemmerer, Gesammelte Schriften, S.452 (S. 534ff.); Kadel, ZfRV 1997, 56 (59); Kupisch, JuS 1984, 250 (253), Larenz!Canaris, Schuldrecht 11/2, § 79 III 2c (S. 479); SoergeJ12-Zeuner, § 831 Rn. 32. 78 Soerge1 12-Zeuner, § 831 Rn. 32. 79 Kupisch, JuS 1984, 250 (253); ähnlich: v. Caemmerer, Gesammelte Schriften, S. 452 (S. 534.) Das gleiche gilt, wenn der Gehilfe nicht "gehörig" angeleitet wurde, beziehungsweise der Geschäftsherr nicht das Erforderliche hinsichtlich der Beschaffung von Vorrichtungen und Gerätschaften getan hat, vgl. Soerge11 2-Zeuner, § 831 Rn. 32; Stall, JZ 1958, 137 (138). 80 Z24, 21. 81 BGHZ 24, 21 (28); vgl. aus der neueren Rechtsprechung dazu außerdem: OLG Düsseldorf, VersR 1998, 649; OLG Hamm, NJW-RR 1998, 1402; NJW-RR 1998, 1403 (1404). 75
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Durch diese Konstruktion des BGH verschwimmt jedoch die von Jhering 82 entwickelte Unterscheidung zwischen objektiver und subjektiver Rechtswidrigkeit, der Schuld83 - insoweit ist es auch verständlich, dass es der BGH abgelehnt hat, seine Konstruktion dogmatisch einzuordnen. 84 In der Literatur wurde die Entscheidung allerdings zur Grundlage einer neuen Schuldtheorie85 im Zivilrecht hochstilisiert, und der BGH hat eine grundsätzliche Diskussion über Schuld im Zivilrecht losgetreten. 86 Das ist vor allem insoweit verwunderlich, als der Große Senat die Entscheidung ausdrücklich auf den Straßen- und Eisenbahnverkehr beschränkt hat. 87 Auf diese grundsätzliche Bedeutung kann und muss für die vorliegende Fragestellung aber nicht näher eingegangen werden. Denn abgesehen von den grundsätzlichen Zweifeln an dieser Konstruktion 88 - wenn Mertens 89 sie für unsystematisch hält, ist das noch untertrieben-, ist sie nicht erforderlich. c) Der Entlastungsbeweis des § 831 Abs. 1 S. 2a. E. BGB Das gewünschte Ergebnis lässt sich ebenso gut aus dem Wortlaut des § 831 Abs. 1 S. 2 BGB gewinnen. Wenn nämlich der Gehilfe nicht subjektiv sorgfaltswidrig gehandelt hat, liegt auch der eventuelle Pflichtverstoß des Geschäftsherrn- im eingangs geschilderten Fall der zweifellos sorgfaltswidrige Einsatz des führerscheinlosen Fahrers- außerhalb des Schutzzwecks der Norm, so dass es an der haftungsbegründenden Kausalität fehlt. Es liegt also ein Fall des § 831 Abs. 1 S. 2 a. E. BGB vor. 90 Diesen Schuldmoment, S. 5. Deutsch, Fahrlässigkeit, § 3 1112 d (S.49), spricht von einer "eigenartigen Verschmelzung von rechtsgutorientierter und handlungsbezogener Rechtswidrigkeit". 84 BGHZ 24, 21 (26 f. ): "Dahingestellt mag bleiben, ob es sich bei diesem Ergebnis um einen Sonderfall der Anwendung des Rechtsgedankens der sogenannten sozialen Adäquanz handelt. Es braucht angesichts der Beschränkung der Fragestellung auf das Gebiet des Verkehrsrechts ebenfalls nicht darauf eingegangen zu werden, ob dasselbe Ergebnis auch dadurch zu gewinnen ist, daß auf die neuere Auffassung der strafrechtlichen Dogmatik zurückgegriffen wird ...". 85 Vgl. R. Schmidt, NJW 1958,488. 86 Eine Vielzahl von Aufsätzen und Kurzbeiträgen beschäftigte sich in den Jahren nach der Entscheidung mit diesem Thema: vgl. Böhmer, MDR 1958, 288 ff.; Clauß, VersR 1963, 996 ff.; Dunz,NJW 1960, 507;Larenz,FS Dölle, S.169;Richter, NJW 1958, 1171 f.; Weitnauer, VersR 1961, 1057; ders., VersR 1963, 992ff.; Wieacker, JZ 1957, 535ff. 87 BGHZ 24, 21 (26). Die Literatur hält den vom BGH konstruierten Rechtfertigungsgrund teilweise ausdrücklich- vgl. nur Stoll, JZ 1958, 137 (139) - , teilweise stillschweigend- so wohl Wieacker, JZ 1957, 535 ff. -auch auf andere Gefahrbereiche für anwendbar. 88 Neben den bereits genannten sind noch die Ausführungen von Schiemann, Erman, § 831 Rn. 13, erwähnenswert, der darauf hinweist, dass in Fällen, wo der Geschäftsherr nicht ordnungsgemäß für das Beschaffen von Vorrichtungen und Gerätschaften sorge, die Haftung nach dem Grundsatz des BGH dennoch ausgeschlossen sei; das Gericht schieße damit über das Ziel hinaus; so auch RGRK-Steffen, § 831 Rn. 31. 89 MüKo, §823 Rn.13. 90 So auch Baumgärte I, Handbuch der Beweislast, § 831 Rn. 29; Böhmer, MDR 1958, 745; Dunz, NJW 1960, 507 (509); Esser/Weyers, Schuldrecht 11/2, §58 12 b (S. 212); Kötz, Deliktsrecht, Rn. 279; Medicus, Bürgerliches Recht, Rn. 782; Rosenberg, Beweislast, § 28 I 1 b 82 83
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2. Kap.: Die Haftung für Hilfspersonen im Europa der Gegenwart
Weg ist teilweise auch die Rechtsprechung gegangen, und zwar vor91 und sogar noch nach 92 der Entscheidung des Großen Senats. Kritisiert werden an dieser Lösungsmöglichkeit vor allem die Konsequenzen für die Beweislast,93 teilweise wird sie auch für nicht erforderlich gehalten, weil es schon an den "Grundvoraussetzungen" der Haftung nach § 831 BGB fehle. 94 Schließlich vertreten v. Caemmerer95 und Stoll'~6 , der Entlastungsbeweis des § 831 Abs. 1 S. 2 a. E. BGB passe überhaupt nicht auf diese Fallkonstellation. Immer, wenn nämlich den Geschäftsherrn ein Auswahlverschulden treffe, sei die fehlerhafte Auswahl kausal für den Schaden, denn wäre der Gehilfe nicht eingesetzt worden, wäre der Schaden nicht entstanden. 97 Dieses Zurechnungsverständnis ist aber höchst problematisch, denn die Schädigung liegt außerhalb des Schutzzweckzusarnmenhangs. 98 Die Lösung über den Entlastungsbeweis des § 831 Abs. 1 S. 2 a. E. BGB widerspricht weder dem Wortlaut der Norm, noch verschiebt sich damit die Grenze zwischen Rechtswidrigkeit und Schuld, und schließlich führt diese Vorgehensweise auch in den Fällen des schuldhaften Einsatzes Deliktsunfähiger zwanglos zum richtigen Ergebnis.
2. Konsequenzenfür die Beweislast Die nun eigentlich entscheidende und praktisch folgenschwerere Frage ist diejenige nach der Beweislast 99 Sieht man das Verschulden des Gehilfen als erforderlich an, so ist es als Element der Schädigungshandlung nach den allgemeinen Beweislastregeln vom Geschädigten zu beweisen. 100 (S.357); Schreiber, Jura 1987,647 (652). Die Autoren sind allerdings unterschiedlicher Auffassung über die Beweislast, dazu jedoch unten 2. Kap. § 1 A III 2. 91 RG, JW 1936,2394 (2396). 92 BGB, NJW-RR 1992, 533: "Ob und inwieweit der Erstbeld. [der Gehilfe] sich auf die vom Kl. übernommene Rolle des Einweisers verlassen hat und verlassen durfte, ist eine Frage der Vorwerfbarkeit, die in derartigen Fallen zum Entlastungsbeweis des Zweitbeld. als des Geschäftsherm gehört". Von verkehrsrichtigem Verhalten ist nicht die Rede. Vgl. auch BGH, VersR 1975,447 (449). 93 Erman-Schiemann, § 831 Rn. 13. Zu dieser Problematik sogleich 2. Kap. § I A III 2. 94 So Soergel 12-Zeuner, § 831 Rn. 53. 9s Gesammelte Schriften, S. 538. 96 JZ 1958, 137 (139). 97 v. Caemmerer, Gesammelte Schriften, S. 452 (S. 537 f.). 98 Diesen möglichen Einwand spricht v. Caemmerer, Gesammelte Schriften, S. 452 (S. 538), zwar ausdrücklich an, kann ihn aber nicht schlüssig entkräften. Auch die Rechtsprechung hat im Übrigen teilweise angenommen, es sei unerheblich, ob der Gehilfe den Schaden gerade infolge desjenigen Mangels verursacht habe, der ihn für die Verrichtung als ungeeignet erscheinen lassen musste, vgl. BGH, NJW 1978, 1681 (1682), und sich damit gegen die Berücksichtigung des Schutzzweckzusammenhangs im Rahmen des § 831 Abs. 1 S. 1 a. E. BGB entschieden. Vgl. dazu aber im Einzelnen unten 2. Kap. § 1 A IV 2 c. 99 V gl. allgemein zur Bedeutung der Beweislast unten 2. Kap. § 1 A V 2 a.
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Der BGH 101 entscheidet entgegengesetzt und verlangt die Entlastung durch den Geschäftsherrn. Er begründet seine Auffassung, indem er auf das Betriebsrisiko verweist, für das der Geschäftsherr einstehen müsse. 102 Dogmatisch ist dies aber inkonsequent. Indem der BGH die Frage nach dem verkehrsrichtigen Verhalten auf die Ebene der Rechtswidrigkeit zieht, ordnet er sie den Voraussetzungen der Haftung zu, die vom Geschädigten zu beweisen sind. 103 Lässt man schließlich die Haftung an der fehlenden adäquaten Verursachung scheitern, ergibt sich schon aus der Anwendung des § 831 Abs. 1 S. 2a. E. BGB, dass der Geschäftsherr die Beweislast trägt. 104 Dieses Ergebnis macht auch Sinn. Zwar wird dem teilweise entgegengehalten, der Geschäftsherr werde dadurch schlechter gestellt, als wenn er selbst gehandelt hätte. 105 Der Gesetzgeber hat aber auch mit dem Entlastungsbeweis des § 831 Abs. 1 S. 2 F. 1 BGB den Geschäftsherrn bewusst schlechter gestellt, als wenn er selbst die schädigende Handlung begangen hätte. Dies ist dadurch gerechtfertigt, dass der Geschädigte keinen Einblick in die inneren Betriebsvorgänge des Geschäftsherrn hat. 106 Dieses Argument muss auch für die hier vorliegende Problematik gelten, denn auch Tatsachen, die den adäquaten Kausalzusammenhang begründen, hängen vielfach mit der Auswahl des Gehilfen zusammen und werden oft nur schwer vom Geschädigten zu beweisen sein. 107 Handelt der Gehilfe subjektiv nicht sorgfaltswidrig, so kann sich demnach der Geschäftsherr mit diesem Nachweis gemäß nach § 831 Abs. 1 S. 2 a. E. BGB entlasten. IV. Handeln in Ausführung der Verrichtung
§ 831 Abs. 1 S. 1 BGB fordert, der Schaden müsse "in Ausführung der Verrichtung" verursacht worden sein. 108 Als Gegenbegriff zur Verursachung "in AusfühIOO v. Caemmerer, Gesammelte Schriften, S 452 (S. 540); Kupisch, JuS 1984, 250 (253). So im Ergebnis auch Erman-Schiemann, § 831 Rn. 13; Kötz, Deliktsrecht, Rn. 281; Soergel 12-Zeuner, § 831 Rn. 33. 101 BGHZ 24, 21 ff. 1oo BGHZ 24, 21 (30). 103 Esser/Weyers, Schuldrecht 11/2, §58 12b (S.212); ähnlich Dunz, NJW 1960, 507 (508). 104 So wohl nur Böhmer, MDR 1958, 745 f., und Medicus, Bürgerliches Recht, Rn. 783, allerdings ohne überzeugende Begründung. tos Kötz, Deliktsrecht, Rn. 281; Kupisch, JuS 1984, 250 (254). Vgl. dazu auch Dunz, NJW 1960, 507 (509). Dieses Argument wird vor allem auch der Entscheidung des Großen Zivilsenats des BGH entgegengehalten, der diesen Einwand diskutiert, BGHZ 24, 21 (30). 106 V gl. dazu auch oben 2. Kap. § 1 AI 3 und unten 2. Kap. § 1 A V 2 a. 107 Ähnlich Baumgärtel, Handbuch der Beweis1ast, § 831 Rn. 8; RGRK-Steifen, § 831 Rn. 29. 108 Dieselbe Problematik stellt sich ebenso bei § 31 BGB und§ 839 BGB sowie, obwohl dies der Wortlaut hier nicht ausdrücklich fordert, in ähnlicher Weise auch beim Erfüllungsgehilfen des § 278 BGB. Dort muss die Verletzung in Erfüllung der Verbindlichkeit erfolgt sein. Die Rechtsprechung, etwa BGHZ 23, 319 (323), unterscheidet auch hier zwischen Schäden, die "in Ausführung" der dem Schuldner obliegenden Pflicht oder nur "bei Gelegenheit" der Hilfeleis-
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rung" wird herkömmlicherweise die Herbeiführung des Schadens "bei Gelegenheit" oder "aus Anlass" der Verrichtung verwendet. 109
1. Der Funktionsbereich des Gehilfen Das Reichsgericht110 hat zur Abgrenzung das - später vom BGH übernommene- Kriterium des "inneren Zusammenhangs" kreiert, der zwischen der schädigenden Handlung und der Verrichtung bestehen müsse. 111 Gemeint ist, dass über den äußeren Zusammenhang- im Sinne einer adäquaten Kausalität- hinaus eine sachliche 112 Verknüpfung zwischen Verrichtung und Schädigung bestehen muss. 113 Die schädigende Handlung muss also in den Kreis der Maßnahmen fallen, welche die Ausführung der Verrichtung darstellen, 114 oder andersherum: die Handlung darf dem zugewiesenen Aufgabenbereich nicht völlig fremd gewesen sein. 115
2. Überschreitung der Befugnisse Während der Geschäftsherr für Schädigungen bei weisungsgemäßer Ausführung der Verrichtung durch den Gehilfen unproblematisch haftet, ist es andererseits mit der Erkenntnis, dass sich die Tätigkeit außerhalb des Funktionsbereichs des Gehilfen befand, noch nicht getan. Probleme bei der Abgrenzung entstehen, wenn der Gehilfe die Grenzen der aufgetragenen Verrichtung irrtümlich oder gar vorsätzlich überschreitet, zumal dann, wenn er einem ausdrücklichen Verbot des Geschäftsherrn zuwiderhandelt oder gar Straftaten begeht. Beispiele aus der Rechtsprechung sind: Der Fahrer einer Planierraupe leistet trotz ausdrückIichen Verbots des Geschäftsherrn dem Fahrer eines anderen Unternehmens Hilfe, indem er dessen LKW frei schleppt, der auf der Baustelle im Sand stecken geblieben war; 116 ein Pilot A,
tung verursacht wurden. Die Richtigkeit dieses Abgrenzungskriteriums wird in diesem Kontext jedoch zunehmend bestritten; vgl. dazu Staudinger13-Löwisch, § 278 Rn. 24. 109 Motive, Mugdan II, S.411; BGH, NJW-RR 1989,723 (725); NJW 1971, 31 (32); VersR 1955, 214; 1955, 205; RGZ 104, 141 (144ff.); AK-Reich, §831 Rn.4; Kötz, Deliktsrecht, Rn. 275; Kupisch, JuS 1984, 250 (254); Leßmann, JA 1980, 193 (198); Oertmann, Schuldverhältnisse,§ 831 2ca (S.1433); Planck, BGB, § 831 I b (S.1782); Schäfer, MDR 1969, 271 ff.; Schreiber, Jura 1987,647 (652); SoergeP 2-Zeuner, §831 Rn. 27. 110 z 104, 141 (145). 111 BGH, NJW-RR 1989, 723 (725); NJW 1971, 31 (32); VersR 1966, 1074 (1075); 1960, 134 (137); 1955, 214. In Z49, 19 (23), spricht der BGH von "objektivem Zusammenhang". 112 Vgl. BGH, NJW-RR 1989, 723 (725). 113 Vgl. auch Staudinger 13-Belling/Eberl-Borges, § 831 Rn. 77. 114 BGH, VersR 1966, 1074 (1075); 1955, 205; RGZ 104, 141 (145); 73, 434 (436); Kötz, Deliktsrecht, Rn. 275; Kupisch, JuS 1984, 250 (254); Staudinger 12-Schäfer, § 831 Rn. 107. 115 BGH, VersR 1955, 205. 116 BGH, VersR 1965,70.
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der die in einer Maschine wartenden Fluggäste eines Rundfluges nur informieren soll, dass der für den Flug vorgesehene Pilot B sich verspäten wird, beginnt den Rundflug selbst. 117
a) Verbotene Tätigkeiten Dass die ausdrückliche oder auch nur konkludente Aufforderung des Geschäftsherrn an den Gehilfen zur schädigenden Tätigkeit nicht verlangt werden kann, liegt auf der Hand. Denn ganz konkret mit der zum Schaden führenden Tätigkeit oder zumindest der Art und Weise wird der Geschäftsherr nahezu niemals einverstanden gewesen sein. Zu weit geht aber - vor allem angesichts des Wortlauts des § 831 BGB -, es genügen zu lassen, dass der Geschäftsherr dem Gehilfen die Schädigung ermöglicht hat. 118 Da § 831 Abs. 1 BGB die Verletzung von Pflichten bei der Auswahl oder Überwachung des Gehilfen voraussetzt, 119 kann der Geschäftsherr seinen Obliegenheiten jedenfalls nicht von vornherein mit Verboten genügen. 120 Vor allem haftet er für VerbotsverstöBe dann, wenn die aufgetragene Tätigkeit nicht sinnvoll ohne diesen Verstoß auszuführen gewesen wäre. So wurde etwa ein Gehilfe zur Einlasskontrolle bei einer Sportveranstaltung abgestellt. Er sperrte die Straße ab, um die Kontrollen überhaupt durchführen zu können. Durch die unsachgemäße Absperrung wurde der Kläger verletzt. Die beklagte Geschäftsherrin wandte erfolglos ein, das Absperren habe dem Kontrolleur nicht oblegen. 121 Ähnlich hat das OLG Nürnberg 122 im eingangs geschilderten "Planierraupen-Fall" entschieden, weil der festgefahrene LKW einen Teil des zu planierenden Geländes blockierte und der Gehilfe folglich ohne das Freischleppen nicht weiterarbeiten konnte. Schließlich handelt - entgegen der Ansicht des OLG Köln 123 - auch ein Frachtführer in Ausführung der Verrichtung, BGH, NJW-RR 1989,723 (725). So aber Reich, AK, § 831 Rn. 4, der ohne überzeugende Begründung die bloße Kausalität zwischen dem Betrauen mit der Ausführung einer Verrichtung und dem Schaden ausreichen zu lassen scheint. 119 V gl. dazu im Einzelnen oben 2. Kap. § 1 A V 1 a. 120 Das muss auch dann gelten, wenn es bei Beachtung des Verbots zu einem Schaden nicht gekommen wäre. Vgl. aber BGH, NJW 1971, 31 (32): ,,Allerdings braucht der Geschäftsherr für den Fehler seines Gehilfen unter Umständen dann nicht einzustehen, wenn es zu dem Schaden nicht gekommen wäre, sofern sich der Fahrer (hier als Verrichtungsgehilfe) an ein bestimmtes Verbot seines Geschäftsherrn gehalten hätte". Welche "Umstände" dies sein sollen, lässt der BGH offen. 121 BGH, VersR 1955, 214. 122 VersR 1965, 70. Als weiteres Argument führt das OLG an, die Beweisaufnahme habe ergeben, dass solche Hilfeleistungen durchaus üblich gewesen seien. Vgl. zur insoweit ähnlichen Entscheidung des OLG Köln, VersR 1996,523, sogleich, Fn. 123. 123 VersR 1996, 523 (524). Das OLG verkennt, dass die Tätigkeit des Gehilfen hier dennoch im Interesse des Geschäftsherrn erfolgt und mit der Verrichtung in engem Zusammenhang steht. Das Gericht hält sein Ergebnis aber selbst dann für gerechtfertigt, wenn derartige Hilfeleistungen ,,häufiger und mit Billigung des Frachtführers vorkommen". Ähnlich auch OLG Hamburg, VersR 1974, 52f. Kritisch Palandt-Thomas, § 831 Rn.lO. 117
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wenn er aus Gefälligkeit einem Kunden beim Abladen hilft, wozu er bei der Lieferung "frei Haus" nicht verpflichtet gewesen wäre und von seinem Geschäftsherrn nicht beauftragt worden war. Dass es bei der Abgrenzung vor allem in den Fällen einer weisungswidrigen Tatigkeit nicht nur auf rein objektive Kriterien ankommen kann, zeigt das folgende Beispiel aus der Rechtsprechung 124: Ein Bauarbeiter hatte einen Holzklotz von einem Gerüst aus geworfen und ein Kind verletzt, das mit dem auf dem Bürgersteig gelagerten Baumaterial gespielt hatte. Da der Bauarbeiter das Kind vertreiben wollte und ihm auch die Beaufsichtigung des Baumaterials oblag, bejahte der BGH die Verantwortlichkeit. Das Gericht betont, dass die Haftung ausgeschieden wäre, wenn der Arbeiter aus persönlichen Gründen, etwa aus Hass, den Klotz geworfen hätte. 125 Die Differenzierung nach den Motiven des Gehilfen wird im Regelfall zu sachgerechten Ergebnissen führen. 126 Davon abhängig ist auch, ob der Schaden noch im Rahmen des gewöhnlichen Betriebsrisikos liegt. Dieses hat sich sicherlich in einem Schaden verwirklicht, wenn der Gehilfe im Interesse des Geschäftsherrn gehandelt hat oder auch, wenn er mit der Tatigkeit zusammenhängende typische Gefälligkeiten erbringt. Daher haftet der Geschäftsherr regelmäßig auch nicht für Schädigungen, die bei Schwarzfahrten der Gehilfen mit einem Fahrzeug des Geschäftsherrn verursacht werden; 127 das gilt auch für die verbotswidrige Mitnahme Dritter. 128 Weicht der Gehilfe nur von der vorgegebenen Fahrtroute ab, nimmt der BGH 129 noch einen ausreichenden Zusammenhang an. Der Geschäftsherr kann aber nicht haften - und so hat der BGH 130 dann auch den zweiten, eingangs geschilderten Fall gelöst- wenn ein Pilot statt eine Information zu überbringen, einen Flug beginnt. Denn es liegt zwar innerhalb des gewöhnlichen, vorhersehbaren Betriebsrisikos, dass etwa ein Fahrer von der vorgegebenen Fahrtroute abweicht, nicht aber, dass ein Gehilfe sich derart weit und nicht vorhersehbar von seinem Aufgabenbereich entfernt. b) Straftaten des Gehilfen Ein ähnliches Abgrenzungsproblem ergibt sich bei Straftaten. Es liegt nahe, dass sie grundsätzlich außerhalb der Verrichtung des Gehilfen liegen werden. Eine Straftat des Gehilfen im völlig privaten Bereich kann die Haftung des Geschäftsherrn BGH, VersR 1955,205. Vgl. auch Schäfer, MDR 1969,271 (272). 126 Auch bei persönlichen Motiven des Gehilfen kann der Geschäftsherr freilich haften, wenn etwa derartige Vorfalle bereits in der Vergangenheit vorgekommen sind und er den Gehilfen dennoch weiter eingesetzt hat. 127 Vgl. BGHZ 1, 388 (390); RGZ 136,4 (14); 119, 58 (60f.); Staudinger 13-Belling!EberlBorges, § 831 Rn. 86. 12s Vgl. BGH, NJW 1965, 391 f. 129 VersR 1955, 345 (348). 13o NJW-RR 1989,723 (725). 124 125
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selbst dann nicht begründen, wenn sie etwa mit einem Werkzeug des Geschäftsherrn begangen wird. 131 Die Tätigkeit wird in diesen Fällen nie in den Kreis der Aufgaben fallen, die die Verrichtung mit sich bringt, 132 und Straftaten liegen - so das von Schäfer 133 vorgeschlagene Abgrenzungskriterium- nur sehr selten im Interesse des Geschäftsherrn. Dennoch sind - und darüber ist man sich in Rechtsprechung und Lehre im Ergebnis einig 134 - Fälle denkbar, in denen der Geschäftsherr auch für Straftaten des Gehilfen zivilrechtlich haften muss. Ist beispielsweise jemand als Wachmann bei einem Wachschutzunternehmen angestellt, das im Auftrag eines Juweliers am Wochenende dessen Geschäftsräume überwachen soll, und stiehlt der Wachmann dort Schmuck, 135 so geschieht dies nicht im Interesse des Geschäftsherrn oder gehört gar zur Ausführung des erteilten Auftrags. Dennoch ist, auch nach Auffassung des BGH 136, in derartigen Fällen eine Haftung zu bejahen, da "gerade die übertragenen besonderen Pflichten verletzt" sind. Anders wird man aber entscheiden müssen, wenn ein Bauarbeiter in einem Haus tätig ist und sich bei dieser Gelegenheit fremdes Eigentum aneignet. Hier ist nicht, wie im eben geschilderten "Wachmann-Fall", die spezifische Schädigungsgefahr erhöht, deren Verwirklichung der Geschäftsherr gerade verhindern sollte. Diese Unterscheidung lässt sich auch am Betriebsrisiko festmachen. Haben sich gerade die spezifischen Risiken des Gehilfeneinsatzes verwirklicht, haftet der Geschäftsherr. Zu diesen Risiken gehört es bei einem Wachschutzunternehmen, nicht hingegen bei einem Tischlereibetrieb, dass die Mitarbeiter in besonders großer Versuchung sind, einen Diebstahl zu begehen. So würde wohl im Übrigen auch eine Versicherungsgesellschaft dieses Risiko bei der Versicherung des erstgenannten Unternehmens in die Kalkulation einbeziehen, beim Letztgenannten nicht.
3. Fazit Die Frage, wie weit die "Ausführung der Verrichtung" reicht - und damit insbesondere die Problematik, wann der Gehilfe trotz des entgegenstehenden Willens oder Verbots des Geschäftsherrn nicht nur bei Gelegenheit der Verrichtung handelt - hängt vom Schutzbereich des § 831 BGB und damit vom Umfang der Verkehrssicherungspflichten im Einzelfall 137, vom ,,Pflichtprograrnm" 138 ab. Hilfreich So auch Kadel, ZtRV 1997, 56 (58). So aber eben die Definition des BGH, vgl. oben 2. Kap. § 1 A IV 1. 133 MDR 1969, 271 (272ff.). 134 Vgl. etwa BGHZ49, 19 (23); 11, 151 (153ff.); MüKo-Stein, §831 Rn.49; RGRK-Steffen, §831 Rn.23. 135 Einen ähnlichen Fall hatte das OLG Köln, MDR 1996, 1019, zu entscheiden und bejahte die Haftung zu Recht, warf aber die Frage nach der ,,Ausführung der Verrichtung" gar nicht auf. 136 Z 49, 19 (23); dort ging es um die Veruntreuung von Verkaufserlösen. Auch den Geschäftsherm eines Gepäckträgers, der einen Koffer gestohlen hat, ließ der BGH haften, Z 24, 188 (196f.). 137 So auch Kadel, ZtRV 1997, 56 (58); MüKo-Stein, § 831 Rn. 28. 131
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sind auch die Fragen danach, ob die Einschaltung des Gehilfen eine spezifische Risikoerhöhung darstellt 139 oder ob der Geschäftsherr Garant für das Vermeiden des Fehlverhaltens war. 140 Das Kriterium des "inneren Zusammenhangs" bedarf insoweit der Konkretisierung. 141 V. Widerrechtliches und schuldhaftes Verhalten des Geschäftsherrn
Die rechtspolitisch umstrittene Voraussetzung der Haftung, dass dem Geschäftsherrn selbst eine Pflichtverletzung vorzuwerfen sein muss, ergibt sich aus § 831 Abs. 1 S. 2 BGB. Die ihm obliegenden Pflichten werden im Folgenden zunächst vorgestellt, bevor dann auf die bedeutende und die Besonderheit des § 831 Abs. 1 BGB ausmachende Beweislastumkehr eingegangen wird. 1. Vom Geschäftsherrn zu beachtende Sorgfaltspflichten Dem Geschäftsherrn obliegt es, den Gehilfen pflichtgemäß auszuwählen, bei der Beschaffung von Vorrichtungen und Gerätschaften, so sie ihm obliegt, pflichtgemäß zu handeln, sowie unter bestimmten Voraussetzungen, die Verrichtung ordnungsgemäß zu leiten. Die in § 831 Abs. 1 S. 2 BGB genannte "im Verkehr erforderliche Sorgfalt" 142, deren Beachtung der Geschäftsherr beweisen muss, ist dabei gleichbedeutend mit derjenigen in § 276 Abs. 1 S. 2 BGB. 143 a) Pflicht zu Auswahl und Überwachung Der Wortlaut des § 831 Abs. 1 S. 1 BGB fordert lediglich, dass der Geschäftsherr die im Verkehr erforderliche Sorgfalt bei der Auswahl, nicht auch bei der ÜberwaSo Erman-Schiemann, § 831 Rn. 11. Larenz!Canaris, Schuldrecht 11/2, § 79 III 2d (S. 480); MüKo-Stein, § 831 Rn. 48. 140 MüKo-Stein, § 831 Rn.48. 141 Vgl. zur Kritik an diesem Merkmal auch Eubel, Geschäftshermhaftung, A I c aa (S. 37)- keine ,,Entscheidung über den jeweils anstehenden lnteressenkonflikt"; Kupisch, JuS 1984, 250 (254)- bedarf "wertender Ausfüllung"; Larenz!Canaris, Schuldrecht 11/2, § 79 III 2d (S. 480)- Abgrenzung ist "bisher nicht befriedigend geklärt"; Schäfer, MDR 1969, 271 - lediglich "Umschreibung der Haftungsvoraussetzung", nicht aber "Ausfüllung, die eine Subsumption ermöglichen würde". 142 Der I. BOB-Entwurf hatte in § 711 noch die aus dem römischen Recht stammende Formulierung enthalten," ... wenn und soweit es die Sorgfalt eines ordentlichen Hausvaters erfordert" (diligens paterfamilias-zu dieser lesenswert Menger, Das bürgerliche Recht, S. 202 ff.). Im Folgenden wurde dann darum gestritten, ob man die im Verkehr "übliche" oder "erforderliche" Sorgfalt verlangen sollte. Vorgebracht wurde etwa " ... daß, wenn man von der im Verkehr üblichen Sorgfalt spreche, der Irrthum naheliege, als ob unter Umständen auch ein im Verkehr eingerissener Schlendrian beachtet werden dürfe"; vgl. Protokolle, Mugdan II, S. 1095. 143 Planck, BGB, § 831 2 a a (S. 1782). 138
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chung des Gehilfen beachtet hat. Mehr verlangt das Gesetz ausdrücklich nur für den Fall, dass der Geschäftsherr die Verrichtung zu leiten hat. 144
(1) Auswahl und Überwachung? Dieser Formulierung des § 831 Abs. 1 S. 1 BGB wollte das Reichsgericht 145 genügen und entschied, die Überwachung des Gehilfen gehöre nicht zu den Pßichten, die dem Geschäftsherrn nach dieser Norm oblägen. Der Geschäftsherr konnte sich demnach allein durch den Beweis der sorgfaltigen Auswahl bei der Einstellung entlasten. 146 Das Gericht hat diese Rechtsprechung aber bald aufgegeben mit der Begründung, die Auswahl müsse auch noch zur Zeit der Verrichtung sorgfältig sein; 147 nur ein "wohlbeaufsichtigtes Personal" könne auch als "wohlausgewählt" gelten. 148 Fortlaufend muss der Geschäftsherr- jedenfalls, wenn zwischen Einstellung und schädigender Handlung ein längerer Zeitraum liegt 149 - also prüfen, ob der Gehilfe für die ihm aufgetragene Tätigkeit noch geeignet ist. 150 Gegen eine Herleitung der Beaufsichtigungspflicht aus § 831 Abs. 1 S. 2 BGB spricht sich nach wie vor v. Bar 151 aus. Er meint, eine allgemeine Aufsichtspflicht sei § 831 BGB fremd, die Verletzung einer solchen führe nur zu einer Haftung aus § 823 BGB. 152 Zuzugeben ist v. Bar, dass eine Überwachungspflicht nur im Sinne einer perpetuierten Auswahlpflicht 153 gemeint sein kann. Freilich kann man diese konkreDazu unten 2. Kap. § 1 A V 1 c. Z53, 123 (125): "Von einer Pflicht zur Aufsicht spricht§ 831 BGB überhaupt nicht"; ähnlich RGZ 53, 53 (56). 146 Wegen fehlender oder mangelhafter Beaufsichtigung wurde lediglich ein Anspruch aus § 823 Abs. 1 BGB in Betracht gezogen; vgl. RGZ 53, 53 (57). 147 RGZ 136,4 (11); 128, 149 (153); 87, 1 (4); 79, 101 (106); 78, 107 (109). 148 RGZ 128, 149 (153); 159, 283 (291); 87, 1 (4). 149 RGZ 128, 249 (153); Soergel 12 -Zeuner, § 831 Rn. 39. 150 Vgl. BGH, NJW 1968,247 (248); VersR 1966, 1074 (1075); 1958, 29 (30); OLG Köln, NJW-RR 1997, 47lf.; OLG Hamm, NJW-RR 1998, 1403 (1404); OLG Oldenburg, VersR 1998, 1380; Kötz, Deliktsrecht, Rn.282; Kupisch, JuS 1984, 250 (254); MüKo-Steiner, § 831 Rn. 11; Soerge1 12-Zeuner, § 831 Rn. 39. In der Literatur wird die Ausdehnung der Pfiichten teilweise wegen des entgegenstehenden Wortlauts nur auf eine Analogie zu § 831 Abs. 1 S. 2 BGB gestützt, vgl. Larenz/Canaris, Schuldrecht Il/2, § 79 III 3 a (S. 48), teilweise wird die Überwachungspflicht auch hier als Perpetuierung der Auswahlpflicht angesehen, Kadel, ZfRV 1997, 56 (59). 15 1 Verkehrspflichten, § 9 I 1 (S. 242f.). 152 Vgl. auch Canaris, JZ 1968, 494 (497), der in der Formulierung des Reichsgerichts, nur wohlbeaufsichtigtes Personal könne als wohlausgewählt gelten, den Beginn der Lehre vom Organisationsverschulden sieht. 153 Auswahl und Überwachung sind insoweit "verzahnt", vgl. Kadel, ZfRV 1997, 56 (60); RGRK-Steffen, § 831 Rn. 40. Die ursprüngliche Auswahl eines Gehilfen kann etwa auch insofern eine Rolle spielen, als davon die konkreten Überwachungspflichten abhängen. So obliegen dem Geschäftsherrn bei nicht sorgfältiger Auswahl gesteigerte Überwachungspflichten. 144 145
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te Auswahlpflicht im Ergebnis als Pflicht zur ständigen Überwachung des Gehilfen bezeichnen; aber Überwachung nur insoweit, als sichergestellt ist, dass die Hilfsperson noch zur Ausführung der einzelnen Verrichtungen geeignet ist. Es kann nicht um eine allgemeine Überwachungspflicht gehen. 154 Wollte man eine solche weitergehende Überwachungspflicht, etwa auf Anleitung und Einweisung, 155 aus § 831 Abs. 1 S. 2 BGB herleiten, käme man in Konflikt mit der Leitungspflicht, die der Gesetzgeber nur in besonderen Fällen in den Anwendungsbereich der Norm einbeziehen wollte.
(2) Inhalt der Pflichten Für die konkrete Ausgestaltung der Pflichten lassen sich keine feststehenden Regeln aufstellen; sie hängt vielmehr vom Einzelfall ab 156: einerseits von Eigenschaften des Gehilfen 157 und andererseits von Umständen, die die Art der Verrichtung 158 betreffen. Bei der Einstellung muss der Geschäftsherr sich etwa mit Hilfe von Zeugnissen von der Eignung des Gehilfen überzeugen. 159 Keinesfalls obliegt es aber dem Geschäftsherrn, bei der Auswahl die Solvenz des Gehilfen in seiner Eigenschaft als potentieller Schuldner eines Schadensersatzanspruches zu berücksichtigen160 oder eine Haftpflichtversicherung für ihn abzuschließen. 161 Ein Schadenseintritt soll mit der sorgfaltigen Auswahl gerade verhindert werden, nicht aber soll dem Verletzten ein solventer Schuldner verschafft werden. 162 154 Auch wenn sie teilweise als solche bezeichnet wird, vgl. etwa Erman-Schiemann, § 831 Rn. 18. Steifen, RGRK, § 831 Rn. 40, grenzt ausdrücklich von der allgemeinen Aufsichtspflicht, die sich aus § 823 Abs. 1 BGB ergeben kann, ab. 155 So BGH, VersR 1966,387 (388); 1955,746 (747); Kiser, VersR 1984,213 (216); RGRKSteffen, § 831 Rn. 46. Diese lässt sich allenfalls insoweit aus der Auswahlpflicht herleiten, als nur ein pflichtgemäß eingewiesener Gehilfe pflichtgemäß für eine Verrichtung ausgewählt ist; ähnlich Schmitz, Verhaltenszurechnung, I. Teil I (S. 17), der aber die Begründung dieser Pflicht aus der Auswahlpflicht offenbar für weniger problematisch hält als die der Überwachungspflicht. 156 Vgl. BGH, VersR 1984, 67; 1983,668 (669); 1970, 327; 1966, 1074 (1075); 1961, 330 (332); 1958,29 (30); OLG Köln, NJW-RR 1997, 471; Esser/Weyers, Schuldrecht Il!2, §58 12c (S. 214). 157 Etwa Alter, Erfahrung, Selbständigkeit und Verlässlichkeit der Hilfsperson; vgl. Esser/ Weyers, Schuldrecht 11/2, §58 12c (S. 214); vgl. auch RGZ 136,4 (11). 158 Etwa Art, Umfang, Dauer, Schwierigkeit der Verrichtung und das daraus resultierende Gefahrenpotential; vgl. BGH, NJW 1968, 247 (248); Deutsch, Unerlaubte Handlungen, Rn. 322. Vgl. auch OLG Köln, NJW-RR 1997,471. 159 MüKo-Stein, § 831 Rn. 13; RGRK-Steffen, § 831 Rn. 39. Im Einzelfall können weitere Nachforschungen nötig sein, vgl. RGRK-Steffen, § 831 Rn. 39, so beispielsweise, wenn sich aus den bei der Bewerbung eingereichten Unterlagen ein häufiger Wechsel des Arbeitsplatzes ergibt. 160 BGHZ 12, 75 (79). 16 1 Staudinger 13-Belling/Eberl-Borges, § 831 Rn. 100. 162 BGHZ 12, 75 (79).
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Für die Überwachung wird unter anderem gefordert, dass regelmäßig Kontrollen- und zwar ab und zu auch unvermutet und unauffällig- erfolgen. 163 In Abgrenzung zur Leitungspflicht kann hingegen keine ununterbrochene Kontrolle zu fordern sein; eine solche wird dem Geschäftsherrn in den meisten Billen auch nicht zumutbar sein. 164 Gesteigerte Überwachungspflichten können sich etwa ergeben aus Hinweisen auf die Unzuverlässigkeit eines Gehilfen 165 oder wegen der besonderen Gefährlichkeit einer Verrichtung. 166 Die Rechtsprechung stellt insgesamt recht strenge, teilweise überzogene Anforderungen, die aus dem Bedürfnis resultieren, dem Geschäftsherrn die Möglichkeit des Entlastungsbeweises möglichst weitestgehend abzuschneiden. Symptomatisch ist eine Entscheidung des OLG Köln 167 , wonach ein Wachschutzunternehmer gehalten sein soll, bei der Einstellung eines Wachmannes "detaillierte und nach Möglichkeit schriftlich belegte Angaben über dessen Familienstand [... ] sowie Auskünfte über das Freizeitverhalten (teure Hobbys?)" zu verlangen. b) Statuiert§ 831 BGB eine allgemeine Organisationsptlicht? Teilweise ist versucht worden, aus§ 831 Abs. 1 S. 2 BGB eine allgemeine Organisationspflicht abzuleiten. 168 Begründet wird dies vor allem mit dem Wunsch, ein einheitliches Haftungskonzept zu schaffen. 169 Dieser Vorschlag geht aber über den Wortlaut des § 831 BGB hinaus. Die Auswahl ist zwar wichtiger Teil der Verkehrssicherungspflicht zu ausreichender Organisation, aber eben nur ein Teil. Auch Jakobs' 170 Verweis auf Art. 55 des schweizerischen OR hilft hier nicht weiter; denn die Norm spricht allgemeiner davon, dass der Geschäftsherr, "alle nach den Umständen
163 RGZ 142, 356 (363); vgl. auch BGH, VersR 1983,668 (669); OLG Celle, VersR 1990, 169- zur Beaufsichtigung eines Hausmeisters hinsichtlich seiner Streupflicht; RGRK-Steffen, §831 Rn. 41. 164 Vgl. etwa BGH, VersR 1984, 67; VersR 1963, 1076 (1078). DerBGHhat auchmehrmals die von Berufungsgerichten gestellten Anforderungen als überspannt angesehen, so BGH, VersR 1958, 29 (30): Das OLG Düsseldorfhatte den Grundsatz aufgestellt, jeder Kfz-Halter müsse den Fahrer stets auch unvermutet und unauffällig überprüfen; vgl. auch BGH, VersR 1983,668 (669). 165 BGH, VersR 1966, 1074 (1076); RGRK-Steffen, § 831 Rn. 42; Staudinger 13-Belling/ Eberl-Borges, § 831 Rn. 97; ähnlich RGZ 79, 101 (106). 166 Besonders im Bereich des Straßenverkehrs hat die Rechtsprechung den Grundsatz aufgestellt, es seien strenge Anforderungen zu stellen, BGH, VersR 1966, 364; 1965,473. Wennberg, DRiZ 1967, 336, spricht von teilweise "lebensfremden Anforderungen". 167 NJW-RR 1997,471. 168 Brüggemeier, AcP 191 (1991), 33 (59f.); Esser/Weyers, Schuldrecht 11/2, §58 I 2c (S.213f.); RGRK-Steffen, §831 Rn. 56; Schmitz, Verhaltenszurechnung, ErsterTeil V (S. 26). Canaris, FS Larenz, S. 27 (S. 82), möchte § 831 BGB analog anwenden. 169 RGRK-Steffen, § 831 Rn. 56. 110 VersR 1969, 1061 (1067).
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gebotene Sorgfalt angewendet habe, um einen Schaden dieser Art zu verhüten". 171 Helm 172 möchte den Geschäftsherrn immerhin dann aus § 831 BGB haften lassen, wenn der Geschäftsherr bestimmte Pflichten nicht hätte delegieren dürfen. 173 Dieser - nur mit Argumenten der Funktionalität begründete - Vorschlag ist aber, wie Helm 114 selbst feststellt, "Rechtsfortbildung" und entfernt sich ohne Not zu weit vom Gesetz. Eine allgemeine Organisationspflicht lässt sich allenfalls aus § 823 Abs. 1 BGB ableiten. Die Zweispurigkeil der Haftung des Geschäftsherrn ist de lege lata hinzunehmen. c) Pflicht zur sorgfältigen Leitung Im Gegensatz zur eben dargestellten Überwachungspflicht im Sinne einer perpetuierten Auswahlpflicht geht es bei der Leitungspflicht um die Überwachung der Verrichtung an sich, 175 die Grenzen sind jedoch fließend. 176 So kann etwa bei einer besonders schwierigen Tätigkeit für den Geschäftsherrn entweder die Pflicht bestanden haben, einen erfahrenen Gehilfen auszuwählen (Auswahlpflicht 177), oder beim Einsatz einer weniger erfahrenen Hilfsperson, die Ausführung zu leiten (Leitungspflicht). Ob eine solche Leitungspflicht besteht, richtet sich wiederum 178 nach der Stellung und Qualifikation des Gehilfen einerseits und nach der Art, insbesondere der Gefährlichkeit der Verrichtung andererseits. 179 171 Umso erstaunlicherist es, dass Jakobs, VersR 1069, 1061 (1067), darauf hinweist, Art. 55 OR sei "bis in die Formulierung hinein" dem § 831 BGB nachgebildet. 1n AcP 166 (1966), 389 (398). 173 Die Pflichtendelegation sieht er nur dann als zulässig an, wenn der Übemehmer kraft seiner eigenen sozialen Stellung, nämlich eigener Herrschaft über die Verrichtung, der Gemeinschaft gleichwertige Sicherheit für die Erfüllung und das haftungsrechtliche Einstehen bietet. Die Pflichtverletzung hat zwar auch nach der Rechtsprechung eine Haftung aus § 823 Abs. 1 BGB zur Folge, nicht aber aus § 831 BGB; vgl. unten 2. Kap. BI 1 a. 174 AcP 166 (1966), 389 (398). 11s RGZ 53, 123 (125); 82, 206 (218); Erman-Schiemann, § 831 Rn.22; Kadel, ZfRV 1997, 56 (60); Palandt-Thomas, §831 Rn.14; RGRK-Steffen, §831 Rn. 50. Vgl. auch oben 2.Kap. § 1 AV1a. 176 Kadel, ZfRV 1997, 56 (60); Staudinger 13-Belling/Eberl-Borges, § 831 Rn. 94; davon geht wohl auch das RG, Z96, 81 (83), aus. 177 Siehe dazu oben 2. Kap. § 1 A V 1 a. 178 Wie auch die Frage nach der Intensität der erforderlichen Überwachung, dazu oben 2. Kap. § 1 A V 1 a. 179 Kadel, ZfRV 1997,56 (60); RGRK-Steffen, §831 Rn. 51. DerBGH, VersR 1972,67 (69), hat beispielsweise die Leitungspflicht hinsichtlich des Auffüllens von Öl durch einen mit dieser Tätigkeit noch nicht hinreichend vertauten Gehilfen angenommen.
