Die Confessio Augustana im theologischen Wirken des Rostocker Professors David Chyträus (1530-1600) 9783666551680, 3525551681, 9783525551684


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Die Confessio Augustana im theologischen Wirken des Rostocker Professors David Chyträus (1530-1600)
 9783666551680, 3525551681, 9783525551684

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V&R

Forschungen zur Kirchen- und Dogmengeschichte

Herausgegeben von Adolf Martin Ritter

Band 60

Göttingen · Vandenhoeck & Ruprecht · 1994

Die Confessio Augustana im theologischen Wirken des Rostocker Professors David Chyträus (1530-1600) von Rudolf Keller

Göttingen · Vandenhoeck & Ruprecht · 1994

Die Deutsche Bibliothek - CIP-Einheitsaufnahme Keller, Rudolf: Die Confessio Augustana im theologischen Wirken des Rostocker Professors David Chytraus (1530-1600) / von Rudolf Keller. Göttingen: Vandenhoeck und Ruprecht, 1994 (Forschungen zur Kirchen- und Dogmengeschichte; Bd. 60) Zugl.: Leipzig, Kirchl. Hochsch., Habil.-Schr., 1992 ISBN 3-525-55168-1 NE: GT

© 1994 Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen Printed in Germany. - Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmung und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Druck und Bindearbeiten: Hubert & Co., Göttingen

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David Chyträus Sylva chronici Saxoniae Straßburg: Bernhard Jobin, 1590 Schwerin: Mecklenburgische Landesbibliothek Signatur: I h ΥΙΠ k, 302

Vorwort

Die vorliegende Arbeit wurde 1992 von der Kirchlichen Hochschule in Leipzig als Habilitationsschrift für das Fach Historische Theologie angenommen. Für den Druck wurde sie nur geringfügig überarbeitet und ergänzt. An dieser Stelle möchte ich festhalten, wem ich zu danken habe. Herr Professor Dr. Ernst Koch, Leipzig, der mir in vielen Jahren aus der Entfernung ein besonders kompetenter und kundiger Ratgeber und Gesprächspartner war, hat das Erstgutachten erstellt. Die weiteren Gutachten kamen von Professor Dr. Bengt Hägglund, Lund, und Professor Dr. Wolfgang Sommer, Neuendettelsau. Herr Professor Dr. Wolfgang Ratzmann, der letzte Rektor der Kirchlichen Hochschule Leipzig, war mir während des Verfahrens ein sachlicher und zugleich liebenswürdiger Gesprächspartner. Ihnen allen gilt mein herzlicher Dank für die kritische, sachliche und fundierte Ausführung ihrer wissenschaftlichen Verpflichtung. Sie haben darin für mich und meine historische Arbeit einen wichtigen und zugleich hilfreichen Dienst geleistet. Herr Professor Dr. Berndt Hamm, Erlangen, gewährte mir als seinem Assistenten neben den normalen Aufgaben in Forschung und Lehre den Freiraum, auf einem Gebiet zu arbeiten, das nicht direkt im Bereich seiner persönlichen Forschungsinteressen liegt. Meine Kirchenleitung, die Evangelisch-Lutherische Landeskirche Schaumburg-Lippe, gewährte mir für die Assistentenzeit Beurlaubung aus dem Dienst des Pfarramts. Ohne diese dankenswerten Rahmenbedingungen hätte die nun vorliegende Studie kaum zum Abschluß kommen können. Wer auf einem unbeackerten Feld zu graben anfängt, merkt bald, daß der Boden hart ist und seine Früchte nicht schnell trägt, ja sogar, daß manche Zuschauer nicht verstehen, warum man sich an dieser Stelle bemüht. Ich selbst war froh, daß am Ende der Bearbeitungsphase Ergebnisse zutage traten, die mich für die mühevolle Forschung am Detail belohnt haben. Auch für manche Fachkollegen im engeren Sinn ist ja die Epoche der Spätreformation nur in groben Umrissen vertraut. So war ein echtes Gespräch und ein wirklicher Austausch mit Kollegen, der für alle wissenschaftliche Arbeit so anregend und förderlich sein kann, nur in sehr seltenen Fällen möglich. Ich möchte deshalb allen denen besonders danken, die mir - sei es durch fachlichen Rat oder persönliche Zuwendung - Mut gemacht haben, meine Untersuchung ans Ziel

8

Vorwort

zu bringen. Besonders nenne ich nur die Professoren Karl Christian Felmy, Martin Karrer, Inge Mager, Otto Merk, Gerhard Müller, Reinhard Slenczka sowie Frau Dr. Sabine Pettke und Herrn Dr. Heinz Scheible, deren Interesse und Begleitung mir eine große Hilfe gewesen sind. Die Damen und Herren der Universitätsbibliothek Erlangen sowie der zahlreichen Bibliotheken und Archive, in denen verstreut Handschriften und Drucke von und über Chyträus zu finden sind, haben mir stets bereitwillige Hilfe und Unterstützung gewährt. In der zentralen Arbeitsphase waren ja für Chyträus wichtige Archivbestände nur durch Überschreitung einer Grenze zu erreichen, die inzwischen gefallen ist. Zu danken habe ich auch Herrn Professor Dr. Adolf Martin Ritter, Heidelberg, für die Aufnahme der Arbeit in die Reihe der »Forschungen zur Kirchenund Dogmengeschichte« und Herrn Verleger Dr. Arndt Ruprecht für die Bereitschaft zur Drucklegung und alles Entgegenkommen. Die Vereinigte Evangelisch-Lutherische Kirche Deutschlands hat den Druck durch die Gewährung eines Zuschusses gefördert. Bei der technischen Fertigstellung von Manuskript und Druckvorlage war mir die Hilfe von Georg Hujer und Frank Thiel eine große Erleichterung. Nicht zuletzt danke ich meiner Frau für ihr engagiertes Mitdenken und ihr Verständnis für die vielen Schreibtischstunden, auch an den Abenden und im Urlaub. Sie hat mich darüberhinaus bei Archivreisen und beim Lesen der Korrekturen aktiv unterstützt. Ich übergebe die Ergebnisse meiner bisherigen Chyträus-Studien nun der öffentlichen Diskussion im Kreis der interessierten Fachleute. Ich hoffe, damit einen Beitrag zur Erforschung einer kaum bekannten Epoche zu leisten und freue mich auf den kritischen Austausch über die behandelten Quellen und die gewonnenen Einsichten in die Bedeutung des Rostocker Professors für die Konsolidierung und Einigung des Luthertums in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts. Erlangen, im April 1994

Rudolf Keller

Inhalt

1 Einleitung

11

2 Historia der Augsburgischen Konfession 2.1 Die bisherige Textforschung 2.2 Die Druckausgaben

19 23 28

3 Der 3.1 3.2 3.3 3.4 3.5

33 33 35 44 48 56 56 59 62 68 76 77

deutsche Text der Historia Einleitendes Bis zur Verlesung der Confessio Augustana Der Text der Confessio Augustana Reaktionen auf die Confessio Augustana Ausgleichsverhandlungen 3.5.1 Briefliche Verständigung 3.5.2 Bericht 3.5.3 Dokumente 3.6 Kaiserliche Politik auf dem Reichstag 3.7 Textanhang 3.8 Die Frage der Einheit mit den Oberdeutschen

4 Der lateinische Text der Historia 4.1 Beobachtungen zur Entstehung 4.1.1 Das Vorwort von Matthias Ritter 4.1.2 Die Widmung an Johann III. von Schweden 4.2 Der Textbestand 4.2.1 Sondergut in der Darstellung des Reichstagsgeschehens 4.2.2 Kaiserliche Politik auf dem Reichstag 4.2.3 Textanhang 4.3 Die Frage der Einheit mit den Oberdeutschen

81 81 83 86 91 91 100 102 106

5 Ergebnisse und Einsichten

109

10

Inhalt

6 Historia der Augsburgischen Konfession in der Darstellung durch die Zeitgenossen 6.1 Georg Cölestin 6.2 Christof Hardesheim

115 115 119

7 Chyträus als Vertreter und Berater seiner Landesherren 7.1 Frankfurter Rezeß, 1558 7.2 Weimarer Disputation, 1560 7.3 Naumburger Fürstentag, 1561 7.4 Lüneburger Mandat, 1562 7.5 Augsburger Reichstag, 1566

131 132 134 141 149 153

8 Chyträus als Mitarbeiter an der Konkordienformel 8.1 Andreaes Konkordienwerbung, 1569 8.2 Gescheiterte Zwischenstationen 8.3 Vorstufen der Konkordienformel 8.3.1 Der Weg zur Schwäbisch-Sächsischen Konkordie, 1574/75 8.3.2 Das Torgische Buch, 1576 8.4 Das Bergische Buch, 1577 8.5 Die Vorrede zur Konkordienformel 8.6 Das Nachspiel

159 160 163 166 166 169 170 174 178

9 Die Confessio Augustana als Symbol

187

Bibliographie Gedruckte Quellen von Chyträus Werke anderer Autoren des 16. Jahrhunderts Handschriftliche Quellen Literaturverzeichnis Register Personenregister Ortsregister Sachregister

195 196 210 215 218 231 231 234 236

1 Einleitung

David Chyträus ist 1530 in Ingelfingen am Kocher in der Grafschaft Hohenlohe geboren1. Als Sohn eines evangelischen Pfarrers wuchs er im Kraichgaudorf Menzingen auf. Sein Vater war früh mit Johannes Brenz und Erhard Schnepf in Berührung gekommen. Er selbst studierte in Tübingen unter anderen bei Joachim Camerarius. Bereits 1544 wurde er in Tübingen Magister artium. Mit Empfehlungen kam er zu Melanchthon nach Wittenberg2. Die prägende Kraft seines Lehrers Melanchthon3 hat Chyträus nie geleugnet, auch nicht, als der Präzeptor Germaniae nicht mehr unumstritten war4. Der eigentliche Ort seines Wirkens war Rostock, wo er am 21. April 1551 seinen Dienst als Professor antrat. Erst zehn Jahre später erwarb er den theologischen Doktorgrad5. Nicht allein von diesen wenigen Daten seiner Jugend her war er ein Mann, der nichts hatte von der engen Besorgtheit um das territoriale Kirchentum. Die Vertrauensstellung, welche er bei seinem Landesherrn genoß, rief ihn trotz seiner nicht besonders großen Körperkräfte mehrfach in die Pflicht kirchlicher und kirchenpolitischer Arbeit auf Gebieten jenseits der Grenzen seines Herzogtums. Sein Bemühen um die Gestaltung kirchlichen Lebens in Österreich vor der Gegenreformation6, seine Tätigkeit bei der Gründung der Universität Helmstedt7 und seine Mitarbeit an der Konkordienformel8 sind die bekanntesten Pflichten, die er außer Landes auf sich nahm. Hinzu kommt, daß er sich in seiner akademischen Tätigkeit ausgespro-

1 Für die Schreibweise des Namens folgen wir dem Vorschlag von TRE und schreiben »Chyträus«. Davon wird nur in Zitaten aus den Quellen oder aus der Sekundärliteratur abgewichen, wo auch die Schreibweise »Chytraeus« vorkommt. 2 Die beste Darstellung über seinen Lebensweg bietet Thüringer, Chytraeus. Neuere Forschungen zu David Chyträus und seinem Bruder Nathan sind zusammengestellt in Glaser/Lietz/Rhein, Chytraeus. Für die Herkunft von Chyträus besonders aufschlußreich ist darin Lehsten, Genealogie. 3 Vgl. Heidorn, Geschichte 1, S. 44-47 mit Anm. in Bd. 2, S. 249f. 4 Vgl. Scheible, Pforzheim, S. 23f und 33. 5 Vgl. Krabbe, Chyträus, S. 92. 6 Vgl. Reingrabner, Geschehnisse, S. 26f, und Ziegler, Österreich, S. 126. 7 Vgl. Baumgart, Chyträus, und Baumgart, Bildungsreform, S. 188-191. 8 Vgl. Ebel, Herkunft, S. 254-264, und Koch, Aufbruch, S. 55.

12

1 Einleitung

chenermaßen auch als Historiker betätigte®. Trotz der an ihn ergangenen Berufungen 1 0 blieb er Rostock jedoch bis zu seinem Tod im Jahr 1 6 0 0 treu, dem Ort, der eine weite Ausstrahlung in die nordischen Länder hatte. Fast fünfzig Jahre hat er an der Universität Rostock gewirkt und sie geprägt 1 1 . Wir rufen uns diese Daten in Erinnerung, verdeutlichen uns damit vorläufig den Ort jenes Vertreters einer Zeit, die wir als »Spätreformation« oder E p o c h e der »Konfessionalisierung im Luthertum« bezeichnen 1 2 . Wir greifen in unserer Studie den Sektor aus Chyträus' Wirken 1 3 auf, der für sein Selbstverständnis als Schüler von Luther und Melanchthon besondere Aufschlüsse zu geben vermag 1 4 . Das kirchengeschichtliche Spezialwerk über die Augsburgische Konfession ist bisher in seinem Eigencharakter als Werk von Chyträus noch nicht 9 Vgl. Klatt, Chytraeus. 10 Vgl. Peter Barton, in: T R E 8, S. 88. 11 Seine letzten Lebensjahre waren von mancherlei Krankheit überschattet. Trotzdem hat er seine geistige Wirksamkeit fortgesetzt, bis er am 25. Juni 1600 im Alter von 7 0 Jahren starb. - Die Würdigungen, die ihm nach seinem Tod zuteil wurden - Reden seiner Freunde und die Leichenpredigt von Lucas Bacmeister wurden von seinem Sohn 1601 im Druck vorgelegt. Vgl. die Angaben unten in der Bibliographie zu: Vita Davidis Chytraei. 12 Zum Begriff der »Konfessionalisierung Deutschlands« vgl. Schilling, Aufbruch, S. 2 6 7 - 2 9 2 ; ders., Konfessionalisierung; Krumwiede, Konfessionalisierung, S. 3 7 44, und Neuser, Konfessionalisierung. - Der Verein für Reformationsgeschichte führte im September 1988 in Reinhausen bei Göttingen ein Symposion durch, das inzwischen dokumentiert ist in Rublack, Konfessionalisierung. Der Herausgeber selbst umschreibt dort die Aufgaben für die Forschung (Rublack, Konfessionalisierung, S. 2 9 - 3 2 ) . Im Rahmen dieses Symposions wurde auch mein Referat gehört: Keller, Confessio. 13 Vgl. die Angaben bei Heidorn, Geschichte 2, S . 2 4 9 , Anm. 41, und Barton, in: T R E 8, S. 89. 14 Wir schreiben an dieser Stelle nicht eine neue Biographie und auch keine Analyse seines Gesamtwerks. Das liegt daran, daß wie von der ganzen Epoche so auch von David Chyträus gilt, was Joachim Mehlhausen so festgehalten hat: »Aber auch die unübersichtliche Quellenlage und die gewaltige Masse des noch unerschlossenen gedruckten und ungedruckten Materials lassen eine qualifizierte Gesamtdarstellung der altlutherischen Orthodoxie als ein noch auf lange Zeit kaum zu bewältigendes Problem erscheinen. Zu ihrer Vorbereitung fehlen noch immer Einzeldarstellungen zu wichtigen Persönlichkeiten wie D. Chyträus, M. Chemnitz, C. Dannhauer, D. Hollaz, A. Quenstedt u. v. a.« (Mehlhausen, KG, S. 250). Diese Feststellung bleibt zunächst unberührt, denn wir können an dieser Stelle nur einen wesentlichen Teil der Wirksamkeit von Chyträus beleuchten, nicht hingegen sein Gesamtwerk. Freilich hätte Mehlhausen besser der Epoche der Spätreformation eigens Aufmerksamkeit widmen und sie nicht einfach als frühe Phase der altlutherischen Orthodoxie verorten sollen, weil das dem Eigengewicht jener Epoche vor und im unmittelbaren Umfeld der Konkordienformel nicht gerecht zu werden vermag. Aber diese Kritik müßte man außer an Mehlhausen auch an Rublack und viele andere richten.

1 Einleitung

13

erforscht. Was darüber in neuerer Zeit gearbeitet wurde, sind im wesentlichen Randprodukte aus der Forschung zu den am Geschehen von Augsburg direkt oder indirekt beteiligten Gestalten der Reformationsgeschichte, aber nicht eigene Forschungsbeiträge zu diesem historiographisch arbeitenden Vertreter der Spätreformation in Rostock. Dadurch ist die bisher geleistete Arbeit von der Textuntersuchung an15 mit gewissen Engführungen behaftet, so daß sie als Ertrag für die Chyträus-Forschung nur bedingt angesehen werden kann. Eine Werkanalyse der Historia der Augsburgischen Konfession im eigentlichen Sinn liegt bisher nicht vor. Otto Krabbe, der in seiner Biographie 1870 immerhin einige wichtige Schlaglichter darauf werfen konnte16, ist wegen mangelnder Kenntnis der inneren Zusammenhänge und Hintergründe nicht in der Lage gewesen, die diesbezüglichen Arbeitsprinzipien des Rostocker Theologen zeigen zu können. Der Charakter der CA und ihre Stellung in der Theologie der Spätreformation und speziell für Chyträus bringen es mit sich, daß wir ins Zentrum seiner Theologie kommen, wenn wir die Prinzipien dieses Historiographen aufzuzeigen versuchen. Auch die theologischen und kirchenpolitischen Entscheidungen des Mannes, der in der heutigen Kirchengeschichtsschreibung zu Unrecht am Rande steht, sind in wichtigen Fragen durch seine Bindung an die Confessio Augustana geprägt. Von hier aus haben wir einen Schlüssel zum Verständnis seines gesamten Wirkens. Die Untersuchung stellt dabei vor methodische Probleme, die wir vorab durchleuchten müssen. Wir haben die Absicht, eine Abhandlung über den theologischen Historiker in seiner Zeit vorzulegen. Doch erweist sich im Umgang mit den Texten, daß Chyträus' Geschichtsschreibung nur in ihrem Proprium erfaßt werden kann, wenn wir sehr genau wissen, worin seine spezifische Darstellungsart der Fakten und Gespräche auf dem Reichstag von 1530 begründet liegt. Wenn man sich vor Augen hält, daß der Theologe Chyträus nicht Autor im eigentlichen Sinn sein wollte, sondern Sammler der überlieferten Akten17, so stellt sich die Frage: wie geht er mit dem Textmaterial um? Diese Frage bezieht sich historisch zuerst und ausschließlich auf das Material, das ihm bei seiner Tätigkeit damals und in seinem Lebensraum zur Verfügimg stand, nicht auf das, was wir in der kirchengeschichtlichen Forschung am Ende des zwanzigsten Jahrhunderts kennen. Aus dem geschilderten Sachverhalt ergibt sich, daß wir das Thema der Geschichtsschreibung zum Augsburger Reichstag auf drei Ebenen zu durchleuchten hätten: 1. Der Geschehensverlauf auf dem Reichstag von Augsburg 1530 mit den ersten Folgeproblemen. 2. Überlieferung und Kenntnis der Dokumente als Quellen in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts. 3. Eigenart 15 Vgl. den Überblick über die bisherige Forschung am Text der Historia unten S. 23-28. 16 Vgl. Krabbe, Chyträus, S. 303-310. 17 Vgl. seine Bemerkungen am Schluß der Historia, Frankfurt 1580, Bl. 381b.

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1 Einleitung

und Absicht des Werkes aus der Feder des Theologen und Historikers David Chyträus. Der Stand der kirchengeschichtlichen Erforschung dieser drei Bereiche ist so, daß die dritte Ebene bisher noch nicht abgeschritten und vermessen ist. Für die erste und zweite Ebene sind wir gut, wenn auch nicht in immer gleichbleibender Dichte, unterrichtet18. Was die Hauptgestalten angeht, die den Verlauf des Reichstags geprägt haben, sind wir auf gutem Informationsstand. Die Dokumente der führenden evangelischen Theologen liegen in sorgfältig erarbeiteten Editionen vor. Auch wichtige Dokumente von altgläubiger Seite sind neuerdings kritisch ediert und interpretiert worden. Die Reichstagsakten liegen noch nicht in ihrer neusten Bearbeitung gedruckt vor, aber noch immer können wir auf die Arbeit von Förstemann und die in der Lutherausgabe von Walch (2. Auflage) mitenthaltenen Dokumente zurückgreifen. Aus diesen Gründen ist für die vorliegende Untersuchung der Weg zu beschreiten, daß wir unmittelbar in die Beschreibung der dritten Ebene eintreten19. Wir bedenken dabei angesichts der Vielfalt der Druckausgaben seines groß angelegten und umfangreichen Werkes, daß auch diese Ebene erst als wirklich vermessen gelten kann, wenn wir den Historiker Chyträus bei den Veränderungen von Auflage zu Auflage mit theologisch wachem Interesse sehr genau beobachten. Das ist die Aufgabe, die wir vor uns haben20.

18 Daß man in der Spätreformation so genau über die Gesprächslage in Augsburg Bescheid wußte, wird von der neueren Forschung zum Reichstag von 1530 und dem dort übergebenen Bekenntnis viel zu wenig zur Kenntnis genommen, geschweige denn ausgewertet. 19 Hätte man die erste und die zweite Ebene noch einmal neu exakt vermessen und die Kriterien dafür personen- beziehungsweise editionsübergreifend einheitlich festgelegt und beschrieben, so würde sich die Aufgabe vielleicht durch Anfertigung einer tabellarischen Einzeichnung lösen lassen. Ob man aber so den Theologen Chyträus verstehen könnte, ist mehr als fraglich. 20 Vgl. dazu ansatzweise Keller, Confessio, S. 244-246. Hinsichtlich der bei Chyträus überlieferten Luther-Briefe haben wir ein Beispiel einer tabellarischen Übersicht in den Nachweisen von WA.B 14, S. 611-615. Leider sind die Bearbeiter auf die wichtige deutsche Ausgabe der Historia, Frankfurt 1580, darin nicht eingegangen. (Der Vergleich zwischen der 2. und der 3. Auflage in WA.B 14, S. 439f wiegt dieses Defizit nicht auf.) Sehen wir davon ab, daß dies nur eine Tabelle über Luther-Briefe ist, so bliebe doch auch, wenn wir ähnliche Übersichten für Melanchthon, Justus Jonas und alle anderen hätten, das Desiderat, daß die wenigen Punkte auf der Karte Verbindungslinien und Farbe benötigen, damit man ahnen kann, wovon denn eigentlich geredet werden soll. Durch Statistik des Wortbestandes allein, so wichtig sie auch ist, kann die Aufgabe nicht gelöst werden. Wir müssen versuchen herauszuhören, was der Chronist mit den überlieferten Dokumenten sagen und theologisch begründen will. Dafür bietet der textkritische Vergleich der verschiedenen Auflagen und Fassungen hervorragende und unersetzliche Hilfen und Ansatzpunkte.

1 Einleitung

15

Wir versuchen in unserer Abhandlung, die deutsche Fassung von 1580 so zu analysieren, daß der Leser von der dritten Ebene aus zugleich eine Zusammenschau der erwähnten drei Ebenen vorgelegt bekommt. Diese Fassung greifen wir als Basis heraus, weil sie als Ausgabe letzter Hand gelten kann und man deshalb in die Erörterung darüber eine Synopse der deutschen Fassung in allen Auflagen einbauen kann. Unsere Analyse wird das Geschehen auf dem Augsburger Reichstag also zuerst so nachzeichnen, wie es sich für David Chyträus im Jahr 1580 darstellte. Was wir auf heutigem Forschungsstand über die erste Ebene des historischen Reichstagsgeschehens selbst und über die zweite Ebene der Textüberlieferung samt seiner Entwicklung in der Bearbeitung durch Chyträus wissen, wird in den Anmerkungsapparat verwiesen und dort für die partiellen jeweiligen Interessen festgehalten. Diese Zusammenschau, ohne die wir nichts von dem erfassen, was auf der dritten Ebene des theologischen Verständnisses über David Chyträus letzten Endes unsere ganze Aufmerksamkeit auf sich zieht, erfordert eine große Beschränkung und Konzentration, ja sie zwingt dazu, daß wir nur das Wichtigste in grober holzschnittartiger Konturierung festhalten. Nur so behält man im Auge, daß das Ganze ein einziges Bild und nicht eine Ansammlung von Einzelgemälden ist. Wenn man nicht darüber spräche, was es denn ist, was man da liest21, würde man Chyträus zum Archivar machen. Das wollte er aber bei aller Selbstbeschränkung nicht sein. Ein Archivar sammelt und pflegt, was er nur finden kann. Chyträus ging als Theologe seiner Zeit und in ganz bestimmten historischen Herausforderungen an die Arbeit einer Geschichtsdarstellung, die weitgehend aus den Dokumenten selbst und einer sachgemäßen Verbindung und Zuordnung bestand. Neben die Untersuchung des deutschen Texts in seinen verschiedenen Auflagen soll die Behandlung des lateinischen Texts treten. Wegen seines hohen Gewichts und der eigenen Akzente muß das in einem gesonderten Arbeitsteil geschehen, wenn auch in ständigem Rückbezug auf die Analyse des deutschen Texts. So gewinnen wir eine Basis, auf der wir Kriterien von Chyträus entdekken und rekonstruieren können. Von da aus lassen sich Möglichkeiten der Deutung aufzeigen. Diese Textarbeit zur Untersuchung eines historisch arbeitenden Theologen seiner Epoche zeigt einen Menschen in persönlicher Auseinandersetzung mit den anderen erstarkenden Konfessionskirchen. Es sind dies einerseits der tridentinische Katholizismus, dem er im Osten Europas begegnete und der sich von Österreich bis nach Skandinavien in verschiedenen Schattierungen erkennen ließ, und andererseits der westeuropäische Calvinismus, der am deutlichsten in der Pfalz, aber auch von Genf bis in die Niederlande seinen Ort gefun21 Zum heutigen Stand der Forschung über den Reichstag und das Bekenntnis von Augsburg nach seinem Jubiläum im Jahr 1980 vgl. Kohler, Reichstag, und die Überblicksdarstellungen bei Müller, Confessio Augustana, und Koch, Ertrag.

16

1 Einleitung

den hatte. Wir entdecken darin aber auch den um Klarheit und Verständigung im innerlutherischen Gespräch ringenden Dogmenhistoriker. Chyträus hat in diesem Kräftefeld mitgewirkt an den Bemühungen lutherischer Fürsten und Theologen, eine Einheit unter den Anhängern der Confessio Augustana wiederzugewinnen. Wir werden diese Wirksamkeit des Rostockers bis hin zum Abschluß der Konkordienformel durchleuchten 22 . Hier hat seine Arbeit einen unverwechselbaren Sitz im Leben und von daher erkennbare Prägungen 2 3 . Wenn wir auch nicht alle Bereiche seines Wirkens erfassen, so daß wir eine neue Biographie 2 4 vorlegen könnten, so verfolgen wir doch eine zentrale Periode seines Wirkens in Rostock mit Blick auf seine Bedeutung als Berater seiner Landesherrn. Daß er zu diesen Diensten, die über die Grenzen Mecklenburgs hinaus ihre Reichweite hatten, gebeten wurde, zeigt die Wertschätzung, deren er sich zu seinen Lebzeiten erfreuen konnte 25 . Wir erleben aber auch einen Menschen bei der Arbeit, der die abschließende Bekenntnisschrift des Luthertums im 16. Jahrhundert mitgestaltet hat, die bis heute von Bedeutung ist 26 . Hier sehen wir, wodurch er zur intensiven Beschäftigung mit dem Bekenntnis von Augsburg motiviert wurde und wo seine darin erworbenen Spezialkenntnisse zur Anwendung kamen. Die wechselseitige Durchdringung seiner Historiographie zum Bekenntnis und seines Wirkens als Konkordienmitarbeiter ist bisher noch nicht dargestellt worden. Damit erschließen wir einen Zugang zu seinem theologischen Selbstverständnis als Schüler von Luther und Melanchthon 27 . Die Quellenbasis bietet 22 Im Rahmen seiner Theologie der Bekenntnisschriften geht Mildenberger mit Blick auf die Anwendung in der gegenwärtigen theologischen Lage nur knapp auf die historische Entwicklung ein, vgl. Mildenberger, Bekenntnisschriften, S. 17-28. 23 Wir beschreiben damit den wichtigsten Abschnitt aus seinem öffentlichen Wirken. Erst 1561, im Jahr des Naumburger Fürstentags, wurde er promoviert. Sein Alter war von mancherlei Krankheit überschattet, so daß er nicht mehr reisen konnte. Das sind in etwa die Eckdaten für seine Mitarbeit an den Konkordienbemühungen. 24 Vorläufig bleiben wir auf Krabbe, Chyträus angewiesen, obwohl er an einigen Stellen durch kleinere Spezialarbeiten überholt worden ist. 25 Daß nicht nur die mecklenburgischen Herzöge ihn zu Diensten riefen, sondern auch Kaiser Maximilian (vgl. Cordshagen, Mecklenburg, S. 66) und Kurfürst August von Sachsen (vgl. unten S. 169 und 181f), erwähnen wir ausdrücklich. Damit ist noch längst nicht alles gesagt, was über seine Beziehungen zu den Herrscherhäusern seiner Zeit zu sagen wäre. 26 Vgl. Müller, Konkordienbuch, S. 176-178. Ein knapper Überblick über die Bedeutung von Chyträus für die Einigungsbemühungen des Luthertums in seiner Zeit wurde vorgelegt: Keller, Beitrag. 27 Kurz vor seinem Tod hatte Chyträus noch einmal Gelegenheit, neue Fragen der Kirchenordnung innerhalb seines Landes zu begutachten, weil eine Revision angeordnet worden war. Die Umstrittenheit seines Lehrers Melanchthon war Anlaß dazu gewesen, aber für Chyträus stand hier nichts zur Debatte. Er wollte die ganze Revisionsarbeit auf Erklärungen des bestehenden Texts beschränkt wissen, vgl. Krabbe, Chyträus, S. 447f.

1 Einleitung

17

zugleich einen Grundstock zur längst fälligen Chyträus-Bibliographie28 und führt über die gedruckten Dokumente hinaus an die Vielfalt handschriftlicher Überlieferung heran. So tritt vor unser Auge, worin die Eigenart des Rostocker Professors gelegen hat29.

28 Vgl. unten: Bibliographie. 29 Wie man die Bezeichnung von Chyträus als »Linksmelanchthonianer« (Peter Barton, in TRE 8, S. 89,11) werten soll, oder ob diese Kategorie weniger geeignet zum Verständnis seiner Person ist, wird sich dann ebenso erweisen müssen, wie die Reichweite der These: »Freilich scheinen auch die vorrangig historischen Arbeiten, die David in der Spätphase seines Lebens beschäftigten, eine seine ohnehin ausgeprägte Irenik noch steigernde gewisse >Konfessionsmüdigkeit< zu verraten, ohne daß jedoch eine theologische Distanzierung vom Luthertum erkennbar wäre. Die Verdammung irrender Christen war freilich David Chytraeus' Sache nicht.« (Kaufmann, Brüder, S. 116)

2 Historia der Augsburgischen Konfession

Am 45. Jahrestag der Übergabe des evangelischen Bekenntnisses an Kaiser Karl V. in Augsburg, dem 25. Juni 1575, unterzeichnete Chyträus in Rostock das Vorwort zur ersten Auflage seiner deutschen Historia, die 1576 in Rostock bei Jakob Lucius erschien. Bereits im Juli 1576 schickte er ein Exemplar an Johann III., den König von Schweden1. Er verstand also dieses Werk selbst als eine Arbeit, die weithin Beachtung verdienen sollte. Diesem umfangreichen Opus soll unsere Aufmerksamkeit zunächst gelten. Zur Begegnung mit dem Text beschreiten wir einen Weg von außen nach innen, fragen zunächst nach der Bedeutung, die ihm beigemessen wurde, und dem Wert, den er bis heute hat. Diese »erste quellenmäßige Spezialstudie«2 hat ihren besonderen Platz in der Geschichtsschreibung. Chyträus ist es gewesen, der »als erster mit einer Geschichte des Augsburger Bekenntnisses« hervorgetreten ist3. Diese hohe Bewertung darf allerdings nicht darüber hinwegtäuschen, daß es auch schon vorher Bemühungen in die gleiche Richtung gab. Robert Kolb, der die Interpretationen des Augsburger Reichstages bis 1577 speziell untersucht hat, sieht in der Darstellung von Chyträus und ihrem Pendant aus der Feder Georg Cölestins, von dem noch zu sprechen sein wird, immerhin die »climax« der Historiographie des Reichtags4. Aber er kann doch darauf aufmerksam machen, daß es auch schon vor dem Werk von 1576 ähnliche Arbeiten gab, die ihren Ort an festen Positionen der innerlutherischen Streitigkeiten einnahmen. Er nennt die Autoren5 Johann Mathesius, Ludwig Rabus, Johann Wigand und Nikolaus Seinecker. Man wird also nicht übersehen dürfen, daß Chyträus mit seiner Historia nicht eine Pionierleistung auf gänzlich unbekanntem Gebiet vorlegte. Als Motiv für seine Publikation nur seine akademische Lehrtätigkeit zu nennen, in deren Ausübung er eben auch über die Confessio Augustana las6, greift sicher nicht weit genug. Daß er über

1 2 3 4 5 6

Chytraei epistolae, S. 1123-1125, vgl. dazu unten S. 86-91. Barton in TRE 8, S. 89,9. Vgl. Thüringer, Chytraeus, S. 168. Vgl. Kolb, Augsburg, S. 57. a. a. O., S. 51-57. So Volz und Wolgast in WA.B 14, S. 429.

20

2 Historia der Augsburgischen Konfession

dies Bekenntnis in Rostock Vorlesungen hielt7, wird man nicht bezweifeln. Dennoch wird man diese groß angelegte Quellenausgabe des Mannes, der an den Gesprächen zur Einigung der Lutheraner intensiv beteiligt war, auch als einen Beitrag zur Verständigung über diese gemeinsame und deshalb verbindende, aber doch zum Inhalt mancher Streitfragen gewordene Bekenntnisschrift ansehen müssen8. Spätestens seit dem Naumburger Fürstentag war die Frage dringlich geworden, welche Ausgabe der Confessio in Geltung stehen und durch Unterschrift neu rezipiert werden sollte9. Chyträus, der als Vertreter Mecklenburgs an diesen Verhandlungen teilgenommen und sich durch »Judicia« seiner Fakultät an der Debatte beteiligt hatte10, dürfte in diesem Zusammenhang auf die Notwendigkeit einer quellenmäßigen Klarstellung aufmerksam geworden sein11. Diese These wird sich bei der Darstellung von Chyträus' Anteil an den Einigungsbemühungen auf dem Weg zur Konkordienformel noch deutlicher erweisen. Wir wenden uns an dieser Stelle der unmittelbaren Vorgeschichte der »Historia« zu12. Nach eigenen Angaben hat der Autor etwa seit 1570 an der Materialsammlung gearbeitet13. Das ist immerhin eine beachtliche Zeitspanne bis zum Erscheinen der ersten Auflage 1576. Was sagt uns die Vorrede über die Prinzipien seiner Arbeit? Er widmet seine Arbeit den Herren der Steiermark. Das deutet auf den ausgedehnten Aufenthalt in Österreich, wo Chyträus an der Ausgestaltung des evangelischen Kirchenwesens maßgeblichen Anteil hatte, vor allem durch die Vorlage seiner Agende von 157114, die zwar weder einen Hinweis auf ihre Autoren noch auf den Druckort enthält, aber doch eindeutig aus der Feder des Rostocker Gelehrten geflossen und nach einer Überarbei-

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Vgl. Pressel, Chyträus, S. 18. Vgl. Keller in TRE 13, S. 517,35-41. Vgl. Keller, Adiaphora, S. 100-102 mit Anm. 61. Vgl. u. S. 141-149. Hier sei nur auf ein Dokument verwiesen, das Emst Salomon Cyprian dem Autor Chyträus zuschreibt: »Von der sembtlichen Vnterschreibung der Augsburgischen Confession...« Es sei 1561 in Naumburg übergeben worden, vgl. Cyprian, Historia, S. 229-240. 12 Zu den bibliographischen Angaben aller Auflagen, vgl. in der Bibliographie. Wenn nicht ausdrücklich anderes vermerkt wird, zitieren wir nach der Ausgabe Frankfurt 1580. 13 Die Fundstellen für diese Datenangaben sind zusammengetragen in WA.B 14, S. 429, Anm. 7. In der Vorrede »Dem freundtlichen Leser«, die sich in der zweiten Auflage von 1576 und den davon abhängigen Drucken findet, liest man (Bl. Ala): »Das Lateinische Exemplar dieser Acten (welches ich ohn gefahrlich vor sechß Jaren / erstlich zusammen getragen / vnd andern Copiam vnd Abschrift davon zukommen lassen) hab ich diesen Sommer auch widerumb durchsehen ...« 14 Vgl. die Angaben in der Bibliographie. - Zur Eigenart und Bedeutung dieser Agende vgl. WA 30,1, S. 802 und EKO 11, S. 125.

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tung durch Christoph Reuter publiziert worden ist15. Aus Dankbarkeit gegenüber den Herrn von Steiermark habe er ihnen dies Werk dediziert. Er sei dazu durch den obersten Sekretär des Herzogtums Matthäus Amman16 fleißig ermahnt und gebeten worden17. Die Widmungsvorrede wiederholt als Absicht, was auch der Buchtitel schon sagt. Der Autor wolle nämlich darstellen, wie die Konfession ihren Anfang genommen habe, verfaßt worden und übergeben worden sei. Auch die nach der Übergabe folgenden Verhandlungen auf dem Reichstag sollen zur Sprache kommen 18 . Er geht auch sogleich noch näher auf die Arbeitsmethode ein. Er habe als Quellen glaubwürdige und meistenteils vorher in öffentlichen Drucken vorliegende Akten und Schriften von solchen Personen verwendet, welche dem Geschehen selbst beigewohnt haben. Er habe zunächst in lateinischer Sprache geschrieben. Das lateinische Exemplar habe derjenige noch bei sich, der diese Arbeit zunächst angeregt habe19. Wenn er auch in späteren Auflagen den Sachverhalt etwas zurückhaltender darstellt, so heißt es doch nicht weniger bestimmt, daß andere das lateinische Exemplar von ihm bekommen haben20. Diese Bemerkung bezieht sich auf Georg Cölestin21, der sein Buch mit fast gleichlautendem Titel22 1577 in Frankfurt an 15 Vgl. dazu Reingrabner, Geschehnisse, S. 26f und Schneider, Österreich, S. 108f; 119; 121. 16 Matthäus Amman v. Ammansegg (t 17. 10. 1601) hatte als Landschaftssekretär der steir. Landstände entscheidenden Anteil an der Festlegung der Religionsrechte des ev. Adels in Innerösterreich. 1578 wurde er als Landmann unter die Stände selbst aufgenommen. »Als solcher kämpfte er bis zu seinem Tode für die Behauptung des ev. Glaubens ...« (NDB 1, S. 250). 17 Vgl. auch Krabbe, Chyträus, S. 206, Anm. ***. 18 Vgl. Vorrede, Bl.)( 2b. 19 In der ersten Ausgabe von 1576 schreibt er: »(welches Exemplar einer so mir erstlich vrsach zu dieser arbeit gegeben / noch bey sich hat)« Bl. A4a. - Tatsächlich schreibt Chyträus am 14. 9. 1570 an Georg Cölestin, er wolle ihm die Akten von Augsburg nach der Reihenfolge geordnet schicken (Berlin, SBPK: Ms. boruss. fol. 54, Bl. lOrv). Im gleichen Brief schreibt er übrigens, er wolle die CA erklären ohne Erwähnung der Streitigkeiten, vielmehr wolle er das Bekenntnis nur aus Schriften Melanchthons erklären (a. a. O., Bl. llv-12v). 20 Vgl. Bl. A3b. 21 Vgl. WA.B 14, S. 429, Anm. 8. - Am 21.8.1570 schreibt Chyträus an Georg Cölestin, er sei in seiner Darstellung des Reichstagsgeschehens bis zum 3. August 1530 vorgedrungen (Berlin, SBPK: Ms. boruss. fol. 54, Bl. 8r). - In einem anderen Brief von Chyträus an Cölestin vom 20. 8. 1570, der aber nur in Abschrift erhalten ist, schreibt er ebenfalls, er sei bis zum 3. August vorgedrungen. Die Hauptarbeit habe in der Übersetzung der deutschen Ratschläge und Briefe Luthers an den Kurfürsten von Sachsen bestanden, welche er aus dem 9. und 12. Band anzufügen für gut halte. Er hoffe, daß er bis zum Monatsende damit zu Ende kommen könne. Er wolle ihm den ersten Teil schicken und seine Meinung dazu hören (Berlin, SBPK: Ms. boruss. fol. 54, Bl. 7rv). Es sind nur sehr wenige Stellen, an denen wir konkrete Hinweise auf den Arbeitsvorgang bei der Niederschrift der Historia finden konnten. 22 Vgl. die Angaben in der Bibliographie.

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der Oder zum Druck brachte. Chyträus legt in seiner Vorrede Wert darauf zu betonen, daß er nur gedruckte Quellen verarbeitete. In der ersten Ausgabe unterstreicht er, aus welcher Absicht das geschehen sei. Er habe das mit besonderem Fleiß getan - so heißt es da - , obwohl er auch ungedruckte Texte aus der Zeit - »ein zimliche anzal« - zur Hand gehabt habe. Warum lag ihm daran so viel? Er hat in seiner Gegenwart beobachtet: »Wie leider itzund durch aussprengung etlicher heimlicher Brieff und Schriften Philippi / welche wider sein vnd D. Lutheri öffentlich zum offtermal widerholtes eintrechtiges bekentnis angezogen / viel frommer guthertziger Leut betrübet / vnd in schedlichen zweivel gefuret werden«23. Damit liegt also eine Absicht auf dem Tisch, wie man dann positiv gewendet weiter in der Vorrede lesen kann. Er sei von anderen Pastoren und Superintendenten - nach der ersten Auflage führt er hier ausdrücklich den Namen von Doktor Caspar Eberhard24 ein - zur Drucklegung ermahnt worden, denn seine Sammlung solle »nicht allein zu notigem bericht von vielen hochwichtigen Sachen / sondern auch zu Trost vnnd sterckung des Glaubens / in gefahr vnd Verfolgung / wegen bekentnis deß Euangelij / vnd zum zeugnis Gottlicher gegenwertigkeit / vnd wunderbarliches schutzes vnd erhaltung der Kirchen / so sich zur Augspurgischen Confession bekennen / nutzlich dienen«25. Der Bericht könne zwar von einem jeden gemehrt und verlängert werden, aber er habe absichtlich die Apologia »vnd viel anderer weltlichen sachen / vnd Geprang« ausgelassen, habe »die politischen handel vnd Gepräng / welche sonst der fürwitzige Pobel am liebsten liset / auch andre Sachen / so von M. Georgio Spalatino vleissig verzeichnet / mit willen vorbeygangen«26. Dieser Weg sei besser, denn in den nicht veröffentlichten Privatschriften sei auch vieles enthalten, »das nicht allein gelarten / sonder auch hohen personen / vnd fürstlichen Heusern zu ehren / viel dienstlicher / zugedeckt vnd begraben wurde«. Im abschließenden fürbittenden Segenswunsch kommt beiläufig mit die Überzeugung zum Ausdruck, die christliche Lehre sei »aus Gottes Wort in die Artickel der Augspurgischen Confession / kurtzlich / rund / vnd richtig zusamen gezogen«. Die Vorrede zeigt also klar und deutlich, daß es dem Verfasser nicht nur um eine möglichst vollständige Beschreibung ging27, sondern daß sich sein

23 Erste Ausgabe von 1576, Bl. A4a. 24 Caspar Eberhard (1523-1575) war zuletzt Superintendent und Professor der Theologie in Wittenberg, vgl. AGL2, Sp. 261. Chyträus nennt seinen Namen also erst nach seinem Tod. Vgl. auch WA.B 14, S. 433, Anm. 23. 25 Bl. A4a. 26 Bl. A4b. Damit ist wohl ein Text gemeint, der auch in die Wittenberger und in die Jenaer Luther-Ausgabe aufgenommen worden war: »Georg Spalatins Erzählung, was sich auf dem Reichstag zu Augsburg Anno 1530 zugetragen«, in: Walch, Luther (2. Aufl.) 21, Sp. 3267-3282. 27 Er kürzt die Briefe durch Streichung persönlicher Stellen, die ihm zu diesem Zweck unwichtig erschienen, vgl. WA.B 14, S. 433 und 439.

2.1 Die bisherige Textforschung

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Interesse auch auf Trost und Glaubensstärkung richtete. Dies jedoch sollte nicht aus neuen, unbekannten Dokumenten, sondern aus bekannten und bewährten Drucken geschehen. In der Fassung der Vorrede zur ersten Auflage hatte Chyträus betont, er wolle seine Arbeit im nächsten Druck ergänzen. Das hat er in weitgehendem Maße auch tatsächlich getan. So soll unsere Aufmerksamkeit zunächst auf die bibliographischen Aspekte dieses Werkes gelenkt werden.

2.1 Die bisherige Textforschung Soweit es sich übersehen läßt, ist die Arbeit des Rostocker Gelehrten über die Geschichte des Augsburgischen Bekenntnisses bisher nie selbst zum Thema eigener Untersuchungen gemacht worden. Insofern ist es nicht möglich, einen Rückblick auf eine spezielle Forschungsgeschichte zu bieten. Wo man jedoch bei der Erforschung der Geschichte des Reichstags die Beiträge einzelner Autoren und beteiligter Theologen untersucht hat und auf ihren schriftlichen Nachlaß und die Quellentexte zurückging, hat man sich unter solcher Fragestellung auch mit dem von Chyträus gesammelten und in seinem Buch überlieferten Material befaßt. Die hier geleistete Arbeit soll uns zunächst beschäftigen. Im Jahr 1743 veröffentlichte Jacob Heinrich Balthasar in Greifswald seine Anmerkungen, in denen er wichtige Beobachtungen zu den verschiedenen Auflagen der Historia der Augsburgischen Konfession festhielt28. Einen neuen Ansatz machte 1805 Georg Veesenmeyer, als er eine knappe »Anmerkung über des Chyträus Geschichte der Augsburgischen Confession« vorlegte. Er bemerkte, dieses Buch verdiene »eine noch genauere vergleichende Geschichte seiner Ausgaben«. Ihm war dabei bewußt, daß zu solcher Arbeit nur imstande ist, wer alle Ausgaben zur Hand haben kann und die Geduld in der Kleinarbeit des Vergleiches nicht verliert29. Obwohl seine Bemerkungen uns heute nicht mehr zureichende Informationen zu bieten vermögen, hat er doch das Verdienst, erstmals deutlich auf diese Aufgabe hingewiesen zu haben. In der umfangreichen Biographie von Otto Krabbe wird die Historia kurz gewürdigt30. Die Charakteristik verweilt bei den wichtigsten Eckdaten. Die bibliographischen Angaben werden nur gestreift31. Krabbe bescheinigt dieser Arbeit, die sich als eine der ersten mit Reformationsgeschichte befaßt habe, eine »hervorragende Stellung«. Er hebt besonders auf das Bestreben ab, »kritisch zu verfahren, nur aus durchaus glaubwürdigen und sicheren Quellen zu 28 29 30 31

Vgl. Vgl. Vgl. Vgl.

Balthasar, Anmerkungen. Veesenmeyer, Anmerkung, Sp. 805. Krabbe, Chyträus, S. 303-310. a. a. O., S. 304, Anm. *.

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schöpfen, und vor Allem die wichtigsten Actenstücke der Begebenheiten, welche dieselben urkundlich bezeugen, zusammen zu bringen, und somit die eigentlichen Documente dem Leser in die Hand zu geben, um sich darüber ein Urteil bilden zu können, wie die Dinge sich zugetragen«32. Hier wird der Autor schließlich gegen die Vorwürfe von Georg Cölestin verteidigt, worüber inzwischen von den Bearbeitern der Lutherbriefe neue Ergebnisse gezeigt wurden33. Was läßt sich den Artikeln über den Rostocker Theologen in den Lexika entnehmen? Georg Loesche ordnete in seinem Artikel die Historia unter die polemischen Schriften ein. Sie sei gegen Georg Cölestin gerichtet gewesen34. Nun ist dies sicher eine Charakteristik, die nicht der Weite gerecht wird, aus welcher heraus Chyträus sein groß angelegtes Werk über mehrere Jahre zusammengetragen hatte. Peter Barton stuft dieses Buch als »erste quellenmäßige SpezialStudie«35 ein, erwähnt jedoch lediglich die lateinische Ausgabe von 157836, die wahrscheinlich ohne direkte Beteiligung des Autors zum Druck kam37. Die gängigen Handbücher der theologischen Wissenschaft helfen uns also in unserer Fragestellung nicht voran. Besondere Hervorhebung verdient die allgemeinverständlich geschriebene, für territorialgeschichtliche Interessenten aus Anlaß des 450. Geburtstages konzipierte Abhandlung von Walter Thüringer, in deren Schluß sich auch eine kundige Bibliographie mit wichtigen Korrekturen älterer Fehler befindet38. Er sieht in der Historia »eine vollständige Reformationsgeschichte Deutschlands vom ersten Auftreten Luthers bis zum Augsburger Religionsfrieden 1555« und beschreibt kurz die Leistung von Chyträus, sowie die Kontroverse mit Cölestin39. Thüringer ordnet zwar die deutsche Ausgabe und die lateinische Fassung richtig zueinander, aber führt nicht selbst einen breiteren Textvergleich durch. Die umfassendste bibliographische Übersicht über die gedruckten Schriften des Rostocker Theologen findet sich neuerdings in dem »Verzeichnis der im deutschen Sprachbereich erschienenen Drucke des XVI. Jahrhunderts«, das nicht allein Titel, sondern auch Bibliotheksstandorte angibt. Im Rahmen aller

32 a. a. O., S. 307. 33 Vgl. WA.B 14, S. 428-431. 34 Vgl. RE4, S. 115, 47f. Loesche hat den Artikel für RGG 1, Sp. 1823, nicht selbst zum Abschluß bringen können, weil er vorher starb. An dieser Stelle wird die Historia überhaupt nicht erwähnt. 35 Vgl. TRE 8, S. 89, 9. 36 Vgl. a.a.O., Zeile43. (Die beiden 1614 vom Sohn edierten Bände »Epistolae« und »Orationes« haben als Verlagsort Hanau und nicht Hannover, wie Barton und ihm folgend andere »Hanoviae« übersetzen!) 37 Vgl. unten S. 31 f. 38 Sie überragt die Angaben des Artikels in der TRE und ist deshalb unentbehrlich. 39 Vgl. Thüringer, Chytraeus, S. 168.

2.1 Die bisherige Textforschung

25

Schriften40 werden hier auch die bekannten Drucke der Historia aufgeführt41. Damit bewegen wir uns erstmals auf einem bibliothekswissenschaftlich gesicherten Boden, der jedoch von der Theologie bisher noch kaum ausgenutzt worden ist. Im Rahmen der Edition von Luthers Briefen sind Hans Volz und Eike Wolgast auch der Überlieferung durch Chyträus in seiner Historia nachgegangen. Aus sachlichen Gründen behandeln sie ihn mit seinem Freund und späteren Antipoden Georg Cölestin in einem Kapitel42. Sie bieten zunächst Informationen über Anlaß und Entstehung des Buchs, nennen die Rostocker Vorlesungstätigkeit sowie den Impuls durch Cölestin als ausschlaggebende Gründe für diese Arbeit. Diese These wird der Überprüfung bedürfen. Wo es jedoch um die Analyse der Überlieferung von Lutherbriefen geht, sind die Editoren auf ihrem eigensten Feld. Chyträus und Cölestin seien es gewesen, die letzte unveröffentlichte Teile zum Lutherbriefwechsel noch im Reformationsjahrhundert im Druck vorgelegt hätten43. Die Untersuchung ergibt, daß der Rostocker entgegen seiner ausdrücklichen Absicht und Behauptung, nur bereits gedruckte Schriftstücke zu publizieren, dennoch einzelne bisher ungedruckte Lutherbriefe verwertet habe44. Chyträus habe auch handschriftliche Quellen benutzt45. In den Briefen enthaltene rein persönliche Bemerkungen habe er meist getilgt. Da Chyträus in den beiden ersten Auflagen nur aus gedruckter Quelle zitiere, sei »dieses Werk für die Überlieferung des Lutherbriefwechsels ohne jeden Wert«46. Nach den Auseinandersetzungen mit Cölestin, die beschrieben werden, sei die lateinische ältere Fassung ohne Wissen und Billigung des Autors in Frankfurt gedruckt und 1578 zur Herbstmesse vorgelegt worden47. Den hier erstmals herausgegebenen lateinischen Urtexten, die einer unbekannten handschriftlichen Vorlage entstammen, komme ein »selbständiger Quellenwert« zu. Auch in der lateinischen Fassung seines Buches habe der Autor die Briefe »durch Streichung persönlicher Stellen mehr oder minder gekürzt«48.

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VD 16, C 2 5 0 4 - C 2760, Bd. 4, S. 238-270. VD 16, C 2 6 0 0 - C 2609, Bd. 4, S. 250f. WA.Β 14, S. 428-^48 und S. 608-615. Vgl. a. a. O., S. 429. Vgl. a. a. O., S. 433. Vgl. a. a. O., Anm. 23. Volz und Wolgast vermuten als Vorlage die Sammlung von Caspar Eberhard, a. a. O., S. 436, die Chyträus selbst nennt in seinem »Bericht ...« über die Herkunft seiner Texte, welcher von der Rostocker Ausgabe von 1577 an jeweils am Ende der Bände steht. 46 a. a. O., S. 436. Erst in der lateinischen Ausgabe und späteren deutschen seien bisher ungedruckte Briefe aus unbekannter Vorlage aufgenommen, vgl. a. a. O., S. 438f mit Anm. 54-56. 47 Vgl. a. a. O., S.438. 48 Vgl. a. a. O., S. 439.

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2 Historia der Augsburgischen Konfession

Im Gegensatz zur lateinischen Ausgabe, habe sich die deutsche Version großer Beliebtheit erfreut. So sei es zur dritten Auflage gekommen, die 1580 in Frankfurt erschien49. Die wenigen Abweichungen dieser dritten von der zweiten Auflage werden verzeichnet50. Abschließend erwähnen die Bearbeiter die letzten Auflagen von 1599 bzw. 1600, die sich von der dritten lediglich durch Aufnahme eines Schreibens unterscheiden51. Die Bearbeiter der Lutherbriefe bieten auch eine genaue Bibliographie der benutzten Drucke52. Dabei übergehen sie diejenigen des Frankfurter Verlegers Georg Rab von 1576 und 1577, die sie als »unautorisierten Nachdruck« einschätzen53. Diese Druckbeschreibungen und inhaltlichen Untersuchungen der verschiedenen Auflagen sind die bisher gründlichste Untersuchung der Historia. In seinen groß angelegten Forschungen über »Die Melanchthonforschung im Wandel der Jahrhunderte« berichtet Wilhelm Hammer auch über die Drucke von Chyträus' Historia. Da sein Werk nichts anderes sein will, als ein »beschreibendes Verzeichnis«, so finden wir hier nur die Druckbeschreibungen samt den Fundorten, die ihm bekannt sind54. Er verzeichnet die frühen Drucke der deutschen Ausgabe55, wie auch die der lateinischen56. Die Spätdrucke der deutschen Fassung von 1599 und 160057 und der lateinischen Fassung von 1587 fehlen58. Nur die französische Übersetzung wird in der Melanchthonforschung noch bearbeitet59. 49 Die Ausgaben von 1576/77 bei dem Verleger Georg Rab bezeichnen die Bearbeiter als nicht autorisierte Nachdrucke, a. a. O., S. 439. 50 a. a. O., S. 439f, mit Anm. 64. 51 Vgl. a.a.O., S. 441. 52 a. a.O., S. 608-615. 53 Vgl. a. a. O., S. 434, Anm. 27. 54 Trotz aller seiner Bemühungen um Nachträge wird man die genannten Fundorte noch um einige ergänzen können. 55 Wir führen hier die Drucke in chronologischer Reihenfolge auf, die bei Hammer, Melanchthonforschung verzeichnet sind: Rostock 1576: Bd. 1, S. 326, Nr. 459 mit Nachtrag in Bd. 3, S. 186, Nr. *459; Rostock 1576 (2. Aufl.): Bd. 1, S. 327, Nr. 459a mit Nachtrag in Bd. 3, S. 187, Nr. *459a; Frankfurt 1576: Bd. 1, S. 327, Nr. 459b mit Nachtrag in Bd. 3, S. 187, Nr. *459b; Frankfurt 1577: Bd. 3, S. 190f, Nr. Α 466b; Frankfurt 1580: Bd. 1, S. 355, Nr. 495 mit Nachtrag in Bd. 3, S. 201, Nr. *459. 56 Frankfurt 1578: Bd. 1, S. 342, Nr. 474 mit Nachtrag in Bd. 3, S. 193, Nr. *474; Frankfurt 1579 (Titelauflage): Bd. 1, S. 343, Nr. 474a mit Nachtrag in Bd. 3, S. 193, Nr. *474a. 57 Hammer kennt sie allerdings auch, wie aus den Angaben in Bd. 1, S. 327, Nr. 459b hervorgeht. 58 Die lateinische Fassung von 1587 »Expositio ...« kommt bisher nur in VD 16, Bd. 4, S. 250, C 2601 vor, vgl. unten S. 31f. 59 Koehn, Reden übergeht die deutschen und lateinischen Ausgaben (Sp. 1288) unter Hinweis auf WA.B 14. Er erwähnt nur die französische Übersetzung durch genaue Bibliographie (Sp. 1412f, Nr. 277).

2.1 Die bisherige Textforschung

27

Da Chyträus auch das »Bedenken« der Nürnberger Theologen, die »Denkschrift über die Ausgleichsvorschläge des Vierzehnerausschusses« von Ende August 1530, aufgenommen hat, wurden die Ausgaben seiner Historia auch bei der neuen Edition dieses Texts in der Osiander-Gesamtausgabe bearbeitet. Aufbauend auf den Informationen aus der Bearbeitung der Lutherbriefe wird hier eine Beschreibung der Drucke 6 0 und textkritische Verarbeitung des Erstdrucks i m Apparat der Edition 61 vorgelegt. In der Darstellung der Druckgeschichte der Confutatio der Augsburgischen Konfession verzeichnet Herbert Immenkötter eine Übersicht über die ihm bekannt gewordenen älteren Druckausgaben. Hier führt er die lateinischen 62 und deutschen Ausgaben 6 3 auf. Dabei entgeht ihm allerdings die Fülle der Veränderungen und Überarbeitungen am deutschen Text 64 . Auf diese Weise sind

60 Vgl. Oslander GA 3 (!), S. 25f. 61 Oslander GA 4 (!), S. 137-153, Nr. 149. Chyträus kannte den Text durch Erasmus Ebner, vgl. a. a. O., S. 143, Anm. 28. Zu Ebner vgl. auch, was er 1580 über die Vorlage sagt: Chyträus, Historia 1580, Bl. 379a und die Passage im Text, die wir in Anm. 64 mitteilen. Über die Begegnung zwischen Chyträus und Ebner im Jahr 1576 vgl. u. S. 165 mit Anm. 57. 62 Vgl. Immenkötter, Confutatio, S. 53. Er gibt eine kurze Charakteristik: »(Text der Confutatio nach einer Abschrift des Erasmus Ebner vom Augsburger Reichstag; mit einigen willkürlichen Veränderungen. Die Vorlage ist verloren.)« 63 a. a. O., S. 56. Er beschreibt die Erstausgabe und nennt den Übersetzer der darin enthaltenen deutschen Fassung. Die zweite Auflage erwähnt er, während er von den weiteren vollständig aufgezählten deutschen Ausgaben nur bemerkt, daß sie keinen Text der Confutatio enthielten, womit er aber irrt. 64 In der Ausgabe von Frankfurt 1580 gibt Chyträus selbst Auskunft, wie er mit dem Text der Confutatio verfahren sei (Bl. 135a): »Wiewol aber diese der Papisten Confutation vor etlichen Jaren durch ein Bayrischen Rath / Andream Fabricium / neben dem ersten Lateinischen Exemplar der Augspurgischen Confession / sampt etlichen vermeinten Widerlegungen / öffentlich zu ColleLatine in druck gegeben ist / vnd mir auch ein geschrieben Lateinisch Exemplar derselbigen Confutation von dem alten Herrn Erasmo Ebnere / etwa Losunger zu Nürnberg / jetzund Fürstlichem Brunschwigischen Rath / der die selbe zeit anno 1530 mit auff dem Reichstag zu Augspurg gewest / zugestellet / vnd von etlichen andern Sachen / so daselbst furgelauffen / bericht geschehen ist: So hab ich doch in vorigem Druck bedencken gehabt / die gantze Confutation zu setzen / auch dieser vrsach halben / daß ich das erste Teutsche Exemplar / wie es von wort zu wort auff dem Reichstag Teutsch verlesen / noch nit bekommen hatte. Dieweil aber etliche auch dem Teutschen Leser nit vndienstlich erachten / sonderlich der APOLOGIEN halben / das die gantze Confutation / welche in der Apologia widerleget / auch in Deutscher Sprach gelesen wurde / So hab ich sie durch M. Gelmerum Nemorimontium / Pastorn allhie zu Rostock / verdeutschen / vnd an diesem ort gantz vnd vnverstummelt setzen lassen / biß etwa einmal das Teutsche Original / wie es auff dem Reichstag verlesen / auch wird herfur kommen.« In der Ausgabe Frankfurt 1576 fehlte die Confutatio nicht völlig, sondern darin hatte Chyträus in einem Summarium über die Confutatio berichtet. Er schließt

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2 Historia der Augsburgischen Konfession

ihm deutsche Überlieferungsformen unbekannt geblieben, welche in den aufgezählten Drucken durchaus enthalten sind. Vierzehn Aktenstücke vom Augsburger Reichstag hat auf Veranlassung von König Ferdinand I. der Kanzler des Markgrafen von Baden, Dr. Hieronymus Vehus, zu einer Dokumentensammlung zusammengestellt. Dieses Konvolut - vom Sammler selbst »Libell« genannt - wurde durch eine kritische Edition für die Forschung zugänglich gemacht. Unter diesen Dokumenten finden sich auch solche, die bei Chyträus gedruckt wurden. Eugene Ηοηέε zieht dazu für die Textkritik die Erstauflage des deutschen und den lateinischen Text der Historia heran65. Er stuft diese Überlieferung als unzuverlässig ein66, wertet aber nur die lateinische Fassung aus67. Für den Text, den er als Beilage bietet, hat er den Hinweis auf die Überlieferung bei Chyträus unterlassen. Der Religionsabschied vom 22. September 1530 findet sich aber auch in der Historia68. Wenn man diesen Überblick über die bisherige Forschung am Textbestand der Historia69 auswerten will, dann ergibt sich rasch als Ergebnis, daß die Editoren der Lutherbriefe die wichtigsten Beobachtungen gemacht und festgehalten haben.

2.2 Die Druckausgaben Sieht man einmal ab von dem großen Ziel, um das es dem Rostocker Theologen mit der Materialsammlung in seiner Historia ging, so macht doch auch der Streit mit Georg Cölestin verständlich70, aus welchen Gründen von Auflage zu Auflage am Textbestand gebessert und ergänzt wurde. Hätte Chyträus

65 66 67 68

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70

dies ab mit den Worten: »Diß ist vngeferlich die mainung / so vil in eil verzeichnet hat mögen werden / außgescheiden die Allegation der Schrifft / vnd [121a:] Viter Spruch. Wiewol etliche ding mochten mit etlichen andern Worten gelesen worden seyn. Aber die Summa vnd Inhalt der gantzen Confutation ist hierin trewlich verzeichnet.« Immenkötter hat sich bei seinen Angaben, daß die Confutatio in den späteren Ausgaben fehle, offensichtlich auf das verlassen, was er bei Veesenmeyer gelesen hat. Vgl. Ηοηέβ, Vehus, S. XVII. Vgl. a. a. O., S. 310 und 326. S. 326 nennt er einen falschen Fundort. Es muß heißen: 322 (statt 312). Im lateinischen Text S. 329-331, im deutschen Text von 1580 S. 231b-233b. Daß der Abschied hier gedruckt vorliegt, macht Honfes Kritik an der Nichtbeachtung noch gravierender, vgl. Ηοηέβ, Vehus, S. 150, Anm. 218. Wilhelm H. Neuser hat in seiner Bibliographie der Confessio Augustana und Apologie die Arbeit von Chyträus nicht aufgenommen, vgl. Neuser, Bibliographie, S . 9 (unter b). - Die Bearbeiter der Lutherbriefausgabe konzentrieren sich natürlich auf ihr spezielles Interesse, wodurch ihnen andere Fragestellungen entgehen. Darin liegt das relative Recht der These von Loesche in RE 4, S. 115, 47f.

2.2 Die Druckausgaben

29

als einziger Autor zu diesem Thema geschrieben und wäre sein Werk nicht so vieler Neudrucke für würdig befunden worden, so stünden wir nicht vor der Aufgabe, die Varianten im Textbestand interpretieren zu müssen. Cölestin, mit dem Chyträus befreundet gewesen war, hatte die Anregung zu dieser Arbeit gegeben71, was Chyträus nie verschwiegen hat. Im Entstehungsprozeß hatte er Cölestin auch das Material der lateinischen Form zur Verfügung gestellt. Im Frühjahr 1577 hat der Berliner Freund allerdings seine vierbändige »Historia Comitiorum...«, eine Dokumentensammlung zum gleichen Thema vorgelegt72. Chyträus mußte sich nun gegen den Vorwurf verteidigen, er habe sein Material von Cölestin einfach übernommen73. Solchen Behauptungen trat er mit dem Quellennachweis am Ende der deutschen Ausgabe entgegen, der von der zweiten Auflage an das der ersten noch beigefügte Register verdrängte und ersetzte. Diese Auseinandersetzungen nötigten den Autor zur präziseren Rechenschaft über das verwendete Quellenmaterial. Er wollte ja nicht als Autor erscheinen, sondern als Sammler und Ordner des an sich bereits bekannten Textbestandes. Dazu verwendet er nur unumstrittenes, sozusagen approbiertes Material, weil er denen entgegenwirken wollte, die durch Verbreitung »etlicher heimlicher Briefe und Schriften« Philipp Melanchthons, welche gegen dessen eigenes und Luthers öffentliches und oft wiederholtes einträchtiges Bekenntnis herangezogen wurden, dazu beitrugen, daß viele fromme gutherzige Menschen betrübt »und in schädlichen Zweifel geführt wurden«74. In der Textgestalt der Vorreden nahm Chyträus sich in späteren Auflagen deutlich mit seiner Polemik zurück. Mit der gedruckten Sammlung authentischer Quellen kommt der durch seinen Lehrer Melanchthon geschulte, irenische und auf Vermittlung bedachte Theologe zunehmend profiliert zum Vorschein. Die durch starke Nachfrage bedingte Häufigkeit von neuen Auflagen des deutschen Textes konnte ihm als Bestätigung seiner Arbeit dienen, so daß er auch aus solchen Gründen die Defensivposition des Anfangs von diesem Werk verlassen konnte. Aber daraus zu schließen, dies Werk habe nicht an seinem Zweck zur Stärkung und Tröstung des in Zweifel geratenen Luthertums festhalten wollen, wäre ein Fehlschluß. Vielmehr machen briefliche Äußerungen deutlich, daß er auch weiterhin Wert darauf legte, sein Anliegen sowohl gegenüber Angriffen aus dem calvinistischen Lager als auch in Richtung auf Kritik aus päpstlichen Kreisen zu vertreten. Möglicherweise lassen sich Motive für das Zustandekommen der erneuten Durchsicht und Bearbeitung der 71 72 73 74 75

Vgl. WA.B 14, S. 429f, Anm. 8. Vgl. a. a. O., S. 441 f mit Anm. 73. Vgl. a. a. O., S. 430f, Anm. 10. Historia, Rostock 15761, Bl. A4a; vgl. o. S. 21f. Deutliche Angriffe kamen von Christof Hardesheim (Herdesianus), der unter dem Pseudonym Ambrosius Wolf eine Gegenschrift gegen Chyträus vorlegte, vgl. ADB 12, S. 101 und unten S. 119-130. Auch Antonio Possevino, ein Jesuit, griff ihn an, vgl. Wendebourg, Reformation, S. 388, Anm. 25 und unten S. 91, Anm. 52.

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2 Historia der Augsburgischen Konfession

Ausgabe des deutschen Textes von 1580 auch darauf zurückführen, daß Chyträus Angriffe abwehren mußte75. Darauf brauchen wir an dieser Stelle nicht näher einzugehen. Wir kennen acht Auflagen der deutschen Version76. Aufgrund des Textvergleichs läßt sich folgendes Stemma geben:

Rostock 15761

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N, 2

Rostock 1576

Frankfurt 1576

Rostock 1577

Frankfurt 1577

78

Frankfurt 1580

Eisleben 1599

Ϊ Eisleben 1600

Da Chyträus bis kurz vor seinem Tod neue Auflagen vorlegte, läge es nahe, für die Arbeit die Ausgabe letzter Hand zugrunde zu legen. Ein Textvergleich ergibt jedoch, daß die beiden Ausgaben von Eisleben sich nur unwesentlich unterscheiden. So kann man diese beiden Varianten inhaltlich zusammen ansehen, wenn auch die Druckbeschreibung eine Unterscheidung erfordert. Allerdings ist diese Ausgabe letzter Hand auch von der Frankfurter Ausgabe von 76 Die Druckbeschreibungen finden sich unten in der Bibliographie. 77 WA.B 14 unterscheidet zwei Varianten dieser Auflage, vgl. a. a. O., S. 609f. 78 Vor allem die großen Texteinschübe mit römischer Seitenzählung wurden aus der Auflage Rostock 1577 aufgenommen, vgl. WA.B 14, S. 434, Anm. 27. 79 Die beiden Eislebener Auflagen tragen einen abweichenden Titel, vgl. unten in der Bibliographie: »Ausführlicher Bericht...« Laut CR 26, S. 103f soll unter dem ersten Titel in Frankfurt im Jahr 1600 noch eine Auflage erschienen sein, die mir aber nicht zugänglich war und die sonst keine Erwähnung findet.

2.2 Die Druckausgaben

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1580 nur durch ein einziges Schreiben unterschieden80. Aus diesem Grunde scheint es gerechtfertigt, die Frankfurter Ausgabe, die nach der lateinischen Version für lange Zeit als letzte deutsche vorlag, der Textarbeit heute zugrundezulegen, wenn nicht aus besonderen Gründen Anlaß besteht, auch eine andere Textform heranzuziehen81. Sie ist sozusagen die Ausgabe letzter Hand82 des Autors unter dem Titel »Historia der Augsburgischen Konfession« und wird deshalb hier bevorzugt benutzt und ausgewertet83. Die lateinische Ausgabe, deren erste Auflage ohne direktes Zutun des Autors84 in Frankfurt am Main von Paul Reffeier im Auftrag des Verlegers Sigismund Feyerabend gedruckt und von dem Frankfurter Pfarrer Matthias Ritter mit einem Vorwort versehen wurde85, ist nicht nur Übersetzungsvorlage 86 . Lateinischer und deutscher Text sind in Aufbau und Anlage noch weit mehr unterschiedlich als nur durch die Sprache. Beide Versionen des gleichen Themas und des gleichen Stoffes haben demzufolge einen je eigenständigen Quellenwert. Die lateinische Ausgabe erschien 1579 erneut und 1587 noch einmal unter geändertem Titel87 in Frankfurt. Außer der Änderung des Titels wurde lediglich die Widmung des Autors an Johann III. von Schweden, die in der ersten Auflage nicht gedruckt war88, an die Stelle der Ritter'schen Widmung an den Leser gesetzt. Die Widmung an den schwedischen König89 und die Widmung

80 Kurfürst Johann an die Wittenberger Theologen vom 14. 3.1530, WA.B 5, S. 263266, Nr. 1538 mit WA.B 13, S. 123, vgl. MBW 1, S. 371, Nr. 874. Der Hinweis auf diese Abweichung und die Quelle dafür findet sich in WA.B 14, S. 441 mit Anm. 72. 81 Vgl. o. S. 20, Anm. 12. 82 Im Titel sagt der Autor, er habe sein Werk »erstlich zusammen geordnet / vermehret / vnd nun endtlich widerumb durchsehen«. 83 Welche Gründe den Autor oder seinen Verleger veranlaßt haben, den Titel 1599 zu ändern, ist schwer zu sagen. Offene Auskunft erhält man aus den Quellen nicht. Es fällt auf, daß es der gleiche Verleger ist, der 19 Jahre später einen fast identischen Text des gleichen Autors mit neuem Titel auf den Markt bringt. 84 Vgl. Praefatio, Historia (lat.), Bl. ):( 3a-b. 85 Vgl. WA.B 14, S. 437f. Sie wurde ein Jahr später und 1587 in Titelauflagen wieder vorgelegt, vgl. o. S. 26, Anm. 56 und unten S. 86-91. 86 Diese Meinung wird seit CR 26, S. 103f gelegentlich einmal wiederholt. 87 Zur Ausgabe von 1579 vgl. die vollständigen Angaben unten in der Bibliographie. Zur Ausgabe von 1587 mit dem Titel: »Expositio actorum ...« vgl. die vollständigen Angaben unten in der Bibliographie. Wir können nicht mit völliger Sicherheit sagen, wie die Titeländerung begründet war. In einem Brief an Matthias Ritter in Frankfurt vom Februar 1580 erwähnt Chyträus, daß dafür buchhändlerische Interessen geltend gemacht werden konnten, vgl. u. S. 87, Anm. 37. 88 Vgl. den Brief von Chyträus an König Johann ΠΙ. von Schweden aus dem Jahr 1579, in: Chytraei epistolae, S. 78f und unten S. 86-91. 89 Wir zitieren hier nach der Ausgabe von 1579 und der »Expositio...« von 1587. Vgl. u. S. 87, Anm. 35. Der Text steht auf Bl.):(2a - ) : ( 4 b , bzw. Bl.)( 2a - ) ( 3a.

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2 Historia der Augsburgischen Konfession

an den Leser 90 wurden 1587 zusammen gedruckt und dazu neu gesetzt. Der gesamte sonstige Textbestand ist in beiden Neuauflagen völlig unverändert, was darauf schließen läßt, daß es eigentlich nur Titelauflagen sind, in denen die alten Buchblöcke wieder verwendet wurden91. Die französische Übersetzung, welche Luc le Cop 1582 vorlegte, die in Antwerpen gedruckt wurde92, ist aufgrund der lateinischen Fassung erarbeitet worden93. Sie ist eine Übersetzung, an deren Charakter und Entstehung der Autor selbst nicht beteiligt gewesen zu sein scheint94.

90 Sie stammt aus der Feder von Matthias Ritter und steht in unverändertem Wortbestand auf Bl. )( 3b - ) ( 4 b . Trug sie 1578 die Überschrift: »Pio et candido lectori«, so heißt es jetzt: »Praefatio ad pivm et candidvm lectorem«. 91 Lediglich am Ende des Bandes findet sich nicht die Druckerangabe. Das Druckersignet ist ähnlich, aber nicht völlig gleich mit 1578, vgl. u. S. 86-89. 92 Vgl. auch die bibliographische Beschreibung bei Koehn, Reden, Sp. 1412f, Nr. 277. Hier sind auch weitere Exemplare nachgewiesen. 93 Weitere Ausgaben des französischen Texts, Antwerpen 1590 und Frankfurt 1605, die in CR 26, S. 105f erwähnt werden, konnten von der Universitätsbibliothek Erlangen in Femleihe nicht beschafft werden. Koehn, Reden, erwähnt die weiteren Ausgaben nicht. 94 Weder ein Vorwort noch irgendwelche Äußerungen in Briefen lassen etwas derartiges erkennen. Allerdings hatte Chyträus in jener Zeit Kontakte zur lutherischen Gemeinde in Antwerpen. Er wurde von dieser um ein Gutachten zu einem Katechismus gebeten und vermittelte lutherische Prediger in die belgische Stadt, vgl. Krabbe, Chyträus, S. 370-372 und Schütz, Vita 3, S. 20-34, § 4 und 5. Die Antwerpener Gemeinde bekannte sich zur Confessio Augustana und ließ das Bekenntnis 1566 drucken, vgl. Neuser, Bibliographie, S. 104, Nr. 80. Das war in der Zeit geschehen, in der Matthias Flacius Illyricus in Antwerpen gewirkt hat, vgl. Preger, Flacius 2, S. 285-294. Über die Verbindung, die Chyträus zur Gemeinde in Antwerpen hatte, sind wir durch ein Schreiben informiert, mit dem Chyträus am 21. Februar 1581 beim mecklenburgischen Landesherrn um die Beurlaubung von Magister Heinrich Piper aus Güstrow für den Dienst in der Gemeinde der belgischen Stadt bat. Auch Magister Gelmer Nemorimontius aus Rostock, der für die Historia von Chyträus die deutsche Übersetzung der Confutatio angefertigt hatte (vgl. u. S. 54 bei Anm. 131), und D. Konrad Becker aus Güstrow (vgl. ADB 2, S. 225f) gingen aus Mecklenburg für kurze Zeit nach Antwerpen. So wird das Beziehungsgeflecht deutlich, aus dem heraus die französische Ausgabe der Historia in Antwerpen zu verstehen ist, wenn wir auch keine unmittelbaren Zeugnisse darüber haben. Das Schreiben von 1581 mit erläuternden Bemerkungen (einschließlich einer fotomechanischen Wiedergabe des Originals) findet sich in Cordshagen, Mecklenburg, S. 64f. Zur Lage in der belgischen Stadt vgl. Keller, Antwerpen.

3 Der deutsche Text der Historia

3.1 Einleitendes Der mit 381 Blättern umfangreiche Band von insgesamt 770 Seiten1, über dessen Absicht wir bereits unterrichtet sind, soll nun einer inhaltlichen Analyse unterzogen werden2. In der Hoffnung, denen eine angenehme Hilfe leisten zu können, die in der Absicht, Gott zu ehren und zur Seligkeit ihrer Seelen die wahrhaftige Lehre des Evangeliums, »deren Summa in der Augspurgischen Confession kürtzlich verfasset ist« (lb) 3 , annehmen und bekennen, hat Chyträus geschrieben und gesammelt: »der Christlichen Kirchen zu vnterricht vnd trost«. Sein Werk soll dazu dienen, daß das helle Licht des Evangeliums nicht mehr erlöschen möge. Chyträus hält es zunächst für nötig, den Zustand der Kirche vor der Reformation kurz zu beschreiben. Er nennt die Mißbräuche in knapper freier Zusammenstellung, die sinngemäß jedoch eng verwandt erscheinen mit den sogenannten »spänigen« Artikeln 21 bis 28 aus dem Bekenntnis von Augsburg. Daran schließt sich der Bericht über die wichtigsten epochalen Daten der Reformation an: Luthers Thesenanschlag von 1517, Bannbulle, Reichstag von Worms. Es ist das politische Geschehen am Kaiserhof und im Reich, das Chyträus darstellt, um in diesem Rahmen vom Geschick des Fortgangs der Reformation sprechen zu können. Es fällt auf, wie der Autor bestrebt ist, sowohl den Kaiser als auch den Papst möglichst objektiv darzustellen. Ihre Begegnung in Bologna im November 15294 stellt er vor Augen und berichtet ausführlich über die päpstliche Reaktion auf das kaiser1 Vgl. zur Charakteristik WA.B 14, S. 439f. 2 Wir tun dies, indem wir fortlaufend die Fundorte der von Chyträus vorgelegten Texte aus der Zeit des Reichstags von 1530 in modernen Editionen nachweisen. Wir versuchen, die jeweils beste Edition aufzufinden. Zur Bedeutung von Förstemann, Urkundenbuch, vgl. Kohler, Reichstag, S. 182-185. Kohler, Quellen, ziehen wir als Beleg nicht heran, weil die infrage kommenden Dokumente von Kohler hier nur nach Förstemann wiedergegeben werden, vgl. a. a. O., S. 157-164. 3 Im folgenden werden die Blattzahlen im Band als Belegstellen im laufenden Text in Klammern beigefügt. - Zum unmittelbar folgenden Katalog der Mißbräuche vgl. die Quellentexte im Anhang von Historia (lat.), Frankfurt 1578, S. 610-631 und unsere Analyse unten S. 105f. 4 Vgl. Brandl, Kaiser 1, S. 244f und 2, S. 203-206.

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3 Der deutsche Text der Historia

liehe Konzilsbegehren (6a-8a). Als Quelle für diese Angaben nennt er eine lateinische Rede Philipp Melanchthons5 (5a). Mehr oder weniger deutlich hält Chyträus sich in seiner deutschen Wiedergabe an die lateinische Vorlage, wenn er die Antwort Clemens' VII. niederschreibt6 oder wenn er die Rede des Kaisers festhält. Diese Reden sind uns anderweitig nicht überliefert7. Melanchthons Rede vom Februar 1559 ist nach des Kaisers Tod zu Papier gebracht worden und gehört in den Zusammenhang einer Magisterpromotion. Es gelingt Chyträus mit Hilfe der Vorlage, die politische Situation8 bei der Ausschreibung des Augsburger Reichstags durch Karl V. gut deutlich zu machen: »es hat aber zu Bononia [= Bologna] damals der Bapst auff die letzt gleich wol erhalten / das der Keyser zugesagt / Er wolle erstlich die gute mit den Lutherischen furnemen / das sie widerumb zu gehorsam der Romischen Kirchen gebracht werden / Wo sie aber halßstarrig in jrem gefaßten ungehorsam verharren / so wolle er sie mit gewalt dempffen« (10a). Danach habe Kaiserliche Majestät den Reichstag »mit gantz gelinden vnd gnedigen worten a b geschrieben«9 (10a). Chyträus erörtert allerdings den Zwiespalt zwischen dem Reichstagsausschreiben10 und den für die Protestanten so harten Aussagen, die der Kaiser in den Abkommen mit Clemens VII., sowohl im Frieden von Barcelona als auch im Abschied von Bologna, festgelegt hatte. In Kenntnis dieses Zwiespalts sei die Frage aufgekommen, ob man gegen Karl V. mit der Macht eines Heeres ausziehen solle. Dem habe jedoch Luther deutlich abgeraten. Chyträus meint, der Wittenberger Reformator habe zu dieser Zeit sein Lied »Ein feste Burg«, den »trostlichen / freidigen vnd geistreichen Gesang« aus dem 46. Psalm gedichtet (lla+b). Luthers Brief an Johann von Sachsen vom 18. November 1529 wird als Text angefügt11. Luther rät seinem Fürsten von der Verteidigung des Evangeliums durch ein politisches Bündnis ab. Es folgt unmittelbar ein zweites Gutachten Luthers vom 6. März 153012, in welchem

5 Dabei dürfte es sich um folgende handeln: DE CONGRESSV BONONIENSI, Caroli Imperatoris, & Clementis Pontificis... vgl. Koehn, Reden, Sp. 1386f, Nr. 214. Deren Text findet sich CR 12, S. 307-317, Nr. 169. Chyträus gibt selbst in den Quellenangaben (379b) den Hinweis, er zitiere in verdeutschter Form aus dem »V. Tomo Declamationum Philippi, fol. 95«, vgl. dazu Koehn, Reden, Sp. 1312f, Nr. 28. Diesen Band besitzt die UB Rostock auch heute noch, vgl. Koehn, a. a. O. 6 Vgl. CR 12, Sp. 311-313. 7 Brandl, Kaiser 2, schreibt S.205: »Von den Verhandlungen in Bologna ist wegen ihres persönlichen Charakters wenig Aktenmäßiges auf uns gekommen.« 8 Zum Frieden von Barcelona vom 29. Juni 1529 vgl. Müller, Kurie, S. 77. 9 Vgl. dazu a. a. O., S. 87. 10 Text bei Förstemann, Urkundenbuch 1, S. 1-9, Nr. 1. 11 Text in WA.B 5, S. 180-183, Nr. 1496. Chyträus nennt im Quellenverzeichnis (379b) als Herkunftsort: »Tomo Lutheri Jenensi / fol. 306«. Vgl. Aland, Hilfsbuch, S. 579. 12 Text in WA.B 5, S. 249-262, Nr. 1536. Vorbereitend dazu hatte auch Melanchthon ein Gutachten verfaßt, vgl. MBW 1, S. 370f, Nr. 872.

3.2 Bis zur Verlesung der Confessio Augustana

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vom Widerstand abgeraten wird (13a-15a). Um zu beweisen, daß Luther diese seine Position nicht verändert, sondern dauerhaft vertreten habe, fügt Chyträus noch einen Brief Luthers an Friedrich den Weisen aus der Wartburgzeit vom Aschermittwoch 1522 13 an (15b-17a). Damals hatte er in der Absicht, aus der Schutzhaft nach Wittenberg zurückzukehren, an seinen Landesherrn geschrieben: »Ich komme gen Wittenberg in gar viel einem hohem schütz / dennn deß Churfursten...« Deshalb solle der Sache nicht das Schwert raten oder helfen. Gott müsse hier allein »schaffen« 14 .

3.2 Bis zur Verlesung der Confessio Augustana Chyträus stellt Texte zusammen, mit denen Luther, der nicht in Augsburg sein durfte, dennoch zum Geschehen beigetragen und somit auch einen Anteil am Entstehen der Confessio hat. Hier sind an erster Stelle die Coburger Trostsprüche zu nennen, die er aufgenommen hat (17b-21a) 15 . Diese Zusammenstellung von Luther, die Flacius einst in Magdeburg veröffentlicht hatte16, war auch in die Luther-Ausgaben aufgenommen worden. Dieses bewährte und glaubensstarke Zeugnis Luthers »ex eremo - aus der Wüsten« 17 hat Chyträus nicht übergangen18.

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Das Gutachten vom 6. März 1530 war in den älteren Auflagen der deutschen Historia, wie auch in der lateinischen nicht enthalten. Text vom 5. März 1522 in WA.B 2, S. 453-457, Nr. 455. (Wie Chyträus richtig angibt, läßt er den Anfang weg und beginnt das Zitat erst mit dem Absatz WA.B 2, S. 455 oben. Drei besonders heftige Passagen gegen Herzog Georg von Sachsen, die Chyträus in den Auflagen seit 1577 mitgedruckt hatte, übergeht er in der Ausgabe von 1580, gibt dies aber an: »etc. Vnd bald hernach:« auf Bl. 16a.). Chyträus nennt in seinem Quellenverzeichnis (379b) den Fundort: »im Teutschen Tomo Lutheri / fol. 147 zu Wittenberg«. Er meint damit den 9. Band der Wittenberger Ausgabe, deutscher Teil, vgl. Aland, Hilfsbuch, S. 557. Dieser Brief hatte in den Auflagen vor 1577 noch gefehlt. Zur Interpretation dieses Briefs vgl. Ludolphy, Friedrich, S.451f. Daß sie auch bei Chyträus gedruckt sind, erwähnt der Revisionsnachtrag zu WA 30 Π, S. 153 zu S. 699. Der Revisionsnachtrag zu WA 30 II korrigiert S. 153 zu S. 698, was die Einleitung zur Edition (WA 30 Π, S. 698) gesagt hatte. Luther selbst, und nicht Flacius, ist Autor. Der Text findet sich WA 30 II, S. 700-710. Nach den Angaben im Quellenverzeichnis (380a) zitiert Chyträus nach dem »5. Jenischen Tomo / fol. 7.8. auch im 9. Wittenberg, fol. 396.397«. Vgl. Aland, Hilfsbuch, S. 173, Nr. 746; S. 558 zu Nr. 746 und S. 577 zu Nr. 746. So unterschrieb Luther viele seiner Coburgbriefe. Ob er die Bedeutung von Flacius für die Überlieferung dieses Textes kannte (vgl. WA.B 14, S. 400-408), ist ungewiß. Freilich ist die Edition der Trostsprüche nur ein Seitenphänomen zur Briefedition durch Flacius, von welcher in WA.B 14 nur die Rede ist.

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3 Der deutsche Text der Historia

Der Autor schafft durch knappe Information über die historische Lage, daß Luther auf der Coburg geblieben und der Kurfürst am 2. Mai in Augsburg angekommen sei, den Übergang zur Dokumentation der »Schwabacher Artikel«19: »Bekenntnis Christlicher Lehre und Glaubens / durch D. Mart. Luth. in XVII. Artickel verfasset« (22a-26b). Melanchthon habe später diese Artikel in Augsburg umgestellt und in eine »bequemere und bessere Form gebracht«, wie er auch die in Coburg entworfene Vorrede verbessert habe. Chyträus läßt jedoch diese Lage in Augsburg sofort durch einen Brief Melanchthons an Luther20 beschreiben. Dadurch wird der Leser sehr plastisch in die Situation während der ersten Tage auf dem Reichstag eingeführt21. Das Stichwort vom »rhetoricieren oder gecken« 22 der Dolen und Krähen greift der Autor auf und fügt eine Lutherschrift an. Melanchthon hatte im Brief nach Coburg über die Namen von Cochläus 23 und Eck24 gescherzt und gesagt, ihre Namen klingen bei Wiederholung wie der Gesang der Dolen (27a). Nun fügt Chyträus Luthers Scherzschrift vom Reichstag der Dolen und Krähen hier an25. Des Reformators Mischung von Humor und Bitterkeit, die sich in diesem Briefdokument findet, hat der Chronist des Reichs-

19 Text in WA 30ΙΠ, S. 172-182 und Revisionsnachtrag zu WA 30 ΠΙ, S. 42f. Es ist allerdings kaum anzunehmen, daß Chyträus die Probleme der Verfasserfrage dieser Artikel und die verschiedenen Überlieferungen kannte, vgl. WA 30 ΠΙ, Revisionsnachtrag, S. 14 zu S. 85. Chyträus zitiert ausdrücklich die Fassung von 1530, die dann auch in die Wittenberger und Jenaer Lutherausgabe aufgenommen worden war, vgl. WA 30 III, S. 174. Er zitiert nach der Wittenberger Ausgabe Bd. 9, fol. 400, und der Jenaer, Bd. 5, fol. 14, wie er im Quellenverzeichnis (378b) angibt. 20 Brief vom 4. Mai 1530, MBW 1, S. 380, Nr. 899; WA.B 5, S. 304-307, Nr. 1561; MSA7/2, S. 135-140, Nr. 145. Chyträus kürzt am Schluß, was er durch »etc.« andeutet. Er bricht ab bei WA.B 5, S. 305, 37, läßt also den letzten Absatz weg. 21 Vgl. dazu Maurer, Kommentar 1, S. 23. 22 Melanchthon nahm damit schon Bezug auf Luthers Äußerung im Brief vom 24. 4. 1530 an Justus Jonas, vgl. WA.B 5, S. 289,5; Nr. 1553. 23 Zu Cochläus vgl. Remigius Bäumer in TRE 8, S. 140-146. 24 Zu Johannes Eck vgl. Erwin Iserloh in TRE 9, S. 249-258. 25 Brief vom 14. 4. 1530 an Georg Spalatin. Text in WA.B 5, S. 290f, Nr. 1554. Der Briefschluß und das Datum stimmen bei Chyträus nicht mit dem Original überein. Bei dem Text, den Chyträus bietet, handelt es sich offensichtlich um eine Kompilation des Briefs an Spalatin mit dem Brief an Luthers »Tischgesellen« in Wittenberg. Abgesehen vom ersten Absatz, der aus dem Brief an Spalatin stammt, bietet Chyträus genau den deutschen Text aus dem ungeklärten Schreiben WA.B 5, S. 293-295, Nr. 1555, vom 28.4. 1530, vgl. auch Hanns Rückert in Bo A 6, S. 258f, Nr. 213, und WA.B 13, S. 127. Chyträus scheint diesen Brief aus der Jenaer Ausgabe übernommen zu haben, wie die Überschrift zeigt, vgl. WA.B 13, S. 127 (zu S. 293). Er nennt im Quellenverzeichnis (380a) als Fundort den 9. Band der Wittenberger Ausgabe, deutscher Teil, und den 5. Band der Jenaer Ausgabe »vnd sonst an andern orten«.

3.2 Bis zur Verlesung der Confessio Augustana

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tags nicht auslassen wollen, obwohl er bemerkt, daß er damit ein Stück vom Faden seiner Darstellung abgekommen ist. Den Fortgang der »Historien« greift er allerdings sofort wieder energisch auf (28b). Melanchthons geleistete Arbeit am Entwurf zur Confessio sei durch den Kurfürsten Johann an Luther auf der Coburg geschickt worden. Chyträus dokumentiert das Begleitschreiben des kursächsischen Landesherrn an den zurückgelassenen Ratgeber (28b-29a) vom 11. Mai. Johann wollte noch vor der Ankunft des Kaisers die Meinung Luthers einholen, damit er darauf Rücksicht nehmen könne26. Er bittet zugleich um Rat wegen der Frage, wie man sich gegenüber dem Verbot evangelischer Predigt auf dem Reichstag verhalten solle. Zu dieser Frage habe Luther schon früher sein »Bedenken«27 gegeben, aber Johann erbittet dennoch erneut seine Meinung, »damit wir in dem für Gott vnsers Gewissens halben recht thun« (29a). Nicht nur der Fürst kommt mit seinem Begleitschreiben zur Sendung nach Coburg zu Wort, sondern auch Melanchthon28. Dem theologischen Wortführer in Augsburg liegt vor allem an Luthers Stellungnahme zur Frage der Predigterlaubnis und er bittet, Luther möge darüber auf deutsch auf »ein sonderlich Zettel« schreiben. Offenbar wollte er die Antwort der in hohem Ansehen stehenden Persönlichkeit auch solchen Teilnehmern am Reichstag zeigen können, die nicht Latein lesen konnten. Chyträus klärt ausdrücklich, was Luther und Melanchthon meinen, wenn sie von der sächsischen »Apologia«29 sprechen. Sie dürfe nicht mit der Apologia vom September verwechselt werden (30a). Auch Luther in seiner Antwort gebraucht nämlich diesen Begriff. So schafft Chyträus mit der Begriffsklärung den Übergang von der Frage zur Antwort, also die Einleitung zum Schreiben aus Coburg30, das vier Tage später niedergeschrieben wurde31. Luther schreibt darin sein Lob über die »Apologia«: »die gefeit mir fast wol / vnd weiß nichts daran zu bessern / noch zu endern«, ja er hält es sogar für unangemessen, daß er Hand anlegt: »Denn ich so sanfft vnd leise nicht tretten kan« (30a). Luther geht auch auf die spezielle Frage ein. Er räumt dem Kaiser prinzipiell das Recht ein, auf dem Reichstag über die Predigt zu gebieten. Freilich sähe auch Luther lieber, daß der Kaiser nicht die evangelische Predigt verböte, ohne zuvor Predigten abzuhören. Er sollte doch nicht verbieten, die 26 Text in WA.B 5, S. 310-312, Nr. 1564. Chyträus hat das persönliche Postskript nicht aufgenommen. 27 Der Text dieses Bedenkens findet sich WA.B 5, S. 313f, Beilage zu Nr. 1564. 28 Text: M B W 1 , S. 382, Nr. 905; WA.B 5, S. 314f, Nr. 1565. Chyträus bietet den Text in nicht ganz genauer deutscher Übertragung. 29 Zu dieser Bezeichnung des Bekenntnisses in dieser Phase vgl. Seebaß, Apologia. 30 Text in WA.B 5, S. 319f, Nr. 1568. 31 Chyträus gibt in seinem Quellenverzeichnis (380a) an, dieser Text stehe im »9. Witteb. Tomo, fol. 406 und 5. Jenisch, fol. 22. 23«. Vgl. dazu Aland, Hilfsbuch, S. 558 und 577 zu Brief Nr. 1568.