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Wenn die Leitungspflicht festgestellt ist, 180 hat der Geschäftsherr zu beweisen, dass er ihr genügt, etwa die Ausführung der Verrichtung mittels Dienstanweisungen gesteuert 181 oder in anderer Weise Vorsichtsmaßnahmen getroffen hat. 182 d) Sorgfaltspflicht bei der Beschaffung von Vorrichtungen und Gerätschaften Die neben den eben beschriebenen Pflichten dritte besondere Obliegenheit, hinsichtlich der sich der Geschäftsherr entlasten muss, nämlich die Sorgfaltspflicht bei der Beschaffung von Vorrichtungen und Gerätschaften, 183 hat in der Rechtsprechung kaum eine Rolle gespielt. 184
2. Der Entlastungsbeweis Der Verletzte hat zu beweisen, dass ihm ein Verrichtungsgehilfe 185 des in Anspruch genommenen Geschäftsherrn in Ausführung seiner Verrichtung 186 widerrechtlich einen Schaden zugefügt hat. 187 Gelingt ihm der Beweis, muss der Geschäftsherr beweisen, dass er die ihm von § 831 Abs. 1 S. 2 BGB auferlegten Pflichten beachtet hat, beziehungsweise, dass der Schaden auch bei Beachtung der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt entstanden wäre 188 - es besteht eine Kausalitäts- und Verschuldensvermutung. 189 a) Bedeutung Die Bedeutung der Beweislastumkehr wird nur deutlich, wenn man sich die Funktion des Beweises und der Beweislast vor Augen führt. Im praktisch häufigen 180 Zur strittigen Frage, wer das Bestehen der Pflicht beweisen muss, vgl. unten 2. Kap. § 1 AV2d. 181 Palandt-Thomas, §831 Rn. 18; RGRK-Steffen, §831 Rn.51. 182 Etwa, indem eine andere Person zur Überwachung eingesetzt wird, vgl. auch Staudinger13-Be/ling/Eberl-Borges, § 831 Rn. 105. 183 Die Vorrichtungen betreffen insbesondere die Vorbereitung der Arbeitsstätte, die Gerätschaften die Werkzeuge, Geräte und Apparaturen sowie sonstige Hilfsmittel, RGRK-Steffen, § 831 Rn.48 f. 184 V gl. aber etwa BGH, VersR 1965, 56 (57). 185 Dazu gehört auch der Beweis, dass es sich beim Schädiger überhaupt um einen Verrichtungsgehilfen gehandelt hat; vgl. Baumgärtel, Handbuch der Beweislast, § 831 Rn. 3; zu den Voraussetzungen vgl. im Einzelnen oben 2. Kap. § l A II. 186 RGRK-Steffen, § 831 Rn. 66. 187 V gl. BGH, NJW 1994, 2756 (2757). Im Einzelnen muss er also das Gehilfenhandeln, das im Regelfall ein absolutes Rechtsgut im Sinne des § 823 Abs. 1 BGB verletzt haben wird, den Schaden, die Kausalität des Gehilfenhandeins für diesen und die Widerrechtlichkeit beweisen. Vgl. zum Ganzen: Baumgärtel, Handbuch der Beweislast, § 831 Rn. 1 ff. 188 Schließlich kann er sich auch durch den Nachweis seiner Deliktsunfahigkeit nach§§ 827, 828 BGB entlasten; vgl. Erman-Schiemann, § 831 Rn. 16; SoergeJl 2-Zeuner, § 831 Rn. 37. 189 Kritisch zum Begriff des vermuteten Verschuldens Woesner, MDR 1983, 463.
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Fall des non liquet beruht eine Gerichtsentscheidung auf den Regelungen der objektiven Beweislast 190 - von ihr hängt damit letztlich der Unterschied zwischen "Recht haben" und .,Recht bekommen" ab. 191 Die Beweislastumkehr soll dem Geschädigten aus einem Dilemma heraushelfen: die Umstände der Auswahl und Überwachung des Gehilfen wird er mangels Einblicks in Betriebsinterna 192 des Geschäftsherrn kaum beweisen können, 193 zumal das deutsche Zivilprozessrecht keinen allgemeinen Informationsanspruch gegenüber dem Prozessgegner kennt. 194 b) Entkräften der Verschuldensvermutung Der Geschäftsherr, der hinsichtlich der für das Verschulden bedeutsamen Umstände gewissermaßen an der Quelle sitzt, kann sich nun entlasten, indem er jegliche vernünftigen Zweifel daran ausräumt, dass die Sorgfaltspflichten beachtet wurden. 195 Waren mehrere Gehilfen beteiligt, muss der Geschäftsherr entweder beweisen, auf wessen Handeln der Schaden beruht und sich für diesen, andernfalls für jeden in Frage kommenden Gehilfen entlasten. 196 Damit wird dem Geschädigten der Kausalitätsnachweis erleichtert, indem er keinen Schädiger benennen muss. Allerdings hat er die konkreten Umstände der Schädigung so genau zu bezeichnen, dass der Geschäftsherr daraus entnehmen kann, welcher Gehilfe als Schädiger in Betracht kommt. 197 Obwohl die Rechtsprechung hohe Anforderungen an die Einhaltung der Sorgfaltspflichten stellt, wird das Entkräften der Verschuldensvermutung dem Geschäftsherrn im Regelfallleicht gelingen. 198
190 Rosenberg, Beweislast, § I 111 (S. 2); Rosenberg!Schwab/Gottwald, Zivilprozeßrecht, § 117 I I (S.669). 191 V gl. dazu auch Lang, Aufklärungsptlichten, Kap. I A II (S. 20); Paulus, Zivilprozeßrecht, Rn.279. 192 Der BGH, NJW 1982,699, spricht bei der Begründung der Beweislastumkehr im Krankenhauswesen, wo es sich hinsichtlich des Einblicks in interne Vorgänge ähnlich verhält wie in Großbetrieben, von einer nicht behebbaren Beweisnot für den Geschädigten. 19 3 Vgl. dazu auch Paulus, ZZP 104 (199I), 397 (404). 194 Vgl. dazu Lang, Aufklärungsptlichten, Kap. II (S. 34ff.). 195 Kadel, ZfRV 1997,56 (6I); RGRK-Steffen, §831 Rn. 57. 196 BGH, BB 1973, 1372 (1373); VersR 1958, l07f.; 1955,746 (747); RGZ 87, 1 (4). 197 Staudinger 13-Belling!Eberl-Borges, § 831 Rn. 98. 198 So auch Esser!Weyers, Schuldrecht II/2, §58 I3 (S. 215). Es müssen aber immerhin konkrete Tatsachen hinsichtlich seiner Sorgfalt behauptet werden, RGRK-Steffen, § 831 Rn. 57. Ein wenig vermessen erscheint es, wenn ein beklagter Geschäftsherr meint, er könne sich entlasten, indem er formelhaft den Gesetzeswortlaut wiederholt, so in BGH NJW 1968, 247 (248), oder sich gar darauf beruft, er stelle nur wohlausgewähltes Personal ein, RGZ 87, 1 (4).
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c) Entkräften der Kausalitätsvermutung Als zweite Möglichkeit, sich zu entlasten, kann der Geschäftsführer nach § 831 Abs. 1 S. 2 a. E. BGB beweisen, dass der Schaden auch bei Anwendung "dieser"- nämlich der im Verkehr erforderlichen- Sorgfalt entstanden wäre. 199 Gestritten wird um die Frage, ob es zur Entlastung genügt, wenn der Geschäftsherr beweist, dass der Schaden nicht auf dem Mangel des Gehilfen beruht, der ihn für die Verrichtung als ungeeignet erscheinen lassen musste. Die Rechtsprechung200 hat diese Frage ebenso wie Teile der Literatur201 verneint. Der BGH202 hatte etwa folgenden Fall zu entscheiden: Die Bedienerin einer Waage der Bundesbahn hatte bewusst zum Nachteil des Klägers falsch gewogen. Der BGH entschied, dass sie, weil sie mangelhafte Fähigkeiten im Rechnen hatte, nicht hätte eingestellt werden dürfen und das, obwohl der Geschäftsherr einen Strafregisterauszug angefordert und sich auf diese Weise von der Geeignetheil hinsichtlich der Redlichkeit der Gehilfin bei ihrer früheren Tätigkeit als Putzfrau überzeugt hatte. Hätte der Geschäftsherr hier aber hinsichtlich der Eignung als Wägerio sorgfältig gehandelt, wäre es nicht zu einer Schädigung gekommen, da er die Frau dann nicht eingestellt hätte. Der BGH schloss sich der Auffassung des Berufungsgerichts an, ,,Putzen, ohne zu stehlen, stelle keinen Befähigungsnachweis als bahnamtliche Wägerio dar". Hinter der Rechtsprechung scheint wiederum das Bedürfnis zu stehen, die Möglichkeit der Entlastung weitestgehend zu verbauen. 203 Zwar lässt sich nicht bestreiten, dass die Sorgfaltspflichtverletzung des Geschäftsherrn in Fällen wie dem eben geschilderten kausal für den Schaden ist, es fehlt aber am haftungsbegründenden 199 Die bloße Möglichkeit des Schadenseintritts bei Beachtung der Sorgfalt genügt dabei ebenso wenig, vgl. RGZ 159,283 (291); 159,312 (315); Erman-Schiemann, §831 Rn.24; Soergel 12-Zeuner, § 831 Rn. 52, wie der Beweis, dass ein nur ähnlicher Schaden eingetreten wäre, vgl. RGRK-Steffen, §831 Rn.60. 2oo BGH, NJW 1978, 1681 (1682). Der BGH, NJW 1993, 2989 (2991), hat dies aber nicht durchgehalten und, ohne es ausdrücklich zu erwähnen, 1993 festgestellt, den Beklagten treffe die Beweislast dafür, dass der Schaden der Klägerin nicht auf der mangelnden Qualifikation des Gehilfen beruhe; dies sah der VI. Zivilsenat zwar in dem ihm vorliegenden Fall nicht als bewiesen an, er scheint aber die grundsätzliche Möglichkeit dieser Entlastung anzuerkennen. 201 Baumgärtel, Handbuch der Beweislast, § 831 Rn. 31; Erman-Schiemann, § 831 Rn. 24; MüKo-Stein, § 831 Rn. 59; RGRK-Steffen, § 831 Rn. 62. Teilweise wird diese Ansicht- fälschlicherweise - als allgemeine Meinung bezeichnet, vgl. Erman-Schiemann, § 831 Rn. 24, und Soerge1 12-Zeuner, § 831 Rn. 54. Anderer Auffassung sind zumindest: Esser!Weyers, Schuldrecht 11/2, §58 I 2 c (S. 214 f.); Kötz, Deliktsrecht, Rn. 286; Larenz!Canaris, Schuldrecht 11/2, § 79 III4 b (S.482); Oertmann, Schuldverhältnisse,§ 831 3b (S.1436); kritisch auch Deutsch, Unerlaubte Handlungen, Rn.326, undKadel, ZfRV 1997,56 (61). 202 VersR 1961, 848 f. 203 Deutsch, Unerlaubte Handlungen, Rn. 326, weist darauf hin, die Auffassung der Rechtsprechung sei eine deutliche Annährung an die Gefiihrdungshaftung. Auch Stein, MüKo, § 831 Rn. 59, sieht in dieser Ansicht eine Haftung für abstrakte Gefahrerhöhung, sieht diese aber mit der wenig überzeugenden Begründung als gewollt an, der Schutzzweck der Vorschrift sei weit gefasst.
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Schutzzweck-204 oder Rechtswidrigkeitszusarnrnenhang. 205 Stellt die Rechtsordnung Regeln auf, die ein Geschäftsherr bei der Auswahl eines Gehilfen zu beachten hat, so muss sich die vom Geschäftsherrn durch die Einstellung verursachte Gefahr im Schadenseintritt verwirklicht haben, wenn er für den Schaden haften soll.206 Es ist kein Grund ersichtlich, warum der Schutzzweckzusammenhang entgegen den allgemein geltenden Regeln bei § 831 BGB unbeachtlich sein soll. 207 Dem Geschäftsherrn muss die Entlastung auch mit dem Beweis des fehlenden Schutzzweckzusammenhangs möglich sein. d) Reichweite der Beweislastumkehr Problematisch ist der Umfang der Beweislastumkehr hinsichtlich der Beschaffung von Vorrichtungen und Gerätschaften sowie der Leitung der Verrichtung durch den Geschäftsherrn. Unzweifelhaft muss der Geschäftsherr hier die Beachtung der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt beweisen, soweit eine Beschaffungs- oder Leitungspflicht besteht. Der Beweis aber, dass eine solche Pflicht den Geschäftsherrn trifft, soll nach der Rechtsprechung208 und herrschenden Lehre 209 dem Geschädigten obliegen. Diese Unterscheidung ist jedoch weder sachgerecht noch überhaupt praktikabel. Zum einen schon wegen des engen Zusammenhanges zwischen der Auswahl- und der Leitungspflicht 210 Die Aufspaltung harmoniert zum anderen nicht mit dem Sinn der vom Gesetzgeber vorgesehenen Beweislastumkehr des § 831 Abs.1 S. 2 BGB. 211 Bei den für die Frage nach dem Erfordernis der Beschaffung von Vorrichtungen und Gerätschaften oder Leitung der Verrichtung entscheidenden Tatsachen handelt es sich regelmäßig um solche, die der innerbetrieblichen Sphäre angehören. 212 Der Entlastungsbeweis muss sich daher auch auf die Frage erstrecken, ob eine Beschaffungs- oder Leitungspflicht besteht. 213 e) Der dezentralisierte Entlastungsbeweis Ist die Möglichkeit des Geschäftsherrn, sich zu entlasten, rechtspolitisch ohnehin schon umstritten, so lösen die praktischen Konsequenzen der Ausgestaltung des 204 Zu Schutzzweckzusammenhang und Verkehrspflichten im Allgmeinen vgl. Stoll, AcP 162 (1962), 203 (234f.). 2os So Esser/Weyers, Schuldrecht 11/2, §58 I 2c (S. 215). 206 Ähnlich Kötz, Deliktsrecht, Rn. 286. Deshalb führt auch das rechtmäßige Verhalten des Gehilfen in jedem Fall zur Möglichkeit dieses Entlastungsbeweises, vgl. oben 2. Kap. § 1 AIII. 207 So Larenz!Canaris, Schuldrecht 11/2, § 79 III 4 (S. 482). 208 BGH, NJW 1986,776 (777); RGZ 53, 123 (125). 209 Paiandt-Thomas, § 831 Rn.17, 18, 22; RGRK-Steffen, § 831 Rn. 66; Soergei 12-Zeuner, §831 Rn.67; Staudinger 13 -Belling!Eberl-Borges, §831 Rn. l05. 210 V gl. auch oben 2. Kap. § I A V I c. 211 V gl. oben 2. Kap. § 1 A V 2 a. 212 Baumgärtel, Handbuch der Beweislast, § 831 Rn. 12. 213 Baumgärte I, Handbuch der Beweislast, § 831 Rn. 12; MüKo-Stein, § 831 Rn. 62.
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§ 831 BGB für die Haftung von größeren Unternehmen noch stärkeren Unmut aus. Im Großbetrieb mit einer Vielzahl Angestellter ist es dem Geschäftsherrn unmöglich, laufend selbst zu überwachen, ob jeder seiner Gehilfen für die ihm zugewiesenen Tätigkeiten noch geeignet ist. Er wird deshalb diese Aufgabe auf andere, übergeordnete Gehilfen übertragen müssen.
(1) Entwicklung und Begründung des dezentralisierten Entlastungsbeweises
Diese Problematik hat schon das Reichsgericht214 zu der Frage geführt, ob sich der Geschäftsherr nur hinsichtlich der Auswahl des Zwischengehilfen entlasten muss oder ob er weitergehend auch beweisen muss, dass der Zwischengehilfe den Schädiger sorgfältig ausgewählt und überwacht hat. Das Reichsgericht215 führt zum sogenannten dezentralisierten Entlastungsbeweis aus: "Wenn[...] der Umfang eines großen industriellen Betriebs[...] oder wenn andere persönliche Hindernisse dem Geschäftsherrn selbst die Auswahltätigkeit hinsichtlich der niederen Angestellten unmöglich machen und diese einem Angestellten höherer Ordnung übertragen werden muss, dann hat sich insoweit der Entlastungsbeweis auf diese letztere Person zu richten."
Der BGH216 , der dem Reichsgericht insoweit gefolgt ist, hat ausdrücklich klargestellt, dass es auf ein Verschulden des Zwischengehilfen bei der Auswahl des Schädigers nicht ankommen kann. Allerdings muss der Geschäftsherr nachweisen, dass es ihm "der Umfang eines großen industriellen Betriebes" oder "andere persönliche Hindernisse" unmöglich machen, alle Gehilfen selbst auszuwählen. 2 17 Ist das der Fall, so kann er sich im Rahmen des § 831 Abs. 1 S. 2 BGB nur hinsichtlich der Erfüllung der Sorgfaltspflichten entlasten müssen, die ihm obliegen. 218 Insofern ist der dezentralisierte Entlastungsbeweis de lege lata zwingende Folge der gesetzlichen Regelung 219 und des zugrunde liegenden Verschuldensprinzips. 220 Von etwas anderem als der Sorgfalt bei der Auswahl des Zwischengehilfen durch den Geschäftsherrn kann die Haftung des Letzteren nicht abhängen. Alle weiteren, ihm unter Umständen obliegenden, allgemeinen Organisationspflichten, deren Verletzung in Frage kommt, gehören hingegen nicht in den Anwendungsbereich des § 831 BGB. 221 214 Z78, 107 (108).
m Z78, 107 (108).
216 VersR 1978,722 (723); 1974,243 (244); NJW 1952, 418f. 2n RGZ 78, 107 (108f.). 21 8 Ähnlich RGRK-Steffen, § 831 Rn. 52. 21 9 So auch v.Caemmerer, ZfRV 1973,241 (250); RGRK-Steffen, §831 Rn. 52; Schmidt-Salzer, Produkthaftung 111/1, Rn. 4.204. 220 Soergel•2-Zeuner, § 831 Rn. 41. 221 V gl. dazu und zu den abweichenden Auffassungen oben 2. Kap. § 1 A V 1 b.
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2. Kap.: Die Haftung für HUfspersonen im Europa der Gegenwart
(2) Kritik der Literatur und Bedeutung in der heutigen Rechtsprechung Die Konsequenzen des dezentralisierten Entlastungsbeweises werden nahezu durchweg als rechtspolitisch bedenklich222 und sachlich ungerechtfertigt223 bezeichnet: Er benachteilige kleinere Unternehrnen224 oder gar Private, die sich einer Hilfsperson bedienten, gegenüber Großbetrieben, 225 bei denen regelmäßig Z Wischenglieder eingeschaltet sein müssten und wo sich der Geschäftsherr auf diese Weise seiner "ohnehin bescheidenen Verantwortlichkeit" noch dadurch vollends entziehen könne, dass er selbst nur wenige höhere Angestellte bestelle. 226 Dies ist vor allem insoweit problematisch, als der Gesetzgeber, der die Problematik offenbar gar nicht voll erfasst hat, 227 die Möglichkeit des Entlastungsbeweises gerade deshalb als angemessen - und gegenüber einer Haftung des Geschäftsherrn für fremdes Verschulden als vorzugswürdig - ansah, um dadurch kleinere Betriebe zu schützen, die die Folgen einer strengen Haftung nicht so gut wie größere Unternehmen verkraften könnten.228 Bereits Planck229 und Ennecerus/Lehmann 230 forderten deshalb, dass der Geschäftsherr sich auch bezüglich der Sorgfalt des Zwischengehilfen entlasten müsse. 231 Den dezentralisierten Entlastungsbeweis halten sie sogar für mit § 831 Abs. 1 S. 2 BGB unvereinbar; dort gehe es nur darum, dass der Geschäftsherr sich bezüglich der Auswahl des schadenstiftenden Gehilfen entlaste. Wenn er diesen nicht selbst auswähle, müsse er die Auswahl des Zwischengehilfen für und gegen sich gelten lassen. 232 Davon geht im Ergebnis auch Jakobs 233 aus, der meint, es habe den dezentralisierten Entlastungsbeweis nie gegeben; der BGH234 habe das Reichsgericht133 insoweit missverstanden. 236 Dogmatisch verweist er darauf, dass das Ver222 So Erman-Schiemann, §831 Rn.21; Kupisch, JuS 1984,250 (255); RGRK-Steffen, §831 Rn. 52; Soergei 12-Zeuner, § 831 Rn. 41. 223 So MüKo-Stein, § 831 Rn. 66; SoergeP 2 -Zeuner, § 831 Rn.41; ähnlich Enneccerus/Lehmann, Schuldverhältnisse, § 241 III 1 c (S. 982). 224 Wohl nur Helm, AcP 166 (1966), 389 (397), wirft die Frage auf, ob diese Bevorzugung des Großbetriebes überhaupt unerwünscht sei. 225 Erdsiek, KF 1960, 3 (4); Erman-Schiemann, § 831 Rn. 21; Helm, AcP 166 (1966), 389 (397);Kötz,Deliktsrecht, Rn.284; RGRK-Steffen, §831 Rn. 52; Soergel 12-Zeuner, §831 Rn.41. 226 So Oertmann, Schuldverhältnisse, §831 2b (S.l432). 227 Weber-Häusermann, Neue Verantwortungsformen, 1. Teil 1. Kap. II 12.2. (S. 12), stellt fest, § 831 BGB sei auf kleine, leicht überschaubare Verhältnisse zugeschnitten. 228 Protokolle, Mugdan II, S. 1094. 229 BGB, § 831 2 a (S. 1783). 23° Schuldverhältnisse, § 241 II 1 c (S. 982). 231 Diese Konstruktion sieht auch Martinek, Repräsentantenhaftung, Kap. VI B 1 a(2) (S.164), als vorzugswürdig an. 232 Enneccerus/Lehmann, Schuldverhältnisse,§ 241 II l c (S. 982). 233 VersR 1969, 1061 (1066ff.). 234 NJW 1952, 418f. m Jakobs verweist besonders auf RGZ 78, 107 ff. 236 Richtig an der Argumentation Jakobs' ist, dass das RG, nachdem es festgestellt hat, dass der Geschäftsherr sich nur für den Zwischengehilfen entlasten müsse, dennoch eine Haftung
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schulden im Bürgerlichen Recht nicht so streng verstanden werden dürfe wie im Strafrecht.
In der Rechtsprechung ist zwar der dezentralisierte Entlastungsbeweis nie ausdrücklich aufgegeben, verschiedentlich aber einfach ignoriert worden. Während der BGH 1967 im "Schubstrebenfall" 237 noch ausdrücklich offengelassen hat, ob an der Rechtsprechung zum dezentralisierten Entlastungsbeweis festgehalten werden solle, hat das Gericht später stillschweigend, teilweise ohne weitere Begründung, verlangt, der Zwischengehilfe müsse seinerseits sorgfältig gehandelt haben. So hat der BGH238 in einem Fall, in dem ein Zwischengehilfe der Deutschen Bundesbahn eine weitere Hilfsperson ausgewählt hatte, den Beweis gefordert, dass der Zwischengehilfe den späteren Schädiger sorgfältig überwacht habe.239 Noch deutlicher wird das OLG München 240: Ein betrunkener Besucher des Münchener Oktoberfestes war an Kragen und Beinen von einem Wachmann aus dem Zelt gezerrt und dabei verletzt worden. Das OLG führt aus, die Zwischenperson habe "als Bevollmächtigte der Bekl. bei der Auswahl der Ordnungsleute für den Dienst auf dem Oktoberfest 1958 praktisch jeden aufgenommen, der nach seinem polizeilichen Führungszeugnis nicht wegen Körperverletzung oder Trunkenheitsdelikten vorbestraft war". Damit wird auf das Verschulden der Zwischenperson abgestellt, freilich wieder, ohne diese Abweichung von der bisherigen Rechtsprechung zu erwähnen und zu begründen. Die den dezentralisierten Entlastungsbeweis ablehnenden Stellungnahmen in Literatur und Rechtsprechung sind mit der derzeitigen Rechtslage kaum vereinbar und laufen auf eine der Verschuldenszurechnung nach § 278 BGB ähnliche Begründung der Haftung hinaus. 241 Praktisch hat aber damit der dezentralisierte Entlastungsbeweis stark an Bedeutung verloren und er ist vor dem Hintergrund, dass er überdies vielfach mit Hilfe von anderen Anspruchsgrundlagen umgangen wird, 242 weitgehend obsolet. 243 für möglich hielt, wenn "allgemeine Aufsichtsanordnungen", vgl. RGZ 78, 107 ( 109), verletzt seien, die Sache des Geschäftsherrn selbst blieben. Weitnauer, VersR 1970, 586 (595), hat aber überzeugend dargelegt, dass damit nur eine allgemeine Organisationspflicht gemeint sein kann, für deren Verletzung der Geschäftsherr nach § 823 Abs. 1 BGB haftet; zu dieser sogleich 2. Kap. § 1 B 11 a. 237 BGH, NJW 1968,247 (248). 238 VRS 18, Nr. 132 (S. 322). 239 Dies würde zwar ohne weiteres dem Gesetz entsprechen, soweit es sich bei dem Zwischengehilfen um ein Organ i. S. des § 31 BGB- und damit quasi um den Geschäftsherrn selbst- gehandelt hätte; das ist aber zweifelhaft, und der BGH hat dies jedenfalls mit keinem Wort erwähnt. 240 VersR 1963, 686 (687). 241 Dies hat zu Recht auch der BGH, NJW 1952, 418 (419), noch 1951 so gesehen. Gegen eine solche Zurechnung auch Kupisch, JuS 1984, 250 (255); kritisch außerdem Schreiber, Jura 1987,647 (653). 242 Vgl. dazu unten 2. Kap. § 1 B, insbes. I 1 c. 243 So auch Erman-Schiemann, § 831 Rn. 21.
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2. Kap.: Die Haftung für Hilfspersonen im Europa der Gegenwart VI. Rückgriff des Geschäftsherrn
Die Verantwortlichkeit des Geschäftsherrn soll der gesetzgebensehen Konstruktion nach nur eine vorläufige sein, denn sie korrespondiert im Innenverhältnis mit einem unbeschränkten Rückgriffsrecht gegen den Gehilfen aus § 840 Abs. 2 BGB, das dem Geschäftsherrn trotz des vorausgesetzten eigenen schuldhaften Verhaltens zusteht. Er ist damit lediglich Garant für die Solvenz des Gehilfen. Die Rückgriffsmöglichkeit erfährt allerdings im Arbeitsrecht massive Einschränkungen durch die Grundsätze der Schädigungen bei betrieblich veranlasster Tätigkeit, auf die aber, da sie bei der Einschränkung der Tragweite des § 831 BGB eine Rolle spielen, erst an späterer Stelle eingegangen wird. 244 B. Kunstgriffe zur Umgehung des§ 831 BGB Allein die Beschäftigung mit dem Anwendungsbereich des § 831 Abs. 1 BGB selbst hat bereits das Bestreben der Rechtsprechung gezeigt, sich mit den Folgen der Norm nicht abzufinden. 245 Daneben sind im weiteren Deliktsrecht und vor allem auch im Vertragsrecht durch Rechtsfortbildung Wege gefunden worden, dem Geschäftsherrn die Exkulpationsmöglichkeit zu nehmen. I. Das Deliktsrecht
Im Deliktsrecht hat sich die Rechtsprechung dazu der§§ 823 Abs. 1 und 31 BGB sowie des § 839 BGB bedient.
1. Haftung aus § 823 BGB Der Rückgriff auf§ 823 BGB ist auf den ersten Blick wenig hilfreich, erfordert er doch ebenso wie § 831 BGB das eigene Verschulden des Haftenden und sieht zudem keine Beweislastumkehr vor. Die Gerichte haben hier aber einerseits die Voraussetzungen an das Verschulden gelockert und anderseits versucht, der Beweisnot des Geschädigten in bestimmten Bereichen abzuhelfen. a) Die Lehre vom Organisationsverschulden Bereits mehrfach sind die allgemeinen Organisationspflichten als Sonderfälle allgemeiner Verkehrssicherungspflichten erwähnt worden, 246 die den Geschäftsherrn Vgl. unten 2.Kap. § 1 BI 1 d. Hier sei vor allem noch einmal an die strengen Anforderungen hinsichtlich der Überwachung des Gehilfen, vgl. oben 2. Kap. § 1 A V 1 a (2), und an das Ignorieren der Möglichkeit des dezentralisierten Entlastungsbeweises, vgl. oben 2.Kap. §I A V2e(2), erinnert. 246 Hassold, JuS 1982, 583 (585); RGRK-Steffen, § 831 Rn. 6; zu den allgemeinen Verkehrssicherungsptlichten, insbesondere zur Terminologie, vgl. oben, 2. Kap. § I Fn. 7. 244
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treffen und deren Verletzung nicht in den Anwendungsbereich des § 831 Abs. 1 BGB fällt. 247 Die Rechtsprechung hat mit Hilfe des Organisationsverschuldens in bestimmten Fällen eine quasi verschuldeosunabhängige Haftung des Geschäftsherrn für Gehilfenhandeln geschaffen. (1) Die Organisationspflicht und das Organisationsverschulden Vom Geschäftsherrn wird gefordert, dass er den Ablauf der Betriebsvorgänge so einrichtet und überwacht, wie das zur Vermeidung von Schädigungen Dritter nach der Sachlage geboten ist. 248 Er muss für eine wirksame Kontrolle des Personals, also die allgemeine Überwachung, 249 sorgen. Dass der Geschäftsherr haften muss, wenn er selbst diese Pflichten missachtet, also wenn er etwa einen Gehilfen fehlerhaft einweist oder zu wenige Gehilfen für eine schwere Tätigkeit eingesetzt hat, bedarf kaum der Erwähnung. Bemerkenswerte Ausmaße nimmt die Organisationspflicht aber dadurch an, dass sie dem Geschäftsherrn, wenn er bestimmte Gefahrenquellen eröffnet, etwa ein größeres Unternehmen betreibt, verwehren soll, einen Mindestbestand an Sicherungsaufgaben auf Dritte zu übertragen, unabhängig von deren Zuverlässigkeit; diese Aufgaben sollen immer seine eigene Angelegenheit bleiben. Jegliche Verletzung der so gestalteten Pflichten führt zu einem betrieblichen Organisationsverschulden des Geschäftsherrn. 250 So hat etwa der BGH251 festgestellt, der Setreiber eines Elektrogroßhandels könne sich nicht der Oberaufsicht über seine Angestellten entledigen. Eine bemerkenswerte Auffassung zum Organisationsverschulden hat das LG Göttingen 252 vertreten. Der Gehilfe eines Malereibetriebes hatte bei einer Antiquitätenmesse eine Stellwand nicht standfest aufgestellt. Das Gericht wendete § 823 Abs. 1 BGB wegen Verletzung der Organisationspflichten des Geschäftsherrn mit 247 Die dem Geschäftsherrn nach § 831 Abs. 1 S. 2 BGB obliegenden Pflichten kann man zwar als spezielle Organisationspflichten bezeichnen; vgl. Landwehr, AcP 164 (1964), 482 (500). Sind Auswahl- oder Überwachungspflichten im Sinne des § 831 BGB betroffen, ist aber lediglich dieser als Iex specialis anwendbar. Freilich kann im Einzelfall sowohl eine Organisations- als auch eine Auswahl- oder Überwachungspflichtverletzung vorliegen - die Grenzen sind fließend; so auch Kötz, Deliktsrecht, Rn. 294; ähnlich Errnan-Schiemann, § 831 Rn. 25. Vgl. auch BGHZ 17,214 (220). 248 Hassold, JuS 1982, 583 (584); Kötz, Deliktsrecht, Rn. 292. 249 Im Gegensatz zur spezielleren Überwachungspflicht im Rahmen des§ 831 BGB. Die Abgrenzung kann im Einzelfall schwierig sein. 250 RGRK-Steffen, § 831 Rn. 6. Stein, MüKo, § 831 Rn. 3, hält die Organisationspflicht für eine spezifische Verkehrspflicht zum Schutz fremden Vermögens. Der Geschäftsherr könne zwar die Verkehrssicherung delegieren, nicht aber die Verantwortlichkeit dafür, dass die Opfer mangelnder Verkehrssicherung bei einem Schaden finanziellen Ersatz erhalten. 25 1 Z32, 53 (55). 252 VersR 1981,760.
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dem Argument an, der Geschäftsherr hätte für das standfeste Aufstellen selbst Sorge tragen müssen und hätte diese Pflichten nicht delegieren dürfen. Bemerkenswert ist vor allem, dass das LG daraus, dass der Geschäftsherr seine Pflichten nicht delegieren durfte, gefolgert hat, dass der Gehilfe selbst keine Pflichtverletzung begangen und daher nicht rechtswidrig gehandelt habe. Daher sei § 831 BGB nicht anwendbar und der Geschäftsherr könne sich nicht entlasten. 253 Haftungsgrund ist in diesen Fallen nicht, dass eine spezifische Gefahr durch den Einsatz eines Dritten geschaffen wurde, 254 sondern dass der Geschäftsherr selbst durch die Schaffung einer gefahrträchtigen Organisation das Schadensrisiko erhöht hat255 und es unterlassen hat, Maßnahmen zur Gefahrvermeidung zu ergreifen. Ebenso wie bei den Pflichten des § 831 Abs. 1 S. 2 BGB werden an die Erfüllung der Organisationspflichten sehr hohe Anforderungen gestellt. 256 Im Bereich der juristischen Personen begründet die Rechtsprechung eine ähnliche Haftung wegen körperschaftlichen Organisationsverschuldens257 in dem Fall, dass einer Person wichtige Aufgaben übertragen wurden, ohne sie zum verfassungsmäßigen Vertreter zu bestimmen.258
(2) Beweislast Obwohl die Rechtsprechung mit der Entwicklung des Organisationsverschuldeos den Geschädigten begünstigen wollte, führt die Haftung nach § 823 Abs. 1 BGB 253 Die Begründung des LG ist unabhängig von generellen Bedenken gegen die nicht delegierbaren Pflichten etwas befremdlich. Zum einen ist es fraglich, warum es an einem rechtswidrigen Verhalten des Gehilfen fehlen soll, bloß weil der Geschäftsherr gewisse Pflichten nicht hätte delegieren dürfen (was zudem bei der Pflicht zum Aufbau von Stellwänden höchst zweifelhaft ist); zum anderen ist nicht nachvollziehbar, warum es der Feststellung bedürfen soll, dass § 831 BGB nicht eingreift, um § 823 Abs. 1 BGB unter Ausschluss der Möglichkeit des Entlastungsbeweises anzuwenden. Dem LG zustimmend aber v. Bar, VersR 1981, 760, der der Entscheidung "grundsätzliche Bedeutung für das Verständnis des § 831 BGB" beimisst. 254 Das Handeln des Gehilfen ist hier nur Element der kausalen Verknüpfung der Pflichtverletzung des Geschäftsherrn mit dem Schaden, wie Hassold, JuS 1982, 583 (585), hervorhebt. 255 Erman-Schiemann, § 831 Rn. 25. 256 Auch hier hat der BGH die Anforderungen der Berufungsgerichte teilweise aber als überzogen angesehen. Vgl. etwa BGH, NJW 1999,573 (574): " ... bedeutet es eine Überspannung der Sorgfaltsanforderungen, wenn von dem Fahrpersonal eines Straßenbahnzuges verlangt wird, zur Nachtzeit und in den frühen Morgenstunden Fahrgäste, die an der Endhaltestelle im Wagen verbleiben, auch ohne Hinweis auf AuffäHigkeiten gezielt auf eine mögliche Hilflosigkeit zu überprüfen". Freilich ist die Ansicht des BGH im konkreten Fall höchst zweifelhaft, ist doch das Sitzenbleiben des Fahrgastes nach Erreichen der Endhaltestelle an sich schon Auffälligkeit genug. 257 V gl. zur Unterscheidung zwischen betrieblichem und körperschaftlichem Organisationsverschulden Hassold, JuS 1982, 583; Landwehr, AcP 164 (1964), 482 (501 ff.). Hadding, Soergel 13, § 31 Rn.l9, meint dagegen, die Unterscheidung führe nicht weiter. Da beide Figuren in der Rechtsprechung aber unterschiedlich behandelt werden, soll die Unterscheidung auch hier beibehalten werden. 258 Dazu eingehender unten 2. Kap. § 1 BI 3.
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dazu, dass grundsätzlich der Organisationsmangel vom Geschädigten zu beweisen ist, während sich im Rahmen des § 831 Abs. 1 BGB der Geschäftsherr entlasten müsste. Nun gilt aber auch hier das oben259 Gesagte: Der Geschädigte wird häufig mangels eines allgemeinen Aufklärungsanspruchs gegenüber dem Beklagten - insbesondere bei der Klage gegen einen Großbetrieb- nicht in der Lage sein, einen organisatorischen Mangel darzulegen und zu beweisen. Die Rechtsprechung hilft daher mit dem Anscheinsbeweis. Das OLG München 260 hatte etwa einen Fall zu entscheiden, in dem die Klägerin im Selbstbedienungsladen des Beklagten auf einer Bananenschale ausgerutscht war. Es nahm an, der Beklagte hätte die erforderlichen Reinigungsanordnungen treffen müssen, was er nicht getan habe; verzichtet wird immerhin auf den Beweis, dass die Pflichtverletzung zu dem Unfall geführt habe. Das OLGu, 1 führt dazu aus: "Ist danach eine gebotene Schutzvorkehrung nach allgemeiner Erfahrung geeignet, einen bestimmten Erfolg zu vermeiden, dann besteht zunächst ein Anscheinsbeweis für den ursächlichen Zusammenhang zwischen dem Unterlassen der verlangten Sicherheitsvorkehrung und dem schließlich eingetretenen Schaden."
Allgemeiner formuliert, wird der Anscheinsbeweis dann herangezogen, wenn feststeht, dass ein ordnungswidriger Zustand für einige Zeit bestand. 262 Die Möglichkeit des prima-facie-Beweises hilft aber dem Geschädigten nicht in demselben Maße wie eine Beweislastumkehr; deshalb hat die Rechtsprechung eine solche auch im Rahmen der Haftung nach § 823 Abs. 1 BGB in bestimmten Bereichen anerkannt, in denen die Probleme des Geschädigten, das mit internen Betriebsvorgängen zusammenhängende Verschulden des Geschäftsherrn zu beweisen, besonders eklatant sind- etwa im Bereich der Produzentenhaftung. 263 (3) Hintergrund der Entwicklung
Der - von der Rechtsprechung nicht verhehlte - Grund für die Erweiterung des Anwendungsbereichs des § 823 Abs. 1 BGB ist vor allem, dass man dem Geschäftsherrn den als unangemessen empfundenen dezentralisierten Entlastungsbeweis vorenthalten will.264 Das Reichsgericht265 stellt in einer Entscheidung von 1939 fest, im Bereich der Obhutspflicht im Straßenverkehr "springe" das Unerträgliche der Entlastungsmöglichkeit "ins Auge". Dass es um die Ausschaltung des Entlastungsbe2.Kap. § 1 A V2a. VersR 1974, 269. 26 1 VersR 1974, 269, 270. 262 Soergell 2 -Zeuner, § 831 Rn. 13. 263 Vgl. dazu näher unten 2. Kap. § 1 B I 1 c. 264 Vgl. nur Hassold, JuS 1982, 583; Martinek, Repräsentantenhaftung, Kap. IV B 2c (S. 183); Nitschke, NJW 1969, 1737 (1741); Staudinger13-Weick, § 31 Rn. 33; Staudinger 13-Belling/Eberl-Borges, § 831 Rn. 11. 265 RGZ 162, 129 (166). 259
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weises geht, hebt der BGH266 teilweise hervor, indem er, obwohl er eine Haftung aus § 823 BGB oder§§ 823,31 BGB prüft, betont, dass der Entastungsbeweis damit ausgeschlossen sei. Teilweise bemerkt der BGH auch, die Haftung aus § 823 BGB sei aus Verkehrsschutzgründen geboten. 267 Neben der Möglichkeit des Entlastungsbeweises sind es zwei weitere Voraussetzungen des § 831 BGB, die zu dem weiten Verständnis des § 823 BGB beigetragen haben: Zum einen wurde so von der Rechtsprechung 268 auch der selbständige Unternehmer in den Kreis derjenigen mit einbezogen, für deren Verhalten der Geschäftsherr auch deliktisch haftet, 269 zum anderen hat man mit Hilfe des Organisationsverschuldens auch eine Haftung des Geschäftsherrn für Gelegenheitsdelikte des Gehilfen 270 konstruiert. 271 § 831 BGB hat damit in der Rechtswirklichkeit als Anspruchsgrundlage durch das betriebliche Organisationsverschulden "für eine wichtige Palette von Sachverhalten"272 stark an Bedeutung verloren. (4) Kritik
Die Ausweitung der Verkehrspflichten - Steffen 273 spricht von "Dunkelexistenzen"- und vor allem die Konstruktion des Organisationsverschuldens sind teilweise auf scharfe Kritik gestoßen und zwar nicht nur hinsichtlich der Verortung in § 823 Abs. 1 BGB, die vor allem wegen der ,,Zweigleisigkeit", des Nebeneinanders von § 823 Abs. 1 BGB und § 831 BGB, angegriffen wird. 274 Allerdings bestehen zunächst einmal gegen die Organisationspflichten an sich, die als Ausfluss der Verkehrssicherungspflichten ohne weiteres Rechtsfortbildung preater legem 275 und Konkretisierung des § 823 Abs. 1 BGB sind, keine Bedenken. 276 Die Verkehrssicherungspflichten sind Ausfüllung des vom Gesetzgeber nicht Vgl. etwa BGH, VersR 1962, 664 (665). BGH, NJW 1977,2259. 268 BGH, JZ 1975, 732 (736). 269 Vgl. dazu auch Kötz, Deliktsrecht, Rn.274, und Vo/lmer, JZ 1988, 371. 21o Vgl. dazu oben 2. Kap. § 1 A IV 2. 271 So stellt der BGH, Z 11, 151 (155 f.), fest, es könne dahinstehen, ob der Schaden in Ausführung der Verrichtung verursacht worden sei; es käme jedenfalls eine Haftung wegen Organisationspflichtverletzung nach § 823 Abs. 1 BGB in Betracht. 272 v.Bar, Verkehrspflichten, §9 II2 (S.254). 273 VersR 1980,409. 274 Siehedazu schonoben2.Kap. § 1 A V 1 b.Mertens, VersR 1980,397ff., und MüKo, §823 Rn. 2 ff., kritisiert auch, dass zudem wegen des Nebeneinanders einer legislativen und einer judiziellen Konzeption der Verkehrspflichten eine Doppelspurigkeit des Deliktsrechts entstehe. 21s Staudinger• 3-Hager, § 823 Rn. A 13. Vgl. auch Hassold, JuS 1982, 583. 276 Staudinger 13-Hager, § 823 Rn. E 2. Die wohl h. M. verortet die Verkehrspflichten in § 823 Abs.1 BGB; vgl. insbesondere BGH, NJW 1987,2671 (2672): ,,Eine Eingrenzung des Schutzzwecks der Verkehrssicherungspflichten setzt auch nicht voraus, daß diese Pflichten, wie von 266 267
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konkretisierten Begriffes der Widerrechtlichkeit in§ 823 Abs.l BGB 277 und Konsequenz des allgemeinen deliktsrechtlichen Gebots, niemand anderen zu schädigen (neminem laedere). Tiefgreifende Bedenken bestehen aber gegen die von der Rechtsprechung geschaffenen nicht delegierbaren Pflichten. Der Geschäftsherr soll nach § 823 Abs. 1 BGB, einer Norm also, die ohne jeden Zweifel ein eigenes Verschulden des Anspruchsgegners voraussetzt, in bestimmten Fällen- man denke etwa an die oben 278 genannte Entscheidung des LG Göttingen - auch haften, obwohl er alle mögliche Sorgfalt beachtet hat. Er hätte sich allein dadurch pflichtgemäß verhalten köiUlen, dass er selbst keine Pflichten delegiert, sondern sich gewisse Aufsichtspflichten selbst vorbehalten hätte - eine Anforderung, der er in einem großen Betrieb nicht gerecht werden kann. Die Rechtsprechung hat damit faktisch eine Erfolgshaftung kreiert, 279 die keineswegs systemkonform ist, sondern nur ergebnisorientiert daraus folgt, dass es dem Unternehmer verwehrt sein soll, den Verkehrsteilnehmern das Risiko eines finanzschwachen und unversicherten Erfüllungsübernehmers aufzubürden. 280 b) Verkehrssicherungspflichten als Sonderverbindung In der Literatur wird eine weitere Möglichkeit vorgeschlagen, den Geschäftsherrn für eine Verkehrssicherungspflichtverletzung unabhängig von seinem Verschulden verantwortlich zu machen: Der Geschäftsherr soll nicht für seine eigene Pflichtverletzung haften, sondern für die seines Gehilfen, die ihm gemäß281 oder analog 282 § 278 BGB zugerechnet werden soll mit dem Argument, die Verkehrssicherungspflichten begründeten eine Sonderverbindung im Sinne dieser Norm. manchen Autoren vertreten, den Schutzgesetzen des § 823 Abs. 2 BGB zuzuordnen wären". Die Verkehrssicherungspflichten seien vielmehr als "allein durch die Schutzgüter des § 823 Abs. 1 BGB festgelegte, auf den sozialen Umgang bezogene Verhaltensptlichten" zu verstehen. So im Ergebnis auch Erman-Schiemann, § 823 Rn. 76; Canaris, FS Larenz, S. 27 (S. 77 ff.); Larenz!Canaris, Schuldrecht 11/2, § 76 III 2 b (S. 405), und wohl auch v. Caemmerer, KF 1961, 19 (20). A.A. v.Bar, Verkehrsptlichten, §6 II (S.157 ff.), und JuS 1988, 169 (171 f.); Deutsch, Unerlaubte Handlungen, Rn.276 und JuS 1967, 152 (157); Larenz, FS Dölle, S.169 (S.189), die die Pflichten in § 823 Abs. 2 BGB ansiedeln. 277 Soergel 12-Zeuner, § 823 Rn. 211 . Im Gegensatz zum Vertragsrecht hat der Gesetzgeber darauf verzichtet, Leistungspflichten positiv zu umschreiben, vgl. Vollmer, JZ 1977, 371. Im Falle der mittelbaren Schädigung, insbesondere der Schädigung durch Unterlassen, vgl. dazu Brüggemeier, AcP 191 (1991), 33 (51), und Canaris, FS Larenz, S.27 (S. 77), ist eine Konkretisierung des § 823 Abs. I BGB durch das Statuieren eines ,,Handlungsprograrnms" daher unverzichtbar. 21s 2. Kap.§ 1 B 11 a(l). 279 Staudinger' 3 -Belling!Eberl-Borges, § 831 Rn.11. 280 Diese Begründung haltenMertens, VersR 1980,397 (408), und Stein, MüKo, §831 Rn.3, für ausreichend zur Rechtfertigung der nicht delegierbaren Pflichten. 281 Baums, FS Lukes, S. 623 (S.637f.); MüKo-Mertens, §823 Rn.S. 2s2 Brüggemeier, Deliktsrecht, Rn. 130.