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3 Der deutsche Text der Historia

»lauter klare Schrift« zu predigen. Aber widrigenfalls müsse man Gewalt vor Recht gehen lassen: »wir haben das vnser gethan / vnd sind entschuldigt« (30b). Das ist die Antwort Luthers an seinen Landesherrn32. Chyträus berichtet ferner von den weitergehenden Überarbeitungen der CA durch Melanchthon in Augsburg. Er läßt deshalb alsbald wieder den am Ort des Reichstags tätigen Wortführer der Theologen selbst mit einem Brief an Luther33 zu Wort kommen. Hier wird über den Stand und Verlauf des Reichstags berichtet. Da der Kaiser noch nicht in Augsburg ist, hat Melanchthon noch Zeit, die »Apologia« zu überarbeiten. Er erbittet Luthers Stellungnahme dazu ebenso wie zu der sich neu abzeichnenden Möglichkeit, daß doch auch Landgraf Philipp von Hessen zur Unterschrift bereit sein könnte (31a+b). Das entsprechende erbetene Schreiben Luthers an den Landgrafen34 folgt unmittelbar. Darin geht es um die Problematik des Verhältnisses zu den Schweizer Protestanten und um das Scheitern des durch Philipp veranlaßten Marburger Gesprächs samt seinen Folgen. Dieser bedeutende Anlaß ist es auch, der Luther veranlaßt hat, über sein Selbstverständnis in der Bindung an die heilige Schrift grundsätzliche Ausführungen zu machen35. An diesen Fürstenbrief fügt Chyträus unmittelbar einen weiteren an, ein Schreiben an Johann von Sachsen36, in welchem der Reformator seinen Landesherrn tröstet und in seiner Reformationspolitik geistlich stärkt. Unmittelbar anschließend findet sich das Antwortschreiben37. Der Kurfürst hat »die Christliche ermanung vnd trostung / so jr damit an vns gethan / zu gnedigem gefallen von euch verstanden« (35b). Luther erhält auf diese Weise auch Information, wie der genaue Stand des diplomatischen Austausche mit dem Kaiser beschaffen ist. Hier fällt das Stichwort von einer kaiserlichen Instruktion38. 32 Vgl. dazu Müller, Kurie, S. 93f. 33 Chyträus hat den Text ins Deutsche übertragen und etwas gekürzt. Der Brief vom 22. Mai 1530 findet sich in WA.B 5, S. 335-338, Nr. 1576, vgl. MBW 1, S. 386, Nr. 915. 34 Text in WA.B 5, S. 328-332, Nr. 1573. Der Brief, der bei Chyträus auf 30. Mai datiert ist, wird in WA.B 5 auf 20. Mai datiert, vgl. die Begründung S. 329. Ob Chyträus also historisch legitimerweise diese beiden Scheiben so verknüpfen kann, ist heute bestritten. 35 Chyträus hatte diesen Text 1576 noch nicht an dieser Stelle in seinem Werk. Damals ließ er es noch der Korrespondenz mit Johann von Sachsen folgen, wodurch er die chronologische Kette nahtloser halten konnte (vgl. Historia 15762, Bl. 33b-35b). 36 Text in WA.B 5, S. 324-327, Nr. 1572. Der Brief trägt sowohl bei Chyträus als auch in WA das Datum 20. Mai 1530. Chyträus kürzt, übergeht den persönlich gehaltenen ersten Absatz und das Postskriptum. Die Plazierung an dieser Stelle trotz der Schwierigkeiten mit der Chronologie soll dem Anschluß an das folgende Dokument dienen. 37 Text in WA.B 5, S. 344f, Nr. 1579. 38 Text bei Förstemann, Urkundenbuch 1, S. 220-224, Nr. 79 und Walch, Luther (2. Aufl.) 16, Sp. 695-698.

3.2 Bis zur Verlesung der Confessio Augustana

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Um den Inhalt dieses Dokuments zu beleuchten, fügt Chyträus die Antwort des Kurfürsten an den Kaiser39 an, in welcher auch ein zusammenfassendes Referat40 gegeben wird. Der Kaiser habe zunächst gewünscht, daß der sächsische Kurfürst ihm bis München entgegenkomme, was dann doch nicht geschah41, weil ja der Kaiser ein Entgegenkommen abgelehnt habe und den Aufenthalt auf der Reise gescheut habe. Dies ganze Antwortschreiben spiegelt die Problematik, daß der sächsische Kurfürst sich nicht seines Selbstbewußtseins und seiner Stellung im Reich unnötig begeben, aber doch der Obrigkeit die schuldige Reverenz erweisen will. Sehr deutlich übt er Kritik an der erneuten Aufnahme des Wormser Edikts: »Vnd hette demnach sich nicht geburt das vnser Mißgonner das Edict / welches sie selbs zuvor gemiltert / also scharpff angezogen haben« (39a). Auch zur Bündnisfrage nimmt der Kurfürst deutlich Stellung. Die Verbindung mit den Nachbarn geschehe nicht aus Opposition gegen den Kaiser, »sondern allein zu billicher Defension« (39b). Auch zur Frage des Predigtverbots schreibt er: »Vnd wurde vns derhalben hoch beschwerlich seyn / so Wir Gottes Wort / vnd die offenbare warheit zu lehren verbieten sollen« (40a). Aus Gottesfurcht heraus wagt der Fürst die Bitte an den Kaiser »in aller vnderthenigkeit«, daß die Predigt des Evangeliums nicht verboten werde. Das Argument, durch evangelische Predigt kämen neue Disputationen auf, wird entkräftet. Außerdem sei evangelische Predigt seit den Reichstagen von Speyer Gewohnheitsrecht. Durch das Verbot ergebe sich der Eindruck, der Kaiser wolle die evangelische Lehre verdammen und vertilgen, ehe er sie gehört und kennengelernt habe. Dies widerspreche dem Ausschreiben zum gegenwärtigen Reichstag. Mit diesem Antwortschreiben an Karl V. hat Luthers Landesherr gezeigt, daß er an Mut in Glaubensfragen nicht hinter dem geächteten Reformator auf der Coburg zurückstand. Chyträus kann damit wieder den Faden seiner Chronistentätigkeit aufgreifen (41b). Vom Einzug des Kaisers42 am Vorabend des Fronleichnamsfestes berichtet er, indem er die Schilderung aus dem neunten »Tomo Lutheri« anfügt43. Auf diese Weise beschreibt Chyträus im Zitat, welche Fürsten in Augs39 Text bei Förstemann, a. a. O., S. 224-235, Nr. 80. Hier wird gesagt, daß der Text bei Chyträus abweiche (ebenso bei Walch, a. a. O., Sp. 698-706). 40 Zur Verdeutlichung fügt Chyträus 1580 eine Zwischenüberschrift ein: »Biß hieher die Summa der Keys. Instruction. Volget deß Churfursten antwort« (37a). Diese Verdeutlichung hatte 1576 noch gefehlt. 41 Vgl. dazu Müller, Bündnis, S. 31-33 und Müller, Kurie, S. 90f. In München traf er nur mit den weltlichen und geistlichen Fürsten von Österreich und Bayern zusammen, vgl. Förstemann, Urkundenbuch 1, S. 245f, Nr. 87. Johann lehnte diese Reise ab, vgl. WA.B 5, S. 344, Nr. 1579, Zeile 14f mit Anm. 4. Chyträus hatte den Brief Johanns an Luther unmittelbar vorher gedruckt (Bl. 35b-36a). 42 Zur kulturgeschichtlichen Bedeutung dieses Reichstags und zu seiner Interpretation vgl. Aulinger, Bild, S. 328-346 und Aulinger, Augsburg, S. 12-14. 43 Chyträus meint damit die Wittenberger Ausgabe, vgl. Walch, Luther (2. Aufl.) 16, Sp. 732, Nr. 937.

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bürg anwesend waren44. Nachdem der Kaiser in seine Herberge eingezogen sei, habe er den sächsischen Kurfürsten mit den evangelischen Fürsten zu sich gerufen und durch König Ferdinand mitteilen lassen, sie möchten ihre evangelischen Predigten unterbinden und an der folgenden Fronleichnamsprozession teilnehmen. Daraufhin habe Markgraf Georg von Brandenburg seinen mutigen Protest vorgetragen, daß er es sich lieber den Kopf kosten lasse, als daß er Gott und sein Evangelium verleugne. Außerdem sei am Morgen des Festtages eine Delegation erneut zum Kaiser gezogen und habe dort begründet, daß die Evangelischen an der Prozession nicht teilnähmen45. Eine derartige Handlung sei nirgends in Gottes Wort eingesetzt und befohlen. Deshalb könnten sie nicht daran teilnehmen (43b^4a) 46 . Es blieb freilich über das Fest hinaus die Problematik der verbotenen evangelischen Predigt. Der Kaiser wollte sein Verbot aufrechthalten und erbat schriftliche Erklärungen, welche am Freitag, dem 17. Juni, übergeben wurden. Chyträus dokumentiert die Antwort der evangelischen Fürsten an den Kaiser zu dieser Frage47. Hier wird noch einmal expliziert, was im Prinzip Johann von Sachsen bereits früher an den Kaiser schrieb. Durch die gemeinsame Unterschrift und die Standhaftigkeit in der Herausforderung bekommt es größeres Gewicht. In dem ausführlichen Schreiben (44b-47b) bitten sie, der Kaiser möge »vns mit der besonnen abstellung vnser Predigt / des Glaubens / der liebe vnd vnsers Gewissens halben / gnediglich verschonen«. Auch an dieser Stelle, wie vorher im Schreiben Johanns von Sachsen, wird darauf aufmerksam gemacht, daß bei früheren Reichstagen evangelische Predigt nicht verboten war. Die evangelischen Fürsten haben es in ihrer Antwort an den Kaiser an Deutlichkeit nicht fehlen lassen. Der Chronist setzt seine Beschreibung des Geschehens von Augsburg fort. Der Kaiser habe das Schreiben der evangelischen Fürsten den anderen Kurund Fürsten zur Beratung übergeben. Der Konflikt sei dahingehend entschieden worden, daß nur solche Prediger in Augsburg amtieren durften, die vom

44 Der Text findet sich bei Walch, a. a. O.. Lediglich in den ersten Sätzen weicht Chyträus leicht von der Form bei Walch ab. 45 Vgl. zum Inhalt die »Erzählung«, die Walch, Luther (2. Aufl.) 16, Sp. 735-738, Nr. 939 bietet, und Förstemann, Urkundenbuch 1, S. 270, Nr. 95. 46 Chyträus hat an dieser Stelle seine Historia gegenüber den ersten Auflagen wesentlich erweitert durch den Rückgriff auf den 9. Band der Wittenberger Lütherausgabe. Von seinem ursprünglich knappen Bericht in der Fassung von 1576 beobachtet Aulinger, Bild, S. 330: ein »kurzer Bericht, der möglicherweise als zeitgenössisch einzustufen ist, aber mit keiner der anderen Schilderungen übereinstimmt.« 47 Der Text des von Kanzler Brück verfaßten, aber von den Fürsten unterzeichneten Schreibens findet sich bei Förstemann, Urkundenbuch 1, S. 283-290, Nr. 98 und bei Walch, Luther (2. Aufl.) 16, Sp. 742-747, Nr. 942. Chyträus hat leicht und unwesentlich gekürzt.

3.2 Bis zur Verlesung der Confessio Augustana

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Kaiser bestellt waren. Allen anderen wurde das Predigen unter Strafandrohung untersagt, wie ein Herold ausgerufen habe48. Als Luther davon Nachricht erhalten habe, habe er sofort seine Meinung in einem Brief an Johann Agricola, den Hofprediger des sächsischen Kurfürsten49, dargelegt. Chyträus bietet diese Stellungnahme aus Coburg wieder als Text50. Luther bestätigt das Verhalten seines Landesherrn, er befürchtet jedoch, der Kaiser werde auch noch Zwang ausüben, »von der gantzen Lehr abzustehen« (48b). Er warnt davor, auf die Gütigkeit des obersten Herrschers im Reich zu hoffen. In Augsburg habe man es nicht mit Menschen, sondern mit den Pforten der Hölle selbst zu tun. Dazu stärkt der Reformator die Bekenner in Augsburg aus der Ferne. Der Glaube werde sie lebendig machen und trösten. »Denn jr seid eines grossen Koniges Gesandten« (49a). Im Fortgang seiner chronistischen Darstellung folgt Chyträus der oben ausdrücklich genannten Quelle im neunten »Tomo Lutheri«51, ohne dies eigens zu wiederholen. Er schildert das Geschehen von Samstag, 18. Juni, bis Montag, 20. Juni 1530, also bis zur eigentlichen Eröffnung des Reichstags52. Es gehe um eine Beratung der Türkenfrage. An zweiter Stelle solle jeder Fürst »seine Meinung der Religion halben« lateinisch und deutsch in schriftlicher Form am Mittwoch früh vorlegen. Die Geschehnisse auf dem Reichstag werden weiterhin aus den Quellen selbst beschrieben53. Als nächstes Dokument bietet Chyträus die »Proposition« des Kaisers, den ersten Vortrag auf dem Reichstag, den Pfalzgraf Fried-

48 Die Formel des Herolds, die er am 18. Juni 1530 ausrufen mußte, findet sich in Walch, Luther (2. Aufl.) 16, Sp. 749. 49 Vgl. Joachim Rogge in TRE 2, S. 113, 17-20. 50 Chyträus bietet eine deutsche Übersetzung des lat. Briefes vom 30. Juni 1530, vgl. WA.B 5, S. 415^417, Nr. 1613. Der Text gehört zu denjenigen, die Chyträus von Caspar Eberhard erhalten hat, vgl. a. a. O., S.415, Anm. 1 und das Quellenverzeichnis von Chyträus (380a). Eine deutsche Übersetzung findet sich bei Walch, Luther (2. Aufl.) 16, Sp. 750-752, Nr. 945. Chyträus kürzt auch diesen Text um einige persönliche Bemerkungen. 51 Vgl. o. in diesem Kap., Anm. 43. Walch a. a. O., bietet diesen Text in verschiedenen Abschnitten, Sp. 735-738, Nr. 939; Sp. 768f, Nr. 948; Sp. 788f, Nr. 950. Der Text bei Chyträus ist fast wörtlich mit dieser Vorlage identisch, kürzt lediglich um persönliche Bemerkungen, womit er sich im Rahmen seiner Arbeitsprinzipien bewegt. 52 Die Rede des päpstlichen Legaten Vincenzo Pimpinella während der Messe am 20. Juni, die später in Augsburg gedruckt wurde (vgl. Walch, a. a. O., Sp. 7 7 0 778, Nr. 949) wird von Chyträus nur erwähnt (49b). Vgl. dazu Müller, Pimpinella, S. 70. 53 Offensichtlich folgt Chyträus weiterhin dem 9. Band der Wittenberger Ausgabe von Luthers Werken, vgl. Walch, a. a. O., Sp. 789, Nr. 951. Zum Aufbau dieses Teils von Band 9 der Wittenberger Luther-Ausgabe, deutscher Teil, vgl. Aland, Hilfsbuch, S. 558.

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3 Der deutsche Text der Historia

rieh namens des obersten Herrschers und in seiner Gegenwart gehalten hat54. In der Ausgabe von 1580 bietet Chyträus nicht nur den Teil, der die Glaubensfrage betrifft55, sondern die vollständige Textform56. Der umfangreiche erste Teil (50a-55a) knüpft an beim Wormser Edikt, erörtert aber zunächst den Verlauf der Türkenfrage seither. Karl V. und sein Bruder Ferdinand I. wollen es in dieser Hinsicht an nichts fehlen lassen, damit der Türkengefahr gewehrt werde, aber dazu wird auch die Hilfe der versammelten Fürsten erwartet. Was die »Irrung und Zwiespalt des heiligen Glaubens« angeht, greift Karl auch auf seine Position als Schirmherr der Kirche, wie er sie auf dem Reichstag in Worms wahrgenommen habe, zurück. Hier steht also abermals die Anknüpfung an das Edikt. Dem Irrtum und Zwiespalt soll nun durch die erneute Anwesenheit des Kaisers entgegengetreten und die Einigkeit wiederhergestellt werden. Zwar küpft der Text an den Wortlaut des Ausschreibens an, aber sein Ziel ist die Wiederherstellung eines »einmütigen christlichen Wesens« (56b)57. Mit der Vorlage dieses ausführlichen Dokuments von der Eröffnung des Reichstags hat der Chronist gleichzeitig eine hilfreiche Ausgangsposition für den Fortgang seiner Schilderung des Geschehens geschaffen. Die Kur- und Fürsten haben in der Beratung der kaiserlichen Proposition den Beschluß gefaßt, an erster Stelle von der Religionsfrage zu handeln. Des54 Der Text findet sich bei Walch, a. a. O., Sp. 789-799, Nr. 951. Hier findet sich die Textgestalt wie bei Chyträus. Eine Edition des gleichen Texts nach einer etwas anderen Vorlage, aber mit textkritischer Berücksichtigung von Chyträus, findet sich bei Förstemann, Urkundenbuch 1, S. 295-309, Nr. 102. 55 Darauf weist auch Förstemann, a. a. O., S. 295, Einleitung, hin; ebenso Walch, S. 789. 56 In der ersten Auflage und den davon abhängigen Frankfurter Nachdrucken hatte Chyträus gleich nach der Überschrift mit dem 2. Teil begonnen. Daß der 1. Teil später eingefügt wurde, kann auch daran deutlich werden, daß er mit anderen Schrifttypen gesetzt ist (55a). An dieser Stelle wird einmal besonders klar deutlich, worin der Fortschritt zwischen der ersten Auflage und den Überarbeitungen liegt. Im Quellenverzeichnis der Ausgabe von 1580 schreibt Chyträus, er habe die Proposition »neuwlich erst von einem guten freundt aus Düringen bekommen«. Das letzte Stück, den Punkt der Religion betreffend, stehe bereits im 9. Band der Wittenberger und im 5. Band der Jenaer Lutherausgabe (380a). So erkennen wir den Grund für die Erweiterung des Texts, den er vorher nur nach den erwähnten Luther-Ausgaben verarbeiten konnte. Ob der gute Freund in Thüringen Spalatin ist, sagt er nicht. WA.B 14, S. 431f, Anm. 14 stellen die Vermutung an, es könne Aurifaber oder A. Poach gemeint sein. Für die »These Aurifaber« spräche der undatierte Brief von Chyträus an Johann Witzendorff in Lüneburg, in dem er schreibt, er wolle seine Publikation mit den Akten Aurifabers vergleichen (Chytraei epistolae, S. 2700- Zu Aurifaber vgl. WA.B 14, S. 284 und S. 127f. 57 Am Ende bietet die Form bei Förstemann, Urkundenbuch 1, S. 309, einen Abschnitt mehr als Chyträus. In diesem Passus wird auf die sonstigen Probleme kurz eingegangen, die auch noch in Augsburg verhandelt werden sollten. Offenbar hat aber schon die Vorlage diesen Passus nicht überliefert. Ebenso wie bei Chyträus fehlt er bei Walch, Luther (2. Aufl.) 16, Sp. 799.

3.2 Bis zur Verlesung der Confessio Augustana

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halb sei dem sächsischen Kurfürsten und seinen Mitverwandten befohlen worden, ihr Glaubensbekenntnis und ihre Meinung von den Mißbräuchen schriftlich abzufassen und dem Kaiser zu übergeben. Am 24. Juni nachmittags habe der päpstliche Legat Lorenzo Campeggio58 eine Rede59 gehalten und zu Einigkeit der Religion und in Sachen des Krieges gegen die Türken ermähnt. Es seien Klagen aus Österreich über Schäden aus dem Türkenkrieg gehört worden60. Danach hätten die evangelischen Fürsten ihre Stimme erhoben und darauf hingewiesen, daß sie ihr Bekenntnis in der Versammlung des heiligen Reiches öffentlich verlesen wollten. Sie haben sich nicht überreden lassen, den Text nur schriftlich zu übergeben. Sie befürchteten, diese Sache würde dem Kaiser sonst vielleicht anders vorgebracht, als sie sich in Wahrheit befinde. Sie betonten eigens die Wichtigkeit der Angelegenheit, so daß der Kaiser zugesagt habe, sie sollten am 25. Juni angehört werden61. Vor der Verlesung habe Johann von Sachsen Luther einen Brief geschrieben62. In diesem Schreiben (57b-58b) unterrichtet der Kurfürst über den Stand des Gesprächs auf dem Reichstag. Hier tritt deutlich der Konflikt zutage. Man habe nicht eine öffentliche Verlesung der Confessio auf dem Reichstag erreicht, weil König Ferdinand dies verwehrt habe, aber der Kaiser wolle die Artikel in seinem Palast hören. Die Unterzeichner hätten - so fährt Chyträus fort - ihr Bekenntnis öffentlich verlesen lassen. Der kurfürstlich sächsische Kanzler habe so laut gelesen, daß man es auch außerhalb des Saals im Hof des Bischofs von Augsburg gehört habe. Aus Zeitgründen sei das zweisprachige Dokument nur in der deutschen Fassung gelesen worden. In der Historia ist nun der Text des Bekenntnisses selbst zu erwarten. Aufmerksamkeit verdient jedoch der hinführende Abschnitt. Er erfuhr viele Revisionen durch den Autor.

58 Vgl. Gerhard Müller, Campeggio, in: TRE 7, S. 604-606. 59 Der Text in deutscher Übersetzung findet sich in Walch, a.a.O., S. 801-813, Nr. 953. In der lateinischen Historia ist dieser Text gedruckt, S. 61-68. 60 Vgl. Müller, Kurie, S. 96f. 61 Vgl. auch Müller, Bündnis, S. 33. 62 Text in WA.B 5, S. 394f, Nr. 1603. Chyträus zitiert laut Quellenverzeichnis (380a) aus dem 5. Band der Jenaer Lutherausgabe »fol. 29.30«. Vgl. dazu auch Walch, Luther (2. Aufl.) 16, Sp. 752, Nr. 946.

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3 Der deutsche Text der Historia

3.3 Der Text der Confessio Augustana Chyträus hatte bereits in der ersten Auflage »das erste Exemplar« abgedruckt. Was er aber darunter verstand, präzisierte er in seinem Vorwort noch von Auflage zu Auflage. In der ersten Fassung von 1576 schrieb er über diese Form des »ersten Exemplars«: »welches von wort zu wort / auß dem Original63 / in des Ertzbischoffs zu Mentz Reichs Cantzley / abgeschrieben / vnd collationieret ist«64. Die späteren Drucke der Confessio stimmten - so betont Chyträus aus seiner damaligen Sicht-, was die Lehre und die Sache selbst betreffe, »beynahe gantz und gar vbereyn«. Freilich kann er auch hier schon nicht umhin einzuräumen, daß diese späteren Drucke »etliche Artikel etwas deutlicher vnd außfuhrlicher widerholen und erkleren«.

63 Neuser, Bibliographie, S. 9 schreibt: »Die fünfte Epoche setzt mit der Entdekkung des vermeintlichen Originals in der Mainzer Kanzlei ein. Erstmals wird über die Drucke hinaus nach einer autorisierten Handschrift gesucht. Der erste Abdruck des Mainzer >Originals< erfolgte im Corpus Doctrinae Brandenburgicum 1572, es folgten Georg Coelestins Abdrucke 1576 und 1577 und schließlich derjenige im Konkordienbuch 1580.« Leider geht Neuser nicht auf Chyträus ein, aber man kann ihn selbst leicht einordnen. 64 So im Text Rostock 15761, Bl. 46a. Mehrfach hat sich Chyträus in Briefen um den rechten Text der CA bemüht: Bereits in einem Brief vom 16. Oktober 1573 an Lambert Diestelmaier, den Kanzler des brandenburgischen Kurfürsten, bittet er um Beschaffung des »Mainzer Originals«, von dem er hofft, der Kanzler habe es bei Cölestin gesehen (Berlin, SBPK: Ms. boruss. fol. 54, Bl. 46rv). Im Brief vom November 1575 an einen Rat des brandenburgischen Kurfürsten, den er nicht namentlich nennt, erörtert er sehr detailliert, worin die Probleme der verschiedenen Editionen begründet sind, und bittet um präzise Auskunft, ob der Text in »ordinatione ecclesiastica Electoris Brandenburgensis« mit dem »Mainzer Original« der Confessio übereinstimme, bzw. ob am brandenburgischen Hof eine Kopie dieses Originals vorhanden sei, denn er wolle sie in seine Historia, die er vor zwei Jahren zum großen Teil in der Steiermark fertiggestellt habe, einfügen (Berlin, SBPK: Ms. Boruss. fol. 54, Bl. 109r-110r). In einem Brief an Paul Praetorius vom Mai 1576 schreibt Chyträus, um sich zu verteidigen: »Exemplum confessionis Augustanae, quod inserui historiae, quadriennio antequam ego illud edidi, ipsius Electoris Brandenburgensis mandato, in ordinatione Ecclesiarum Marchiae publice typis expressum, cum omnibus legere illud volentibus communicatum esse« (Chytraei epistolae, S. 850f). In einem undatierten Brief, der aber wohl im Umfeld des Torgauer Konvents von 1576 geschrieben sein muß, teilt er Johann Jenitz, dem Sekretär des sächsischen Kurfürsten, mit, daß er Georg Spalatins Manuskript mit dem Exemplar des Brandenburgischen Kurfürsten verglichen habe, das aus dem Original im Archiv des Mainzer Erzbischofs abgeschrieben sei. Eben diesen Text habe er in seine deutsche Historia gesetzt. Er habe dem Leser deutlich machen wollen: »verum illud & primum ac indubitatum Augustanae confessionis exemplum esse, quod in Historia illa expressum est« (Chytraei epistolae, S. 1130f).

3.3 Der Text der Confessio Augustana

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In der Rostocker Ausgabe von 1577 hält er noch fest, was er über das Exemplar der Mainzer Kanzlei gesagt hatte, bezieht es aber nicht mehr auf die Drucke, sondern fügt an: »Mit welchem auch die alten geschriebenen Exemplar / welche die zeit des werenden Reichstags zu Augspurg anno 1530. auff etlicher Fürsten befehl abcopieret ,..«65 übereinstimmen. Unter diesen Kopien hebt er jedoch die von Georg Spalatin, dem kursächsischen Hofprediger, eigenhändig gefertigte Abschrift hervor66. Chyträus habe nämlich Spalatins Akten67 zu diesem Zeitpunkt »neuwlicher zeyt noch mit fleiß durchsehen« und mit den in seiner Historia dokumentierten Schriften »collationiert«. »Zu dem stimmet die eheste vnd erstgedruckte Lateinische Confessio in quarto68 mit diesem Deutschen Original gar nach von wort zu wort durchauß vberein.«69 In der Ausgabe von 1580 ändern sich die Aussagen noch einmal leicht. Er hält an dem »ersten Exemplar« fest, das er unverändert zum Druck bringt, sagt darüber jedoch nur noch, daß es »von wort zu wort / mit dem von den Protestierenden Fürsten vnterschribenen Original / in deß Ertzbischoffs zu Mentz Reichs Cantzlei vbereyn kompt« (59a). Hier wird also nicht mehr gesagt, daß es sich um die Abschrift des Mainzer Texts handelt, andererseits wird jetzt die Mainzer Überlieferung als Original eingestuft70. In seinem »Bericht von obgesetzten Actis / wo sie her genommen«, den er von der Ausgabe Rostock 1577 an auf den letzten Seiten seiner Historia anfügt, präzisiert er. Er kenne die Mainzer Fassung, die »auff Margraffen Jochims / Churfursten zu Brandenburg / befehl / durch Doctor Andreas Zochen71 treuwlich abgeschriben vnd auscultiret72 / von dem jetzigen Churfursten zu Brandenburg / Marggraff 65 So im Text Rostock 1577, Bl. 56b. 66 Diese Passagen sind in den Fassungen von 1577 und 1580 schon identisch. 67 Die Übereinstimmung mit dem Exemplar Spalatins unterstreicht er auch in Briefen an Johann Jenitz vom 17. Juni [1576?], vgl. Anm. 64, und vom 8. September 1576, vgl. Chytraei epistolae, S. 77f. Spalatins Textfassung liegt ediert in Förstemann, Urkundenbuch 1, S. 310-343, Nr. 103, vor. Förstemann legt aber Wert darauf, daß Chyträus eine Abschrift benutzt habe, die in Dresden von ihm gesehen worden war, vgl. a. a. 0 . , S. 310-312. 68 Vgl. Neuser, Bibliographie, S. 53, Nr. 8. 69 Darauf kommt er in seinen Quellenangaben (378b) noch einmal zurück. 70 Zur Geschichte des deutschen Texts der CA und zur Bedeutung der Mainzer Überlieferung vgl. Heinrich Bornkamm in BSLK, S. XIX. 71 Andreas Zoch (1519-1581) war Professor Juris in Frankfurt/Oder, vgl. Jöcher AGL 4, Sp. 2217. 72 Hatte Chyträus 1576 nur behauptet, die CA sei vor vier Jahren auf Befehl des Brandenburgischen Kurfürsten ediert worden (vgl. o. Anm. 64), so nennt er jetzt Andreas Zoch als Herausgeber. Als Bearbeiter der Brandenburgischen Kirchenordnung von 1572 gelten Paul Musculus und Georg Cölestin (vgl. EKO 3, S. 18). Schon 1858 war offen, ob das Verdienst der Bearbeitung Cölestin oder Zoch zustehe, vgl. CR 26, Sp. 433/434, Anm. *. Bezeugt ist jedenfalls, daß Cölestin sich die Kosten für seine Reise nach Mainz 1566 erstatten ließ, vgl. Spieker, Musculus, S. 342. Cölestin muß nach Zoch diese Arbeit noch einmal getan haben, vgl. a. a. O., S. 230f.

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3 Der deutsche Text der Historia

Johans Georgen / etc. in J. C. F. G. Kirchenordnung73 / vor etlichen jaren durch den Druck meniglich mitgetheilet« sei, und er habe diese Fassung74 in seinem Buch setzen und behalten wollen und sollen (378a+b). Aber warum diese detaillierten Ausführungen bei Chyträus und warum die genaue Beobachtimg der sich steigernden Präzision in unserer Analyse? Das Ergebnis, zu dem Chyträus kam, ist von größtem Interesse: »Das also kein zweiffei ist / dieses sey eigentlich vnd gewißlich das rechte vnd warhafftige erste Exemplar der Confession, wie sie von wort zu wort gelautet / als sie auff dem Reichßtag / anno M.D.XXX. Keyserlicher Maiestet vberantwortet ist.«75 Der Grund für diese Feststellungen lag natürlich in dem Problem der verschiedenen Fassungen der Confessio Augustana Variata. Gerade dazu aber ist die kleine Vorbemerkung zum Druck des Wortlauts des »ersten Exemplars« durch die verschiedenen Auflagen höchst interessant. In der ersten Form von 1576 ging der Autor in Rostock ganz unbefangen selbstverständlich auf die Probleme ein. Er erwähnt die »Ungleichheit« zwischen den Druckausgaben: »Denn auch bey Leben Lutheri die Confessio vnd Apologia vermehret vnd gebessert / vnd one zweiffei mit vorwissen vnd willen Lutheri / auff den Colloquiis zu Wormbs vnd Regensburg / von den Euangelischen Stenden den Widersachern furgelegt ist.«76 Der Druck von 1577 tilgt aus diesem Satz die Bemerkung, daß dies ohne Zweifel mit Luthers Wissen und Willen geschehen sei77. Der Druck von 1580 erwähnt die Ungleichheit bei den Nachdrucken nur noch knapp als eigentlichen Grund für den erneuten Druck des »ersten Exemplars« (59a). Daß Luther davon gewußt habe, wird ebenso verschwiegen wie die Zweckbestimmung für die späteren Religionsgespräche78. Die Absicht dieser Präzisierungen ist - aus dem Gespräch mit den Freunden heraus entstanden - , die größtmögliche Vergewisserung über die Unbezweifelbarkeit des von ihm im Druck vorgelegten Textes. So ist endlich der Boden bereitet. Das zentrale Dokument kann im Druck vorgelegt werden: »Confession, oder Bekenntniß des Glaubens ...«, der Text

73 Vgl. die Druckbeschreibung dazu bei Neuser, Bibliographie, S. 123, Nr. 106. 74 Zur Kirchenordnung von Brandenburg vgl. Gerd Heinrich in TRE7, S. 113. Chyträus hatte 1573 ein positives Urteil darüber an Paul Musculus geschickt. Es ist gedruckt bei Spieker, Musculus, S. 375f. Man muß darauf achten, daß man die beiden Brüder Paul und Andreas Musculus nicht verwechselt. 75 So schreibt Chyträus in den Quellenangaben am Schluß des Bandes (378b). Er hatte Anlaß, dies hervorzuheben, denn es war bestritten worden, vgl. Krabbe, Chyträus, S. 306 mit Anm. *. 76 So im Text Rostock 15761, Bl. 46a. Das entspricht genau dem Abschluß im Druck der Wittenberger Lutherausgabe, vgl. Neuser, Bibliographie, S. 72, Nr. 40. 77 Vgl. Rostock 1577, Bl. 56b. Chyträus hat diese Korrektur auf Veranlassung von Caspar Naevius vorgenommen, dem er im Juli [1576] darüber schreibt, vgl. Chytraei epistolae, S. 1129 und Krabbe, Chyträus, S. 305f. 78 Vgl. dazu Bernhard Lohse, Augsburger Bekenntnis I, in: TRE 4, S. 625f.

3.3 Der Text der Confessio Augustana

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der CA von 1530 (59b-94b). Chyträus bietet nach eigenen Angaben den deutschen Text in der Gestalt, wie ihn die Brandenburgische Kirchenordnung von 1572 gedruckt hatte. Eine Sichtung der textkritischen Probleme ergibt jedoch, daß er auch Melanchthons Editio princeps einarbeitet. Das geschieht stillschweigend am Ende vom 3. Artikel (65a)79. Das wird aber im Falle des 20. Artikels auch eigens erwähnt und zum Ausdruck gebracht. Hier schrieb er in der ersten Auflage noch, dieser Artikel sei »in etlichen ehesten gedruckten Exemplarn« etwas deutlicher erklärt worden. In der Auflage von 1580 wird es präziser benannt: »in den ersten gedruckten Exemplarn« (71b). Daraus wird dann ein Abschnitt eingefügt (71b-74a)80, in dem es um die Gerechtigkeit des Glaubens und die Frage der Werke geht. Im sonstigen Text gibt es kleine Abweichungen aufgrund des Textvergleichs festzustellen, aber es läßt sich nicht ein Prinzip oder eine theologische Absicht dahinter erkennen. Wie der Kaiser durch Pfalzgraf Friedrich auf die Verlesung reagieren ließ, berichtet Chyträus in den frühen Auflagen durch einen Extrakt aus Spalatins Annalen, der auch in der Jenaer und Wittenberger Ausgabe von Luthers Werken aufgenommen war81. In der Ausgabe von 1580 druckt er den vollen Wortlaut der Antwort des Kaisers (94b-95a)82. Karl V. selbst habe gemäß diesem Dokument nach der öffentlichen Überreichung des lateinischen und deutschen Texts der CA durch die Hände von Brück und Schweiß83 seinen Sitzplatz verlassen und die evangelischen Fürsten persönlich gebeten, die CA nicht ohne sein Wissen und Bewilligung im Druck bekannt zu machen. Man habe darauf geantwortet, man wolle sich »unvorweißlich« [= untadelig] erzeigen und halten. Der Kaiser, der die Confessio alsbald den »vornehmsten Potentaten in der Christenheit« zugeschickt und deren Bedenken dazu angefordert habe, vermied jede Stellungnahme84. So kam der Text an die Höfe und in die Städte Europas. Dies zu betonen, scheint nicht nur Chyträus wichtig. Das hatte auch

79 Vgl. BSLK, S. 54 mit der textkritischen Anmerkung. 80 Das ist der Passus, den BSLK im Apparat, S. 82f bieten. In der lateinischen Historia ist dieser Passus nicht enthalten. 81 Vgl. Walch, Luther (2. Aufl.) 16, Sp. 875. Chyträus greift die Reaktion heraus, die Sp. 878, 3. Absatz, beschrieben wird. 82 Text bei Förstemann, Urkundenbuch 2, S. 3f, Nr. 108. Chyträus bietet jedoch einen Text, der, im Unterschied zum Druck bei Förstemann, ausdrücklich die bei Spalatin genannten Namen des kursächsischen Kanzlers Gregor Brück und des kaiserlichen Sekretärs Alexander Schweiß erwähnt. 83 Vgl. dazu Müller, Kurie, S. 96, Anm. 35, und BSLK, S. XVIII. Auch Tetleben, Protokoll, S. 77, hält das fest. 84 Spalatin bemerkt, daß die »Widersacher« sich bei der Verlesung so verhalten haben, daß man ihren Unwillen wahrnehmen konnte, vgl. Walch, Luther (2. Aufl.) 16, Sp. 878.

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3 Der deutsche Text der Historia

Luther rückblickend »freudig gerühmt«. Der Chronist fügt hier ein Zitat85 aus einer Tischrede86 an, die er ins Deutsche überträgt. Die Zündkraft der Confessio und der Apologia, die in der Kraft des Wortes Gottes begründet sei, wird da vom Reformator gerühmt: »Da sind viel fürtrefflicher Leut an den Königlichen vnnd Fürstlichen Hofen gewest / die fiengen die Lehr gleich wie ein Zunder / vnd zündeten es darnach allenthalben an. Also ist vnser Confessio vnd Apologia mit grossen ehren außgegangen.«87 Luther sah aus der Rückschau den Reichstag als einen Ort, an dem Gottes Wort ausgerufen worden sei, wenn auch gegen die Meinung aller Menschen, des Kaisers, des Papsts und aller »Epicureer«88 (96a). Die Confutatio der Papisten hingegen liege im Finsteren und verfaule. Chyträus setzt seinen chronologischen Bericht fort, indem er Luthers Antwort an seinen Kurfürsten vom 9. Juli 1530 als Text anfügt89 (96a+b). Er greift jedoch aus dem Brief zunächst den Teil heraus, der positiv auf das Geschehen von Augsburg eingeht90, Luthers Wertung, daß die Übergabe des Bekenntnisses durch die Fürsten eine wirkungsvolle Predigt des Evangeliums in der Öffentlichkeit des Reichstags gewesen sei. Doch ist dies nur die Schau Luthers und seiner Freunde. Der Kaiser und die Altgläubigen waren dafür nicht zu gewinnen, wie zu zeigen ist.

3.4 Reaktionen auf die Confessio Augustana In Augsburg war die Aufnahme weniger erfreulich. Im Reichsrat seien bei der Beratung über die Confessio drei Positionen hervorgetreten: Man wolle erstens die Einhaltung des Wormser Edikts erzwingen. Man wolle zweitens über die Confessio das Urteil »unparteiischer« Männer einholen und daraufhin dem

85 Der Text findet sich in WA30III, S. 389. Offensichtlich benutzt Chyträus diese Handschrift Georg Rörers. Das ist über WA.B 14, S.433, Anm. 25 hinaus zu sagen. 86 Daß es sich um eine Tischrede handelt, wird WA.TR 3, S. 127f, mit Anm. 1, deutlich. 87 Der gleiche Luther, der auf der Coburg 1530 sich ängstlich sorgte wegen Melanchthons »Leisetreterei«, kann im Rückblick ein so hohes Lob der CA singen. Nach WA.TR 3, S. 127, Anm. 1, gehört der Text in die Jahre 1532/1533. Es entspricht ganz der Absicht von Chyträus, diese Aussage in die Darstellung des Geschehensverlaufs selbst einzubauen. 88 So benannte man im 16. Jahrhundert Ungläubige und Materialisten. 89 Der Text findet sich in WA.B 5, S. 453-455, Nr. 1633. Luther antwortet hier jedoch nicht auf den Brief vom 25. Juni, wie Chyträus meint, sondern auf Johanns Brief vom 4. Juli, den Chyträus offenbar nicht kannte (vgl. WA.B 5, S. 436-438, Nr. 1622). Eine bessere Edition des Briefes bietet WA.B 12, S. 117-119, Nr. 4239a. 90 Der Abschnitt entspricht WA.B 5, S. 453,9-454,26.

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Kaiser das letzte Wort geben. Drittens solle zunächst die Widerlegung der CA im Namen des Kaisers den evangelischen Ständen verlesen werden und dann vom Kaiser entschieden werden, womit alles wieder in den früheren Zustand gebracht würde bis zur Beratung der »irrigen Sachen« in einem Konzil91. Als der Kurfürst von Sachsen gehört habe, daß die meisten Stände der dritten Meinung zuneigten, habe er wiederum bei Luther angefragt, ob und inwiefern er sich in der Glaubensfrage dem Urteil des Kaisers unterwerfen könne92. Als Antwort Luthers fügt Chyträus die zweite Hälfte aus dem bereits zitierten Brief vom 9. Juli aus Coburg an93. Der Reformator hielt die ganze Ausschreibung des Reichstags für sinnlos, falls der Kaiser nicht gemäß dem Wortlaut des Ausschreibens zu einem wirklichen Hören bereit wäre. Wenn der Kaiser richten wolle, so dürfe dies nicht gegen das göttliche Wort gerichtet sein, denn die Schrift verbiete in Psalm 118 und 146, auf Fürsten und Menschen zu vertrauen. Damit könne der Kurfürst dem Kaiser antworten. Wenn sie ohne die hl. Schrift urteilen wollten, so würden sie sich als christliche Fürsten selbst Lügen strafen. Luther tröstet und ermutigt seinen Landesherrn, weil Christus da ist (97a-98a). Während die päpstlichen Theologen94 an der Confutatio arbeiteten, habe der Kaiser noch einmal gefragt, ob die evangelischen Fürsten es bei der übergebenen Confessio belassen wollten oder ob sie mehr Artikel übergeben wollten95. Die Theologen hätten jedoch davon abgeraten, weitere Artikel zu verfassen. Chyträus führt ihre Gründe als Zitat96 auf (98b-99a). Die weiteren Lehrfragen, die sie benennen, bezeichnen sie als solche, die mehr »in die Schul als in die Predigten in der Kirche gehören« (98b). Die nötigen Fragen der Lehre seien jedoch im Bekenntnis ausreichend behandelt97. Auf diese Beratung hin hätten die evangelischen Stände dem Kaiser geantwortet (99a-

91 Zur Lage in Augsburg vgl. die Bemerkungen in WA.B 5, S. 437 und Tetleben, Protokoll, S. 81f, wo das Reichstagsgeschehen vom 5. Juli festgehalten ist. 92 Den Wortlaut des entsprechenden Briefs kannte Chyträus offenbar nicht. Er findet sich in WA.B 5, S. 4 3 6 ^ 3 8 , Nr. 1622. 93 Text in WA.B 5, S. 454,28^55,74. 94 Zur Liste der aufgeführten Namen vgl. Immenkötter, Confutatio, S. 17-22. Chyträus nennt jedoch nur die wichtigsten. (Zu Johann Eck und seiner Erwähnung bei Chyträus vgl. Burkhardt, Eck-Bild, S. 13 mit Anm. 22). 95 Vgl. Müller, Kurie, S. 104 mit Anm. 84. 96 Text in Walch, Luther (2. Aufl.) 16, Sp. 891 f. 97 Immerhin nennen sie aber doch neben den Lehrartikeln und den zugehörigen Mißbrauchsartikeln auch noch die »hessigen« [= hassenswerten] Artikel, die »unnötig« sind und deshalb jetzt nicht verhandelt zu werden brauchen. Dazu gehört die Frage nach dem allgemeinen Priestertum, nach dem Primat des Papstes, nach der Erlaubnis für Laien oder Frauen zur Konsekration, nach dem durch die Priesterweihe mitgeteilten Charakter, nach der Heilsnotwendigkeit der Ohrenbeichte, usw.

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100a)98. In dieser Replik wird betont, daß man bisher nur diejenigen Mißbräuche namhaft gemacht habe, mit denen »unser und der Unseren Gewissen beschwert gewesen«. Andere Mißbräuche allerdings, welche den Lebenswandel der Geistlichen betreffen, habe man übergangen, denn darüber müßten diese jederzeit für sich Gott Rechenschaft geben. Chyträus erwähnt eigens, daß mit der Glaubensfrage für Kurfürst Johann von Sachsen auch die persönlichen Fragen seiner feierlichen Belehnung, sowie die Bestätigung der Eheschließung seines Sohnes Johann Friedrich mit der Tochter des Herzogs von Jülich auf dem Spiel standen. Der Kaiser habe seine Einwilligung von der Rückkehr des Kurfürsten zum alten Glauben abhängig gemacht". Aber Johann sei dennoch beim Bekenntnis der reinen Lehre geblieben »mit sonderlicher hochloblicher / vnd zu allen zeiten ruhmwirdiger bestendigkeit« (100b). Chyträus zitiert im vollen Wortlaut den Text des Briefs, den Johann am 21. Juli an den Kaiser schrieb100 (101a-l07b). In diesem Schreiben ging es um drei Fragen: 1. die Erneuerung des Lehens für Kursachsen101, 2. die Bestätigung des Heiratsvertrags102, 3. um einen Jahrmarkt der Stadt Gotha. Hinsichtlich der Glaubensfrage zeigt sich der Kurfürst bereit, sich dem Urteil der Schrift zu unterwerfen. In dieser Bereitschaft ist jedoch die Anklage impliziert, daß die kritischen Forderungen der altgläubigen Gegner unberechtigt seien. Hier schreibt einer deutliche Worte, die zu keinem Kompromiß bereit sind. Dennoch schließt er: »Ich wil widerumb gegen Ε. Κ. M. allzeit trewlich vnd fleissig thun / was einem frommen vnd gehorsamen Fürsten geburet. Bin bereit Ε. Κ. M. auch mit darstreckung meines Guts vnd Bluts zu

98 Text in Förstemann, Urkundenbuch 2, S. 17-19, Nr. 113, jedoch ohne die Unterschriften am Schluß (vgl. auch Walch, Luther [2. Aufl.] 16, Sp. 892-894). In der ersten Auflage hat Chyträus eine andere Überlieferung dieses Schreibens gedruckt, die im Wortbestand abweicht, wenn auch sachlich Übereinstimmung feststellbar ist (vgl. Historia 1576', Bl. 86a-87a). 99 Die Bekanntmachung des Kaisers vom 16. Juli an Kursachsen findet sich in Walch, Luther (2. Aufl.) 16, Sp. 932-934, Nr. 994. Spalatin verfaßte dazu für seinen Landesherrn ein Bedenken, das sich bei Förstemann, Urkundenbuch 2, S. 80-84, Nr. 121 findet. 100 Der Text des Ausschnitts 103a-106b findet sich auch bei Förstemann, Urkundenbuch 2, S. 113-119, Nr. 129. Chyträus betont jedoch eigens, er wolle diesen Text »nicht verstümmelt« vorlegen, wie er andernorts gedruckt sei. Die Beschränkung auf den Teil, der die Religion betrifft, ist in den Ausgaben von Luthers Schriften zu finden, vgl. Walch, Luther (2. Aufl.) 16, Sp. 934, Vorbemerkung. Der Text, den Walch bietet (a. a. O., Sp. 934-943, Nr. 995), stimmt nicht genau mit der Fassung bei Chyträus überein. Verfasser des lateinischen Texts ist Melanchthon, vgl. MBW 1, S. 410, Nr. 984. 101 Kurfürst Johann wurde nie belehnt, sein Sohn Johann Friedrich wurde am 20. November 1535 in Wien belehnt, vgl. WA.B 13, S. 165 zu 498 2 . 102 Die Heirat Johann Friedrichs mit Sibylle von Cleve war am 8-/9. Sept. 1527 vollzogen worden, vgl. a. a. O.

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dienen« I03 (107b). Es lag Chyträus offensichtlich viel daran, den Mut des Kurfürsten mit allen Konsequenzen darzustellen. Den Bericht vom Reichstag setzt er fort, indem er aufzählt, welche Bücher die altgläubigen Theologen am 13. Juli gegen die Lutheraner in Augsburg vorgelegt haben10* (107b-108a). Die Aufzählung entnimmt er einem Brief Melanchthons vom 15. Juli105, den er in deutscher Übersetzung anfügt (108a-b). Melanchthon sah in der Übergabe dieser Bücher die Absicht der Theologen, den Kaiser gegen die Protestanten zu verbittern. Chyträus fügt unmittelbar Luthers Urteil über solche Schriften an106, das erwartungsgemäß scharf ist. Luther meinte sogar, in solchen Schriften zu erkennen, daß der Teufel noch lebe107 (108b-109b). Der Reformator warnt und mahnt die befreundeten Theologen in Augsburg108 und bezeichnet die Gegner als »Buben«. Chyträus weist aber auch auf den brieflichen Austausch zwischen Luther und Melanchthon hin, in welchen Stücken man nachgeben könne, ohne sein Gewissen zu verletzen. Chyträus ist dabei vor allem an der Darbietung der Trostschriften Luthers von der Coburg gelegen. Er beginnt mit einem Schreiben an Gregor Brück109 (110a—1 IIb) und schließt Briefe an Melanchthon110 an (112a-117a). 103 Ranke, Reformation, S. 563 schreibt: »Kurfürst Johann erklärte nach wie vor, der Kaiser solle in ihm in allen Stücken einen getreuen, friedlichen Fürsten finden; aber dazu werde er ihn nie vermögen, die ewige Wahrheit nicht als die Wahrheit, das unvergängliche Gotteswort nicht als Gotteswort zu betrachten.« 104 Chyträus dürfte auch Spalatins Verzeichnis berücksichtigt haben, das lateinisch und deutsch bekannt war, vgl. WA.B 5, S. 484f, Anm. 3, wo der Text angeführt wird. Er zitiert immer nach der Wittenberger und Jenaer Lutherausgabe, wie er am Schluß seines Buches nachweist. 105 Text in WA.B 5, S. 484, Nr. 1651; vgl. MBW 1, S. 406, Nr. 973. 106 Er zitiert aus Luthers Brief an Melanchthon vom 27. Juli in deutscher Übersetzung. Text in WA.B 5, S.498f, Nr. 1659, Zeile 17-23. Vgl. auch WA.B 13, S. 165 zu 498 und MBW1, S.414, Nr. 993. In den Ausgaben vor 1580 hatte Chyträus auch den Schlußabschnitt aus diesem Brief in Übersetzung geboten. 107 Hatte Chyträus diese Aussagen in den älteren Auflagen auch noch aus dem vorher zitierten Brief an Melanchthon dargeboten, so tut er es 1580 nur noch aus einem Brief an Justus Jonas, der in WA.B 5, S. 495-497, Nr. 1657, zu finden ist. Er zitiert Zeile 4ff. 108 Ironisch konnte Luther in diesem Brief sogar Zwingli und Bucer loben (Zeile 24f)· Chyträus übergeht diese Namen und setzt in seinem Text nur »N. und N. gefallen mir warlich wol« (109b). Das gleiche hatte er auch schon getan im Text des Briefs von Kurfürst Johann an den Kaiser (107a), wo auch vom Bündnis mit den Schweizern die Rede war, die er schlicht »N.« nennt, vgl. dazu den Text bei Walch, Luther (2. Aufl.) 16, Sp. 942. 109 Text in WA.B 5, S. 530-532, Nr. 1675 vom 5. August. 110 Brief Luthers an Melanchthon vom 27. Juni, Text in WA.B 5, S. 398^00, Nr. 1605, in deutscher Übersetzung (vgl. MBW1, S. 396, Nr. 944). Brief vom 30. Juni, Text in WA.B 5, S. 411—413, Nr. 1611, in deutscher Übersetzung (vgl. MBW 1, S. 399, Nr. 950). Gegenbrief Melanchthon an Luther vom 27. Juni, Text in WA.B 5, S.402f, Nr. 1607, in deutscher Übersetzung (vgl. MBW1, S. 396, Nr. 942).

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Luthers Sorge über die fehlenden Nachrichten vom Geschehen in Augsburg wie auch seine Stellungnahme zum Bekenntnis (Apologia vestra) werden hier deutlich111. Luther richtete auch an Georg Spalatin112 (117a-b) und Johannes Brenz113 (118a-119a) in diesen Tagen eigene Briefe. Auch Veit Dietrich schrieb am gleichen Tag an Melanchthon114 (119a-120a). Luther stärkte von Coburg aus auch Justus Jonas115 (120a-122a) und Georg Spalatin116 (122a-b). Er wendet sich nochmals an Melanchthon117 (122b-123a) und Spalatin118 (123a-b). Luther geht in allen diesen Äußerungen hart mit den Gegnern ins Gericht. Chyträus hat daran nichts beschönigt, sondern nur gelegentlich etwas der persönlichen Worte entkleidet und Luthers Kritik an Melanchthon etwas zurückzunehmen versucht119. Der Reformator setzte seine brieflichen Stellungnahmen fleißig weiter fort. Chyträus hat die Schwierigkeit der chronologischen

111 Brief Luthers an Melanchthon vom 29. Juni (nicht 30., wie Chyträus Bl. 116b angibt!), Text in WA.B 5, S. 405^08, Nr. 1609, in deutscher Übersetzung (vgl. MBW1, S. 397, Nr. 946). 112 Brief Luthers an Spalatin vom 30. Juni im Auszug, Text in WA.B 5, S. 413-415, Nr. 1612, in deutscher Übersetzung den Teil Zeile 25-47. Das entspricht dem Umfang, der von Flacius gedruckt wurde, vgl. die Vorbemerkungen in WA.B 5, S. 414. So auch in der Wittenberger und Jenaer Lutherausgabe, vgl. Walch, Luther (2. Aufl.) 16, Sp. 908, Nr. 982 (Vorbemerkung). 113 Brief Luthers an Brenz vom 30. Juni, Text in WA.B 5, S. 417^119, Nr. 1614, in deutscher Übersetzung. Chyträus hat den Briefschluß, wie ihn Flacius gedruckt hatte, vgl. a. a. O., Anm. c. 114 Text in WA.B 5; S. 419-421, Beilage (vgl. MBW 1, S. 398, Nr. 949). Auch diesen Brief übersetzt Chyträus nach der Druckausgabe von Flacius, vgl. die textkritischen Bemerkungen in WA.B 5 (vgl. auch WA.B 13, S. 150f). Diesen Brief nahm Chyträus 1580 erstmals in seinen Text auf. Zur Interpretation dieses Briefes und seiner Schilderung von Luthers Gebetsleben vgl. Klaus, Dietrich, S. 7880, wo dieser Brief auch abgedruckt ist. 115 Brief vom 29. Juni (?), Text in WA.B 5, S. 408^111, Nr. 1610. An diesem Brief kann man studieren, wie Chyträus nicht nur übersetzt, sondern auch persönliche Bemerkungen tilgt. Den Namen von König Ferdinand ersetzt er durch »N.«. Er übersetzt die Passagen Zeile 13-30.3lf.40^49. Brief an Jonas vom 9. Juli, Text in WA.B 5, S. 457-460, Nr. 1635. Chyträus übersetzt den Text von Zeile 4 ab, vgl. Vorbemerkung zum Text in WA.B 5. 116 Brief vom 13. Juli. Text in WA.B 5, S. 472f, Nr. 1644 in deutscher Übersetzung. 117 Brief vom 9. Juli (nicht 19. Juli, wie Chyträus angibt). Text in WA.B 5, S.456f, Nr. 1634, in deutscher Übersetzung (vgl. MBW 1, S. 403, Nr. 963). 118 Brief vom 20. Juli: Text in WA.B 5, S. 486-488, Nr. 1653, in deutscher Übersetzung. 119 Die ganze Passage von Briefen auf Bll. 119a (Veit Dietrich an Melanchthon, vgl. Anm. 114) bis 123b hatte Chyträus in den früheren deutschen Ausgaben noch nicht aufgeführt. In der lateinischen Fassung stehen sie in leicht veränderter Folge, vgl. unten S. 99 mit Anm. 116.

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Einordnung nicht ganz meistern können. Er bietet einen weiteren Brief an Jonas120 (124a-b) und einen an Melanchthon vom gleichen Tag121 (124b-125a). Um diese Zeit habe Luther, der sich nie Hoffnung auf Lehreinigkeit mit den Papisten gemacht habe, aber sich bemüht habe, weltlichen Frieden zu halten, an Albrecht von Mainz122 durch eine gedruckte Schrift123 geschrieben, die Chyträus als Text vorlegt (125b-130a). Luther hatte die Form des offenen Briefes124 gewählt. Er hoffte auf diese Weise, den Erzbischof als höchsten Prälaten in deutschen Landen vor dem »verzweifelten Walen«125 [= Italiener] warnen zu können, sah also im Papst und seinem Gesandten die große Gefahr. Luther bringt darin klar zum Ausdruck, daß er keine Aussicht auf Erfolg von Ausgleichsverhandlungen sieht: »Habe auch deß gar keine hoffnung / daß wir der Lehre solten eins werden.« (126a). Aber Luther will wenigstens erreichen, daß die Gegenseite Frieden hält, wobei er die Gewissensbindung an die erkannte und öffentlich erklärte Wahrheit betont. Er nimmt seine Gewißheit daraus, daß Christus im Regiment sitzt, wie er aus Psalm 2 darlegt. Wer das Wort Christi nicht hören wolle, sondern es zu meistern versuche, »der sol im zorn vmbkommen« (129b). Wer mit dem Papst handle, begegne dem Teufel, so lautet Luthers harte Warnung. Chyträus gibt an, daß er andere Schriften Luthers vom Juli 1530 am Ende seines Buches biete, so Luthers »Schlußreden«126 und die »Vermahnung an die Geistlichen«127. An dieser Stelle rekonstruiert er den Fortgang der Ereignisse jedoch durch Darbietung weiterer Briefdokumente. Dabei unterlaufen ihm auch Einschätzungen, die der Historiker heute nicht mehr bestätigen kann. Den

120 In der Ausgabe seiner Historia, 15761, hatte er das Datum noch aufgeführt: »Am tag Margarethae«. 1580 läßt er dies richtige Datum weg. Der Text des Briefs vom 13. Juli findet sich in WA.B 5, S. 47lf, Nr. 1643. 121 Brief vom 13. Juli in WA.B 5, S. 469f, Nr. 1642 in deutscher Übersetzung (vgl. MBW 1, S. 405, Nr. 969). Zur Auswertung vgl. unten S. 99. 122 Der Brief findet sich in WA 30 Π, S. 391^112. Zur Datierung im Juli 1530 vgl. die Einleitung S. 391f. 123 Chyträus erwähnt den Druckort Nürnberg, wo die ersten Auflagen bei Georg Rottmaier (!) gedruckt wurden, vgl. Revisionsnachtrag zu WA 30 II, S. 104. 124 Das gedruckte Exemplar ließ er durch Johann Rühel an den Erzbischof übergeben, vgl. den Brief vom 13. Juli an Rühel, der sich in WA.B 5, S. 468f, Nr. 1641 findet. 125 WA.B 5, S. 469, 13, vgl. WA 30 Π, S.411, mit Anm. 1. 126 In der Ausgabe von 1577 hatte Chyträus die Propositiones an dieser Stelle zum Druck gebracht. 1580 verweist er sie in das Ende des Bandes (so Bl. 130a-b). Aber am Ende findet man die Propositiones nicht. Diese Propositiones finden sich in WA 30 II, S. 4 1 3 ^ 2 7 . 127 Die Vermahnung findet sich am Ende des Bandes Bll. 323a-350b. 1576 hatte Chyträus die Propositiones wie auch die Vermahnung nur erwähnt (Historia 15761, Bl. 111b), den Leser zur Lektüre aber auf die Bände der Lutherausgaben verwiesen.

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folgenden Brief Melanchthons an Luther128 knüpft er hier an, weil er meint, der Bericht von Augsburg nach Coburg spreche von der Lektüre von Luthers Vermahnung an die Geistlichen. In Wirklichkeit schrieb Melanchthon aber von dem Mahnschreiben an den Mainzer Erzbischof, also dem zuvor gedruckten Dokument. Durch falsche Datierung läßt er einen früheren Brief darauf folgen 129 , in welchem Melanchthon nach Coburg meldet, daß er aus den Worten von Campeggio entnehme, die Confutatio werde bald veröffentlicht. Er hofft weiterhin, daß die Protestanten die Möglichkeit zur Antwort eingeräumt bekommen (131a). Mit dem Reformator in Coburg diskutiert er über das rechte Verständnis der Menschensatzungen (traditiones). Chyträus bietet auch Luthers Antworten130. In diesen Briefen geht es um die Frage, wer in der Kirche die Macht habe, Satzungen einzurichten. Luther betont, Gott allein wolle sein Gebot gehalten haben. Mit diesem Dokument aus dem brieflichen Gedankenaustausch ist Chyträus als Chronist zum Datum der Verlesung der Confutatio am 3. August vorgedrungen, die er als Text dokumentiert (135b-165a). Chyträus bietet in der Ausgabe von 1580 einen vollständigen Text, den er von dem Rostocker Pastor M. Gelmerus Nemorimontius ins Deutsche übersetzen ließ131. Er er-

128 Brief vom 30. Juli (nicht, wie Chyträus angibt, 20. Juli). Der Text findet sich WA.B 5, S. 515f, Nr. 1667. Chyträus trägt sein Verständnis in die Übersetzung ein, vgl. MBW 1, S. 415, Nr. 998. 129 Brief vom 27. Juli. Der Text findet sich in WA.B 5, S. 507-509, Nr. 1663. Chyträus übersetzt nicht nur, sondern tilgt auch einen Satz über Erasmus, den er in den älteren Ausgaben noch dargeboten hatte. Vielleicht war dies eine bewußte Korrektur einer falschen Annahme Melanchthons in diesem Brief, vgl. MBW 1, S. 413, Nr. 991 (2) und S.418f, Nr. 1007 (2), denn Erasmus dementierte, an den Kaiser geschrieben zu haben. Lediglich an den päpstlichen Legaten hatte er sich gewandt. In der lateinischen Ausgabe seiner Historia hat Chyträus vor diesem Brief jedoch einige Dokumente zusätzlich, die er mit der Überschrift »Capita deliberationis Erasmi Roterodomi...« versah, vgl. u. S. 104f. In der deutschen Ausgabe wollte Chyträus doch offensichtlich den Vorstoß des Erasmus bei Campeggio und Melanchthons Einhaken übergehen. 130 Brief vom 3. August (nicht 31. Juli, wie Chyträus angibt). Der Text findet sich in WA.B 5, S. 523f, Nr. 1673, vgl. MBW 1, S.419, Nr. 1008. Als Beilage bietet er Luthers Antwort auf eine Frage de legibus, die sich in WA.B 5, S. 529f, Beilage II, findet. Diese Zuordnung wird Chyträus vorgefunden haben. - Brief vom 4. August. Der Text findet sich in WA.B 5, S. 525-527, Nr. 1674, vgl. MBW 1, 5. 420, Nr. 1011. 131 Chyträus erklärt, er habe Bedenken gehabt, diesen übersetzten Text in der vorigen Auflage zum Druck zu bringen. Wegen der hohen Bedeutung der Lesbarkeit auch in deutscher Sprache bietet er ihn 1580 wieder. Immenkötter, Confutatio, S. 56, hat das übersehen! In den vorangehenden Drucken, die nicht den vollen deutschen Wortlaut enthielten, hatte Chyträus eine Zusammenfassung vorgelegt, deren inhaltliche Zuverlässigkeit er unterstreicht. Darauf geht Immenkötter nicht ein.

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wähnt, daß ihm als Vorlage in lateinischer Sprache der Kölner Druck von Andreas Fabricius132 sowie eine Abschrift des Nürnbergers Erasmus Ebner gedient habe133. Natürlich wartet Chyträus noch immer darauf, daß einmal »das Teutsche Original / wie es auff dem Reichstag verlesen / auch wirdt herfur kommen«(135a)134. Der Text, der in Melanchthons Apologie widerlegt worden war, sollte denen greifbar sein, die diese Geschichte studieren wollten. Es versteht sich, daß an dieser Stelle keine inhaltliche Erörterung dieses umfangreichen Dokuments vorgelegt werden kann135. Auch dem heutigen Bearbeiter wird ohne weiteres deutlich, daß es sich um eine Übersetzung des lateinischen Texts handelt136. Der Berichterstatter gab damit seinen Lesern ein wichtiges Hilfsmittel für ein Verstehen der Vorgänge von Augsburg in die Hand. Nur so ist ja die folgende Schilderung des weiteren Gesprächsverlaufs nachvollziehbar. Chyträus erstattet nun mit eigenen Worten Bericht, welche Vorgänge in Augsburg auf die Verlesung der Confutatio gefolgt sind (156b-158a). Pfalzgraf Friedrich habe im Auftrag des Kaisers den evangelischen Fürsten die kaiserliche Antwort bekannt gegeben137, was ein Akt von reichsrechtlicher Bedeutung war138. Der Kaiser ließ Zustimmung signalisieren. Der sächsische Kurfürst und die evangelischen Stände erbaten daraufhin ein Exemplar des verlesenen Textes, um ihn prüfen zu können, ob darin die Bibel und die kirchliche Tradition in angemessener Weise ausgelegt seien. Die Antwort des Kaisers auf diese Bitte wird wieder im vollen Wortlaut vorgelegt139 (158a-b). Der Kaiser sagt darin die Aushändigung des Textes der Confutatio zu, betrachtet dies aber als eine abschließende Maßnahme, die keine weiteren Schriften

132 Zum von Chyträus verwendeten Druck des Andreas Fabricius vgl. die Druckbeschreibung bei Immenkötter, Confutatio, S. 53 und Bomkamm, Text, S. 10, Anm. 22. 133 Vgl. Immenkötter, Confutatio, S. 53. Zu Erasmus Ebner vgl. MS A 7/2, S. 162, Anm. 3. Er begleitete Melanchthon auf den Reichstag. Chyträus traf ihn 1576 im Braunschweigischen, vgl. oben S.27, Anm. 61. Auch in seinem Bericht von der Herkunft der Quellen geht Chyträus, Historia, Bl. 379a darauf ein, vgl. o. S. 27f, Anm. 64. Ebenso erwähnt er dies in seiner Verteidigung gegen die Vorwürfe durch Cölestin, Chytraei epistolae, S. 851 f. 134 Immenkötter, a.a.O., S. 53, sagt, im Text der lateinischen Fassung gebe es »einige willkürliche Veränderungen«. Über die Qualität der deutschen Fassung sagt er nichts. Ebenso übergeht er die Angabe von Chyträus, der auf die gedruckte Ausgabe von Fabricius hinweist. 135 Vgl. die Edition bei Immenkötter, Confutatio (ebenso Immenkötters Artikel zur Confutatio in TRE4, S. 628-632). 136 Das gilt auch für den Epilogus (Immenkötter, Confutatio, S. 204-207), den Chyträus im Druckbild seiner Historia (Bl. 156a-b) vom Text abhebt. 137 Vgl. auch Tetleben, Protokoll, S. 98f. 138 Vgl. Immenkötter, Unionsverhandlungen, S.21. 139 Vgl. den Text vom 5. August bei Förstemann, Urkundenbuch 2, S. 179f, Nr. 137.

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nach sich ziehen solle. Ausdrücklich wird hervorgehoben, daß die betreffenden Schriften nicht zum Druck freigegeben werden. Der Kaiser wollte vielmehr auf der Basis der Confutatio einen Vergleich zwischen beiden Parteien erreichen. Diese Antwort des Kaisers, die »zwei letztlich einander ausschließende Zielvorstellungen in Einklang zu bringen« versucht140, brachte die Protestanten in eine bekanntermaßen schwierige Lage.

3.5 Ausgleichsverhandlungen Chyträus geht unmittelbar über zur Darstellung der Ausgleichsverhandlungen141. 3.5.1 Briefliche Verständigung Als Chronist bietet er zunächst den brieflichen Gedankenaustausch zwischen Luther und Melanchthon. Der führende Theologe, der in Augsburg vor Ort war, hatte zwar nicht selbst die Verlesung der Confutatio gehört, aber er kann doch einen zusammenfassenden Bericht nach Coburg erstatten142 (159a-160a). Er berichtet von der Meinung des Kaisers, der einen Vergleich auf der Basis der Confutatio erstrebe, verschweigt allerdings nicht, daß dieser Text »sehr kindisch gestellet« (pueriliter scripta143) sei, so daß er Heiterkeit erregt habe. Dies Buch sei von den Werken Johann Fabris das törichteste. Er hebt besonders die lächerlichen Schriftbeweise für die communio sub una specie hervor und weist Luther auf den sich distanzierenden Bericht des Joachim Camerarius hin144. Die evangelischen Fürsten hätten ein Exemplar der Confutatio begehrt, worauf der Kaiser eine Zusage gegeben habe. Durch den Brief klingt Melanchthons Ungeduld, daß die sächsischen Fürsten nicht heftiger beim Kaiser auf Frieden drängen, aber er will doch im Entzug menschlicher Hilfe auch das Geworfensein auf Gott erkennen und hofft auf Luthers Fürbitte für den Frieden. Ausdrücklich wird auch erwähnt, Philipp von Hessen verhielte sich moderat. Chyträus fügt diesem Brief Melanchthons an Luther einen weiteren bei, der zwei Tage später geschrieben wurde145. Hierin wird berichtet, daß einige 140 Immenkötter, Unionsverhandlungen, S. 22. 141 Gegenüber der ersten Auflage der Historia von 1576 findet sich hier im Text eine deutliche Erweiterung auf Bll. 159a-166a. Chyträus arbeitet an dieser Stelle die ersten Reaktionen auf die Confutatio ein. 142 Text in WA.B 5, S. 537,3-538,37, Nr. 1677, vgl. MBW 1, S. 421, Nr. 1014. 143 WA.B 5, S. 537,9f. 144 Vgl. WA.B 5, S. 538, Anm. 5 und H.-U. Hofmann in: Oslander G A 4 , S. 118. 145 Text vom 8. August 1530 in WA.B 5, S. 541f, Nr. 1680, vgl. M B W 1 , S. 422, Nr. 1017.

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Fürsten davon abgeraten hätten, ein Exemplar der Confutatio mit Nachdruck zu erbitten146. Aber von großem Gewicht ist die Meldung, daß Philipp von Hessen heimlich abgereist sei147. Melanchthon kannte nicht die Gründe des Landgrafen148, vermutet aber Unmut. Immerhin war es nötig, daß die anderen Fürsten dem Kaiser ihr Bleiben zusagten. Chyträus fügt immittelbar Luthers Antwort aus Coburg vom 15. August an149. Er habe »mit freydigem mut« geantwortet (160b-161a). Sein Grundtenor ist so gestimmt, daß Christus auch ein Herr der Feinde ist, woraus seine Gewißheit folgt, der Herr müsse nun fortan alleine das Geschick in die Hand nehmen. Der Autor läßt bei der Dokumentation des Briefes von Luther Bemerkungen über seine Übersetzungsarbeit an den Propheten150 aus, fügt jedoch einen Hinweis an über ein Gedicht von Georg Sabinus zu dem in Speyer gesehenen Teufel in Mönchsgestalt, der in diesen Briefen erwähnt wurde. Dies Gedicht habe er im lateinischen Exemplar dieser Akten festgehalten151. Damit kommt der Chronist zurück auf die Ausgleichsverhandlungen in Augsburg nach der Verlesung der Confutatio152. Er bietet als Text die erste Antwort des Kurfürsten von Sachsen und seiner »Mitverwandten« auf die kaiserliche Verlautbarung153 (161b—163b). Die evangelischen Fürsten berufen sich auf das Ausschreiben zum Reichstag und erinnern den Kaiser an die Forderung eines Konzils in Deutschland. Sie bitten Karl V. um Verständnis, daß sie nicht von ihrer Position weichen können und die rechtlichen Wege in Anspruch nehmen, welche sich bieten, um ihre Position zu verteidigen. Die Antwort darauf erhielten sie am 9. August durch den Kurfürsten von Brandenburg. Chyträus legt den Wortlaut dieses Texts vor, der im Namen des großen Ausschusses formuliert wurde154 (164a-165b). Hier werden die bisherigen Maßnahmen des Kaisers verteidigt. Der Chronist schiebt Bemerkungen ein, wie die evangelischen Stände vorgetragen hätten, daß sie derart scharfe Töne von den Unterhändlern nicht erwartet hätten, daß sie dazu auch keinen Anlaß gegeben hätten. Im weiteren folgt die Antwort der evangelischen Fürsten an den Aus-

146 Der Verzicht auf eine offizielle Abschrift der Confutatio wurde vom Nürnberger Rat schnell begrüßt, vgl. Oslander GA 4, S. 118. 147 Vgl. WA.B 5, S. 542, Anm. 4, und Tetleben, Protokoll, S. 104-106. 148 Philipps Frau hatte wegen Krankheit die Rückkehr erbeten, vgl. Tetleben, a. a. O. 149 Text in WA.B 5, S. 547f, Nr. 1685, vgl. MBW 1, S. 425, Nr. 1026. 150 WA.B 5, S. 548,25-29. 151 Das Gedicht von Georg Sabinus »De confutatione Confessionis Augustanae« findet sich in der Historia (lat.) 1578, S. 218-220. (Dies ist einer der ganz seltenen Fälle, wo Chyträus einen Querverweis auf eine andere Ausgabe gibt). 152 Zum Ablauf vgl. Immenkötter, Unionsverhandlungen, S. 24-32. 153 Der Text findet sich bei Förstemann, Urkundenbuch 2, S. 183-187, Nr. 139, und bei Walch, Luther (2. Aufl.) 16, Sp. 1349-1352, Nr. 1033. 154 Der Text findet sich bei Förstemann, a. a. O., S. 188-191, Nr. 140, und bei Walch, a. a. O., Sp. 1352-1355, Nr. 1034.

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schuß155, die Chyträus im vollen Wortlaut abdruckt156 (166a-169a). Wir greifen die wichtigsten Thesen daraus auf. Die evangelischen Stände fühlen sich durch die Confutatio nicht mit Grund der heiligen Schrift widerlegt, während sie die Schriftgemäßheit ihrer Confessio nochmals unterstreichen (169b). Auch die Verweigerung eines Exemplars der Confutatio stellen sie als unbegründet hin. Sie erwähnen die Mißbräuche, welche in der römischen Kirche entstanden seien und von Papst Hadrian 1522 in Nürnberg auf dem Reichstag bestätigt wurden, aber sie betonen auch die eigene Rechtgläubigkeit und den Wunsch nach einem rechtmäßigen Konzil, das der Kaiser fördern möge. Die evangelischen Fürsten haben damit in aller Deutlichkeit noch einmal Stellung bezogen, an ihrem Willen zur Katholizität der Kirche keinen Zweifel gelassen, aber dennoch klare Kriterien zu den Fragen genannt, die nach der Verlesung der Confutatio in Augsburg auf der Tagesordnung waren. Chyträus greift den Faden der Beschreibung des Geschehens wieder auf (173b). In knappen überleitenden Hinweisen führt er die Leser zum nächsten gedruckten Dokument, dem Bedenken Johann Ecks zur Confessio Augustana. Der Ingolstädter Theologe hatte auf Verlangen des Mainzer Erzbischofs und Herzog Georgs von Sachsen seine Äußerung zum Beginn der Ausschußverhandlungen vorgelegt157. Er geht darin Artikel für Artikel aus der Confessio durch und macht seine Bemerkungen dazu158 (173b-176b). Eck schlägt zu den umstrittenen Fragen den »Mittelweg« vor, sucht also den Kompromiß, wahrt aber doch unbeirrt katholische Positionen, wie sie damals umstritten waren, was besonders deutlich wird an dem Rechtfertigungsartikel, wo er die reformatorische particula exclusiva »sola« beanstandet, oder an seinen Äußerungen zur Beichte oder zu den oft zitierten Zentralmerkmalen evangelischer Kirchenbildung, wie Laienkelch und Priesterehe. Vor allem über die sogenannten »spänigen Artikel« hält Eck eine Einigung kaum für möglich. In den anderen Lehrartikeln scheint es Eck immerhin denkbar, daß man zu Einigkeit kommen könne. Wie Eck auf altgläubiger Seite, so haben - das berichtet Chyträus (176b) weiter - auf evangelischer Seite Melanchthon und die anderen Theologen die Fürsten in der vom sächsischen Kurfürsten geleiteten Gruppe zur Friedenshandlung ermahnt und Maßnahmen vorgeschlagen. Chyträus dokumentiert an 155 Hier führt Chyträus den Text fort, der sich auch schon in der ersten Auflage gefunden hatte, vgl. o. S. 56, Anm. 141. 156 Der Text findet sich bei Förstemann, Urkundenbuch 2, S. 201-217, Nr. 142 (Man beachte aber Förstemanns textkritische Bemerkungen zu Chyträus). Auch bei Walch, Luther (2. Aufl.) 16, Sp. 1355-1366, Nr. 1035. 157 Vgl. Immenkötter, Unionsverhandlungen, S. 31 mit Anm. 8. Der Text findet sich bei Walch, Luther (2. Aufl.) 16, Sp. 1368-1373. 158 Zur Interpretation dieses Dokuments, das sich in lateinischer Fassung auch bei Schirrmacher, Acten, S. 203-208 findet, vgl. Luttenberger, Religionsgespräche, S. 203.

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dieser Stelle unmittelbar das Gutachten (176b-178b), das um den 14. August entstanden sein muß159. Hier wird die Verantwortung der Fürsten für den Frieden unterstrichen, aber doch werden die unaufgebbaren Punkte evangelischer Lehre ebenso benannt, wie die freien Traditionen, bei denen Zugeständnisse möglich wären.

3.5.2 Bericht Damit kann der Bericht von den Verhandlungen des Vierzehnerausschusses beginnen (178b). Chyträus führt zunächst die Namen der am Gespräch beteiligten Personen auf, die am 16. August um 2 Uhr nachmittags verhandelt haben160. Chyträus will hier an erster Stelle die Akten darstellen, die von altgläubiger Seite den Reichsständen vorgelegt wurden. Anschließend will er die von beiden Seiten gekommenen Vorschläge und die eingegangenen Bedenken beigeben. »Denn ob wol etwas / d' vnsern nachgeben betreffend / von Bapstischen anders furbracht / kan doch die summa der ganzen handlung auß deß Bapstischen theils Relation / leichtlich vernommen werden / vnd die Correction / von den vnsern am ende eyngebracht / die warheit klerlich darthun.« (179a). Damit hat Chyträus für diesen schwierigen Teil seiner Darstellung die leitenden Kriterien vorgestellt, von denen er in seiner Arbeit ausgeht. Wir müssen sie in gebotener Straffung zusammenfassend darstellen. Was wir zunächst finden, die »Relation der gutlichen Handlung ...« (179a193a), ist ein Dokument, das wohl ursprünglich für den Legaten bestimmt war161. Die Verhandlung wurde mit Regeln zur »Geschäftsordnung« eröffnet, die von den Vertretern der Reichsstände den Protestierenden vorgelegt wur-

159 Der Text findet sich bei Förstemann, Urkundenbuch 2, S. 244-248, Nr. 150, vgl. auch Walch, Luther (2. Aufl.) 16, Sp. 1373-1376, Nr. 1040. Förstemann datiert auf 18. August, Heinz Scheible in MBW 1, S. 424f, Nr. 1024 datiert: ca. 14. August. 160 Vgl. die Aufzählung in Förstemann, Urkundenbuch 2, S. 218f; Tetleben, Protokoll, S. 118 und Ηοηέβ, Vehus, S. 205-207. 161 So Immenkötter, Unionsverhandlungen, S. 51, Anm. 95. Immenkötter kritisiert ausdrücklich Chyträus mit seiner an dieser Stelle vorgebrachten und später von anderen tradierten Meinung, es handele sich hier um den Bericht der altgläubigen Ständemehrheit. Hier gibt er auch Hinweise auf handschriftliche Überlieferungen dieses Texts. Leider hat Immenkötter nicht die lateinische Ausgabe von Chyträusv Historia (1578) herangezogen, wo die »Summa tractatus ...« (S. 239-256) ,zü finden ist, die in den deutschen Fassungen nur übersetzt vorliegt. Der Verweis auf Schirrmacher ist bei Immenkötter ungesfchützt, weil Schirrmacher nicht nach Chyträus, sondern nach Cölestin ediert, vgl. Schirrmacher, Acten, S. 217, Anm. 2. - Der Text ist bei Schirrmacher nicht vollständig.

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den162 (179a-b). Diesen Artikeln hätten die Protestanten zugestimmt, wenn auch nicht ohne Klage, daß ihnen die Antwort des Kaisers, die Confutatio, nicht überreicht wäre163, sondern daß man davon nur »so oft es nötig« (179b) Kenntnis geben wolle 164 . Daraufhin beginnt Chyträus in seiner Darstellung165 den Bericht über das Verhandlungsergebnis166 (179b-182a). In den Zwischentexten faßte er sich auffallend kurz, um sich vorwiegend der Dokumentation überlieferter Quellen zuzuwenden. Als Ergebnis der Verhandlungen bietet er die gleichen Informationen, die wir auch aus anderen zeitgenössischen Quellen kennen167. Die einzelnen Artikel der »übergebenen Confessio« werden Stück für Stück vorgenommen und besprochen. Es wird berichtet, worin man Einigkeit habe feststellen können und worin nicht. Wir übergehen es, den Vorgang völlig zu rekonstruieren, wie er sich bei Chyträus nun darstellt. Wir kennen nicht die genauen Quellen, aus welchen der Chronist hier schöpft. Sein Quellenverzeichnis nennt als Quelle Georg Spalatins Aufzeichnungen 168 (380b) und die Lutherdrucke der Zeit. Aber in bezug auf die Verhandlungen mit dem Kaiser betont er, er habe vor kurzer Zeit (»neuwlich«) aus der Kanzlei eines Fürsten169 eine Abschrift aus einem deutschen Verzeichnis bekommen. Dies Verzeichnis habe ohne Zweifel auch

162 Wie man von Spalatin weiß, hat Hieronymus Vehus, der Sprecher der altgläubigen Delegation (vgl. Förstemann, Urkundenbuch 2, S. 220), diese Regeln vorgetragen. Seine Niederschrift (Honöe, Vehus, S. 208-210) ist an einigen Stellen deutlicher, als die Zusammenfassung, die Chyträus bietet. (Vgl. auch Spalatins Bericht in Förstemann, Urkundenbuch 2, S. 219-229). 163 Vgl. dazu Tetleben, Protokoll, S. 124. 164 Vgl. Ηοηέβ, Vehus, S. 212. 165 Vgl. zum Vorgang in Augsburg Immenkötter, Unionsverhandlungen, S. 31f, und Müller, Ausschußverhandlungen, S. 184. 166 Der Vergleich mit der lateinischen Ausgabe, die Chyträus hier wörtlich übersetzt (vgl. Historia [lat.], S. 238-256), ergibt folgendes Bild: Der Text in lateinischer Fassung stimmt überein mit dem, was bei Cölestin zu lesen ist, wie es bei Schirrmacher, Acten, S. 217-222 und S. 229-239 nachgedruckt wurde. 167 Vgl. Hon6e, Vehus, S. 213-221 und Förstemann, Urkundenbuch 2, S. 223-229 (Spalatins Bericht). Die unterschiedliche Struktur beider Berichte beobachtet Hönde, Vermittlerrolle, S. 36. 168 Zu Spalatins Position auf dem Reichstag vgl. Höss, Spalatin, S. 339-355. Sein Bericht Findet sich in Spalatin, Annales, S. 131-289, sowie in den bei Förstemann, Urkundenbuch, festgehaltenen Dokumenten. 169 In einem undatierten Brief an Johann Witzendorf in Lüneburg, Chytraei epistolae, S. 270f, schreibt Chyträus, woher er gesammelt hat: »Haec ex Lutheri Tomis publice editis, & Philippi, aliorumque epistolis ordine coagmentis, & Saxoniae Electoris archivis, in quibus Spalatini manu Cöfessio ipsa & Apologia prima, quae proximae editioni meae latine Francofurti ad Moenum euulgate, inserta est, & plurima alia descripta extabant, collegi.« Er möchte aber noch weiter vergleichen mit Aurifabers Material. Dabei ist wohl an jenen Rostocker Codex zu denken, der nach dem Tod des Herzogs 1576 in die Universitätsbibliothek Rostock kam, vgl. WA.B 14, S. 127f. Das Material von Spalatin hatte er

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Johannes Sleidanus in seiner Historia170 verwendet und ins Lateinische übersetzt171 (381a). Die Bemerkung verdient Aufmerksamkeit, denn im Text hatte der Autor für seine Schilderungen in der ersten Auflage der deutschen Historia einmal beiläufig erwähnt, er wolle die Handlung bis zum Ende des Reichstags erzählen, »wie es von Johanne Sleidano trewlich beschrieben ist«172. Davon ist in den späteren Auflagen keine Rede mehr, sondern das wird durch den Hinweis im Quellenverzeichnis erledigt173. Chyträus will über Sleidanus hinaus zu den erwähnten Quellen selbst vorgedrungen sein, verschweigt jedoch weiterhin nicht die geistige Verwandtschaft. Der Autor gibt jeweils an, zu welchem Verhandlungstag174 die Akten seiner Kenntnis gemäß gehören. Die Unterredung habe am 16. August begonnen. Auf die Behandlung der Lehrartikel CA 1 bis 21, über die auch eine kurze tabellarische Übersicht Auskunft gibt (181a-b)175, folgt die Darstellung des Gesprächsgangs über die »Mißbrauchsartikel« CA 22-28. Dabei stehen zunächst die Fragen um den rechten Brauch des Altarsakraments auf der Tagesordnung: communio sub utraque und Notwendigkeit einer vorangehenden Beichte (183a-184b). An zweiter Stelle wird über die Priesterehe gesprochen (184b-185b). Bei diesem Thema sei größerer Streit aufgekommen als vorher. Sodann geht es um die Messe, Beichte, Zeremonienfragen, Klostergelübde und die bischöfliche Gewalt (185b-189b)176. Auf den Bericht über die Gespräche folgt die Schilderung der Korrektur durch die Protestanten (189b—191b). Hier wird neben der grundsätzlichen Unmöglichkeit einer evangelischen Zustimmung zur Confutatio besonders auf den Rechtfertigungsartikel eingegangen, der in seinen Konsequenzen bis zur Frage der Heiligenanrufung177 reiche. Weitere Punkte besonderer kritischer Stellungnahme sind: Abendmahl unter beiderlei Gestalt, Priesterehe, Privatmesse. Chyträus fügt in der deutschen Textfassung von 1580 an dieser Stelle eine Erklärung der Übereinstimmungen

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bereits in der Vorrede der ersten Auflage, Historia, Rostock 15761, Bl. A4a, betont. - Die Übereinstimmung mit den Weimarer Akten ist beim Vergleich mit dem bei Förstemann gedruckten Material aus diesem Bestand auffällig. Vgl. Sleidanus, De statu, S. 4 1 2 ^ 4 7 . Zu Sleidanus vgl. Scheible, Anfänge, S. 7 und 9 und RGG 6, Sp. 110. So in der Ausgabe Rostock 1576, Bl. 175a. Im Text der Historia, Frankfurt 1580 ist die Stelle, an der der Hinweis auf Sleidanus getilgt wurde, auf Bl. 229a, vgl. unten S. 68, Anm. 224. Vgl. dazu auch die Daten bei Tetleben, Protokoll, S. 118-130. Vgl. auch die Schilderungen in den Akten des Hieronymus Vehus: Ηοηέβ, Vehus, S. 213-221. Es handelt sich sowohl bei Vehus, als auch bei Chyträus nur um eine Feststellung der Ergebnisse, nicht um einen Bericht von einzelnen Stellungnahmen wie bei Spalatin, in: Förstemann, Urkundenbuch 2, S. 219-230. Vgl. Müller, Ausschußverhandlungen S. 183-185. Hierzu betonen die Protestanten ausdrücklich, daß auch Vehus in seiner Handschrift festgehalten habe, es gebe in der Bibel keinen ausdrücklichen Befehl zur Heiligenanrufung (190a-b), vgl. Ηοηέε, Vehus, S. 220.

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3 Der deutsche Text der Historia

zwischen beiden Teilen über die Lehrartikel178 (191b-193a) aus der Sicht der Evangelischen ein. Chyträus will also bewußt die Verschiedenartigkeit der Dokumente beider Parteien aufnehmen und seinen Lesern übermitteln. Er ordnet diesen Text hier sachgemäß als Äußerung der Evangelischen zu dem Vorhergehenden. 3.5.3 Dokumente An dieser Stelle setzt der Chronist eine Zäsur. Er betont, er wolle nun Dokumente vorlegen, die von beiden Gesprächsparteien ausgetauscht worden seien (193a), von denen in der vorangegangenen Relation bereits die Rede gewesen sei. Diese Abteilung wird eröffnet durch die von altgläubiger Seite eingebrachten »Unbeschließliche, unvergreifliche christliche Mittel« (193a196a)179. Die Genauigkeit des Drucks im Vergleich mit den Handschriften der Vertreter der Gegenseite ist bis heute beeindruckend180. Als Autoren für das Dokument vermutet Immenkötter die beiden Vertreter in Augsburg, Vehus und Eck181. Die Themen, die behandelt werden, sind die Fragen des Laienkelchs182, des Meßopfers, der Priesterehe und der Klostergelübde. Dieses Schriftstück, »das berechtigter Kritik Raum gibt und in Fragen der kirchlichen Disziplin eine konziliante Haltung einnimmt«183, verfolgt vor allem die Tendenz des Aufschubs einer Entscheidung zu den genannten Themen bis zu einem Konzil auf deutschem Boden. Der status quo wird einstweilen toleriert, er darf jedoch nicht durch neue Fakten überschritten werden184. Chyträus legt unmittelbar anschließend die protestantische Antwort vor (196b-199b)185. Die Protestanten gehen nicht hinter ihre Klärungen zurück,

178 Die lateinische Fassung Historia (lat.), Frankfurt 1578, bietet diesen Text nach der folgenden Formel S. 267f. Ebenso war die Anordnung in den älteren deutschen Fassungen der Historia. Der Text entspricht dem, was auch bei Förstemann, Urkundenbuch 2, S. 230-233 aus Spalatins Handschrift ediert ist. Chyträus wird es aus den erwähnten Luther-Ausgaben übernommen haben, vgl. Walch, Luther (2. Aufl.) 16, Sp. 1383. 179 Der Text auch in: Förstemann, Urkundenbuch 2, S. 250-255, und Walch, Luther (2. Aufl.) 16, Sp. 1385-1389, Nr. 1046. 180 Vgl. die Textgestalt in den Akten von Hieronymus Vehus: Ηοηέβ, Vehus, S. 2 2 6 233. 181 Vgl. Immenkötter, Unionsverhandlungen, S. 46f. Er hebt vor allem die Bedeutung Ecks und seine Wandelbarkeit hervor. 182 Zur Frage des Laienkelchs auf dem Reichstag überhaupt vgl. Müller, Laienkelch. 183 Immenkötter, Unionsverhandlungen, S.46. 184 Vgl. die Darstellung bei Ηοηέε, Vehus, S. 72f und Hönde, Vermittlerrolle, S. 36. 185 Der Text auch in Förstemann, Urkundenbuch 2, S. 256-263, Walch, Luther (2. Aufl.) 16, Sp. 1389-1394, Nr. 1047, und Ηοηέε, Vehus, S. 234-241 mit der Darstellung ebd., S. 72f und bei Ηοηέβ, Vermittlerrolle, S. 36f.

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sondern verweisen bei ihrer Antwort auf die Position, welche sie in der Confessio eingenommen hatten186. Nach Vorlage dieser Texte berichtet Chyträus von der Bildung des Sechser-Ausschusses, fügt aber zunächst die Korrespondenz mit Luther ein187. An erster Stelle findet sich Melanchthons Brief nach Coburg in deutscher Übersetzung188. Hier wird vom Stand der Dinge berichtet, was sich in der Unterredung des Vierzehner-Ausschusses ergeben hat. Dabei kristallisiert sich heraus, daß die Frage des Laienkelchs ein deutliches Schwergewicht hatte, während hinsichtlich der Haltung zu den Bischöfen Kompromißbereitschaft bekundet wurde. Es folgt sofort Luthers Antwort an Melanchthon189, aber ebenso an Spalatin190 und Justus Jonas191 (200b-204a). Aus Coburg wird den in Augsburg weilenden und unmittelbar am Geschehen beteiligten Theologen Bestätigung und Mahnung zuteil. Luther ließ es jedoch nicht bei den brieflichen Antworten bewenden, sondern nahm auch in einem ausführlichen Bedenken zur »gütlichen Handlung« Stellung. Chyträus bietet auch dieses Dokument im vollen Wortlaut (204a-209a) 192 . Er war der Meinung, Luther habe dies Bedenken für Kurfürst Johann zu Papier gebracht193, und fügt eine Schlußpassage zum Text, die auf 26. 8. als Abfassungsdatum schließen läßt und sich als Antwort an den Landesherrn ausweist194. In diesem für die in Augsburg tätigen 186 Vgl. Immenkötter, Unionsverhandlungen, S. 4 7 ^ 9 . Vgl. zum Ablauf auch Tetleben, Protokoll, S. 126-130. 187 Vgl. auch Immenkötter, Unionsverhandlungen, S. 54-66. 188 Text in WA.B 5, S. 554-556, Nr. 1691, vgl. MBW 1, S. 428f, Nr. 1036. 189 Chyträus hielt diesen Brief für einen Brief vom 25. August. Es handelt sich aber um ein Dokument vom 26. August, WA.B 5, S. 576-579, Nr. 1699, vgl. MBW 1, S. 432f, Nr. 1047. Eine eigene Übersetzung bietet Walch, Luther (2. Aufl.) 16, Sp. 1402-1405, Nr. 1058. Chyträus ist dabei entgangen, daß Luther bereits am 24. 8. einen ersten Antwortbrief schrieb, WA.B 5, S. 559f, Nr. 1693, vgl. MBW 1, S. 429, Nr. 1038. 190 Der Brief an Spalatin vom 26. August (WA.B 5, S. 575f, Nr. 576) wird von Chyträus in deutscher Übersetzung, aber doch auch nur in der zweiten Hälfte, die sich unmittelbar auf das Geschehen in Augsburg bezieht, vorgelegt. Eine deutsche Übersetzung bietet auch Walch, Luther (2. Aufl.) 16, Sp. 1406f, Nr. 1060. 191 An Jonas legt Chyträus zwei übersetzte Briefe vor, den vom 26. 8. (WA.B 5, S. 579f, Nr. 1700) und den vom 28. 8. (WA.B 5, S. 586, Nr. 1706). Das erste Dokument findet sich in deutscher Übersetzung auch in Walch, Luther (2. Aufl.) 16, Sp. 1405f, Nr. 1059. 192 Der Text findet sich in WA.B 5, S. 590-595, Beilage zu Nr. 1707 und bei Walch, Luther (2. Aufl.) 16, Sp. 1407-1414, Nr. 1061. 193 In Wirklichkeit ist das Dokument für die Theologen bestimmt, vgl. WA.B 5, S. 589. Chyträus scheint den Landesherrn als Adressaten anzunehmen, wie auch aus Bl. 200a hervorgeht. 194 In der ersten Auflage Historia 15761 hatte Chyträus auch eigens eine Einleitung vorangestellt: »Aber dem Churfursten zu Sachsen hat er mit folgender Schrifft sein meinung angezeigt.« (Bl. 164b). Das Schreiben Luthers an seinen Landesherrn vom 26. 8. (WA.B 5, S. 572-574, Nr. 1697) hat Chyträus später überliefert.

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Unterhändler bestimmten Votum nimmt Luther Stellung zur grundsätzlichen Lage, die er als stagnierend einstuft. Aber weil der Kaiser es wünsche, erörtert er Möglichkeiten, wie man sich zu den einzelnen Lehrfragen verhalten könne. In den Lehrartikeln (CA 1-21) könne man nicht »weichen« (204b). Die Artikel über die Mißbräuche werden einzeln aufgegriffen. Damit entspricht Luther dem Modus, der im Vierzehner-Ausschuß befolgt worden war. In der Frage des Laienkelchs greift er die Diskussion breit auf und begründet, warum er keinen Anlaß sieht, von der Position der CA weichen zu können. Sehr hart und knapp ist seine Position zur Ehe der Geistlichen. Die Privatmesse lehnt er ab, weil sie nur eine Folge des meritorischen Mißverständnisses der Messe sei. Den Meßkanon lehnt er total ab, weil darin der Opfergedanke erhalten bleibe. Bei der Frage der Klöster möchte Luther, daß die evangelischen Stände nichts bewilligen, was ihrer Lehre nicht entspricht. Was hingegen der Kaiser gebiete, müsse er selbst verantworten. In der Frage der bischöflichen Jurisdiktion wäre Luther kompromißbereit, wenn die evangelische Lehre geduldet und nicht mehr verfolgt würde. Ehefragen könnten dann ebenfalls von den Bischöfen entschieden werden. In der Fastenordnung dürften die Gewissen nicht unnötig belastet werden. Luthers Position ist eine deutliche Absage. Die Bereitschaft, sich unter die bischöfliche Jurisdiktion zu beugen, wenn evangelische Lehre geduldet werde, ist zwar beachtlich195, aber eben doch durch den Obersatz eingeschränkt, daß Luther meint, von ihnen sei keine andere Rechtsprechung als die des Henkers zu erwarten196. Nach der Dokumentation dieser Texte greift er seine Berichterstattung wieder auf. Bei der Bildung des Sechser-Ausschusses war er stehengeblieben (200a)197. Hier setzt er wieder ein (209b), wobei zu beachten ist, daß Chyträus in diesem Teil die Neuauflage stark bearbeitet und die Dokumente teils umgestellt, teils aber auch noch neue Texte aufgenommen hat. Hatte er 1576 noch vom kleineren Ausschuß nur die Antwort der Protestanten vom 28. August für mitteilenswürdig befunden198, so wurde er 1580 breiter und nahm neues Material hinzu, aber er verzichtet weiterhin bewußt auf totale Vollständigkeit im Sinne seines damaligen Wissensstandes. Auch hier eröffnet er die Dokumentation mit dem abschließenden Text der Protestanten vom 28. August199 (209b212a). Die Situation war deutlich verschärft. Die Protestanten hielten am Konzilsbegehren fest, während die katholischen Stände ihre Forderungen noch vorher erfüllt sehen wollten. Chyträus fügt hier einen Brief Melanchthons an

195 Zu dieser Frage vgl. Maurer, Jurisdiktion. 196 Vgl. dazu Immenkötter, Unionsverhandlungen, S. 55f. 197 Vgl. dazu Immenkötter, a. a. O., S. 56-67, Müller, Ausschußverhandlungen, S. 186f, und Tetleben, Protokoll, S. 131f. 198 Historia 15761, Bl. 166b. 199 Der Text findet sich bei Förstemann, Urkundenbuch 2, S. 306-310, Nr. 168, und Walch, Luther (2. Aufl.) 16, Sp. 1447-1451, Nr. 1069.