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2. Kap.: Die Haftung für Hilfspersonen im Europa der Gegenwart
Die Verkehrssicherungspflichten können jedoch, wie Larenz!Canaris 283 zu Recht bemerken, schon deshalb keine Verbindlichkeit im Sinne des § 278 BGB begründen, weil die Person des Geschädigten gar nicht vom Beginn der Schutzpflichten an feststeht. Eine Verpflichtung, die jedermann gegenüber besteht, kann hier nicht genügen. 284 Da immer dann, wenn ein Gehilfe eingeschaltet wird, auf diesen auch gewisse Sorgfaltspflichten bei der Durchführung der Verrichtung gegenüber Dritten übergehen, würde zudem die Bedeutung des§ 831 BGB auf ein sehr kleines Fallspektrum reduziert. Die Norm wäre zwar vor allem noch anwendbar in den Fällen der unmittelbaren Schädigung durch positives Tun des Gehilfen, daneben wird sich aber nahezu immer eine Verkehrssicherungspflicht konstruieren lassen, die der Gehilfe verletzt hat. 285 Auch der BGH286 und die wohl herrschende Lehre 287 haben es daher zu Recht abgelehnt, aus Verkehrssicherungspflichten derartige Fürsorgepflichten abzuleiten, die zu einer Sonderverbindung im Sinne des § 278 BGB führen. c) Produzentenhaftung Einen Sonderfall des Organisationsverschuldens stellt die Haftung des Warenherstellers für fehlerhafte Produkte dar. 288 Auch ihre Entwicklung steht in engem Zusammenhang mit dem als unbefriedigend empfundenen § 831 BGB. 289 Der produzierende Unternehmer wird sich hinsichtlich eines fehlerhaften Produktes häufig daSchuldrecht 11/2, § 76 III 5 c (S. 420). Vgl. auch Medicus, Bürgerliches Recht, Rn. 656. 285 Vgl. auch Larenz!Canaris, Schuldrecht 11/2, § 76 III 5 c (S. 420), die auf den Wertungswiderspruch hinweisen, der entstehe, wenn der Geschäftsherr nach § 831 BGB mit der Exkulpationsmöglichkeit bei unmittelbaren Verletzungen hafte, bei mittelbaren aber viel strenger nach §823 BGB i.V.m. §278 BGB. 286 VersR 1965,38 (39). Die Vorinstanz, das OLG 0/denburg, hatte §278 BGB als einschlägig angesehen. ZwarhatauchderBGH,Z58, 207 (211 ff.), wieMertens, MüKo, §823 Fn.421, bemerkt, in einer Entscheidung aus dem Jahr 1972 den § 278 BGB im Rahmen der Haftung aus § 823 BGB angewendet; die Sonderverbindung wurde dort aber etabliert durch die Pflicht eines Pfändungsg1äubigers, das Eigentum an den zu pfändenden Sachen und andere eventuell einen Widerspruch nach § 771 ZPO begründende Rechte gewissenhaft zu prüfen. Zwar ist auch hier die Anwendung des § 278 BGB fragwürdig, die Annahme einer Sonderverbindung liegt aber wesentlich näher als in Fällen, wo eben nicht eine derartige Verbindung aufgrund der gesetzgeberischen Wertung nach § 771 ZPO vorliegt. 287 Erman-Schiemann, § 823 Rn. 86; Larenz!Canaris, Schuldrecht ll/2, § 76 III 5 c (S.420 f.); Medicus, Bürgerliches Recht, Rn. 656; Soergel 12-Zeuner, § 823 Rn. 214; Staudinger 13-Hager, § 823 Rn.E62; Staudinger 13-Löwisch, § 278 Rn.6; Ulmer, JZ 1969, 162 (171). 288 Baumgärte/, JA 1984, 660 (665); Hassold, JuS 1982, 583 (585); Simitis, Produzentenhaftung, § 4 I (S. 25); Staudinger 13-Hager, § 823 Rn. F 2; vgl. auch MüKo-Mertens § 823 Rn.282. 289 V gl. v. Bar, Verkehrssicherungspflichten, § 9 II 3 c (S. 266). Simitis, Produzentenhaftung, § 4 I (S. 24), schreibt sogar, die Existenz der Produzentenhaftung entscheide sich am § 831 BGB. 283
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rauf berufen können, dass nicht sein eigenes, sondern das Verhalten seiner Gehilfen schadensursächlich war, und sich überdies im größeren Betrieb durch den Beweis der sorgfältigen Auswahl und Überwachung seiner leitenden Angestellten entlasten. 290 Um dies zu verhindern, hat die Rechtsprechung auch hier auf das Organisationsverschulden zurückgegriffen und zwischen Konstruktions_291, Fabrikations_292 und Instruktionsfehlern 293 unterschieden, 294 für die der Produzent nach§ 823 Abs.l oder Abs. 2 BGB 295 haften soll- mit der Konsequenz allerdings, dass, anders als bei § 831 Abs.l BGB, der Geschädigte das schuldhafte Verhalten hätte beweisen müssen. Der BGH296 hat in seiner berühmten "Hühnerpest-Entscheidung", nachdem er zunächst vertragliche Ansprüche in Betracht gezogen hat, 297 die eine Anwendung des § 278 BGB möglich gemacht hätten, 298 schließlich auf das Deliktsrecht zurückgegriffen, 299 aber eine Beweislastumkehr hinsichtlich des Produzentenverschuldens angenommen, 300 solange nur der Geschädigte nachweist, dass der Schaden auf einem mangelhaften Produkt dieses Herstellers beruht. 301 Die Beweislastumkehr wird damit begründet, dass der Geschädigte keinen Einblick in die internen Betriebsvorgänge des den Schaden verursachenden Unternehmens hat. 302 Vgl. zum dezentralisierten Entlastungsbeweis oben 2. Kap. § 1 A V 2 e. Vgl. BGHZ 104, 323 (326ff.). 29 2 Vgl. BGH, NJW 1993,528 (529); Z51, 91 (107f.). 293 Vgl. BGH, NJW 1995, 1286ff.; Z 116, 60 (68); 80, 186 (190ff.). 294 Vgl. auch MüKo-Mertens, § 823 Rn. 383 ff.; Staudinger 13-Hager, § 823 Rn. F 12, F 17; v. Westphalen, Jura 1983, 57 (59ff.). 295 In der ,,Hühnerpest-Entscheidung" nahm der BGH etwa eine Haftung nach § 823 Abs. 2 BGB i. V. m. § 3 Abs. 3 Arzneimittelgesetz an; vgl. BGHZ 51, 91 ( 103 f. ). 296 BGHZ 51, 91 ff. 297 Vgl. BGHZ 51, 91 ff.; vgl. zu den in Frage kommenden vertraglichen Anspruchsgrundlagen auch Baumgärtel, JA 1984, 660 (661 f.); Canaris, JZ 1968, 494 (498); Larenz, Schuldrecht 11/1, §41 a (S. 83f.). 298 Vgl. auch Baumgärtel, JA 1984, 660 (661); Larenz, Schuldrecht 11/1, § 41 a (S. 82f.). 299 Und zwar in erster Linie deshalb, um den geschützten Personenkreis nicht zu sehr zu beschränken, was mit der Konstruktion einer vertraglichen Haftung einhergegangen wäre. Vgl. auch BGHZ 51,91 (96, 101). 300 Teilweise war dem Geschädigten in derartigen Fällen aber schon vor der "HühnerpestEntscheidung" in ähnlicher Weise mit dem Anscheinsbeweis geholfen worden; vgl. RGZ 163, 21 (27 ff.); 97, 116 (117 f.). 301 Der BGH, Z51 , 91 (105), formuliert: "Diese Beweisregel greift freilich erst dann ein, wenn der Geschädigte nachgewiesen hat, daß sein Schaden im Organisations- und Gefahrenbereich des Herstellers, und zwar durch einen objektiven Mangel oder Zustand der Verkehrswidrigkeit ausgelöst worden ist.". 302 BGHZ 51, 91 (105): "[Der Produzent] überblickt die Produktionssphäre, bestimmt und organisiert den Herstellungsprozeß und die Auslieferungskontrolle der fertigen Produkte. Oft machen die Größe des Betriebs, seine komplizierte, verschachtelte, auf Arbeitsteilung beruhende Organisation, verwickelte technische, chemische oder biologische Vorgänge und dergleichen es dem Geschädigten praktisch unmöglich, die Ursache des schadensstiftenden Fehlers aufzuklären"; vgl. auch Baumgärte I, JA 1984, 660 (664 f.); MüKo-Mertens, § 823 Rn. 269. 290 291
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2. Kap.: Die Haftung für Hilfspersonen im Buropa der Gegenwart
Bei Fehlern in den Bereichen der Konstruktion und der Instruktion wird man nur selten mit § 831 Abs. 1 BGB in Berührung kommen - Anknüpfungspunkt der Haftung wird hier fast immer ein eigenes Verhalten oder Unterlassen des Geschäftsherrn hinsichtlich der Betriebsorganisation sein. 303 Anders ist die Lage im Bereich der Fabrikationsfehler. Beim Fabrikationsvorgang sind in größerem Ausmaß Gehilfen beteiligt, an die der Geschäftsherr gewisse Sorgfaltspflichten, abgesehen von den nach der Rechtsprechung ihm verbleibenden 304 Pflichten wie den Aufsichtspflichten, delegiert. Immer dann, wenn der Hersteller nachweisen kann, dass der Fehler in der Fabrikation nicht auf einen Organisationsmangel zurückzuführen ist, 305 kommt infolgedessen als Anknüpfungspunkt noch ein Gehilfenversagen in Betracht - es handelt sich um die Fälle der sogenannten "Ausreißer". 306 Der Produzent muss sich dann demnach hinsichtlich einer ordnungsgemäßen Organisation des Produktionsvorgangs und - was regelmäßig wesentlich einfacher sein wird - hinsichtlich seiner Gehilfen nach§ 831 Abs.1 S. 2 BGB entlasten307 und zwar, da in der Regel nicht feststehen wird, welcher Gehilfe den Schaden verursacht hat, für jeden in Frage kommenden.308 Dieser "doppelte Entlastungsbeweis" und das insoweit beide Bereiche umfassende Beweisthema, dass den Geschäftsherrn insgesamt kein Schuldvorwurf hinsichtlich Personal und Organisation trifft, hat in der Praxis zu einem Verwischen von Organisationsverschulden einerseits und Auswahl- und Überwachungsverschulden andererseits geführt, 309 denn eine Unterscheidung lässt sich tatsächlich wegen der Verzahnung von Organisations- und Personalplanung kaum sachgerecht treffen. 310 Die Möglichkeit des Entlastungsbeweises nach § 831 Abs. 1 S. 2 BGB, vor allem die des dezentralisierten Entlastungsbeweises im größeren Betrieb, 311 ist im Bereich Similis, Produzentenhaftung, § 4 I (S. 25 ft). Vgl. dazu oben 2.Kap. § 1 BI 1 a(l). 305 BGHZ 51,91 (97); Similis, Produzentenhaftung, §41 (S.25ff.); v. Weslphalen, Jura 1983, 57 (65). 306 Vgl. BGH, VersR 1956,410 (411); Diederichsen, NJW 1979, 1281 (1283). 307 Vgl. etwa BGH, NJW 1978, 1693. 308 BGH, NJW 1968,247 (248); RGZ 87, 1 (4); Baumgärlel, JA 1984,660 (669); Baumgärlel/Wiltmann, FS Schäfer, S. 13 (S. 24); Diederichsen, Haftung des Warenherstellers, l. Teil l. Abschn. Kap.III5 (S. 81); Hassold, JuS 1982, 583 (585); v. Weslphalen, Jura 1983, 57 (65). Etwas anders noch BGH, VersR 1956,410 (411): Dort sollte bereits die Entlastung für den ,,in erster Linie in Betracht kommenden" Gehilfen genügen. 309 SoLorenz, AcP 170 (1970), 367 (369ff.); v. Weslphalen, BB 1973, 1374. 310 v. Weslphalen, BB 1973, 1374. Vgl. auch Lorenz, AcP 170 (1970), 367 (372f.), der schreibt, bei der industriellen Massenproduktion könne man auf die ohnehin einen falschen Haftungsakzent setzende Anknüpfung an das Gehilfenverschulden verzichten. 311 Similis, FS Duden, S.605 (S.606). Vgl. auchDenck, Arbeitnehmer-Außenhaftung, FII3 (S.l69); v. Weslphalen, BB 1973, 1374. 303
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der Produzentenhaftung letztlich obsolet312 - Diederichsen 313 hält ihn hier für praktisch "tot". 314 Die Entlastungsmöglichkeit in den Fällen der "Ausreißer" ist eher theoretischer Natur. 315
d) Schadenszufügung bei betrieblich veranlasster Tätigkeit Die auf den ersten Blick nicht in den vorliegenden Zusammenhang passende 316 Thematik der Schadenszufügung bei betrieblich veranlasster Tätigkeit 317 (früher "gefahrgeneigter Arbeit" 318) spielt insoweit eine Rolle, als sie, im Falle eines Arbeitsvertrages zwischen Geschäftsherrn und Verrichtungsgehilfen, über die Frage entscheidet, wer letztlich den Schaden trägt: Bei Ieichtest fahrlässiger Schadensverursachung ist das nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts 319 in vollem Umfang der Arbeitgeber. Das führt dazu, dass dem Arbeitgeber, sofern er nach§ 831 Abs. 1 BGB haftet, der Rückgriff nach § 840 Abs. 2 BGB verwehrt ist. Kann sich der Arbeitgeber hingegen nach§ 831 Abs. 1 S. 2 BGB entlasten, ergibt sich ein offensichtlicher Wertungswiderspruch. Nimmt der Geschädigte dann nämlich den Arbeitnehmer in Anspruch, so steht diesem nach den Grundsätzen der betrieblich ver312 Ähnlich v.Bieberstein, ZfRV 1976, 241 (245); Denck, Arbeitnehmer-Außenhaftung, FII3 (S.168); Lorenz, AcP 170 (1970), 367 (372); v. Westphalen, Jura 1983,57 (65). Simitis, FS Duden, S. 605 (S. 606), spricht von fortschreitender Unmöglichkeit des Produzenten, sich zu entlasten. 313 NJW 1978, 1281 (1287). 314 Ähnlich ist es im Ergebnis bei der Krankenhaushaftung, wo ebenfalls in vielen Fällen eine Beweislastumkehr zugelassen wird, vgl. BGH, NJW 1982, 699; vgl. auch Bergmann, VersR 1996, 810; Lippert, NJW 1984,2606 (2607); MüKo-Mertens, § 823 Rn.444. 315 v. Bar, Verkehrsptlichten, § 3 I 3 a (S. 52, Fn. 80), schreibt zutreffend, der Entlastungsbeweis des Produzenten könne kaum noch gelingen und komme seit Jahrzehnten praktisch nicht mehr vor. A. A. Giesen, NJW 1969, 582 (586), der schreibt, die Möglichkeit des dezentralisierten Entlastungsbeweises sei auch nach der "Hühnerpest-Entscheidung" des BGH überall dort ein Ärgernis, wo der Produzent unter Ausschluss aller übrigen Fehlerquellen den eindeutigen Nachweis erbringen könne, dass der schadensstiftende (Fabrikations-)Fehler eines Produzenten auf die Nachlässigkeit eines seiner Hilfskräfte zurückzuführen sei. Ähnlich Hassold, JuS 1982, 583 (586). 316 Diese ,,mittelbare Umgehung" des § 831 BGB wird daher auch deutlich seltener behandelt als die sonstigen Konstruktionen der Rechtsprechung. Vgl. aber Baumert, FS Wengler, S 139ff.; Kötz, Deliktsrecht, Rn. 299; Kupisch, JuS 1984, 250 (256); Zweigert/Kötz, Rechtsvergleichung, §41 II (S.638). 317 Die Tätigkeit des Arbeitnehmers muss durch den Betrieb veranlasst und aufgrunddes Arbeitsverhältnisses geleistet worden sein; BAGE (GS) 70, 337 (346f.). 318 So noch Voraussetzung in der Entscheidung BAGE (GS) 5, 1 ff. 319 Bei leichter Fahrlässigkeit findet Schadensteilung statt, vgl. nur BAGE (GS) 70, 337 (339). Bei grober Fahrlässigkeit und Vorsatz hingegen entfällt der Freistellungsanspruch regelmäßig, in besonderen Fällen ist aber eine summenmäßige Begrenzung der Arbeitnehmerhaftung im Innenverhältnis angenommen worden, vgl. BAG, EzA § 611 BGB Gefahrgeneigte Arbeit Nr. 23. Vgl. auch Zöllner/Loritz, Arbeitsrecht,§ 19 112 (S. 254).
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anlassten Tätigkeit ein Freistellungsanspruch gegenüber dem Arbeitgeber zu, 320 der unabhängig von der Möglichkeit des Entlastungsbeweises ist. 321 Insofern kommt es hier letzten Endes zu einer mittelbaren Umgehung 322 der Haftungsbefreiung des Arbeitgebers nach§ 831 Abs. 1 S. 2 BGB. 323 Um diesen Wertungswiderspruch zu vermeiden, wird teilweise eine Anwendung der arbeitsrechtlichen Grundsätze im Außenverhältnis verlangt. Der Arbeitgeber würde dann trotz geführten Entlastungsbeweises aus § 823 Abs. 1 BGB haften. 324 In der Rechtsprechung hat bisher nur das OLG Celle 325 die Wirkung der Haftungserleichterung im Außenverhältnis bejaht, wenn auch in anderem Zusammenhang, nämlich wegen der Insolvenz des Arbeitgebers und der damit verbundenen fehlenden Rückgriffsmöglichkeit des Arbeitnehmers. Die Entscheidung wurde allerdings vom BGH326 aufgehoben, und auch der überwiegende Teil der Literatur lehnt die Begrenzung der Außenhaftung ab 327 - dies zu Recht: Der Dritte kann nicht den Nachteil aus einem Vertrag zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer tragen, mit dem er - besonders wenn nicht einmal vertragliche Beziehungen zwischen ihm und dem Ersteren bestehen - nichts zu tun hat. 2. Haftung aus §31 BGB Eine weitere deliktsrechtliche Handhabe gegen die Entlastungsmöglichkeit des § 831 Abs. 1 S. 2 BGB hat die Rechtsprechung in § 31 BGB gefunden. Die Norm regelt die Haftung des eingetragenen Vereins für Handlungen seiner Organe. 328 Die 320 Das .P roblem des insolventen Arbeitgebers, das daran etwas ändern kann, soll hier außer Betracht bleiben. 321 Staudinger 13-Belling/Eberl-Borges, § 831 Rn.l5; Zöllner/Loritz, Arbeitsrecht,§ 19 112 (S.256). 322 Baumert, FS Wengler, S. 139 (S. 140), schreibt sogar, dies sei "mittelbar eine Anwendung des § 278 BGB im Deliktsrecht". 323 Konsequenz daraus kann jedenfalls nicht sein, den Freistellungsanspruch auszuschließen, soweit sich der Arbeitgeber entlasten kann, vgl. dazu Baumert, FS Wengler, S. 139 (S. 140). 324 Vgl. Baumert, FS Wengler, S.l39 (S.l49). 32s VersR 1993, 1026 (1027). 326 NJW 1994, 852 ff. Dagegen, dem OLG Celle folgend, Ackmann, EWiR § 823 BGB 3/94, 247 (248), mit dem Argument der Sozialstaatswidrigkeit im Falle der Insolvenz des Arbeitgebers. 327 Krause, VersR 1995, 752 (756); Söllner, Arbeitsrecht, § 30 II (S. 267); Zöl/ner/Loritz, Arbeitsrecht, § 19 II 2 (S. 255). 328 Die Norm ist analog anwendbar auf alle anderen juristischen Personen, vgl. Nitschke, NJW 1969, 1737; Staudinger 13 -Weick, § 31 Rn. 42, sowie die Personengesellschaften, vgl. BGH, NJW 1952, 537 (538); Landwehr, AcP 164 (1964), 482. Daneben gilt §31 BGB aufgrund des Verweises in § 89 BGB auch für juristische Personen des öffentlichen Rechts, nach herrschender Lehre analog für den nichtrechtsfähigen Verein, vgl. Leßmann, JA 1980, 193 (197); MüKo-Reuter, § 31 Rn. 10; Soerge1 13-Hadding, § 31 Rn. 6, und nach inzwischen wohl herrschender Auffassung trotz der nicht körperschaftlichen Struktur auch für die Gesellschaft
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Haftung begrundet sich aus dem eigenen Verschulden der Gesellschaft, 329 vermittelt durch die Handlung der Organe. 330 Diese sind niemals Verrichtungsgehilfen. Gleichwohl hat die Rechtsprechung den Anwendungsbereich des § 31 BGB derart ausgedehnt, dass er in weiten Bereichen § 831 BGB verdrängt, nämlich in den Fällen des körperschaftlichen Organisationsverschuldens. a) Das körperschaftliche Organisationsverschulden Ein körperschaftliches Organisationsverschulden soll vorliegen, wenn eine juristische Person oder ein anderer Verband, der für seine Organe nach § 31 BGB haftet, die Leitung eines bestimmten Organisationsbereichs einem Angestellten überträgt, ohne ihm formell Organstellung zu verleihen. 331 Voraussetzung der Haftung ist also, dass für die Wahrnehmung von zentralen Aufgaben in von den Organen nicht übersehbaren Bereichen des Betriebs oder in der Verwaltung einfache Angestellte mit Aufgaben betraut wurden, obwohl eigentlich ein verfassungsmäßig berufener Vertreter im Sinne des § 30 BGB hätte bestellt werden müssen.332 Der BGH333 führt aus: " ... ein OrganisationsmangeI, der zur Haftung der juristischen Person unter Ausschluß des Entlastungsbeweises gemäß § 31 BGB führt, [kann] allein schon darin erblickt werden, daß kein verfassungsmäßig berufener Vertreter für den fraglichen Aufgabenkreis bestellt worden ist".
Folge einer solchen P:tlichtverletzung 334 ist, dass bei einem Schadenseintritt, verursacht durch die Person, die zum Organ hätte bestellt werden müssen, deren Organstellung fingiert wird- man spricht deshalb auch von Fiktionshaftung. 335 Nachdem die Haftung ursprünglich daraus hergeleitet wurde, dass für eine wichtige Aufgabe kein verfassungsmäßiger Vertreter nach § 30 BGB bestellt wurde beziehungsweise die tatsächlichen Organe diese Gehilfen ohne Organstellung nicht bürgerlichen Rechts, vgl. MüKo-Reuter, § 31 Rn. 10; K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 60 II 4 (S. 1781 f.); a. A. BGH, NJW 1966, 1807 (1808); Palandt-Heinrichs, § 31 Rn. 3. Spätestens nach BGH, ZIP 2001, 330, steht zu erwarten, dass auch der BGH nicht an seiner ablehnenden Position festhalten wird. 329 SoergelB-Hadding, § 31 Rn. 1 (Organtheorie). 330 Deshalb spricht Westermann, JuS 1981, 333 (335), von einer Einheit von Organ und juristischer Person. 331 Hassold, JuS 1982, 583 (585). 332 BGHZ 101, 215 (218); 39, 124 (129); 24, 200 (212); RGZ 162, 129 (166); 157, 228 (234f.); Hassold JuS 1982, 583 (586); Staudinger13-Weick, § 31 Rn. 33. 333 Z24, 200 (212f.). 334 Ob eine solche Pflicht, ein Organ zu bestellen, besteht, ist Frage des Einzelfalls, und die Rechtsprechung hat zahlreiche Kriterien entwickelt. Entscheidend ist etwa die Eigenverantwortlichkeit; vgl. BGH, NJW 1977, 2259 (2260), wo es um die Stellung des Leiters einer nicht "satzungsgemäß institutionalisierten" Zweigstelle eines Betriebs ging. Vgl. zu weiteren Beispielen Hassold, JuS 1982, 583 (586). 335 Vgl. RGRK-Steffen, §31 Rn.5; StaudingerB-Weick, §31 Rn.32. 6*
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2. Kap.: Die Haftung für Hilfspersonen im Europa der Gegenwart
hinreichend beaufsichtigt haben, 336 wird mittlerweile von der Rechtsprechung auf eine derartige Herleitung weitgehend verzichtet und lediglich festgestellt, leitende Angestellte seien verfassungsmäßig berufenen Vertretern gleichzustellen. 337 Es wird also offenbar gehaftet allein für deren Fehlverhalten. Der BGH338 bezeichnet als verfassungsmäßig berufene Vertreter im Sinne des § 30 BGB demnach nun " ... nicht nur Personen, deren Tätigkeit in der Satzung der juristischen Person vorgesehen ist. [...] Vielmehr genügt es, daß dem Vertreter durch die allgemeine Betriebsregelung und Handhabung bedeutsame, wesensmäßige Funktionen der juristischen Person zur selbständigen, eigenverantwortlichen Erfüllung zugewiesen sind, daß er also die juristische Person auf diese Weise repräsentiert."
Bei einer solchen Sachlage sei es unangemessen, "der juristischen Person den Entlastungsbeweis nach§ 831 Abs.1 S. 2 BGB zu eröffnen". b) Kritik an der Ausweitung des § 31 BGB Die mit dem körperschaftlichen Organisationsverschulden einhergehende Einschränkung des § 831 BGB 339 ist auf Kritik in der Literatur gestoßen. 340 Eingewandt wird etwa, Gesellschaften würden durch die Lehre vom körperschaftlichen Organisationsverschulden gegenüber einzelkaufmännisch geführten Unternehmen benachteiligt. 341 Und in der Tat ist kein Grund ersichtlich, warum Gesellschaften in geringerem Maße Verrichtungsgehilfen sollen einsetzen können als eine natürliche Person.342 Keinesfalls kann aber diese Benachteiligung aufgelöst werden, indem § 31 BGB mit Hilfe der Konstruktion des betrieblichen Organisationsverschuldeos auch auf natürliche Personen, die Unternehmensträger sind, angewendet wird, wie dies von einigen Autoren 343 vorgeschlagen wird. Dies geht weit an der gesetzgebensehen Konzeption der Haftung für Gehilfenverhalten vorbei. 344 336 Vgl. nochmals BGHZ 101, 215 (218); 9, 124 (129); RGZ 162, 129 (166); 157, 228 (234f.), und insbesondere BGHZ 24, 200 (212f.). 337 Vgl. BGHZ 101, 215 (218); OLG Nümberg, NJW-RR 1988, 1319; zu dieser Entwicklung in der Rechtsprechung auch Landwehr, AcP 164 (1964), 482 (493ff.), und Martinek, Repräsentantenhaftung, Kap. IV B 1 c bb (S. 173). 338 Z49, 19 (21). Zustimmend Steindorff, AcP 170 (1970), 93 (l06f.). 339 Vgl. auch Hassold, JuS 1982,583 (586). 340 Vgl. hier nur Staudinger 13-Belling/Eberl-Borges, § 831 Rn.11. 341 Eubel, Geschäftshermhaftung, A 2baa(2) (S. 49); Martinek, Repräsentantenhaftung, Kap. IV B2b (S. 180); Neumann-Duesberg, NJW 1966,715 (716);Nitschke, NJW 1969, 1737 (1740); Staudinger 13-Belling!Eberl-Borges, § 831 Rn. 11. 342 So zu Recht Staudinger 13-Belling!Eberl-Borges, § 831 Rn.11. 343 Nitschke, NJW 1969, 1737ff.; Steindorff, AcP 170 (1970), 93 (118); in diese Richtung auch Hassold, JuS 1982,582 (586f.). Nitschke, a.a.O., S. 1742, möchte den heutigen §831 BGB durch richterliche Gesetzeskorrektur wie folgt verstanden wissen: ,,Ein Unternehmer ist für den Schaden verantwortlich, den einer seiner Angestellten in leitender, nicht nur unterge-
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Vor allem ist aber äußerst befremdlich, dass die Organe einer juristischen Person deshalb gezwungen sein sollen, verfassungsmäßig einen Vertreter zu bestellen, 345 weil der Gesetzgeber die Möglichkeit der Exkulpation in § 831 BGB geschaffen hat. Die Pflicht soll demnach also letztlich offenbar darin bestehen, für eine angemessene Haftungslage zu sorgen. Das Reichsgerichtw, führt ausdrücklich aus: "Die Sachlage kann dann je nach Art des Geschäftskreises so sein, daß die Körperschaft ihren Pflichten nicht schon genügt durch Bestellung geeigneter Personen, für die sie sich nach§ 831 BGB entlasten kann. Vielmehr können die tatsächlichen Umstände des täglichen Lebens, insbesondere des wirtschaftlichen Verkehrs, es mit sich bringen, daß ein solcher Vertreter bestellt werden muß, für den eine Entlastung dem Dritten gegenüber nicht möglich ist." 347
Eine solche Organisationspflichtverletzung ist aber überhaupt nicht kausal für den Erfolg. Kausal ist sie nur dafür, dass die juristische Person nicht nach § 31 BGB haftet. 348 Denn niemand wird ernsthaft argumentieren, ein verfassungsmäßig bestellter Vertreter wäre in derselben Situation, in der ein Schaden entstanden ist, sorgfältiger gewesen, hätte es doch genügt, den Gehilfen, der tatsächlich eingesetzt wurde, zum besonderen Vertreter zu berufen. Das BGB kennt, wie v. Bar349 zutreffend schreibt, keine derartige schadensersatzbewehrte besondere körperschaftliche Organisationspflicht Da die Rechtsprechung nun die Haftung nach § 31 BGB auch für nicht verfassungsmäßig bestellte leitende Angestellte konstruiert, wird es paradox: Welche Pflicht ist dann noch verletzt, wo doch die Haftung des nicht zum verfassungsmäßigen Vertreter bestellten leitenden Angestellten anerkannt ist? Diese petitio principii ist wohl auch einer der Gründe, warum die Rechtsprechung auf die Herleitung über den körperschaftlichen Organisationsmangel inzwischen verzichtet. Allerdings bedarf die Fiktion dann einer anderen Begründung, und auch eine Analogie, wie sie in ordneter Stellung, durch eine in Ausführung der ihm zustehenden Verrichtungen begangene zum Schadensersatz verpflichtende Handlung einem Dritten zufügt. Wer sonst einen anderen zur Verrichtung bestellt, ...". 344 Vgl. zu den Überlegungen, § 831 Abs. 1 BGB auf gewerbliche Betätigungen zu beschränken, oben 1. Kap. § 3 E. 345 Nur am Rande sei erwähnt, dass die Rechtsprechung damit zudem eklatant in die Verbandsautonomie der Gesellschaften eingreift, die grundsätzlich frei in ihrer Entscheidung ist, verfassungsmäßig berufene Vertreter im Sinne des § 30 BGB zu bestellen; eine dem § 29 BGB ähnliche Möglichkeit, die Bestellung zu erzwingen, gibt es beim verfassungsmäßigen Vertreter nach§ 30 BGB gerade nicht. Vgl. zum Ganzen Landwehr, AcP 164 (1964), 482 (483, 501 , 512); Martinek, Repräsentantenhaftung, Kap. IV B2a (S.l76ff.); Neumann-Duesberg, NJW 1966, 715 (716). 346 z 162, 129 (166). 347 Man beachte besonders die wolkige Formulierung, die "Umstände des täglichen Lebens" könnten eine solche Pflicht begründen. 348 Vgl. Martinek, Repräsentantenhaftung, Kap. IV B 2c (S. 182). Vgl. auch Landwehr, AcP 164 (1964), 482 (492), der schreibt, einer solchen Organisationspflicht fehle die Außenwirkung. 349 Verkehrsptlichten, § 9 II 2 b (S. 257).
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der Literatur350 vorgeschlagen wird, vermag nicht zu überzeugen, fällt es doch angesichts der Regelung des § 831 BGB schwer, eine Regelungslücke zu begründen.
II. Die Haftung des Staates nach §839 BGB i.V.m. Art.34 GG
Für Amtspflichtverletzungen seiner Beamten haftet der Staat nach § 839 BGB i.V. m. Art. 34 GG. Zwar wird der einen Schaden verursachende Beamte in den allermeisten Fällen nach den oben genannten Grundsätzen als Verrichtungsgehilfe zu qualifizieren sein, dennoch überschneiden sich die Anwendungsbereiche von § 831 Abs. 1 BGB und § 839 BGB i. V. m. Art. 34 GG grundsätzlich nicht. Denn sobald der Staat nach Art. 34 GG haftet, ist seine Verantwortlichkeit nach § 831 BGB ausgeschlossen. Beim Handeln von Beamten im fiskalischen Bereich greift allerdings Art. 34 GG nicht ein, und § 831 BGB ist grundsätzlich anwendbar. 351 Die Rechtsprechung hat den Anwendungsbereich der Amtshaftung aber vergrößert, 352 indem sie zum einen durch Schaffung eines eigenen haftungsrechtlichen Beamtenbegriffs 353, der seine Stütze in der Formulierung ,jemand" in Art. 34 GG finden soll, die Norm nicht nur auf Beamte im engeren Sinne anwendet. Daneben wurde der Bereich der Daseinsvorsorge als Ausübung öffentlicher Gewalt angesehen. Der BGH354 hat etwa einen Verkehrsunfall eines Angestellten der damals noch staatlichen Deutschen Bundespost explizit deshalb als Ausübung öffentlicher Gewalt angesehen, um damit den Entlastungsbeweis der Beklagten nach§ 831 Abs.1 S. 2 BGB nicht zuzulassen. Rechtspolitisch ist es fragwürdig, inwieweit es von der teilweise verschwommenen Abgrenzung zwischen fiskalischem und hoheitlichem Handeln abhängen kann, ob eine Entlastung durch den Nachweis sorgfältiger Auswahl und Überwachung des Beamten möglich ist.
111. Auswirkungen auf die vertragliche und quasivertragliche Haftung
Die Rechtsprechung hat neben der Ausdehnung deliktsrechtlicher Tatbestände einen weiteren Pfad beschritten, um die Wrrk:ung des § 831 Abs. 1 S. 2 BGB auszuhebeln. Sie hat eine "Deliktshaftung nach Vertragsgrundsätzen" 355 geschaffen und im350 Etwa von Staudinger13-Weick, § 31 Rn. 34. Er begründet sie mit der Konzeption und dem Sinn des § 31 BGB. 351 Vgl. RGRK-Steffen, §831 Rn.14. 352 Eube/, Geschäftshermhaftung, A 2 b bb (3) (S. 56f.); Reinhardt, 41. DIT ( 1955), Bd. 1/1, S.233 (S.242); RGRK-Steffen, §831 Rn.3. 353 Soergel' 2 -Vinke, § 839 Rn. 20. 354 z 16, lllff. 355 Mertens, AcP 178 (1978), 227 (237); MüKo-Stein, § 831 Rn. 8.
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mer weiter ausgebaut. Nicht zuletzt deshalb sind die Rufe nach einer Reform des § 831 BGB leiser geworden. 356 1. Cu/pa in contrahendo a) Grundlagen Die von Jhering 357 begründete und jetzt in §§ 280 Abs. 1, 241 Abs. 2, 311 Abs. 2 BGB normierte Lehre vom Verschulden bei Vertragsverhandlungen wurde vom Reichsgericht358 1911 erstmals im "Linoleumteppich-Fall" angewandt, in dem es um die Haftung eines Warenhauses für die Verletzung einer Kaufinteressentin durch das Umfallen einer von einem Gehilfen nicht ordnungsgemäß aufgestellten Linoleumteppichrolle ging. Das Reichsgericht359 führt aus: "Es würde dem allgemeinen Rechtsempfinden widerstreiten, wenn in Fällen, wo der Geschäftsangestellte beim Vorzeigen von Waren zur Besichtigung, zum Verkosten, um einen Versuch zu machen u. dgl. den Kauflustigen durch Unvorsichtigkeit schädigt, der Geschäftsinhaber - mit dem der Kautlustige den Kauf hat abschließen wollen- nur nach Maßgabe des § 831 BGB und nicht unbedingt haftete, der Verletzte also beim Gelingen des Entlastungsbeweises an den zumeist mittellosen Angestellten verwiesen würde."
Das Gericht hat deshalb die vertragliche Haftung zeitlich ausgedehnt und damit die Anwendung des § 278 BGB im vorvertragliehen Bereich möglich gemacht. 360 Die Begründung des Reichsgerichts zeigt, wie eng die Haftung für Hilfspersonen und die Entstehung der culpa in contrahendo miteinander verflochten sind; 361 plastisch formuliert v. Bar 362 , § 831 BGB sei ihr "Geburtshelfer" gewesen. 363 356 Zweigert/Kötz, Rechtsvergleichung, § 41 II (S. 637), schreiben sogar, nur deshalb habe sich § 831 BGB überhaupt so lange gehalten. 357 Dogmatik-Jahrbuch 4 (1861), 1 ff. 358 RGZ 78, 239. 359 Z78, 239 (241). 360 Begründet wurde die Haftung später in Anlehnung an die§§ 122, 179, 307 und 309 BGB, RGZ 104, 265 (267). Hinsichtlich der Verletzung von Aufklärungspflichten wurde überdies auf §§463 S. 1, 523 Abs.1, 524 Abs. 1, 600 BGB abgestellt, vgl. SoergeP 2-Wiedemann, vor§ 275 Rn. 101. Haftungsgrund sollte nach h. M. die Inanspruchnahme und das Gewähren von Vertrauen sein; BGHZ 71, 386 (393); 60, 221 (223f.). Vgl. auch Larenz, FS Ballerstedt, S. 397 (S. 399); a. A. MüKo-Emmerich, vor § 275 Rn. 55. 361 § 831 BGB wird daher auch nahezu immer im Kontext mit der Entstehung der culpa in contrahendo erwähnt; vgl. etwa Gottwald, JuS 1982, 877 (878); Horn, JuS 1995, 377 (379); Kötz, Deliktsrecht, Rn. 295; Staudinger 13-Löwisch, vor §§ 275 ff. Rn. 53. Allerdings verfolgte die Rechtsprechung mit der culpa in contrahendo zweifellos umfassender den Zweck, alle vermeintlichen Unbilligkeiten des Deliktsrechts-auch außerhalb des§ 831 BGB- auszugleichen, so den fehlenden Ersatz des primären Vermögensschadens im Rahmen des § 823 Abs. I BGB, vgl. Larenz, Schuldrecht I, § 9 I 6c (S. 122), und die im Vergleich zu der des § 195 BGB a. F. kurze Verjährung des § 852 BGB a. F., vgl. Horn, JuS 1995, 377 (379); Medicus, FS Keller, S. 205 (S. 210). 362 JuS 1982, 637 (645).
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In den Fällen, wo das Verschulden sich gerade auf den beabsichtigten Vertrag bezieht, 364 also etwa bei der Verletzung von Aufklärungspflichten 365 oder beim gestörten Leistungsaustausch, der seine Ursache im vorvertragliehen Bereich hat, 366 vermag das Vertrauen des potentiellen Vertragspartners eine hinreichende Grundlage der Haftung zu bilden; dieser Bereich interessiert aber im vorliegenden Zusammenhang nicht. Relevant sind hier vielmehr die Fälle, in denen es um die Verletzung von Leben, Gesundheit und Eigentum, unabhängig vom Vertragsschluss, geht, wo der einzige Zusammenhang des Schadens mit dem Vertrag die räumliche und zeitliche Nähe ist, die aufgrunddes Interesses am Vertrag entstanden ist. Es lässt sich also unterscheiden zwischen culpa in contrahendo bei deliktischen Verletzungen und nicht-deliktischen Verletzungen, wo weder ein durch § 823 Abs. 1 BGB geschütztes absolutes Rechtsgut, noch ein Schutzgesetz betroffen oder § 826 BGB einschlägig wäre. 367 Zu Kollisionen mit § 831 BGB kann es nur im ersten Bereich kommen. b) Beweislast Nach den allgemeinen Regeln träfe die Darlegungs-und Beweislast für alle anspruchsbegründenden Tatsachen den Geschädigten. 368 Die Rechtsprechung, die ohnehin teilweise dazu übergegangen ist, die Beweislast nach Gefahrenbereichen zu verteilen, 369 nahm zwar bisher wohl keine generelle Umkehr der Beweislast analog § 282 BGB a. F. an, 370 verlangte aber jedenfalls in Einzelfallen den Beweis fehlenden Verschuldeos vom Anspruchsgegner: Der BGH371 führt in der "Bananenschalen-Entscheidung" aus: "Die Rspr. hat in zunehmendem Maße anerkannt, daß in gewissen Fällen der Verletzung vertraglicher Schutz- und Fürsorgepflichten eine Umkehrung der Beweislast zugunsten des Verletzten hinsichtlich der Frage des Verschuldens Platz greift. Steht fest, daß ein objektiver Mangel oder ein Zustand der Verkehrswidrigkeit im Organisations- und Gefahrenbereich des Unternehmers eine Verletzung ausgelöst hat, so ist[...] angenommen worden, daß der Unternehmer den Beweis dafür zu führen hat, daß ihn und die für ihn handelnden Personen (§ 278 BGB) nicht der Vorwurf eines Verschuldens trifft". 363 Vgl. auch v. Caemmerer, Gesammelte Schriften, S.452 (S.460f.); Medicus, FS Keller, S. 205 (S. 206); Staudinger 13 -Belling/Eberl-Borges, § 831 Rn. 25 ff.; Stoll, FS Caemmerer, S.435 (437); Wennberg, DRiZ 1967,336 (337). 364 So differenzieren auch v. Caemmerer, Gesammelte Schriften, S. 452 (S. 461 f.), und Stoll, FS Caemmerer, S. 435 (S. 437). 365 V gl. dazu etwa Larenz, FS Ballerstedt, S. 397 (S. 403). 366 Vgl. v. Bar, JuS 1982,637 (638). 367 Vgl. auchMedicus, FS Keller, S. 205 (S.210ff.). 368 Siehe dazu auch oben 2. Kap. § 1 A V 2 a. 369 Vgl. BGHZ 67,383 (387). 370 Vgl. aber BGH, NJW 1986, 27 57, wo der VI. Zivilsenat von einer generellen Beweislasturnkehr auszugehen scheint. 371 NJW 1962, 31 f.
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So wurde dem Geschäftsherrn von der Rechtsprechung nicht nur mittels der Figur der culpa in contrahendo und der daraus resultierenden Anwendbarkeit des § 278 BGB die Entlastung mit fehlendem eigenen Verschulden abgeschnitten, sondern vielfach auch noch die Beweislast dafür auferlegt, dass den Gehilfen kein Verschulden trifft. Entsprechend ist die Beweislast bei der culpa in contrahendo nach § 280 Abs. 1 S. 2 BGB n. F. nun generell verteilt. c) Kritik an der "deliktischen" culpa in contrahendo Die Argumentation des BGH in der "Bananenschalen-Entscheidung" mit dem Organisations- und Gefahrenbereich 372 erinnert an die Begründung der deliktischen Verkehrssicherungspflichten. 373 Daher kommen auch mehrere Autoren zu Recht zu dem Schluss, die culpa in contrahendo im deliktischen Bereich decke sich mit den Verkehrssicherungspflichten. 374 Die Pflichten, die hier zur Haftungsbegründung bei der culpa in contrahendo herangezogen werden, z. B. die Streupflicht eines Gastwirts, sind gegenüber einem potentiellen Vertragspartner nicht gesteigert, es geht vielmehr um die allgemeine Pflicht desjenigen, der eine Gefahrenquelle schafft, geeignete Schutzmaßnahmen zu treffen. 375 Tatsächlich hat die Bedeutung der culpa in contrahendo im deliktischen Bereich mit der Ausprägung der Verkehrssicherungspflichten stark nachgelassen, die zur Zeit der ,,Linoleumteppich-Entscheidung" noch nicht im heutigen Maße anerkannt waren. 376 Der Vergleich mit den Verkehrssicherungspflichten zeigt, dass die Verortung der maßgeblichen Pflichten im Vertragsrecht zumindest problematisch ist, diese passen naturgemäß besser ins Deliktsrecht377 - und so wird die Problematik auch im Ausland behandelt. 378 Es mag zwar sein, dass sich die Fälle der culpa in contrahendo bei deliktischen Verletzungen, wie Medicus 319 meint, ausschließlich mit dem Deliktsrecht nur nach dessen Änderung befriedigend lösen lassen. Dies allein ist aber eine fragwürdige Begründung dafür, deliktische Pflichtverletzungen ins Vertragsrecht zu ziehen. 380 NJW 1962, 31 f. Vgl. oben 2. Kap.§ 1 AI2 b und 2. Kap. § 1 BI 1 a(4). 374 Larenz, FS Ballerstedt, S. 397 (S. 401); Medicus, FS Keller, S. 205 (S. 211); RGRK-Steffen, vor§ 823 Rn.37; vgl. auch v.Bar, JZ 1979, 728ff. 375 Vgl. oben 2.Kap. §I AI2b. Medicus, FS Keller, S205 (S.211), schreibt, ihm sei keine Gerichtsentscheidung bekannt, in der die vorvertragliehen Schutzpflichten hinsichtlich der deliktisch geschützten Güter über die allgemeinen Verkehrspflichten hinaus erstreckt würden. 376 Horn, JuS 1995, 377 (380). v. Bar, JuS 1982,637 (645), schreibt: "Das Deliktsrecht hat sich selber geholfen[...]. Das dazu notwendige Instrumentarium[...] hat es durch die Entwicklung von umfassenden Verkehspflichten geschaffen, ...". 377 So auch v. Caemmerer, Gesammelte Schriften, S. 452 (S. 461); Stoll, FS Caemmerer, S. 435 (S. 437). 378 Vgl. unten 2. Kap. §2 B II 1, 2. Kap. § 2 B II 1. 379 Medicus, FS Keller, S. 205 (S.207). 372 373
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2. Vertrag mit Schutzwirkung für Dritte
Neben der zeitlichen Ausdehnung hat die Rechtsprechung die vertragliche Haftung auch im Hinblick auf den geschützten Personenkreis erweitert. Das Reichsgericht381 hat bald nach Inkrafttreten des BGB - zuerst in einem Fall, in dem ein Geschäftsherr sich nach § 831 Abs. 1 S. 2 BGB entlasten konnte -begonnen, die vertragliche Haftung auf Schäden von Personen zu erstrecken, die selbst nicht Vertragspartner sind, einer Vertragspartei aber nahe stehen.382 In der berühmten "Gemüseblatt-Entscheidung" des BGH383 war etwa das Kind einer potentiellen Kundin eines Warenhauses auf einem herumliegenden Gemüseblatt ausgerutscht. Das Gericht bejahte trotz fehlender (vor-)vertraglicher Bindung vertragsähnliche Ansprüche. Der Grund für die Entstehung und die permanente Ausdehnung384 der Figur des Vertrages mit Schutzwirkung für Dritte, für die jetzt zweifelhaft ist, ob sie in § 311 III 1 BGB n. F. hineingelesen werden kann, liegt wieder vor allem in § 831 BGB und seinen Beschränkungen; 385 zumindest ist diesem Kunstgriff der Rechtsprechung durch die Ausgestaltung der deliktischen Geschäftsherrnhaftung ein Raum gewährt worden, der ihm nicht zusteht. 386 380 Die culpa in contrahendo würde aber auch nach Reform des § 831 BGB ihre Rolle nicht verlieren, weil der Begriff des Erfüllungsgehilfen weiter ist, vor allem aber wegen der primären Vermögensschäden; vgl. Larenz, Schuldrecht I, § 9 I 6c (S. 121 f.). 381 RGZ 87, 289ff. 382 Nachdem die Rechtsprechung zunächst auf§ 328 BGB gestützt wurde, vgl. RGZ 87, 289ff.,BGHZ9, 316 (318), hatderBGH diesimAnschloss anLarenz,NJW 1956, ll93, später aufgegeben, vgl. BGH, NJW 1959, 1676. Heute wird die Konstruktion teilweise mit ergänzender Vertragsauslegung nach§ 157 BGB erklärt, vgl. BGH, NJW-RR 1986,484 (485f.); Staudinger13-Jagmann, vor §§ 328 ff. Rn. 102, teilweise wird von richterlicher Rechtsfortbildung, vgl. Assmann, JuS 1986, 885 (887); Staudinger 13-Belling/Eberl-Borges, § 831 Rn. 31, oder Gewohnheitsrecht, vgl. Weimar, VersR 1960,777, gesprochen. 383 Z66, 52ff. 384 Neben den Voraussetzungen der Leistungsnähe und der Erkennbarkeil der Schutzbedürftigkeit des Dritten, vgl. BGHZ 75, 321 (323); 70, 327 (329); 49, 350 (354f.), hat die Rechtsprechung zunächst noch eine personenrechtliche Nähebeziehung zwischen Gläubiger und Drittem gefordert, vgl. BGHZ 56, 269 (273); 51, 91 (96). Dies hat der BGH aber dann zugunsten des Kriteriums der Gläubigemähe aufgegeben, wonach der Dritte dann in den Schutzbereich einbezogen ist, wenn ein besonderes Schutzinteresse des Gläubigers an seiner Einbeziehung in den Vertrag besteht, so BGH, NJW 1996,2927 (2928); vgl. auch BGH NJW 1976, 1843 (1844). Kritisch dazu Böhmer, VersR 1960, 676 (677); v. Caemmerer, FS Wieacker, S. 311 (S. 316); Strauch, JuS 1982, 823 (824). 385 Medicus, Schuldrecht I, Rn. 776; Soege1 12-Hadding, Anh § 328 Rn. l. Weimar, VersR 1960, 777, rechtfertigt den Vertrag mit Schutzwirkung für Dritte, sogar, indem er sich damit begnügt festzustellen, die Figur sei ein "Gebot der Gerechtigkeit", da § 831 BGB in manchen Fällen zu unerträglichen Ergebnissen führe. 386 So Gernhuber, FS Nikisch, S. 249 (S. 253). Auch hier gilt das zur culpa in contrahendo Gesagte: Der Vertrag mit Schutzwirkung für Dritte wäre mit Änderung des§ 831 BGB nicht völlig obsolet. Zum einen behielte er Bedeutung im Rahmen der Garantiehaftung z.B. des Vermieters nach § 536 a Abs. l BGB, wo das Deliktsrecht wegen des Verschuldenserfordemisses nicht weiterhilft, BGHZ 49, 350ff., und vor allem auch im Bereich der primären Vermögensschäden, vgl. etwa BGH, JZ 1966, 141.