3.5 Ausgleichsverhandlungen

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Luther vom 29. August an200. Der Verhandlungsführer in Augsburg wartet auf Nachricht aus Coburg und erbittet weiteren Rat201, weil er nun auch aus den eigenen Reihen angegriffen werde. Chyträus fügt dem als Antwort Luthers Brief an den Kurfürsten Johann202 an (213a-215a), der allerdings sachlich schon zum früheren Verhandlungsstand vom 26. August gehört. Luther stellt seinem Landesherm die Position zu den Verhandlungsgegenständen um die rechte Weise der Feier der Messe dar, worauf sich die Gespräche mit besonderer Dringlichkeit konzentrierten. Chyträus fügt, offenbar angeregt durch die Thematik des Lutherbriefs, an dieser Stelle als Chronist Dokumente ein, die eigentlich nicht chronologisch, sondern wohl eher sachlich hier zugeordnet worden sind. Zunächst bietet er Texte, welche er als Bedenken der evangelischen Vertreter bei den Verhandlungen charakterisiert (215a). Es geht im ersten Stück eigentlich um die rechte Akzentuierung, ob man das Altarsakrament vom Eucharistiebegriff her verstehen dürfe. Zweck (finis) des Herrenmahls sei die Erweckung des Glaubens, welchem die Danksagung folge (215b-216b). Dieses Dokument in sehr klarem Argumentationsgang, das mit einer tabellarischen Übersicht endet, könnte von Johannes Brenz stammen203, gehört aber auf alle Fälle eng mit den einschlägigen Dokumenten aus der Zeit vor der Übergabe der Confutatio zusammen. Das bei Chyträus anschließende Dokument über die Liturgie, das von Melanchthon stammt204, gehört wohl in einen späteren Zeitraum205, wird aber für die Erklärung der gleichen Streitfrage an dieser Stelle gerne von den Chronisten eingefügt. Dadurch kann den Argumenten zur Verteidigung der Opfermesse von Seiten der Altgläubigen eine sehr deutliche Gegenposition entgegengestellt werden. 200 Dies Dokument hatte in früheren Auflagen bei Chyträus noch gefehlt. 201 Der Text des Briefes findet sich in WA.B 5, S. 597-599, Nr. 1708, vgl. MBW 1, S. 433f, Nr. 1050. 202 Text in WA.B 5, S. 572-574, Nr. 1697. 203 Walch, Luther (2. Aufl.) 16, Sp. 993-995, bietet eine deutsche Übersetzung und definiert es als von Brenz stammend. In den neueren Brenz-Ausgaben fehlt es. Auch Brecht, Reichstag, S. 20-23 erwähnt in den entsprechenden Darstellungen diesen Text nicht. Chyträus überliefert die lateinische Fassung dieses Stückes auch in seiner Historia (lat.), S. 284-286. Er setzt dort merkwürdigerweise den Namen Melanchthons unter diesen Text, was jedoch in seiner deutschen Fassung nicht geschah. Daß dies Dokument eng verwandt ist mit ähnlichen Voten des Präzeptors aus jener Zeit in Augsburg, wird man nicht leugnen, vgl. M B W 1 , S. 409, Nr. 981, und S. 417, Nr. 1002. Die Texte sind wohl im Juli zu datieren und nur von Chyträus an dieser Stelle chronologisch zugeordnet, vgl. CR 2, Sp. 2 0 8 214. 204 CR 2, Sp. 215f (nur der 2. Teil, der beginnt: Altera responsio ...), wo dieser Text gedruckt ist, bleibt ohne Entscheidung über die Verfasserfrage. Aber Melanchthon wird heute als der Verfasser angenommen, vgl. MBW 1, S. 447, Nr. 1085. 205 Vgl. die Angaben zur Datierung in MBW 1, Nr. 1085 und in MSA7/2, S. 310, Anm. 5.

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3 Der deutsche Text der Historia

Im gleichen Argumentationsgang folgen Lutherbriefe zum Thema, zunächst einer an Georg Spalatin, der zu den Erörterungen von Ende Juli gehört206 (217b-218a). Luther lehnt die Privatmessen und die neue Einrichtung von Abendmahlsfeiern, die sich wieder am Eucharistiegedanken orientieren, wegen fehlender Begründung in Gottes Wort ab. Dem folgt das Schreiben Luthers an Melanchthon207, in welchem der Mißbrauch der Messe scharf abgewiesen wird. Jegliche Restitution der Messe wird abgelehnt208. Damit ist der thematisch bestimmte Dokumenten-Exkurs abgeschlossen, was der Chronist dadurch zeigt, daß er nun den Faden der Berichterstattung über den SechserAusschuß ausdrücklich wieder aufgreift (218b). Die folgenden Briefe, die auch wieder zu diesen Daten zugehörig sind, gäben - so betont Chyträus - Nachricht über die Verhandlungen des »geengerten« Ausschusses. Hier tritt wieder in Erscheinung, wie Luther auf der Coburg durch Briefverkehr von den Gesprächen hört und seinen Rat dazu gibt. Melanchthon209 läßt ihm die in Rede stehenden Fragen210 zugehen und bittet um Rat211. Chyträus stellt sofort die Antwort aus Coburg daneben212. Er ermahnt den Wortführer in Augsburg, seine Hoffnung allein auf Gott zu setzen und nicht auf die Herausforderungen der Gegner einzugehen 213 , sich aber auch

206 Der Brief vom 27. Juli 1530 findet sich in WA.B 5, S. 502, Nr. 1661. Chyträus hat diesen Text (allerdings ohne den Schluß, Zeilen 22-28) erstmals in der Ausgabe von 1580. Weder die älteren deutschen, noch die lateinische Ausgabe haben ihn, weshalb Walch, Luther (2. Aufl.) 16, Sp. 1004-1007 die Überlieferung bei Chyträus nicht erwähnt. 207 Brief vom 27. Juli 1530, WA.B 5, S. 498f, Nr. 1659, vgl. MBW1, S.414, Nr. 993. Chyträus läßt jedoch die Passage über Luthers Bücher, WA.B 5, S. 499, 17-23, aus. 208 Ob Chyträus bei diesen Dokumenten bewußt die Datierung weggelassen und unter Beiseitelassung der Chronologie hier sachlich zugeordnet hat, können wir nicht mehr entscheiden. 209 Brief vom 25. August 1530, in: WA.B 5, S. 562, Nr. 1695, vgl. MBW 1, S. 430, Nr. 1040. 210 Melanchthons Fragen sind bekannt: MBW 1, S.430, Nr. 1041. 211 Der Brief wird in deutscher Übersetzung geboten, die im Blick auf Bucers Stellung wohl mißverständlich ist. Dem Satz: »Sentit adesse corpus Christi non in pane, sed ex pacto se sistere proposito pane« (WA.B 5, S. 562, 12f), steht bei Chyträus als Übersetzung gegenüber: »Er helt, daß der Leib Christi im Brot zugegen sey« (219a). In seiner Historia (lat.) 1578, S. 289, überliefert Chyträus: »Sentit adesse corpus Christi in pane«. 212 Brief Luthers an Melanchthon vom 28. August 1530, in: WA.B 5, S. 584, Nr. 1705. Chyträus datiert diesen Brief auf den 2. September (219a-b). 213 Ein zweiter Brief Luthers an Melanchthon (219b-220b), den Chyträus auf Freitag nach Bartolomaei (= 26. August) datiert, ist in Wirklichkeit ein zusammengesetzter Text aus zwei verschiedenen Briefen. Zunächst der vom 15. September 1530, WA.B 5, S. 621-623, Nr. 1719, von welchem Chyträus die Passage 622,5 (vtinam...) bis 623,45 (peccatorum suorum) bietet, wobei er den Abschnitt 622,28 (Sed) bis 623,38 (Sed) übersprungen hat. Nahtlos schließt Chyträus an diesen

3.5 Ausgleichsverhandlungen

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auf Seiten der Freunde nicht zu Kompromissen umstimmen zu lassen. Luther schreibt jedoch nicht nur an Melanchthon. Und wenn auch Chyträus vor allem an der Korrespondenz Luthers mit ihm gelegen ist, so überliefert er doch auch ein Schreiben an Georg Spalatin, den sächsischen Hoftheologen, in welchem der Forderung zur Rückkehr unter die päpstliche Jurisdiktion eine grobe Absage erteilt wird214 (220b-221a). Chyträus bricht damit seine Darstellung der Friedensverhandlungen bewußt im Wissen tun Unvollständigkeit ab (221a-b) 215 . Als Abschluß bietet er lediglich noch das Bedenken des Nürnberger Rates (»Denkschrift«) zu den Ausgleichsverhandlungen (221b-226a) 216 . Die Frage der Rückkehr unter die bischöfliche Jurisdiktion, die Chyträus bei seiner Dokumentenauswahl besonders berücksichtigt hatte, war in dem Text aus Nürnberg besonders deutlich behandelt, weil die Nürnberger ihre gerade erkämpfte Unabhängigkeit vom Bamberger Bischof in Gefahr sahen und deshalb an dieser Stelle viel empfindlicher reagierten als Johann von Sachsen, der seinen Einfluß auf das Kirchenwesen seines Territoriums nicht infrage zu stellen brauchte217. Diese Stimme aus Nürnberg war dem Chronisten aus der Zeit des Abschlusses der

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Brief eine Stelle aus dem Brief Luthers an Melanchthon vom 11. Sept. 1530, WA.B5, S. 617, 15-21, Nr. 1716, an, die er mit Gruß abschließt (220b). Da Chyträus hier die deutsche Übersetzung lateinischer Originaltexte bietet, muß man zum Vergleich die lateinische Fassung heranziehen. Das Bild bestätigt sich, wenn auch die deutsche Version nicht wörtlich den Satzbestand der lat. Fassung (Historia [lat.] 1578, S. 289f) in Übersetzung vorlegt, sondern darüber hinaus eine längere Übersetzung aus dem Originalbrief. In der lateinischen Fassung ist nur der eine Satz zu Bucer mit griechischem Zitat (WA.B 5, S. 617,15f) als Abschluß des Briefes genommen, ohne Datum. Es geht in dieser Passage auf alle Fälle inhaltlich darum, daß der Leser Luthers Stellungnahme zu Bucers Vermittlungsaktion erfährt. Brief Luthers an Spalatin vom 28. August 1530, in: WA.B 5, S. 582f, Nr. 1704, in deutscher Übersetzung. Er erwähnt namentlich Georg Truchseß von Waldburg, den Kanzler des Kardinals von Lüttich, und den Bischof von Augsburg, deren Bemühungen er übergeht, vgl. u. S. 92f. Aber es sind auch sachliche Gründe, die ihn zur Kürzung motivieren. Es würden Briefe und Vergleichsartikel umhergetragen, die zu jener Zeit von Melanchthon und anderen an Campeggio, Christoph von Stadion, Aegidius von Plackery und Tiepolo geschrieben sein sollen. »Welche ich auß bedencke / das es vngewisse Schriften seyn / deren diejenigen / die sie gestellet sollen haben / nit aller ding gestendig seyn / auch sonst vm anderer wichtigen Vrsachen willen, wissentlich außgelassen hab.« (221b), vgl. u. S. 92 bei Anm. 56. Der Text findet sich in Oslander GA 4, S. 137-153, Nr. 149. Hier wird auch nachgewiesen, wann und wie der Text bei Chyträus Aufnahme fand, vgl. a. a. O., S. 143. In den ersten beiden deutschen Drucken fehlt der Text noch, vgl. auch oben S. 27 mit Anm. 61. Vgl. Hans-Ulrich Hofmann, in: Oslander GA 4, S. 141.

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3 Der deutsche Text der Historia

Konkordienformel natürlich besonders wertvoll, so daß er sie in seine Sammlung einverleibte, nachdem er Zugang zum Text erhalten hatte218. Chyträus, der an dieser Stelle bewußt auf Vollständigkeit seiner Darstellung verzichten wollte 219 , ergänzte trotzdem hier sehr gezielt. Er fügte den Nürnberger Text sachlich und zeitlich an der Stelle ein, wo er je einen Brief Luthers an Lazarus Spengler220 und Justus Jonas221 zum Stand der Verhandlungen abschließend dokumentierte (226b-228b). Der Brief an Jonas führt chronologisch ans Ende der Verhandlungen, denn er ist am 20. September 1530 geschrieben worden. Er ist eine eindringliche Zusammenfassung von Luthers Anliegen, daß er von der bekannten Position nicht weichen könne222. Chyträus hat damit seinen Bericht von den Verhandlungen der Theologen abgeschlossen 223 , um sich kurz dem weiteren politischen Geschehen auf dem Reichstag zuzuwenden (229a).

3.6 Kaiserliche Politik auf dem Reichstag Chyträus war in seiner Darstellung ganz und gar auf die theologischen Positionen fixiert und wollte deren Klärung durch Dokumentation der wichtigsten Texte darlegen und beschreiben. Entsprechend knapp behandelt er allerdings die diplomatischen Aktionen beider Seiten auf dem Reichstag224. Mit einer deutlichen Zäsur (229a) geht er über zur Darstellung der abschließenden allerwichtigsten Verhandlungen und zur Präsentation der zugehörigen Texte.

218 Chyträus gibt als Quelle ausdrücklich Erasmus Ebner an (379a). Ihm ist er 1576 begegnet, vgl. u. S. 165 mit Anm. 57. 219 Vgl. Historia 15761, Bl. 172a. 220 Brief Luthers vom 28. August 1530, in: WA.B 5, S. 587f, Nr. 1707. Luther hat Spengler damit auf den Erhalt der gerade erwähnten Denkschrift der Nürnberger positiv geantwortet, vgl. WA.B 5, S. 588, Anm. 1. Spengler selbst hatte auch sehr scharfe Kritik geübt, vgl. Müller, Ausschußverhandlungen, S. 189-193. 221 Brief Luthers vom 20. September 1530 (in deutscher Übersetzung), in: WA.B 5, S. 628-630, Nr. 1722. 222 Zur Lage in Augsburg vgl. Müller, Ausschußverhandlungen, S. 187-192, und Immenkötter, Unionsverhandlungen, S. 66-80. 223 Vgl. Tetleben, Protokoll, S. 136f. 224 In der ersten Auflage hatte Chyträus noch geschrieben, er wolle die Dinge so erzählen, wie sie von Johann Sleidanus kurz beschrieben seien (Historia, Rostock 15761, Bl. 175a). Die Quellenangabe in der Historia, Frankfurt 1580, Bl. 381a, lautet: »Was die vbrigen handlungen mit Keiserlicher Maiestet / fol. 246 belanget / hab ich ein abschrifft von einem Teutschen verzeichniß / aller derselbigen biß zu ende deß Reichßag [!] furgelauffenen Acten / neuwlich auß eines Fürsten Cantzley bekommen / Welches verzeichniß gleichförmige abschrifft one zweiffei auch Johannes Sleidanus in seiner Historia gehabt / denn es an vielen orten schir von wort zu wort Latine darauß vertirt ist.«, vgl. o. S. 61 mit Anm. 173.

3.6 Kaiserliche Politik auf dem Reichstag

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Zunächst berichtet er über die Erklärung, welche der Kaiser den protestierenden Ständen nach Beratung mit Vertretern der altgläubigen Fürsten am 7. September durch Pfalzgraf Friedrich vortragen ließ225. Er bietet eine deutsche Zusammenfassung226 dieses Vortrags227 im Wortlaut (229a-b). In dieser Verlautbarung verspricht der Kaiser einerseits Unterstützung der Konzilsforderung, andererseits verlangt er jedoch von den Protestanten, sich in Glaubensfragen bis zum Konzil so zu verhalten wie der Kaiser und seine Verwandten. Mit dieser Forderung zeigte der Kaiser nur, wie er bisher während des Reichstags bei seiner Position unveränderlich stehen geblieben war. Der Glaube der Protestanten wurde als Neuerung und Sekte apostrophiert228. Diesen Vorwurf weist denn auch der sächsische Kurfürst in seiner Antwort zurück (229b230a). Der Dank für die Bereitschaft des Kaisers, die Konzilsforderung zu unterstützen, steht in dieser Antwort ebenso wie die Weigerung, sich als Sekte einstufen zu lassen oder »abgetane Mißbräuche« wieder anzunehmen229. Im Namen des Kaisers antwortete Georg Truchseß von Waldburg umgehend230 (230a). Chyträus rafft die überlieferten Texte dazu stark kürzend zusammen, zeigt jedoch die Zuspitzung, daß die Protestanten vom Kaiser unter Druck gesetzt werden und mit einem Tag Bedenkzeit zum Einlenken aufgefordert werden. Andernfalls müsse sich der Kaiser als Vogt und Schutzherr der Kirche erweisen und die Dinge durch einen Akt der Macht regeln231. Chyträus erwähnt, daß am folgenden Tag232 der sächsische Kurfürst und seine Konfessionsverwandten durch Kanzler Brück geantwortet hätten233. Die Forderung lautet weiter auf Durchführung eines Konzils. Hier wird der Kaiser bei seinem Wort genommen234. Ein weitergehendes Angebot zu Sonderverhandlungen je-

225 Vgl. dazu Immenkötter, Unionsverhandlungen, S. 71f, Tetleben, Protokoll, S. 140142, und Hönde, Vehus, S. 98. 226 Der bei Chyträus überlieferte Text ist auch gedruckt in: Walch, Luther (2. Aufl.) 16, Sp. 1484-1486, Nr. 1085. 227 Vgl. den Text in: Förstemann, Urkundenbuch 2, S. 391-394, Nr. 179. 228 Vgl. die textkritische Bemerkung am Rand der Dokumente: Förstemann, a. a. O., S. 393, Anm. * und Hönde, Vehus, S. 99. 229 Vgl. auch den Wortlaut der Antwort bei Walch, Luther (2. Aufl.) 16, Sp. 1486f, Nr. 1086, wovon Chyträus aber nur einen knappen Auszug gibt. 230 Die Antwort findet sich in Förstemann, Urkundenbuch 2, S. 395-397, Nr. 180, vgl. auch Walch, Luther (2. Aufl.) 16, Sp. 1487-1489, Nr. 1087. 231 Vgl. zum Vorgang: Tetleben, Protokoll, S. 140-142. Diese Verhandlungen fanden am 7. September 1530 statt. Dies Datum tragen auch die Dokumente. 232 In Wirklichkeit ist es der 9. September gewesen, vgl. Tetleben, Protokoll, S. 142 und Förstemann, Urkundenbuch 2, S. 410-415, Nr. 184, Vorbemerkung. 233 Vgl. Hönde, Vehus, S. lOOf. 234 Zur kaiserlichen Politik auf dem Reichstag in Abhängigkeit vom Legaten der Kurie, Lorenzo Campeggio, vgl. Müller, Sonderverhandlungen, S. 171, und Hönde, Vehus, S. 139.

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3 Der deutsche Text der Historia

doch wird abgelehnt235 (230b-231a). Der Kaiser habe daraufhin den sächsischen Kurfürsten gebeten, den Reichstag nicht zu verlassen. Chyträus erwähnt die vergeblich gebliebenen Vermittlungsversuche von Vehus und Truchseß zu den Fragen von Messe und Klostergelübde (231a). Er übergeht aber diese Texte, um in großer Zielstrebigkeit endlich zum kaiserlichen Reichstagsabschied236 zu gelangen, welcher am 22. September zur Verlesung kam (231b). Dieser Abschied, der die Religionsfrage betrifft, das erste Dokument von reichsrechtlicher Geltung und Bedeutung in diesem Zusammenhang, wird von Chyträus in seiner Endgestalt237 vorgelegt (231b-233b). Ob er die Zwischenergebnisse bis zu seiner Verlesung238 bewußt übergangen oder nicht gekannt hat, spielt dabei auch kaum eine Rolle239. Die Protestanten bekamen hier noch einmal Bedenkzeit bis zum 15. April 1531. Sie wurden gebeten, keine neuen Drucke zu Glaubensfragen bis zum gleichen Zeitpunkt in ihren Territorien zu gestatten und Anhängern des alten Glaubens in ihren Gebieten Freiheit zu gewähren. Sie wurden gebeten, in der Behandlung der Wiedertäufer mit dem Kaiser übereinstimmend zu handeln. Ihre Konzilsforderung wurde nachdrücklich unterstützt240. Der Chronist Chyträus legt dieses Ende der Verhandlungen vor, das von Kanzler Brück241 als unannehmbar eingestuft werden mußte, weil es dem Charakter der Confessio Augustana nicht gerecht wurde. Das Bekenntnis wurde von den evangelischen Fürsten nicht als widerlegt angesehen242. Die Confutatio solle jedoch nicht ohne Antwort bleiben. Brück übergibt die Apologia Confessionis Augustanae243, woraus der Kaiser befinden solle, daß das Bekenntnis vom 25. Juni nicht widerlegt sei (234a). Auf Betreiben König Ferdinands habe Pfalzgraf Friedrich das Exemplar wieder an Brück zurückgegeben

235 Vgl. Ηοηέβ, Vehus, S. 105-116, mit den zugehörigen edierten Texten S. 3 1 0 335. In der lateinischen Fassung hat Chyträus auch Texte dazu überliefert, vgl. Ηοηέβ, Vehus, S. 310 und 326 mit Verweis auf Chyträus, Historia (lat.) 1578, S. 318-323. (Honöes Angabe S. 326 zu Druck 2 ist zu korrigieren. Der Fundort in der lateinischen Fassung ist nicht 312, sondern 322!). 236 Über seine Entstehung vgl. Ηοηέβ, Vehus, S. 141-157. 237 Chyträus bietet den Text, wie er sich auch bei Förstemann, Urkundenbuch 2, S. 474-478, Nr. 206, findet. Eine neue kritische Edition legt Ηοηέβ, Vehus, S. 347-352, vor, wobei er auf Chyträus nicht eingeht. Zur Kritik am Teilabdruck in Oberman, Quellen, S. 177f, vgl. Ηοηέβ, Vehus, S. 150, Anm. 218. 238 Vgl. Ηοηέβ, Vehus, S. 149f. 239 Zum Ablauf vgl. Tetleben, Protokoll, S. 152-166. 240 Zur Interpretation vgl. Ηοηέβ, Vehus, S. 152f. 241 Der Wortlaut der Ausführungen von Brück findet sich in Förstemann, Urkundenbuch 2, S. 4 8 1 ^ 8 3 , Nr. 208, und Walch, Luther (2. Aufl.) 16, Sp. 1534f, Nr. 1114. 242 Zur Kritik der Protestanten am Abschied vgl. Ηοηέβ, Vermittlerrolle, S. 46, wo herausgearbeitet wird, daß es um diesen einen Punkt geht. 243 Text in BSLK, S. 139-404.

3.6 Kaiserliche Politik auf dem Reichstag

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und nicht angenommen244. Chyträus hat damit die Stelle erreicht, an welcher die Apologie vorzulegen gewesen wäre. Wegen ihres Textumfangs, und um die Darstellung des Geschehens von Augsburg nicht zu unterbrechen, bietet er diesen Text jedoch nicht in seinem Werk, sondern rät dazu, eine Ausgabe vom Buchbinder an den Band der Historia anbinden zu lassen245 (234b). In der Darstellung der Vorgänge auf dem Reichstag schließt der Chronist die Replik von Gregor Brück auf den Abschied an246. Er wies den Vorwurf zurück, der in der Bezeichnung »Sekte« liegt, stimmte den Bestimmungen zum Umgang mit den Täufern zu und erbat eine Abschrift des Abschieds mit Bedenkzeit bis zum 15. April247. Chyträus zeichnet die Unterbrechung der Verhandlung und die nächtlichen Bemühungen von Truchseß und Vehus um die Annahme des Abschieds bei Georg von Brandenburg nach248 (235b). Er berichtet von den Verhandlungen und den ausgetauschten Dokumenten des 23. September, also bis zum Abzug des sächsischen Kurfürsten aus Augsburg249 (236b-240b). Die Schilderung des Reichstagsgeschehens wird von Chyträus an dieser Stelle bewußt gestrafft: »Hernach wurden andere geschefft deß Reichs fur die hand genommen / vnd in Sonderheit vom Krieg wider den Turcken gehandelt« (241a). Erst mit dem 13. Oktober wird die Frage des Reichstagsabschieds, um welche es dem Chronisten ging, erneut aufgenommen. Von nun an handeln auf evangelischer Seite nur noch die Gesandten der abgereisten Fürsten. Die Städte werden gehört230 (241a-242a). Unter der Bedingung, daß ihnen in Glaubensfragen bis zum Konzil Friede gewährt werde, geben die Vertreter der evangelischen Fürsten eine Hilfszusage für den Kampf gegen die Türken. So

244 Textkritisch ist hier zu bemerken, daß Chyträus in den älteren Auflagen schrieb, der Kaiser selbst habe die Annahme verweigert, nachdem Ferdinand ihm etwas ins Ohr geraunt hätte (Historia 15761, Bl. 180a), vgl. auch Förstemann, Urkundenbuch 2, S. 482f. 245 Im Falle des Bandes, in welchen die Historia, Frankfurt 1577, eingebunden ist (München SB: 4° Melan. 8), ist eine Apologie tatsächlich beigebunden. In der lateinischen Historia gab er auch nicht den Druck der Editio princeps bei, die in jedermanns Hand sein konnte, sondern die Erstgestalt vom September 1530, vgl. u. S. 101 mit Anm. 131. Für die gedruckte Fassung wies er auch dort auf die Corpora Doctrinae hin, vgl. Historia (lat.), Frankfurt 1578, S. 410. 246 Brücks Antwort findet sich in Förstemann, Urkundenbuch 2, S. 4 7 8 ^ 8 1 , Nr. 207. 247 Vgl. Immenkötter, Unionsverhandlungen, S. 88f. 248 Vgl. a. a. O., S. 89, und Förstemann, Urkundenbuch 2, S. 604-607, Nr. 212. 249 Vortrag des Kurfürsten Joachim von Brandenburg, vgl. Förstemann, Urkundenbuch 2, S. 607f, Nr. 213. Brücks Antwort darauf, vgl. a.a.O., S. 608f, Nr. 214. Joachims Antwort, vgl. a.a.O., S. 609f, Nr. 215. Brücks letzte Antwort, vgl. a. a. O., S. 610f, Nr. 216. Zum Ganzen vgl. Immenkötter, Unionsverhandlungen, S. 89-91. 250 Vgl. die Texte in Walch, Luther (2. Aufl.) 16, Sp. 1562f, Nr. 1129f, und Förstemann, Urkundenbuch 2, S. 641-643, Nr. 229f.

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3 Der deutsche Text der Historia

kommt es zu einem Friedensdokument, das durch Joachim von Brandenburg verlesen wird. Diesen Text bietet Chyträus wieder im Wortlaut251 (242b-244a). Damit habe der Friede im Reich als gesichert gelten können und eine »militärische Regelung der Glaubensfrage« abgewendet sein können. Hinsichtlich des Umgangs mit dem »Aufruhr« wird der Abschied von Speyer 1526 bestätigt und geregelt, wie darin zu verfahren sei. Die Vertreter Sachsens wollen jedoch sehr genau geklärt wissen, was der kurze Passus über den Vergleich in Religionsfragen zu bedeuten habe. Sie beanstanden, daß der Entwurf nicht unter ihrer Beteiligung zustande kam, wie es alter Brauch gewesen sei252 (244b-245a). Das Vertrauen ist zerstört. So verlangen sie genaue Kenntnis der Wortlaute von Abschied und Friedensartikel. Joachim von Brandenburg hält die Gegenrede253 (245a-b). Er macht den Protest der Sachsen damit allerdings sehr verständlich, weil er durchblicken läßt, daß er in der Glaubensfrage nach wie vor auf altgläubiger Seite stehe, wenn es auch jetzt nur noch um die Frage der gemeinsamen Türkenabwehr gehen solle. Die Sachsen wollen auf jeden Fall vermeiden, daß sie einen Text billigen, welcher den Anschein erwecken könnte, sie hielten die Glaubensfragen für »verglichen«254 (245b-246a). In der pragmatischen Reduzierung der Verhandlungen auf die Türkengefahr255 wollen sie die Gültigkeit ihrer übergebenen Confessio nicht infrage stellen lassen256 (247a). Weil sie den Zusammenhang zwischen dem Abschied vom 22. September und den Friedensartikeln für zu gravierend halten, heben sie das eigens hervor. Sie betonen, daß sie einen Zusatz sehen möchten, der sicherstellt, was sie fordern: »Also das jre Herrn / vnd die jren / bei jrem Glauben / Religion vnd Ceremonien / ruhig / vnuberzogen vnd vnvergewaltigt / bleiben mochten / biß auff ein general frey Christlich Concilium« (247a-b). Unter dieser Bedingung sind sie bereit zur Zusammenarbeit in der Friedensfrage. Als die Verhandlungen an dies Ziel gelangt waren, bat man den Kaiser um einen Frieden für das Reich, der die Gefahr in der Glaubensfrage ausräumen sollte. Chyträus rafft den weiteren Gang der Verhandlungen summarisch zusammen. Er setzt seine Dokumente nur mit der konzipierten Antwort des Kaisers

251 Bericht über die Verlesung bei Förstemann, Urkundenbuch 2, S. 750-752, Nr. 256. Text a.a.O., S. 753-755, Nr. 258. Vgl. auch Walch, Luther (2. Aufl.) 16, Sp. 1575-1577, Nr. 1137. 252 Die Antwort der Evangelischen bei Förstemann, Urkundenbuch 2, S.755f, Nr. 259. 253 Text bei Förstemann, a. a. O., S. 755f, Nr. 260. 254 Antwort der Evangelischen .., Text in Förstemann, a. a. O., S. 757f, Nr. 261. 255 Chyträus bietet die Texte zu dieser Frage im Wortlaut, so die »Widerrede« Joachims von Brandenburg (246a-b), deren Text sich bei Förstemann, a. a. O., S. 758f, Nr. 262, findet. 256 Letzte Entgegnung der Sachsen. Text bei Förstemann, a. a. O., S. 759-761, Nr. 263. Wörtlich so bei Chyträus (246b-247b).

3.6 Kaiserliche Politik auf dem Reichstag

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vom 11. November 1530 fort257 (248a-b). KarlV. beschränkte sich darin auf die Festschreibung der Gültigkeit des Landfriedens von Worms. Er bestätigte den protestantischen Protest gegen seinen Abschied vom 22. September und gewährte den erbetenen Schutz im Reich. Diese Antwort erhielt nun endlich der Sprecher Sachsens, Hans von Planitz258, auch schriftlich. Es kam nochmals zu Meinungsverschiedenheiten, ob dieser Text vor einer Stellungnahme zunächst den abgereisten Fürsten vorgelegt werden solle. Chyträus will mit Darlegung solcher Bedenken zeigen, wie schwierig der Gang der Verhandlungen bis zum Schluß blieb. Die Antwort der Evangelischen Stände auf Karls V. Votum vom 11. November war nicht leicht gegeben worden. Der Text dieser Antwort vom 12. November wird voll abgedruckt. Die sächsischen Räte haben eine endgültige Stellungnahme schriftlich vorgelegt259 (249b-251a). In diesem Schreiben werden die mühsam erzwungenen Positionen noch einmal zusammengefaßt. Die Glaubensfrage und die Türkenhilfe werden aus evangelischer Sicht dargestellt. Sie finden noch besondere Anwendung auf das Problem der Beschickung des Reichskammergerichts durch evangelische Territorien. Nach der Vorlage dieses Schreibens kann Chyträus von der Abreise der Räte von Hessen und Sachsen am 13. und 14. November berichten (251b). Damit ist der Boden bereitet zur Dokumentation des Reichstagsabschieds vom 19. November 260 (252a-266a). Dieses umfangreiche Edikt hat die ganzen Verhandlungen und mühsam errungenen Positionen der Protestanten zunichte gemacht 261 . So war es die Absicht Karls V. gewesen. Chyträus legt den Text unkommentiert im Anschluß an seine Darstellung der zähen Verhandlungen auf dem Reichstag vor. Hier hatten die Protestanten schließlich bewiesen, daß sie in Glaubensfragen nicht nachzugeben bereit seien. Er berichtet nicht von den Verhandlungen zur Bildung des Schmalkaldischen Bundes, wohl aber von Luthers »Warnung an seine lieben Deutschen«, womit der Reformator beiden Seiten zum Frieden geraten habe. In seiner Einleitung zu diesem Text stellt Chyträus gleich einige Sätze aus Luthers Verteidigung dieser Schrift voran262 (266a-b). Luther wollte es damit den »Papisten« unmöglich machen, daß sie

257 Text bei Förstemann, a. a. 0 . , S. 811f, Nr. 289; vgl. Walch, Luther (2. Aufl.) 16, Sp. 1593f, Nr. 1153. 258 Hans von Planitz, der am 10. Juli 1535 starb, war Doktor der Rechte und Diplomat. Er begleitete seinen Landesherrn auf den Augsburger Reichstag, vgl. ADB 26, S. 232f. 259 Text bei Förstemann, Urkundenbuch 2, S. 822-824, Nr. 298, vgl. Walch, Luther (2. Aufl.) 16, Sp. 1594-1597, Nr. 1154. 260 Text bei Walch, a. a. O., Sp. 1596-1616, Nr. 1155 (vgl. auch WA 30 III, S. 322). - Einen Auszug aus diesem Abschied (und nicht aus dem Text vom 22. 9. 1530, wie fälschlich überschrieben) bietet Oberman, Quellen, S. 177f. 261 Zur Lage vgl. Müller, Kurie, S. 130-134. 262 In der Schrift »Wider den Meuchler zu Dresden« 1531. Chyträus zitiert daraus den Schlußpassus WA 30 III, S. 470,34-471,9.

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3 Der deutsche Text der Historia

mit den Evangelischen wie mit Aufrührern umgehen könnten. Nach diesem Resümee aus Luthers eigener Feder legt Chyträus den Text von des Reformators »Warnung«263 im vollen Wortlaut264 vor (266b-292a). Die Entstehungszeit dieser 1531 gedruckten Lutherschrift265 hat er richtig in den unmittelbaren Zusammenhang mit dem Abschluß des Reichstags gestellt266. Im Falle eines Kriegs will Luther nicht zugestehen, daß die Notwehr der Evangelischen als Aufruhr eingestuft werde. Er kritisiert heftig die Vorgehensweise der »Papisten« bei den Verhandlungen in den Ausschüssen des Reichstags. Als Prophet der Deutschen und treuer Lehrer267 will Luther sein Volk warnen. Falls der Kaiser zum Krieg aufbieten würde, solle kein Mensch sich dazu gebrauchen lassen. Luther versucht freilich, Karl V. selbst in Schutz zu nehmen vor seinen Ratgebern und dem Papst. Man solle dem Kaiser nicht gehorchen, wenn damit das Taufgelübde gebrochen werde. Luther hat in seiner »Warnung« mit dem Papsttum abgerechnet und so seinen »lieben Deutschen« ins Gewissen reden wollen. Es war nicht seine Absicht, zu Aufruhr und Widerstand anzuleiten, sondern zum Frieden, aber er betont am Schluß die clausula Petri, Apostelgeschichte 5,29: »Man muß Gott mehr gehorchen als den Menschen«. Chyträus läßt es jedoch bei der Dokumentation dieser Stellungnahme Luthers nicht bewenden, sondern fügt gleich eine weitere an. Wir finden als nächstes Dokument Luthers Glosse zum kaiserlichen Edikt268 (292b-313b269). Luther bleibt hier ganz im Duktus der vorigen Schrift, indem er versucht, den Kaiser zu entschuldigen, hingegen dem Papst und seinen Legaten die Schuld anzulasten. Er setzt sich mit dem Wortlaut des Edikts in kräftiger Polemik auseinander. An erster Stelle greift er natürlich die Meinung auf, die Confessio Augustana sei durch die Evangelien widerlegt. Er bezeichnet dies als eine Lüge. Luther arbeitet hier heraus, daß die Kirche sich selbst nicht höher einstufen darf als die heilige Schrift und die Worte Christi. So kämpft er gegen das Verbot des Laienkelchs, gegen den Mißbrauch der Messe 263 Chyträus druckt den Text ab nach dem 5. Band der Jenaer Lutherausgabe (379a), vgl. auch WA 30 III, S. 272. 264 Der Text findet sich in WA 30 III, S. (251) 276-320. 265 Zur Datierung vgl. WA 30 III, S. 251-254. 266 In den älteren Auflagen der deutschen Historia hatte Chyträus zuerst die Warnung und darauf folgend den Reichstagsabschied drucken lassen. Dort war auch die »Vermahnung an die Geistlichen« noch innerhalb seiner Darstellung. Chyträus verwies sie erst 1580 in den Anhang (323a-350b). 267 WA 30ΙΠ, S. 290,28-30. 268 Text in WA 30 III, S. (321) 331-388. Chyträus druckt den Text nach dem 5. Band der Jenaer Lutherausgabe (379b), vgl. WA 30ΙΠ, S. 328. 269 In der Ausgabe von 1580, die wir benutzen, ist in dem Chyträus-Druck Blatt 311 ausgefallen, was auch durch ein Händchen bei der custode von 310b gekennzeichnet ist. Deshalb kommt der Drucker mit der Seitenzählung etwas durcheinander. Sowohl die älteren als auch die späteren Ausgaben enthalten die beiden Seiten, welche 311a+b entsprechen würden.

3.6 Kaiserliche Politik auf dem Reichstag

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und alle Punkte des Edikts nacheinander. Abschließend stellt er sein Selbstverständnis als Doktor der heiligen Schrift noch einmal dar. Chyträus fügt (unter genauer Quellenangabe 270 ) eine kurze Erklärung Luthers über den Reichstagsabschied an, worin der Reformator das Dokument als Lüge brandmarkt 271 (312b-313a). Es sei das »beste Tätlein« Christi auf dem Reichstag gewesen, daß man diese Lüge nicht gut geheißen, sondern öffentlich gestraft habe272. Daß die bisherige Darstellung des Geschehens und der handelnden Personen auf einen solchen Vorgang nicht hinweisen konnte, scheint den Historiographen selbst nicht zu stören. Er traf damit aber sicher, was rückblickend die Meinung von vielen seiner Zeitgenossen war. An dieser Stelle schiebt er einen kurzen chronologischen Bericht ein. Er erwähnt Melanchthons Bearbeitung und Drucklegung der Apologia Confessionis Augustanae 273 . Von da aus geht er über zur Schilderung der weiteren wichtigsten Stationen des Verlaufs der Geschichte in groben Umrissen: Zunächst der friedliche Anstand vom August 1532, den wir gewöhnlich »Nürnberger Religionsfrieden« zu nennen pflegen, der in die Zeit des Reichstags zu Regensburg fällt274. Dieser Friede habe bis zum Schmalkaldischen Krieg gedauert. Obwohl Karl V. durch das Augsburger Interim275 von 1548 und das Konzil von Trient die Kirchen der Augsburgischen Konfessionsverwandten wieder mit der »päpstlichen römischen Kirchenlehre« habe gleich machen wollen, sei dies »durch sonderliche schicküg deß allmechtigen barmhertzigen Gottes / wunderbarlich gehindert« worden (313b). Hier werden weiter der Passauer Vertrag von 1552 und der Augsburger Religionsfriede 276 von 1555 genannt. Damit will Chyträus seine Akten von der Augsburgischen Konfession beschließen (313b). Somit ist der Boden bereitet für die Dokumentation des Textes, der in Deutschland große Bedeutung hatte, des Augsburger Religionsfriedens 277 (314a-322b). König Ferdinand gewährte endlich den »gemeinen beharrlichen vnd bestendigen Frieden« (314a) für die Anhänger der Confessio Augustana 270 Verweis auf Jenaer Lutherausgabe im Text selbst. 271 Dieser Text findet sich in WA.B 5, S. 616,95-104, Beil. zu Nr. 1715. 272 Chyträus übersieht dabei, daß man sich über die Datierung dieses Stücks nicht völlig im klaren ist, so daß Luther wohl vom Abschied des Speyerer Reichstags gesprochen haben wird, vgl. Walch, Luther (2. Aufl.) 19, Sp. 1727-1729, Anm. 3, und Förstemann, Urkundenbuch 2, S. 74, Anm. **. Aber man wird darin nicht unbedingt eine absichtliche Fälschung von Chyträus sehen müssen. Auch Georg Spalatin ordnete diesen Passus dem Augsburger Reichstag zu, vgl. Spalatin, Annales, S. 288f. 273 Vgl. Adolf Sperl, Apologie, in: TRE4, S. 632-639, und Neuser, Bibliographie, S. 53. 274 Vgl. Theodor Kolde in: RE 14, S. 245. 275 Vgl. Joachim Mehlhausen in: TRE 16, S. 230-237. 276 Vgl. Gerhard Pfeiffer in: TRE 4, S. 639-645. 277 Zu den Quellen-Editionen, die wir heute kennen, vgl. Pfeiffer, a. a. O., S. 645.

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3 Der deutsche Text der Historia

und die Altgläubigen, allerdings nur für die beiden Religionen und keine weitere. Damit war endlich eine Rechtsgrundlage geschaffen. Chyträus konnte den Lauf der Geschichte so knapp streifen und überfliegen, weil er in seiner Aktendokumentation dieses Ziel ansteuerte. Das Bekenntnis von Augsburg hat diese wichtige Station in seiner Geschichte eben erst im Jahr 1555 erreicht. Die sonstigen Religionsgespräche der Zeit übergeht der Chronist278.

3.7 Textanhang Chyträus legt nun als Anhang solche Texte vor, die in seiner Historia erwähnt wurden, die auch zum Thema gehören, die er jedoch mit guter Absicht aus dem fortlaufenden Text herausgenommen hat279. Das ist an erster Stelle Luthers »Vermahnung an die Geistlichen«280 (323a-350b), die bereits Anfang Juni in Augsburg verkauft wurde281. Sie ist also mehr ein Stück aus der Vorgeschichte der Confessio Augustana282. Luther richtete diese Schrift an die Geistlichen, also an die in Augsburg zum Reichstag versammelten Bischöfe. Er wollte damit von Coburg aus in das Geschehen am Lech eingreifen. Er griff deutlich die Mißbräuche auf, war aber doch zur Rückkehr unter die bischöfliche Jurisdiktion bereit, wenn dadurch nur das Evangelium und seine Verkündigung nicht gehindert würden. In langer Liste nennt er die Fragen, über die positiv gemeinsam zu handeln wäre, aber auch die Punkte, die er als nicht mit der alten Kirchenlehre übereinstimmend brandmarkt283. Mit diesem Dokument wollte Chyträus wesentlich dazu beitragen, Luthers Stellung zum Reichstagsgeschehen zu verdeutlichen und dadurch doch keinen Zweifel aufkommen lassen, daß Luther, der vor der Verlesung des Bekenntnisses so votiert hatte, mit der Haltung der evangelischen Theologen in Augsburg zufrieden war.

278 Daß er inhaltliche Fragen der Religionsgespräche in seiner lateinischen Fassung durch vorgelegte Dokumente gestreift hatte, werden wir noch sehen, vgl. u. S. 104 f. 279 In der 1. Auflage war die »Vermahnung« vor der »Warnung« am Ende des Bandes piaziert, was auch der zeitlichen Anordnung durchaus entsprach. Der Abschnitt »Handlung von Einigkeit mit den Zwinglischen im Reichstag zu Augspurg gepflogen« (351a-375a) fehlte damals noch ganz. Er kommt erstmals in der Ausgabe Rostock 1577 als Schlußkapitel vor. 280 Text in WA 30 III, S. (237) 268-356. Eine neue Edition hat Günther Wartenberg vorgelegt in : Martin Luther-Studienausgabe ... hg. v. Hans-Ulrich Delius, Bd. 4, Berlin 1986, S. 318-387. 281 Vgl. Wartenberg, a. a. O., S. 318f. Chyträus datiert in der Überschrift auf Juli. 282 Zur geschichtlichen Bedeutung dieses Dokuments vgl. Scheible, Reichstag, S. 39f. 283 Vgl. WA 30 ΠΙ, S. 345-351.

3.8 Die Frage der Einheit mit den Oberdeutschen

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3.8 Die Frage der Einheit mit den Oberdeutschen Was Chyträus sonst in seinem Textanhang vorlegt, ist eigentlich nicht nur ein Einzeltext 284 , sondern der Nachtrag eines eigenen Sonderkapitels zum Augsburger Reichstag, in dem das nachgeholt wird, was im Gang der Beschreibung des Reichstagsgeschehens an den Rand gerückt war, nämlich die »Handlung von Einigkeit mit den Zwinglischen« 285 (351a)286. Chyträus setzt dafür mit einer Beschreibung des Marburger Religionsgesprächs von 1529 ein. An erster Stelle legt er einen Brief Luthers an Philipp von Hessen vor, mit dem der Wittenberger Reformator dem um Vermittlung bemühten Landgrafen auf die Einladung antwortet287 (351b-352b). In diesem Brief kommen aber bereits Luthers Bedenken und Sorgen zum Ausdruck. »Gott gebe aber, daß ich hie nicht ein Prophet sei«, schrieb Luther288. Das war für den Chronisten Chyträus aus der Sicht von fast einem halben Jahrhundert später ein wichtiges Vorwort289. Gemäß der Textvorlage in der Wittenberger Luther-Ausgabe 290 fügt Chyträus eine »Kurze Summa«, einen Bericht Melanchthons an Herzog Heinrich von Sachsen über den Verlauf des Marburger Gesprächs, an291 (353a355b). Dieser Bericht ist so gefaßt, daß er als direkte Einführung in die Marb-arger Artikel gelten kann, und schließt sich unmittelbar daran an292 (355b357b). Die nicht zustandegekommene Einigung mit den »Zwinglischen« und ihr Scheitern in der Abendmahlsfrage ist damit dokumentiert. Der Chronist hält fest, Luther habe Zwingli und die Seinen wegen der Differenzen in der Frage der Realpräsenz nicht als »Brüder« ansehen wollen. Der hessische Landgraf habe aber seine Bemühungen um Beilegung des Zwiespalts fortgesetzt

284 In der Quellenangabe (380b) verweist er auf den 9. Band der Wittenberger Luther-Ausgabe, Bll. 288, 289, 290. Dort stehen jedoch nur die Dokumente, die Chyträus auf Bll. 351b-357b bietet, vgl. Wolgast, Wittenberger Luther-Ausgabe, S. 262. Chyträus hat also dieses Schlußkapitel in Eigenarbeit durch Zusammenstellung einschlägiger Dokumente weiter gestaltet. 285 Die Überschrift von Chyträus ist nur insofern berechtigt, als in Marburg auch Zwingli anwesend war. Chyträus behandelt bei seiner Darstellung von Augsburg jedoch als Gesprächspartner der sächsischen Theologen nur noch die Oberdeutschen, nicht aber die Vertreter des schweizerischen Zwinglianismus. Deshalb unsere Überschrift. 286 In den ersten Auflagen der Historia war dies Kapitel noch gar nicht vorgekommen. Es findet sich erstmals in der Ausgabe Rostock 1577. - Zur Herkunft der Texte vgl. die Angaben in WA.B 14, S. 435f mit Anm. 30-35. 287 Text in WA.B 5, S. 103-105, Nr. 1438, Beil.. 288 WA.B 5, S. 104,26. 289 Chyträus überliefert als Datum den 23. Juli 1529, während es mit WA der 23. Juni 1529 sein muß. 290 Vgl. Wolgast, Wittenberger Luther-Ausgabe, S. 262. 291 Text in MSA 7/2, S. 119-125, Nr. 140, vgl. MBW 1, S. 356, Nr. 832. 292 Text in WA 30 III, S. 160-171, vgl. MBW 1, S. 354, Nr. 825.

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3 Der deutsche Text der Historia

(358a). Damit ist die Vorgeschichte dargestellt, welche die Bemühungen auf dem Reichstag von 1530 auch prägen sollte. Hier fügt Chyträus seine Darstellung der Seitenlinie zu den Augsburger Verhandlungen ein. Die Reihe der Dokumente von Augsburg wird eröffnet mit einem Schreiben, in dem Melanchthon und Brenz gemeinsam dem hessischen Landgrafen antworten293 (358a-360a). In dieser Stellungnahme vom 11. Juni 1530 lehnen sie die Bruderschaft mit den irrenden Theologen aus Gewissensgründen ab. Sie betonen die Wichtigkeit der Sakramentsartikel und warnen vor Aufruhr. Der Landgraf hat umgehend mit einem Gegenschreiben geantwortet294 (360a362b) und versucht, die Gemeinsamkeiten der beiden evangelischen Parteien zu apostrophieren. Er verteidigt den nicht namentlich genannten Bucer und sein Bemühen um eine Abendmahlskonkordie und erbittet von seinen Verhandlungspartnern weitere Gründe für die Trennung von den Oberdeutschen. Sein Anliegen ist die Bitte um Frieden mit »denen, die man Zwinglisch nennet«. Chyträus fügt auch noch die folgende Gegenantwort von Brenz und Melanchthon an den Landgrafen an295 (363a-364b). Sie können die Zwinglischen nicht als Brüder anerkennen, weil sie deren Lehre nicht vor Gott verantworten können. Sie weisen auch auf die reichspolitische Lage hin, in der sie auf Duldung der eigenen Lehre hoffen. Sie weisen den Eingriff weltlicher Macht zurück, da sie ihre Glaubensauffassung selbst zu verantworten bereit sind. Sie bitten den Landgrafen um rechte Geduld. In der Gewißheit ihrer Lehre wollen sie auf Gottes Hilfe warten. Es folgt ein Schriftwechsel zwischen den Theologen beider Seiten. Melanchthon schrieb im Juli 1530 an Bucer und die Seinen, nachdem sie durch Brenz darum gebeten hatten296 (365a-b). Er könne die lutherischen Fürsten nicht dadurch belasten, daß er sie mit der »verhaßten Lehre« der Schweizer und Oberdeutschen verbinde. Er geht ablehnend auf Zwingiis »Fidei ratio« ein297, zeigt sich aber zur Beilegung des Abendmahlsstreits bereit. Capito und Bucer haben darauf an Melanchthon ein Antwortschreiben geschickt298 (365b368b). Darin sind deutliche Spitzen gegen Luther nicht zu übersehen. Sie bitten um weiteres Gespräch über die Streitfragen. Chyträus berichtet, daß die Lutheraner in Augsburg eine mündliche Verhandlung abgelehnt hätten (369a). Brück habe dem führenden Theologen der Gegenseite, Martin Bucer, ein von Melanchthon verfaßtes Gutachten zuge293 294 295 296

Text in CR 2, Sp. 92-96, Nr. 718 = A, vgl. MBW 1, S. 389, Nr. 924. Text in CR 2, Sp. 96-100, Nr. 719 = B, vgl. MBW 1, S. 389f, Nr. 925. Text in CR 2, Sp. 101-103, Nr. 720 =3 C, vgl. MBW 1, S. 390, Nr. 926. Text im lateinischen Original in MSA 7/2, S. 220-224, Nr. 186a, vgl. MBW 1, S.406, Nr. 972. Chyträus datiert auf 23. Juli, was zu korrigieren ist mit MBW auf ca. 15. Juli. 297 Chyträus hat Zwinglis »Fidei ratio« nicht eigens thematisiert. 298 Text wie M B W 1 , S. 408, Nr. 980. Das Datum ist nicht, wie Chyträus angibt, 28. Juli, sondern 18. Juli.

3.8 Die Frage der Einheit mit den Oberdeutschen

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stellt, das die Differenz in der Abendmahlsfrage benennt. Eine deutsche Übersetzung dieser lateinischen Artikel legt der Chronist mit vor299 (369a-370a). Bucer wird hier Hinterlist vorgeworfen, weil er behaupte, die Ablehnung der Transsubstantiation sei das Gemeinsame, das alle anderen Differenzen in dem Verständnis der Gegenwart Christi im Abendmahl überbrücke. Melanchthon formuliert jedoch ein Festhalten an der wahrhaftigen und wesentlichen Gegenwärtigkeit Christi (veram et realem praesentiam 300 ). Chyträus fügt die Antwort Bucers an301 (370a-373a). Der Straßburger verteidigt darin seine Position und tritt leidenschaftlich für die Einheit ein. In einem Postskript betont Bucer zusätzlich und mit Nachdruck seine Rechtgläubigkeit in der Christologie 302 (372b-373a). Weitere Briefe werden von Chyträus nur noch erwähnt. So zitiert er aus dem Brief Melanchthons an Luther vom 25. August 303 , wo der in Augsburg wirkende Theologe dem in Coburg weilenden einen Brief Bucers304 ankündigt. Luther habe Melanchthon daraufhin mitgeteilt, daß er Bucer nicht antworte, weil er ihn verabscheue 305 . Der Straßburger sei allerdings wenig später selbst zu Luther nach Coburg gereist, um den Zwiespalt beizulegen 306 . An dieser Stelle bricht Chyträus seinen Bericht ab und springt über die Zeit hinweg. Er leitet über zur Dokumentation der Wittenberger Konkordie von 15363σ7. Dabei bemerkt er ausdrücklich, daß sie nicht eigentlich zur Schilderung der Vorgänge von Augsburg gehöre. Aber er habe sie wegen ihrer Kürze aufgenommen, und weil sie auch in seiner Zeit einen »christlichen Weg zu Frieden und Einigkeit weisen« könne308 (373b). Das Einigungsdokument 309 , das für kurze Zeit den Abendmahlsstreit zwischen den sächsischen Theologen und den Vertretern der oberdeutschen Städte beigelegt hatte, blieb für Chyträus wie für seine Freunde eine legitime und

299 Text in Walch, Luther (2. Aufl.) 17, Sp. 1997f, vgl. MBW 1, S.431, Nr. 1044. Vgl. auch WA.Β 5, S. 566f. 300 CR 2, Sp. 224. 301 Text in Walch, Luther (2. Aufl.) 17, Sp. 1998-2001. 302 Dies Postskript fehlt in Walch, a. a. 0 . , Sp. 2001. 303 Text in MSA7/2, S. 272f, Nr. 211, Zeile 13-18, vgl. MBW 1, S.430, Nr. 1040

[2]. 304 Der Brief Bucers an Luther findet sich in WA.B 5, S. 566-572, Nr. 1696 mit Beilagen. 305 Luthers Brief vom 11. Sept. 1530, aus dem Chyträus zitiert, findet sich in WA.B 5, S. 617f, Nr. 1716, Zeile 15f, vgl. MBW 1, S. 443, Nr. 1075 [2], 306 Bucer war vom 25. bis 27. September 1530 bei Luther in Coburg, vgl. WA.B 5, S. 658, Nr. 1738, Anm. 2. 307 Vgl. Wilhelm Maurer, Wittenberger Konkordie, in: RGG 6, Sp. 1784f. 308 Vgl. die Aufnahme der Wittenberger Konkordie in die Konkordienformel von 1577 (BSLK, S.977f). 309 Der Text ist ediert in WA.B 12, S. 200-212, Nr. 4261, Beil. I. Chyträus legt nur den Abendmahlsteil vor, entsprechend WA.B 12, S. 206-208,1-57.

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3 Der deutsche Text der Historia

gültige Ergänzung zur Verhältnisbestimmung zwischen den Unterzeichnern der Confessio von Augsburg und denen, die auf dem Reichstag ihr eigenes Bekenntnis, die Confessio Tetrapolitana310, vorgelegt hatten. Chyträus hat diesen Teil über die Einigungsverhandlungen mit den Zwinglischen erst in der 2. Auflage seiner Historia eingebaut. So ist auch die Wittenberger Konkordie erst ab dieser Auflage enthalten311. Wie bereits aus seinen einleitenden Worten hervorgeht, wollte er damit nicht nur einem historischen Interesse nachkommen, sondern auch deutlich zu Fragen im noch andauernden Streit mit reformierten Theologen Stellung nehmen. Er geht hier auf deren Berufung auf die Wittenberger Konkordie nicht ein und nennt keine Namen von seinen Gegnern312, sondern bietet lediglich den Abendmahlsteil dieses Texts (374a-375a). Als letztes Dokument seiner Historia setzt Chyträus einen Luthertext aus der Zeit des Reichstages von Augsburg. Er überschreibt dies Stück als Schrift Luthers vom Adel (375b-377b). In Wirklichkeit ist es eine Widmungsvorrede des Reformators an Hans von Sternberg in Coburg vom 27. August 1530 313 . Hier wird dem Adel ins Gewissen geredet, vor dem Beispiel der Geistlichkeit und ihres Verfalls gewarnt und die Liebe zum Wort Gottes hervorgehoben. Damit setzte Chyträus eine Aussage Luthers an den Schluß, die für sein Anliegen bei seiner Zusammenstellung der Historia charakteristisch ist. Inwiefern diese Worte an die Adresse des Adels auch ein Stück aktueller Mahnung des Rostocker Gelehrten an die Vertreter des Adels in seiner eigenen Zeit sein sollten, läßt sich aus der Textdokumentation allein nicht zureichend belegen. Es würde damit aber ein Bogen geschlagen zur Vorrede, wo er den Adressaten in eine Reihe stellt mit anderen Anhängern der Confessio, »dazu E[uer] G[naden] sich neben vielen andern Christlichen Konigen / Fürsten vnd Stenden / als zu einem Symbol oder kurtzen Summa vnd inhalt der reinen warhafftigen Lehre des Euangelij bekennen« [ )( Illb]. Bevor wir in eine Würdigung der deutschen Fassung der Historia eintreten, stellen wir die lateinische zunächst daneben.

3 1 0 Vgl. James M. Kittelson, Confessio Tetrapolitana, in: T R E 8, S. 1 7 3 - 1 7 7 (in der lateinischen Fassung wird sie im Auszug als Text vorgelegt, vgl. unten S. 106— 108) 311 Vgl. auch WA.B 12, S. 2 0 6 , wo auch von der Vorlage für Chyträus genauere Auskunft vorliegt. Sein Druck folgt dem von Paul Eber. Ungenau ist die Angabe bei der Edition in Bucer, Deutsche Schriften 6,1, S. 119. Hier muß ergänzt werden, daß es sich um die 2. Aufl. der Historia, genauer um die von 1577, handelt, nicht um die 1. Aufl.! 3 1 2 Hier ist an Christof Herdesianus zu denken, der unter dem Pseudonym Ambrosius Wolf schrieb, vgl. o. S. 29, Anm. 75. Gegen ihn wandte sich später auch Nikolaus Seinecker, vgl. Bucer, Deutsche Schriften 6,1, S. 119 und B S L K , S. 9 7 7 , Anm. 1. 3 1 3 Vgl. WA.B 5, S. 582, Nr. 1703. Text in WA 3 1 / 1 , S. 2 2 3 - 2 2 7 .

4 Der lateinische Text der Historia

4.1 Beobachtungen zur Entstehung Wie wir bereits bei der ersten Übersicht über die Druckausgaben1 beobachtet haben, ist es nicht dem historischen Werdegang entsprechend, wenn man sich allein auf die lateinische Version beschränkt2. Diese Fassung in der Sprache der Gelehrten hat zwar ihren festen Ort in der Vorgeschichte des Werkes3, ist aber doch in den Hintergrund getreten, hat jedenfalls nur geringere Verbreitung gefunden und wendet sich offensichtlich an einen anderen Leserkreis, wie wir noch deutlicher sehen werden. Als Chyträus seine Erstausgabe der deutschen Historia publizierte, hatte er das lateinische Exemplar an einen nicht namentlich Genannten ausgeliehen4. Mochte er damit auch Georg Cölestin treffen wollen5, so mußte er doch später allgemeiner formulieren, daß das lateinische Exemplar auch andere von ihm bekommen haben6, wie er sich auch von anderen dabei habe beraten lassen. Dem »freundlichen Leser« seiner zweiten deutschen Auflage teilte er im Vorwort mit, daß er das lateinische Exemplar, von welchem er anderen Kopien und Abschriften habe zukommen lassen, »diesen Sommer«, also 1576, wieder durchgesehen habe7. Trotzdem war es nicht der Autor selbst, der für die 1578 in Frankfurt erstmals erschienene lateinische Fassung das Vorwort schrieb. Auf dieses Vorwort des Frankfurter Pfarrers Matthias Ritter* wird näher einzugehen sein. 1 2 3 4 5 6 7 8

Vgl. o. S. 28-32. So Peter Barton in TRE 8, S. 89. Vgl. o. S. 19-23. Historia, Rostock 15761, Bl. A3b. Vgl. WA.Β 14, S. 436-438. Historia (Frankfurt 1580), Bl.)(IIIb. Vgl. o. S. 20, Anm. 13. Über ihn vgl. ADB 28, S. 666-668. Aspekte aus seinem Wirken werden deutlich in: Schade, Westphal, S. 89 und 141. Ritter arbeitete in Frankfurt eng mit dem Pfarrer Hartmann Beyer zusammen und war dort ein Bewahrer des Luthertums. Als Verfasser des Vorworts zu der Arbeit von Chyträus war er besonders qualifiziert durch seine Übersetzung von Melanchthons Lebensbeschreibung Martin Luthers, vgl. a. a. O., S. 141. Mit Chyträus wechselte Ritter zahlreiche Briefe, die, so weit wir sehen konnten, für die bisherige Forschung über Chyträus nicht herange-

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4 Der lateinische Text der Historia

Vorerst müssen wir der Frage nach dem Drucker nachgehen. Mit Recht ist festgestellt worden, daß über die Umstände der Drucklegung aus den gedruckten Chyträus-Briefen keine Auskunft zu erhalten ist9. Die Tatsache, daß die deutschen Ausgaben der Historia so schnell und so häufig in Frankfurt nachgedruckt wurden, zeigt das große Interesse, welches diesem Werk in der Messestadt am Main zuteil wurde. Dreimal hatte der Drucker Georg Rab10 die Historia zum Druck gebracht. Georg Rab bildete zusammen mit Sigismund Feyerabend eine »Cumpanei«, der auch die Erben des Weigand Han11 angehörten. Die lateinische Historia ist zwar von Paul Reffeier 12 in Frankfurt gedruckt, aber ebenfalls bei Sigismund Feyerabend verlegt13. Wir können also

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zogen worden sind. Wir kennen davon nur handschriftliche Kopien der ChyträusBriefe. Gegenbriefe können lediglich daraus erschlossen werden. Die beiden Theologen tauschten sich oft über buchhändlerische Fragen und Verlegerprobleme aus. Für den Rostocker scheint diese Verbindung in die Messestadt am Main Türen geöffnet zu haben. Beispielsweise schrieb er am Johannistag (24. 6.) 1579 an Ritter, D. Cisnerus habe im Mai noch kein Exemplar der Historia Confessionis Augustanae erhalten. Falls ein Vergessen von Feyerabend diesen Fall begründe, wünsche er, daß man ihn erinnere. Nikolaus Cisner war als Jurist am Reichskammergericht in Speyer und später wieder als Ratgeber von Kurfürst Ludwig in Heidelberg tätig (vgl. ADB 4, S. 267f). - Mit Cisner korrespondierte Chyträus schon 1576 über die Drucklegung der Historia und bat ihn um Fürsorge, daß das Buch auf der Frankfurter Messe ausgestellt werde (Chytraei epistolae, S. 1168f). Die Mahnung von 1579 betrifft also wohl die lateinische Fassung. Auch über die Konkordienfrage tauschte er sich mit Cisner aus (Chytraei epistolae, S. 356 und 394). Chyträus hatte also in seinen Briefen an Ritter sehr konkrete Probleme im Auge. (Die Briefe finden sich heute in der Staats- und Universitätsbibliothek Carl von Ossietzky in Hamburg, vgl. unten in der Bibliographie; der erwähnte Brief vom 24. 6.1579 trägt die Signatur Sup. ep. 2, 116r-117r). Ritter hatte offensichtlich auf die Druckereien in Frankfurt Einfluß. Er konnte 1570 verhindern, daß eine Publikation von Matthias Flacius in Frankfurt zum Druck kam, vgl. Preger, Flacius 2, S. 370. Zusammen mit Hartmann Beyer besuchte er Matthias Flacius auf dem Sterbebett im Kloster der Weißen Frauen in Frankfurt, vgl. a. a. O., S. 525. Ritter korrespondierte auch mit Jakob Andreae über den Tod von Flacius, vgl. Ritter, Flacii Leben, S. 324-326 mit Brief in Anm. b. - Auch an Martin Chemnitz in Braunschweig schrieb er beispielsweise am 18. Januar 1578, er freue sich sehr, daß die Konkordienformel angenommen sei, aber er bedaure, daß sie ihm noch nicht geschickt worden sei (Göttingen, SUB: 2° Cod. Ms. philos. 90, S. 551). WA.B 14, S.438, Anm. 51. Über Georg Rab, der von 1561-1580 in Frankfurt seine Druckerei betrieb, vgl. Benzing, Buchdrucker, S. 116, Nr. 11. Über Weigand Han, vgl. Benzing, a. a. O., S. 115, Nr. 7. Über Paul Reffeier, vgl. Benzing, a. a. O., S. 117, Nr. 15. Vgl. die Druckbeschreibung in der Bibliographie. Das Druckersignet auf dem Titelblatt wie am Ende ist ein Signet von Sigismund Feyerabend, vgl. Wendland, Signete, S. 131. Im Briefwechsel zwischen Chyträus und Matthias Ritter ist wiederholt von Vermittlungen zu Feyerabend die Rede. Andere Namen aus Frankfurt werden in diesem Zusammenhang nicht erwähnt. Das zeigt, daß Feyerabend der eigentliche Gesprächspartner war.

4.1 Beobachtungen zur Entstehung

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davon ausgehen, daß die verlegerischen Aktivitäten in Frankfurt in gleicher Hand lagen. Nach den guten Verkaufserfolgen mit der deutschen Fassung hatte man solche Hoffnung auch für die lateinische. Das alles scheinen uns naheliegende Folgerungen aus dem Beziehungsgeflecht der Frankfurter Druckereibetriebe zu sein. Georg Rab ist im September 1580 gestorben14. Ob darin der Grund liegt, daß die deutsche Historia von 1580, die in seiner Druckerei gedruckt wurde, bei Henning Groß und Niclas Bock in Leipzig verlegt wurde15, oder ob der Verleger Sigismund Feyerabend16 die Leipziger Buchhandlung eingesetzt hatte, läßt sich nicht mehr erkennen. In unserem Zusammenhang ist für das Verständnis der Druckvorgänge im Jahr 1578 wichtig, daß wir das Interesse der Verleger an der lateinischen Historia erkennen. 4.1.1 Das Vorwort von Matthias Ritter Chyträus hatte es durch einen Brief vom 25. Juli 1578 begrüßt17, daß der lutherische Theologe und Pfarrer Matthias Ritter das Werk mit einem Vorwort an den Leser versah18, und ihm dafür auch freie Hand gegeben. Ritter ging in diesem Text aus von dem Brauch der Alten Kirche, die christliche Lehre in kurze Symbole zusammenzufassen. Ausdrücklich erwähnt er einzeln die drei altkirchlichen Bekenntnisse. In diesen Rahmen stellt er, was Luther und Melanchthon in dem Zeitalter seiner Vorfahren als die Lehrer und von Gott gelehrten Väter im Glauben als »summa doctrinae« in der Confessio fidei Karl V. auf dem Augsburger Reichstag von 1530 übergeben hätten. Wie ein Symbolum hätten es alle Kirchen in Deutschland seither gebraucht, die der reinen Lehre des Evangeliums anhängen und von den päpstlichen

14 Vgl. Benzing, a. a. O., S. 116, Nr. 11. 15 Vgl. die Druckbeschreibung in der Bibliographie. Henning Groß druckte auch die späteren deutschen Ausgaben. Vgl. auch WA.B 14, S. 439, Anm. 62. 16 Über ihn vgl. Josef Benzing in NDB 5, S. 119. 17 Am 25. Juli (Tag des Jakobus) schrieb Chyträus an Ritten »... Mitto epistolam ad candidum lectorem, quam tuo nomine adscripto praefigi Historiae Confessionis Augustanae velim, quae isthic a Sigismundo Feierabend prelo subjecta est. In praefatione ilia, si quid displicebit, mutandum tibi liberrimo arbitrio relinquo...« (Hamburg SUB: Sup. ep. 2, 116r). Diese Wendung legt ja den Schluß nahe, daß am 25. Juli ein Text nach Frankfurt geschickt wurde, der nicht nur ein Placet in Rostock gefunden hatte, sondern dort auch noch gestaltet worden war. Nur wissen wir nicht, wie stark die Veränderungen waren, die Ritter dann eventuell noch vornahm. 18 Sein Amtsbruder Hartmann Beyer in Frankfurt war am 11. August 1577 gestorben, vgl. Schade, Westphal, S. 96. Er kam also für ein Vorwort nicht mehr in Frage. Briefe von Chyträus an Beyer sind vorhanden in Frankfurt StUB: Ms Ff. H. Beyer A 56-68. In A 60 vom August 1563 etwa bittet er Beyer um Vermittlung zu dem Verleger Johannes Oporinus in Basel. Die Korrespondenz mit Ritter setzt offensichtlich nach Beyers Tod ein.

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Irrtümern und Götzen sich abgewendet haben [ ):( 2b]19. Die Erklärung der Beratungen und Handlungen über die Religion auf dem Reichstag, wo jenes Symbolum »seu communis confessio Ecclesiarum nostrarum« behandelt und geschrieben worden sei, würde von allen frommen Anhängern des reformierten20 Glaubens dankbar angenommen. Er hebt besonders hervor, wie nahe die über die Religionsfrage streitenden Parteien sich hier gekommen seien. Er meint sogar, nie vor dem Jüngsten Gericht werde man näher an einer Einigung sein. Damit hat Ritter eine Wertung des Geschehens von Augsburg gegeben, die deutlich werden läßt, wo sein Herz theologisch schlug. Er schließt seine Sicht des Verhältnisses zwischen Luther und Melanchthon an. Ritter widerspricht der Auffassung von Erasmus, Melanchthon habe sich bemüht zusammenzuhalten, was Luther zerstört habe. Er vergleicht die Verschiedenheit ihrer Temperamente. Er erkenne beide als göttliche Werkzeuge, die für die Kirche heilsam seien. Zwar verschieden in ihren Naturen und Gaben, aber doch um den gleichen Lauf und um den einen Zielgedanken der Ehre Gottes und des Wohles der Kirchen bemüht, seien sie durch eine wunderbare Mischung verbunden. Luthers Vehemenz und Melanchthons Milde dürften nicht dahin mißverstanden werden, daß sie sachlich nicht übereingestimmt hätten in der Frömmigkeit, in der Lehre, in der Geistesschärfe, in der Richtigkeit des Urteils und der Beurteilung von Streitfragen der Glaubenslehre. Zur Zeit der Confessio sei keinerlei Meinungsverschiedenheit in irgendeinem Teil der Lehre und nicht der geringste Argwohn gewesen21. Dies werde durch die Verhandlungen und den Austausch aller Ratschläge und die Folge der ganzen Handlung bewiesen. Damit ist Ritter nun bei dem Werk des Chyträus, dem Hörer und Schüler Luthers und Melanchthons, dem Hüter der Lehre und treuen Verbreiter dieser Confessio. Ritter sagt von sich, er habe, als er vor zwei Jahren die deutsche Ausgabe dieses Werks zuerst gesehen habe, mit höchster Begierde und der Frucht des Nutzens gelesen und seither oft gewünscht, daß um der Ausländer und derjenigen willen, welche der deutschen Sprache unkundig seien, das lateinische Exemplar öffentlich gedruckt werde22. Chyträus hatte, wie wir wissen, in der Vorrede zur deutschen Fassung gesagt, er habe es vor sechs Jahren zu sammeln begonnen und anderen mitgeteilt. Damit hat Ritter seine eigene innere Beteiligung an dem Vorhaben dieses

19 Die Fundstellen im Text der lateinischen Ausgabe der Historia werden im folgenden immer in Klammern an den Text angefügt. 20 Das ist hier natürlich nicht im späteren konfessionellen Sinn zu verstehen, wenn es im Original heißt: »Non igitur dubito, gratissimam omnibus pijs in Germania & exteris nationibus pie reformatam Religionem colentibus futuram esse«. 21 »Huius certe Confessionis exhibitae tempore, nullam inter eos dissensionis de vlla doctrinae parte vel minimam suspicionem fuisse ...« [ ):( 3a]. 22 Über das lateinische Exemplar halten die Bearbeiter von CR 26, S. 105f fest: »Hic liber a plurimis viris avide lectus et in omnes Europae regiones delatus etiam in gallicum sermonem conversus est...«

4.1 Beobachtungen zur Entstehung

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Drucks deutlich zum Ausdruck gebracht23. Die Kenntnis des Inhalts sollte über die Sprachgrenzen hinaus zugänglich werden. Ritter dachte »ökumenisch«, sah die Grenzen der Kirche nicht an den Grenzen der Territorien oder des deutschen Reiches. Hier ist aber nun für ihn der Ort, auf die Drucklegung dieses Buches selbst einzugehen. Als nämlich der Drucker (Typographus noster) das Exemplar zu drucken beschlossen hätte, da habe der Autor, der durch so große Entfernung von dieser Stadt getrennt sei, keinen Widmungsbrief mehr vor der gegenwärtigen Messe an den Drucker geschickt. Vielmehr habe er vom Drucker verlangt, daß er das Manuskript an ihn zurückschicke. Da die Edition aber schon angefangen gewesen sei, hätte sie ohne Nachteil nicht mehr abgebrochen werden können. Deshalb habe Ritter einstweilen, nachdem die Dinge so standen, lieber ein Vorwort schreiben wollen, als dem frommen und lauteren Leser die Frucht dieser nützlichen und erfreulichen Lektüre vorzuenthalten24. Der Theologe nennt damit offensichtlich einen Konflikt zwischen dem Autor und dem Drucker25, aber er ergreift doch auch deutlich Partei für das sachliche Anliegen, das er vorher entfaltet hatte, nämlich sein eigenes Interesse an der öffentlichen Drucklegung. Auf den Austausch mit dem Autor, den wir dem Brief vom 25. Juli 1578 entnehmen konnten26, geht er aber überhaupt nicht mehr ein. Letzte Klarheit über das Verhältnis von Chyträus und Ritter bei diesem Text können wir nicht mit Gewißheit rekonstruieren. Wir wissen aber, daß der regelmäßige Austausch zwischen beiden in den folgenden Jahren fortgesetzt wurde. Im Rahmen seines Vorworts lenkt er die Aufmerksamkeit des Lesers ganz besonders auf die Trostbriefe Luthers, die zur Lektüre des ganzen Buches besonders einladen. Er hebt noch einmal die Absicht des Autors hervor, nur bereits gedruckte und unbezweifelbare Dokumente heranzuziehen. Und er gibt dem Buch gute Wünsche mit auf den Weg. Die Unterschrift seiner Vorrede: »Pio et candido lectori« trägt als Datum den Tag vor dem Fest Mariae Geburt (Pridie Natalis Mariae), das ist also der 7. September des Jahres 157827. 23 Wir können den Text vorerst nur so interpretieren, wie er dasteht. Sollte der Inhalt der Ritter'schen Vorrede auf die Beilage zum erwähnten Brief vom 25. Juli aus Rostock nach Frankfurt zurückgehen, könnte man erkennen, wie Chyträus denn selbst die lateinische Fassung gesehen wissen wollte. Diese Sicht von einem angesehenen Kollegen bestätigen zu lassen, wäre wenigstens auch ein wirkungsvolles Stilmittel. 24 Diese Passage ist abgedruckt in WA.B 14, S. 438, Anm. 51. 25 Dabei dürfen wir nicht übersehen, daß Chyträus am 25. August 1578 an Jacob Monau schrieb, seine Historia werde zu dieser Frankfurter Messe in Latein gedruckt. Er wußte also genau, was in Frankfurt geschah (Chytraei epistolae, S. 344). 26 Vgl. o. S. 83, Anm. 17. 27 Warum Volz und Wolgast das Vorwort auf 14. August 1578 datieren (WA.B 14, S. 438), ist nicht einzusehen. Dann hätte es lauten müssen: pridie assumptionis

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4.1.2 Die Widmung an Johann III. von Schweden Was wissen wir nun von den Reaktionen des Autors, der doch nach den Informationen des Ritter'sehen Vorworts die Drucklegung im letzten Moment verhindern wollte? Direkte Äußerungen dazu kennen wir zur Zeit nicht. Langfristig hatte er eine Widmung an den Adel Österreichs geplant28. Aber davon ist nie wieder die Rede29. Wir haben jedoch einen Brief des Rostockers an Johann III., den König von Schweden, in dem er 1579 rückblickend davon spricht, daß er die lateinische Historia, die früher nur ein Vorwort namens eines lauteren Lesers gehabt habe, nun der königlichen Majestät selbst einschreiben und widmen wolle, damit sie von der Nachwelt so gelesen werde. Vorher jedoch fragt er beim König an, ob die Dedikationsepistel auch die Zustimmung des Adressaten finde oder ob Veränderung gewünscht werde. Dieser Brief aus dem Jahr 157930 läßt darauf schließen, daß eine Neuauflage geplant war. Unwillige oder kritische Äußerungen zur Frankfurter Edition von 1578 enthält er nicht. Den gleichen Sachverhalt der geplanten Dedikation an den schwedischen König behandelt Chyträus in einem undatierten Brief an Ericus Matthaeus, einen Sekretär des Königs von Schweden31. Da die lateinische Ausgabe der Historia in erster Auflage ausverkauft sei und nun eine zweite im Erscheinen begriffen sei, wolle er die Widmung einbringen. Er sandte den Text des geplanten Vorworts durch einen Boten nach Schweden. Sein Neffe David32, der Sohn seines Bruders33, dessen jugendlicher Wunsch es war, Schweden zu sehen, brachte den Text zu Ericus Matthaeus mit der Bitte

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Mariae. Sie wollten wohl ein Datum nennen, das vor Beginn der Herbstmesse lag, für die sie die Zeit vom 29. August bis 8. September angeben. Aber Ritter schreibt ja in seinem Vorwort auch von der »gegenwärtigen Messe«, vor welcher Chyträus sein Vorwort habe schicken sollen. Ritter unterschrieb zum letztmöglichen Zeitpunkt. (Zum Termin der Frankfurter Herbstmesse vgl. Schade, Westphal, S. 156.) Im Anm. 17 zitierten Brief vom 25. Juli 1578 schrieb er weiter: »... Decreueram Austriacis proceribus librum inscribere, ut Germanicum editionem Stiriacis dedieavi. Sed praefatio primum illis mittenda esset, ne forte cum gratissima me dicere existimarem, maxime offenderem. Sed jam recteque pio et candido lectori dedari judico. Te igitur oro, ut nomen tuum non gravate adjungi patiaris ...« Möglicherweise wurde die Anfrage in Österreich, von der er an Ritter geschrieben hatte, negativ beantwortet. Chytraei epistolae, S. 78f. Diese Stellung von Ericus Matthaeus ergibt sich aus dem Brief vom 24. März 1580 an den König (Chytraei epistolae, S. 333). Über ihn ist in den üblichen Lexika nichts bekannt. Auch Lehsten, Genealogie, S. l'50f kennt ihn nicht. Nathan Chyträus (1543-1598), vgl. ADB 4, S. 256. Er hatte ebenfalls in Rostock eine Professur für lateinische Sprache, mußte aber später Rostock wegen seiner Hinwendung zum Calvinismus verlassen und ging nach Bremen, vgl. Krabbe, Rostock, S. 727-731.

4.1 Beobachtungen zur Entstehung

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u m Vermittlung an den König 34 . Tatsächlich erschien im Jahr 1579 auch eine neue Auflage des Werkes beim gleichen Drucker. Sie ist nur eine Titelauflage. Lediglich Titelblatt und Vorwort wurden neu gesetzt, während der Buchblock völlig unverändert blieb und mit der ersten Auflage übereinstimmt, bis hin z u m unveränderten Druckersignet mit Jahreszahl 1578 [!] am Ende 35 . Hier finden wir statt des Vorworts von Matthias Ritter die Widmung an den schwedischen König 3 6 . Die Widmung an Johann III. von Schweden ist in einer weiteren Auflage dann mit d e m Vorwort von Matthias Ritter kombiniert worden. Acht Jahre später, 1587, erschien nämlich die lateinische Ausgabe erneut in Frankfurt unter abgewandeltem Titel 37 : »Expositio actorum de religione in comitiis anno M D X X X Augustae celebratis ,..« 38 . Das einzige bekannte Exemplar dieses Druckes 39 hat im Gegensatz zur lateinischen Historia von 1578 keine Druckerangabe am Schluß des Bandes. Aber es trägt wie diese ein Druckersignet auf der Titelseite und den Druckort Frankfurt am Main mit dem Erscheinungsjahr. Das Druckersignet erlaubt uns den Schluß, daß auch dieser Band bei Sigismund Feyerabend verlegt wurde 40 . Eigentlich kann man diesen Neudruck, der

34 Der Brief ist zwar undatiert, gehört aber doch aller Wahrscheinlichkeit nach in diesen Zusammenhang: Chytraei epistolae, S. 1088-1090. 35 Vgl. die Druckbeschreibung zu Historia (lat.) 1579 in der Bibliographie. Leider gibt WA.B 14, S. 614 die falsche Information: »Nur Neusatz des Titelblattes«, während der ganze erste Druckbogen neu gesetzt wurde. Auch das Vorwort von Matthias Ritter war in der neuen Auflage ersetzt worden. 36 Historia (lat.) 1579, Bl.):( 2a - ):( 4b. Auch in einem Brief an Matthias Ritter, der leider keine Jahreszahl trägt, ist von dieser geplanten Neuveröffentlichung mit der Vorrede an den König im Verlag von Feyerabend die Rede (Hamburg SUB: Sup. ep. 2, 123v). 37 Bereits im Februar 1580 erörterte Chyträus in einem Brief an Matthias Ritter Möglichkeiten eines Neudrucks. Hier lesen wir auch: »... Typographo alioquin libenter gratificabor mutato tituli ut prioris editionis exemplaria vendere facilius possit. Nec novam illam dedicationem impedivi existimo, etiamsi tua ad candidum lectorem epistola conjuncta maneat, qua de re tota tuo arbitrio constitues et prima occasione rescribes ...« (Hamburg SUB: Sup. ep. 2, 131v). 38 Vgl. die Druckbeschreibung in der Bibliographie und o. S. 31f, mit Anm. 87-91. 39 Es befindet sich in der Universitätsbibliothek in Kiel. Für die Hilfe bei der Beschaffung einer Filmaufnahme sowie für Unterstützung bei der Verifizierung des vollen Titels danke ich Frau Dr. Else M. Wischermann von der UB Kiel. 40 Bei Wendland, Signete, S. 131-140, werden die Signete dieses Frankfurter Verlegers vorgestellt und besprochen. Weder das Signet von 1578 (vgl. o. S. 82, Anm. 13), noch das von 1587 findet sich hier in genau der Form, die auf den Titelblättern vorliegt. Aber beiden Signeten ist doch gemeinsam, daß sie als Motiv eine geflügelte Fama vor einer Landschaft im Oval mit Eckornamenten darstellen. Da Feyerabend eine sehr große Zahl von Signeten führte, wozu noch die Allianzsignete für die Produkte aus gemeinsamer Arbeit mit anderen Druckereien kommen, kann man verstehen, daß unsere beiden Signete nicht genau enthalten sind. Wendland resümiert: »Beherrschendes Motiv fast aller Signete ist die geflü-

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4 Der lateinische Text der Historia

im gesamten Buchblock mit den Ausgaben von 1578 und 1579 übereinstimmt, als reine Titelauflage der lateinischen Historia ansehen41. Das gibt uns das Recht, auch diesen Druck ohne Abstriche bei der einen lateinischen Historia implizit mitzubehandeln. Wir können uns also ganz der erwähnten Vorrede des Verfassers an Johann III. von Schweden zuwenden42. Nach allgemeinen Einleitungsbemerkungen über die Bedeutung der von Gott gegebenen königlichen Majestät rühmt er den Vater Johanns III., den König Gustav Wasa, der die evangelische Lehre angenommen habe und Sorge getragen habe, diese Lehre an die Nachkommen weiterzugeben43. Er habe es eine seiner vornehmsten Sorgen sein lassen, die Kirche Gottes zu begünstigen und auszurüsten und die wahre Lehre von Gott zu kennen und bekanntzumachen, welches das vornehmste und eigene Erbteil der Kirche Gottes und der allerkostbarste Schatz des Menschengeschlechts sei. Chyträus erörtert die Prinzipien solcher Erkenntnis der ewigen Lehre (aeterna doctrina), welche in gewissen Büchern (libris certis) von Propheten und Aposteln beschrieben und durch die Zeugnisse berühmter Wunder bestätigt worden seien. Diese Lehre sei das einzige und unerschütterliche Fundament des ganzen christlichen Glaubens und unseres Heils und die einzige Regel und Norm, an welche alle unsere Erkenntnisse über Gott und der Glaube und der Gehorsam gegen Gott im ganzen Leben anzupassen und auf welche hin sie auszurichten seien. Und wieder hebt er hervor, wie Gustav Wasa dazu in seinem Königreich beigetragen habe. Dieser habe festgestellt, daß die Lehre vom ewigen Heil, deren wichtigste Artikel, die kurze und kraftvolle Summa, aus den klarsten Quellen des göttlichen Wortes fromm und gelehrt in der Confessio zusammengefaßt seien, die zu Augsburg im Jahr 1530 Kaiser Karl V. vorgelegt wurde. Alle Frommen wünschten von Herzen und würden sich freuen, wenn Johann III. in diesem christlichen Bekenntnis seines löblichen und besten königlichen Vaters und in einer diesem ähnlichen Gottesverehrung standhaft beharre und in den anderen Tugenden des Vaters, die eines christlichen und löblichen Königs würdig seien, ihm gewissenhaft folge. Sie würden den ewigen Gott bitten, den Vater des Herrn Jesus Christus, den Gründer und Bewahrer der Reiche, und den, der auch Königen diene, er möge den Willen, die Beratungen und Taten des Königs so lenken, daß sie zur ewigen Ehre des Königs Christus und zum

gelte Fama, die Symbolgestalt des Gerüchts, der Sage, der Geschichte, die zumeist mit trompetenartigen Blasinstrumenten dargestellt wird.« (a. a. Ο., S. 131). 41 Der gesamte. Buchblock stimmt im Satz mit den Auflagen von 1578 und 1579 völlig überein. Lediglich der erste Bogen wurde neu gesetzt und vereint nun nebeneinander die Widmung an den schwedischen König und das Vorwort von Matthias Ritter. Ein Druckersignet am Ende fehlt. (Wir dürfen aber für die Beurteilung des Signets nicht vergessen, daß dies das einzige bekannte Exemplar ist.) 42 Wir zitieren die Vorrede an Johann III. von Schweden nach den beiden lateinischen Ausgaben. 43 Historia (lat.) 1579, Bl.):( 2b. Expositio, Bl.)( 2a.

4.1 Beobachtungen zur Entstehung

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Heil seiner Kirche und aller Untergebenen und zur Verteidigung und heilsamen Verbreitung der Lehre, die in dieser Confessio vorgelegt ist, dienen 44 . Chyträus hebt die Tradition der im schwedischen Reich zusammengefaßten Völker hervor. Ihnen will er zur wahren Gottesverehrung helfen. Zur Bewahrung der Gewißheit in ihrer Religion soll seine Darstellung der Vorgänge von Augsburg 1530 dienen, wo er den Bitten und dem Wunsch vieler frommer Menschen zum Teil nachgekommen sei und die ganze Reihe der Geschehnisse dargestellt und sich bemüht habe, sie in diesem Buch treu zu rezitieren: Von den Anfängen der Confessio Augustana, wie sie zuerst behandelt und zusammengestellt und wie sie dem Kaiser Karl V. öffentlich übergeben wurde. Und welche Verhandlungen und Aktionen über die Glaubensfrage auf jenem ganzen Reichstag die wichtigsten waren. Er habe dies Buch der königlichen Majestät und den Kirchen seines Reichs namentlich widmen wollen, nicht nur als Zeichen seiner Verehrung und seiner Liebe zu den Kirchen des schwedischen Reiches, sondern es solle in Wahrheit als ein Zeugnis des Wunsches und der Bitte aller Frommen öffentlich hervortreten, des Wunsches nach Übereinstimmung und Eintracht mit den Kirchen, die jener Confessio folgen. Und er bittet den König, dies sein Zeugnis freundlich aufzunehmen. Chyträus hat also seine Widmung als ein Zeugnis für die Einheit der Kirchen Augsburgischer Konfession verstanden wissen wollen. Mit seinem Vorwort stellt er seine Historia in den Dienst dieses Zweckes und benennt sie als Hilfe zur Bewahrung der Kirchen im rechten Bekenntnis. Über die Besonderheit der lateinischen Historia im Unterschied etwa zu der deutschen sagt er in dieser Widmung nichts, auch nichts mehr über die Mißstimmungen bei der ersten Drucklegung der lateinischen Form. Er wiederholt, daß er auf Drängen von frommen Freunden an diese Arbeit gegangen sei. Die Vorrede an den Leser, die von Matthias Ritter verfaßt worden war, wird in der Ausgabe von 1587 neben der Widmung gedruckt. Sie mußte lediglich mit kleineren Typen neu gesetzt werden, damit Widmung und Vorwort beide auf einem Druckbogen unterkommen konnten. Fragt man inhaltlich nach der Bedeutung dieser Widmung, so ergeben sich daraus einige Gesichtspunkte, die wir festhalten müssen. Die Aussagen, die hier gemacht werden, sind sehr grundsätzlicher Art. Die Confessio Augustana wird in den Rahmen der rechten doctrina gestellt. Das alles geschieht in auffälliger Deutlichkeit unter Rückgriff auf die Fundamentalartikel evangelischen Glaubens. Ebenso stechen ins Auge das große, breit angelegte Lob für Gustav Wasa und die daraus resultierenden Verpflichtungen für Johann III. Wenn man diese Widmung liest, dann versteht man gut, warum der Autor sich beim Adressaten vorab ausdrücklich seiner Zustimmung vergewissern wollte, ob ihm jene Form der Dedikation gefiele, und warum er ausdrücklich versichern

44 Historia (lat.) 1579, B l . ) : ( 3b. Expositio, B l . ) ( 2b.

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mußte, niemand kenne das Werk in Schweden, außer den königlichen Ministern, welchen er es zu geben angeordnet habe. In bester Absicht, wie sie die Erklärung seiner Ergebenheit gegenüber der königlichen Majestät zeige, aber in Zurückweisung von Johanns III. unbilligem »Romanisieren« (romusculos iniquiores), das in ganz Deutschland bekannt sei, habe er diese Dedikation eingesetzt, Gott wisse es. Namentlich auch der Königin und dem Sohn Johanns will er je ein Exemplar schicken45. Was man hier liest, erhält seine Konturen, wenn man sich vor Augen führt, daß Johann III. von Schweden, der mit einer polnischen katholischen Frau verheiratet war, persönlich auf Betreiben von Antonio Possevino nahe an den Übertritt zum katholischen Glauben geführt wurde46. Auch sein Sohn Sigismund III. war katholisch. Johann versuchte, die »melanchthonisch-lutherische« Kirche seines Landes »in erasmisch-reformkatholischem Sinne umzugestalten«. »Johann wollte die Liturgie der röm. Messe annähern und die Patristik als Norm aufstellen, um die Einheit der Kirche wiederherstellen zu können. In dieser Absicht nahm er die Beziehungen zu Rom wieder auf.« 47 Chyträus traf also mit seinem Vorwort tatsächlich in einen Kampf der schwedischen Kirche, der in jenen Jahren geführt wurde48. Seine Beziehungen zum schwedischen König waren älter49. Er hatte dem Monarchen bereits im Juli 1576 seine deutsche Historia geschenkt50. Die Dedikation wollte also eine bewußte Stützung

45 46 47 48 49

Chytraei epistolae, S. 79. Vgl. H. Wolter, Possevino, in: LThK 8, Sp. 640. S. Göransson, Schweden I, in: RGG 5, Sp. 1594. Vgl. auch Krabbe, Chyträus, S. 287. Chyträus hat die Vorgänge in Schweden schon länger beobachtet, denn 1574 schrieb er bereits seinen Rostocker Kollegen aus Graz: »Ex Suecia legatus Roma missus est declaräde erga sede Romanam obedientiae causa, de quo multus sermo in hac vrbe & magna admiratio fuit. Existimo autem solius Reginae legatum fuisse.« (Chytraei epistolae, S. 323). Im gleichen Jahr schrieb er an Georg von Gera nach Schweden und nahm zur Neuordnung der Kirche dort Stellung (Chytraei epistolae, S. 192-197), vgl. auch Krabbe, Chyträus, S. 287. Er wußte also, wie er Johann III. und seine Haltung in Glaubensfragen einzuschätzen hatte, bevor er ihm die deutsche Historia schickte. 50 Das Widmungsexemplar an den König befindet sich in der UB Lund. Es ist in einen Ganzlederband gebunden. Auf der Vorderseite steht in Lederplastik: »IohannesIII. Rex Sveciae Gothorum et Vandalorum C B S Anno 1576«. Auf dem Vorsatzblatt hat Chyträus mit großen Buchstaben geschrieben: »Inclyto & Invictissimo Principi et Domino D. Iohanni III nobilissimarum et vetustissimarum Gentium, Suecorum, Gothorum & Vandalorum Regi etc. Domino clementissimo, felicem et tranquillam gubernationem, et praesentem ac aeternam salutem a Deo, qui dat salutem Regibus, precatur David Chytraeus«. (Für diese Nachforschungen in Lund, um die ich gebeten hatte, danke ich Herrn Professor Dr. Bengt Hägglund, Lund). Vgl. Brief an Johann III. in Chytraei epistolae, S. 1123-1125.

4.2 Der Textbestand

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des in Gefahr geratenen schwedischen Luthertums sein51. Freilich hat der Wortlaut der Widmung nur einen Sinn, wenn zu diesem Zeitpunkt die Gefahr des Glaubenswechsels beim König noch nicht oder nicht mehr bestand. Aber nicht nur die schwedische Kirche hatte Chyträus im Auge, sondern auch andere Gebiete, nicht zuletzt römische Theologen, für welche die lateinische Historia ihre eigene Bedeutung haben sollte52.

4.2 Der Textbestand 4.2.1 Sondergut in der Darstellung des Reichstagsgeschehens Auch wenn wir die Eigenständigkeit des deutschen gegenüber dem lateinischen Text betonen, so darf doch eigentlich kein Zweifel über die trotzdem sehr enge Zusammengehörigkeit beider Fassungen aufkommen. Es kann deshalb im Rahmen unserer Untersuchung nicht darum gehen, den Inhalt der lateinischen Fassung in gleicher Breite und Gründlichkeit zu untersuchen, wie dies für die deutsche allerdings notwendig war. Wir greifen hier vielmehr nur diejenigen Aspekte heraus, die den Eigenwert der lateinischen Fassung aufzeigen. Unter ganz bestimmter Fragestellung mit Blick auf die Überlieferung von Luther-Briefen ist das schon einmal getan worden53. Chyträus selbst hat in der deutschen Fassung von 1580 übrigens auch den Leser auf Stellen seiner lateinischen Historia hingewiesen, an denen mehr zu finden ist als im deutschen Text. Das geschah bei dem Gedicht von Georg Sabinus über eine Naturerscheinung bei Speyer54. Das geschah ebenso, wenn auch nicht ganz so ein-

51 Bei der Konsolidierung des Luthertums nach Johanns Tod auf der Synode zu Uppsala 1593 sollte dann auch tatsächlich die CA invariata mit den altkirchlichen Symbolen zusammen den Bekenntnisstand bestimmen, vgl. Lindhardt, Skandinavische Kirchengeschichte, S. 281. 52 Nach katholischer Überlieferung soll Antonio Possevino, einem päpstlichen Diplomaten aus dem Jesuitenorden, zwar die Rückführung des Königs Johann ΠΙ. von Schweden zur katholischen Kirche gelungen sein, vgl. LThK 8, Sp. 640. In Wirklichkeit haben jedoch sein Wankelmut und außenpolitische Rücksichten dazu geführt, daß Johann 1580 die Verbindung mit Rom abbrach, vgl. Lindhardt, Skandinavische Kirchengeschichte, S. 281. Mit Possevino führte Chyträus wegen der Frage der Lehriibereinstimmung des Patriarchen von Konstantinopel mit der Confessio Augustana nach 1583 einen theologischen Disput, vgl. Wendebourg, Reformation, S. 388, Anm. 25. 53 Vgl. WA.B 14, S. 614f. 54 Historia, Frankfurt 1580, Bl. 161a: »... hat Georgius Sabinus mit schonen Lateinischen Versen beschrieben / welche ich im Lateinischen Exemplar dieser Acten gesetzt hab.« Die Fundstelle dafür in der lateinischen Historia ist S. 218-220, vgl. o. S. 57, Anm. 151. Über das Gedicht von Sabinus vgl. MSA7/2, S. 315, Nr. 236.