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Kritik an der vertraglichen Drittschutzwirkung wird auch hier vor allem wegen der Vermengung von Delikts- und Vertragsrecht geübt. So stellt etwa Kreuzer 381 fest, diese "Hypertrophie des Vertragsrechts" würde am Ende zu einer Deliktshaftung nach vertraglichen Grundsätzen führen. 388 Die Pflichten, die einer Vertragspartei gegenüber einem Dritten etwa in der "Gemüseblatt-Entscheidung"389 auferlegt werden, sind wiederum keine spezifisch vertraglichen, sondern letztlich deliktische Verkehrspflichten. 390 Unzweifelhaft oblagen dem Geschäftsinhaber Säuberungspflichten zur Vermeidung von Unfällen. Es handelt sich dabei aber um deliktische Verkehrspflichten gegenüber jedermann. Es macht keinen Unterschied hinsichtlich der Säuberungspfl.ichten, ob sich das Kind einer Kundin verletzt oder eine andere Person, die beispielsweise ein Kau fhaus völlig ohne Kaufabsicht durchquert, etwa aus persönlichen Gründen, um einen der Verkäufer zu treffen, oder ob von der Markise eines Ladens ein Gegenstand auf einen Passanten fällt, der nicht dort einkaufen wollte. Der Verortung der Pflichten zugunsten Dritter im Vertragrecht ist daher zurückhaltend zu begegnen. 391 3. Drittschadensliquidation Recht selten im Zusammenhang mit § 831 BGB erwähnt werden die Grundsätze der Drittschadensliquidation. 392 Das liegt vor allem daran, dass § 831 BGB nur in einer der anerkannten Fallgruppen der Drittschadensliquidation eine Rolle spielt. In den Fällen der obligatorischen Gefahrentlastung 393 und der mittelbaren Stellvertretung scheitert ein deliktischer Anspruch des Dritten bereits mangels verletzten absoluten Rechts im Sinne des § 823 Abs. 1 BGB. Anders ist es in den Fällen der Obhutsverhältnisse. JZ 1976,778. Vgl. auch Assmann, JuS 1986, 885 (886); v. Caemmerer, FS Wieacker, S. 311 (S. 320); Wolf, Schuldrecht II, § 18 AIVb 8 (S. 361). 389 BGHZ 66, 52 ff. 390 Etwas anders liegen allerdings die Fälle, in denen es um die Haftung für die Verletzung besonderer beruflicher Pflichten geht, also nicht um sekundäre Verhaltens- und Sorgfaltspflichten, sondern um die ordnungsgemäße Erfüllung der Primärpflicht Das sind etwa die Fälle, in denen ein mangelhaftes Gutachten, das der Verkäufer eines Grundstücks in Auftrag gibt, zu einem Schaden des Käufers führt, vgl. BGH, NJW 1995, 392ff.; 1984, 355ff. Hier spielt die Geschäftshermhaftung aber keine große Rolle, meist scheitert die deliktische Haftung am fehlenden Schutz primärer Vermögensschäden durch § 823 Abs. I BGB. 391 Lorenz, JZ 1960, 108 (114), meint, dass mandie Haftungauf §§823ff. BGB stützen und darauf dann§ 278 BGB anwenden solle; ähnlich Mertens, AcP 178 (1978), 227 (237). Diese Vorschläge tragen aber weniger zur Klarstellung bei als vielmehr zu noch größerer Verwirrung und finden keinerlei Grundlage im Gesetz. 392 Vgl. Esser/Schmidt, Schuldrecht 1/2, § 34 IV 1 d (S. 267); Peters, AcP 180 (1980), 329 (359); Ries, JA 1982, 453; SoergeJl 2-Mertens, vor§ 249 Rn. 255; Staudinger 13-Schiemann, vor §§ 249ff. Rn. 72; ansatzweise auch bei MüKo-Grunsk y, vor§ 249 Rn.12l. 393 Vgl. dazu näher Larenz, Schuldrecht I,§ 27 IV I (S.462ff.). 387 388
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2. Kap.: Die Haftung für Hilfspersonen im Europa der Gegenwart
Hat etwa der Eigentümer seine Sache einem anderen überlassen, der sie dann bei einem Spediteur einlagert, und wird die Sache schuldhaftdurch einen (sorgfältig ausgewählten) Gehilfen des Spediteurs zerstört, liegt die Verletzung eines absoluten Rechts nach § 823 Abs. 1 BGB vor, die deliktische Haftung des Spediteurs gegenüber dem Eigentümer scheitert an der Möglichkeit des Entlastungsbeweises. Nur deshalb bedarf es hier der Drittschadensliquidation,394 die es dem Entleiher erlaubt, den Schaden des Eigentümers beim Spediteur aus vertraglicher Haftung i.V. m. § 278 BGB zu liquidieren. Auch die Drittschadensliquidation nimmt damit in einigen Fällen dem Geschäftsherrn die Entlastungsmöglichkeit nach § 831 Abs. 1 S. 2 BGB.
4. Ausdehnung des § 618 BGB auf den Werkvertrag Konsequenz der dargelegten Kunstgriffe der Rechtsprechung ist, dass Vertragsrecht in weiteren Bereichen anwendbar wird, in denen eigentlich das Deliktsrecht die passenden Normen bereithält. Dies sichert zwar die Vorteile der Vertragshaftung, hat aber den Nachteil, dass grundsätzlich weder Schmerzensgeld verlangt werden kann, 395 noch im Normalfall die§§ 842 ff. BGB eingreifen.396 Anders ist es im Dienstvertrags- und Arbeitsrecht: In §618 BGB 397 hat der Gesetzgeber ausdrücklich normiert, dass der Arbeitgeber für Leben und Gesundheit der Arbeitnehmerverantwortlieh ist, und auf die vertraglichen Ansprüche die §§ 842-846 BGB für anwendbar erklärt. Diese Norm wendet die Rechtsprechung 398 analog auf den Werkvertrag an. Der BGH399 führt aus, dass es in hohem Maße unbillig wäre, Hinterbliebenen bei Unfällen " ... vertragliche Schadensersatzansprüche aus dem formalen Grunde zu versagen, daß nur der tödlich Verunglückte, aber nicht sie selbst Vertragspartner gewesen seien, und sie, ob394 Esser/Schmidt, Schuldrecht 1/2, § 34 IV l d (S. 267), meinen, in diesen Fällen bedürfe es eines Rückgriffs auf die Drittschadensliquidation nicht, hier greife unmittelbar § 278 BGB, da es zu den vertraglichen Pflichten des Entleihers gehöre, die Sache zu lagern, und der Spediteur insoweit Erfüllungsgehilfe sei. Dies ist aber eine Frage des Einzelfalls. Teilweise werden diese Fälle auch durch die Konstruktion eines Vertrages mit Schutzwirkung für Dritte gelöst, der aber beispielsweise daran scheitern kann, dass der Spediteur nicht weiß, dass das Lagergut nicht im Eigentum des Vertragspartners steht und es mithin an der Erkennbarkeil fehlt. 395 Diesen Wiederspruch will der Gesetzgeber nun beheben, indem er dem Geschädigten auch im Vertragsrecht - durch Einführung eines zweiten Absatzes in § 253 BGB - einen Schmerzensgeldanspruch gegen den Schädiger zuzugestehen beabsichtigt, vgl. den Referentenentwurf eines zweiten Gesetzes zur Änderung schadensersatzrechtlicher Vorschriften vom 19. Februar 2001. 3% An der Tatsache, dass im Vertragsrecht derartige Regelungen bislang nicht existieren, zeigt sich besonders deutlich, dass der Gesetzgeber ursprünglich bei Schäden an Leben und Gesundheit primär das Deliktsrecht für einschlägig erachtet hat. 397 V gl. zu dieser Norm auch unten 2. Kap. § 1 B 5 a. 398 BGHZ (GS) 5, 62 (66); BGH, VersR 1963, 1076 (1 077); BGHZ 26, 365 (370); vgl. schon RGZ 159, 268 (269ff.). Die Literatur ist dem überwiegend gefolgt, vgl. nur Erman-Hanau, §618 Rn. 3; Staudinger 13-0etker, § 618 Rn. 103; a. A. aber Lewer, IZ 1983, 336ff. 399 BGHZ (GS) 5, 62 (66).
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wohl der tödliche Unfall auf ein vertragliches Verschulden des Dienstherrn zurückgeht, auf den Nachweis einer unerlaubten Handlung zu verweisen und dem Dienstherrn die weitgehende Entlastungsmöglichkeit des § 831 BGB für Verrichtungsgehilfen zu eröffnen.".
Der unerwünschte§ 831 BGB löst also die folgende, merkwürdig anmutende Situation aus: Die Rechtsprechung führt künstlich die Vertragshaftung herbei, um deren unerwünschte Folgen dann über eine Analogie zu § 618 BGB mit dem Argument wieder auszuschalten, die vertragliche Haftung dürfe nicht hinter der Deliktshaftung zurückbleiben.400
5. Fazit Die Konsequenzen der Rechtsprechung zur vertraglichen Haftung seien abschließend noch einmal zusammenfassend verdeutlicht. a) Verortung deliktischer Pflichten im Vertragsrecht Zunächst einmal handelt es sich bei den allgemeinen Pflichten zur Erhaltung von Leben, Gesundheit und Eigentum, wie bereits mehrfach dargelegt, 401 um genuin deliktische Pflichten gegenüber jedermann.402 Das allgemeine Erhaltungsinteresse wird funktionell durch das Deliktsrecht gewährleistet. 403 Daran ändert auch die Neufassung des § 241 BGB nichts, dessen Abs. 2 nunmehr feststellt, ein Schuldverhältnis könne ,,nach seinem Inhalt jeden Teil zur Rücksicht auf Rechte, Rechtsgüter und Interessen des anderen Teils verpflichten". Der Gesetzgeber ist damit letztlich nur jahrzehntelanger Rechtsprechung gefolgt und hat nunmehr die dogmatischen Brüche teilweise verfestigt, anstau das Deliktsrecht zu reformieren. Dem lässt sich auch nicht entgegenhalten, bereits§ 618 BGB habe gezeigt, dass durchaus auch im vertraglichen Bereich die Pflicht bestehe, Leben und Gesundheit des Vertragspartners zu schützen; die Norm sei bei einer deliktischen Einordnung der Pflichten überflüssig. 404 Ebenso gut lässt sich andersherum argumentieren: Die Regelung des § 618 BGB zeigt gerade, dass der Gesetzgeber nicht davon ausging, dass die besagten Fälle, also die Verletzung allgemeiner Verkehrssicherungsptlichten, 405 dem Vertragsrecht generell unterfallen und wollte dies deshalb nur im speziellen Fall Ähnlich Staudinger 13-Belling/Eberl-Borges, § 831 Rn. 29. Vgl. oben 2. Kap. § 1 B III 2. 402 Vgl. v.Bar, JuS 1982, 637; Constantinesco, FS Lange, S.415 (S. 420); Nirk, RabelsZ 18 (1953), 310 (311). 403 Kreuzer, JZ 1976, 778 (780). V gl. hier noch einmal die Ausführungen zur "GemüseblanEntscheidung", oben 2.Kap. § 1 Blll2. 404 So Canaris, FS Larenz, S. 27 (S. 85 f.). 405 Zur Einordnung der Pflichten des § 618 BGB als Verkehrssicherungsptlichten, vgl. Neumann-Duesberg, VersR 1968, 1 (2), und Staudinger 13-0etker, § 618 Rn.11. 400
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2. Kap.: Die Haftung für Hilfspersonen im Europa der Gegenwart
des Dienstvertrages regeln, wo ein besonderes Fürsorgeverhältnis besteht, das Ausdruck einer gesteigerten Interessenwahrungspflicht des Dienstberechtigten für den Verpflichteten ist. 406 Selbst wenn man aber §618 BGB als Ausdruck einer allgemeinen vertraglichen Pflicht zur Erhaltung der körperlichen Integrität des Vertragspartners ansehen wollte, ist damit noch nicht geklärt, warum nun diese Pflichten auch im vorvertragliehen Bereich und auch gegenüber anderen Personen als dem Vertragspartner gelten sollen. b) Verschmelzen von Vertrags- und Deliktsrecht Die Rechtsprechung hat damit zu einem bedenklichen Verwischen der Grenze zwischen Vertrags- und Deliktsrecht geführt. 407 Der BGH408 setzt sich in der bereits behandelten "Gemüseblatt-Entscheidung" mit diesem Problem auseinander: "Die Meinung der Revision, eine Kumulation von Haftung aus ,culpa in contrahendo' und ,Einbeziehung eines Dritten in die Schutzwirkung eines Vertrages' führe zu einer nicht mehr überschaubaren Ausweitung des Risikos für den Verkäufer, wendet sich im Grunde gegen die Berechtigung beider Rechtsinstitute überhaupt. Der insoweit nicht von der Hand zu weisenden Gefahr einer Ausuferung hat die Rechtsprechung jedoch, wie bereits ausgeführt wurde, von jeher dadurch Rechnung getragen, dass sie an die Einbeziehung Dritter in den Schutzbereich eines Vertrages strenge Anforderungen gestellt hat."
Von strengen Anforderungen kann aber nach Aufgabe des "Wohl-und-Wehe-Erfordernisses", wo sich kaum noch ausmachen lässt, wer in den Schutzbereich einbezogen ist, keine Rede mehr sein. 409 Plastisch beschreibt Kötz 410 die Problematik: "Indessen wird jeder, der noch nicht gänzlich betriebsblind geworden ist, sich ein gewisses Staunen darüber nicht versagen können, wie verwegen mittlerweile die Brücken konstruiert werden, mit deren Hilfe die Rechtsprechung die deliktische Fallabwicklung zu vermeiden und das gelobte Land des Vertragsrechts zu erreichen sucht". 411
An der Konstruktion solcher Brücken beteiligt sich mittlerweile auch der Gesetzgeber. c) Wertungswidersprüche Durch die Vermengung von Vertrags- und Deliktsrecht entstehen Wertungswidersprüche- L. Raiser412 spricht von "Verzerrungen unseres Rechtssystems". Der Staudinger1 3-0etker, § 618 Rn. 11. So auch Böhmer, VersR 1960, 676 (677); JR 1961, 17; VersR 1961, 103. 40s BGHZ 66,51 (58f.). 409 V gl. oben 2. Kap. § 1 B III 2, insbes. Fn. 384. 41 0 Deliktsrecht, Rn.298 (zum "Gasbadeofenfall", RGZ 127, 218). 411 Das Zitat hat sogar die französische Literatur beschäftigt, vgl. Legalais, Melanges J. Savatier, S.303 (S.314f.). 412 Raiser, KF 1962, 26. 406 407
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Begriff des Erfüllungsgehilfen ist wesentlich weiter als der des Verrichtungsgehilfen, indem er ohne weiteres selbständige Unternehmer einschließt, für die auf diese Weise faktisch auch im Deliktsrecht gehaftet wird. Schließlich ist zu bedenken, dass das "gelobte Land" des Vertragsrechts nicht nur Privilegien bereithält. Es besitzt keine dem§ 847 BGB entsprechende Norm und gewährt damit wegen§ 253 BGB 413 keinen Schmerzensgeldanspruch,414 und ebenso fehlt es an einer den §§ 842 ff. BGB ähnlichen Regelung. Verzerrungen gab es vor Inkrafttreten des Schuldrechtsmodernisierungsgesetzes auch im Bereich der Verjährung: Für das Rechtsinstitut der culpa in contrahendo sollte nach Auffassung der Rechtsprechung415 grundsätzlich die 30-jährige Verjährungsfrist des § 195 BGB a.F. gelten. Diese auf eigentlich nach dem Deliktsrecht mit der dreijährigen Verjährung nach § 852 BGB a. F. zu behandelnde Sachverhalte anzuwenden, war im Hinblick auf die Systematik der Verjährungsregelungen problematisch. 416 Hier hat der Gesetzgeber jetzt Abhilfe geschaffen durch die Regelung einer einheitlichen dreijährigen Verjährungsfrist nach § 195 BGB n. F. Mag diese grundsätzliche Vereinheitlichung des Verjährungsrechts auch sachgerecht erscheinen, so packt es die hier erörterte Problematik doch jedenfalls weit entfernt von der Wurzel.
C. Spezialgesetzliche Regelungen Am Schluss der Ausführungen zur Rechtslage in Deutschland wird noch ein kurzer Blick auf spezialgesetzliche Regelungen der deliktischen Haftung für Hilfspersonen- teilweise eher unscheinbare Normen- geworfen. I. §485 HGB
§ 485 S. 1 HGB bestimmt, dass der Reeder für den Schaden verantwortlich ist, den eine Person der Schiffsbesatzung oder ein an Bord tätiger Lotse einem Dritten in Ausführung von Dienstverrichtungen schuldhaft zufügt. 1. Grundlagen
Im Unterschied zu § 831 BGB stellt § 485 HGB auf das Verschulden des Gehilfen ab. 417 Die Haftung besteht unabhängig vom Vorliegen eines Vertrages; Bedeutung hat Vgl. zur geplanten Gesetzesänderung oben 2. Kap. § 1 Fn. 395. Eubel, Geschäftsherrnhaftung, A2 b bb (1) b (S. 55), schreibt, die "Hürde" des § 253 BGB hätte vor dem Sündenfall einer völligen Hinwendung zu vertraglichen Anspruchsgrundlagen bewahrt. Siehe dazu schon oben 2. Kap. § 1 B III 4. 4ts Vgl. nur BGHZ 66, 51 ff. 41 6 Ähnlich v. Caemmerer, FS Wieacker, S. 311 (S. 316). 417 Deshalb istvdie Anwendung des § 831 BGB auch neben § 485 HGB grundsätzlich denkbar; vgl. Janzen, Reederhaftung, 1. Teil, B II (S. 8). 413 414
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die Regelung wegen des engeren § 831 BGB daher vor allem im deliktischen Bereich. 418 Sie begründet keinen selbständigen Anspruch gegen den Reeder, sondern statuiert eine adjektizische Haftung.419 Anders als bei§ 278 BGB 420 ist daher erforderlich, dass ein Anspruch unmittelbar gegen den Gehilfen besteht. 421 Die Norm bewirkt, dass dieser Anspruch auch gegenüber dem Reeder geltend gemacht werden kann.422 Die Reederhaftung beruht auf dem Gedanken des Einstehenmüssens für die besonderen, mit dem Schiffsbetrieb verbundenen Gefahren.423 Der in der Regel solvente Reeder soll daher ohne Exkulpationsmöglichkeit auch außervertraglich haften. 424 2. Anwendungsbereich
§ 485 HGB gilt vom Wortlaut her für die Schiffsbesatzung (vgl. § 481 HGB) und an Bord tätige Lotsen. Er ist damit enger als § 831 BGB, wo zwar die Weisungsgebundenheit gefordert wird, jedenfalls aber kein Anstellungsverhältnis vonnöten ist. 425 § 485 HGB wird von der Rechtsprechung426 jedoch analog angewendet auf alle Personen, die vom Reeder irgendwie - sei es auch nur vorübergehend - eingesetzt werden, soweit sie der Auswahl, Überwachung und Weisungsbefugnis des Reeders unterstehen. Die Haftung wird also auf alle Personen erstreckt, für die der Reeder auch nach § 831 BGB haften würde. Der BGH421 führt zur Begründung aus: "Weiter entstehen, ähnlich wie beim Bahn- und Kraftfahrzeugbetrieb, durch Unachtsamkeilen der bei dem Betriebe tätigen Personen besondere Gefahren. [...] Insofern muß das Gesetz einen wirksamen Schutz gewähren. [...] Daraus folgt, daß für Schäden, die durch die Betriebsgefahr eines Schiffes erwachsen, die Entlastungsmöglichkeit nach § 831 Abs. I Satz 2 BGB ausgeschaltet werden muß." Vgl. auch Rabe, Seehandelsrecht, § 485 Rn. 42. Herber, Seehandelsrecht, § 23 I 2 (S. 203); Janzen, Reederhaftung, 2. Teil, AI (S. 10); Rabe, Seehandelsrecht, §485 Rn.42. 420 Vgl. etwa Soergel' 2 -Wolf, § 278 Rn. 57. 421 Daher haftet der Reeder auch nicht, wenn der Gehilfetrotz schuldhafter Schadensverursachung nicht selbst verantwortlich ist, etwa wegen§ 607 HGB; vgl. Herber, Seehandelsrecht § 23 I (S. 204), und zur ähnlichen Problematik im englischen Recht unten 2. Kap. § 3 AI 2. 422 Rabe, Seehandelsrecht, § 485 Rn. 42. 423 RGZ 126, 35 (38); Knöfel, Haftung des Güterbeförderers, § 10 lA 1 acc(3)(b) (S.153). 424 ÄhnlichJanzen, Reederhaftung, 1. Teil, B II (S. 7); Knöfel, Haftung des Güterbeförderers, § 10 lA 1 acc(3)(b) (S.153). Nachdem ursprünglich die unbeschränkte Haftung ihre Rechtfertigung darin gefunden hatte, dass die Haftung auf Schiff und Fracht beschränkt war, vgl. § 486 Abs. I Nr. 3 HGB a. F., ist diese Privilegierung 1972 weggefallen und durch die Möglichkeit der vertraglichen Haftungsbeschränkung in §486 HGB ersetzt worden; vgl. zum Ganzen Herber, Seehandelsrecht, § 23 I (S. 204). 425 Vgl. oben 2. Kap.§ 1 All 1. 426 BGHZ 26, 152 (l55f.); 3, 34 (40); RGZ 126,35 (38f.). 427 Z 3, 34 ( 40)- zur Parallelvorschrift im Binnenschifffahrtsrecht, § 3 BinnenSchG. 4 18
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Der Grund für die über den Wortlaut des § 485 HGB hinausgehende Haftung des Reeders wird also auch hier nicht verschwiegen: die Exkulpationsmöglichkeit des § 831 Abs. 1 S. 2 BGB. 428
3. Beweislast Im Rahmen der außervertraglichen Haftung muss der Geschädigte grundsätzlich auch das schuldhafte Handeln des Gehilfen beweisen, 429 insoweit steht der Geschädigte hier schlechter als bei der Haftung nach§ 831 BGB. Die Rechtsprechung hilft aber auch hier teilweise mit dem Anscheinsbeweis. 430 II. Gefährdungshaftung
Die Verursacher bestimmter Gefahren haften für das Verhalten ihrer Gehilfen ohne das Erfordernis des eigenen Verschuldens. Bei allen geht es um die Haftung für besondere technische Risiken, etwa hohe Geschwindigkeit oder Ansammlung von Energie. 4 3 1 1. § 7 StVG
Die wohl bekannteste und im (Rechts-) Verkehr am häufigsten relevant werdende Norm der Gefahrdungshaftung ist§ 7 StVG. Danach haftet der Halter für bei Unfällen mit seinem Fahrzeug verursachte Schäden, ohne dass es eines Verschuldens bedarf. Ist der Fahrer Verrichtungsgehilfe des Halters, so haftet der Letztere ohne Exkulpationsmöglichkeit hinsichtlich des fehlenden eigenen Verschuldens. Allerdings ermöglicht § 7 Abs. 2 StVG die Entlastung durch den Nachweis eines unabwendbaren Ereignisses, 432 der Halter muss beweisen, dass das Ereignis für Fahrer und Halter nicht vermeidbar war.433 428 Gegen das weite Verständnis des Begriffs "Schiffsbesatzung" wurde vor allem eingewandt, dass dem Reeder so die Entlastungsmöglichkeit im deliktischen Bereich unzulässigerweise genommen werde, vgl. Herber, FS Stimpel, S.l015 (S. l031). Kritisch zur Ausweitung des § 485 HGB auch Janzen, Reederhaftung, 2. Teil, B II (S. 26ff.), und Knöfel, Haftung des Güterbeförderers, § 10 lA 1 acc(3) (S.150ff.). Zudem wurde auch hier bemängelt, dass die Grenzen zwischen Vertrags- und Deliktsrecht verwischt würden, vgl. Herber, Seehandelsrecht, § 23 111 (S. 206). 429 Rabe, Seehandelsrecht, §485 Rn.65. 43o Vgl. BGHZ 6, 169 (170f.). 431 Vgl. auch Deutsch, JuS 1981, 317. 432 Hier fließen also subjektive Elemente mit ein, weshalb von "gemischter Haftung" gesprochen wird, vgi.Böhmer, JR 1962, 98; ähnlichJagusch/Hentschel, Straßenverkehrsrecht, § 7 Rn. 1. Das Merkmal des "unabwendbaren Ereignisses" soll dem der "höheren Gewalt" weichen, vgl. den Referentenentwurf eines zweiten Gesetzes zur Änderung schadensersatzrechtlicher Vorschriften vom 19. Februar 2001. 433 Geigel-Kunschert, 25.Kap. Rn. 79.
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Für Schwarzfahrten des Gehilfen haftet der Halter nach § 7 Abs. 3 S. 2 StVG zwar grundsätzlich nur, wenn er die unerlaubte Benutzung schuldhaft ermöglicht hat. Handelt es sich aber, wie häufig bei einem Verrichtungsgehilfen im Sinne des § 831 BGB, um eine für den Betrieb des Fahrzeugs beim Halter angestellte Person, so haftet der Halter stets für deren Pflichtverstoß, § 7 Abs. 3 S. 3 StVG, obwohl die Haftung nach § 831 Abs. 1 BGB hier in den meisten Fällen ausgeschlossen wäre. 434
2. Produkthaftungsgesetz Eine wichtige Einschränkung des § 831 BGB hat das Produkthaftungsgesetz von
1989435 mit seiner verschuldensunabhängigen Herstellerhaftung gebracht. § 4
ProdHaftG fasst den Herstellerbegriff sehr weit und schließt auch die Personen der Absatzkette mit ein. Es kommt nicht darauf an, ob und welche Hilfspersonen der Hersteller eingesetzt hat, der Entlastungsbeweis nach § 831 Abs. 1 S. 2 BGB hilft ihm nicht weiter. 436 Indem § 6 Abs. 2 ProdHaftG darüber hinaus feststellt, dass mitverursachende Handlungen eines Dritten die Haftung nicht mindern, haftet der Produzent insoweit auch für Gelegenheitsdelikte seiner Gehilfen. 437 Allerdings ist die Haftung durch eine Höchstgrenze in § 10 ProdHaftG beschränkt.
3. §§1,3HaftPflG Das Haftpflichtgesetz regelt die (Gefährdungs-)Haftung derBetreibervon Schienen- und Schwebebahnen (§ 1 HaftPflG), von Anlagen zur Fortleitung und Abgabe von Energie(§ 2 HaftPflG) und von Bergwerken, Steinbrüchen, Gräbereien oder Fabriken(§ 3 HaftPflG). § 1 HaftPflG sieht die Entlastungsmöglichkeit wegen Unabwendbarkeit vor, insoweit kann auf die Ausführungen zu § 7 StVG verwiesen werden. 438 Eine wichtige Einschränkung der Haftung ist die Haftungshöchstgrenze der§§ 9 und 10 HaftPflG. Die Verantwortlichkeit nach dem Haftpflichtgesetz deckt damit beim Tod von Personen häufig nicht den ganzen Schaden ab, so dass daneben doch auf § 831 Abs. 1 BGB zurückgegriffen werden muss. Bei § 3 HaftPflG handelt es sich um eine wenig beachtete und praktisch selten angewendete439 Erweiterung der§§ 31,278 BGB und vor allem des § 831 BGB. Erbe434
V gl. oben 2. Kap. § 1 A IV 2.
m Umsetzung der EG-Richtlinie zur Angleichung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften
der Mitgliedsstaaten über die Haftung für fehlerhafte Produkte vom 25.7.1985, ABlEG 1985 L210, 29-50. 436 Schlechtriem, VersR 1986, 1033 (1039). 437 V gl. auch Sch/echtriem, VersR 1986, 1033 ( 1039). 4 38 Oben 2. Kap. § 1 C II 2. Die Haftung für durch Gehilfen verursachte abwendbare Ereignisse ist dabei selbstverständlich, sofern sie mit dem Willen des Betriebsinhabers tätig geworden sind; vgl. Filthaut, HaftPflG, § 1 Rn. 205. 439 Vgl. Geigel-Kunschert, 22. Kap. Rn. 74.
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stimmt, dass der Betreiber der oben genannten Anlagen für das Verschulden seiner leitenden Angestellten bei Tod oder Körperverletzung haftet. Er regelt damit eine deliktische Haftung für fremdes Verschulden. Die geringe Bedeutung der Norm hängt vor allem mit der Ausdehnung des § 31 BGB auf leitende Angestellte zusammen.440 4. §22 WHG § 22 WHG enthält einen Haftungstatbestand für Änderungen der Beschaffenheit des Wassers. Dogmatisch handelt es sich um einen Tatbestand der Verursachungshaftung. 441 Gehaftet wird auch für das Einbringen oder Einleiten von Stoffen durch abhängige Gehilfen; 442 entscheidend ist, dass der Haftende die Herrschaft über das Einleiten hat. 443 Der BGH444 hat bisher offengelassen, ob § 22 WHG die Entlastungsmöglichkeit nach § 831 Abs. 1 BGB vereitelt. 445 Im Ergebnis muss aber die verschuldensunabhängige Haftung auch zu einer Haftung für Gehilfenverschulden führen. 446
5. § 26AtomG Der Tatbestand des § 26 AtomG regelt die Haftung aus vermutetem Verschulden für bestimmte nukleare Ereignisse. 447 Zwar ist die Entlastung möglich, die Haftung wird aber als eng mit der Gefährdungshaftung verwandt angesehen. 448 Denn der Betreiber kann sich nur durch den Nachweis, dass der Schaden auch bei der Anwendung jeder nach den Umständen gebotenen Sorgfalt durch ihn und die für ihn "im Zusammenhang mit dem Besitz tätigen Personen" entstanden wäre, entlasten, § 26 Abs. 1 S. 2 AtomG. 449 Der Hilfspersonenbegriff wird teilweise für deckungsgleich450 mit dem des Verrichtungsgehilfen, teilweise für weiter451 gehalten. Wie das Haftptlichtgesetz legt § 31 AtomG Haftungshöchstgrenzen fest. Vgl. oben 2.Kap. § 1 BI2. Geigel-Schlegelmilch, 24. Kap. Rn. 4. 442 ]anke-Weddige, ZfW 1988, 381 (382). 443 BGH, VersR 1976,930 (931). 444 ZfW 1977,41 (43). 44s Der BGH hält die Haftung im Falle des Gehilfeneinsatzes aber schon deshalb für gegeben, weil die geistige Herrschaft über den Einleitungsvorgang genüge, ZfW 1977, 41 (43). 446 So auch Czychowski, WHG, § 22 Rn. 6 a. 447 § 26 AtomG ist Auffangtatbestand für die in § 25 AtomG (der die Haftung für Ereignisse im Zusammenhang mit Kernspaltung und -Vereinigung nach dem Pariser Übereinkommen regelt) nicht genannte nukleare Ereignisse. 448 Geigei-Schlegelmilch, 23. Kap. Rn. 27 f. Teilweise wird daher von modifizierter Gefährdungshaftung gesprochen, Haedrich, AtomG, § 26 Rn. 3. 449 Insofern ist die Haftung wesentlich näher an der Gefährdungshaftung als § 831 BGB, bei dem der Nachweis sorgfältigen Verhaltens des Geschäftsherrn genügt. 45o Haedrich, AtomG, § 26 Rn. 6. 45 1 Geigel-Freymann, 23. Kap. Rn. 11. 440
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D. Versicherungsmäßige Deckung Das Haftungsrecht ist eng mit dem Versicherungsrecht verwoben: Das Haftpflichtrisiko des Geschäftsherrn, der Inhaber eines Betriebs ist, wird in der Praxis häufig -entweder freiwillig oder aufgrund gesetzlichen Zwanges - versichert sein. § 151 Abs.1 S.1 VVG bestimmt, dass die Versicherung sich auch auf die Haftpflicht der Vertreter des Versicherungsnehmers sowie leitender Angestellter erstreckt. Voraussetzung ist, dass die schadensstiftende Handlung in innerem Zusammenhang mit dem Betrieb steht; 452 die Abgrenzung wird ähnlich vorgenommen wie bei § 831 BGB. 453 Die Versicherung erstreckt sich dann aber auch auf solche Gehilfen, hinsichtlich derer sich der Geschäftsherr entlasten kann. 454 Die Wertung des Versicherungsrechts ist in diesen Fällen interessant: Der Geschäftsherr haftet selbst nicht für einen durch den Gehilfen verursachten Schaden, versichert aber dennoch das Risiko mit, und zahlt die sich daraus ergebenden Prämien. 455 In der Rechtsprechung spielt die Mitversicherung des Gehilfenhandeins aber jedenfalls in den letzten 30 Jahren kaum eine Rolle. Das mag damit zusammenhängen, dass besonders bei betrieblichen Schäden die Haftung aufgrund der Ausdehnung und der Umgehung des § 831 BGB sowie aufgrund der genannten spezialgesetzlichen Tatbestände nahezu lückenlos ist - vor allem gehören die meisten der in § 151 VVG genannten Gehilfen nach der Rechtsprechung ohnehin zu den Personen, für die eine Haftung nach § 31 BGB bejaht wird.
E. Zusammenfassung und Schlussbemerkung Die Haftung für Hilfspersonen im deutschen Recht findet ihre Grundlage nur noch teilweise in§ 831 BGB, einer deutlich konturierten, aber durch die Exkulpationsmöglichkeit in der Reichweite nach der Vorstellung des Gesetzgebers erheblich eingeschränkten Norm. Die Rechtsprechung hat dieses Haftungskonzept nicht als ausreichend erachtet und auf Abhilfe gesonnen, die sie einerseits in der Auslegung des § 831 BGB selbst - insbesondere in der Überspannung der Pflichten des Geschäftsherrn, durch die die Norm an Schärfe verloren hat -, vor allem aber in der Ausdehnung sonstiger deliktischerund auch vertraglicher Anspruchsgrundlagen zu finden glaubte. Besonders die zweite Tendenz hat zu einem nahezu lückenlosen System der Haftung für Gehilfenhandeln geführt, das allerdings auch nach der gesetzlichen Regelung der culpa in contrahendo dogmatisch fragwürdig ist. BGH, VersR 1982,458 (459); Prölss/Martin-Voit, § 151 Rn.4. BGH, VersR 1982,458 (459); VersR 1973,313 (314). 454 Vgl. BGH, NJW 1958,243: "Da eine solche Versicherung insoweit, als sie auch den mitversicherten Betriebsangehörigen Versicherungsschutz gewährt, Fremdversicherung i. S. der §§ 74ff. VVG ist(§ 151 Abs. I Satz 2 VVG), ihnen also einen eigenen Versicherungsschutz gibt, steht den Mitversicherten Versicherungsschutz unabhängig davon zu, ob der Haftpflichtfall zugleich auch eine Haftpflicht für den Versicherungsnehmer selbst nach den §§ 278, 831 BGB begründet"; vgl. auch Prölss/Martin-Voit § 151 Rn. 10. 455 V gl. dazu auch Kötz, Deliktsrecht, Rn. 300. 452
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§ 2 Das französische Recht
A. Die Haftung der commettants nach Art. 1384 al. 5 Ce Art. 1384 al. 1 Ce bestimmt: .. On est responsable non seulement du dommage que I' on cause par son propre fait, mais encore de celui qui est cause par le fait des personnes dont on droit repondre, ou des choses que I' on a sous sa garde."
Undalinea 5 der Norm konkretisiert: ,.Les maitres et /es commettants du dommage cause par leur domestiques et preposes dans /es fonctions auxquelles ils /es ont employes. "
I. Dogmatische Grundlagen
1. Terminologie Art. 1384 al. 5 Ce spricht von der Haftung der maftres und commettants für ihre domestiques beziehungsweise preposes. 1 Neben Geschäftsherrn und Verrichtungsgehilfen nennt das Gesetz damit die Hausangestellten, denen aber keine eigenständige Bedeutung zukommt- es handelt sich lediglich um einen Unterfall der preposes. 2 Das Verhältnis zwischen commettant und prepose wird nicht - wie die Bezeichnung commettant vermuten lässt und wie es früher auch teilweise getan wurde 3 - mit dem Terminus .. commission ", der ein mandat commercial bezeichnet, sondern als "Iien de preposition" bezeichnet. 4
2. Ausgestaltung der Regelung Art. 1384 Ce enthält zunächst die allgemeine Feststellung, dass eine Person auch für Taten anderer verantwortlich sein kann. Im Folgenden werden dann die einzelnen Verhältnisse genannt, die eine solche Verantwortlichkeit begründen.
1 V gl. zur ursprünglichen, wörtlichen Bedeutung der Termini Kau.ffmann, Gehilfenhaftung, 2. Teil 112 (S.40). 2 V gl. Carbonnier, Droit civil IV, Nr. 243; Flour/Aubert, Obligations 118, Nr. 202; Mazeaud/ Chabas, Droit civil 11/1, Nr.477. 3 Vgl. etwa Radiere, Responsabilite civile, Nr. l474ff. 4 Vgl. dazu auch Flour/Aubert, Obligations 118, Nr. 208 Fn. 3; Weil!Terre, Obligations, Nr. 659.
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a) Die sonstigen Regelungen des Art. 1384 al. 5 Ce Neben dem Verhältnis commettant- prepose regelt die Norm die Haftung der Eltern für ihre Kinder (al.4) und der Handwerksmeister für ihre Lehrlinge (al.6). 5 Die zweite Alternative des Art. 1384 al. 1 Ce beinhaltet zudem eine Generalklausel für die Haftung des Sachhalters. 6 b) Art. 1384 al. 1 Ce als Generalklausel Der ersten Alternative des Art. l384 al. 1 Ce wurde dagegen lange Zeit keine eigene Bedeutung beigemessen - sie wurde lediglich als Einleitungssatz verstanden. 7 Die Rechtsprechung sieht dies allerdings seit einer Entscheidung der Assemblee pleniere der Cour de cassation 8 aus dem Jahr 1991 nunmehr anders: Art.1384 al.1 Ce wurde dort als eigene, allgemeine Anspruchsgrundlage der Haftung für die Tat anderer angesehen, im konkreten Fall für die Haftung eines Pflegeheims wegen der unerlaubten Handlung eines Behinderten. 9 Die deuxieme Chambre civile 10 hat in der Folge nach Art. 1384 al. 1 Ce etwa eine Kinderbetreuungseinrichtung haften lassen und später sogar die Haftung eines Sportvereins für die unerlaubten Handlungen seiner Mitglieder angenommen. 11 Nach Art. 1384 al. 1 Ce haftet demnach jetzt, wer für den Schädiger "ayant accepte de prendre en charge globalement I' organisation de Ia vie d' autres individus ". 12 Die Haftung für Hilfspersonen ist bislang nicht aus dieser ,,neuen" Generalklausel13 abgeleitet worden. Solange es dabei bleibt, spielt die neue Entwicklung der Rechtsprechung im vorliegenden Zusammenhang keine Rolle. Allerdings meint etwa Vineyl\ ein weites Verständnis des Gehilfenverhältnisses in Art. 1384 al. 5 Ce sei mit der neuen Auffassung zu Art.1384 al. 1 Ce hinfällig, und scheint demnach davon auszugehen, dass Hilfspersonen von der "neuen Generalklausel" sogar we5 Die in Art. 1384 al. 6 Ce ebenfalls enthaltene Haftung der Lehrer für ihre Schüler ist heute gegenstandslos, vgl. Ferid/Sonnenberger, Das Französische Zivilrecht II, 2 0201. 6 Vgl. Ferid/Sonnenberger, Das Französische Zivilrecht II, 2 0201; Terre/Simler/Lequette, Les obligations, Nr. 809. 7 Cass. civ.2•, 24.11.1976, D. 1977, 595f.; 15.2.1956, D. 1956,410. Anders aber schon Trib. Dijon, 27.2.1965, D. 1965. 439 (440); vgl. auch Cons. d'Et., 3.2.1956, Rec. Cons. d'Et. 1956, 49. 8 29.3.1991, D. 1991, 324. 9 Cass. ass. plen, 29.3.1991, D. 1991, 324. Vgl. zu dieser Entscheidung Ferrand, ZEuP 1993, 133ff. 10 9.12.1999, D. 2000, 713; Vgl. auch Cass. crirn., 15.6.2000, D. 2000, Inf. 245. 11 3.2.2000, J.C.P. 2000, II, 10316. 12 Mouly, J.C.P. 2000, II, 10316. 13 Vgl. zur Einordnung des Art.1384 al. 1 Ce auch Terre/Simler/Lequette, Les obligations, Nr.809ff. 14 Conditions de Ia responsabilite, Nr. 792.
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sentlich weitergehend erfasst seien als von der erstgenannten Spezialregelung. 15 Die Regelung als so weitgehende Anspruchsgrundlage anzusehen, ist aber mit der gesetzgeberischen Entscheidung, der Haftung für Hilfspersonen in Art. 1384 al. 5 Ce eigene Konturen zu geben, kaum vereinbar.
3. Rechtsnatur Der Gesetzeswortlaut lässt offen, für wessenfaute 16 der commettant einzustehen hat- Art. 1384 al.1 Ce spricht lediglich von der Tat eines anderen. Dass die Nonn eine unbedingte Einstandspflicht des commettant für die Handlungen seines prepose statuiert und nicht für eigenes Fehlverhalten, ergibt sich erst im Umkehrschluss aus Art. 1384 al. 7 Ce, der bei der Haftung der Eltern und Handwerksmeister die Exkulpation durch den Nachweis des schuldlosen Verhaltens der Aufsichtsperson erlaubt. 17 Dennoch wurde die Regelung des Art. 1384 al. 5 Ce ursprünglich- und dieser Gedanke klingt schon im Gesetzgebungsverfahren an 18 - als Haftung für culpa in eligendo oder culpa in viligando des commettant angesehen. 19 Man stieß freilich auf Probleme, dies mit der fehlenden Exkulpationsmöglichkeit des commettant in Einklang zu bringen. 20 Vereinbaren ließ sich beides nur miteinander, indem man die Nonn als unwiderlegliche Vennutung der faute des Geschäftsherren ansah. Auch die Cour de cassation 21 hat die Haftung des commettant als Verantwortlichkeit für die vennutete faute bei der Auswahl angesehen, den Gegenbeweis aber nie als haftungsausschließend angesehen. Die faute war demnach eher Scheinvoraussetzung. 22 Deshalb ist man sich heute weitgehend23 darüber einig, dass die responsabilite du fait d' autrui im Rahmen des Art. 1384 al. 5 Ce eine von der faute des commettant un15 V gl. auch Larroumet, D. 1991, 324 (325), der meint, die Auffassung der Rechtsprechung zu Art. 1384 al. 1 Ce dürfe nur in den Fällen des Art. 1384 Ce nicht angewendet werden, die eine eigene faute des Haftenden voraussetzen. t 6 Der Begriff der faute ist mit Verschulden nicht exakt übersetzt: er umfasst objektive und subjektive Elemente, also Elemente von Rechtswidrigkeit und Schuld. Vgl. dazu Ferid/Sonnenberger, Das Französische Zivilrecht II, 2 0 102ff. 17 Vgl. Planiol, Traire elementaire, Nr. 912. Vgl. auch Benac-Schmidt/Larroumet, Dalloz, Responsabilite du fait d'autrui, Nr. 274; Flour/Aubert, Obligations 118, Nr. 202; Mazeaud/Chabas, Droit civilll/1, Nr. 476. 18 Locre, La legislation, XIII, S.61. 19 Mazeaud/Chabas, Droit civil ll/1, Nr. 483-484. Flour/Aubert, Obligations IIB, Nr. 203, sprechen wegen der Haftung für die faute bei Auswahl und Überwachung von einer double presomtion defaute. 20 Mazeaud/Chabas, Droit civil Il/1, Nr. 483-484; Starck/Roland/Boyer, Responsabilite delictuelle, Nr. 887; vgl. auch Terre/Simler/Lequette, Les obligations, Nr. 801. 21 Cass. civ. 2•, 10.1.1968, Bull. civ. 1968,11, Nr.8; 15.2.1956, J.C.P. 1956, II, 9564. 22 Vgl. Ferid/Sonnenberger, Das Französische Zivilrecht II, 2 0222. Flour/Aubert, Obligations li, Nr. 203, sprechen von einer " regle de fond, cachee sous Ia fausse apparence d' une regle de preuve". 23 A. A. offenbar Mazeaud/Chabas, Droit civil 11/1, Nr. 483/484, die die Schuld des prepose als Schuld des commettant ansehen. V gl. dazu auch unten 2. Kap. § 2 AI 4 a.
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abhängige Haftung ist. 24 Sie ist damit allerdings nicht unabhängig von einer faute überhaupt, der fait fautif des prepose ist vielmehr essentielle Voraussetzung der Haftung. 25 Man kann daher von einer responsabilitt indirecte sprechen. 26 Die Verantwortlichkeit des commettant steht grundsätzlich neben der eigenen des prepose, 27 es handelt sich um eine superposition oder addition, 28 nicht substitution der Verantwortlichkeit; 29 ein Subsidiaritätsverhältnis zur eigenen Haftung des prepose besteht nicht. 30
4. Haftungsgrund Das französische Deliktsrecht fußt - wie auch das deutsche - grundsätzlich auf dem Verschuldensprinzip. 31 Aus der ursprünglichen Ansicht, Art.l384 al. 5 Ce regele die Haftung für eigenefaute, ergab sich zwangsläufig auch die Rechtfertigung der Haftung. Seitdem nun dieser Erklärungsansatz nicht mehr als ausreichend erachtet wird, diskutiert die französische Rechtsliteratur die Frage, warum der commettant trotzFehlenseiner eigenenfaule für eine Schadensverursachung durch den prepose haften soll. a) L'idee de representation Sehr eng mit der ursprünglichen Vorstellung verbunden, der commettant hafte für eigene faute, ist der Ansatz, der prepose sei "prolongement " 32 oder "representant" 33 des commettant, und der müsse allein deshalb haften. 34 Es soll sich um einen Fall der 24 Vgl. nur Flour!Aubert, Obligations IJS, Nr.203; Starck/Roland!Boyer, Responsabilite delictuelle, Nr. 887. 25 Vgl. auch Savatier, Responsabilite civile, Nr. 285. Dies wird jedoch zunehmend bestritten; vgl. ausführlich unten 2. Kap. § 2 A III 3. 26 Malaurie/Aynes, Droit civil VI, Nr.161; Marty/Raynaud, Les obligations I, Nr.490. Vgl. dazu auch die Gesetzesbegründung, Locre, La legislation, XIII, S. 58 f. 27 Eine Einschränkung dieses Grundsatzes erkennen die Chambre commerciale der Cour de cassation in einer Entscheidung vom 12.10.1993, D. 1994, 124, und die Assemblee pteniere in einer Entscheidung vom 25.2.2000, D. 2000, 673, an, wonach der prepose nur für faute personnelle haftet. Vgl. dazu unten 2. Kap. § 2 A V. 2s Flour!Aubert, Obligations IJ8, Nr. 202. 29 Starck!Roland!Boyer, Responsabilite delictuelle, Nr. 886. 30 Cass. req.,l9.2.1866, S.1866, 1, 214. 31 Le Tourneau, J.C.P. 1971, I, 2401; Gotthardt, Deliktsrecht in Europa, Länderbericht Frankreich, S. 36. 32 Mazeaud!Tunc, Responsabilite, Nr. 934ff. 33 Bertrand, Les aspects nouveaux, S.219ff.; Mestre, Rev. trim. dr. civ. 1989,295 (307);Mazeaud!Chabas, Droit civil 11/1, Nr.483-484. 34 V gl. zur Anknüpfung der Geschäftsherrnhaftung an denVertretungsgedanken auch die Materialien zur BGB-Entstehung, Protokolle, Mugdan II, S. 1094, die auf das französische Recht verweisen.
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gesetzlichen Stellvertretung handeln. Allein durch die Handlung des prepose für die Rechnung des commettant soll mit dem Geschädigten ein "rapport de trois personnes" entstehen können 35 - die faute des prepose soll dadurch gleichzeitig die des commettant sein. 36 Kritisiert wird daran zu Recht, dass die Regelungen des Stellvertretungsrechts nicht ohne weiteres auf das Deliktsrecht übertragen werden können. 37 Überdies kann die Tatsache, dass jemand einen anderen repräsentiert, allein nicht die Haftung dieses anderen begründen, 38 zumal auch die Verantwortlichkeit für Stellvertreter sich nicht aus sich selbst heraus erklärt. 39 b) La theorie du risque Schon in den Gesetzesberatungen40 ist der die Literatur lange beherrschende Gedanke angeklungen, dass die Haftung mit dem Risiko begründbar ist, das der commettant durch die Einschaltung einer Hilfsperson schaffe41 und das mit den Vorteilen korrespondiere, die der commettant aus der Tätigkeit des Gehilfen ziehe (theorie du risque-profit) 42 : Planio/43 schreibt etwa: " ... quiconque entreprend un travail pour en tirer un profit pecuniaire accepte necessairement, comme une contre-partie inevitable, le risque des dommages injustes que ce travail peut causer a autrui ".