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deutig beim Hinweis auf die Apologie der Confessio Augustana, die in den deutschen Ausgaben ja fehlt, worüber im Quellenverzeichnis mit Hinweis auf das lateinische Exemplar Auskunft gegeben wird55. Einem weiteren Hinweis in diesem Quellenverzeichnis nachzugehen, erfordert schon mehr Spürsinn. Chyträus betonte, er habe nur glaubwürdige und bereits gedruckte Briefe für seine Darstellung verwendet. Er habe jedoch »mit Fleiß« die Briefe an Campeggio, Tiepolo, an den Bischof von Augsburg und an den Kanzler des Kardinals von Lüttich ausgelassen, weil Melanchthon »selbst derselben nit aller ding gestendig gewesen«56. Chyträus gibt damit selbst eine Aufgabe an die Hand. Im Vergleich zwischen lateinischer und deutscher Historia ergibt sich, daß der Briefwechsel zwischen Erasmus von Rotterdam und Campeggio einerseits und die zugehörigen Briefe, welche sie mit Melanchthon ausgetauscht haben, in der lateinischen Fassung dennoch vorliegen57. Chyträus überschreibt diese Texte: »Capita deliberationis Erasmi Roterodami...« Erasmus hatte im August 1530 an Campeggio geschrieben58 und sich weitgehend für eine tolerante Haltung eingesetzt. Er hoffte, auf diese Weise Kriegsgefahr abwenden zu können. Diesen Brief59 und einen weiteren, einen Monat später an Campeggio gerichteten60 bietet Chyträus an erster Stelle (S. 157-160). Es folgt Melanchthons Brief an den Humanistenkönig vom 1. August (S. 160)61, in welchem der Verhandlungsführer der evangelischen Theologen in Augsburg positiv auf die vermittelnden Bemühungen des in Freiburg lebenden Adressaten eingeht. Dem schließt sich ein Brief des Erasmus an Melanchthon an, in welchem dargelegt und geklärt wird, daß er nicht an den Kaiser, sondern nur an Campeggio und den Bischof von Augsburg geschrieben habe (S. 161 )62. Bei den Briefen folgt jetzt wieder ein chronolo-

55 Historia, Frankfurt 1580, Bl. 379a: »Die allererste Lateinische Apologia aber / eben wie sie auff dem Reichßtag zu Augsburg kurtz vnd eyngezogen gestellet / vnd dem Kaiser angeboten / wiewol nit angenommen ist / Hab ich gantz neuwlich bekommen / Die ich / so mir Gott das Leben verleihet / im Lateinischen Exemplar dem Christlichen Leser mit der zeit neben andern guten vnd nutzlichen Schrifften / so noch nicht in Teutsche Sprach gebracht sind / mitzutheilen bedacht bin.« In der lateinischen Historia findet sich die Apologie auf S. 335-368. 56 Historia, Frankfurt 1580, Bl. 379b, vgl. aber auch Bl. 221 a-b und in unserer Darstellung oben S. 67, Anm. 215. 57 Historia (lat.), S. 157-166. 58 Vgl. Augustijn, Humanisten, S.48 und Müller, Kurie, S. 109, Anm. 116. 59 Brief vom 18. 8. 1530 (nicht wie Chyträus angibt 10. 8.) in: Allen, Ep. Erasmi, S. 13-15, Nr. 2366. Wie aus der bei Chyträus übergangenen Einleitung des Briefs hervorgeht, hatte der Bischof von Augsburg den Humanistenkönig um dieses Votum gebeten. 60 Brief vom Ende November 1530 (nicht wie Chyträus angibt: uno mense post) in: Allen, Ep. Erasmi, S. 91f, Nr. 2411. 61 Text in MSA 7/2, S. 243-245, Nr. 198, vgl. MBW 1, S. 417f, Nr. 1004. 62 Brief vom 2. 8. 1530, in: Allen, Ep. Erasmi, S. 2f, vgl. MBW 1, S. 418f, Nr. 1007.

4.2 Der Textbestand

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gischer Rückschritt, indem Chyträus als nächsten Text einen Brief Melanchthons an Luther samt Beilage vorlegt (S. 161-163) 63 . Melanchthon berichtet hier nach Coburg, daß Eck dem Kaiser die Confutatio überreicht habe 64 und daß Zwingli seine »Fidei ratio« überreicht habe65. Außerdem fügt er fünf Fragen bei, welche die »traditiones ecclesiasticae« betreffen. Er bittet um Beantwortung der Probleme, die »gute Werke« und die Notwendigkeit von »Gottesdienst« (cultus) betreffen. An dritter Stelle erfragt er, wie es mit den menschlichen Ordnungen im kirchlichen Leben gehalten werden solle, wovon er an vierter und fünfter Stelle noch einmal Spezialfragen aufgreift. Es geht also um die Frage, ob menschliche Traditionen die Qualität von Heilsnotwendigkeit erhalten können und ob sie bindend für die Gewissen sein dürfen. Luther beantwortete diese Fragen mit einem Brief vom 21. Juli (S. 163-166) 66 . Luthers Antwort greift grundsätzlicher als Melanchthons Fragen und erörtert mit der Zweireichelehre die Tennung von kirchlichem und weltlichem Amt der Bischöfe. Mit dieser Differenzierung seien die Traditionen zu prüfen, welche die Bischöfe setzen. Luther äußert allerdings auch sein Mißfallen: »Quare velim te paulo quietori animo esse ...« Die unnützen Fragen würden ihn in seiner Einsamkeit ermüden 67 . Damit ist der Einschub in der lateinischen Ausgabe beendet. Der Faden wird nun fortgeführt wie in der deutschen Fassung 68 . Was mag dahinterstehen? Greifen wir die erwähnte Bemerkung von Chyträus aus dem Quellenverzeichnis auf, so müssen wir noch fragen, was mit dem Brief an Tiepolo gemeint sein kann? Aus Venedig hatte Lucio Paolo Roselli am 1. August 1530 an Melanchthon in Augsburg geschrieben 69 , daß Tiepolo von den Kontakten zwischen Campeggio und Melanchthon wisse. Roselli erbat ein Dementi von dem Führer der evangelischen Theologen in Augsburg. In Wirklichkeit hatte Melanchthon nicht an Tiepolo geschrieben. Das bekanntgewordene Dokument war Melanchthons Brief an Campeggio vom 4. Juli 153070. Melanchthon mußte 1556 in einem Brief an Matthias Flacius ausdrücklich dementieren 71 , an Tie-

63 Der Brief vom 14. Juli 1530 findet sich in bester Edition in MSA7/2, S. 2 1 5 217, Nr. 184, vgl. MBW 1, S. 405, Nr. 970. Nur in WA.B 5, S. 475^178, Nr. 1646 ist auch die Beilage mit abgedruckt. 64 Vgl. MSA 7/2, S. 216, Anm. 5. 65 Vgl. MSA 7/2, S. 216, Anm. 7. In der deutschen Ausgabe war Zwingiis »Fidei ratio« überhaupt nicht vorgekommen, vgl. o. S. 78, Anm. 297. 66 Der Brief findet sich in WA.B 5, S. 491^195, Nr. 1656 mit 13, S. 164f, vgl. MBW 1, S. 411, Nr. 986. 67 Zum Verhältnis zwischen Luther und Melanchthon in jener Zeit vgl. Scheible, Reichstag, bes. S. 42. 68 Vgl. o. S. 54, Anm. 129. 69 Vgl. MBW 1, S. 418, Nr. 1006. 70 Text in MSA 7/2, S. 194-199, Nr. 175, vgl. MBW 1, S. 399, Nr. 952. 71 Vgl. MSA 7/2, S. 198f mit Anm. 11.

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4 Der lateinische Text der Historia

polo geschrieben zu haben. Allerdings hatte auch Flacius diesen umstrittenen Brief als Schandfleck zugunsten des sonst von ihm hart angegriffenen Präzeptors ausdrücklich nicht zur Publikation freigegeben72. Melanchthon selbst hatte seinen Brief an den päpstlichen Legaten freilich auch schon Luther gegenüber verschwiegen73. Damit war die Begegnung zwischen dem Wortführer der evangelischen Theologen und dem federführenden Vertreter der Kurie am 5. Juli eingeleitet worden74. Campeggio hat jedoch Sonderverhandlungen mit Melanchthon nicht weitergeführt. Diese ganze Episode auf dem Reichstag hat Chyträus in seiner deutschen Historia ausgeblendet, weil sie geeignet gewesen wäre, das von ihm dargestellte Bild vom guten Einvernehmen zwischen Melanchthon und Luther zu erschüttern und weil sie zudem im Rückblick auch nur als fruchtlose Episode erscheinen konnte, die keinerlei Auswirkung auf die Ereignisse hatte, die geschichtswirksam werden sollten. Es bleibt abschließend nachzutragen, was sich hinter der Erwähnung des Bischofs von Augsburg und des Kanzlers aus Lüttich verbirgt. Der Bischof von Augsburg, Christoph von Stadion, ein erasmisch gesinnter Vertreter der Vermittlungspartei75, ist es gewesen, der den Briefwechsel mit Erasmus überhaupt eingeleitet hatte76. Melanchthon hatte ihm am 13. August einen Dankbrief77 geschrieben, in dem er sehr deutlich seine Bereitschaft zur Rückkehr unter die bischöfliche Jurisdiktion unterstrichen hatte. Auch dies Bemühen war erfolglos geblieben. Ebenso in diesen Zusammenhang von besonderen Friedensbemühungen in Augsburg gehören Melanchthons Kontakte mit Aegidius von Plackery, dem Kanzler des Bischofs Eberhard von Lüttich, in Augsburg78. Otto Beckmann hatte zwischen beiden in Augsburg zu vermitteln versucht. Sein Anliegen war dabei wie bei Erasmus die Verhinderung eines Krieges. Ein ähnlicher Fall von bewußter Kürzung in der deutschen Fassung liegt vor, wenn Chyträus die aus Nürnberg kommende Kritik an Melanchthons Bereitschaft zur Rückkehr unter die bischöfliche Jurisdiktion und an seinen Friedensbemühungen übergeht79, worauf er in der lateinischen Historia ausdrücklich begründend eingeht (S. 304). Er habe diese Briefe dann nicht aufgenommen, wenn sie nicht in den bewährten Briefeditionen bereits enthalten seien. Immerhin bietet die lateinische Historia an dieser Stelle Dokumente, welche in der deutschen fehlen (S. 304-310). An erster Stelle finden wir Briefe Me-

72 73 74 75 76 77 78 79

Vgl. Vgl. Vgl. Vgl. Vgl. Text Vgl. Vgl.

Preger, Flacius 2, S. 25f. MSA7/2, S. 198, Anm. 10. Müller, Kurie, S. 103. Müller, Kurie, S. 101, Anm. 62 und MSA 7/2, S. 259, Anm. 2. o. S. 92, Anm. 59. in MSA 7/2, S. 258-264, Nr. 206, vgl. MBW 1, S. 424, Nr. 1022. MBW 1, S. 438-440, Nr. 1062f, Nr. 1605. o. S. 68 mit Anm. 220.

4.2 Der Textbestand

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lanchthons an Camerarius80 (S. 304-306). Der Präzeptor berichtet seinem Freund in Nürnberg von einer scharfen Stellungnahme Hieronymus Baumgartners ihm gegenüber81. Aber Melanchthon muß auch dem Freund gegenüber seine Haltung bei den Verhandlungen verteidigen82. Luther auf der Coburg erhielt in jenen Tagen nach dem Abschluß der Verhandlungen des Sechserausschusses auch Bericht von Augsburg (S. 306)83. Auch hier berichtet Melanchthon vom Haß der Nürnberger. Camerarius, der in Nürnberg war, wollte auch von anderer Seite darüber hören und schrieb an Johann Agricola mit der Bitte um Aufklärung84 (S. 307). Der Vorwurf gegen Melanchthon wird auch aus einem Brief des Ansbacher Humanisten Vincentius Obsopoeus an Camerarius deutlich85 (S. 308). Chyträus fügt dies Dokument, das als Anlage zum Brief an Agricola zu verstehen ist, hier mit an86, bevor er nun Melanchthons Antworten an Camerarius vorlegt (S. 309). Er bietet aus den beiden Briefen von Augsburg nach Nürnberg nur diejenigen Abschnitte, welche auf das Problem der Verhandlungen in Augsburg eingehen, zunächst ein Stück, in welchem Melanchthon den Nürnbergern vorwirft, sie seien nur Lutheraner, um dem Druck der bischöflichen Gewalt zu entgehen87. Auch das zweite Votum ist ein Ausschnitt, in welchem sich Melanchthon scharf mit den aus Nürnberg kommenden Vorwürfen auseinandersetzt88. Schließlich liest man einen Brief des Erasmus Ebner aus Augsburg an seinen Vater Hieronymus Ebner, den Ratsherrn in Nürnberg89 (S. 310). Hier nahm der angegriffene Melanchthon selbst unter dem Schutz des fremden Namens Gelegenheit, seine Haltung zu

80 Der Text des Briefes vom 29.8. 1530 findet sich in MSA7/2, S. 279-281, Nr. 217, vgl. MBW 1, S. 434, Nr. 1052. Der Text des Briefes vom 31. 8. 1530 in MSA 7/2, S. 281-284, Nr. 218, vgl. MBW 1, S. 434f, Nr. 1053. 81 Vgl. MSA 7/2, S. 280, Anm. 5. 82 So im zweiten Brief. 83 Brief Melanchthons an Luther vom 1. September 1530, in MSA 7/2, S. 287f, Nr. 221, vgl. MBW 1, S. 436, Nr. 1088. 84 Der Text vom 30. 8. 1530 findet sich in CR 2, Sp. 331f, Nr. 876. Einen Auszug aus dem Brief bietet MSA 7/2, S. 281f, Anm. 1. 85 Der Text findet sich (als Anhang zum vorigen) in CR 2, Sp. 332f, vgl. MSA 7/2, S. 287f, Anm. 4. 86 Diesen Brief schickte Camerarius zusammen mit seinem Brief an Johann Agricola. Chyträus macht dies durch eine Bemerkung auf S. 306 unten deutlich. Diese Bemerkung hätte wohl eigentlich auf S. 308 unten stehen müssen, wo allerdings kein Raum frei war. 87 Aus dem Brief vom 5. Sept. 1530 an Camerarius, MSA 7/2, S. 292-294, Nr. 225, Zeile 13-29, vgl. MBW 1, S.439, Nr. 1064 [2], 88 Aus dem Brief vom 10. September an Camerarius, MSA 7/2, S. 296f, Nr. 227, Zeile 16-34, vgl. MBW 1, S. 441f, Nr. 1071 [2+3], 89 Dieser Brief vom 10. September 1530, den Melanchthon geschrieben hat, wie aus dem vorangegangenen Schreiben an Camerarius hervorgeht (MSA 7/2, S. 297, 24f), findet sich in MSA 7/2, S. 298f, Nr. 228, vgl. MBW 1, S. 443, Nr. 1074.

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verteidigen und das Gerede über ihn zurückzuweisen. Im Anschluß an dieses Dokument schafft der Chronist Chyträus den Übergang. Luther habe von diesen Friedensbemühungen verschiedene Mitteilungen erhalten und mit dem folgenden Brief an Justus Jonas (der sich auch im deutschen Text der Historia findet90) befohlen, diese Handlungen abzubrechen. Es schließt sich ein Kreis. Chyträus hatte ausdrücklich geschrieben, er habe die Denkschrift der Nürnberger zu den Ausgleichsverhandlungen von Erasmus Ebner erhalten91. Wahrscheinlich stammen die hier in der lateinischen Ausgabe aufgeführten Briefe zur Korrespondenz Melanchthons mit den Nürnberger Kritikern aus der gleichen Quelle92. Das erklärt, warum diese Texte wie die Denkschrift der Nürnberger in den ersten beiden Drucken der deutschen Historia fehlten93. Der Vergleich mit dem deutschen Text von 1580 muß aber noch weiter bedacht werden. Im Jahr 1580 kannte Chyträus sämtliche Texte aus Nürnberg. Er beschränkte sich jedoch auf den Abdruck der Denkschrift der Nürnberger und fügte lediglich einen Brief Luthers an Lazarus Spengler an, in welchem der in Coburg weilende Reformator dem Nürnberger Ratsschreiber den Erhalt der auch an ihn geschickten Denkschrift bestätigte94. Chyträus überging in seiner deutschen Ausgabe die ganze kritische Auseinandersetzung mit Melanchthon und setzte an die Stelle lediglich den beruhigenden und begütigenden Brief Luthers an Spengler93. Sollte das nur daran liegen, daß jene Briefe damals nicht schon öffentlich gedruckt vorlagen, so daß Chyträus mit diesem seinem Formalkriterium Anlaß hatte, sie auszulassen? Dies wäre eine Lösung, die Gründe für sich hätte. Aber das Bild von Melanchthon, an dem ihm so viel gelegen war, wäre dadurch ein anderes geworden. Melanchthons eigene Wege hätten das Bild von der schönen Einigkeit mit Luther nicht ungetrübt stehen lassen. Sollte es deshalb nicht Chyträus sehr gelegen gekommen sein, daß er diese unsicheren Schriften auslassen konnte? Mehr als das Problem zu markieren, ist heute nicht mehr möglich, weil wir kein Material besitzen, aus dem eine These zu begründen wäre.

90 Vgl. o. S.68, Anm.221. 91 Vgl. Historia, Frankfurt 1580, Bl. 379a. 92 Chyträus war Ebner 1576 bei den Beratungen zur Gründung der Universität Helmstedt begegnet, vgl. Baumgart, Chyträus, S. 50, und Oslander GA 4, S. 143. Daß diese Begegnung für seine Textsammlung so wichtig war, geht aus seiner Verteidigung gegenüber den Vorwürfen von Cölestin im Schreiben an Paul Praetorius hervor (Chytraei epistolae, S. 851 f)· 93 Vgl. o. S. 67, Anm. 216. 94 Historia, Frankfurt 1580, Bl. 226b-227a, vgl. o. S. 67. 95 WA.Β 5, S. 587f, Nr. 1707. Dieser Brief war allerdings als in den Luther-Ausgaben fest überliefertes Stück seit der ersten Auflage bei Chyträus enthalten gewesen. Warum war er dann nicht Bestandteil der lateinischen Historia? Offenbar hatte Chyträus bemerkt, daß beide Gedanken nicht so unvermittelt nebeneinander stehen konnten.

4.2 Der Textbestand

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Die Möglichkeit, diesen Unterschied zwischen beiden Fassungen dadurch zu erklären, daß Chyträus selbst mit der Drucklegung der lateinischen Historia zunächst einmal vor vollendete Tatsachen gestellt worden sei96, scheidet aus. Er hätte Gelegenheit gehabt, sich kritisch damit auseinanderzusetzen. Hier muß eine be wußte Entscheidung vorliegen, die im Blick auf die verschiedenen Adressaten getroffen wurde. Wir fragen im folgenden weiter nach den Dokumenten, welche in der lateinischen Fassung der Historia über den Textbestand der deutschen hinausgehen: In der deutschen Ausgabe hatte Chyträus die Rede des päpstlichen Legaten Campeggio vom 24. Juni 1530 nur erwähnt. Er bemerkte dazu: »welche Oration hernach in Druck Latine außgangen«97. In der lateinischen Fassung wird diese Rede als Text vorgelegt (S. 61-68), ohne daß dieser Unterschied irgendwo problematisiert würde. Einige weitere Briefe sind in der lateinischen Fassung enthalten, die in der deutschen fehlen. Wir gehen diese Dokumente nun Stück für Stück durch: Da ist zuerst ein Brief von Justus Jonas an Luther, der am 25. Juni 1530 geschrieben wurde98 (S. 710· Es handelt sich um einen Bericht von der Situation unmittelbar vor der Übergabe der Confessio. Jonas berichtet unter anderem von der miserablen Lage auf dem Reichstag und bittet, Luther möge ihn doch öfter durch Trostbriefe stärken, da er von großer Traurigkeit bewegt werde. Jonas bekennt seine eigene Stimmung an den fernen Seelsorger, dankt für dessen Stärkungen und rühmt den geistlichen Reichtum der Argula von Stauffen. Das zweite Stück ist ein Brief Melanchthons vom gleichen Tag an Luther99 (S. 72f). Hier muß Melanchthon sich verteidigen gegen den Vorwurf, er habe zu lange geschwiegen. Er beklagt aber zugleich Luthers Schweigen100. Ein Bericht von der Situation beim Reichstag, auch über ein unerfreuliches Gespräch mit dem Erzbischof von Salzburg101, und weitere Berichte vom Stand der Verhandlungen folgen. Dabei taucht das Problem auf, daß Philipp von Hessen zwar die Confessio unterschrieben habe, aber Luther ihm doch zur Abendmahlsproblematik schreiben möge.

96 Vgl. o. S. 81-85. 97 Historia, Frankfurt 1580, Bl. 56b, vgl. o. S. 43, Anm. 59. 98 Der Text des Briefes findet sich in WA.B 5, S. 391-394, Nr. 1602, Z. 1-58, vgl. Kawerau, Jonas-Briefe 1, S. 163-165, Nr. 180,2. 99 Der Text des Briefes findet sich in WA.B 5, S. 386-388, Nr. 1600 (ohne Zeile 17f; 19-23), vgl. WA.B 13, S. 142f und MSA7/2, S. 179-182, Nr. 166, vgl. MBW 1, S. 394, Nr. 937. 100 Vgl. MSA 7/2, S. 179, Anm. 2. 101 Vgl. MSA 7/2, S. 180, Anm. 7.

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4 Der lateinische Text der Historia

Bevor Chyträus nun den Text der Confessio vorlegt, fügt er noch einen Brief von Justus Jonas an Luther ein102 (S. 74f). Dies Dokument ist jedoch eine Kompilation aus verschiedenen Briefen103, die Chyträus wohl so übernommen haben wird10*. Er füge dies Dokument hier ein, weil es Licht auf die Vorgänge werfe. Zunächst ist dies ein Bericht von der Verlesung der Confessio, andererseits eine Bitte um Luthers Stellungnahme. Im zweiten Briefteil berichtet Jonas von Melanchthons Verhandlungen mit dem Erzbischof von Salzburg und von einem Gespräch mit Cornelius Duplicius von Schepper, dem Staatssekretär des Kaisers105. Jonas wiederholt nach dieser Überlieferung hier die Bitte um Trostbriefe von Luther an Melanchthon106. Nun kann die Confessio selbst als Text vorgelegt werden (S. 77-111). Der Autor beschränkt sich auf die Mitteilung, daß er sie vollständig seiner Darstellung einfüge (S. 73). Von den hoch differenzierten Einführungen in diesen Text in der deutschen Fassung107 ist an dieser Stelle nichts zu finden. Ein textkritischer Vergleich ergibt jedoch, daß es sich um einen Abdruck der Editio princeps handelt108. Ganz lapidar schließt sich dem Text selbst ein Index an, der so fest zum Wortlaut gerechnet wird, daß erst im Anschluß daran die historische Darstellung von Augsburg fortgesetzt wird (S. 119). Dieser »Index monstrans loca patrvm, et canonvm, et historias Haereticorvm, et alias, quae in Confessione Augustana citatae svnt« (S. 111-118) hat keinerlei Entsprechung im deutschen Text und gehört nicht in den Zusammenhang von 1530. Es ist vielmehr eine Arbeitshilfe für den späteren Studienbetrieb109. Wir finden diesen Index am Ende einer Rostocker Ausgabe der Confessio für die Studenten, welche eine Vorlesung darüber hören. Dieser Druck von 1561110 geht möglicherweise auf Chyträus zurück, weil er es ja war, der Vorlesungen über das Bekenntnis von Augsburg hielt111. Hier war jedenfalls die lateinische Edi-

102 Der Text dieses Briefes findet sich in WA.B 5, S. 4 2 6 ^ 2 9 , Nr. 1618, Z. 3-51. Am Ende ist jedoch ein Abschnitt aus einem anderen Brief von Jonas an Luther angefügt: WA.B 5, S. 388-391, Nr. 1601, Z. 47-51, 63-65, 52-62. Den Abschluß bildet eine Passage aus dem oben schon zitierten Brief WA.B 5, S. 392,44-47, Nr. 1602. 103 Vgl. Kawerau, Jonas-Briefe, S. 165, Nr. 181. 104 CR 2, Sp. 154-157, Nr. 752 druckt genau den gleichen Wortbestand wie Chyträus, wenn auch nach Cölestin, vgl. WA.B 13, S. 152. 105 Vgl. WA.B 5, S. 370, Anm. 11. 106 Der gleiche Satz findet sich im vorangehenden Brief von Jonas an Luther S. 72 bei Chyträus. 107 Vgl. o. S. 44-47. 108 Vgl. CR 26, Sp. 263f-335f. 109 Wir brauchen deshalb auch an dieser Stelle auf seinen Inhalt - im wesentlichen Stellennachweise bei den Vätern - nicht näher einzugehen. 110 Vgl. Neuser, Bibliographie, S. 83, Nr. 55. Weitere Drucke davon a. a. 0 . , S. 83, Nr. 56 und S. 119, Nr. 102. 111 Vgl. o. S. 20, Anm. 7.

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tio princeps auch zum Abdruck gekommen. So ist sie wohl einfach auch in die lateinische Sammlung seiner Akten übernommen worden, ohne die textkritischen Differenzierungen über die Überlieferungslage, die der deutschen Publikation beigefügt sind, wenngleich auch dort Chyträus die Editio princeps mit berücksichtigt hatte112. Wir gehen weiter zu Briefen, welche sich beim Vergleich zwischen lateinischer und deutscher Fassung nicht genau entsprechen. 1580 hatte Chyträus seiner Sammlung eine Reihe von Texten vom Juni und Juli 1530 eingefügt113, die er in den älteren deutschen Ausgaben nicht dokumentiert hatte114. Diese Briefe findet man allesamt in der lateinischen Sammlung115, wenn auch mit Umstellungen116 und zwei Ausnahmen117. Das können reine Überlieferungsprobleme sein. Veit Dietrichs Brief an Melanchthon, der den Präzeptor stärken und trösten sollte, war wohl aus einer Edition von Flacius in die deutsche Historia von 1580 übernommen. Das kann nach der Sammlung der lateinischen Texte geschehen sein. Aber der Brief Luthers an die Theologen in Augsburg gehört wohl wieder zu den bewußten Auslassungen in der deutschen Fassung. Er war zu Chyträus' Zeit nur bei Cölestin gedruckt118, nicht aber in den Luther-Ausgaben. Hier wurde aber auch hart abgeraten von weiteren Verhandlungen, auf welche nichts zu hoffen sei - und das geschah bereits am 15. Juli 1530! Luther rät seinen Freunden, daß sie heimkehren sollen. Er rät ab von jeder Hoffnung auf eine Konkordie oder eine Erlaubnis. Dieser Brief, der sowohl auf den Kaiser als auch auf den päpstlichen Legaten abfällig blickt, paßte nicht zu der harmonischen Darstellung, die Chyträus vorlegen wollte. Er gehört also zusammen mit der schon berührten Thematik. 112 113 114 115 116

Vgl. o. S. 47, Anm.79. Historia, Frankfurt 1580, Bl. 119a-125a. Vgl. o. S. 52, Anm. 119. Historia (lat.), S. 141-151. Wir fassen diese Umstellungen in einer tabellarischen Übersicht zusammen: Frankfurt 1580 Historia WA.B 5 Inhalt (lat.) — Bl. 119a-120a Nr. 1614 (Beil.) Veit Dietrich an Melanchthon Bl. 120a-b S.141f Nr. 1610 Luther an Justus Jonas Bl. 121a-122a S. 144f Nr. 1635 Luther an Justus Jonas Bl. 122a-b S. 146 Nr. 1644 Luther an Georg Spalatin Bl. 122b-123a S. 149 Nr. 1634 Luther an Melanchthon Bl. 123a-b S. 148 Nr. 1653 Luther an Georg Spalatin Bl. 124a-b S. 146f Nr. 1643 Luther an Justus Jonas Bl. 124a-125a S. 147 Nr. 1642 Luther an Melanchthon S. 150f Nr. 1648 — Luther an Jonas, Spalatin, Melanchthon und Agricola. 117 Der Brief von Veit Dietrich an Melanchthon findet sich nur in der deutschen Historia, Frankfurt 1580, Bl. 119a-120a, vgl. o. S. 52, Anm. 114. Der Brief Luthers an die in Augsburg weilenden Theologen fehlt in der deutschen Historia. 118 Vgl. WA.B 13, S. 162.

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4 Der lateinische Text der Historia

4.2.2 Kaiserliche Politik auf dem Reichstag Beobachteten wir in der deutschen Historia eine deutliche Konzentration des Chyträus in seiner Chronistentätigkeit auf die Darstellung der theologischen Positionen119, so gilt dies ebenso für seine lateinische Textfassung. Er will bewußt kurz von den politischen Fragen sprechen: »... breuiter recitabo« (S.313). Dennoch finden sich eingestreut zusätzliche Texte. Über die erste Zusammenkunft am 7. September 1530 fügt er einen Bericht aus Augsburg an Luther ein120 (S.314). Die Antwort des sächsischen Kurfürsten und seiner Konfessionsverwandten an den Kaiser121 wird ebenfalls als ungekürzter Text vorgelegt (S. 314-317). Die Vermittlungsversuche von Truchseß und Vehus122 bietet Chyträus hier vollständig123 (S. 318f). Unmittelbar anschließend legt er ein Gutachten der sächsischen Theologen vor, das allerdings erst mehrere Tage später anzusetzen ist124 (S. 320f). Eine veränderte Form des Vermittlungsversuchs125 (S. 322f) sowie eine Zusammenstellung von Artikeln, über die man nicht übereinstimme126 (S. 323-325), werden zusätzlich als Dokumente vorgelegt. Während dieser Zeit habe Melanchthon seine Apologie geschrieben, mit welcher er klug und gewichtig auf die Argumente der Gegenseite geantwortet habe. Aus der Feder Melanchthons legt Chyträus zwei Briefe vor. Der erste ist an Joachim Camerarius gerichtet und datiert vom 19. September (S. 326). Hier wird von der Lage in Augsburg nach Nürnberg Bericht erstattet, vor allem von seiner Apologie127. Der zweite ist an den kaiserlichen Prediger Aegidius in Augsburg gerichtet (S. 327). Auch hier wird von der Apologie berichtet, und Melanchthon nimmt Gelegenheit, einige Vorwürfe zurückzuweisen128. Alle erwähnten Textstücke vom September 1530 sind Sondergut der lateinischen Fassung. 119 Vgl. o. S. 68-76. 120 Der Text dieses Stücks aus einem Brief von Melanchthon oder wahrscheinlicher von Justus Jonas an Luther findet sich in WA.B 5, S. 610f, Nr. 1715,1-8 vom 8. Sept. 1530. 121 Vgl. o. S. 69, Anm. 230. 122 Vgl. o. S. 70, Anm. 236. 123 Vgl. Ηοηέβ, Vehus, S. 316-318. Der Wortlaut stimmt nicht genau überein. Der Text ist wohl am 10./11. Sept. 1530 vorgelegt worden. 124 Text in CR 2, Sp. 373-376, Nr. 903, aber in starker Verkürzung, vgl. Vorbemerkung a. a. O., Sp. 373 und MBW 1, S. 444f, Nr. 1078. 125 Vgl. Ηοηέβ, Vehus, S. 326-329. Chyträus bietet den Text in lat. Übersetzung, der ursprünglich deutsch war und als Vorschlag des Markgrafen von Brandenburg gilt. 126 Text in CR 2, Sp. 377f, Nr. 904. 127 Der Text findet sich in MS A 7/2, S. 300-302, Nr. 230, vgl. M B W 1 , S.445, Nr. 1079. 128 Der Text findet sich in MSA7/2, S. 304-307, Nr. 232, vgl. MBW 1, S.446, Nr. 1081.

4.2 Der Textbestand

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Mit wenigen Worten findet der Chronist den Übergang zur Dokumentation des ersten Reichstagsabschiedes vom 22. September 1530 129 , den wir von der deutschen Historia bereits kennen (S. 329-331). In gleichem Zusammenhang wird von der Übergabe der Apologie 1 3 0 berichtet. Sie sei jedoch nicht angenommen worden. Chyträus fügt seinem Text die Erstform des im September 1530 übergebenen Textes ein 131 . Er wolle damit nicht der späteren durchgearbeiteten »Editio princeps« von 1531 132 vorgreifen. Er bekräftigt, daß die Edition von 1531 nach seiner Meinung die wahre und unbezweifelbare Apologie der Confessio Augustana sei 133 . Er wünsche, daß sie zusammen mit der Ausgabe des Kölner Erzbischofs Hermann von Wied, die 1544 gedruckt worden sei 134 , gelesen werde. In seinen Text fügt er jedoch nicht die Editio princeps ein, wiewohl er das hätte tun können. Sie sei doch schon in die Hände aller frommen und gebildeten Menschen gekommen. Er unterstreicht, es sei die erste Fassung vom September 1530, die er an dieser Stelle einfügt 1 3 5 (S. 3 3 5 - 3 6 8 ) . Neben die zahlreichen Erweiterungen, welche der lateinische Text gegenüber dem deutschen bietet, treten in der Darstellung der Friedensbemühungen bis zum Reichstagsabschied vom 19. November 1530 auch Kürzungen 1 3 6 . Wir finden hier den Arbeitsprozeß von Chyträus deutlich rekonstruierbar vor Augen. Der Übergang vom 13. zum 21. Oktober (S. 379f) entspricht in der lateini-

129 Vgl. o. S. 70, Anm. 237-240. 130 Über die ursprüngliche Gestalt der Apologie vgl. Brecht, Apologie. Leider geht Brecht auf Chyträus nicht ein, sondern erwähnt nur die von Bindseil als »Codex Chytreanus« (CR 27, S. 261f) [!] bezeichnete Dresdener Handschrift, S. 53, Anm. 21. 131 Chytraei epistolae, S. 270f gibt er in einem undatierten Schreiben an, er habe die von Spalatins Hand geschriebene Textgestalt in der lateinischen Fassung ediert. - Zu Spalatins Bedeutung für die Apologie und deren Entstehung vgl. Höss, Spalatin, S. 349 mit Anm. 29. 132 Vgl. Neuser, Bibliographie, S. 53, Nr. 8. 133 In der deutschen Historia hatte Chyträus dazu detailliertere Angaben zu machen, vgl. o. S. 92, Anm. 55. 134 Nicht nachweisbar bei Neuser, Bibliographie. Vgl. dazu M B W 3 , S. 392, Nr. 3240: Brief Melanchthons aus Bonn an Luther vom 9. Mai 1543, und MBW 4, 5. 15, Nr. 3422: Brief Melanchthons an den Kölner Domdekan vom 1. Januar 1544. Möglicherweise meint Chyträus den Lehrteil des »Einfaltigen Bedenckens«, der sogen. »Kölner Reformation«, der weitgehend von Melanchthon erarbeitet wurde, vgl. Köhn, Reformation, S. 67-114 mit den bibliographischen Nachweisen a. a. O., S. 184. 135 Zur Textgestalt bei Chyträus vgl. Förstemann, Urkundenbuch 2, S. 484, Anm. * * * * . Hier wird der Druck von Chyträus in der Textkritik berücksichtigt. Vgl. auch CR 27, S. 261f. 136 Zum Beispiel fehlt auf S. 11 ein Gutachten Luthers für seinen Landesherm vom 6. 3. 1530, das im deutschen Text von 1580 auf Bl. 13a-15a zu finden ist, vgl. o. S. 34f, Anm. 12. Es ist ein Text, der im Original in deutscher Sprache steht.

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4 Der lateinische Text der Historia

sehen Fassung dem, was auch die erste Auflage der deutschen Historia vorgelegt hatte137, während an dieser Stelle die deutsche Historia von 1580 zwei Dokumente einschob138. Die »Artikel des Friedens« 139 legt Chyträus auch in der lateinischen Fassung vor140 (S. 381f), nicht aber den darüber erfolgten Schlagabtausch 141 zwischen den altgläubigen Ständen und der »sächsischen« Gruppe142. Wie können wir diesen Befund erklären? Es legt sich folgende Hypothese nahe: Chyträus hat diese deutschen Texte aus dem Weimarer Archiv143 aufgenommen. Der lateinischen Fassung jedoch fügte er nur die übersetzten Stücke ein oder er hielt zu dieser Zeit noch nicht so viele für wichtig. Die Dokumente im deutschen Text zeigen zwar die sächsische Standhaftigkeit, wurden jedoch nicht eigentlich geschichtswirksam. Weil er in der lateinischen Ausgabe den Bogen seiner Darstellung viel weiter spannte als in der deutschen, wie uns noch deutlich werden wird, raffte er an dieser Stelle zusammen. 4.2.3 Textanhang Mit der Vorlage des Reichstagsabschieds vom 19. November 1530 ist in der lateinischen wie in der deutschen Historia die Darstellung vom Reichstag am Ziel144 (S. 389-408). In beiden Darstellungen sind jedoch die beigegebenen Texte im Anhang weit voneinander verschieden. Hatte die deutsche Fassung Luther-Texte aus der Zeit des Reichstags beigegeben, so unterscheidet sich die lateinische davon total. Hier wird mit einem knappen Übergang dargelegt, welches die wichtigen Stadien der Reformationsgeschichte bis zum Augsburger Religionsfrieden145 waren (S. 409-412), um anschließend wesentliche Texte vorlegen zu können. Chyträus erwähnt zunächst Luthers »Warnung an seine lieben Deutschen«. Dies Dokument wird hier nur mit einer kurzen Charakteristik gestreift, während es in der deutschen Historia vollständig im Anhang abgedruckt worden

137 138 139 140 141

142

143 144 145

Vgl. Historia, Rostock 1576 1 , Bl. 184b. Historia, Frankfurt 1580, Bl. 241a-242a, vgl. o. S . 7 1 , Anm. 250. Vgl. o. S. 72, mit Anm. 251. Historia, Rostock 1576 1 , Bl. 185a erwähnte sie nur. Die Lücke im lateinischen Text ist auf S. 383. Hier fügte die deutsche Historia, Frankfurt 1580, Bl. 244a-247b (vgl. o. S. 71f) den Argumentationsgang durch Zitate ein, während auch Historia, Rostock 1576 1 , Bl. 185a, nur summarisch diese Gespräche erwähnte. Bei Förstemann sind diese Texte im Original deutsch. Er ediert nach dem Archiv in Weimar. Möglicherweise hatte Chyträus die Texte dort erst gesehen, als seine deutsche Historia in Erstgestalt bereits fertig war, vgl. auch oben S. 42, Anm. 56. Vgl. o. S. 60, Anm. 169. Vgl. o. S. 73 mit Anm. 260. Dafür trifft die Charakteristik von Thüringer, Chytraeus, S. 168, zu.

4.2 Der Textbestand

103

war. Die Deutschen sollten einen wahren Frieden nicht durch Einhaltung des Reichstagsedikts suchen. Luther habe jenes Edikt zurückgewiesen und mit diesem Buch seinen Eifer erklärt, einen immerwährenden Frieden zu erhalten (S. 409). Gleichzeitig habe Melanchthon seine Apologie verfaßt, in welcher er die Confutatio zurückgewiesen und vor allem die beiden Artikel von der Rechtfertigung und von der Buße erklärt habe. Für diese gedruckte Form der Apologie wird der Leser auf das Corpus Doctrinae verwiesen146, während die Erstgestalt im Band vorgelegt worden war. Der Chronist streift die weiteren Daten der Reformationsgeschichte: Regensburger Reichstag 1532, Konvent von Schmalkalden 1537, Schmalkaldischer Krieg und Augsburger Interim 1547/48, Konzil von Trient. Er erwähnt die Sessio von 1551 (S. 411), um an dieser Stelle auf die Dokumente aufmerksam machen zu können, die von lutherischen Theologen für die Begegnung mit dem Konzil erarbeitet wurden: Melanchthons Confessio Saxonica und Brenz' Confessio Wirtembergica sowie eine evangelische Absage an das Konzil von Trient von Anfang 1546, auf die wir sämtlich noch eingehen werden, weil sie als Textbeigaben folgen. Er fügte außerdem Erasmus von Rotterdams »De sarcienda ecclesiae concordia« von 1533 sowie weitere zugehörige Texte an. Nachdem mit dieser Einleitung die Basis geschaffen ist, mit welcher die Vorinformationen für die folgende Dokumentation gegeben werden, kann die Vorlage der Texte selbst beginnen (S. 412). An erster Stelle findet man die Confessio Wirtembergica des Johannes Brenz147 (S. 413-470), welche am 24. Januar 1552 auf dem Trienter Konzil vorgelegt worden sei148. Dies Dokument aus der Feder des Theologen war offiziell im Namen des württembergischen Herzogs vorgelegt worden. Im unmittelbaren Anschluß wird die Confessio Saxonica aus der Feder Melanchthons149 vorgelegt (S. 471-541), die ebenfalls zu dem Zweck bestimmt war, beim Trienter Konzil vorgelegt zu werden, was durch den Krieg verhindert wurde150. Wiewohl Melanchthon der Verfasser dieser Bekenntnisschrift von 1551 ist, erhielt sie doch die Unterschriften der sächsischen Theologen151. So wichtig es wäre, diese Bekenntnisschriften näher zu analysieren, so ist

146 147 148 149

Vgl. o. S. 101. Vgl. Martin Brecht, Brenz, in: TRE 7, S. 179. Vgl. Bizer, Conf. Virt., S. 50f und Jedin, Trient, S. 306. Text in MSA 6, S. 80-167. Zum Erstdruck in Basel vgl. MBW 6, S. 299f, Nr. 6433. Der Abdruck bei Chyträus folgt dieser Textgestalt, wenn auch wohl nicht in direkter Abhängigkeit. 150 Vgl. MBW 6, S. 284, Nr. 6390. Über den Fürstenkrieg als Hinderung für die Konzilsreise schreibt Melanchthon auch an Chyträus (MBW 6, S. 295f, Nr. 6421) und Albert Hardenberg (MBW 6, S. 298, Nr. 6429). 151 Vgl. Jedin, Trient, S. 305f und die Unterschriftenliste MSA 6, S. 81f, Anm. *. Wir übergehen an dieser Stelle die spätere Umstrittenheit des Dokuments zwischen Philippisten und ihren verschiedenen Gegnern.

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4 Der lateinische Text der Historia

doch dazu an dieser Stelle nicht Raum und Gelegenheit. Beide wollten eigentlich in ganz engem Zusammenhang mit der Confessio Augustana von 1530 eine aktuelle Wiederholung derselben sein und angesichts der neuen Herausforderungen durch das Konzil die Irrtümer der römischen Kirche abweisen. Das württembergische Bekenntnis hatte auch die Unterschriften der sächsischen Theologen erhalten152. Diese Zusammenstellung von Texten ist einerseits verständlich, weil sie inhaltlich fest zur Confessio von 1530 gehören. Andererseits dürfen wir nicht übersehen, daß genau diese Verbindung von Quellen auch vor Chyträus schon eine Tradition hatte153. Nicht ganz auszuschließen wäre auch ein Einfluß der Frankfurter Buchhändler, die in dieser Tradition standen154. Aber das kann nur eine Vermutung sein, für die wir kein Quellenzeugnis finden können. Chyträus fügt einen weiteren Text von Melanchthon bei, welcher sich mit dem Konzil von Trient kritisch auseinandersetzt: »Causae, quare et amplexae sint, et retinendam ducant doctrinam, quam profitentur ecclesiae, quae Confessionem Augustae exhibitam Imperatori sequuntur, & quare iniquis iudicibus, collectis in synodo Tridentina, ut vocant, non sit assentiendum«155 (S. 543-565). Das ist Melanchthons klare Position gegen das Konzil und ein Bekenntnis evangelischer Lehre angesichts der ersten Session von 1546, wo er gebeten hatte, daß evangelische Lehre dort angehört würde. Ein weiterer Rückgriff auf die Geschichte der Beziehungen zwischen Lutheranern und der katholischen Kirche156 wird von Chyträus vorgelegt durch die Dokumentation eines Vorschlags von Erasmus von Rotterdam und der zugehörigen evangelischen Reaktionen (S. 566-609). Das ist zunächst des Erasmus »Liber de sarcienda ecclesiae concordia« von 1533, der zum Programm der humanistisch beeinflußten Theologen und Diplomaten wurde, die sich aktiv um eine Vereinigung der Konfessionen in jener Zeit bemüht haben157. Dies Stück war aus der Enarratio Psalmi LXXXIII [Vg! 84 bei Luther]

152 Vgl. Jedin, Trient, S. 307. 153 Bei Peter Braubach in Frankfurt erschien 1553 ein Band, der die Confessio Augustana, die Apologie, die Confessio Saxonica und die Confessio Wirtembergica vereinte: Confessiones Fidei Christianae tres ... vgl. Neuser, Bibliographie, S. 68f, Nr. 34; S. 70, Nr. 37; S. 78, Nr. 49, und Schade, Braubach, Sp. 896, Nr. 157. 154 Sowohl die Confessio Wirtembergica als auch die Confessio Saxonica waren 1552 separat bei Peter Braubach gedruckt worden, vgl. Schade, Braubach, Sp. 892, Nr. 142 und Sp. 893, Nr. 144. Die Conf. Wirt, zählt zu den wichtigsten Publikationen im Verlag von Peter Braubach, vgl. Schade, Westphal, S. 62. 155 Der Text ist abgedruckt bei Bindseil, Mel. ep„ S. 239-265, Nr. 305. Die deutsche Fassung dieses Texts von 1546 findet sich in M S A 1 , S. 4 1 1 ^ 4 8 . Vgl. dazu MBW 4, S. 402f, Nr. 4336. 156 Über die Bedeutung der Confessio Augustana in den Religionsgesprächen vgl. zuletzt Fraenkel, Augustana. 157 Vgl. Augustijn, Religionsgespräche, S. 49.

4.2 Der Textbestand

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genommen158. Erasmus wandte sich hier deutlich gegen jedes Schisma in der Kirche und gab Ratschläge, wie die eine Kirche zu reinigen sei159. Erasmus hatte dieses Buch Julius Pflug, dem späteren Bischof von Naumburg, gewidmet160. Dieser Vertreter des Reformkatholizismus in räumlicher Nähe zu den sächsischen Theologen hatte wohl die Schrift von Erasmus, den er verehrte, erbeten161. Der Pfarrer von Witzenhausen, Antonius Corvinus162, schrieb darüber einen Dialog, mit dem er einen Mittelweg zwischen Beifall und Ablehnung beschritt. Für diesen Dialog schrieb Luther auf Bitten des Druckers eine Vorrede163. Luther erteilte dem Ansinnen des Erasmus eine Absage, wie er es auf andere Weise auch schon in »De servo arbitrio« getan hatte. Für den Reformator stand außer Frage: »Necesse est enim in Ecclesia certum dogma, certum Verbum Dei haberi .,.«164. Luthers Vorrede samt dem Dialog des Corvinus legte Chyträus in seinem Band vor (S. 582-609). Der Dialog gipfelt darin, daß Corvinus sich als Glied der catholica Ecclesia, nicht der päpstlichen Kirche, bekennt und allein Christus, den einzigen Bräutigam der Kirche, hören will gemäß jenem Wort: »Dies ist mein lieber Sohn, an welchem ich Wohlgefallen habe. Den sollt ihr hören« (Mt 17,5), jenem Wort, das für Erasmus so wichtig war165, aber von Corvinus nun mehr oder weniger gegen ihn verwendet wird. Chyträus hat sich jeder Wertung dieser Texteinheit enthalten. Seine Einführung lautet schlicht: »Addidi etiam...« (S. 411). Chyträus war aber dem erasmischen Programm in Gestalt der Person Julius Pflugs, des Bischofs von Naumburg, bei dem letzten jener auf Reichsebene organisierten Religionsgespräche in Worms 1557 noch selbst begegnet. Pflug präsidierte jenem Gespräch166, an dem auch Chyträus teilnahm167. Er wird sehr genau gewußt haben, welche Bedeutung diesem Programm in jener Zeit zugekommen ist. Ein weiterer Textkomplex bietet sozusagen den Quellennachtrag zu einem im fortlaufenden Text erwähnten Phänomen. Am Rand von Seite 1 hatte Chyträus einen »Catalogus errorum et abusuum praecipuorum in ecclesiis pontificiis« erwähnt168. Diesen Text bringt er nun als Beilage im Anhang169 158 Der Text, den Chyträus S. 566-581 vorlegt, findet sich bei Clericus, Erasmi Opera 5, Sp. 497, vorletzte Zeile bis Sp. 506. 159 Zur Charakteristik dieses Werks vgl. Augustijn, Erasmus, S. 159f. 160 Clericus, Erasmi Opera 5, Sp. 469f; Allen, Ep. Erasmi 10, S. 281, Nr. 2852. 161 Vgl. WA 38, S. 273. 162 Vgl. Martin Stupperich, Corvinus, in: TRE 8, S. 216-218. 163 Text in WA 38, S. 273-279. 164 a. a. 0 . , S. 278, 8f. 165 Vgl. Keller, Schlüssel, S. 170f. 166 Vgl. Bundschuh, Worms, S. 266-272. 167 Vgl. a. a. 0 . , S. 240-242. 168 Im deutschen Text hatte er sachlich die gleichen Aussagen in Paraphrase vorgelegt, vgl. Historia, Frankfurt 1580, Bl. 2a-3b. 169 Bei diesem Text handelt es sich um eine Denkschrift Melanchthons für den Kaiser, die während des Regensburger Religionsgesprächs vom Juni 1541 ver-

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4 Der lateinische Text der Historia

(S. 610-621). Er sieht darin einen Bezugstext für die »Pia reformatio de abusibus ecclesiarum emendandis« von Philipp Melanchthon170, die er unmittelbar anschließt (S. 622-631). Sachlich ist es durchaus möglich, diese Texte im Bereich der Vorarbeiten zur Confessio Augustana anzusiedeln, aber es war vor allem eine theologisch motivierte Konstruktion, für die Chyträus auf Texte aus anderer Zeit zurückgriff, die ihm passend schienen und die für den Zweck durch Umstellung formiert wurden.