Diese Theorie vermag zwar zu erklären, warum nur die deliktische Tatbestandsverwirklichung durch den prepose erforderlich und eine Exkulpation nicht möglich Bertrand, Les aspects nouveaux, S. 221 f. Mazeaud/Chabas, Droit civil 11/1, Nr.483-484. 37 Flour, Les rapports de commettant aprepose, S.50; Starck/Roland!Boyer, Responsabilite delictuelle, Nr. 891. 38 Terre!Simler/Lequette, Les obligations, Nr. 803, bemerken, der Ansatz beschreibe die Haftung zwar, erkläre sie aber nicht. 39 Ähnlich Marty/Raynaud, Obligations I, Nr.490. 40 Locre, La legislation, XIII, S. 42. 41 Vgl. dazu Flour!Aubert, Obligations IJS, Nr. 204, und Flour, Les rapports de commettant a prepose, S. 204, der die Risikoerhöhung damit erklärt, dass der commettant "multiple Ies occasions de dommages". Dagegen wirft Radiere, Responsabilite civile, N r. 1470, die Frage auf, ob "est donc le risque cree par un maftre qui emploie un valet de chambre ou une cuisiniere ". V gl. dazu auch unten 3. Kap. § 1 B 111 I a. 42 Demogue, Obligations V, Nr. 919; Josserand, D.P. 1934, 1, 5 (8); Larroumet, D. 1988,513 (516); Planiol, Rev. crit. 1909, 299 ff.; Planiol/Esmein, Nr. 641; Savatier, Responsabilite civile, Nr. 284; Viney, D. 1994, 125 (128). Teilweise wird von einer theorie du risque-cree gesprochen, die auf das bloße Schaffen der Möglichkeit zu einer schädigenden Handlung durch das Beschäftigen des prepose und eine damit einhergehende Erhöhung des Schadensrisikos abstellt. Bertrand, Les aspects nouveaux, S. 192, schreibt zum Unterschied zwischen risque-profit und risque-cree, es seien lediglich "deux thermes d'une meme idee". 43 Rev. crit. 1909, 299. Ähnlich Demogue, Obligations V, Nr. 882: " ... le commettant qui a Ies profits doit avoir Ies mauvaises chances ". 35 36
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ist. 44 Entgegengehalten wurde den Risikotheorien aber ihre Widersprüchlichkeit im Hinblick auf die Tatsache, dass der commettant beim prepose grundsätzlich Rückgriff45 nehmen könne. 46 Letztlich fließen dann nämlich zwar dem commettant die Vorteile zu, das Risiko kann er aber theoretisch- sieht man von den praktischen Problemen ab, den Rückgriff zu verwirklichen47 - auf den prepose abwälzen. 48 Allerdings kann man dagegen wiederum einwenden, der commettant müsse das Risiko der Schädigung durch einen Gehilfen nur im Außenverhältnis tragen. 49 Eine Modifikation der Risikotheorie ist die theorie du risque d' entreprise, 50 mit der Viney~11 die Haftung erklärt: " [La regle de I' article 1384, alinea 5 Ce] le designe aI' actiondes victimes uniquement parce qu' il [le commettant] represente /' unite economique qu' il dirige. Ellen' a d' ailleurs pas pour objet de sanctionner un comportement personneI, mais a /afois de designer Ia personne chargee de prendre, pour /e compte de I' entreprise, /' assurance destinee a proteger les tiers et d' inciter /' entreprise e//e-meme a une action de prevention. ". 52
Danach ist der commettant nicht als Individuum, sondern als Unternehmensträger verantwortlich, weil er die Möglichkeit der Versicherung des Schadensrisikos und die Möglichkeit der Prävention hat.
c) L'autorite (risque-autorite) Als Unterfall der theorie du risque wird auch der Erklärungsversuch angesehen, 53 der commettant hafte, weil er die Möglichkeit habe, dem Gehilfen Weisungen zu erteilen; der prepose befinde sich dadurch in der "sphere d' autorite" des commettant (theorie du risque-autorite'). 54 Der commettant beherrsche das Risiko durch die Möglichkeit, auf den prepose einzuwirken. Dieser Ansatz ist aber - auch wenn die gemeinsame Basis das Risiko ist - etwas anders gelagert als die oben genannten Vgl. Rodiere, Responsabilite civile, Nr.l468. V gl. dazu unten 2. Kap. § 2 A V. 46 V gl. Benac-Schmidt!Larroumet, Dalloz, Responsabilite du fait d 'autrui, Nr. 63; Mazeaudl Chabas, Droit civil 11/1, Nr. 483-484; Rodiere, Responsabilite civile, Nr. 1470; Starck/Rolandl Boyer, Responsabilite delictuelle, Nr. 888. •1 V gl. dazu unten 2. Kap. § 2 A V. 48 Vgl. Starck!Roland!Boyer, Responsabilite delictuelle, Nr. 888. 49 Vgl. dazu auch unten 3.Kap. §2 H. 50 V gl. insbesondere Viney, Conditions de Ia responsabilite, Nr. 790, und D. 1994, 125 (128). Diese soll neben der Haftung für denfait d' autrui auch die Haftung gegenüber dem Arbeitnehmer bei Arbeitsunfällen erklären, vgl. Carbonnier, Droit Civil IV, Nr. 247. Ähnlich auch schon Gaudemet!Desbois, Theorie generale, Sec. III § 2 (S. 326). 51 Conditions de Ia responsabilite, Nr. 791-1. 52 Vgl. auch Viney, D. 1994, 125 (129). 53 Vgl. Starck!Roland/Boyer, Responsabilite delictuelle, Nr. 889. 54 Aubry!Rau, Reponsabilite, Nr. 103; vgl. auch Billiau, J.C.P. 2000, 11, 10295, Nr. l6. 44
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Modifikationen der theorie du risque. Hier stellt man letztlich auf ein konkret ursächliches Verhalten des commettant ab, nämlich auf das Unterlassen einer schadensverhindernden Einwirkung. Die Theorie vermag daher nicht zu erklären, warum auch der commettant haften soll, der seine Weisungen ohne jeglichen Fehler erteilt. 55 d) La theorie de Ia garantie/cautionnement legale Die theorie de La garantie 56 -begründet von Starck51 - beruht auf dem recht banalen Gedanken, dass das Recht den schützen müsse, dem ein anderer einen Schaden zufügt; 58 deshalb übernehme der commettant von Gesetzes wegen eine Garantie für die Tätigkeit des prepose. Damit deckt sich der Ansatz der theorie de La garantie nahezu 59 mit der Einschätzung, bei der Verantwortlichkeit des commettant handele es sich um eine cautionnement tegale, 60 dem Geschädigten einen Anspruch gegen einen zahlungsfähigen Schuldner an Stelle des in aller Regel nicht solventen prepose zu gewähren. Auch die Rechtsprechung 61 argumentiert häufig mit dem Schutz des Geschädigten vor der Insolvenz des prepose, ohne freilich den an dieser Stelle etwas problematischen vertragsrechtliehen Begriff des "cautionnement" heranzuziehen. Zugute gehalten wird dem Ansatz, dass er zwei charakteristische Phänomene der responsabilite du fait d' autrui erklären könne: zum einen, warum dem prepose grundsätzlich im Deliktsrecht keine Haftungsbefreiung verschafft wird, sondern der commettant beim prepose Rückgriff nehmen kann. Der commettant übernimmt nämlich hiernach nur die Garantie für eine Verbindlichkeit des prepose. Zum anderen könne man auf dieser Basis rechtfertigen, dass dem commettant keine Entlastungsmöglichkeit zugestanden werde, weil er ohnehin nur Garant für die Haftung des Verhaltens seines prepose sei. 62 Weder der Garantiegedanke noch der der cautionnement Legale erklären aber die Grundlagen der Haftung abschließend, denn offen bleibt die Frage, warum gerade der commettant diese Garantie oder Bürgschaft für die Solvenz des prepose überStarck/Roland/Boyer, Responsabilite delictuelle, Nr. 889. Ripert, La regle morale, Nr. 126; Starck/Roland/Boyer, Responsabilite delictuelle, Nr.893ff. 57 Theorie generale, S. 5 ff. 58 Benac-Schmidt/Larroumet, Dalloz, Responsabilite du fait d 'autrui, Nr. 66; Starck!Rolandl Boyer, Responsabilite delictuelle, Nr. 893 ff.; Le Tourneau/Cadiet, Droit de Ia responsabilite, Nr.6497. 59 Flour/Aubert, Obligations IIB, Nr. 206, halten die Ansätze nur für ähnlich, Starck/Roland/ Boyer, Responsabilite delictuelle, Nr. 892, halten sie dagegen für identisch. Diese Frage ist aber in der Sache wenig weiterführend. 60 Rodiere, Responsabilite civile, Nr. 1473; Terre/Simler!Lequette, Les obligations, Nr. 803. 61 Vgl. etwa Cass. civ.2•, 6.2.1974, D. 1974, 409; 20.10.1934, D.H. 1934,529. 62 Vgl. auch Flour/Aubert, Obligations IJB, Nr. 206. 55
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nehmen soll. Dietheorie de La garantieist "plus descriptive qu' explicative " 63 Teilweise wird auch von einer bloßen "regle d' equite" 64 gesprochen.
Starck/Roland/Boyer65 versuchen deshalb, die theorie de La garantieauf ein festeres Fundament zu stellen, indem sie die Garantieübernahme des commettant damit begründen, dass auch er- ebenso wie der prepose - selbst unmittelbarer Schädiger und die Verantwortlichkeit daher keine indirekte sei. 66 Begründet wird diese Ansicht mit einem Vergleich der Geschäftsherrnhaftung mit der Haftung für Sachen. Es soll danach keinen Unterschied machen, ob eine gefährliche Sache einen Schaden verursache oder ein Gehilfe, der letztlich nur eine "machine intelligente" sei. 67 Dieser Vergleich hinkt aber vor dem Hintergrund, dass der prepose selbst Zurechnungsobjekt und zunächst allein verantwortlich ist. Zudem hat er im Gegensatz zu einer Maschine einen eigenen Willen, und insofern kann dieser Ansatz schwerlich den Rahmen dafür vorgeben, dass der commettant nicht für jegliche Handlung seines prepose haftet. 68 e) Neuere Entwicklung Eine etwas veränderte Perspektive in der Diskussion um den Haftungsgrund hat sich durch eine Entscheidung der Chambre commerciale der Cour de cassation 69 von 1993 und eine Entscheidung der Assemblee pleniere der Cour de cassation 70 aus dem Jahr 2000 ergeben. Beide haben die direkte Inanspruchnahme eines prepose trotz Vorliegens seiner faute unter bestimmten Voraussetzungen verneint; damit ist wohl auch der Rückgriff des commettant in vielen Fällen abgeschnitten.71 Im Einzelnen sind die Auswirkungen auf die Diskussion um die dogmatischen Hintergründe des Art. 1384 al. 5 Ce aber noch nicht abzusehen. 72 Jedenfalls in den Fällen, in denen der commettant letztlich den Schaden trägt, scheidet damit jedoch der ErkläFlour/Aubert, Obligations IP, Nr. 206. So Starck/Roland/Boyer, Responsabilite delictuelle, Nr. 892 zur Idee des cautionnement legale. Vgl. auch Le Tourneau/Cadiet, Droit de Ia responsabilite, Nr. 6497 und Radiere, Responsabilite civile, Nr. l472, der zu Art.1384 al.5Cc schreibt: "L'utilite sociale est parfois Ia seule justification d'une regle de droit". In den Gesetzgebungsmaterialien ist von einer "responsablite morale" die Rede; vgl. Locre, La legislation, XIII, S. 61. Vgl. schließlich Flour, Les rapports de commettant aprepose, S. 63. 65 Starck/Roland!Boyer, Responsabilite delictuelle, Nr. 894f. 66 A. A. - vor dem Hintergrund, dass die unmittelbare Schadensursache die Tätigkeit des prepose ist und dass es für die Haftung nur auf seine faute ankommt - zu Recht die ganz überwiegende Meinung; vgl. nur Benac-Schmidt/Larroumet, Dalloz, Responsabilite du fait d'au63
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trui, Nr. 54.
Starck/Roland!Boyer, Responsabilite delictuelle, Nr. 894. V gl. dazu unten 2. Kap. § 2 A IV. 69 12.10.1993, D. 1994, 124. 70 25.2.2000, D. 2000, 675. 71 V gl. dazu im Einzelnen unten 2. Kap. § 2 A V. 72 Brun, D. 2000, 673, Nr. 7, spricht von einer Metamorphose des Art. 1384 al. 5 Ce. 67
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rungsansatz aus, der commettant übernehme lediglich eine vorläufige Garantie gegenüber dem Geschädigten. 73 Die theorie du risque dürfte hingegen bei einem Wegfallen der Rückgriffsmöglichkeit ein festeres Fundament erhalten.
II. Lien de preposition
Die Haftung für die unerlaubte Handlung eines anderen erfordert zunächst ein Iien de preposition14 zwischen unmittelbarem Schädiger und dem Haftenden. Die Cour de cassation 15 grenzte zunächst im 19. Jahrhundert folgendermaßen ab: " ... Ia responsabilite a laquelle cet article [Art.l384 al. 5 Ce] soumet les commettants ne depend pas seulement de ce qu' ils ont choisi leurs preposes, mais suppose, en outre, qu' ils ont le droit de leur donner des ordres et instructions sur Ia maniere de remplir Ies fonctions auxquelles ils {es emploient ... ".
Die Formel enthält zwei kumulative Kriterien: das droit de donner des ordresund die Möglichkeit des libre choix. 16 Das ursprünglich noch essentielle zweite Kriterium der freien Auswahl spielt dabei heute kaum mehr eine Rolle; es war zwingende Folge der Begründung der Haftung über eine culpa in eligendo. Solange man die Haftung auf diese Weise rechtfertigte, war sie notwendigerweise ausgeschlossen, wenn der commettant den prepose gar nicht oder nicht frei wählen konnte. Mit der Erkenntnis, dass die Haftung aus Art.1384 al. 5 Ce nicht auf einertaute des commettant beruht, war dieses Abgrenzungskriterium aber obsolet, 77 und die Cour de cassation 78 hat wohl 1881 erstmals ein Iien de preposition in einem Fall bejaht, in dem einem commettant die freie Auswahl des prepose nicht möglich war. 73 So haben es bislang die Chambres civiles und die Chambre criminelle der Cour de Cassation verstanden; vgl. etwa Cass. civ.2•, 28.10.1987, Bull. civ. 1987, II, Nr. 214; 6.2.1974, D. 1974, 409; Cass. crim., 19.10.1982, J.C.P. 1983, IV, 14; 13.3.1973, D. 1973, Inf.104. Nur wenn man die Garantie weiter versteht, nämlich als endgültige Garantie des Schadensausgleichs auch zugunsten des prepose,so Malaurie/Aynes, Droit civil VI, Nr.158,lässt sich die Entscheidung der Chambre commerciale mit der theorie de Ia garantie vereinbaren, vgl. Viney, D. 1994, 125. Das ist aber äußerst fraglich, weil die Regelung des Art. 1384 al. 5 Ce dem Geschädigten einen (zusätzlichen) Schuldner verschaffen und somit nur ihn schützen will; vgl. auch Le Tourneau/Cadiet, Droit de la responsabilite, Nr. 6497. 74 V gl. zur Teminologie oben 2. Kap. § 2 AI 1. 75 Cass. crim., 20.8.1847, S.l847, 855. 76 Das Kriterium der freien Auswahl geht ursprünglich zurück auf Pothier, Obligations Nr.l21, der scheibt: " ... cequi a ete etabli pour rendre les maltresattentifsa ne se servirque de bons domestiques. "; ausführlich zu diesem Merkmal Mazeaud/Tunc, Responsabilire, Nr. 878 ff. 77 Mazeaud/Chabas, Droit civil Il/1, Nr. 477; Terre/Simler/Lequette, Les obligations, Nr. 792. Freilich kann die freie Auswahl nach wie vor eine Rolle für die Feststellung eines Iien de preposition spielen, vgl. etwa Trib. civ. Seine, 14.5.1949, D. 1949, 374 (Gepäckträger als prepose der französischen Bahngesellschaft S. N. C. F.); dazu auch Mazeaud/Tunc, Responsabilite, Nr. 881. 78 Cass. req., 16.3.1881, D.P. 1881, 1, 194.
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1. La subordination juridique Demgegenüber hat sich das erste Merkmal der zitierten Formel von 1847 als Abgrenzungskriterium erhalten und durchgesetzt, das droit de donner des ordres. Dieses begründet nach Auffassung der Cour de cassation 79 " ••• 1' autorite et Ia Subordination sans /esquelles il n' existe pas de veritable commettant". Die ständige Rechtsprechung definiert die Subordination nach wie vor über das Weisungsrecht; 80 teilweise werden die Voraussetzungen etwas modifiziert und präzisiert. Die Cour de cassation 81 spricht teilweise vom Erfordernis eines "pouvoir de surveillance, de direction et de controle ", der commettant muss "fixer le but a atteindre" und "determiner /es moyens aemployer" 82 Wohl noch etwas strenger verstehen Mazeaud/Chabas 83 die Unterordnung als "dependance totale dans /e domaine de lafonction exercee". Bei der Unterordnung unter das Weisungsrecht handelt es sich um eine subordination juridique, 84 nicht um eine Subordination economique et socia/e, wie dies früher teilweise angenommen wurde.85 Dem Weisungsrecht steht es - wie auch im deutschen Recht86 - nicht entgegen, wenn der commettant aufgrund der Professionalisierung des prepose nicht in der Lage ist, diesem detaillierte technische Weisungen zu geben. 87 Dennoch hält die Rechtsprechung im Bereich der Krankenhaushaftung noch - von der Literatur seit langem kritisiert88 - teilweise daran fest, dass Ärzte nicht preposes eines Krankenhauses 89 sein können.90 Begründet wird dieser 79 So Cass. civ., 30.4.1947, D. 1947, 305; 4.5.1937, S.1937, 1, 247; 15.6.1926, D.H. 1926, 404; 8.3.1922, D.P. 1925, 1, 134. 80 Vgl. Cass. civ. 2•, 12.1.1977, Bull. civ. 1977, li, Nr. 9; 9.11.1967, Bull. civ. 1967, li, Nr.321; Cass. crim., 15.2.1972, D. 1972, 368; 22.3.1988, J.C.P. 1988, IV, 202; 25.5.1971, Gaz. Pal.1971, 2, Somrn. l17. 8t Cass. civ.1"', 19.12.1972, Bull. civ. 1972, I, Nr.297. 82 Flour!Aubert, Obligations II 8, Nr. 209. 83 Droit civil 11/1, Nr. 478. 84 Vgl. Carbonnier, Droit Civil IV, Nr.243. 85 So aber Savatier, D.P. 1923, 1, 5. Zum einen wird jedoch diese Unterordnung für die Abgrenzung als zu vage angesehen, vgl. Mazeaud!Tunc, Responsabilite, Nr. 884, zum anderen will man die Haftung nicht auf Falle des Arbeitsvertrages beschränken, dazu sogleich, 2. Kap. § 2 AII2. Vgl. auch Carbonnier, Droit civil IV, Nr. 243; Malaurie!Aynes, Droit civil VI, Nr. 159; Rodiere, Responsabilite civil, Nr. 1476. 86 Vgl. oben 2. Kap. § 1 A2. 87 Cass. civ.2•, 11.10.1989, Bull. civ. 1989, li, Nr.175; Cass. crim., 20.6.1924, D.P. 1925, 1, 93; Dijon, 9.2.1932, Rec. Dijon et Nancy, 1932, 31 ff.; 20.7.1927, D.P. 1928, 2, 13; Le Tourneau!Cadiet, Droit de Ia responsabilite, Nr. 6504. Anders aber Cass. crim., 28.6.1934, Gaz. Pal.1934, 2, 316 (317). 88 Benac-Schmidt!Larroumet, Dalloz, Responsabilite du fait d'autrui, Nr. 114; Savatier, Responsabilite civile, Nr. 300. 89 Eine Rolle spielt diese Problematik nur bei privaten Kliniken. Öffentlich-rechtliche Krankenhäuser haften nach dem Verwaltungsrecht; vgl. dazu Le Tourneau!Cadiet, Droit de la responsabilite, Nr. 3483.
§ 2 Das französische Recht
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Standpunkt damit, dass den Organen des Krankenhausträgers regelmäßig die Fachkenntnisse fehlen, um dem Arzt fachliche Weisungen zu geben. 91 Die Chambre criminelle92 der Cour de cassation hat allerdings inzwischen eine andere Richtung eingeschlagen und zunächst eine Hebamme93 sowie Anfang der 90er Jahre auch einen Anästhesisten 94 als preposes angesehen, wohingegen die Cour d' appel de Paris 95 noch 1997 etwa die Haftung für eine Hebamme verneint hat wegen des "caractere liberal des activites exercees par Ia sage-femme ". Unproblematisch liegt ein Subordinationsverhältnis regelmäßig - und das ist auch der Hauptanwendungsfall des Art. 1384 al. 5 Ce -bei einem contrat de travail vor. 96 Auch ein contrat de mandatkann im Einzelfall ein Iien de preposition begründen. 97 Wenn auch das Vorliegen vertraglicher Vereinbarungen die Charakterisierung des Verhältnisses zwischen Geschäftsherrn und Hilfsperson vereinfacht, ist doch weder die Zahlung einer remuneration erforderlich, 98 noch ein Vertragsverhältnis überhaupt; es genügt vielmehr, dass tatsächlich ein Subordinationsverhältnis vorliegt. Auch im privaten Lebensbereich,99 durch rapport de complaisance oder durch einen nichtigen Vertrag 100 kann ein Iien de preposition begründet werden. Wichtigste Fälle sind hier Tätigkeiten für Familienmitglieder oder Freunde. 101 Voraussetzung 90 Cass. req., 21.7.1947, D. 1947, 486; Paris, 20.4.1953, J.C.P. 1953, II, 7663. Unstrittig anerkannt ist lediglich, dass Ärzte preposes übergeordneter Fachärzte sein können, Paris, a.a.O. 91 Flour!Aubert, Obligations IP, Nr. 209. 92 Die Strafkammer kann im Rahmen des Adhäsionsprozesses (Art. 2 ff. Code de la procedure penale) über Schadensersatzansprüche gegen einen Straftäter entscheiden. 93 Cass. crim., 13.12.1983, D. 1984, Inf.459. 94 Cass. crim., 5.3.1992, J.C.P. 1993, II, 22013. Die Kammer führt aus: "L'independance professionneUe dont jouit le medecin dans l' exercice meme de son art n' est pas incompatible avec l' etat de Subordination ... " . Chabas, J.C.P. 1993, II, 22013, bemerkt ZU diesem Satz und den Folgerungen, den die Chambre criminelle daraus zieht: "La musique est connue. Maiselle detonne ici comme si le quatre notes finales du Requiem de Verdi retentissaient soudain au beau milieu de Ia symphonie Prague." 95 24.10.1997, Gaz. Pal.1998, l, 166. 96 Vgl. Benac-Schmidt/Larroumet, Dalloz, Responsabilite du fait d'autrui, Nr. 106; Starck/ Roland/Boyer, Responsabilite delictuelle, Nr. 902; Rives-Lange, J.C.P. 1970, I, 2309, Nr. 6. 97 Cass. civ. 1re, 27.5.1986, Bull. civ. 1986, I, Nr.134. Vgl. auch Cass. civ., 4.12.1945, J.C.P. 1946, li, 3110. 98 Vgl. Mazeaud/Tunc, Responsabilite, Nr. 875 f. 99 Dass von Art. 1384 al. 5 Ce nicht nur die Haftung von Unternehmern gemeint ist, ergibt sich nicht zuletzt aus der ausdrücklichen Einbeziehung der maltres; vgl. dazu Kauffmann, Gehilfenhaftung, 2. Teil 112 (S.41). 10o Mazeaud!Tunc, Responsabilite, Nr. 889. 101 So musste etwa der Eigentümer eines Autos als commettant für einen Schaden haften, den sein Sohn mit dem Fahrzeug verursachte, Paris, 14.3.1930, J.C.P. 1930, II, 743. Ebenso wie im Verhältnis zwischen Eltern und Kindern, vgl. auch Paris, 8.10.1970, Gaz. Pal.1971, 1, 13, verhält es sich bei Tätigkeiten für einen Ehegatten, vgl. Cass. civ.1'", 17.7.1979, D. 1980, Inf. 114, einen Freund, vgl. Cass. civ. 1'", 26.1.1971, Bull. civ. 1971, I, Nr. 29, oder für Geschwister, vgl. Paris, 22.3.1932, D.H. 1932, 305f.
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ist immer, dass zu einer eventuell bestehenden autorite generale-wie sie etwa zwischen Eltern und ihren Kindem besteht - die konkrete Weisungsmöglichkeit hinsichtlich einer besonderen, für den commettant ausgeübten Tätigkeit hinzukommt. 102 Man spricht in diesen Fällen von einem prepose occasionnel 103 oder prepose de facto. 104 Wegen der Unabhängigkeit der Unterordnung von einer rechtlich begründeten Weisungsbefugnis, ist nicht von einem "droit de donner des ordres", sondern von einem "pouvoir de donner des ordres" zu sprechen. 105 Der commettant muss außerdem auf die tatsächliche Ausführung keinen Einfluss gehabt haben, nicht einmal ist die physische Anwesenheit erforderlich, 106 die tatsächliche Weisungsmöglichkeit genügt. 107 Das weitgehend unbestrittene Merkmal der Subordination genügt nicht in allen Fällen, um das Iien de preposition zu begründen, etwa wenn in Frage steht, ob ein Kind prepose seiner Eltern ist. 108 Es liegt nämlich auf der Hand, dass prepose nur ist, wer auchjUr den commettant gehandelt hat. Die Cour de cassation 109 beschreibt dieses Erfordernis in der zitierten Formel damit, dass der prepose Funktionen für den commettant wahrgenommen haben muss. Freilich spielt diese dem Art. 1384 al. 5 Ce entnommene Voraussetzung in erster Linie eine Rolle für die Frage, ob der prepose "dans l' exercice de ses fonctions" gehandelt hat. Dass überhaupt Aufgaben für den commettant ausgeübt werden, ist aber schon notwendige Voraussetzung des Iien de preposition. 110 Zur Präzisierung dieses Erfordernisses fordert die neuere Rechtsprechung111 etwa, der prepose müsse "pour le compte de son commettant" tätig geworden sein; teilweise wird auch nach dem profit personnel des commettant 112 abgegrenzt. Nicht entscheidend kann aber jedenfalls sein, ob der commettant wirtschaftlich Vorteile zieht. 113 Vgl. etwa Savatier, Responsabilite civile, Nr. 293. Vgl. etwa Flour!Aubert, Obligations 118, Nr. 210. 104 Vgl. Starck/Roland!Boyer, Responsabilite delictuelle, Nr. 904. 105 Diese Differenzierung geht wohl ursprünglich auf Mazeaud!Tunc, Responsabilite civile, Nr. 889, zurück. In diese Richtung auch Cass. crim., 7.11.1968, D. 1969, Somm.34; Radiere, Responsabilite civile, Nr.1477; Viney, J.C.P. 1993, II, 22013. 106 Cass. civ., 4.5.1937, J.C.P. 1937, II, 404; Le Tourneau!Cadiet, Droit de Ia responsabilite, Nr.3508. 107 Cass. com., 26.1.1976, D. 1976, 449; Starck!Roland!Boyer, Responsabilite de1ictuelle, Nr.900. 108 Vgl. auch Starck/Roland!Boyer, Responsabilite delictuelle, Nr. 906. 109 Cass. crim., 20.8.1847, S. 1847, 855. 110 Vgl. Mazeaud!Tunc, Responsabilite, Nr. 890. 111 Vgl. Cass. civ.2•, 7.12.1983, Bull. civ. 1983, II, Nr.195. 112 Cass. civ., 30.4.1947, J.C.P. 1947, II, 3628; vgl. auch v.Luttitz, Haftung für selbständige Unternehmer, 2. Kap. DIX2 (S.142f.); Savatier, Responsabilite civile, Nr.293. 113 Cass. civ.2•, 17.12.1964,J.C.P.1965,11, 14125. Vgl.auchAubry/Rau,Responsabilitedelictuelle, Nr. 104. 102
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2. Selbständige Unternehmer Kein Unterordnungsverhältnis liegt grundsätzlich auch im französischen Recht bei einem contrat d' entreprise vor, der mit einem selbständigen Unternehmer geschlossen wird. 114 Zwar bestellt der Auftraggeber die Tätigkeit, gibt Instruktionen und bestimmt das Ziel der Arbeit, aber " ... il n' avait pas Ia mission de donner des ordres a I' entrepreneur sur le mode d' execution desdits travaux"; 115 der entrepreneurist "libre quant au choix des moyens " 116 und "reuvre ases risques et perils" 117• Wie im deutschen Recht werden Ausnahmen zugelassen. 118 So war etwa ein Auftraggeber für einen nach Stunden bezahlten selbständigen Handwerker, dem das Arbeitsmaterial gestellt wurde, verantwortlich. 119 Auf der anderen Seite wurde ausnahmsweise ein Arbeitnehmer, der sehr unabhängig arbeitete, nicht als prepose angesehen. 120 Auch im französischen Recht hat demnach die Einordnung des Verhältnisses zwischen commettant und prepose als Arbeits-, Dienst- oder Werkvertrag nur eine- wenn auch starke - Indizwirkung.
3. Mehrheit von commettants oder preposes a) Pluralite de commettants Auch die französische Rechtsprechung hatte sich mit der Frage zu beschäftigen, wer für die Tat eines prepose haftet, der zum Zeitpunkt der Schädigung für einen temporären Arbeitgeber tätig war. Grundsätzlich wird mit Hilfe der allgemeinen Kriterien abgegrenzt, nämlich nach der Weisungsmöglichkeit Die Haftung hängt davon ab, ob der pouvoir de donner des ordresvom commettant habituel auf den commettant occasionnel übergegangen ist 121 und wer demzufolge im Moment der Schadenszufügung die autorite effective über den prepose hatte. 122 Der Beweis des Übergangs der autorite obliegt dem commettant 114 Cass. civ. 2•, 15.1.1954, D. 1954, 169; Cass. civ. 3•, 8.3.1989, Resp. civ. et ass. 1989, Comm.178; Cass. crim., 28.6.1934, S.1934, 1, 316; 25.6.1932, Gaz. Pal.1932, 2, 462 (463). 11 s Cass. crim., 20.8.1847, S.1847, 855. 116 Starck/Roland/Boyer, Responsabilite delictuelle, Nr. 902. 117 Le Tourneau!Cadiet, Droit de Ia responsabilite, Nr. 6517. 118 Vgl. Cass. civ.2•, 11.12.1996, Resp. civ. et. ass. 1997, Comm.84; Cass. crim., 22.3.1988, J.C.P. 1988, IV, 202. 11 9 So in der Entscheidung Cass. civ. 1"', 7.6.1977, D. 1977, Inf.454. 120 Vgl. Cass. civ.l "', 30.10.1995, D. 1995, Inf.276. 12 1 Cass. civ. 2•, 26.2.1959, D. 1959, 298; Cass. crim., 29.11.1973, D. 1974, Inf. 23. 122 Vgl. Terre!Simler!Lequette, Les obligations, Nr. 793. Fehlt eine ausdrückliche Vereinbarung, wird auf Faktoren wie die Dauer des "Entleihens" oder die technische Kompetenz des zeitweiligen commettant abgestellt, vgl. Terre!Simler!Lequette, Les obligations, Nr. 793.
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habituel. 123 In vielen- wohl den meisten 124 - Fällen ist der Übergang verneint worden; 125 die französische Rechtsprechung hat ihn aber auch vereinzelt zugelassen. 126 Namentlich in den Fällen des Arbeitnehmerverleihs durch ein entreprise de travail temporaire ist der Arbeitnehmer oft so weit in den Betrieb des commettant occasionnel integriert, dass von einem Übergang der Verantwortlichkeit auszugehen ist. 127
Denkbar ist auch, dass zwei commettants kumulativ zu Weisungen berechtigt sind. Beide sind dann in solidum 128 verantwortlich. 129 Wie im deutschen Recht 130 ist aber auch die Möglichkeit anerkannt worden, dass für einen "entliehenen" Arbeitnehmer commettant habituel und commettant occasionne/ alternativ verantwortlich sind, je nachdem, wer von beiden in dem schadensauslösenden Funktionsbereich die Möglichkeit hatte, Weisungen zu geben. 131 So hat etwa die Cour d' appel de Paris132 eine Trennung nach Aufgabenbereichen vorgenommen und entschieden, dass der permanente Arbeitgeber eines Lastwagenfahrers verantwortlich ist für Fehler in dessen Fahrweise, der temporäre für Fehler bei Seladung sowie Fahrt- und Routenplanung. 133 b) Sous-preposes Der commettant haftet auch für Gehilfen, die sein prepose seinerseits für die Erfüllung der ihm obliegenden Aufgaben heranzieht, wenn die Delegation erlaubt 123 Cass. civ. 2•, 19.11.1998, Gaz. Pal.1999, 1, Pan.43; 17.12.1964, J.C.P. 1965,11, 14125; Cass. crim., 17.1.1956, Bull. crim. 1956, Nr. 67. 124 So Viney, Conditions de Ia responsabilite, Nr. 793. 125 Vgl. Cass.civ.2•,17.12.1964,J.C.P.1965,11,14125; Cass.com.,16.6.1966,J.C.P. 1968,11, 15330; 18.6.1969,Bull. civ. 1969,IV,Nr.233; Cass. soc., 30.l.l985,Rev. trim. dr.civ. 1986,133. 126 Vgl nur Cass. civ.1"', 18.l.l989, Bull. civ. 1989, I, Nr. 33; Cass. civ. 2•, 27.10.1965, Bull. civ. 1965, ll, Nr. 797; Cass. civ., 30.12.1931, S.1932, 1, 62. 127 Viney, Conditions de Ia responsabilite, Nr. 793. 128 Bei der Haftung in solidum handelt es sich nicht um ein echtes Gesamtschuldverhältnis nach Art.1200Cc, das nach Art.1202Cc der vertraglichen Vereinbarung oder der gesetzlichen Anordnung bedarf; die obligation in solidum wurdeangesichtseines im Deliktsrecht fehlenden Verweises auf die Art. 1200 ff. Ce nur in Anlehnung an die Gesamtschuld entwickelt; der Rückgriff ergibt sich, indem der Zahlende nach Art. 1251 al. 3 Ce in die Stellung des Geschädigten subregiert wird; vgl. dazu v. Caemmerer, ZtRV 9 (1968), 81 (88f.). 129 Orleans, 21.4.1986, Gaz. Pal.1986, 2, 628. 13o Vgl. oben 2.Kap. § 1 All3. 131 Kritisch Viney, Conditions de Ia responsabilite, Nr. 793: " Mais on arrive ainsi a des so-
lutions d' une complexite et d' une imprecision qui nous semblent excessives ". 132 1.12.1977, Gaz. Pa1.1978, 1, 301 ; 25.2.1977, Gaz. Pal.1977, 2, Somm. 274. Vgl. auch Cass civ. 2•, 20.7.1955, J.C.P. 1956, II, 9052; Cass. com., 26.I.I976, D. 1976, 449; Douai, 21.3.1985, Gaz. Pa1.1985, 2, Somm.402. 133 Diese Aufteilung in Funktionsbereiche ist von der Cour de cassation vor allem im Bereich der Krankenhaushaftung herangezogen worden: Krankenpfleger wurden für die Dauer einer Operation als preposes des operierenden Chirurgen angesehen; Cass. civ. 1"', 15 .1I.I955, D. 1956, 113; Cass. civ. 2•, 15.3.1976, Bull. civ. 1976, II, Nr. 100.
§ 2 Das französische Recht
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war. 134 Die Haftung für sous-preposes ergibt sich schon daraus, dass der commettant auch diesen Weisungen über den prepose geben kann. 135 Es bedarf daher nicht der zweifelhaften Begründung über ein Lien de preposition zwischen prepose und sous-prepose. 136 Ein solches sehen Mazeaud/Tunc 131 beim Einschalten eines Zwischengehilfen als gegeben an: "ll est certain que le prepose repond de ses sous-preposes en qualite de commettant" 138 Das lässt sich angesichts der genannten Voraussetzungen der Geschäftsherrnhaftung nur schwer vertreten: der sous-prepose handelt weder im Interesse noch auf Rechnung des prepose. 139
111. Le fait dommageable de prepose
Anknüpfungspunkt der Haftung ist das Handeln des prepose. Art. 1384 al. 5 Ce spricht von der Verantwortlichkeit der commettants für den "dommage cause par leurs domestiques et preposes". Auch wenn die Norm die Voraussetzung des fait fautif seitens des prepose nicht ausdrücklich nennt, ist ihre Notwendigkeit doch evident und seit einer Entscheidung der Chambre des requetes der Cour de cassation 140 aus dem Jahr 1866 weitgehend anerkannt. 141 Im unproblematischen Regelfall wird der prepose eine unerlaubte Handlung nach der großen deliktischen Generalklausel des Art. 1382 Ce begangen haben. 142 Zwei Problembereiche haben aber dennoch dazu geführt, dass das Erfordernis des fait fautif des prepose zunehmend bestritten wird: zum einen die Haftung für einen prepose, der nur einen Gefährdungstatbestand verwirklicht hat, zum anderen die Haftung für einen geisteskranken Gehilfen (prepose aliene). 134 Cass. req., 5.11.1855, D.P. 1856, 1, 353; Benac-Schmidt/Larroumet, Dalloz, Responsabilite du fait d 'autrui, Nr. 90; Demogue, Obligations V, Nr. 892; Mazeaud/Tunc, Responsabilite, Nr.890-2. m Anders ist es freilich, wenn der commettant keine Kenntnis von der Einschaltung des sous-prepose hatte; dann handelt der prepose außerhalb seines Funktionsbereichs, Savatier, Responsabilite civile, Nr.307, und haftet seinerseits, vgl. Kauffmann, Gehilfenhaftung, 2. Teil II 2 (S. 44 f.). Allerdings ist auch hier nicht ganz unzweifelhaft, dass ein Iien de preposition vorliegt; regelmäßig wird aber der prepose selbst fautif gehandelt haben, so dass er nach Art. 1382Cc persönlich haftet. 136 So auch Benac-Schmidt/Larroumet, Dalloz, Responsabilite du fait d'autrui, Nr. 90. 137 Responsabilite, Nr. 890-2. 138 Ähnlich Viney, Conditions de Ia responsabilite, Nr. 793. 139 Vgl. auch Savatier, Responsabilite civile, Nr.307. 140 19.2.1866, S.1866, 1, 214. Danach hat derGeschädigte zu beweisen, " ... que lefait dommageable a ete le resultat d'unefaute commis par le prepose du commettant". Vgl. auch Cass. civ. 2•, 8.10.1969, Bull. civ. 1969, II, Nr. 269: "La responsabilite civile du commettant ne peut etre engagee qu' en cas de faute du prepose. ". 141 Cass. civ.2•, 25.6.1981 , Gaz. Pal.l982, 1, Pan.22; 8.10.1969, Bull. civ. 1969, II, Nr.269; Flour/Aubert, Obligations 1J8, Nr. 212; Terre/Simler/Lequette, Les obligations, Nr. 795. 142 Dessen Voraussetzungen müssen beim prepose vollständig erfüllt sein und sind vom Geschädigten zu beweisen, vgl. Mazeaud/Tunc, Responsabilite, Nr. 916.
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2. Kap.: Die Haftung für Hilfspersonen im Europa der Gegenwart
1. Prepose gardien Die erstgenannte Problematik taucht namentlich auf, wenn der prepose nichtfautif gehandelt hat und selbst nur als Sachhalter nach Art. 1384 al. 1 Ce verantwortlich ist. So stellt sich etwa die Frage, ob der commettant für den Schaden haftet, den der prepose ohne faute mit einem Fahrzeug verursacht. Unproblematisch ist das der Fall, wenn es sich um ein Fahrzeug des commettant handelt, dann ist dieser selbst gardien und haftet direkt nach Art.1384 al.1 Ce, 143 da er durch das Weisungsrecht über den prepose die Eigenschaft als Sachhalter nicht verliert. 144 Die Haftung des commettant nach Art. 1384 al. 5 Ce wird dagegen abgelehnt. 145 Schwieriger wird es aber, wenn es sich um ein Fahrzeug eines Dritten oder sogar des prepose selbst handelt. Nach der überwiegenden Auffassung lassen sich Gehilfen- und Haltereigenschaft auch dann nicht miteinander vereinbaren. 146 Die Cour de cassation 147 führt aus: " ... les qualites de prepose et de gardien etant incompatibles, le commettant devient gardien de Ia chose appartenant au prepose quand celui-ci l' utilise dans l' interet du commettant pour accomplir Ia mission qui lui est conjiee par ce dernier."
Wer gardien ist, bestimmt sich danach, wer im Moment der Schadensverursachung ein "pouvoir d' usage, contro/e et direction" über eine Sache hat, 148 wobei mit "pouvoir d' usage" die Gebrauchsmöglichkeit im eigenen Interesse gemeint ist. 149 Diegarde setzt somit die "autonomie du gardien" voraus. 150 Soweit der prepose das nicht dem commettant gehörende Fahrzeug auf Weisung und für den commettant einsetzt, ist gardien in diesem Sinne der Letztere. 151 Auch hier ergibt sich somit die Haftung des commettant unmittelbar aus Art. 1384 al. 1 Ce.
2. Prepose aliene Vor der Einführung des Art. 489-2 Ce 152 waren Geisteskranke (a/ienes) mangels faute nicht für die von ihnen verursachten Schäden verantwortlich; es war demnach Mazeaud/Tunc, Responsabilite, Nr. 866; Cass. civ., 6.6.1952, Gaz. Pal.1952, 2, 183. Cass. civ.2•, 31.10.1956, J.C.P. 1956, IV, 167; Cass. civ., 6.6.1952, Gaz. Pal.1952, 2, 183. 145 Cass. civ. 2•, 9.11.1960, D. 1961, Somm.27; 17.3.1960, Gaz. Pal.l960, 2, 57; 11.5.1956, D. 1957, 121. 146 Rodiere, Responsabilite civile, Nr.1483; Le Tourneau!Cadiet, Droit de Ia responsabilite, Nr. 6521; so auch v. Bar, Gemeineuropäisches De1iktsrecht, Rn. 195. 147 Cass. civ. 3•, 24.1.1973, Bull. civ. 1973, III, Nr. 72. Vgl. auch Cass. civ. 2•, 1.4.1998, Resp. civ. et ass. 1998, Comm. 223; 17.3.1960, Gaz. Pal. 1960, 2, 57. 148 Cass. eh. reun., 2.12.1941, J.C.P. 1942, II, 1766; Cass. civ. 2•, 23.11.1961, D. 1962, Somm.85. 149 Le Tourneau!Cadiet, Droit de Ia responsabilite, Nr. 6842. 15 Cass. civ. 3•, 20.10.1971, D. 1972,414. 151 Vgl. etwa Cass. civ. 2•, 11.10.1989, Bull. civ. 1989, II, Nr. 175; Aubry!Rau, Responsabilite de1ictuelle, Nr. 103 Fn. 61 . 152 Durch Gesetz vom 3.1.1968, D. 1968, Leg. 74: "Celui qui a cause un dommage aautrui a[ors qu' j[ etait SOUS[' empire d' un troub[e mental, n' est pas moins oblige Q reparation." 143
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§ 2 Das französische Recht
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nahezu unbestritten, dass auch der commettant nicht für die Tat eines geisteskranken prepose nach Art. 1384 al. 5 Ce haften konnte. 153 In vielen Fällen wird jedoch eine zur Haftung aus Art. 1382 Ce führende eigene faute des commettant vorgelegen haben, der einen geisteskranken prepose (weiterhin) beschäftigt hat. 154 Mit Einführung der genannten Norm hat sich der Gesetzgeber aber für die Verantwortlichkeit der Geisteskranken entschieden. Soweit der aliene haftet, ist auch der commettant für dessen Tat verantwortlich. 155
3. Genereller Verzicht auf die faute des prepose? Einige Autoren 156 halten als Konsequenz aus Art. 489-2 Ce die faute des prepose nun grundsätzlich für nicht mehr erforderlich oder sogar für "contraire au texte de I' article 1384 alinea5 [Ce]". 157 Starck/Roland/Boyer 158 schreiben: ,.Si le commettant repond des actes dommageables commis par un aliene, quelle banne raison invoquerait-on pour qu' il ne repond pas des dommages identiques causes par un prepose lucide, alors meme que safaute n' a pas pu etre erabli?".
Ob sich aus der Regelung des Art. 489-2 Ce ableiten lässt, dass die faute des prepose nicht Voraussetzung der Haftung nach Art. 1384 al. 5 Ce ist, hängt davon ab, wie man die faute im Hinblick auf Art. 489-2 Ce versteht. 159 Sieht man die Vorschrift- wie dies wohl die Cour d' appel de Paris 160 tut- als Haftung des Geisteskrankentrotz fehlendertaute an, so kann sich daraus, dass der commettant dennoch haftet, ergeben, dass die faute nicht mehr Voraussetzung der Haftung für den fait d' autrui ist. Wenn man die Norm aber so versteht, dass auch Geisteskranke fautif handeln können- so die deuxieme Chambre civil der Cour de cassation 161 -,ergibt sich aus der Haftung des commettant für diesen eine Bestätigung des Prinzips, dass der commettant bei einemfairfautif des prepose haftet. Diese Frage hängt wiederum 133 Cass. civ.2•, 15.3.1956, J.C.P. 1956, II, 9297. A.A. Esmein, J.C.P. 1956, Il, 9297, der mit der Vergleichbarkeit mit der Haftung für Schädigungen durch Sachen argumentiert; vgl. zu dieser angeblichen Parallele auch oben 2. Kap. § 2 AI 4 d. 154 Vgl. Flour/Aubert, Obligations IJS, Nr. 212, Fn. 3; Starck/Roland/Boyer, Responsabilite delictuelle, Nr. 932. 133 Cass. civ.2•, 9.5.1990, Gaz. Pal.l990, 2, Pan.l91; 3.3.1977, D. 1977, SOl ; Carbonnier, Droit civil IV, Nr. 243; Jourdain, Rev. trim. dr. civ. 89 (1990), 666 (667 f.). 156 Benac-Schmidt/Larroumet, Dalloz, Responsabilite du fait d'autrui, Nr. 131; Larroumet, D. 1977, SOl (502); Starck/Roland/Boyer, Responsabilite delictuelle, Nr. 927; Viney, Conditions de la responsabilite, Nr. 807. 157 Starck/Roland/Boyer, Responsabilite delictuelle, Nr. 927. 138 Responsabilite delictuelle, Nr. 934. 159 Benac-Schmidt/Larroumet, Dalloz, Responsabilite du fait d'autrui, Nr. 128. Zum Verständnis derfaute nach Einführung des Art. 489-2 Ce ausführlich Mazeaud, D. 1985, Chron. 13, und Le Tourneau, J.C.P. 1991, I, 240. 160 6.3.1980, J.C.P. 1981, II, 14544. 16 1 24.6.1987, Bull. civ. 1987, II, Nr.137.
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2. Kap.: Die Haftung für Hilfspersonen im Europa der Gegenwart
davon ab, ob man - was schon vor Einführung des Art. 489-2 Ce hoch umstritten war - die Zurechnungsfabigkeit als notwendiges Element der faute betrachtet. 162 Im Ergebnis macht jedenfalls die grundsätzliche Einstandspflicht ohne faute des prepose keinen Sinn: Warum soll der commettant für die Tat des schuldfabigen prepose haften, der einen Schaden ohne faute verursacht, wenn er selbst- etwa in den Fällen höherer Gewalt 163 - bei exakt derselben Tatbegehung nicht nach Art. 1382 Ce haften würde? Der Einwand, der commettant hafte dann für die Tat eines Geisteskranken, nicht aber für die identische Tat eines Gesunden, überzeugt nicht: Art. 489-2 Ce begründet die Verantwortlichkeit des aliene nach den anerkannten Tatbeständen des Deliktsrechts, insbesondere nach Art. 1382 Ce, 164 und begründet keine eigene Haftung. Daraus folgt, dass auch beim Geisteskranken die sonstigen Voraussetzungen der faute vorliegen müssen, 165 dass er also beispielsweise nicht haftet in Fällen der höheren Gewalt; 166 es entsteht also auch kein Widerspruch zwischen der Haftung für Gesunde und geistig Kranke. Art. 489-2 Ce stellt lediglich fest, dass die Geisteskrankheit als solche der Haftung nicht entgegensteht, dass also eine Zurechnungsfabigkeit nicht vorausgesetzt ist. Der fait fautif des prepose ist also weiterhin grundsätzlich Erfordernis der Haftung, im Fall des Art. 489-2 Ce steht die Geisteskrankheit der Annahme der faute nicht entgegen. IV. L'exercice des fonctions
Die commettants haften für Schäden, die ihre preposes "dans les fonctions auxquelles ils /es ont employes" verursachen. Die Bestimmung der Grenzen des erforderlichen Zusammenhangs zwischen Iien de preposition undfair dommageable des prepose ist die seit Jahrzehnten wohl umstrittenste Problematik der Geschäftsherrnhaftung nach Art. 1384 al. 5 Ce. I. Funktionsbereich des prepose Die Haftung für den prepose ergibt sich aus der Unterordnung; 167 der Gehilfe ist aber nicht in jedem Lebensbereich dem commettant untergeordnet; Letzterer darf deshalb grundsätzlich nicht haften, wenn die Schadenszufügung dehors de foncVgl. dazu Ferid/Sonnenberger, Das Französische Zivilrecht II, 2 0154. V gl. dazu Le Tourneau/Cadiet, Droit de Ia responsabilite, Nr. 6521. 164 Cass. civ. 2•, 24.6.1987, Bull. civ. 1987, II, Nr.l37; 4.5.1977, D. 1978, 393. 16s Cass. civ. 2•, 24.6.1987, Bull. civ. 1987, II, Nr.l37. 166 Die gegenteilige Ansicht, vgl. Paris, 6.3.1980, J.C.P. 1981, II, 19544, dadurch, dass jemand geisteskrank sei, hafte er in jedem Fall, ist äußerst zweifelhaft. Dem steht auch der Wortlaut des Art. 489-2 Ce entgegen, der davon spricht, der Geisteskranke sei " n' en est pas moins" verantwortlich. 167 V gl. dazu oben 2. Kap. § 2 A 111 . 162 163
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tions 168 des prepose liegt. Indizien dafür sind objektive Kriterien wie Arbeitszeit, Arbeitsort, vom commettant überlassene Arbeitsmittel und subjektiv das Handeln nach einer Weisung und im Interesse des commettant. 169 Der commettant haftet jedenfalls, wenn der Schaden bei einer von ihm autorisierten Handlung in seinem Interesse verursacht wird. Geht sogar die konkrete schädigende Handlung selbst auf eine Weisung des commettant zurück, so ist er auch wegen eigener faute nach Art. 1382 Ce verantwortlich. 170 Für eine unerlaubte Handlung des prepose, außerhalb seiner Arbeitszeit, fern seines Arbeitsplatzes und seiner Arbeitsmittel, die ausschließlich in seinem eigenen Interesse liegt, haftet der commettant auch im französischen Recht grundsätzlich nicht. 171 Sobald aber der Zusammenhang mit den Funktionen des prepose auch nur ein wenig enger wird, etwa weil dieser die Arbeitswerkzeuge des commettant benutzt, dringt man in eine Grauzone vor, in der die Rechtsprechung erstaunlich weitgehend die Verantwortlichkeit des commettant bejaht hat. Es handelt sich um die Fälle, die im deutschen Recht als "Gelegenheitsdelikte" firmieren: die Schadenszufügung I' occasion des fonctions oder - geläufiger - die Fälle des abus de fonctions.
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2. Abus de fonctions Probleme haben der Rechtsprechung vor allem Handlungen des prepose am Arbeitsort und zur Arbeitszeit bereitet, die insofern nicht den Funktionen des prepose entsprachen, als sie im eigenen Interesse erfolgten. Veruntreut etwa ein Bankangestellter Geld eines Kunden, so liegt diese Handlung weder im Rahmen seiner Aufgaben, noch ist sie von seiner Beschäftigung völlig losgelöst. Die Verbindung zwischen der Tätigkeit für den commettant und dem Schaden besteht in der Gelegenheit, die diese Tätigkeit dem prepose zur Schadensverursachung geboten hat.
Benac-Schmidt/Larroumet, Dalloz, Responsabilite du fait d'autrui, Nr. 132. Benac-Schmidt/Larroumet, Dalloz, Responsabilite du fait d'autrui, Nr. 135. 170 Mazeaud!Tunc, Responsabilite, Nr. 908; Rodiere, Responsabilite civile, Nr. 1486. 171 Dies ist etwa der Fall bei der Schadensverursachung an Ferientagen, vgl. Cass. civ. 2•, 23.11.1961, D. 1962, Somm.85; 15.2.1956, J.C.P. 1956, li, 9564; Cass. crim., 22.3.1932, Gaz. Pal. 1932, 2, 151 f., jedenfalls sofern der prepose dabei nicht im Interesse des commettant gehandelt oder von diesem überlassene Werkzeuge benutzt hat. Weitgehend wurde die Haftung für Handlungen außerhalb der Arbeitszeit aber auch dann verneint, wenn vom commettant überlassene Gegenstände benutzt wurden, vgl. Cass. civ. 2•, 9.10.1963, Gaz. Pal.l964, I, 116; 14.6.1957, J.C.P. 1957, II, 10188. Schon dies ist aber nicht unbestritten; die Chambre criminelle hat hinsichtlich einer Arbeitspause anders entschieden, Cass. crim., 28.3.1973, D. 1974, 77 (78): ..... commettants sont responsables des fautes commises par leurs preposes, meme en dehors du temps de travail et meme si [' acte est etranger, parnature. aux fontions. des lors qu' il n' en est pas totalement independant ... ". 168
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a) Entwicklung der Rechtsprechung Den elforderliehen Zusammenhang zwischen Iien de preposition und Schadensverursachung hat die Rechtsprechung bis in die 50er Jahre extensiv verstanden und den commettant für sämtliche Gelegenheitsdelikte des prepose haften lassen. 172 So wurde die Verantwortlichkeit des commettant beispielsweise in folgenden Fällen bejaht: Vergewaltigung und Ermordung einer Kinobesucherin durch einen Angestellten des Kinos; 173 Verursachung eines Brandes durch einen Landarbeiter, der sich während seiner Arbeit eine Zigarette angezündet und das Streichholz unachtsam ins trockene Gras geworfen hatte; 174 Jagdrechtsverletzung durch einen LKW-Fahrer, der während einer Dienstfahrt auf einem Feld einen Fasan entdeckte und anhielt, um diesen zu schießen; 175 tödliche Verletzung eines Mitfahrers beim Unfall eines prepose während seiner Ferien, verursacht mit einem Auto des commettant. 176
Nachdem die deuxieme Chambre civile der Cour de cassation die weite Auslegung des Art. 1384 al. 5 Ce in Entscheidungen von 1954 und 1957 aufgab, folgte ein jahrzehntelanges Ringen mit der Chambre crimine/le um die Fallgruppe des abus des fonctions. Die deuxieme Chambre civile 171 hatte den commettant eines Wachmannes, der ein Haus zu bewachen und darin gestohlen hatte, für nicht verantwortlich gehalten. Während die Kammer in dieser Entscheidung feststellte, dass der commettant für Gelegenheitsdelikte des prepose nur in Ausnahmefällen haften soll, hat sie drei Jahre später sogar entschieden, dass er nicht verantwortlich ist, " ... lorsque I' acte dommageable a trouve sa source dans une abus de fonctions de Ia part du prepose, ledit abus supposant necessairement que cet acte est etranger a Ia fonction". 178
Dagegen hat die Chambre criminelle 179 es weiterhin ausreichen lassen, dass der Schaden durch den prepose verursacht wurde "a l' occasion de l' exercice de ses fonctions et par abus de celle-ci". Die Chambre reunis der Cours de Cassation 180 hat sich in einem Urteil von 1960 der Ansicht der Chambre civile angeschlossen, und die Assemblee pleniere 181 der 172 Die Chambre civile der Cour de cassation, 19.12.1950, J.C.P. 1951, Il, 6577, führt aus: " ... /es maftres et commettants sont responsables, non seulement du dommage cause par leurs preposes dans I' exercice desfonctions auxquelles ceux-ci sont employes, mais encore de celui qui resulte de I' abus de ces fonctions ". 173 Cass. crim., 5.11.1953, D. 1953, 698. 174 Cass. civ. 2•, 4.10.1957, Bull. civ. 1957, II, Nr.597. Ähnlich Cass. civ., 19.12.1950, J.C.P. 1951, II, 6577. 175 Cass. crim., 23.11.1928, Gaz. Pal.1928, 2, 900. 176 Lyon, 2.5.1949, Gaz. Pal.1949, 2, 75. t77 1.7.1954, D. 1954, 628. 178 Cass. civ. 2•, 14.6.1957, J.C.P. 1957, li, 10188. 179 20.3.1958, Bull. crim. 1958, Nr. 280. 18o 8.3.1960, J.C.P. 1960, li, 11559. 181 Die Assemblee pleniere ersetzte 1967 die Chambre reunis.
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Cour de Cassation 182 hat 1977 ebenso entschieden. BeideMale ging es um einen Fahrer, der unerlaubt ein Fahrzeug des commettant für private Zwecke eingesetzt und einen Unfall verursacht hatte. Die Assemblee pleniere 183 führt aus: "Le commettant n' est pasresponsable du dommage cause par le prepose qui utilise, sans autorisation, a des fins personnelies le vehicule alui confie pour [' exercice de ses fonctions."
Die Chambre criminelle hat diese Entscheidungen zu Schwarzfahrten des prepose aber für nicht verallgemeinerungsfähig erachtet, 184 ihre vorherige Ansicht aufrechterhalten 185 und den commettant in Fällen des Funktionsmissbrauchs grundsätzlich haften lassen. 186 So musste etwa ein commettant einstehen für seinen Lastwagenfahrer, der das Fahrzeug des commettant benutzte, um illegal pornografische Bücher nach Frankreich einzuführen. 187 Nur in Ausnahmefällen von Schwarzfahrten eines prepose außerhalb der Arbeitszeit hat die Chambre criminelle 188 im Anschluss an die Assemblee pleniere die Verantwortlichkeit verneint. Die Letztgenannte hat daraufhin die Formel von 1977 in Entscheidungen aus den Jahren 1983 189 und 1985 190 allgemeiner gefasst. Der commettant soll danach nicht haften ..... en cas de dommage cause par le prepose qui, agissant, sans autorisation, a des fins etrangeres a ses attributions, s' est place hors des fonctions auxquelles il etait employe-'. 191 10.6.1977, D. 1977,465. 10.6.1977, D. 1977,465. 184 V gl. auch Larroumet, D. 1977, 465 (466); Sonnenberger/Schweinberger, RIW 1981, 61 (65). Die Chambres civiles haben hingegen die Formel allgemeiner verstanden; vgl. Cass. civ. 1'", 25.5.1981, Bull. civ. 1981, I, Nr.181; Cass. civ.2•, 30.6.1982, Bull. civ. 1982, II, Nr.lOO. 185 Marty/Raynaud, Obligations I, Nr. 493, sprechen von der "persistance de Ia rebellion de Ia Chambre criminelle". 186 Nach der Entscheidung der Chambre reunis etwa in den Urteilen Cass. crim., 28.11.1974, D. 1975, lnf. 19; vgl. etwa auch Cass. crim., 9.6.1970, Bull. crim. 1970, Nr. 192; 30.1.1975. 1975, Inf. 55. Nach der Entscheidung der Assemblee pteniere in den Urteilen Cass. crim., D. 3.5.1979, Bull. crim. 1979, Nr.157; 18.6.1979, Bull. crim. 1979, Nr. 212. Dagegen hat die deuxieme Chambre civile daran festgehalten, die Haftung für Gelegenheitsdelikte zu verneinen, vgl. Cass. civ.2•, 15.1.1970, D. 1970, Somm.55: einAngestellterderS.N.C.F. war in eine Halle eingebrochen und hatte ein Fahrzeug in seine Gewalt gebracht; Cass. civ. 2•, 18.1.1963. D. 1963, Somm. 65: der Nachtwächter einer Garage hatte ein Fahrzeug für eine Spazierfahrt entwendet und verursachte einen Unfall. Diepremiere Chambre civile, vgl. etwa 13.2.1975, Rev. gen. ass. terr. 1975, 544, ist der zweiten Kammer im Ergebnis gefolgt. 187 Cass. crim.18.6.1979, Bull. crim. 1979, Nr.212. Die Kammer begründetdies damit, dass ohne den Einsatz des LKW die unerlaubte Handlung nicht möglich gewesen wäre. 188 18.7.1978, Bull. crim. 1978, Nr.237. 189 Cass. ass. plen., 17 .6.1983, J.C.P. 1983, II, 20120. 190 Cass. ass. plen., 15.11.1985, J.C.P. 1986, II, 20568. 191 Cass. ass. plen., 17 .6.1983, J.C.P. 1983, II, 20120. Das letzte Merkmal scheint allerdings mehr Folge der beiden anderen Erfordernisse als selbst Voraussetzung zu sein; vgl. Aubert, D. 1986, 81 (82); vgl. dazu auch Larroumet, D. 1988, 513 (515). So hat es auch die Chambre criminelle verstanden, 15.5.1986, Gaz. Pa!. 1986, Table, Resp. civ., Nr. 86; 22.1.1987, Bull. crim. 1987, Nr. 37. Die deuxieme Chambre civile, 11.4.1986, Bull. civ. 1986, II, Nr.48, hat das Handeln hors des fonctions hingegen als zusätzliche Voraussetzung verstanden. 182
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In der ersten Entscheidung 192 hatte der Fahrer eines Transportunternehmens Heizöl an einen Kunden ausliefern sollen. In der Absicht, dieses zu unterschlagen, fuhr er zum Haus seines Vaters. Aus Angst davor, bemerkt zu werden, nahm er jedoch von seinem Plan Abstand und ließ das Öl in einem Steinbruch ab. Im Unterschied zu den vorausgegangenen Entscheidungen von 1960 und 1977 war hier der Zusammenhang zwischen der Schädigung und der Arbeit des prepose insofern enger, als die Schädigung während der Arbeitszeit stattfand. In der Entscheidung von 1985 hat die Assemblee pteniere 193 ein Wachschutzunternehmen für nicht verantwortlich gehalten, dessen prepose ein zu bewachendes Unternehmen in Brand gesetzt hatte, um auf die mangelhafte Ausstattung mit Löschgeräten aufmerksam zu machen. 194 Zwar hingen die Motive des prepose mit seinen Aufgaben zusammen, objektiv lag sein Verhalten aber fern seiner Aufgaben, was für den Ausschluss der Haftung genügte. 195
Aufgrund der allgemein gehaltenen Formulierung war die weite Auslegung der Chambre criminelle damit seit der Entscheidung von 1983 auch außerhalb der Schwarzfahrtflille hinfällig und die Kammer 196 hat eingelenkt. Unter Verwendung der Formel der Vollversammlung hat sie etwa die Verantwortlichkeit eines Architekten verneint, dessen prepose das Geld eines Kunden veruntreut hatte. 197 Die Assemblee pleniere hat schließlich 1988 zum vorerst letzten Mal über den abus de fonctions entschieden und folgendermaßen abgegrenzt: " ... Je commettant n' exonere de sa responsabilite que si son prepose a agi hors des fonctions auxquelles jJ etait employe, sans autorisation, et a desfins etrangeres d ses attributions."
Damit hat die Kammer gegenüber den Entscheidungen der Jahre 1983 und 1985 klargestellt, dass es sich bei den genannten Kriterien um eine "triple condition" 198 handelt, die Merkmale also kumulativ vorliegen müssen, und dass dem Kriterium .. hors des fonctions" eine eigene Bedeutung zukommt. 199 Das ist insofern von Belang, als in einer wichtigen Fallgruppe die Schädigungen durch preposes dann dans les fonctions liegen: nämlich Straftaten, zu denen der prepose die ihm vom commettant eingeräumten Kompetenzen ausnutzt. In der zugrundeliegenden Entscheidung Cass. ass. plen., 17.6.1983, J.C.P. 1983, II, 20120. 15.11.1985, J.C.P. 1986, II, 20568. 194 Ein bemerkenswerter Aspekt an dieser Entscheidung ist, dass man hier auch eine vertraglichen Haftung hätte in Betracht ziehen müssen; vgl. dazu unten 2. Kap. § 2 B II. 195 Vgl. auch Aubert, D. 1986, 81 f. 196 27.10.1983, D. 1984, 170f. 197 Entgegen ihrer früheren Auffassung hat dafür aber die deuxieme Chambre civile in einem sehr ähnlichen Fall die Haftung bejaht, 7.12.1983, D. 1984, 170. Larroumet, D. 1984, 171 (172), bemerkt dazu: "Quel etrange retour des choses. ". 198 Cass. crim., 16.2.1999, J.C.P. 2000, I, 1999. 199 Es handelt sich also nicht etwa um einen zusammenfassenden Oberbegriff. Vgl. auch Flour!Aubert, Obligations 118, Nr. 220. Die Assemblee pleniere widerspricht damit ausdrücklich der früheren Ansicht der Chambre criminelle; vgl. oben 2.Kap. § 2 Fn. 191. 192
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hatte der Angestellte einer Versicherungsgesellschaft zuerst seinen Aufgaben entsprechend Verträge mit einer Kundin geschlossen und dann das von dieser gezahlte Geld unterschlagen. Die Versicherungsgesellschaft wurde für verantwortlich gehalten. b) Die Abgrenzung im Einzelnen Die Formel der Assemblee p/eniere ist seitdem in der Rechtsprechung anerkannt. 200 Der commettant haftet danach also nicht für Gelegenheitsdelikte, wenn er beweist, 201 dass der prepose "hors desfonctions", "sans autorisation" und "a des fins etrangeres ases attribution" gehandelt hat. Die Annahme des Geschädigten, der prepose handele im Rahmen seiner Aufgaben, reicht allein nicht aus; lediglich ein "objektiver Anschein" kann die Haftung begründen. 202 Es kommt darauf an, ob der Geschädigte glauben durfte, der prepose handele dans sesfonctions. 203
(1) Verbotene Tätigkeiten Aus der Abgrenzung der Rechtsprechung ist deutlich geworden, dass das Verbot bestimmter Tätigkeiten für sich nicht ausreicht, um die Haftung des commettant zu verneinen. Zum Handeln sans autorisation muss hinzukommen, dass die Tätigkeit in keinem Zusammenhang mit den Aufgaben für den commettant stand und dass der prepose persönliche Ziele verfolgte. So musste etwa ein Arbeitgeber nicht dafür haften, dass sein angestellter Handwerker den Arbeitsplatz auf die Bitte eines Dritten hin verließ, um dem Letzteren zu helfen, das Austreten von Gas zu verhindern, und der dabei durch das Anzünden eines Streichholzes eine Explosion verursachte. 204 Hier stand die unautorisierte Tätigkeit nicht in Zusammenhang mit den Aufgaben des prepose und lag auch nicht im Interesse des commettant. 200 Cass. civ. 2•, 22.5.1995, Bull. civ. 1995 II, Nr.154; 3.7.1991, Bull. civ. 1991, II, Nr. 209; 9.5.1990, Gaz. Pal. 1990, 2, Pan. 191; 12.7.1989, Bull. civ. 1989, II, Nr. 150; Cass. crim., 16.2.1999, J.C.P. 2000, I, 199; 23.6.1988, Bull. crim. 1988, Nr. 289. 201 Vgl. Cass. civ.2•, 30.6.1982, BuH. civ. 1982, II, Nr. 100; Cass. crim., 13.5.1980, BuH. crim. 1980, Nr. 144. 202 Benac-Schmidt/Larroumet, Dalloz, Responsabilite du fait d'autrui, Nr. 171. 203 Cass. civ. 2•, 4.3.1999, J.C.P. 1999, IV, 1790; 24.6.1998, BuH. civ. 1998, II, Nr. 225; 14.1.1998, D. 1998, Inf.52; 19.11.1997, D. 1998, Inf.l5. Teilweise wird aber auch angenommen, die Haftung für den abus de fonction komme überhaupt nur in Betracht, wenn der commettant den Anschein verursacht hat, der prepose handele im Rahmen der übertragenen Aufgaben, vgl. Cass. civ. 2•, 23.6.1993, Bull. civ. 1993, II, Nr. 232; 11.6.1992, Bull. civ. 1992, II, Nr.164; Paris, 27.10.1941, J.C.P. 1942, II, 1814. Im letztgenannten Fall wurde die Haftung aus Art. 1382Cc bejaht; dies ist in den Fällen, in denen der commettant den Anschein verursacht hat, auch nahezu zwingend. Vgl. zur Bedeutung des Anscheins auch Rodiere, Responsabilite civile, Nr. 1486. 204 Cass. civ.2•, 30.5.1980, Gaz. Pal.1980, 2, Pan.455.
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(2) Straftaten
Straftaten des prepose führen vor allem in den Fällen zur Verantwortlichkeit des commettant, in denen die Tat mit dem Aufgabenbereich und den besonderen Pflichten des prepose eng zusammenhängt. So ist es etwa, wenn ein Bankangestellter Geld veruntreut. 205 Der commettant eines Notariatsgehilfen, der von einer Kundin ein Darlehen empfangen hatte und das Geld unterschlug, haftete dagegen nicht206 Eine zweite potentiell haftungsbegrundende Gruppe von Straftaten sind Diebstähle eines prepose am Arbeitsplatz. Die Abgrenzung, die hier maßgeblich von der Frage abhängt, ob der prepose hors des fonctions gehandelt hat, führt zu ähnlichen Ergebnissen wie im deutschen Recht207 die Frage nach den speziellen Pflichten des prepose und den besonderen Risiken seiner Beschäftigung. Verneint wurde die Haftung nach Art. 1384 al. 5 Ce etwa für den Diebstahl eines Arbeitnehmers der S. N. C. F. an einem Ort, wo dieser gewöhnlich nicht beschäftigt war. 208 Inkonsequent sind aber die folgenden Entscheidungen: Ein Wachschutzunternehmen sollte nicht haften für den Diebstahl durch einen Mitarbeiter. Die Chambre criminelle der Cour de cassation 209 führt aus, es handele sich um .,fins non seulement etrangeres, mais encore COntraire ases attributions" 210 Auf der anderen Seite wurde ein commettant für verantwortlich gehalten, der ein Reinigungsunternehmen betrieb und dessen prepose während der Reinigung eines Juweliergeschäfts Schmuck stahl, 211 obwohl der Zusammenhang des Funktionsbereiches mit einem Diebstahl hier erkennbar entfernter ist, als in den Fällen der Wachschutzunternehmen, wo die Aufgabe des prepose gerade die Bewachung fremden Eigentums war. Jedenfalls der Diebstahl des Wachmannes lag .. incontestablement dans les fonctions ". 212 Dies erkennt wohl auch dieneuere Rechtsprechung 213 : So wurde 1999 ein Wachschutzunternehmen für verantwortlich gehalten, dessen prepose ein Gelände der S. N. C. F. überwachen sollte und dort stahl. 214 Vgl. etwa Cass. crim., 12.12.1941, J.C.P. 1942, II, 1814. Cass. civ.1'", 8.12.1987, D. 1988,389. 207 V gl. oben 2. Kap. § 1 A IV 2 b. 208 Cass. civ.2•, 15.1.1970, D. 1970, Somm.55. 209 Cass. crim., 29.10.1991, Resp. civ. et assur. 1992, Comm.42; 23.6.1988, Bull. crim. 1988, Nr. 289. 210 Ebenso hat die Deuxit?me chambre civile, 17.3.1993, J.C.P. 1993, IV, 1315, im Fall eines Angestellten entschieden, der das Gelände eines Unternehmens bewachen sollte und in einem benachbarten Betrieb Feuer legte. 211 Cass. civ. 2•, 22.5.1995, Bull. civ. 1995, II, Nr. 154: .. Qu' en se determinant ainsi, alors que le prepose avait agi sur le lieu de travail conjie par son employeur, pendant le temps et a l' occasion de celui-ci, ce dont il resulte qu' il n' avait pas agi hors de ses fonctions ... " 212 SoLe Tourneau/Cadiet, Droit de Ia responsabilite, Nr. 6534. 213 Vgl. Cass. civ.2•, 21.5.1995, Gaz. Pal.1996, 1, Pan. 89; Cass. crim., 16.2.1999, Bull. crim. 1999, Nr.23. 214 Cass. crim., 16.2.1999, Bull. crim. 1999, Nr.23. 205
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Bei Delikten gegen Leib und Leben schließlich wird die Haftung anders als noch in den 50er Jahren 215 heute regelmäßig verneint. Dies ist auch konsequent, denn ein Zusammenhang mit den Aufgaben des prepose wird hier eher selten bestehen. 216 So musste ein commettant nicht haften für die Totung eines Mitarbeiters durch einen prepose außerhalb der Arbeitszeit; 217 ebenso wenig ein commettant bei einer ähnlichen Tat innerhalb der Arbeitszeit. 218 c) Resonanz In der Literatur wird nur selten bezweifelt, dass der commettant grundsätzlich auch für bestimmte Gelegenheitsdelikte des prepose haften soll. 219 Eher wird die Formel der Assemblee pteniere für zu eng gehalten, vor allem, weil durch die Differenzierung zwischen verschiedenen Arten von Gelegenheitsdelikten die Rechtssicherheit leide. 22 Flour!Aubert 221 möchten deshalb eine generelle Haftung auch für den abus de fonctions zulassen.
°
Daneben wird der mangelhafte Schutz des Geschädigten kritisiert. So meinen Benac-Schmidt!Larroumet222 etwa, die unnötige Einengung des Geschädigtenschutzes führe zu einem Ruf nach einer Ausweitung der vertraglichen Haftung. 223 Dietheorie de Ia garantie gebiete, den Geschädigten weitestmöglich zu schützen, unabhängig von der Art der faute (Vorsatz oder Fahrlässigkeit) des prepose. 224 V gl. oben 2. Kap. § 2 A IV 2 a. Anders kann es im Fall des Türstehers einer Diskothek sein, vgl. zum englischen Recht, unten 2. Kap. § 3 A IV 2 d Fn. 200. 21 7 Cass. crim., 15.2.1977, D. 1977, Inf. 330. 218 Angers, 19.3.1952, J.C.P. 1952, 7304. 219 Radiere, Responsabilite civile, Nr.1486, schreibt etwa ,.Le Code civil requit que le dommage ait ete cause dans I' exercice des fonctions et non a I' occasion des fonctions ". Terre/Simler/Lequette, Les obligations, Nr. 796, halten dem entgegen, dies seiangesichtsder wirtschaftlichen Veränderung kein Argument. 220 Benac-Schmidt/Larroumet, Dalloz, Responsabilire du fait d' autrui, Nr. 160, sprechen von einer .. insecurite redolutable ",die durch diese Differenzierung entstehe; vgl. auch Larroumet, D. 1977,465 (466f.), und D. 1988, 513 (514). 221 Obligations IP, Nr. 220. Dort heißt es: ,.A vouloir distinguer entre eux, selon qu' ils s' appuient directement sur une acte de Ia fonction [. ..] ou qu' ils consistent dans des actes manifesten! etrangers auxfonctions bien que commis au cours de I' execution de celles-ci [. ..] on est inevitablement conduit a des subtilites qui sont sources d' incertitudes. Admettre Ia responsabilite des commettants pour les abus de fonctions de leurs preposes eut sans doute favorise une meilleure securite juridique ... ". 222 Dalloz, Responsabilire du fait d'autrui, Nr. 155 mit Verweis auf Viney, J.C.P. 1985, TI, 20568; siehe dazu auch unten 2. Kap. § 2 B II. 223 V gl. dazu auch unten 2. Kap. § 2 B III. 224 Dies sei vor allem insofern gerecht, als der commettant in der Regel versichert sei und Art. L. 121-2 Code des assurances bestimme, dass der Versicherer unabhängig von der Schwere der faute hafte, Benac-Schmidt/Larroumet, Dalloz, Responsabilire du fait d'autrui, Nr. 155. 21s
216
126
2. Kap.: Die Haftung für HUfspersonen im Europa der Gegenwart
3. Fazit Vor dem geschichtlichen Hintergrund der Haftung für den fait d' autrui war die weite Auslegung der früheren Rechtsprechung verständlich: Der commettant sollte bei der Auswahl eines prepose auch die moralische Tauglichkeit prüfen und deshalb selbst für jegliche Straftat des prepose haften; dieser Gedanke wurzelt aber in einer Zeit, zu der der prepose vom commettant auch sozial abhängig war - er stand insofern gewissermaßen unter der Obhut des commettant. 225 Der Gedanke der theorie de Ia garantie, mag vor dem Hintergrund, dass man den commettant danach ohnehin nur als vorübergehend Verantwortlichen ansieht, zum
heute in der Literatur noch teilweise zweifelhaft weiten Verständnis des Merkmals
dans les fonctions beigetragen haben. Bekommt die Haftung nun durch die fehlende Möglichkeit des Rückgriffs gegenüber dem prepose einen endgültigen Charak-
ter, so ist dies noch weit problematischer. Die Formel der jetzt offenbar gefestigten Rechtsprechung 226 führt aber bei konsequenter Anwendung zu brauchbaren Ergebnissen.
V. Recours du commettant
Es liegt auf der Hand, dass der Anspruch aus Art.l384 al. 5 Ce, der voraussetzt, dass der prepose fautif gehandelt hat, 227 an und für sich zwingend mit einem deliktischen Anspruch des Geschädigten gegen den prepose selbst - im Regelfall aus Art. 1382 Ce - zusammentrifft. Der Geschädigte kann dann grundsätzlich wählen, wen von beiden er in Anspruch nimmt. Im Innenverhältnis findet Schadensteilung statt, wenn auch der commettant fautif gehandelt hat. 228 Liegt aber auf seiner Seite keine faute vor, kann er im Falle der Inanspruchnahme nach Art. 1384 al. 5 Ce beim prepose grundsätzlich in vollem Umfang Rückgriff nehmen. 229 Der Rückgriff ergibt sich, indem der commettant nach Art.1251 Nr. 3 Ce im Rahmen einer obligation in solidum 230 in die Stellung des Geschädigten subrogiert wird. 231 Der in Anspruch ge225 SoKauffnuznn, Gehilfenhaftung, 2. Teil 113c (S.56ff.). Wie oben, !.Kap.§ 1 A und §2A, dargestellt, gab es sowohl bei der Haftung für Sklavendelikte im römischen Recht als auch für unerlaubte Handlungen von Knechten zunächst keine Beschränkung auf Handlungen, die innerhalb des Tätigkeitsbereichs des Gehilfen lagen. 226 Vgl. oben 2. Kap. §2 AIV2a. 227 V gl. zu dieser strittigen Voraussetzung oben 2. Kap. § 2 A III. 228 Cass. civ. 2•, 15.10.1954, J.C.P. 1955, II, 8473; Ferid!Sonnenberger, Das Französische Zivilrecht II, 2 0 234. 229 Cass. civ.l"', 20.3.1979, D. 1980, 29; Cass. civ.2•, 6.3.1991, D. 1991, 257; 28.1.1955, D. 1955,449. Vgl. auch Cass. civ. 1"', 25.11.1992, Bull. civ. 1992, I, Nr. 293. 230 Vgl. zur obligation in solidum oben 2. Kap. § 2 Fn. 128. 231 Cass. civ.l"', 20.3.1979, D. 1980, 29; Chabas, J.C.P. 1993, II, 22013; Marty/Raynaud, Obligations I, Nr. 494.
§ 2 Das französische Recht
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nommene prepose kann in diesem Fall anders herum beim commettant freilich keinen Rückgriff nehmen. 232 Der Rückgriff wurde bislang grundsätzlich auch dann zugelassen, wenn es sich beim prepose um einen Arbeitnehmer handelte und dieser nur mitfaute /egere gehandelt hatte 233 und das, obwohl die Chambre sociale der Cour de cassation für die direkte vertragliche Haftung des Arbeitnehmers gegenüber dem Arbeitgeber, beispielsweise wegen Beschädigung der Arbeitsmittel, - ähnlich der Rechtsprechung des deutschen Bundesarbeitsgerichts 234 - eine Beschränkung auf Fälle der faute lourde anerkennt. 235 Diepremiere Chambre civile 236 führt aus: ..... [le commettant] disposait d'un recours contre [le pn!pose] sans qu'il soit necessaire d' etablir une faute /ourde a sa charge."
Sie begründet diese Ausnahme von den arbeitsvertragliehen Prinzipien mit dem ,.caractere subrogatoire" des Rückgriffs des commettant. Darin liegt allerdings eine petitio principii, denn die Anwendung des Art. 1251 al. 3 Ce setzt zunächst einmal voraus, dass der commettant für den prepose gezahlt hat. 237 Nicht zuletzt wegen dieser problematischen Begründung wird die Möglichkeit des Rückgriffs in der Literatur heftig kritisiert. 238 Es wird zu Recht darauf hingewiesen, dass eine Anwendung der Grundsätze der im Arbeitsrecht bestehenden Beschränkungen der Arbeitnehmerhaftung auch auf den Rückgriff des commettant nahezu zwingend sei. 239 Deshalb ist die unbeschränkte Rückgriffsmöglichkeit, die freilich wenig genutzt wird, 240 ein Fremdkörper im Haftungssystem. 241 232 Cass. civ.2•, 28.10.1987, Bull. civ. 1987, li, Nr.214; 6.2.1974, D. 1974, 409; Cass. crim., 13.3.1973, D. 1973, Inf.104. 233 Cass. civ.1 "', 20.3.1979, D. 1980, 29; Cass. civ.2•, 6.3.1991, D. 1991,257. Allerdings ist bereits früher vereinzelt von den Untergerichten angenommen worden, der commettant könne nur im Fall der Gelegenheitsdelikte Rückgriff nehmen, vgl. Nice, 30.6.1926, Gaz. Trib. 1927, 2, 537. 234 V gl. dazu oben 2. Kap. § 1 B I 1 d. 235 Cass. soc., 8.6.1978, Bull. civ. 1978, V, Nr.450; 28.10.1975, Bull. civ. 1975, V, Nr.486; 27.5.1964, J.C.P. 1965, li, 14056; 10.4.1962, D. 1962, 565; 27.11.1958, D. 1959, 20. 236 20.3.1979, D. 1980, 29. 237 Vgl. Kauffmann, Gehilfenhaftung, 2. Teil II6 (S. 90). 238 Vgl. etwa Mazeaud!Tunc, Responsabilite, Nr. 927; Rives-Lange, J.C.P. 1970, I, 2309; Starck!Roland!Boyer, Responsabilite delictuelle, Nr. 951. Der Rechtsprechung zustimmend etwa Marty!Raynaud, Obligations I, Nr. 494. 239 Vgl. vor allem Larroumet, D. 1980, 29, und Viney, Conditions de Ia responsabilite, Nr. 812, der zur Übertragung der arbeitsrechtlichen Grundsätze auf den Rückgriff des commettant schreibt: ,. C ette deduction semblerait d' autant plus logique qu' il parait anormal de faire abstraction du cantrat existant entre employeur et salerie dans I' amenagement de ce recours "; a. A. offenbar Ferid/Sonnenberger, Das Französische Zivilrecht li, 2 0 235, mit der sehr knappen und zweifelhaften Begründung, der Rückgriff beruhe auf einem anderen Rechtsgrund. 240 Das liegt vor allem- neben der mehrfach erwähnten fast schon "vermuteten" Insolvenz des Gehilfen - an der eben genannten Regelung im Versicherungsrecht. Le Tourneau!Cadiet, Droit de Ia responsabilite, Nr. 6572, weisen zudem auf das Bedürfnis nach sozialem Frieden hin, das dem Rückgriff praktisch oft entgegenstehe.
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2. Kap.: Die Haftung für Hilfspersonen im Europa der Gegenwart
Die Rechtsprechung scheint inzwischen ebenfalls zu dieser Erkenntnis gelangt zu sein, setzt sie allerdings äußerst merkwürdig um: Die Chambre commerciale der Cour de cassation hatte 1993 über eine Markenrechtsverletzung zu entscheiden, wegen der eine Gesellschaft ein Konkurrenzunternehmen sowie zwei preposes, den Leiter einer Außenstelle und einen Handelsvertreter des Konkurrenten verklagt hatte. 242 Das Gericht hielt ausschließlich die Gesellschaft, nicht aber deren preposes für verantwortlich. Es ging hier also nicht um den Rückgriff des commettant, sondern um die direkte Inanspruchnahme der preposes. Die Chambre commerciale hat die Haftung der Gehilfen überraschend vom Vorliegen einer nicht näher definiertenlaute personneUe abhängig gemacht. 243 Teilweise wurde die Entscheidung als Sonderfall angesehen, der nicht verallgemeinerungsfähig sei. 244 Viney 245 meint hingegen, mit der Entscheidung sei generell der recours des commettant hinfallig und- mehr noch - das Urteil habe auch Auswirkungen auf den Haftungsgrund. 246 Die Assemblee pteniere der Cour de cassation hat die Ansicht der Chambre commerciale bestätigt und in einem Urteil vom 25.2.2000247 entschieden, dass " ... n' engage pas sa responsabilite a I' egard des tiers le prepose qui agit sans exceder des limites de Ia mission qui lui a ete impartie par son commettant."
Die Rechtsprechung beseitigt damit den Widerspruch zu den Grundsätzen im Arbeitsrecht, muss sich aber die Frage gefallen lassen, ob eine Lösung im Innenverhältnis nicht sachgerechter gewesen wäre, geht doch die vertragliche Beziehung zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer grundsätzlich nur diese etwas an. 248 241 Auch für die Beamtenhaftung ist eine Beschränkung im Innenverhältnis anerkannt, Trib. confl., 5.5.1877, D.P. 1878, 3, 13, und es ist kein Grund ersichtlich, im Fall eines salerie anders zu entscheiden. Auch die Versicherung des commettant, die im Regelfall zahlen wird, kann nach Art. 121-12 al. 3 Code des assurances gegen denprepose nur vorgehen, wenn dieser malveillant(vg!. zu diesem Merkmal Cass. civ.1 "', 5.1.1970, D. 1970, 185) gehandelt hat. Dies gilt übrigens nur gegenüber dem prepose, nicht gegenüber dessen Versicherung, vgl. Cass. civ. 1"', 8.12.1993, D. 1994,235. 242 Cass. com., 12.10.1993, D. 1994, 124. 243 Die faute personneUe wird in der Literatur etwa als gegeben angesehen bei Taten des prepose, die "le commettant ne pouvait pas normallement s' attendre", Viney, D. 1994, 125 (127); Conditions de Ia responsabilite, Nr. 811-3. Jedenfalls sollfaute personneUe vorliegen bei einem " abus de fonctions" des commettant (Viney, a. a. 0 .). Über die faute personneUe wurde in der Literatur heftig diskutiert, die Problematik ist hier aber wenig weiterbringend. V gl. dazu etwa noch Chabas, J.C.P. 1995, II, 22493, und Puill, J.C.P. 1996, I, 3939, der Grundsätze aus dem droit admistratifheranziehen will. 244 Chabas, J.C.P. 1995, II, 22493, und Mazeaud/Chabas, Droit civil 11/1, Nr. 482. 245 Viney, D. 1994, 125 (126); Conditions de Ia responsabilite, Nr. 811- 2. 246 Vgl. oben 2.Kap. §2 A14e. 247 D. 2000, 675. 248 Vgl. auchNiggemann/Gramling, RiW 1995, 329 (330). Brun, D. 2000,673, spricht wegen der weitreichenden Konsequenzen von einer faute sans responsabilite, die an den Fundamenten der zivilrechtliehen Haftung rüttele.
§ 2 Das französische Recht
129
B. Haftung für Gehilfenhandeln außerhalb des Art. 1384 al. S Ce Die weitgehende Haftung des commettant nach Art. 1384 al. 5 Ce legt nahe, dass es einer Ausdehnung anderer Haftungstatbestände nicht bedarf. Es ist daher auch nur ganz vereinzelt im Vertragsrecht der Ruf nach einer über die Grenzen des Art. 1384 al. 5 Ce hinausgehenden Haftung laut worden.
I. Deliktische Haftung
1. Art. 1382 Ce Im Deliktsrecht wird zwar gelegentlich beim Gehilfenhandeln auf eine eigene faute des commettant zurückgegriffen, der dann nach Art. 1382 Ce haftet. Auf diese Weise ließe sich dann auch eine Haftung für selbständige Unternehmer begründen. Eine Ausweitung der Haftung aus Art. 1382 Ce wie in Deutschland 249 durch die Einführung von persönlichen, nicht delegierbaren Organisationspflichten hat es aber offenbar nicht gegeben.
2. Produkthaftung Die Produkthaftung gründet sich auf Art. 1382 Ce. Formell ist damit zwar die faudes Herstellers Voraussetzung der Haftung. Die Rechtsprechung sieht aber schon das Inverkehrbringen eines fehlerhaften Produktes als ausreichend für das Vorliegen einer faute an. 250 Insofern entfällt im Fall der Schadensverursachung durch eine Hilfsperson die Notwendigkeit des Beweises, dass ein Iien de preposition vorlag und dass der prepose fautif gehandelt hat. 251 le
3. Organhaftung Die Verantwortlichkeit juristischer Personen des Privatrechts 252 für die Handlungen der Organe ergibt sich direkt aus Art. 1382 Ce., 253 Art. 1384 al. 5 Ce findet Vgl. oben 2. Kap. § 1 BI 1 a. Vgl. etwa Cass. civ. 1re, 18.7.1972, Bull. civ. 1972, I, Nr. 189; ProdukthaftungshandbuchWeber, § 134 Rn. 34. 251 Ähnliche Auswirkungen hat auch die Umsetzung der EG-Produkthaftungsrichtlinie, vom 25.7.1985 (vgl. oben 2.Kap. § l Fn.435) in denArt.1386- 1 bis 18Cc. Art.l386-7Cclässt durch die Einbeziehung der gesamten Absatzkette des fehlerhaften Produkts in die Verantwortlichkeit die Notwendigkeit entfallen, einen Verursacher konkret zu benennen. 252 Juristische Personen des öffentlichen Rechts können bei der Erfüllung privatrechtlicher Aufgaben nach Art. 1384 al. 5 Ce verantwortlich sein, vgl. Le Tourneau/Cadiet, Droit de la responsabilite, Nr. 6510; in allen anderen Fällen ist Art. 1384 al. 5 Ce unanwendbar und die Ver249
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2. Kap.: Die Haftung für Hilfspersonen im Europa der Gegenwart
insoweit keine Anwendung. 254 Der Organbegriff wird eher eng verstanden, 255 und angesichts des Art. 1384 al. 5 Ce besteht für eine Ausweitung auch kein Bedürfnis.256
II. Responsabilite contractuelle du fait d'autrui Der Anwendungsbereich der deliktischen Haftung ist a priori nicht eröffnet, 257 wenn die Voraussetzungen der vertraglichen Haftung vorliegen (principe du non-comul des responsabilites contractuelle et delictuelle). 258 Insofern dürfte sich eine Auswahlmöglichkeit zwischen vertraglicher und deliktischer Geschäftsherrnhaftung für die Gerichte nicht stellen. Die vertragliche Haftung für das Verhalten Dritter ist in Frankreich jedoch schon in ihren Grundlagen hoch umstritten. 259 Das resultiert zum einen daraus, dass der Code civil keine dem § 278 BGB entsprechende Norm kennt, zum anderen daraus, dass lange Zeit zwischen responsabilite delictuelle und responsabilite contractuelle überhaupt nicht unterschieden, die Letztere lange ignoriert260 und die Erstere sogar als einzige "echte" Verantwortlichkeit angesehen wurde. 261 Schließlich erschien wohl auch angesichts der Regelung des Art. 1384 al. 5 Ce das Bedürfnis nach einer vertraglichen Haftungsregelung gering. antwortlichkeit richtet sich nach dem droit d' administrative, vgl. Trib. confl., I 0.1.1945, S.1945, 3, 40; 27.11.1933, D.P. 1933, 3, 9. 253 Cass. civ.2•, 24.3.1980, Bull. civ. 1980, II, 71 ; 17.7.1967, Gaz. Pal.1967, 2, 235; Cass. crim., 27.6.1977, Gaz. Pal.l977, 2, 626. 254 Cass. civ.1", 27.5.1986, Bull. civ. 1986, I, Nr.134; Cass. crim., 27.6.1977, Gaz. Pal.1977, 2, 626; Aubry!Rau, Responsabilite delictuelle, Nr.104; Le Tourneau!Cadiet, Droit de Ia responsabilite, Nr. 6509; a. A. noch Starck, Theorie generale, S. 254 ff., und Starck!Roland!Boyer, Responsabilite delictuelle, Nr. 394, die davon ausgehen, dass einer juristischen Person selbst keine faute vorgeworfen werden kann, sondern dass es sich um einen Fall der responsabilite du fait d' autrui handelt. 255 Ein recht weitgehendes Verständnis der Organhaftung hat aber Viney, Conditions de Ia responsablite, Nr. 850. 256 Eörsi, Encyclopaedia XI/1, Nr. 437. 257 Viney, J.C.P. 1986, II, 20568, hält deshalb die oben besprochene Entscheidung der Assemblee pleniere vom 15.11.1985, J.C.P. 1986, II, 20568 (vgl. oben 2. Kap. § 2 A IV 2a), für verfehlt und meint, hier hätte Vertragsrecht angewendet werden müssen; vgl. dazu auch Le Tourneau!Cadiet, Droit de la responsabilite, Nr. 2853. 258 Mazeaud/Chabas, Droit civil II/1, Nr. 403 ff.; Le Tourneau/Cadiet, Droit de Ia responsabilite, N r. 994 ff. 259 Benac-Schmidt/Larroumet, Dalloz, Responsabilite du fait d'autrui, Nr. 12, schreiben dazu etwa: ., ... Ia responsabilite du fait d' autrui ne peut etre une responsabilite autonome ... ". 260 Vgl. dazu Radiere, D. 1952, Chron. 79. 261 Vgl. zum Ganzen näher Mazeaud!Chabas, Droit civil II/1 , Nr. 394 ff. Teilweise wurde die vertragliche Haftung für denfair d' autrui auch in Anlehnung an Art. 1384 al. 5 Ce begründet; vgl. Demogue, Obligations V, Nr. 927.
§ 2 Das französische Recht
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Einige spezielle vertragsrechtliche Haftungsnormen nennen jedoch als Anknüpfungspunkt der Verantwortlichkeit das Verhalten Dritter ausdrücklich, 262 und inzwischen ist man sich nahezu 263 einig, 264 dass in Analogie zu diesen Vorschriften ein allgemeines Prinzip der responsabilite contractuelle du fait d' autrui existiert; 265 dies erkennt auch die Rechtsprechung seit Beginn der 60er Jahre an. 266 Lediglich die Chambre erimineile der Cour de casssation 261 wendet nach wie vor auch im Falle einer vertraglichen Beziehung zwischen Geschädigtem und commettant die deliktischen Regeln an. Die vertragliche Haftung ist in zweifacher Hinsicht weiter als die des Art.1384 al. 5 Ce. Zum einen erstreckt sie sich wie im deutschen Recht auf das Verhalten eingeschalteter selbständiger Unternehmer des Schuldners. 268 Zum anderen spielt sie eine Rolle auch in den Fällen des abus de fonctions, denn der Schuldner haftet für jegliche Schadensverursachung bei der Vertragserfüllung. 269 Deshalb ist vor allem in der Literatur der Ruf laut geworden, diese Fälle, wo möglich, mit Hilfe der vertraglichen Haftung zu lösen, die diese Sachverhalte weitergehend erfasse als Art. 1384 al. 5 Ce. 270 Letzteres zeigt erneut den Wunsch, möglichst weitgehend alle Handlungen des prepose, die in einem wie auch immer gearteten Zusammenhang mit der Verrichtung stehen, mit der Geschäftsherrnhaftung zu erfassen. Trotz dieser unübersehbaren Vorteile der vertraglichen Verantwortlichkeit hat es aber eine Ausdehnung der Voraussetzungen über die Grenzen des Gesetzes hinaus nicht gegeben. 262 Vgl. etwa die Regelungen der Art.l735, 1797, 1831-1, 1953, 1994Cc und der Art.99, 103, 216 des Code du commerce. 263 Teilweise wird zwar die Haftung in Fällen, wo der Gehilfe eines Schuldners einen Schaden verursacht, unproblematisch bejaht, dennoch aber bestritten, dass es sich um einen Fall der responsabilite du fait d' autrui handelt. Vielmehr soll es sich um eine Haftung des Schuldners wegen der (eigenen) Verletzung der Pflicht zur Vertragserfüllung handeln; vgl. Brun, D. 2000, 673 (675). 264 Mazeaud!Chabas, Droit civil II/I , Nr. 485; Viney, Conditions de la responsabilite, Nr. 818. 265 Die Ursprünge der vertraglichen Haftung flir das Verhalten Dritter gehen zurück auf Becque, Rev. trim. dr. civ. 1914, 251 ff., der die Haftung aus den oben genannten speziellen Normen (vgl. 2. Kap. § 2 Fn. 262) und Art. 1147 Ce, der die "inexecution de I' obligation" regelt, herleitet und daneben auch den Gedanken des § 278 BGB heranzieht. 266 Cass. civ.l "', 28.5.1980, D. 1981, Inf.32; 4.3.1968, Bull. civ. 1968, I, Nr. 84; 18.10.1960, J.C.P. 1960, II, 11846; Cass. civ. 2•, 15.3.1976, J.C.P. 1976, IV, 164; Cass. com., 21.12.1970, Bull. civ. 1970, IV, Nr. 354. 267 Vgl. dazuBrun, D. 2000,675 Fn. 26. 268 Cass. civ.l'", 27.2.1980, J.C.P. 1980, IV, 186; 2.10.1979, J.C.P. 1979, IV, 360. Vgl. etwa auch die Regelung des Art. 1735 Ce für die Haftung des Mieters sowie Viney, Conditions de la responsabilite, Nr. 825, und J.C.P. 1986, II, 20568 Fn. 39. 269 Jourdain, Rev. trim. dr. civ. 89 (1990), 81 (89), schreibt: " ... le debiteur s' est personnellement engage a executer le contrat. S' il se substitue un tiers pour tout ou partie de sa mission, c' est a ses risques et perils qu' ille fait; le debiteur doit donc naturellement repondre de toute execution dommageable du contrat par ce tiers." 270 Lambert-Faivre, D. 1986, Chron.143; Viney, J.C.P. 1986, II, 20568; Conditions de la responsabilite, Nr. 824.
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2. Kap.: Die Haftung für HUfspersonen im Europa der Gegenwart
1. Culpa in contrahendo Zwar wurde auch in Frankreich über die culpa in contrahendo diskutiert, sie hat aber nicht Fuß gefasst. 271 Wegen der deliktsrechtlichen Regelung der Haftung für denfait d' autrui gibt es keinen Grund, die Fälle der vorvertragliehen Pflichtverletzung in den vertraglichen Bereich zu ziehen; 272 sie werden vielmehr im französischen Recht mit Hilfe des Deliktsrechts gelöst, 273 das sachgerechte Resultate erlaubt.
2. Vertrag mit Schutzwirkungfür Dritte Ähnliches gilt für die vertragliche Schutzwirkung zugunsten Dritter. Zwar ist im Mietrecht anerkannt, dass die Vermieterpflichten der Art. 1719 bis 1721 Ce auch zugunsten von Familienangehörigen wirken, 274 diese Fälle lassen sich aber auch mit dem Deliktsrecht sachgerecht lösen. 275
3. Drittschadensliquidation Schließlich ist vereinzelt auch mit Hilfe der Drittschadensliquidation ähnlicher Konstruktionen eine vertragliche Haftung angenommen worden. 276 Hierfür bestand aber angesichts der deliktsrechtlichen Regelungen ebenfalls kein echtes Bedürfnis, 277 und überdies ging es in den maßgeblichen Entscheidungen gar nicht um Schädigungen durch Gehilfen. III. Fazit
Die Grenze zwischen vertraglicher und deliktischer Haftung für denfait d' autrui ist im französischen Recht zwar durch die Problematik um die Begründung der vertraglichen Haftung ein wenig verschwommen, sie gewinnt aber durch die zunehmende Anerkennung einer generellen responsabilite contractue/le du fait d' autrui im Zusammenwirken mit dem Prinzip des "non-comul" an Schärfe. Diese Hinwendung zur vertraglichen Haftung mag zwar ihren Grund teilweise darin haben, dass Art. 1384 al. 5 Ce in einigen wenigen Bereichen als zu eng empfunden wird. Jedoch kann von einer Ausdehnung über die Grenzen des Gesetzes hinaus, wie es sie im deutschen Recht gegeben hat, nicht die Rede sein. Auch ist keine Tendenz zu erkenChaussade-Klein, Vorvertragliche "Obligation de renseignements", Einleitung (S.1). Constantinesco, FS Lange, S.415 (S.420). 273 So auch Lorenz, ZEuP 1994, 218 (242). 274 Vgl dazu Lorenz, JZ 1960, 108 (112). 275 Vgl. zum Ganzen Lorenz, JZ 1960, 108 (112). 276 Cass. civ., 22.7.1931, Gaz. Pal.1931, 2, 683; Cass. req., 7.10.1940, Gaz. Pal.1940, 2, 64. 277 Vgl. Lorenz, JZ 1960, 108 (112f.). 271
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§ 2 Das französische Recht
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nen, den Geschäftsherrn außerhalb des Art.l384 al. 5 Ce im Delikts- oder Vertragsrecht verstärkt für die Handlungen selbständiger Unternehmer haften zu lassen. Die Rechtsprechung bezieht diese lediglich in engen Grenzen in die Haftung aus Art. 13 84 al. 5 Ce ein. 278 C. Spezialgesetzliche Regelungen Auch im französischen Recht beschäftigen sich einige, teilweise abseitige Spezialregelungen mit der Geschäftshermhaftung. I. Art. 228-43 Code rural Für den Bereich der Jagdrechtsverletzungen regelt Art. 228-43 Code rural die Geschäftshermhaftung: " ... les maftres et commettants sont responsables des infractions de chasse commisses par leurs [. ..] domestiques ou preposes ... "
Diese Regelung bringt gegenüber Art. 1384 al. 5 Ce wenig Besonderheiten, zumal sie schon in der Formulierung an diesen angelehnt ist. Bemerkenswert ist lediglich, dass die Norm dadurch, dass sie an eine Jagdrechtsverletzung anknüpft, häufig genau dort eingreift, wo die Haftung nach Art. 1384 al. 5 Ce zweifelhaft wäre- regelmäßig wird nämlich die Jagdrechtsverletzung ein abus de fonctions des Gehilfen sein. li. Art.121-20 al. 2 Code de Ia consommation
Der Code de Ia consommation bestimmt in Art.121-20 al. 2: "L' entreprise est civilement responsable des demarcheurs, meme independants, qui agissent pour son campte. "
Die Norm ist in zweierlei Hinsicht interessant: Zum einen wird ausdrücklich auch für selbständige Unternehmer gehaftet, zum anderen wird der Kreis derer, für die ein Unternehmen haftet, durch das Merkmal der Handlung "pour le compte" des Unternehmens bestimmt, das auch im Rahmen der Abgrenzung bei Art.1384 al. 5 Ce eine Rolle spielt. 279
278 Wenn auch hier die Tendenz zu einer immer stärkeren Einbeziehung erkennbar ist; vgl. v. Luttitz, Haftung für selbständige Unternehmer, 2. Kap. E (S. 144). 279 Vgl. oben 2.Kap. § 2 All 1.
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2. Kap.: Die Haftung für Hilfspersonen im Europa der Gegenwart III. Art. S11-1 Code des assurances
Für Versicherungsgesellschaften regelt Art. 511-1 Code des assurances, dass der ,. ... employeur ou mandant est civilement responsable, dans /es termes de I' article 1384 du Code civil, du dommage cause par lafaute, l'imprudence ou Ia negligence de ses employes ou mandataires agissant en cette qualite, lesquelles sont consideres, pour I' application du present article, comme des preposes, nonobstant taute convention contraire."
Die Norm nennt also ausdrücklich das bei Art. 1384 al. 5 Ce bestrittene Erfordernis des fait fautif des Gehilfen. Sie hat wohl eine eigenständige Bedeutung nur hinsichtlich der Haftung für Auftragnehmer; alle anderen Fälle sind schon von Art. 1384 al. 5 Ce erfasst, 280 und selbst im Bereich des Auftrags kann, wie oben ausgeführt, ein Iien de preposition vorliegen, so dass sich durch Art. 511-1 Code des assurances lediglich insoweit etwas ändert, als dass das Subordinationsverhältnis im Fall des Auftrag nicht im Einzelnen nachgewiesen zu werden braucht.
D. Versicherungsmäßige Deckung In vielen Fällen wird der commettant, selbst wenn ihm der Rückgriff gegen den prepose wegen dessen Insolvenz oder aus rechtlichen Gründen281 verwehrt ist, nicht endgültig auf dem Schaden "sitzen bleiben" - seine Versicherung hat nach Art. 121-2 Code des assurances auch den Schaden zu erstatten, der durch Hilfspersonen des Versicherungsnehmers, für die dieser nach Art. 1384 al. 5 Ce haftet, verursacht wurde.
E. Zusammenfassung und Schlussbemerkung Die dogmatische Begründung der von seinem Verschulden unabhängigen Haftung des Geschäftsherrn nach Art. 1384 al. 5 Ce bereitet notwendigerweise mehr Schwierigkeiten als die des auf dem Verschuldensprinzip fußenden § 831 Abs. 1 BGB. Dietheorie du risque gibt aber immerhin im Ansatz eine überzeugende Erklärung der Haftung. Bei der Abgrenzungsfrage, ob ein Iien de preposition vorliegt, gelangt die Rechtsprechung- unter Einbeziehung bestimmter selbständiger Unternehmer - mit dem Kriterium der Subordination weitgehend zu sachgerechten Ergebnissen. Handhabt die französische Rechtsprechung diesen Punkt noch sehr ähnlich wie die deutsche Rechtsprechung zu § 831 Abs. 1 BGB, so ergeben sich bei der Haftung für Gelegenheitsdelikte erhebliche Unterschiede. Trotz deutlicher Begrenzungstendenzen einer ursprünglich überaus extensiven Rechtsprechung wird teilweise immer noch in weiterem Umfang als in Deutschland die Geschäftsherrnhaf28° 281
Berr!Groutel, D. 1985, Inf.l87 (188). Vgl. oben 2. Kap. § 2 A V.
§ 3 Das englische Recht
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tung für Gelegenheitsdelikte bejaht. Waren bislang die Inanspruchnahme des prepose im Außenverhältnis wie auch der Rückgriff des commettant ohne weiteres möglich, so will die neuere Rechtsprechung offenbar gegenüber Arbeitnehmern beides abschneiden, sofern diese nicht mitfaute personneUe gehandelt haben. Die recht weitgehende Geschäftsherrnhaftung nach Art. 1384 al. 5 Ce wird überwiegend als befriedigend empfunden, so dass eine Ausdehnung anderer Haftungsgrundlagen über Gebühr bislang ausblieb. Lediglich wegen der inzwischen restriktiveren Rechtsprechung im Bereich der Gelegenheitsdelikte ist ein verstärktes Heranziehen der Vertragshaftung gefordert worden.
§ 3 Das englische Recht A. Vicarious liability Im englischen Deliktsrecht haftet der master für das deliktische Verhalten seiner servants nach den Regeln der vicarious liability. Voraussetzung der Verantwortlichkeit ist neben einem master and servant relationship, dass der servant durch eine deliktische (tortious) Handlung einen Dritten in course of employment geschädigt hat. I. Dogmatische Grundlagen
1. Terminologie Vicarious liability bedeutet wörtlich übersetzt "stellvertretende Verantwortlichkeit"; dieser Terminus ist insofern etwas unscharf, als er fälschlicherweise nahe legt, der master hafte an Stelle des servant. 1 Die aus der traditionellen common law language stanunenden archaischen Begriffe "master" und "servant" entsprechen nicht (mehr) der Rechtswirklichkeit; sie sind teilweise den Begriffen "employer" und "employee" gewichen. Da sich diese traditionellen Termini aber eingebürgert haben und der überwiegende Teil der Rechtsprechung noch immer die Begriffe "master" und "servant" nutzt, 2 wird im Folgenden die ursprüngliche Terminologie beibehalten.
1 Vgl. auch Williams!Hepple, Foundations of Tort Law, Chap. 4 (S. 132). Dazu sogleich 2.Kap.§3 AI2. 2 Die Gerichte verwenden bis heute beide Begriffspaare, "master and servant" etwa in den Entscheidungen Heasmans v. Clarity Cleaning Co. Ltd. [1987] I.C.R. 949ff.; McDermid v. Nash Dredging Ltd. [1987] A.C. 906, und "employer and employee" etwa in der Entscheidung Smith v. Stages [1989] A.C. 928ff. Vgl. auch R. v. Callender [1993] Q.B. 303 (309).
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2. Kap.: Die Haftung für Hilfspersonen im Europa der Gegenwart
2. Rechtsnatur Die vicarious liability setzt nicht voraus, dass der master schuldhaft gehandelt, sondern nur, dass der servant eine unerlaubte Handlung begangen hat. Es handelt sich daher um eine Form der strict liability, 3 die als verschuldeosunabhängige Haftung den Gegensatz zur fault liability bildet. Die Geschäftsherrnhaftung ist damit Ausnahme vom Verschuldensprinzip, 4 auf dem grundsätzlich auch das englische Deliktsrecht beruht. 5 Die vicarious liability selbst bildet keine deliktische Anspruchsgrundlage; 6 vielmehr lässt sie lediglich die unerlaubte Handlung des servant auch zu Lasten des master wirken. Daraus folgt, dass der Gehilfe selbst den vollständigen Deliktstatbestand erfüllen muss, die Haftung des masterist adjektizisch. 7 Konsequenterweise wird dann die Haftung des master auch verneint, wenn der Anspruch gegen den servant trotz dessen schuldhaften Handeins nicht durchsetzbar ist, etwa weil eine Haftungsbeschränkung zugunsten des servant bestand. So ließ das House ofLords in Imperial Chemical lndustries Ltd. v. Shatwell 8 einen master deshalb nicht haften, weil dem Anspruch des Geschädigten gegen den servant die Einwilligung des Geschädigten entgegenstand.9 Über diesem Grundsatz ist die Rechtsprechung aber ins Schwimmen geraten. Nicht in allen Fällen sah sie es als angemessen an, dass Haftungsbeschränkungen zwischen servant und Geschädigtem den master begünstigen sollten. In Broom v. Morgan 10 ging es um die Haftung eines Arbeitgebers, der die Klägerin und ihren Ehemann beschäftigte. Der Ehemann verursachte in Ausführung der ihm obliegenden Verrichtungen fahrlässig die Verletzung seiner Ehefrau. Da vor dem Law Reform (Husband and Wife) Act 1962 Ehepartner einander wegen unerlaubter Handlung nicht in Anspruch nehmen konnten, 11 war ein unmittelbarer Anspruch der Geschädigten gegen den servant ausgeschlossen. Gleichwohl entschied der Court ofAppeal, dass der master der Ehefrau gegenüber verantwortlich sei. Dogmatisch begründet Lord Denning die Entscheidung, obwohl er weiterhin von der vicarious liability und Fleming, Law of Torts, Chap. 19, l (S. 409); Jones, Torts, Chap. 8.4 (S. 374). Rogers, Law of Tort, Chap. 2 A (S. 30), spricht von "ancillary to a fault-based system ". 5 Rogers, Law of Tort, Chap. 2 A (S. 12), Chap. 2 C (S. 30f.). Teilweise wird dieser Grundsatz jedoch nicht mehr als zeitgemäß und gerecht angesehen, vgl. schon Atiyah, Vicarious Liability, Chap. 2, l (S. 12): " ... it is, in any event, impossible to assert that in modern social conditions liability in tort should always or even generally be based anfault". 6 Salmond/Heuston, Law ofTorts, Chap. 2l (S.430). 7 Lord Denning, Young v. Edward Box & Co. [1951] l T.L.R. 789 (793), formuliert: "In every case where it is sought to make a master liable for the conduct of his servant the first question is to see whether the servant was liable. Ifthe answer is yes, the second question is to see whether the employer must shoulder the servant's liability". 8 [1965] A.C. 656. 9 Imperial Chemical Industries Ltd. v.Shatwe/1 [1965] A.C. 656, 693f. 10 [1953]1 Q.B. 597 (609). 11 Vgl. Salmond/Heuston, Law ofTorts, Chap.20.8 (S.4l7). 3
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§ 3 Das englische Recht
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nicht von einer primären Verantwortlichkeit des master ausgeht, mit einer eigenen Pflichtverletzung des Letzteren. 12 Obgleich dennoch - nach wie vor- nicht ernsthaft bezweifelt wird, dass es bei der vicarious liability allein auf das schuldhafte Verhalten des servant ankommt, 13 hat diese Rechtsprechung doch zu mancher Unklarheit bezüglich der dogmatischen Grundlagen der vicarious liability geführt. 14 Begründen lässt sich, will man also an der adjektizischen Haftung festhalten, eine Verantwortlichkeit in den Fällen der Immunität des servant nur mit der unmittelbaren Eigenhaftung desmasterfür sein eigenes Verhalten, so denn seinerseits ein Verschulden vorliegt. 15 Wenn beides auch manchmal von der Rechtsprechung vermengt wird, 16 ist der master dann aber in keinem Fall vicariously liable. Die Ansprüche aus eigener Pflichtverletzung und aus vicarious liability, die gegebenenfalls nebeneinander stehen, 17 sind - wie die zugrunde liegenden Pflichten- ,. distinct in their nature and origin " 18 und streng zu trennen. 19
3. Haftungsgrund Lebhaft diskutiert worden ist - wie im französischen Rechtz0 - über den Grund für die strenge Einstandspflicht des master. Einig ist man sich darüber, dass weder die 12 Broom v.Morgan [1953]1 Q.B. 597 (609). Clerk!Lindsell, Torts, Nr.5-46, sprichtvonden Theorien des .,servant's tort" und des .,master's tort". Vgl. dazu auch Williams (1956) 72 L.Q.R. 522ff. I . Uthwatt stellt in Twine v.Bean's Express [1946] All E.R. 202 (204), ebenfalls auf den master ab: "The general question in an action against the employer [. ..] is technically: ,Did the employer in the circumstances which affected him owe a duty?'-for the law does not attribute to the employer the liability which attaches to the servant." Atiyah, Vicarious Liability, Chap 1, 2 (S. 8), hält diese Aussage für .,fraught with dangers ". 13 Vgl. Fleming, Law ofTorts, Chap. 19, 1 (S.412). 14 Iones, Torts, Chap. 8.4.2 (S. 376). Salmond/Heuston, Law of Torts, Chap. 21.2 (S. 433) schreiben, Broom v. Morgan habe die Konsequenz," ... that the master would befree from liability in many cases in which he is now held responsible. For his duty could not[. ..] be a strict one: it could only be a duty to take reasonable care. Hence it would be a defence for him to show, that he had taken reasonable care to select an apparently competent servant- a defence, which has never been allowed within modern times". 15 Ähnlich Staveley Iron and Chemical Co. Ltd. v. Iones [1956] A.C. 627 (639f.). Zu weiteren Fällen, in denen es auf die eigene Pflichtverletzung des master ankommt, vgl. unten 2. Kap.§ 3 BI I. 16 So auch Winfield/Iolovicz, Tort, Chap. 20 (S. 694). Dies wird in der Entscheidung Staveley Iron and Chemical Co. Ltd. v. Iones [1956] A.C. 627 (639) auch an den Ausführungen Lord Dennings in der Vorinstanz, Iones v. Staveley Iron and Chemical Co. Ltd. [1955] 1 Q.B. 474 (480), kritisiert. 17 Rogers, Law of Tort, Chap. 2 C (S. 30). 18 Salmond/Heuston, Law ofTorts, Chap. 21.2 (S.434). 19 Staveley Iron and Chemical Co. Ltd. v. I ones [1956] A.C. 627 (639); vgl. auchAtiyah, Vicarious Liability, Chap.l, 2 (S. 8 f.). 2o Vgl. oben 2.Kap.§2 AI4.
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2. Kap.: Die Haftung für Hilfspersonen im Europa der Gegenwart
Maxime "respondeat superior" noch "qui facit per aliumfacit per se" als Erklärung ausreicht. 21 Teilweise wird zur Begründung der Haftung eine Aussage Lord Broughams 22 aus dem Jahr 1839 herangezogen: " ... the reason that I am liable is this, that by employing [ the servant] I set the whole thing in motion". 23
Wenn sie auch nicht sehr aussagekräftig ist, so ist an der Formel doch immerhin richtig, dass dermasterdie Tätigkeit des servant in irgendeiner Weise bewirkt haben muss. Die bloße Veranlassung der schädigenden Handlung durch den master kann aber zur Begründung der Haftung nicht ausreichen; die vicarious liability wird letztlich mit einem Bündel von Aspekten24 erklärt und gerechtfertigt. 25
a) Deepest Pocket Stark vom gewünschten Ergebnis geht das verbreitete Argument aus, der master habe "the deepest pocket". 26 Er soll demnach haften, weil er finanziell regelmäßig am ehesten in der Lage sei, den Schaden zu begleichen und zu versichern.27 Das Argument zielt damit auf die Gewährleistung der Kompensationsfunktion des Scha21 Lord Reid, Staveley lron and Chemical Co. Ltd. v. Iones [1956] A.C. 627 (643), stellt treffend fest: "The former merely states the rule baldly in two words, and the latter merely gives a fictional explanation of it." Baty, Vicarious liability, Chap. I (S. 7), meint zu den beiden Maximen: "Whatever they are, they are not arguments ". Vgl. auch F leming, Law of Torts, Chap. 19, 1 (S. 410); Salmond/Heuston, Law of Torts, Chap. 21.1 (S. 430f.); Winfield/Jolovicz, Tort, Chap. 20 (S. 727). 22 Thomas Ducan v. Iames Finlater, (1839) 7 E.R. 934 (940); vgl auch Hutchinson v. York, Newcastle and Berwick Ry. (1850) 5 Exch. 343 (350). 23 Zumindest im Ansatz wird auf diesen Gedanken etwa rekurriert in den Entscheidungen Iones v. Staveley lron and Chemical Co. Ltd. [1955] 1 Q.B. 474 (480) und Rose v. Plenty [ 1976] 1 All E.R. 97 (103). 24 Vgl. Atiyah, Vicarious Liability, Chap. 2, 2 (S. 15); Fleming, Law of Torts, Chap. 19, 1 (S. 410); Iones, Torts, Chap. 8.4.1 (S. 375); Salmond/Heuston, Law of Torts, Chap. 21.1 (S. 431). Baty, Vicarious liability, Chap. VIII (S. 148), zählt neun Aspekte auf und schreibt dazu: "A doctrine which is accounted for on nine different grounds may reasonably be suspected of resting on no very firm basis of policy ". 25 Salmond/Heuston, Law ofTorts, Chap.21.1 (S.430), schreiben: "ltwill never be possible, or perhaps even desirable, to expound a theory which will at once explain and justify all aspects of the doctrine, although it has long been accepted as necessary and beneficial." 26 Nach Winfield/Iolovicz, Tort, Chap. 20 (S. 727), ist dies das "most popular" Argument in der Wissenschaft. 27 Williams, [1956] C.L.R. 180 (195), hält das für einen zentralen Grund für die Entstehung und Entwicklung der strengen Geschäftsherrnhaftung: "lt is unlikely that vicarious liability for servants would ever have been developed if servants as a class had been capable ofpaying damages and costs."
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densersatzrechts. 28 Ausdrücklich ist dieser Gedanke zwar von den Gerichten selten herangezogen worden, 29 er steckt aber zweifellos hinter vielen Entscheidungen. 30 Unproblematisch ist die Argumentation aber nicht, denn die finanzielle Leistungsfähigkeit eines möglichen Schuldners allein kann seine Haftung schwerlich rechtfertigen. 31 b) Master's Benefit Eine weitere bedeutende Begründung der Haftung basiert auf dem Gedanken, dass der master von der Arbeit des servant profitiert. 32 Gemeint ist nicht bloß der Vorteil aus der einzelnen Tätigkeit- eine schädigende Tätigkeit ist im Ergebnis selten von Vorteil für den master33 -, sondern der Vorteil der Arbeitsteilung insgesamt. 34 Auch dieser Gedanke beruht letztlich auf Gerechtigkeitsüberlegungen. Schwierigkeiten bereitet es allerdings, mit dieser Argumentation die - traditionell nicht in den Anwendungsbereich der vicarious liability gehörenden - selbständigen Unternehmer aus dem Kreis der Personen herauszuhalten, für die der master haftet. 35 c) Distribution mechanism Der Vorteilsgedanke führt zu einem weiteren Erklärungsansatz: Da dermasteraus dem Einsatz von Gehilfen regelmäßig Vorteile zieht und sich das Gehilfenhandeln im gewerblichen Bereich damit letztlich auch auf den Umsatz auswirkt, ist der master in der Lage, den Schaden abzuwälzen. 36 Die vicarious liability funktioniert insofern als Jones, Torts, Chap. 8.4.1 (S. 375). Vgl. aber Viscount Canterbury v. The Attorney-General (1842) 41 E.R. 648 (654f.). 30 V gl. Jones, Torts, Chap. 8.4.1 (S. 375). 31 Ähnlich Wi/liams (1957) 20 M.L.R. 220 (232): "Whatever (one may ask) can put this extraordinary idea into judges' heads, that the mere possession ofwealth is enough to justify the imposition of legal liability for a wrong? "; vgl. auch Atiyah, Vicarious Liability, Chap. 2, 2 (S.22); Flannigan (1987) 37 U.T.L.J. 25 (29), und Williams/Hepple, Foundations ofTort Law, Chap.4 (S.133): "hardly a philosophical reasonfor vicarious liability". Vgl. schließlich Cane, Anatomy ofTort Law, Chap. 2 (S.47): " fit] cannot explain why vicarious liability is more or less limited in its application to the employer-employee relationship ... ". 32 Broom v. Morgan [1953]1 Q.B. 597 (608); Fleming, Law of Torts, Chap. 19, 1 (S.410); Jones, Torts, Chap. 8.4.1 (S. 375); Winfield/Jolovicz, Tort, Chap. 20 (S. 727). Vgl. auch The Taff Vale Railway Co. v. The Amalgamated Society ofRailway Servant [1901] A.C. 426 (439). 33 Williams, (1957) 20 M.L.R. 220 (230), schreibt: "A tortfeasant servant may be a disaster to [the master] ". Vgl. auch Pollack, Law ofTorts, Chap. III3 (S. 62). 34 Vgl. Launchbury v. Morgans [1971]2 Q.B. 245 (253). Deshalb greift auch der Einwand nicht, der Ansatz könne nicht erklären, warum dermasterauch hafte, wenn eine Handlung des servant nicht zu seinem Vorteil gewesen sei. Vgl. aber Salmond/Heuston, Law of Torts, Chap.21.1 (S.431). 35 Williams!Hepple, Foundations of Tort Law, Chap.4 (S. 133). 36 Dazu ausführlich Atiyah, Vicarious Liability, Chap. 2, 3 (S. 22 ff. ), und Williams ( 1957) 20 M.L.R. 437 (440ff.). 28
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2. Kap.: Die Haftung für Hilfspersonen im Europa der Gegenwart
distribution mechanism. 31 Dermaster kann sich einerseits gegen Schäden versichern, die Gehilfen verursachen, 38 andererseits kann er das Risiko fehlerhaften Gehilfenhandelns durch höhere Preise kompensieren und an seine Kunden weitergeben. 39 Schäden durch Gehilfenhandlungen sollen daher "part of the cost of producing the goods or services" sein. 40 d) Accident Prevention
Dermaster ist nicht nur am besten in der Lage, eventuelle Schäden durch Gehilfen finanziell auf andere abzuwälzen, er ist auch imstande, Vorkehrungen zu treffen, und so das Risiko eines Schadenseintritts zu minimieren41 durch Organisation, Beaufsichtigung etc. 42 Durch seine strenge Haftung bekommt der master gesteigertes Interesse an der accident prevention und wird seine Gehilfen entsprechend zu gesteigerter Vorsicht anhalten. 43 Genangenommen sind hier zwei Ansätze enthalten; zum einen betrifft die Begründung die eigentliche Vorbeugung und damit eine präventive Funktion der vicarious liability; zum anderen der Aspekt, dass dermasterden Schaden hätte verhindem können. Dies zielt auf eine eigene Pflichtverletzung des master ab. Mit diesem Gesichtspunkt kann man dann aber nicht erklären, warum der master auch verantwortlich sein soll, wenn er alle Sorgfalt im Vorfeld beachtet hat. 44 e) Fazit Zwar herrscht über die Grundlagen der Geschäftsherrnhaftung weniger Streit als in Frankreich, die genannten Kriterien werden aber meist nur recht unreflektiert wiedergegeben, und insofern ist es in England noch weniger gelungen, der Haftung mittels einer überzeugenden Rechtfertigung Konturen zu geben - letztlich wird 37 SoJones, Torts,Chap.8.4.1 (S.375).ÄhnlichHamiltonEtAI. v.Farmers' Ltd.andSchroeder [1953] 3 D.L.R. 382 (393), undHonore, Philosophical Foundations ofTort Law, S. 73 (S. 85), der schreibt, die vicarious liability basiere auf "corrective and (risk-) distributive justice". 38 Launchbury v. Morgans [1971] 2 Q.B. 245 (254). 39 Fleming, Law ofTorts, Chap.l9, 1 (S.410); Rogers, Law ofTort, Chap. 2 C (S. 29); Winfield/Jolovicz, Tort, Chap. 20 (S. 727). 40 Jones, Torts, Chap. 8.4.1 (S. 375). 41 Flannigan, (1987) 32 U.T.L.J. 25 (32), sieht die "risk reduction" als einen wesentlichen Grund für die Haftung an. 42 Fleming, Law of Torts, Chap 19, I (S.410); Rogers, Law ofTort, Chap. 2 C (S. 29). Vgl. auch Po/lock, Law of Torts, Chap. III 3 (S. 63): "/ am answerable for the wrongs of my servant or agent, [. ..] because he is about my affairs and I am bound to see that my affairs are conducted with due regard to the safety of others." 43 Jones, Torts, Chap. 8.4.1 (S. 375). 44 Vgl. auch Williams/Hepple, Foundations ofTort Law, Chap.4 (S.l34).
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doch weitgehend auf Gerechtigkeitserwägungen zurückgegriffen. 45 Plastisch formuliert Lord Cooper46 das Dilemma: .,A mixture of ideas has inspired many unconvincing judicial efforts to find a scientific basis for the maxim [. ..]. What was once presented as a legal principle has degenerated into a rule of expediency, imperfectly defined, and changing its shape before our eyes under the impact of changing social and political conditions."
Auf das für die Begründung des Art. 1384 al. 5 Ce im französischen Recht so zentrale Risiko 47 wird nur am Rande eingegangen, 48 und die Begründungsnot hat dazu geführt, dass teilweise mehr oder weniger eindeutig auf eine unterstellte eigene Pflichtverletzung des master - ähnlich einer unwiderleglichen Vermutung des Geschäftshermverschuldens49- abgehoben wird. 50 II. Master and Servant Relationship
Der Anwendungsbereich der vicarious liability ist eröffnet, wenn zwischen Schädiger und dem in Anspruch Genommenen ein master and servant relationship besteht. Den Gegenbegriff zum servant bildet traditionell der independent contractor, und die Abgrenzung zwischen beiden wird gleichgesetzt mit der Abgrenzung zwischen contract of serviceund contract for services. 51 Neben dem Begriffspaar servant und independent contractor taucht gelegentlich im Kontext mit der vicarious liability der Terminus " agent" auf. Teils wird er als Oberbegriff verstanden, 52 teils wird versucht, in bestimmten Bereichen mit Hilfe dieses Begriffes den Kreis der Personen zu erweitern, für die der master haftet. 53 Die Frage der Erstreckung der Haftung auf bestimmte oder alle selbständigen Unterneh45 Lord Pearce, Imperial Chemical/ndustries Ltd. v. Shatwell [1965] A.C. 656 (685), stellt fest, die vicarious liability basiere auf "social convenience and roughjustice". 46 Patrick Kilboy v. South Eastern Fire Area Joint Commitee 1952 S.C. 280 (285). 47 Vgl. oben 2. Kap.§2 Al4b. 48 Vgl. Flannigan (1987) 32 U.T.L.J. 25 (32); Honore, Philosophical Foundations of Tort Law, S. 73 (S. 85). Vgl. auch oben 2. Kap.§ 3 Fn. 37 und 41. 49 V gl. zu diesem im französischen Recht lange Zeit vorherrschenden Begründungsansatz oben 2.Kap.§2 AI4. 50 Am weitesten geht Street, Legal Liability, Bd. II, S. 458 f., der schreibt, dermastermüsse fahrlässig gehandelt haben, wenn er einen fahrlässig handelnden servant eingestellt habe. V gl. im Übrigen die Ausführungen zur accident prevention, oben 2. Kap.§ 3 AI 3d. 51 Lord Denning, Stevenson, Jordan and Harrison Ltd. v. Macdonald [1952]1 T.L.R. 101 (111), führt dazu aus: "/t is often easy to recognize a contract ofservice when you see it, but difficult to say wherein the difference lies. " 52 Vgl. Fleming, Law of Torts, Chap. 19, 1 (S. 413); Salmond/Heuston, Law of Torts, Chap. 21.3 (S. 434); Street, Torts, Chap. 27, Sec. 3 (S. 488 ff.). 53 So im Bereich der Haftung des Fahrzeughalters. Auf die Einordnung des Fahrers als " agent" wurde abgestellt in der EntscheidungHewittv. Bonvin [1940] 1 K.B. 188 (194ff.) und in Ormrod v. Crosville Motor Services Ltd. [1953] 2 All E.R. 753 (754f.).
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mer hängt aber nicht an diesem Begriff; insofern ist ihm im vorliegenden Zusammenhang keine eigenständige Bedeutung beizumessen. 54
1. Die Abgrenzungskriterien Die Rechtsprechung hat eine Fülle von Kriterien entwickelt, um den servant vom independent contractor abzugrenzen. Einige von ihnen lehnen sich eng an die Unterscheidung zwischen contract of service und contract for services an, und insbesondere werden auch Kriterien aus anderen Rechtsbereichen herangezogen, wo diese Unterscheidung eine Rolle spielt, etwa aus dem Steuer- oder Arbeitsrecht. Die Anlehnung an die Unterscheidung zwischen contract of service und contract for services hat etwa dazu geführt, dass man versucht hat, anhand der Möglichkeit des master abzugrenzen, den Gehilfen auszuwählen und ihn zu entlassen. 55 Von der Auswahl kann die Haftung aber schwerlich abhängen56 und ebenso wenig von der Möglichkeit der Beendigung des Vertrages, 57 denn auch ein independent contractor wird regelmäßig von seinem Auftraggeber ausgewählt, und etwa bei Vertragsbrüchen kann selbstverständlich auch das Vertragsverhältnis mit dem independent contractor vorzeitig beendet werden58 - umgekehrt kann auch ein contract of service oftmals nicht gekündigt werden. 59
54 Clerk/Lindsell, Torts, Nr. 5-72; ähnlich auch Murdoch, Law of Estate Agency, Chap. 1 B 3 (S.28). 55 So in Short v. J. & W. Henderson Ltd. [1946] 62 T.L.R. 427 (429). Ebenso wenig aussagekräftig sind letztlich die Art der Zahlung (periodisch oder einmalig) oder die Bezahlung einer Vergütung überhaupt. So wurde in der Entscheidung WHPT Housing Association Ltd. v. Secretary of Statefor Social Services, [1981]1.C.R. 737 (751), ein Architekt, der im Übrigen selbständig agieren konnte, nach Stunden bezahlt und dennoch zu Recht als independent contractor angesehen. Vgl. auch Harpwood, Tort Law, Chap. 16.5.2. (S. 286), und SalmondlHeuston, Law of Torts, Chap. 21.3 (S.439): .. The relationship of master and servant is commonly a continuing engagement in consideration ofwages paid; but this is not essential." 56 Vgl. dazu auch die Ausführungen zum französischen Recht, oben 2.Kap.§2 All. 57 So auch Atiyah, Vicarious Liability, Chap. 6, 2 (S. 54). 58 Wenn man auch nicht von "dismissal" im technischen Sinne sprechen kann. Vgl. dazu etwa Doggett v. Waterloo Taxi-Cab Co. Ltd. [1910] 2 K.B. 336: Von einem Taxiunternehmer konnten Fahrer Taxen täglich neu für einen Tag mieten und mussten im Gegenzug 75 % der Einnahmen abgeben. Obwohl hier die Möglichkeit des Taxiunternehmers bestand, den Wagen am nächsten Tag nicht wieder an einen Fahrer zu vermieten, wurde der Vertrag zu Recht als contract for services angesehen, a. a. 0., S. 342 f. 59 Etwa, wenn jemand für eine bestimmte Tatigkeit befristet angestellt ist und ohne Grund nicht entlassen werden und daher auch nicht von dieser speziellen Tätigkeit abgezogen werden kann; so in der Entscheidung Robinson v. Scarisbrick (1939) 32 B.W.C.C. 285 (289f.).
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a) Der Control Test Am Ende des 19. Jahrhunderts wurde noch vornehmlich in sehr ähnlicher Weise abgegrenzt wie im deutschen 60 und französischen Recht, 61 nämlich anband der Kontroll- und Weisungsmöglichkeiten des master. Entscheidend sollte sein, dass der master nicht nur darüber zu entscheiden hat, was zu tun ist, sondern vor allem auch über das "Wie" der Tätigkeit. 62 Derindependent contractor ist im Gegensatz dazu "his own master". 63
Eine prägnante Formel wurde erstmals 64 formuliert in der Entscheidung Yewens v. Noakes 65 : "A servant is a person subject to the command of his master as to the manner in which he shall do his work."
Relativ schnell sah man den control test aber als mit den Verhältnissen der modernen Industriegesellschaft nicht mehr vereinbar an. 66 Man stieß auf Probleme bei der Begründung der Haftung für spezialisierte Gehilfen, deren Sachkunde größer war als die des master. 61 Wie in Frankreich68 ist die Rechtsprechung deshalb bis heute zurückhaltend bei der Haftung von Krankenhausträgem für angestellte Ärzte. Nachdem die Verantwortlichkeit zunächst ganz abgelehnt wurde, 69 wird sie heute überwiegend bejaht, 70 Vg1.2. Kap.§ 1 Alll. Vgl. oben 2. Kap.§ 2 All 1. 62 Humberstone v. Northern Timber Mills (1949) 79 C.L.R. 389 (404); Collins v. Hertfordshire County Council [1947] K.B. 598 (615). 63 Salmond!Heuston, Law of Torts, Chap. 21.3 (S. 435). 64 Inhaltlich wurde schon in der Entscheidung R. v. Walker, (1958) 27 L.J.M.C. 207 (208), auf diese Weise argumentiert. 65 (1880) 6 Q.B.D. 530 (532f.). 66 Die Ungeeignetheil des "control test" wurde schon 1947 vom kanadischen Privy Council in Montreal v. Montreal Locomotive Works Ltd. [1947] D.L.R. 161 (169), hervorgehoben: "In the more complex conditions of modern industry, more complicated tests have often to be applied. ". Vgl. auch Global Plant Ltd. v. Secretary ofStatefor Social Services [1972] 1 Q.B. 139 (150); Market lnvestigations v. Minister of Social Security [1969] 2 Q.B. 173 (183); Morren v. Swinton and Pendlebury Borough Council [1965]1 W.L.R. 576 (582f.); Cassidy v. Ministry of Health [1951] 2 K.B. 343 (352). Vgl. aus der neueren Rechtsprechung Lane v. Shire Roofing Co. (Oxford) Ltd. [1995] T.L.R. 104 (105). 67 Zur Verdeutlichung wird in der Literatur gerne die Aussage eines Kranfahrers, der in M ersey Docksand Harbour Board v. Coggins & Griffith (Liverpool) Ltd. [1947] A.C. 1 (20) mit den Worten wiedergegeben wird: "/ take no orders from anybody ". Atiyah, Vicarious Liability, Chap. 5, 2 (S. 46), schreibt, dies demonstriere .. the impossibility of taking the control test too seriously in the modern world". 68 Vgl. oben 2.Kap.§2 All 1. 69 Hillyer v. The Governors of St. Bartholomew's Hospital [1909] 2 K.B. 820 (829): "But I see no groundfor holding [. ..] that the hospital authority makes itself liable in damages, if 60
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teilweise aber- wohl wegen anhaltender Bedenkenangesichts der besonderen Fachkunde der Ärzte - auf eine oft kaum näher untersuchte eigene Pflichtverletzung des Krankenhauses gestützt: In Gold v. Essex County Coucil stellt Lord MacKinnon 11 ausdrücklich fest, ein Chirurg sei kein Gehilfe, der Krankenhausträger hafte aber für die Verletzung eigener (Organisations-)Pflichten. Lord Goddard12 schreibt in derselben Entscheidung, der Krankenhausträger hafte für die Pflichtverletzung des Arztes. 73 Insgesamt sind die Grenzen zwischen primary und vicarious liability im Bereich der Krankenhaushaftung durch die uneinheitliche Rechtsprechung problematisch verschwommen. 74 Gegen den control test wurde zudem eingewandt, dass eine effektive Kontrolle in einem größeren Betrieb praktisch kaum möglich sei.75 So hält Kahn-Freund16 etwa die Annahme einer Kontrollmöglichkeit in modernen Verhältnissen für ,.almost grotesque ". b) Part of the Business Eine große Rolle spielt seit dem Bedeutungsverlust des control test in der Rechtsprechung die organisatorische Eingliederung des servant in den Betrieb des master (organisation test). Lord Denning71 schreibt: "One feature which seems to run through the instances is that, under a contract of service, a man is employed as part ofthe business, and his work is done as an integral part ofthe business; whereas under a contractfor services, his work, although donefor the business, is not integrated into it but is only accessory to it. " members ofits professional staff [ ...] act negligently towards the patient in some matter ofprofessional care or skill ... ". 70 Vgl. Collins v. Hertfordshire County Council [1947] K.B. 598 (Chirurg); Gold v. Essex County Council [1942] 2 K.B. 293 (Radiologe); Cassidy v. Ministry of Health [1951] 2 K.B. 343 (Amtsarzt). 7 1 [1942] 2 K.B. 293 (308). n [1942] 2 K.B. 293 (313). 73 Ähnlich war es in der Entscheidung Cassidy v. Ministry ofHealth, [1951] 2 K.B. 343. Dort wird offengelassen, ob ein master and servant relationship vorlag, da jedenfalls eine eigene Pflichtverletzung des Krankenhauses vorgelegen haben soll, vgl. Lord Denning, a. a. 0. S. 364. Lord Singleton schreibt in derselben Entscheidung (a. a. 0., S. 358 f.), es sei schwierig für den Geschädigten, die schuldhafte Pflichtverletzung eines bestimmten Gehilfen zu beweisen, und er scheint deshalb ebenfalls auf eine Organisationspflichtverletzung abzustellen. Kahn-Freund, (1951) 14 M.L.R. 504 (506f.), schreibt dazu: "Although there is afaint indication in the Judgement of Singleton L.J. that the hospital authority might be liable for Iack of co·ordination of the work, the decision rests fairly and squarely on vicarious liability and not on the master's culpa in eligendo or failure to provide a, safe system' ." 74 Vgl. neben den soeben genannten Entscheidungen etwa auchAlbrighton v. Royal Prince Alfred Hospital [1980] 2 N.S.W.L.R. 542ff. 75 Clerk/Lindsell, Torts, Nr.5-08; Salmond!Heuston, Law of Torts, Chap. 21.3 (S. 437). 76 (1951) 14 M.L.R. 504 (506). 77 Stevenson,Jordan and Harrison Ltd. v. Macdonald [1952] 1 T.L.R. 101 (111).
§ 3 Das englische Recht
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Im Unterschied zum control testwird hier nicht danach gefragt, ob dermasterdas "Wie", sondern ob er das "Wo" und "Wann" der Tätigkeit bestimmen kann. 78 Oft wurden auch nur Teilaspekte der Eingliederung herangezogen wie Fragen nach Arbeitsort, 79 Arbeitszeit, 80 Ausrüstung 81 oder der Dauer der Anstellung. 82 In der Entscheidung Ready Mixed Concrete (South East) Ltd. v. Minister of Pension & National Insurance 83 beschäftigte ein Betonunternehmen sogenannte "owner drivers" zur Betonauslieferung. Sie mussten ihre Fahrzeuge selbst anschaffen und unterhalten; die Anschaffung wurde aber von einem FinanzdienstleisteT derselben Unternehmensgruppe finanziert. Die Fahrer hatten die Wagen in den Firmenfarben zu lackieren, durften sie nicht eigenmächtig anderweitig verwenden und nicht verkaufen. Die Fahrzeuge waren stets bereit zu halten, und die Fahrer mussten sicherstellen, dass sie telefonisch erreichbar waren. Schließlich enthielt eine Vertragsklausei die Pflicht der Fahrer, alle Anweisungen so sorgfältig auszuführen, "as if he were an employee of the company ". Obwohl dieser Sachverhalt eigentlich ein Paradebeispiel für den organisatorisch eingegliederten Gehilfen ist, genügten die Anzeichen dem Gericht erstaunlicherweise84 nicht. Nach Ansicht J. McKennas hatten die Fahrer genügend Möglichkeiten der eigenen Gestaltung der Ausführung ihrer Aufgaben insofern, als sie die Arbeit delegieren und etwa entscheiden konnten, wo sie ihren Kraftstoff beziehen. 85
In vielen Fällen wird man mit dem organisation test zu sachgerechten Ergebnissen kommen, 86 das eigentliche Manko liegt aber darin, dass man in Grenzfällen 78 Clerk/Lindsell, Torts, Nr. 5-09; Kahn-Freund (1951) 14 M.L.R. 504 (507). Kidner, (1995) 15 L.S.47 (61), hält den "organisation lest" für zweigeteilt: Zum einen gehe es um die Frage, ob die Tätigkeit der Hilfsperson essentiell für einen Betrieb, zum anderen darum, ob die Hilfsperson strukturell eingegliedert sei. 79 Danach wurde in der Entscheidung Simmons v. Heath Laundry Co. [1910] I K.B. 543 (550), abgegrenzt. Ausdrücklich nicht für ausreichend gehalten wurde hingegen in der Entscheidung WHPT Housing Association Ltd. v. Secretary of State for Social Services [1981] l.C.R. 737 (750), dass ein Architekt im Büro seines Auftraggebers arbeitete. 80 Vgl. etwa WHPT Housing Association Ltd. v. Secretary ofState for Social Services [ 1981] l.C.R. 737 (751 ). Trotz der freien Wahl der Arbeitszeit wurden die Beschäftigten in der Entscheidung Nethermere (St. Neots) v. Gardiner, [1984] l.C.R. 612, als Arbeitnehmer angesehen. 81 Vgl. Binding v. Great Yarmouth Port and Haven Commissioners (1923) 16 B.W.C.C. 28 (33). 82 Vgl. Wickens v. Champion Employment [1984] l.C.R. 365 ff.; Stagecraft Ltd. v. Minister of National Insurance 1952 S.C. 288 (302). Auch lediglich für bestimmte Aufgaben angestellte Gehilfen könnenjedoch servants sein, vgl. Sadler v. Henlock (1855) 4 E. & B. 570 (577f.), und Atiyah, Vicarious Liability, Chap. 6, 11 (S. 67). 83 [1968] 2 Q.B. 497ff. 84 Kritisch zu dieser Entscheidung auch v. Bar, Gemeineuropäisches Deliktsrecht, § 3 Rn.340. 85 Ready Mixed Concrete (South East) Ltd. v. Minister of Pensions & National Insurance [1968] 2 Q.B. 497 (526). 86 Probleme gibt es nur etwa, wenn ein Arbeiter für mehrere Arbeitgeber gleichzeitig eingesetzt ist, so in der Entscheidung Lee v. Chung [1990] I.R.L.R. 236 (240).
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2. Kap.: Die Haftung für Hilfspersonen im Europa der Gegenwart
schnell auf die Frage stoßen wird, unter welchen Voraussetzungen eine Hilfsperson organisatorisch eingegliedert ist. 87 Das Kriterium ist nicht hinreichend greifbar. Wohl deshalb schreibt J. McKenna 88 dazu: "This raises more questions than I know how to answer." c) Financial Risk/Own Account In eine ähnliche Richtung wie die Frage nach der organisatorischen Eingliederung geht der Ansatz, darauf abzustellen, auf wessen Rechnung der Gehilfe arbeitet: .,ls the person who was engaged hirnselfto perform these services performing them as aperson in business on his own account? Jfthe answer tothat question is ,yes' then the contract is a contract for services. lf the answer is ,no' then the contract is a contract of service. " 89
Zu fragen ist demnach, wer finanziell von der Ausführung profitiert und auf der anderen Seite das Risiko des Verlustes trägt. 90 Die Abgrenzung nach dem ., business on his own account test"- teilweise als "fundamental test" bezeichnet91 - ist in der späteren Rechtsprechung auf Kritik gestoßen. 92 Lord Stephenson 93 merkt etwa an, dass dieses Kriterium versage, wenn es nicht um die Frage gehe, ob Werk- oder Dienstvertrag, sondern ob überhaupt ein über einzelne Aufträge hinausgehender Vertrag vorliege. 94
87 Ähnlich in etwas anderem Zusammenhang J. Mason, Stevens v. Brodribb Sawmilling Pty. Co. Ltd. (1986) 160 C.L.R. 16 (28): .,The test does no more than shift thefocus of attention to the equally difficult question of determining when a person is part of an organization ... ". 88 Ready Mixed Concrete (South East) Ltd. v. Minister of Pensions & Nationallnsurance [1968] 2 Q.B. 497 (524). 89 Market Investigations v. Minister of Social Security [1969] 2 Q.B. 173 (184). Übernommen wurde diese Voraussetzung etwa in den Entscheidungen 0' Kelly v. Trusthause Forte Pie. [1983] I.C.R. 728 (745), undAirfix Footwear Ltd. v. Cope [1978] I.C.R. 1210 (1214). 90 Vgl. Lane v. Shire Roofing Co. (Oxford) Ltd. [1995] T.L.R. 104 (105); Global Plant Ltd. v. Secretary ofState for Social Services [ 1972] 1 Q.B. 139 ( 150 ff. ). Dies ist auch eines der Merkmale, die Lord Wright in der Entscheidung M ontreal v. Montreal Locomotive Works Ltd. [ 1947] D.L.R. 161 (169), nennt; vgl. dazu auch unten 2.Kap.§ 3 All 1 e. 9t Market Jnvestigations v. Minister of Social Security [1969] 2 Q.B. 173 (184). 92 Vgl. WHPT Housing Association Ltd. v. Secretary of State for Social Services [1981] I.C.R. 737 (749); Nethermere (St. Neots) Ltd. v. Gardiner [1984] I.C.R. 612 (619): .,But to accept it as the .fundamental' test is I think misleading,for it is no more than a useful test." 93 Nethermere (St. Neots) v. Gardiner [1984] I.C.R. 612 (619f.). 94 Das war problematisch in der Entscheidung Nethermere (St. Neots) Ltd. v. Gardiner, [1984] I.C.R. 612. Dort ging es darum, ob sogenannte "homeworkers", die in regelmäßigen Abständen Arbeit von einem Unternehmen bekamen, als Arbeitnehmer anzusehen waren. Das Gericht zog als Kriterium heran, ob gegenseitige Verpflichtungen (mutual obligations) vorlagen. Um diese Frage zu klären, wurden aber letztlich wieder andere Kriterien herangezogen, vgl. a. a. 0., S. 626.
§ 3 Das englische Recht
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d) Intention of the Parties Nur am Rande eine Rolle spielen kann der Wille der Parteien, ob sie einen contract ofserviceoder einen contractfor servicesabschließen wollten. In vielen Fällen werden die Vertragspartner etwa deshalb die Bezeichnung "independent contractor" in den Vertrag aufnehmen, um steuerrechtliche Vorschriften im Verhältnis Arbeitnehmer-Arbeitgeber zu umgehen. Liegt offensichtlich inhaltlich ein contract of service vor, ist eine Falschbezeichnung unerheblich.95 Der Parteiwille kann allenfalls Indizwirkung haben, 96 keinesfalls aber ausschlaggebend sein. 97 So war in Ferguson v. lohn Dawson Partners (Contractors) Ltd.98 ein Bauarbeiter nach allen Umständen (insbesondere wegen der umfangreichen Kontrollbefugnisse des master) als Arbeitnehmer anzusehen, woran die vertragliche Bezeichnung als "self-employed labour only sub-contractor" nichts ändern konnte. 99 Ergibt sich aus den Umständen allerdings nicht eindeutig, dass ein master and servant relationship vorliegt, muss dem Parteiwillen eine größere Bedeutung zukommen. 100 Die Parteivereinbarung als maßgeblich angesehen hat der High Court of Justice offenbar in der dargestellten 101 Entscheidung Ready Mixed Concrete (South East) Ltd. v. Minister of Pensions & National Insurance, 102 obwohl die Vertragsklauseln augenscheinlich darauf ausgerichtet waren, den Anschein eines contract of service zu vermeiden.
9s Johnson v. Coventry Churchill International Ltd. [1992] 3 All E.R. 14; Young & Woods Ltd. v. West [1980] I.R.L.R. 201 (202); Ferguson v. Dawson Partners (Contractors) Ltd. [1976] 3 All E.R. 817 (820ff.; 830ff.); Global Plant Ltd. v. Secretary of State for Social Services [1972]1 Q.B. 139 (153). Vgl. auchReady Mixed Concrete (South East) Ltd. v. Minister ofPensions & National Insurance [1968] 2 Q.B. 497 (513). % Vgl. auch Global Plant Ltd. v. Secretary of State for Social Services [1972] 1 Q.B. 139 (153). 97 So im Ergebnis auch Clerk/Lindsell, Torts, Nr. 5-04; Jones, Torts, Chap. 8.4.3 (S. 377). Gleiches muss auch für die Bezeichnung der Vergütung im Vertrag oder durch die beteiligten Personen gelten, die nur "a matter offashion and etiquette" ist; vgl. Performing Righ Society Ltd. v. Mitchel and Booker (Palais de Danse) Ltd. [1924] 1 K.B. 762 (766). 9s [1976] 3 All E.R. 817 (827, 830). 99 A. A. in dieser Entscheidung aber- von der Mehrheitsentscheidung abweichend- Lord Lawton, a. a. 0., S. 827 ff., der meint, die Intention der Parteien sei hier dominierend und letztlich trotz entgegenstehender Faktoren entscheidend. 100 Ready Mixed Concrete (South East) Ltd. v. Minister of Pensions & National Insurance [1968] 2 Q.B. 497 (513); Atiyah, Vicarious Liability, Chap. 6, 12 (S. 67f.); Clerk/Lindsell, Torts, Nr. 5-04. Als entscheidend angesehen wurde der Wille der Parteien beispielsweise auch in Massey v. Crown Life Insurance [1978]2 All E.R. 576 (581 f.). 101 Vgl. oben 2. Kap.§3 All 1 b. 102 [1968]2 Q.B. 497ff.
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e) Multiple test Es lässt sich heute für das englische Recht anders als für das deutsche oder französische kein Kriterium nennen, das in der Rechtsprechung dominiert. Es wird anband einer Gesamtbetrachtung abgegrenzt, bei der die meisten der genannten Kriterien bis heute eine Rolle spielen. 103 Es ist dabei mehr oder weniger erfolgreich versucht worden, einen abschließenden Katalog relevanter Kriterien zu nennen. 104 Eine kaum hilfreiche Auflistung von Merkmalen stellt etwa]. McKenna 105 zusammen: "The servant agrees that, in consideration of wage or other remuneration, he will provide his own work and skill in the performance of some service for his master. He agrees, ex· pressly or impliedly, that in the performanceofthat service he will be subject to the other's control in a sufficient degree to make that other master. The other provisions of the contract are consistent with its being a contract of service."
Sowohl die zweite als auch die dritte genannte Voraussetzung enthalten petitiones principii. Brauchbarer ist die Aufstellung von Lord Wright 106, der folgende Kriterien für entscheidend hält: ,.control", ,.ownership ofthe too/s", ,.chance ofprofits" und ,.risk of loss". Noch etwas vollständiger ist die Zusammenstellung von J. Cooke101, der danach differenzieren will, " ... whether the man performing the services provides his own equipment, whether he hires his own helpers, what degree offinancial risk he takes, what degree ofresponsibility for in· vestment and management he has, and whether and how far he has an opportunity ofprofiring from sound management in the performance of his tasks. " 108
In Anwendung dieser Kriterien, die stark auf den Einsatz des servant im Wirtschaftsverkehr zugeschnitten sind, behandelt die englische Rechtsprechung im Ergebnis bestimmte Bereiche anders als die deutsche und französische. So ist sie nur sehr zurückhaltend mit der Annahme der vicarious liability bei Gefalligkeitsdiensten, auch wenn die Zahlung eines Entgelts nicht notwendige Voraussetzung der Haf103 Vgl. WHPT Housing Association Ltd. v. Secretary of State for Social Services [1981] I.C.R. 737 (749); Ferguson v. Dawson Partners (Contractors) Ltd. [ 1976] 3 All E.R. 817 (829); Market lnvestigations v. Minister of Social Security [1969] 2 Q.B. 173 (184); Ready Mixed Concrete (South East) Ltd. v. Minister of Pension & National Insurance [1968] 2 Q.B. 497 (515); Winjield/Jolovicz, Tort, Chap. 20 (S. 698); Clerk!Lindsell, Torts, Nr. 5-10. 104 J. Cooke schreibt dazu in Market lnvestigations v. Minister of Social Security [1969] 2 Q.B. 173 (184): "No exhaustive Iist has been compiled and perhaps no exhaustive Iist can be compiled of the considerations which are relevant in determining that question ... ". 105 Ready Mixed Concrete (South East) Ltd. v. Minister of Pensions & National Insurance [1968] 2 Q.B. 497 (515). 106 Montrea/ v. Montrea/ Locomotive Works Ltd. [1947]1 D.L.R. 161 (169). 107 Market lnvestigations Ltd. v. Minister of Social Security [1969] 2 Q.B. 173 (184). 108 Flannigan, (1987) 32 U.T.L.J. 25 (60), schreibt, dies alles seien Aspekte der Kontrollmöglichkeit des master.
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tung ist. 109 So soll etwa ein Hundebesitzer nicht für einen Freund haften, der den Hund des Ersteren ausführt, wenn ein Fußgänger über die unvorsichtig gehaltene Leine stolpert. 110 2. Independent Contractors
Aus den genannten Abgrenzungskriterien ergibt sich auch, dass der Auftraggeber für den independent contractor grundsätzlich nicht nach den Regeln der vicarious liability haftet. Nur selten wurde in der Rechtsprechung ausdrücklich an diesem Prinzip gerüttelt. J. Staughton hat die Ausdehnung der vicarious liability auf independent contractors in der Entscheidung McDermid v. Nash Dreding and Reclamation Co. Ltd. 111 in erster Instanz angenommen. Er führt dazu lapidar aus:" ... ifthat involves any novel doctrine, so be it. The common law would become obsolete if it did not develop to meet new situations. ". 112 Der Court ofAppea/ 113 und das House of Lords 114 haben die Entscheidung zwar im Ergebnis bestätigt, die Aussage J. Staughtons aber ausdrücklich für nicht zutreffend erklärt und die Haftung auf die primäre Verantwortlichkeit des Auftraggebers gestützt. 115 In der Literatur wird teilweise eine weitergehende Auffassung vertreten. McKendrick116 sieht angesichts des starken Anstiegs der Selbständigkeit bzw. Scheinselbständigkeit ein großes Bedürfnis für die Einbeziehung bestimmter independent contractors in die Doktrin der vicarious liability. 111 Die Lösung des Problems wird vor allem im Abschied vom klassischen Verständnis der Begriffe "master" und "servant" bzw. "employer" und "employee" im BeVgl. oben 2.Kap.§3 Fn.55. Nottinglulm v. Aldridge [1971] 2 Q.B. 739 (749). 111 Teilweise abgedruckt in den nachfolgenden Entscheidungen des Court ofAppeal, [1986] Q.B. 965 ff., und des House of Lords, [1987] 1 A.C. 906ff. 112 Abgedruckt in McDermid v. Nash Dredging and Reclamation Co. Ltd. [1987] 1 A.C. 906 (914). 113 McDermid v. Nash Dredging and Reclamation Co. Ltd. [1986] Q.B. 965 (972ff.). 114 McDermidv. NashDredging andReclamation Co. Ltd. [1987] 1 A.C. 906 (918); vgl. zu dieser Entscheidung und zu den Problemen, die auch die Entscheidung des H ouse ofLords aufwirft unten 2. Kap.§ 3 BI I d. 115 In Stevens v. Brodribb Sawmilling Pty. Co. Ltd., (1986) 160 C.L.R. 16 (28), diskutiert J. Mason, ob nicht die vicarious liability immer dann eingreifen solle, wenn die Hilfsperson "integral part ofthe business" des Auftraggebers sei, unabhängig davon, ob es sich um einen servant oder einen independent contractor handele. Er verwirft dies dann aber selbst als zu vages Abgrenzungskriterium und bezweifelt, "that the suggested test moves any closer towards a clarification of the fundamental problems of vicarious liability ". 116 ( 1990) 53 M.L.R. 770 (771 ). 117 Er schreibt: "The existence of such a /arge atypical workforce is likely to throw the doctrine ofvicarious /iability into crises. ", (1990) 53M.L.R. 770 (772). Die Ursache dieses Anstiegs sieht er vor allem in der Umgehung von Arbeitnehmerschutz- und Steuervorschriften. 109
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reich der vicarious liability gesehen. 118 Auch bestimmte Hilfspersonen, die etwa durch das Arbeits- oder Steuerrecht als independent contractors angesehen würden, sollen hinsichtlich der deliktischen Haftung demnach employee bzw. servant sein können. 119 Dieser Vorschlag ist aber eher terminologischer Natur und beantwortet noch nicht die Frage, wie man dann den nur für den Bereich der vicarious liability zu definierenden Begriff des employee vom dem des independent contractor abgrenzt. 120 Es läuft im Ergebnis auf dasselbe hinaus, ob man die vicarious liability auf andere Hilfspersonen ausdehnt, die nach herkömmlicher Terminologie nicht servants sind oder ob man umgekehrt alle Verhältnisse, in denen die Verantwortlichkeit für einen anderen bestehen soll, als Fälle eines master and servant relationship definiert. Allerdings macht es durchaus Sinn, die Bestimmung des Haftungskreises vom arbeitsrechtlichen oder steuerrechtliehen Verständnis des Begriffs .. employee" zu lösen, ist doch der Hintergrund der Begriffsbildung ein grundsätzlich anderer. 121 Die Forderung der Literatur, den Auftraggeber in bestimmten Fällen für seine independent contractors haften zu lassen, geht letztlich nicht über das hinaus, was in Deutschland 122 und Frankreich 123 bereits anerkannt ist. Die Rechtsprechung hält aber bislang nahezu ausnahmslos 124 am Ausschluss der independent contractors fest.
3. Mehrheit von servants oder masters a) Borrowed Servant In Fällen der Arbeitnehmerüberlassung sieht die Rechtsprechung nach wie vor 125 die Kontrolle über die Art der Ausführung als das entscheidende Abgrenzungskriterium an. 126 Zur Konkretisierung wurde etwa danach gefragt, "who is paymaster, who can dismiss, how long the alternative service lasts, what machinery is employed ... " 127 Obwohl häufig beide "Arbeitgeber" eine gewisse Kontrollmöglichkeit haben, sollen keinesfalls beide für die unerlaubte Handlung des Gehilfen verantwortMcKendrick (1990) 53 M.L.R. 770 (782ff.). Ähnlich auch Kidner (1995) 15 L.S. 47. 120 Vgl. Atiyah, Vicarious Liability, Chap. 3, 1 (S. 31). 121 Vgl. dazu auchKidner, (1995) 15 L.S.47 (55f.). 122 Vgl. oben 2.Kap.§ 1 AII2. 123 Vgl. oben 2.Kap.§2 AII2. 124 Anders nur die oben, 2. Kap.§ 3 Fn. 111, genannte erstinstanzliehe Entscheidung. 12s Ähnlich auch C/erk!Lindsell, Torts, Nr.S-21. 126 Mersey Docksand Harbour Board v. Coggins & Griffith (Liverpool) Ltd. [1947] A.C. 1 (17); F/eming, Law ofTorts, Chap. 19, 2 (S. 419); Jones, Torts, Chap. 8.4.31 (S. 377). 127 Mersey Docksand Harbour Board v. Coggins & Griffith (Liverpool) Ltd. [1947] A.C. 1 (17). Sofern sich aus alldem ergibt, dass der Arbeiter weiterhin servant des permanenten Arbeitgebers ist, kann auch eine ausdrückliche vertragliche Vereinbarung nicht dazu führen, dass der Arbeiter zum servant des ,,Entleihers" wird, a. a. 0., S. 13 f.; vgl. auch Rogers, Law ofTort, Chap. 2 C (S. 32). 118
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lieh sein. 128 In der Leitentscheidung Mersey Docks and Harbour Board v. Coggins & Griffith (Liverpool) Ltd. 129 war ein Kran mit Fahrer an Dritte überlassen worden. Was der Kranfahrer an welchen Einsatzorten tun musste, bestimmten die ,,Entleiher". In Ausführung der vom temporären Arbeitgeber bestimmten Aufgaben verursachte der Gehilfe einen Schaden. Das House of Lords entschied gleichwohl, dass der permanente Arbeitgeber vicariously liable für den Arbeiter war. Lord Macmillan 130 führt zur Begründung aus, dass die Entleiher ,.could direct him as to what they wanted him to do; but they had no authority to teil him how he was to handle the crane in doing his work". Im Regelfall sieht die Rechtsprechung den permanenten Arbeitgebers als verantwortlich an. Die Beweislast dafür, dass ausnahmsweise die Verantwortlichkeit auf den zeitweiligen Arbeitgeber übergegangen ist, obliegt dem permanenten Arbeitgeber.131 Lord Simon 132 meint: ,. ... this burden is a heavy one and can only be discharged in quite exceptional circumstances." Tatsächlich ist der Übergang nur selten angenommen worden. 133 Der zeitweilige Arbeitgeber soll allerdings für einzelne Weisungen verantwortlich sein und dafür aus eigenem Verschulden haften. 134 b) Superior Servant Die Einschaltung eines Zwischengehilfen ändert nichts an der Verantwortlichkeit des master für den subordinate servant. 135 Nicht verantwortlich für ihm unterstellte servants ist aber der Zwischengehilfe selbst. Möglich ist indessen seine primäre Verantwortlichkeit für eigenes Verschulden. 136 Diese Konstellation zeigt wiederum die Ungeeignetheit des control test, denn der Zwischengehilfe übt unzweifelhaft die Kontrolle über den subordinate servant aus. 137 Esso Petroleum Co. v. Hall Russell & Co. [1989] 1 All E.R. 37 (62). [1947] A.C. 1 ff. 130 Mersey Docksand Harbour Board v. Coggins & Griffith (Liverpool) Ltd. [1947] A.C. 1 (13). 131 Es ist einfacher, im Fall des ,,Entleihens" eines nicht spezialisierten Arbeiters ohne Maschinen von einem Übergang der Verantwortlichkeit auf den temporären Arbeitgeber auszugehen, als bei spezialisierten Arbeitern, die samt Maschinen ausgeliehen werden, vgl. Garrard v. A. E. Southey & Co. and Standard Telephonesand Cables Ltd. [1952] 2 Q.B. 174 (179); Mersey Docksand Harbour Board v. Coggins & Griffith (Liverpool) Ltd. [1947] A.C. 1 (17); Winfield! Jolovicz, Tort, Chap. 20 (S. 701 f.). Im letzteren Fall geht man nämlich regelmäßig davon aus, dass der permanente Arbeitgeber die entsprechenden Anweisungen zum Gebrauch der Maschine gegeben hat. 132 Mersey Docksand Harbour Board v. Coggins & Griffith (Liverpool) Ltd. [1947] A.C. 1 (10). 133 Etwa in der Entscheidung Gibb v. United Steel Companies Ltd. [1957] 1 W.L.R. 668ff. 134 V gl. Jones, Torts, Chap. 8.4.3.1 (S. 382). V gl. dazu auch die Ausführungen zum deutschen, 2.Kap.§ 1 AII3, und französischen Recht, 2.Kap.§2 AII3a. 135 Atiyah, Vicarious Liability, Chap.5, 1 (S.43). 136 C. Evans Ltd. v. Spritebrand Ltd. [1985] 1 W.L.R. 317 (323ff.). 137 Ähnlich Atiyah, Vicarious Liability, Chap. 5, 1 (S. 43). 128
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2. Kap.: Die Haftung für Hilfspersonen im Europa der Gegenwart
4. Fazit
Die Rechtsprechung zum master and servant relationship steht in England unter einem etwas anderen Vorzeichen als in Deutschland und Frankreich: Zum einen insofern, als sich die englische Rechtsprechung nicht auf ein einziges maßgebliches Kriterium geeinigt hat, sondern eine Vielzahl von Faktoren heranzieht, die allerdings teilweise nur untergeordnete Merkmale sind, die auch den Entscheidungen der deutschen und französischen Rechtsprechung letztlich zugrunde liegen. Zum anderen - und das ist der gewichtigere Unterschied - hält die englische Rechtsprechung streng daran fest, dass der Auftraggeber eines selbständigen Unternehmers nicht nach den Regeln der GescMftsherrnhaftung verantwortlich sein kann. 111. Servant's Tort
Der servant muss selbst einen anerkannten Deliktstatbestand verwirklicht haben. Diese Voraussetzung wird nirgends ausführlich behandelt 138 und hat offenbar nie zu Problemen geführt. 139 Allerdings genügt, wie oben 14Q bereits deutlich geworden ist, nicht allein die Deliktsrechtsverwirklichung durch den servant; da die vicarious liability eine adjektizische Haftung begründet, muss der Anspruch gegen den servant auch durchsetzbar sein. Hier kommt es zu Problemen, wenn der servant etwa wegen eines Prozesshindernisses selbst nicht verklagt werden könnte. 141 Diese Problematik, die Auswirkungen auf die Rechtsnatur der vicarious liability hat, wurde bereits behandelt; 142 am Erfordernis des Gehilfenverschuldeos ist dagegen nie gezweifelt worden. IV. Course of Employment
Die schädigende Handlung muss in the course ofemployment oder in the scope of employment 143 begangen worden sein; der servant darf nicht on afrolic of his own 144 gehandelt haben. 138 I ones, Torts, Chap. 8.4.2 (S. 376), zählt das Erfordernis neben dem master-servant-relationship und dem Handeln in course of employment immerhin auf, behandelt es aber nicht näher. Vgl. auch Gold v. Essex County Council [1942]2 K.B. 293 (305): "The masterwill not be liable for the act ofhis servant if he is only doing, without personal negligence, that which he is directed to do by such third party." 139 Zweigert!Kötz, Rechtsvergleichung, §41 IV3 (S.646). 140 Oben 2.Kap.§3 Al2. 141 Rogers, Law of Tort, Chap. 2, Fn. 34 a. E. (S. 30): .. The point has only been of importance where there has been some procedural bar to suing the employee." Deshalb wurde in der Entscheidung Broom v. Morgan, [1953] I Q.B. 597 (607), auf eine eigene Pflichtverletzung des master abgestellt; vgl. dazu ausführlich oben 2. Kap.§ 3 AI 2. 142 Vgl. oben 2.Kap.§ 3 Al2. 143 V gl. zur Verwendung der verschiedenen Termini die Zusammenstellung bei Atiyah, Vicarious Liability, Chap. 19, 1 (S. 173 f.). Auch bei der Frage nach dem course of employment wird auf die Rechtsprechung aus anderen Bereichen zurückgegriffen, etwa zum Social Security
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1. Der Funktionsbereich des servant Das Erfordernis "in the course of employment" wird mit der Frage konkretisiert: "what was the job on which [the servant] was engaged for his employer? ". 145 Soweit der servant sich im Rahmen seiner Aufgaben hält, ist die Haftung demnach unproblematisch zu bejahen. Allerdings sagt diese Frage nicht wesentlich mehr aus als die Phrase "in the course ofemployment" selbst. Die wohl berühmteste und von der Rechtsprechung 146 häufig zitierte ausführliche Definition stammt von Salmond 147 : Danach ist eine Handlung dann Teil der Ausführung,
" ... if it is either (1) a wrongful act authorised by the master, or (2) a wrongful and unauthorised mode of doing some act authorised by the master. lt is clear that the master is responsible for acts actually authorised by him:for liability would exist in this case, even if the relation between the parties was merely one of agency, and not one of service at all. But a master, as opposed to an employer of an independent contractor, is liable even for acts which he has not authorised, provided they are so connected with acts which he has authorised that they may rightly be regarded as modes- although improper modes- of doing them. { ...] On the other hand if the unauthorised and wrongful act of the servant is not so connected with the authorised act as tobe a mode of doing it, but is an independent act, the master is not responsible; for in such a case the servant is not acting in the course of employment, but has gone outside of it. " Es ist demnach zu fragen, ob die schädigende Handlung grundsätzlich in Erfüllung der Pflichten des servant gegenüber dem master erfolgte, mögen diese durch die konkrete Handlung auch verletzt sein, solange es sich bei der Abweichung von den Pflichten nur um einen Modus der vorgesehenen Ausführung handelt. 148 Wirkt der servant aber "as tobe in effect a stranger in relation to his employer with respect to the act which he has committed", 149 dann lag die Schadensverursachung außerhalb des course of employment. Act 1975, der ins. 50 (II) voraussetzt, dass ein Arbeitnehmer "in course of employment" gehandelt hat. · 144 Dieser Gegenbegriff ist aber nicht so allgemein anerkannt wie im deutschen die ,.Gelegenheit der Verrichtung" und wird nur vereinzelt verwendet. Vgl. Heasemans v. Clarity Cleaning Co. Ltd. [1987] I.C.R. 949 (954); Harrison v. Michelin Tyre Co. Ltd. [1985] I.C.R. 696 (701 f.); Launchbury v. Morgans [1971]2 Q.B. 245 (255); Twine v. Bean's Express Ltd. [1946] 62 T.L.R. 458 (459); Joel v. Morison (1834) 172 E.R. 1338 (1339). 145 1/kiw v. Samuels [1963] 2 All E.R. 879 (889). Älmlich Canadian Pacific Railway Co. v. Lockhart [1942] A.C. 591 (600): "In these cases thefirst consideration is the ascertainment of what the servant was employed to do. " Vgl. auch Rose v. Plenty [1976] 1 All E.R. 97 (102). 146 General Engineering Ltd. v. Kingston and St. Andrew Corporation [1988] 3 All E.R. 867 (869); Armagas Ltd. v. Mundagas S.A. [1986] A.C. 717 (737); 1/kiw v. Samuels [ 1963]2 AllE.R. 879 (8S4); Daniels v. Whetstone Entertainments Ltd. [1962]2 Lloyds Rep.1 (5); London County Council v. Gattermoles (Garages) Ltd. [1953] 2 All E.R. 582 (583); Warren v. Henlys Ltd. [1948]2 All E.R. 935 (937 f.); CanadianPacific Railway Co. v. Lockhart [1942] A.C. 591 (599); vgl. auch Keppe/ Bus Co. Ltd. v. Sa'ad binAhmad [1974]1 W.L.R. 1082 (1084). 147 Salmond/Heuston, Law ofTorts, Chap.21.5 (S. 443). 148 Älmlich Clerk/Lindsell, Torts, Nr. 5- 25. 149 Bugge v. Brown (1919) 26 C.L.R. 110 (118).
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Nicht mehr zum Aufgabenbereich des servant gehören etwa Fahrten zwischen der Wohnung eines Arbeitnehmers und der gewöhnlichen Arbeitsstelle, 150 wohl aber die Fahrt zu einem von der Arbeitsstelle verschiedenen Einsatzort, und zwar auch dann, wenn der Gehilfe direkt von seiner Wohnung aus dorthin fährt; hier ist die Fahrt bereits Teil der Arbeit. 151 Gleiches wurde für den Unfall eines Arbeitnehmers entschieden, der geschah, als dieser mit dem Fahrrad auf dem Betriebsgrundstück zu einem Büro fuhr, um sein Gehalt abzuholen. 152 Als "the very negation" 153 der eigentlich geschuldeten Tätigkeit und damit außerhalb des course ofemployment wurde es hingegen angesehen, dass eine Feuerwehrmannschaft, um den Forderungen in einer arbeitsrechtlichen Streitigkeit Nachdruck zu verleihen, die Fahrt zu einer Brandstelle derart verzögerte, dass das brennende Gebäude vollständig zerstört wurde. 154 2. Überschreitung der Befugnisse a) Implied Authority Liegt eine Tatigkeit außerhalb des gewöhnlichen Aufgabenbereichs, kann sie sich dennoch in course of employment abgespielt haben, wenn der servant mit konkludenter Erlaubnis gehandelt hat. 155 Die implied authority wird vor allem in Fällen relevant, in denen dem servant ein Ermessensspielraum bei der Ausführung seiner Aufgaben zusteht. 156 Hier ist dann zu prüfen, ob er sich innerhalb der Ermessensgrenzen bewegt hat. In bestimmten Bereichen ergibt sich die Befugnis aus dem Berufsbild, 157 und allein auf dieser Grundlage kann bereits eine gewisse Vermutung für die Befugnis des servant sprechen. 158 Eine Rolle spielte die "implied authority" 150 Smith v. Stages [1989] A.C. 928 (937, 955f.). Die Haftung wurde sogar in einem Fall verneint, in dem der Arbeitnehmer vertraglich verpflichtet war, ein bestimmtes Verkehrsmittel zu nutzen, vgl. Nottingham v. Aldrige [1971] 2 Q.B. 739 (747ff.); hierwurde allerdings schon das Verhältnis employer-employee für die Fahrt zur Arbeit verneint, obwohl es, da ein solches Verhältnis grundsätzlich vorlag, eher um die Frage des course of employment ging. 151 Smith v. Stages [1989] A.C. 928 (938f., 956); Nancollas v. Insurance Ojficer [1985] 1 All E.R. 833ff. 152 Staton v. National Coal Board [1957] 1 W.L.R. 893 (894ff.). 153 General Engineering Services Ltd. v. Kingston and St. Andrew Corp. [1988] 3 All E.R. 867 (870). 154 General Engineering Services Ltd. v. Kingston and St. Andrew Corp. [1988] 3 All E.R. 867 ff. Vgl. zur ähnlichen Stellungnahme der Cour de cassation zum französischen Recht oben 2.Kap.§2 AIV2b(2). 155 Vgl. zur Unterscheidung zwischen .,expressive" , .,imp/ied " und .,ostensible authority" Atiyah, Vicarious Liability, Chap. 19,5 (S.l78). 156 Atiyah, Vicarious Liability, Chap. 22, 1 (S. 209ff.); Jones, Torts, Chap. 8.4.4.1 (S. 385); Stoljar (1949) 12 M.L.R. 44 (46). 157 Vgl. für den company secretary etwa Panorama Developments (Guildford) Ltd. v. Fidelis Furnishing Fabrics Ltd. [1971] 2 Q.B. 711 (716ff.), dort wurde allerdings ostensible authority angenommen, vgl. dazu unten 2.Kap.§3 AIV2b. 158 Im Regelfall wird es aber nicht genügen, wenn der Kläger beweist, dass der Gehilfe einen bestimmten Beruf ausübt, in dem er nach allgemeiner Lebenserfahrung die Befugnis zu der
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etwa in der Entscheidung Poland v. Parr & Sons 159: Ein Arbeitnehmer hatte einem Minderjährigen, von dem er annahm, er wolle Zucker seines Arbeitgebers stehlen, mit der Hand in den Nacken geschlagen, woraufhin der Jugendliche stürzte und sich verletzte. Obwohl der Arbeitnehmer nicht angestellt war, um das Eigentum des master zu bewachen, wurde der Letztere für verantwortlich gehalten. 160 Begründet wurde dieses Ergebnis damit, dass "a servant has an implied authority upon an emergency to endeavour to protect his master' s property if he sees it in danger or has reasonable groundfor thinking that he sees it in danger". 161 Hat dermastereine Handlung nur erlaubt und nicht ausdrücklich angeordnet, ist zusätzlich zur authority erforderlich, dass die Handlung zu seinem Vorteil oder in seinem Interesse geschah. 162 So haftet der master nicht, wenn der servant, dem es gestattet war, das Fahrrad des master für die Mittagspause zu nutzen, damit einen Schaden anrichtet. 163
b) Ostensihle Authority Bestand weder eine ausdrückliche noch eine stillschweigende Befugnis zur schädigenden Tätigkeit, hat der servant aber scheinbar mit der Befugnis seines master gehandelt, wird in bestimmten Fällen ebenfalls die vicarious liability bejaht. Voraussetzung der ostensible authority 164 ist, dass dermastereinen Rechtsschein zur Befugnis gesetzt hat; 165 es kann nicht genügen, dass der Gehilfe sich selbst als befugt ausgegeben hat. 166 Eine Rolle spielt dies vor allem in den Fällen des Betruges durch den servant. 167 fraglichen Handlung gehabt hätte, vgl. Atiyah, Vicarious Liability, Chap. 22, 2 (S. 211). In der Entscheidung Elizabeth Ga/1 Dicksan Neville v. C. & A. Mades Ltd., 1945 S.C. 175 (179ff.), wurde es aber beispielsweise für ausreichend erachtet, dass ein Gehilfe, der einen Kunden des Diebstahls beschuldigt und eingesperrt hatte, die Position eines Managers innehatte. 159 [1927] 1 K.B. 236ff. Die Begründung hatParallelen zu BGH, VersR 1955,205, vgl. oben 2.Kap.§ 1 AIV2a. 160 Lord Scruttan, Paland v. Parr & Sans [1927] 1 K.B. 236 (243), schreibt, die Tätigkeit gehöre noch zur ,.c/ass af authorized acts". Kritisch zu dieser Begründung Staljar (1949) 12 M.L.R. 44 (45f.). 161 Salmond!Heustan, Law ofTorts, Chap. 21.5 (S.445); vgl. auch D' Ursa v. Sansan [1939] 4 All E.R. 26 (29). 162 Vgl. Atiyah, Vicarious Liability, Chap. 20, 1 (S. 196). 163 Higbid v. R. C. Hammett Ltd. [1932] 49 T.L.R. 104ff.; Vgl. auch die ähnliche Entscheidungl.E. Morse & Co. Ltd. v. Hicks and Zinck [1955] 3 D.L.R. 265ff. 164 Fleming, Law ofTorts, Chap. 19, 3 (S.428), schreibt, dieses Merkmal sei ,.barrawedfram the law af cantract "; vgl. auch Alliance and Leicester Building Saciety v. Edgestop Ltd. [1994] 2 All E.R. 38 (55); Armagas Ltd. v. Mundagas S.A. [1986] A.C. 717 (752). 165 Atiyah, Vicarious Liability, Chap. 23 (S. 234). 166 Armagas Ltd. v. Mundagas S.A. [1986] A.C. 717 (783); Kaaragang Investments Pty. Ltd. v. Richardson & Wrench Ltd. [1981] 3 All E.R. 65 (70); Iones, Torts, Chap. 8.4.4.1 (S. 385f.). 167 Dazu eingehender unten 2.Kap.§ 3 AIV2d.
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c) Prohibition of an Act Bei vom master ausdrücklich verbotenen Tätigkeiten, die zu einem Schaden geführt haben, wird darauf abgestellt, ob nur ein bestimmter Modus der Ausführung oder ob eine bestimmte Art von Tätigkeiten insgesamt verboten war. 168 In Jqbal v. London Transport Executive 169 hatte etwa ein Busschaffner, dem dies ausdrücklich untersagt war, einen Bus seines Arbeitgebers in Abwesenheit des Fahrers umrangiert und dabei einen Schaden verursacht. DerCourt ofAppea/ 170 entschied, dass der Arbeitgeber nicht verantwortlich sei, weil es unter keinen Umständen zu den Aufgaben des Gehilfen gezählt habe, Busse selbst zu fahren. Anders entschied das Gericht aber im ähnlich gelagerten Fall Kay v. I. T. W Ltd. 171 : Ein Angestellter hatte entgegen einem ausdrücklichen Verbot einen LKW umrangiert und dabei einen Schaden verursacht. Der wesentliche Unterschied zum vorigen Fall lag darin, dass der LKW den Eingang zu einem Warenhaus blockierte und der Angestellte ihn wegfahren musste, um seine eigentliche Aufgabe fortsetzen und einen Gabelstapler in das Warenhaus zurückbringen zu können. 172 Da es hier zudem zu den Aufgaben des servant gehörte, kleinere Fahrzeuge zu fahren und dabei Hindernisse aus dem Weg zu räumen, 173 wurde das unerlaubte Fahren des LKW als Tätigkeit in course ofemployment angesehen. Außerhalb des Aufgabenbereichs befinden sich hingegen eigenmächtige Abstecher von Fahrten für den Arbeitgeber, 174 etwa um einem Freund einen Gefallen zu tun. 175 Die verbotswidrige Mitnahme von Dritten bei dienstlichen Fahrten gehört im Regelfall nicht zu den Aufgaben des servant und ist nicht nur ein Modus der eigentli168 Clerk/Lindsell, Torts, Nr. 5-26. Vgl. auch Twine v. Bean's Express [1946] 62 T.L.R. 458 (459). 169 (1973) 16 K.I.R. 329. 170 lqbal v. London Transport Executive (1973) 16 K.I.R. 329 (338); a.A. Fleming, Law of Torts, Chap.19, 3 (S.422). m [1968] 1 Q.B. 140. 172 Der Court ofAppeal, Kay v.l. T. W. Ltd. [1968] 1 Q.B. 140 (154, 156), führt aus, dass der masterzwar nicht für jede Tätigkeit in seinem Interesse hafte, dass aber " ... the line should be drawnfairly high infavour ofthe innocent sufferer injured by the act ofsomebody who was employed by the defendant employer and who was seeking to further that emp/oyer's interests ". m Kay v.l. T. W. Ltd. [1968] 1 Q.B. 140 (156). 174 Nicht jede Abweichung von der Fahrtroute kann freilich die Haftung des master ausschließen, vielmehr ist es "a question of degree as to how far the derivation could be considered aseparate journey", vgl. Storey v. Ashton (1869) L.R. 4 Q.B. 476 (480). Als Tätigkeit in the course of employment wurde etwa der kleinere Abstecher eines Fahrers angesehen, um etwas zu trinken, vgl. Chaplin v. Dunstan Ltd. [1938] S.A.S.R. 245 (250). Vgl. auch die wenig beachtete Auffassung Stoljars, (1949) 12 M.L.R. 44 (47f.), die vicarious liability basiere in den "Abstecher-Fällen" auf einem völlig anderen Haftungsgrund als gewöhnlich, nämlich darauf, dass dermasterden Geschädigten vor der Insolvenz des servant schützen müsse; der Autor spricht von einer "duality ofvicarious liabi/ity in English law", a. a. 0., S. 48. 175 Vgl. Hall v. Hallfax Transfer Co. Ltd. (1959) 18 D.L.R. (2d) 115 (118ff.); Storey v. Ashton (1869) L.R. 4 Q.B. 476ff.
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chen Tätigkeit. 176 Anders aber wurde in Rose v. Plenty 111 entschieden: Hier hatte ein Milchmann auf seinem Wagen einen 13jährigen Jungen mitfahren lassen, der ihm beim Austragen der Milch half. Der Milchmann verursachte fahrlässig einen Unfall, bei dem der Junge verletzt wurde. Die Haftung des Arbeitgebers wurde bejaht, weil hier der Mitfahrer zur Erfüllung der Verpflichtung gegenüber dem Arbeitgeber verwendet wurde; 178 ähnlich liegt es, wenn ein Fahrer einen Dritten mitnimmt, um sich den Weg zeigen zu lassen. 179 Abgestellt wird also darauf, ob der servant im Interesse desmastergehandelt hat. Aufschlussreich ist an diesen "Mitnahme-Billen" überdies, dass der Fahrer hinsichtlich der vicarious liability in bestimmten Fällen gewissermaßen eine "doppelte Persönlichkeit" bekommt. Er kann nämlich gegenüber einem dritten Verkehrsteilnehmer bei einer Dienstfahrt in course of employment handeln, wenn er auch gegenüber dem Mitgenommenen das Fahrzeug nicht in Ausführung der Verrichtung steuert. 180 Denn die Mitnahme wii:d dem Dritten gegenüber nur als .. improper mode" einer erlaubten Tätigkeit angesehen, dem Mitgenommenen gegenüber aber nicht, auch wenn es sich bei der Fahrt sonst um die weisungsgemäße Ausführung eines Auftrags des master handelt. Auch in der folgenden Konstellation kann es zu einer Aufspaltung der Handlung kommen: Ein Arbeitnehmer war in einer Garage beschäftigt, um dort abgestellte Fahrzeuge zu bewachen und unternahm unbefugt eine Spritztour, bei der es zu einem von ihm verschuldeten Unfall kam. 181 Gegenüber einem geschädigten dritten Verkehrsteilnehmer war der Garageninhaber nicht vicariously liable, 182 wohl aber gegenüber dem Eigentümer des von ihm benutzten Fahrzeugs, da der servant im Verhältnis zu diesem gerade die seinenmastertreffende Bewachungspflicht verletzt hatte. 183 Wenn man sich auch über das Ergebnis einig ist, hält doch Lord Denning 184 diese Konstruktion für ,.confusing" und wirft die Frage auf, ,.how can the servant, on one and the same journey, be acting both within and without the course of employment? Within qua the car owner. Without qua [a third person}". 185 176 Twine v. Bean's Express Ltd. [1946] 62 T.L.R. 458 (459). Vgl. auch Conway v. George Wimpey & Co. Ltd. [1951]2 K.B. 266 (276). 177 [1976]1 All E.R. 97. 178 Rose v. Plenty [1976]1 All E.R. 97 (101). 179 Harvey/Marston, Tort, Chap. 17 (S. 578). 180 Vgl. Twine v. Bean's Express [1946]62 T.L.R. 458 (459). Dort ging es um die Verantwortlichkeit gegenüber einem verbotswidrig mitgenommenen und bei einem Unfall zu Schaden gekommenen Beifahrer. Das Gericht stellt ausdrücklich fest, dass sich der Fahrer gegenüber dem Beifahrer außerhalb, gegenüber Dritten aber innerhalb des course of employment befand: "[The driver] was infact doing two things at once. ". 181 Vgl. The Central Motors (Glasgow) Ltd. v. The Cessnack Garage and Motors Co. 1925 s.c. 796. 182 Clerk!Lindsell, Torts, Nr. 5-27. 183 Vgl. zum Ganzen Clerk!Lindsell, Torts, Nr. 5-39. 184 Morris v. C. W. Martin & Sons Ltd. [1966]1 Q.B. 716 (724f.). 185 Es ist deshalb der Versuch unternommen worden, die unterschiedliche Einordnung ein und derselben Handlung zu rechtfertigen, indem gegenüber dem Eigentümer auf die eigene
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Die Aufspaltung der Handlung mag zwar lebensfremd erscheinen, sie ist aber konsequent: Auf der einen Seite- gegenüber dem Eigentümer- wird die Pflicht des servant beurteilt, für den schadlosen Zustand des Fahrzeugs zu sorgen, und auf der anderen Seite- gegenüber dem Unfallopfer- geht es um die (allgemeine) Pflicht, keinen Verkehrsteilnehmer zu verletzen. 186 Die Rechtsprechung grenzt also letztlich nach den besonderen Pflichten des servant ab. Die Bedeutung dieser konkreten Pflichten des servant für die Frage danach, ob seine Handlung noch in course of employment liegt, wird auch deutlich in der Entscheidung Century /nsurance Co. Ltd. v. Northern Ireland Road Transport Board 181 : Beim Befüllen eines unterirdischen Tanks hatte der Fahrer eines Tankwagens ein brennendes Streichholz nach dem Anzünden einer Zigarette achtlos auf den Boden geworfen und eine Explosion verursacht. Obwohl das Anzünden einer Zigarette freilich nicht zu den Tätigkeiten des Arbeitnehmers gehörte, 188 hielt das Hause of Lords den Arbeitgeber für vicariously liable. Anders wäre es wohl zu beurteilen gewesen, wenn der Lastwagenfahrer ein Streichholz während der Fahrt aus dem Fenster geworfen und dadurch etwa einen Waldbrand verursacht hätte. 189 Denn nur im ersten Fall besteht ein enger Zusammenhang mit den speziellen Sorgfaltspflichten des Arbeitnehmers, 190 der master trägt hier das Betriebsrisiko der fahrlässigen Brandstiftung.
d) Straftaten des servant Ursprünglich wurde der master nicht für verantwortlich gehalten, wenn der servant sich vorsätzlich über seinen Aufgabenbereich hinwegsetzte, insbesondere Pflichtverletzung des master abgestellt wird; es soll sich also gar nicht um vicarious liability handeln, vgl. Morris v. C. W. Martin & Sons Ltd. [1966) 1 Q.B. 716 (725); Fleming, Law of Torts, Chap.19, 3 (S.425). Eine über die culpa in eligendo vel custodiendo hinausgehende Garantiehaftung des master, wie sie offenbar Fleming, a. a. 0., Chap.19, 3 (S.425), hier anwenden will, wird sich aber jedenfalls nur im Vertragsrecht begründen lassen. 186 Vgl. Clerk/Lindsell, Torts, Nr.5-39; Jolowicz [1965) C.L.J. 200 (202ff.); Winfield/Jolovicz, Tort, Chap. 20 (S. 713); vgl. auch Photo Productions v. Securior [1980) A.C. 827 (846). 187 [1942) A.C. 509. 188 So ausdrücklich Lord Wright, Century lnsurance Co. Ltd. v. Northern Ireland Road Transport Board [1942) A.C. 509 (519). 189 V gl. Zweigert/Kötz, Rechtsvergleichung, § 41 IV 2 (S. 644). V gl. auch Kirby v. National Coal Board 1959 S.L.T. 7 (lOf.): Hier war ein Brand entstanden, als ein servant den eigentlichen Arbeitsplatz kurz verlassen hatte, um eine Zigarette zu rauchen. 190 Vgl. Century lnsurance Co. Ltd. v. Northern Ireland Road Transport Board [1942) A.C. 509 (514): Lord Sirnon führt zum Verhalten des servant aus: "He was presumably close to the apparatus, and his negligence in starring smokingandin throwing away a lighted match at that moment is plainly negligence in discharge of his duties on which he was employed by the respondents."
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Straftaten beging, 191 jedenfalls wenn der master nicht von diesen profitierte. 192 Seit der Entscheidung Lloyd v. Grace Smith & Co. 193 wird dies so pauschal nicht aufrechterhalten. 194 Dort haftete ein solicitor für seinen Büroleiter, der eine Klientin betrogen hatte: "/f the agent commits the fraud purporting to act in the course of business such as he was authorised, or heldout as authorised, to transact on account of his principal, then the latter may be held liable for it. " 19s
Vor allem in Betrugsfallen wird ein Handeln in course of employment angenommen, wenn die oben bereits dargestellte Voraussetzung der "ostensible authority" erfüllt ist, der master also den Rechtsschein gesetzt hat, dass der Gehilfe mit seiner Befugnis handelt. 196 Lord Green 191 stellt in dem- einen ähnlichen Sachverhalt wie die soeben geschilderte "L/oyd-Entscheidung" betreffenden- Urteil Uxbridge Permanent Renefit Building Society v. Pickard fest: .. The very essence ofthe present case isthat the actual authority and the ostensible authority to {the servant/ were of a kind which, in the ordinary course of an everyday transaction, were going to Iead third persons, on the faith of them, to change their position ... •