4.3 Die Frage der Einheit mit den Oberdeutschen In diesem Kapitel finden wir wieder große Übereinstimmung zwischen dem deutschen171 und dem lateinischen Text. Wir können uns also beschränken auf die Analyse der Stücke, welche im lateinischen Text über die deutsche Fassung hinausführen. Der Wunsch der Oberdeutschen nach Einheit mit den sächsischen Theologen, der durch Bucer vorgetragen wurde, wird in der lateinischen Fassung breiter dokumentiert. Bucers Schreiben an den sächsischen Kanzler Gregor Brück172 (S. 659-665) erläutert nicht nur die oberdeutsche Sicht genauer, sondern zeigt auch die starke Initiative des Straßburgers, der den Kanzler um Vermittlung eines Gesprächs mit Melanchthon bat. Das angefügte Postskript, das Chyträus hier einordnet, wurde in der deutschen Fassung einem Brief vom 1. August angefügt173. Chyträus hatte in der deutschen Fassung die Bemühungen von Bucer und den Seinen nur summarisch erwähnt und damit den Übergang für die folgende Antwort von Melanchthon geschaffen174. Chyträus fügt der lateinischen Fassung auch den Abendmahlsteil der Confessio Tetrapolitana ein, der von Bucer verfaßt worden war. Die Absicht sei gewesen, mit Luthers Abendmahlsauffassung übereinzustimmen, wie das ja auch aus den sonstigen Briefen Bucers hervorgehe. Der Abschnitt ist eine Übersetzung des deutschen Texts und ausschließlich auf die Abendmahlsfrage

170

171 172 173 174

faßt wurde. Der Text, der sich in CR 4, Sp. 530-541, Nr. 2316, findet, wurde sachlich von Chyträus umgestellt, wohl in Anpassung an die Reihenfolge der sogenannten »spänigen« Artikel der Confessio Augustana. Zu diesem Text vgl. M B W 3 , S. 180f, Nr. 2715. Auch dieser Text gehört in den Kontext des Regensburger Religionsgesprächs, datiert eigentlich vom 12. Juli 1541, vgl. MBW 3, S. 198, Nr. 2752. Der Text findet sich auch in CR in unmittelbarer Verbindung mit dem vorangehenden: CR 4, Sp. 541-552, Nr. 2317. Für freundliche Hilfestellung bei der Verifizierung dieser beiden Texte danke ich Herrn Dr. Heinz Scheible, Heidelberg. Vgl. o. S. 77-80. Zur Überlieferung dieses Schreibens in deutscher und lateinischer Fassung vgl. MBW 1, S. 411f, Nr. 987, Kommentar. Vgl. Historia, Frankfurt 1580, Bl. 272b-273a und oben S. 79. Vgl. Historia, Frankfurt 1580, Bl. 364b-365a.

4.3 Die Frage der Einheit mit den Oberdeutschen

107

eingegrenzt. Ein darüber hinaus gehendes größeres Interesse an diesem Dokument hat Chyträus offenbar nicht. Es genügt ihm, wenn das Zentrum der Lehrverschiedenheit, die Abendmahlsfrage, durch den Textausschnitt (S. 678f) verdeutlicht wird175. An seinen begleitenden Kommentierungen ändert Chyträus allerdings nichts im Vergleich zur deutschen Fassung. Abgeschlossen wird die Darstellung der Einheitsbemühungen mit den Oberdeutschen im lateinischen Text durch einen Briefwechsel zwischen Johannes Oekolampad und Philipp Melanchthon. Chyträus greift mit diesen beiden Texten zurück ins Jahr 1529, in eine Zeit also, die vor dem Marburger Gespräch lag, während Melanchthon in Speyer beim Reichstag weilte. Offenbar lag Chyträus aber um der grundsätzlichen Bedeutung willen daran, daß diese beiden Texte hier am Abschluß der Darstellung stehen. Oekolampads Brief an Melanchthon datiert vom 31. März 1529176 (S. 682-684). Der Baseler Humanist und Theologe appelliert an den gemeinsamen Glauben und bittet Melanchthon in Speyer, sich auf dem Reichstag dafür einzusetzen, daß die »Sakramentierer« nicht verurteilt werden. Die Irrlehren bezüglich Abendmahl und Christologie, die man den Oberdeutschen unterstellt, weist er zurück. Melanchthons Antwortbrief aus Speyer177 (S. 684-686) war mehr als ein normaler Brief. Der Präzeptor Germaniae hatte diese »Epistola... de coena domini« auch alsbald in Druck gegeben178. Melanchthon zeigt hier sein Bedauern über den Abendmahlsstreit, aber profiliert doch sehr klar seine Position, daß er Oekolampads Abendmahlslehre nicht zustimmen könne. Er betont die Gemeinschaft im Mahl mit dem gegenwärtigen Leib des Herrn. Was Oekolampad absurd scheine, sei aus dem Wort Gottes begründet. Melanchthon begrüßte in jenem Schreiben, daß man über diese Fragen zu einem Colloquium zusammenkäme, was ja dann in Marburg geschehen ist. Diese Druckschrift und der sie auslösende Brief bildeten sozusagen die Coda in Chyträus' Darstellung der »Handlung von Einigkeit...«. Mit dem Wortlaut des Augsburger Religionsfriedens von 1555179 und einem Register schließt der Band des lateinischen Texts. Wir verdeutlichen uns, daß der deutsche Text von 1580 ja später erschienen ist als der lateinische. Was im lateinischen Text zur Frage der Einheit mit den Oberdeutschen über den deutschen hinausgeht, hat dort nicht aus Unwissenheit gefehlt. Die Dokumente hatten auch zweifelsfreie und öffentliche Anerkennung. Offensichtlich lag dem Autor daran, auf diesen »Nebenschauplatz«

175 Der Text findet sich in Bucer, Deutsche Schriften 3, S. 123-126, vgl. Oberman, Quellen, S. 172f, Nr. 83, wo auch nur dieses Kapitel vorgelegt wird. 176 Der Text findet sich in Bindseil, Mel. ep„ S. 35-37, vgl. MBW 1, S. 331, Nr. 766. 177 Der Text findet sich in MSA 1, S. 296-300, Nr. 16, und in MSA7/2, S. 68-74, Nr. 130, vgl. MBW 1, S. 335, Nr. 775. 178 Vgl. MSA 7/2, S. 68f, Anm. 2. 179 Vgl. o. S. 76.

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4 Der lateinische Text der Historia

nicht so weit einzugehen und auch Melanchthons Gesprächsbereitschaft mit Oekolampad zu verschweigen. Zwar war Melanchthons Brief über das Herrenmahl deutlich genug, aber Luthers Schrift »Vom Adel« an Hans von Sternberg am Schluß der Ausgabe von 1580180 war ein massiveres Finale im Ruf zum Wort Gottes. Daß der andere Leserkreis der lateinischen Fassung es nahelegte, im europäischen Horizont deutlicher auf die Frage der Einheit mit den Oberdeutschen einzugehen, wäre eine weitere Deute- und Verstehensmöglichkeit. Das argumentative Ringen mit der von Christof Hardesheim und vielen anderen vertretenen »kryptocalvinistischen« Position181, konnte auch so untermauert werden. Jedenfalls kann es wohl nicht als Zufall angesehen werden, daß auch im Abschluß der Historia eine deutliche Akzentverlagerung zwischen lateinischer und deutscher Fassung vorliegt.

180 Vgl. o. S. 80. 181 Vgl. u. S. 119-130.

5 Ergebnisse und Einsichten

Wir fragen zunächst nach dem Leserkreis, für den Chyträus sein Werk vorgelegt hat. Wie man allgemein an den Publikationen des 16. Jahrhunderts beobachten kann, schrieb man zu jener Zeit für die Gelehrten in lateinischer Sprache. Nur für Laien schrieb man deutsch. Das zeigt sich auch im Blick auf die Korrespondenzen der Reformatoren. Diese allgemeine Beobachtung, die nur ganz selbstverständliche Gepflogenheiten einmal festhält, läßt sich auf die beiden Fassungen des Geschichtswerks von Chyträus übertragen. Aber damit allein wäre zu wenig gesagt. Es fällt auf, daß er sich mit Widmung und Abschluß der deutschen Fassung dezidiert an den Adel wendet, die Verantwortung des Adels unterstreicht und daran appelliert 1 . Hierzu mag ihn die Begegnung mit dem Adel in Österreich bewegt haben, wo er die deutsche Fassung bearbeitet hat2. Andererseits darf man auch nicht übersehen, daß die Confessio Augustana, obwohl von den Theologen erarbeitet, von den Landesherrn unterschrieben worden war. Auf diese Weise nahmen letzten Endes die Fürsten eine Verantwortung für ihre Kirche wahr. Daß sie als praecipua membra ecclesiae oder auch als verantwortliche »Bischöfe« ihrer Landeskirchen in der Tat eine große theologische Verantwortung trugen, mag deshalb mit dazu beigetragen haben, daß Chyträus seine Historia Vertretern des Adels widmet. Mit diesem Kriterium allein faßt man aber noch nicht das Proprium der deutschen Ausgabe. Wie sonst sollte man es interpretieren, daß der Autor auch die lateinische Ausgabe einem Landesherm widmen wollte, was ihm endlich auch gelang. Wir müssen bei der Erfassung des Propriums der lateinischen Ausgabe einsetzen. Das Werk war dem schwedischen König gewidmet 3 . Es ist jedoch deutlich ein Quellenwerk für die Fachleute. Hier kommen Texte zum Abdruck, die man nicht so leicht erreichen konnte, wenn wir etwa an die Confutatio denken. Zwar wird auch hier nicht explizit der weitere Verlauf der Kirchengeschichte mit allen Wechseln der Lage dargelegt, was die auf politische Initiative des Kaisers zustandegekommenen Religionsgespräche und das 1 Vgl. o. S. 80 und 107f. 2 Vgl. WA.B 14, S. 432. 3 Vgl. o. S. 86-91.

110

5 Ergebnisse und Einsichten

von der römischen Kirche einberufene Konzil zu Trient anbelangt. Es werden aber die in diesen Zusammenhängen wichtigen Dokumente, welche die Confessio Augustana in neuen Herausforderungen interpretieren, in die Textsammlung eingebaut4. Die Bedeutung des Bekenntnisses bis zum Augsburger Religionsfrieden, in welchem es dann endlich seine bleibende Verankerung finden sollte, wird dadurch für die Leser erheblich plastischer. Neben diese durch historische Entwicklungen bedingten Texte unter dem Sondergut der lateinischen Fassung treten die im theologischen Schulbetrieb beheimateten Stücke, wie der »Index monstrans loca patrum ,..« 5 zur CA. Hierhin gehört vielleicht auch der »Catalogus errorum ,..« 6 . Den Fachleuten wurde auch nichts vorenthalten, was sich im evangelischen Lager selbst zugetragen hatte. Die Briefe, in denen Melanchthons private Bemühungen um einen Ausgleich in Augsburg vor Augen treten7, sind hier ebenso zu nennen, wie die größere Breite in der Darstellung des Gesprächs mit den Oberdeutschen, wo die Confessio Tetrapolitana8 in der Hauptstreitfrage vorgelegt, Zwingiis eigenes Bekenntnis immerhin gestreift9 und Melanchthons Gesprächsbereitschaft mit ihren Grenzen10 weitergehend dokumentiert wurde. Den Gelehrten wurde damit auch demonstriert, daß alle diese Wege bereits abgeschritten waren. Das Argument von Matthias Ritter11, die lateinische Ausgabe möge die Texte über den deutschen Sprachraum hinaus wirksam werden lassen, ist sicher von großem Gewicht. Den wesentlichen Sitz im Leben der schwedischen Kirche konnten wir durch das Vorwort an König Johann III. festmachen12. Die Wirkung nach Westeuropa ist durch die französische Übersetzung und Publikation in Antwerpen13 greifbar. Es ist wohl nicht zuviel gesagt, wenn wir festhalten, daß die lateinische Fassung in solchen Herausforderungen vor allem als Hilfe für die Auseinandersetzung mit dem erstarkenden Katholizismus und der Gegenreformation dienen sollte. Chyträus war auch in Österreich damit konfrontiert worden. Dies Werk hat seine Wirkung nicht verfehlt. Wir können zwar nicht die einzelnen Beweggründe der schwedischen Kirche für die Festlegung ihres Bekenntnisstandes auf der Synode von Uppsala 159314 nachzeichnen. Es darf aber nicht übersehen werden, daß die Darstellung der CA als ein Symbolum im Sinne der altkirchlichen Bekenntnisse, wie sie Ritter

4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14

Vgl. Vgl. Vgl. Vgl. Vgl. Vgl. Vgl. Vgl. Vgl. Vgl. Vgl.

o. o. o. o. o. o. o. o. o. o. o.

S. 102-106. S. 98. S. 105f mit Anm. 168f. S. 92-94. S. 106f mit Anm. 175. S. 93 mit Anm. 65. S. 107f. S. 84f mit Anm. 22f. S. 90f. S. 32 mit Anm. 94. S . 9 0 f mit Anm. 51.

5 Ergebnisse und Einsichten

111

in seinem Vorwort auf den Punkt gebracht hatte, hier eine geschichtswirksame Gestalt gewonnen hat15. Die schwedische Kirche umschrieb ihren Bekenntnisstand mit den drei altkirchlichen Symbolen und der Confessio Augustana. Wenn im Gegenüber zur lateinischen Ausgabe die deutsche sich an gebildete Laien und Adelspersonen wendet, so fällt auf, daß hier als Zweck neben den Bericht von den Ereignissen auch expressis verbis ein weiterer wesentlicher Gedanke gestellt wird: der Trost und die Stärkung des Glaubens in Gefahr und Verfolgung um des Bekennmisses willen16. Es ist kein Zufall, wenn in dieser Fassung mit dem Argument der nicht völlig unbezweifelbaren Autorschaft Texte in der Darstellung ausgeschaltet17, aber auch auf charakteristische Weise »ersetzt« werden18. Und es ist sicher ebensowenig ein Zufall, wenn in der deutschen Ausgabe Luthers stärkende »Vermahnung« den Textanhang bestimmt19, während in der lateinischen eine Quellensammlung zur Bedeutung der Confessio im Verlauf der Reformationsgeschichte bis zum Augsburger Religionsfrieden vorgelegt wird20. Wir haben damit ein weiteres Thema erreicht, welches für die Charakterisierung der Propria beider Fassungen von Bedeutung ist. Matthias Ritter hatte in seinem Vorwort zur lateinischen Fassung eine Zentralfrage bereits angeschnitten, das Verhältnis zwischen Luther und Melanchthon21. Der Vergleich zwischen diesen beiden Hauptgestalten aus der Väter-Generation, der im Hinblick auf die Darstellung des Augsburger Reichstags seit der umstrittenen Veröffentlichung der Coburg-Briefe durch Matthias Flacius 154922 die Gemüter immer wieder bewegt hat, lag auf seine Weise auch Chyträus am Herzen. Mit seiner Hochschätzung Melanchthons verband er eine große Verehrung Luthers23. Es fällt auf, daß in der deutschen Fassung das Verhältnis beider Lehrer harmonisiert wird24, ja daß die Meinungsverschiedenheiten verdrängt werden. Man würde den Sachverhalt überzeichnen, wollte man das als bewußte Fälschung hinstellen, aber es muß ihm doch sehr passend gewesen sein, auf diese Weise Melanchthon ganz im Einvernehmen mit Luther darstellen zu können25. Chyträus stand dem Präzeptor Germaniae persönlich sehr 15 16 17 18 19 20 21 22 23

24 25

Vgl. o. S. 81f. Vgl. o. S. 20-23. Vgl. o. S. 92-94. Vgl. o. S. 96f und 98f. Vgl. o. S. 76, aber auch 73f. Vgl. o. S. 102-106. Vgl. o. S. 83-85. - Er ging dabei aber wohl stark von seiner Lektüre der deutschen Historia aus, wie aus seinen Ausführungen deutlich wird. Vgl. WA.B 14, S. 400-408. Vgl. WA.B 14, S. 429, Anm. 5. Textstellen, die Luther und Melanchthon als gottgelehrte und orthodoxe Lehrer nebeneinanderstellen, finden sich in Chytraei epistolae, S. 981 (von 1569), S. 147 (von 1574), S. 112 (von 1581). Am deutlichsten greifbar in Luthers Brief an Spengler, vgl. o. S. 96. Vgl. o. S. 92-96 und S. 98f.

112

5 Ergebnisse und Einsichten

nahe26. Deshalb wollte er den durch die Epigonenkämpfe27 so stark betonten Zwiespalt zwischen Luther und Melanchthon nicht auch behaupten. Er wollte dem durch seine Darstellung entgegenwirken, wie aus der Bearbeitung des Briefmaterials in der deutschen Fassung beim Vergleich mit der lateinischen vor Augen tritt. In diese Debatte um das rechte Verständnis der beiden Vertreter aus der Vätergeneration in Wittenberg28 dürfen wir die Beobachtungen am Text der Historia mit guten Gründen einzeichnen. Seine ebenso große Verehrung für Luther wie für Melanchthon wird durch die Luther-Texte am Ende des deutschen Bandes eindrücklich unterstrichen. Hatten die Editoren der Luther-Briefe herausgearbeitet, die Arbeit von Chyträus sei in der deutschen Fassung »für die Überlieferung des Lutherbriefwechsels ohne jeden Wert«29, so bescheinigten sie einigen Texten in der lateinischen Fassung einen selbständigen Quellenwert30. Man darf aber dieses Urteil aufgrund eines überlieferungsgeschichtlichen Einzelaspekts nicht auf das Werk insgesamt in seinen beiden Fassungen übertragen. Die deutsche Historia wurde an anderer Stelle sogar ganz verschwiegen31. Demgegenüber halten wir fest, daß wir mit der deutschen Ausgabe der Historia von 1580 ein theologisch durchkomponiertes und reflektiertes Werk vor uns haben. Hier sind die zusätzlich bekannt gewordenen Texte der lateinischen Fassung vorausgesetzt, aber der eben beschriebene Theologe als Schüler seiner beiden verehrten Lehrer Luther und Melanchthon hat durch die Anordnung und Sammlung des überlieferten Materials ein theologisch bewußt geprägtes Melanchthonbild in seine Geschichtsdarstellung eingeflochten. Auf diese Weise konnte er bei seiner Hochschätzung des Bekenntnisses von Augsburg seinen Lesern einen wichtigen Dienst der Vergewisserung und Stärkung tun. Diese Vergewissserung zeigt einen Historiker, der in seinem Geschäft der Geschichtsschreibung auch Seelsorge üben konnte. Dies Element, das vom Material her in der lateinischen Fassung auch nicht völlig fehlte, tritt nur in der deutschen ausdrücklich hervor. Und die Bemerkungen aus dem Vorwort ziehen sich durch die Entscheidungen im Umgang mit den Texten im ganzen Band hindurch. Es 26 Vgl. Scheible, Pforzheim, S. 23+33, und Thüringer, Chytraeus, S. 162f. 27 Chyträus war u. a. durch seine Freundschaft zu Tilemann Heshusius stark mit dem gnesiolutherischen Lager verbunden, vgl. Barton, Erbe, S. 126f. Man muß jedoch mit diesen Zuordnungen behutsam umgehen, weil die Gruppierungen vielschichtiger und lebendiger waren, als es eine schnelle Klassifizierung haben möchte, vgl. Koch, Philippismus, S. 67f. 28 Vgl. dazu auch Koch, Philippismus, S. 76, und Koch, Ausbau, S. 204. Hier wird deutlich, daß Chyträus mit diesem Anliegen ganz im Sinne des sächsischen Kurfürsten und seiner nach 1574 antiphilippistischen Theologen dachte. Vgl. auch die Wertschätzung, deren sich Chyträus bei Kurfürst August von Sachsen erfreute, worauf Koch, Aufbruch, S. 55, aufmerksam macht. 29 WA.B 14, S. 436. 30 a. a. 0 . , S. 439. 31 So bei Barton in TRE 8, S. 89.

5 Ergebnisse und Einsichten

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geschieht erst im Vergleich mit dem lateinischen Text, daß uns dieser theologisch geprägte Historiograph deutlich vor Augen tritt. Hier haben wir sein Melanchthonbild in klaren Umrissen vor uns. Kann das stimmen, wenn wir doch wissen, daß die lateinische Textfassung eine umfassendere Beschreibung der geschichtlichen Wirkung des Bekenntnisses vorlegt? Wir müssen dazu in Erinnerung rufen, daß in jenen Jahren nicht nur Chyträus seine historischen Studien zum Bekenntnis lutherischer Kirchen schrieb. Die Dokumente, die in der lateinischen Fassung zusätzlich im Textanhang stehen32, hatten allesamt nicht Aufnahme in die Reihe der lutherischen Bekenntnisschriften gefunden, waren dadurch wieder zu Privatarbeiten Melanchthons und anderer Autoren oder zu »philippistischen« Positionen geworden, die nach 1574 in Sachsen nicht mehr geschätzt waren. Chyträus wollte einer solchen Verdrängung entgegenwirken, wie wir auch aus seiner Mitarbeit an der Konkordienformel noch sehen werden33. Deshalb gab er der lateinischen Fassung diese Texte bei. Es war andererseits durchaus im Sinne der Absicht der Konkordienformel, die starke Übereinstimmung zwischen Luther und Melanchthon herauszuarbeiten. Aber damit greifen wir bereits über den Versuch der Deutung des Textbefundes hinaus. Dazu ist hier nicht der Ort. Wie sonst sollte man es sich aber erklären, daß weder die Confessio Saxonica noch die Confessio Wirtembergica in der deutschen Fassung erwähnt werden? Die Wittenberger Konkordie war dagegen auch für die deutsche Textgestalt wichtig gewesen34. Aber die Augsburger Dokumente der oberdeutschen Städte und Zwingiis fallen durch das Sieb. An diesen Stellen zeigt sich, daß der Theologe Chyträus sich von einem Archivar deutlich unterschied35. Nun wird man beachten müssen, daß auch die lateinische Fassung nicht als Arbeit eines Archivars eingestuft werden sollte. Für die Fachleute fließen Stücke ein, die historisch wichtig waren, oder die im theologischen Schulbetrieb zur Interpretation gebraucht wurden. Der zeitliche Zusammenhang mit dem Abschluß des Konkordienbuches erklärt die Unterschiede der Gestaltung von lateinischem Text von 1578 und deutschem Text von 1580 auch noch nicht zureichend. Er ist vielmehr nur ein Aspekt. Wichtiger und überzeugender scheint, daß Chyträus bei der deutschen Fassung im Interesse des seelsorgerlichen Gedankens der Vergewisserung offenbar andere Schwerpunkte als bei der lateinischen Fassung zu setzen wußte, wie wir das oben schon beobachtet haben. Wenn dieser Gesichtspunkt einer theologischen Eigenprägung für die Charakterisierung des deutschen Texts zutreffend ist, dann folgt daraus, daß wir auch die Intention des lateinischen Texts nicht allein von seiner Sprache her festlegen können. In ihm verbinden sich dann die Elemente

32 33 34 35

Vgl. Vgl. Vgl. Vgl.

o. u. o. o.

S. S. S. S.

102-106. 167f. 79f. 11-17.

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5 Ergebnisse und Einsichten

des europäischen Horizonts mit solchen des akademischen Lehrbetriebs. Beide Elemente bedingen zusammen die eigene Prägung der Textgestalt in der lateinischen Fassung. Trifft es zu, daß Chyträus Vorlesungen über das Bekenntnis von Augsburg gehalten hat36, dann kann eine Textausgabe der Confessio mit anschließendem »Index ,..«37 als erste Stufe einer Quellensammlung und Interpretationshilfe für den akademischen Lehrbetrieb gelten, in dem auch die Historia in ihrer lateinischen Fassung zur Anwendung kommen sollte. Gerade das stand jedoch der Widmung an Johann III. von Schweden nicht im Weg, denn Rostock war eine Universität, wo viele Studenten aus Skandinavien studierten38, was wohl auch wesentlich durch die Bedeutung begründet war, die sich mit dem Namen von Chyträus für die Universität verband. Dadurch wird die Verbindung zum schwedischen Königshaus mit gefestigt worden sein. Die unverwechselbare Widmung an den König war nicht so sehr auf gute Beziehungen zu ihm allein gegründet, sondern vielmehr auf eine sehr bestimmte theologische und kirchenpolitische Absicht. Zu dieser Absicht mögen den Autor gerade Kontakte mit schwedischen Studenten und daraus folgende Informationen angeleitet haben39. Worum es ihm im Blick auf Schweden ging, ein Zeugnis für die Einheit der Kirchen Augsburgischer Konfession vorzulegen40, das hatte seine Bedeutung ja nicht nur in Skandinavien, sondern für alle Territorialkirchen dieses Bekenntnisses.

36 Vgl. o. S. 19. 37 Vgl. o. S. 98 mit Anm. 109f. 38 Vgl. Heidorn, Geschichte, S. 37, und Krabbe, Rostock, S. 666. - Für die finnischen Studenten in Deutschland im 16. Jahrhundert haben wir eine Tabelle, aus der hervorgeht, daß in Rostock sofort nach Wittenberg die meisten Studenten aus Finnland, die in Deutschland ihre Ausbildung empfingen, eingeschrieben waren, vgl. Heininen, Studenten, S. 98f. 39 Im Brief vom Oktober 1563 schrieb Chyträus an Hartmann Beyer in Frankfurt (Frankfurt, SUB: Ms Ff. H. Beyer A 61), Nicolaus Güldenstein, der Kanzler des schwedischen Königs, sei bei ihm. Chyträus als sein ehemaliger Präzeptor kenne ihn gut. Auch mit Erich Sparre, dem Kanzler des schwedischen Königs, dessen Vater einst schon in Diensten Gustav Wasas stand, führte Chyträus Briefwechsel, vgl. Krabbe, Chyträus, S. 401 f. Zum gesamten Netz der Handelsbeziehungen der Hansestadt Rostock, auch nach Skandinavien, vgl. etwa Heitz, Rostock. 40 Vgl. o. S. 89.

6 Historia der Augsburgischen Konfession in der Darstellung durch die Zeitgenossen

Wollen wir das Werk von Chyträus recht würdigen, so müssen wir auch ins Auge fassen, wie die Zeitgenossen sich dazu verhielten. Wir greifen zu diesem Zweck die Werke auf, die auf ihre Weise auch über das Bekenntnis von Augsburg handelten. Chyträus hat sich nämlich damit später auch auseinandergesetzt. Während sein Konflikt mit Georg Cölestin immer bekannt war und mehrfach erörtert wurde, ist die Forschung über Chyträus bisher auf seine Herausforderung durch Christof Hardesheim nicht eingegangen, weil man offenbar die verschlüsselten brieflichen Bemerkungen nicht mehr verstanden oder anderen Zusammenhängen zugeordnet hat.

6.1 Georg Cölestin Wie wir bereits gesehen haben, ist es der Berliner Propst1 gewesen, der Chyträus die Anregung zu seiner Historia gegeben hatte2. Die Freundschaft zwischen beiden zerbrach auf der gemeinsamen Reise, die sie 1573 in die Steiermark führen sollte. Es war zwar der Vertreter der steirischen Stände, der ihn unterwegs wegen unerfreulichen Benehmens entließ, aber Cölestin glaubte seinen Freund Chyträus an dieser Demütigung beteiligt3. So kam es zum Streit zwischen beiden, als Cölestin behauptete, er sei Mitarbeiter am Werk des Rostockers. Chyträus schob nach dem Erscheinen der Arbeit von Cölestin die Veröffentlichung seiner lateinischen Fassung deutlich hinaus4. Wir können auf die Arbeit von Cölestin an dieser Stelle nicht in voller Breite eingehen. Wir müssen uns aber vor Augen führen, was der Berliner Propst geschrieben hat, damit wir die Reaktionen des Rostocker Professors verstehen können.

1 Über Georg Cölestin (1525-1579) vgl. WA.B 14, S. 291 und Spieker, Musculus, S. 187f. 2 Vgl. o. S. 21 mit Anm. 19. 3 Vgl. WA.B 14, S. 429f, Anm. 8. 4 Vgl. o. S. 81.

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6 Historia der Augsburgischen Konfession in der Darstellung ..

Im Jahr 1577 veröffentlichte Georg Cölestin seine »Historia Comitiorum ,..«5, ein Werk, das erheblich größeren Umfang hatte als die Historia von Chyträus6. Zeitlich gesehen müssen wir also das Werk zwischen den ersten deutschen Auflagen und der lateinischen von Chyträus einordnen. Zugleich haben wir die Angaben aus den ersten Auflagen des Rostockers noch im Gedächtnis, daß dieser Mann die lateinische Sammlung bei sich habe7. Cölestin gliederte sein Werk in vier Bände, die er jeweils mit groß angelegten Widmungen versah8. Das Gliederungsprinzip ist eine zeitliche Ordnung. Band 1 stellt die Ereignisse des Reichstags bis zur Verlesung der Confessio Augustana dar. Band 2 dokumentiert die Akten von der Confessio am 25. Juni bis Ende Juli. Band 3 umgreift die Monate August und September, Band 4 enthält die Dokumente von der Apologie am 22. September bis zum Schluß des Reichstags. Im Titel betont er bereits, daß er die enthaltenen Schriftstücke während vieler Jahre mit hohen Kosten® und auf gefährlichen Reisen10 gesammelt habe. In seinem Vorwort an den Leser11 wie auch im Widmungsbrief hebt er hervor, daß er viele Autographen besitze, hebt sehr bewußt hervor, daß diese Historia sein Werk sei. Sogar weist er den Leser ausdrücklich darauf hin, daß niemand geistigen Diebstahl bei ihm begehen dürfe. Die deutsche Übersetzung, die er in Aussicht stellte, konnte er nicht mehr verwirklichen, weil sein Tod (1579) ihn daran hinderte12. Diese Betonungen zeigen die Schwachstellen. Zwar enthält das Werk von Cölestin eine erheblich größere Zahl von Dokumenten als das von Chyträus13, aber doch konnte nachgewiesen werden, daß er nicht nur zahlreiche Schriftstücke von dem Rostocker Manuskript entnommen hatte, sondern auch von den verbindenden Texten des Chyträus Gebrauch machte14. Wollte man dieser Frage überlieferungsgeschichtlich näher nachgehen, so wären erhebliche Arbeiten im Vergleich mit älterem gedruckten und ungedruckten Material nötig. Im Hinblick auf die Luther-Briefe ist diese Arbeit geleistet worden15. Das wäre im Blick auf andere Texte fortzusetzen. Es fällt auf, daß wir sehr viel anderweitiges Briefmaterial vorfinden, das einen weiteren Personenkreis umfaßt. Andererseits kennt er nicht die text5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15

Vgl. die vollständigen Angaben unten in der Bibliographie und WA.B 14, S. 615f. Insgesamt 537 Blätter (ohne Titeleien und Vorworte). Vgl. o. S. 21 mit Anm. 19. Vgl. WA.B 14, S. 441, Anm. 73. Zur Selbsteinschätzung von Cölestin und seiner Stellung zu Geldfragen vgl. Spieker, Musculus, S. 349f, Anm. 4. Zu Cölestins Reisen vgl. die Kostenaufstellung bei Spieker, Musculus, S. 341, Anm. 5. Bd. 1, Titelrückseite, vgl. WA.B 14, S. 443, Anm. 85. Vgl. WA.B 14, S. 445 mit Anm. 91. Vgl. Thüringer, Chytraeus, S. 168, und WA.B 14, S. 442. Zu Cölestins Bedeutung für die Sammlung von Luther-Briefen, vgl. WA.B 14, S. 446-448. Vgl. WA.B 14, S. 444f. Vgl. WA.B 14, S. 442f und S. 615-618.

6.1 Georg Cölestin

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kritischen Differenzierungen, die Chyträus beim Abdruck der zentralen Texte, etwa der Apologie, vornahm. Ein eigenes Sonderkapitel, wie die Verhandlungen mit den Oberdeutschen, kennt er nicht. Wie in der ersten Auflage von Chyträus, steht am Ende nur Luthers »Warnimg an seine lieben Deutschen«. Der Reichstagsabschied wird nur nach einer Zusammenfassung von Johann Sleidan vorgelegt. Das Werk ist durch chronologische Übersichten und sachliche Register in jedem Teilband hilfreich für den Leser zugänglich. Hält man sich vor Augen, wie stark Cölestin seine eigene Leistung an dieser Darstellung unterstreicht, so versteht man, worum es Chyträus gegangen ist, als er von der Ausgabe Rostock 15762 an seine Historia durch einen »Bericht...« abschloß, in welchem er genaue Quellenangaben über das verwendete gedruckte Textmaterial machte und betonte, daß er nicht Autor sei, sondern nur die Texte zusammen geordnet habe16. Am deutlichsten setzt sich Chyträus mit den Vorwürfen von Cölestin in einer Schrift an Paul Prätorius17 auseinander. Ohne den Streit in aller Breite zu rekonstruieren18, muß man sich doch deutlich machen, daß Cölestin keinen geringeren Anspruch erhoben hatte, als den, er sei »author et socius«19 des Werkes von Chyträus. Mit diesen »criminationes« setzte der Rostocker sich im Schreiben an Prätorius20 auseinander. Er stellte das Urteil dem Leser anheim und zeigte sich im Recht. Die ganze Tragödie sei aufgekommen durch die gemeinsame Reise in die Steiermark und nach Österreich im Jahr 157321. Er habe die Schuld an der Rücksendung fälschlicherweise auf Chyträus geschoben. Der Legat, der die Reise begleitet habe, sei es jedoch gewesen, der auch die Gründe der Rücksendung den beteiligten Fürsten geschrieben habe22. Nach diesen Vorbemerkungen über den Zwischenfall, welcher das gute Verhältnis zwischen den einst befreundeten Theologen zerstört hatte, kommt Chyträus zur Sache. Cölestin hatte von sich behauptet, er sei der Autor des Rostocker Werkes. Chyträus, der davon

16 17 18 19

Vgl. auch WA.B 14, S. 430f, Anm. 10 und S. 436, Anm. 34. Über Prätorius vgl. WA.B 14, S. 430, Anm. 8. Vgl. die Darstellung in WA.B 14, S. 436f. Chytraei epistolae, S. 1129. Dieser Brief gehört in das Umfeld des Konventes von Torgau 1576. Hier erwähnt Chyträus, er habe auch ein Blatt geschickt, in welchem er »criminatori Uli profitenti, se authorem & socium Historiae Confessionis Augustanae, a me editae« geantwortet habe. 20 Chytraei epistolae, S. 846-853. Diese »Praemonitio« war auch als Separatdruck im Jahr 1576 erschienen, vgl. WA.B 14, S. 430, Anm. 8. 21 Vgl. dazu Krabbe, Chyträus, S. 275. - Joachim Westphal in Hamburg verteidigte sich am 29. Oktober 1573 in einem Brief an Chyträus, er sei nicht ein Helfer für Cölestin (Berlin, SBPK: Ms. boruss. fol. 201, Nr. 117). In einem undatierten Brief an Nikolaus Seinecker beklagt sich Chyträus, er habe einen Brief von Seinecker, Jakob Andreae und Andreas Musculus, der in der Angelegenheit Cölestins geschrieben worden sei, nicht erhalten (Krakau, Biblioteka Jagiellonska: Autographensammlung). 22 Vgl. dazu auch Chytraei epistolae, S. 323.

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6 Historia der Augsburgischen Konfession in der Darstellung .

gehört hatte, weist diese Behauptung zurück. Cölestin müsse wissen, daß er nicht eine einzige Seite davon geschrieben habe23. Auch an dieser Stelle unterstreicht Chyträus, niemand könne sich Autor dieser Abhandlungen und Schreiben nennen, weil sie in den Bänden der Schriften Luthers und Melanchthons und anderen zerstreuten Akten von jenem Konvent vorlägen. Er könne nur bestätigen, daß er sie gesammelt und in eine zeitliche Ordnung gebracht habe. Deshalb weist er die Behauptung der Autorschaft zurück, wenn er auch festhält, daß Cölestin ihm den ersten Anstoß für seine Sammelarbeit gegeben habe. Nun geht er zur Begründung von Einzelheiten über die Herkunft seiner Quellen über. Das Exemplar der Confessio Augustana, das er seiner Historia eingefügt habe, sei vier Jahre früher auf Befehl des Brandenburgischen Kurfürsten in der Ordnung der Kirchen der Mark öffentlich im Druck vorgelegt worden24. An Briefen habe er nur bereits gedruckte Dokumente vorgelegt, obwohl er auch andere Briefe zur Hand habe. Er erwähnt die gleichen Schreiben, die ihm auch in seiner deutschen Historia als zweifelhaft erschienen waren. Und er berichtet, daß er Dokumente aus Spalatins Bibliothek erhalten habe, andere Briefe habe er aus Prag erhalten, andere von Caspar Eberhard, andere von einem ungenannten Freund aus Erfurt in Thüringen25, kürzlich habe er von Erasmus Ebner, der selbst beim Reichstag gewesen sei, viel bekommen, vor allem das vollständige Exemplar der Confutatio. Chyträus glaubt nachweisen zu können, daß Cölestin seine Textsammlung fälschlich als sein Werk herausgebracht habe, wie früher schon bei den »Statuta collegii canonicorum«26. An dieser Stelle kündigt Chyträus gegenüber Prätorius an, er wolle darüber in einer kurzen Apologie27, welche er den Akten über den Augsburger Konvent anhänge, Antwort geben. Wir können in dem Text vom Mai 1576 also die Ankündigung seines »Berichts« über die Herkunft der Texte erkennen, den wir seit der 2. Auflage der deutschen Historia am Ende des Bandes vorfinden.

23 a. a. O., S. 849: »... cum sciat se, ne vnam quide paginam, in toto illo opere Germanico, iam edito, & Latino a me primum coagmetato, (cuius ipse etiam penes se exemplü a me acceptum habet) contexendo & vertendo, vnquam scripsisse.« 24 Vgl. ο. S. 44 mit Anm. 64. 25 Er meint damit wohl Johann Aurifaber. 26 Vgl. dazu WA.B 14, S. 430, Anm. 10. - Der Brief vom November 1575 läßt keinen Zweifel, daß Chyträus tief enttäuscht war, sich aber auch über die ehrgeizigen Anmaßungen Cölestins mockierte (Berlin, SBPK: Ms. boruss. fol. 54, Bl. 109r-110r). Auch in einem Brief an Matthias Ritter in Frankfurt vom 12. Januar 1579 ging Chyträus darauf ein (Hamburg, SUB: Sup. ep. 2, 134r-135r). 27 Die gleiche Apologie erwähnt er im Brief vom August 1576 an Christoph Corner, den er bittet, zusammen mit Andreas Musculus dazu zu helfen, daß der Streit (»Coelestini furiae«) beigelegt werde: Chytraei epistolae, S. 1171-1174, vgl. WA.B 14, S. 437 mit Anm. 41 bis 46.

6.2 Christof Hardesheim

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Dies Zeugnis ist von einigem Gewicht. Neben seinem Wert als Selbstzeugnis von der Hand des Autors28 ist es auch eine Anleitung für die Forscher des 20. Jahrhunderts. Tatsächlich ist es so, daß eine ganze Reihe von Dokumenten erstmals in der lateinischen Fassung von Chyträus und dann in der deutschen von 1580 vorgelegt werden, also nach der Publikation von Cölestin. Die Bearbeiter des Corpus Reformatorum haben oft in ihren Quellenangaben nur Cölestin angegeben, weil sie mit dem reichhaltigeren Werk wohl mehr gearbeitet haben. Es könnte der Eindruck entstehen, Chyträus habe 1578 von Cölestin Dokumente übernommen. Dieser Eindruck ist nach dem beschriebenen Sachverhalt nicht zutreffend. Wir beachten dabei, daß bis zum Bruch auf der Reise von 1573 ein Austausch zwischen beiden ja noch stattgefunden hat, so daß gewisse Parallelismen auch durchaus verständlich sind29. Bei aller Anerkennung der eigenen Leistung von Cölestin sticht sein apologetisches Interesse in den einleitend beschriebenen Bemerkungen aus dem Vorwort zu deutlich ins Auge. Aber wir müssen festhalten: Wahrscheinlich wären wir ohne die Provokation durch den Berliner Propst nicht im Besitz des wertvollen »Berichts ...« von Chyträus über die Herkunft der verarbeiteten Quellen am Ende der späteren Fassungen der deutschen Ausgabe.

6.2 Christof Hardesheim Während Cölestin aus dem gleichen theologischen und kirchenpolitischen Umfeld heraus in einem mehr persönlichen Konflikt seine Konkurrenzarbeit zu Chyträus publiziert hatte, gab es eine zweite, für deren Entstehung andere Bedingungen gelten. Christof Hardesheim30 war nicht allein ein allgemeiner Kritiker der Konkordienformel31, sondern auch direkter Kontrahent von Chyträus in seiner Darstellung des Augsburger Reichstags32. Hardesheim war im Hauptberuf nicht Theologe, sondern Jurist. Sein Wirkungsort war Nürnberg. Seine Schriften über dogmatische Streitfragen der Zeit, besonders über das Abendmahl, ließ er zum Teil unter Pseudonym erscheinen33. Seine Publikationsorte ließen den Eindruck aufkommen, er sei reformierter Theologe. Jedenfalls machte er sich zu einem Verteidiger der reformierten Position und 28 Im Mai 1579 schrieb Chyträus darüber auch ausführlich an Matthias Ritter in Frankfurt (Hamburg, SUB: Sup. ep. 2, 117r-120r). 29 Vgl. Krabbe, Chyträus, S. 308-310. - Die ausgetauschten Briefe aus dem Jahr 1570 legen davon beispielhaft Zeugnis ab (Berlin, SBPK: Ms. boruss. fol. 54). 30 Der Name wird häufig in der latinisierten Form Herdesianus zitiert und verwendet, vgl. ADB 12, S. 101. 31 Er schrieb verschiedene Schriften gegen die Abendmahlslehre der Konkordienformel, die heute in Microfiche-Edition der Inter Documentation Company zu haben sind. 32 Vgl. dazu Kolb, Luther, S. 39 mit Anm. 22. 33 Vgl. ADB 12, S. 101.

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6 Historia der Augsburgischen Konfession in der Darstellung .

verstand es, so zu schreiben, daß seine Laienarbeit als solche nicht den Tadel der Fachleute erregte. Sein Buch »Historia der Augspürgischen Confession...« erschien unter dem Pseudonym Ambrosius Wolf 4 in Neustadt an der Weinstraße oder - wie man damals sagte - an der Haardt. Dieser Publikationsort muß im historischen Kontext gesehen werden. Neustadt war ein geistiges Zentrum der Pfalz. Hier war die Zufluchtsstätte der reformierten Theologen dieses Landes am Gymnasium illustre Casimirianum, während Kurfürst Ludwig von der Pfalz in Heidelberg vorübergehend noch einmal dem Luthertum Raum gab35. An diesem Ort wurde die »gründlichste« von allen Gegenschriften gegen die Konkordienformel geschrieben36. An der Spitze dieser Theologen stand Zacharias Ursinus37, der Verfasser des Heidelberger Katechismus. Neustadt gilt als das »reformierte Hauptlager«38 in den Kämpfen dieser Zeit39. Wo die Gründe für den heftigen Widerstand gegen die Konkordienformel lagen, wird erst deutlich, wenn wir uns bewußt machen, daß nach geltendem Reichsrecht durch den Augsburger Religionsfrieden nur den Ständen, »so der Augsburgischen Konfession verwandt«, die Ausübung ihres Glaubens und Gottesdienstes freigestellt war40. Der Augsburger Religionsfriede weist jedoch stark in die »mittelalterliche, geistlich-weltliche Einheitskultur zurück«41. Die beiden großen Konfessionen waren durch das Bekenntnis von Augsburg geteilt, aber sie hatten doch auch die Wahrheitsbindung des Bekenntnisses gemeinsam, so daß die Aufrechterhaltung des Sektenverbots im Reichsrecht auch trotz der Glaubensspaltung konsequent war42. Auf dem Augsburger Reichstag von 1566 mußte deshalb Kurfürst Friedrich III. von der Pfalz den Beweis zu bringen versuchen, daß die von ihm geförderten calvinisierenden Neuerungen im Land vom Augsburger Bekenntnis rechtlich abgedeckt werden. Seine Position hatte zu reichsrechtlichen Verhandlungen über die Legalität des Bekenntnisstandes in der Pfalz geführt43. Nun hatte die Konkordienformel als Abschluß eines langwierigen Prozesses die Absicht, einen klaren Trennungsstrich 34 Vgl. die Druckbeschreibung in der Bibliographie unter Wolf, Historia. 35 Vgl. Wolgast, Reformation, S. 84. - Zum Verständnis der Hohen Schule in Neustadt vgl. Benrath, Casimirianum. 36 Vgl. E. F. K. Müller, Neostadiensium admonitio, in: RE 13, S. 709f. Zur Druckbeschreibung vgl. Hammer, Melanchthonforschung 3, S. 205f, Nr. *506. 37 Vgl. F. Hauss, Ursinus, in: RGG 6, Sp. 1204. 38 Müller, RE 13, S. 710,37. Müller rechnet Hardesheims Historia mit zu den Dokumenten der Neustädter Theologie. Er verwechselt den Vornamen von Herdesianus mit dem seines Großneffen Cyriacus Herdesianus, vgl. ADB 12, S. 101. 39 Es ist hier nicht der Ort, auf die wechselvolle Entwicklung der konfessionellen Prägung in der Pfalz einzugehen. Vgl. dazu Wolgast, Reformation, S. 81-85. 40 Vgl. Leube, Kalvinismus, S. 14f. 41 Vgl. Heckel, Reichsrecht, S. 1002. 42 Vgl. a. a. 0 . , S. 1006. 43 Vgl. a. a. O., S. 1007f und unten S. 153-157.

6.2 Christof Hardesheim

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zu ziehen zwischen den Anhängern der »wahren« und unveränderten Augsburgischen Konfession und den anderen Gemeinschaften, für welche dann der Sektenbegriff gebraucht wurde44. Der Kampf um die Legitimität der Berufung auf die Confessio Augustana war in dieser Lage mehr als ein Streit über theologische Schulmeinungen. Es war der Kampf um ein Existenzrecht der »Landeskirche« der Pfalz im Reich. In diesem Umfeld ist die Publikation der Historia der Augsburgischen Confession aus der Feder von »Ambrosius Wolf« in Neustadt an der Hardt45 zu sehen. Was Hardesheim mit seiner Darstellung der Geschichte des Augsburger Bekenntnisses wollte, wird bereits am Titel deutlich. Ihm ging es um die Abendmahlsfrage, die sich in der weiteren Entwicklung des sogenannten Kryptocalvinismus besonders deutlich gestellt hatte. Daß sein Werk in Neustadt an der Weinstraße erschien, ist sicher kein Zufall46. Er richtete sich im Titel »wider die Patres Bergenses«, die Väter der im Kloster Berge bei Magdeburg verfaßten Konkordienformel, deren einer auch Chyträus gewesen ist. Er wirft diesen Männern vor, sie hätten in ihrem Konkordienbuch nicht allein ihre »neue irrige« Lehre den Leuten mit Gewalt aufzudringen versucht, sondern auch begonnen, alle diejenigen, »so demselben jhrem Buch nicht subscribirn wollen / vnter dem furgewanten schein / daß sie der Augspurgischen Confession nicht weren [= ihr nicht angehören] / zu anathematizirn / vnd zu verdamen / auß dem Religionsfrieden außzuschliessen«47. Er bestreitet, daß die »abscheuliche und erschreckliche« Lehre von der Ubiquität der Person Christi in beiden Naturen der Confessio gemäß oder ähnlich sei48. In diesen Zusammenhang will er die Informationen seiner Darstellung einbringen. Er will die Entwicklung des Abendmahlsartikels darstellen, wie sie deutlich wird in der Wittenberger Konkordie und in den Gesprächen, welche Melanchthon nicht aus Privatabsichten geführt habe. Er nennt ausdrücklich die Religionsgespräche von Worms und Regensburg, die Confessio Saxonica, den Frankfurter Rezeß und den Naumburger Fürstentag, in welchen die Oberländischen als Augsburgische Konfessionsverwandte behandelt worden seien49. Hardesheim hebt hervor, es sei »auf furnemer Personen Rath und gutachten« für notwendig gehalten worden, diesen Stand »mit allem getrewem fleiß« zu wahren gegen 44 Vgl. Leube, Kalvinismus, S. 20f. 45 In der bekannten Druckerei von Matthäus Harnisch in Neustadt (vgl. Benzing, Buchdrucker, S. 326, Nr. 2) wurden in jener Zeit viele Melanchthon-Werke gedruckt. Man wird sich hüten, das Verlagsprogramm ausschließlich unter konfessioneller Ausrichtung einzustufen. Harnisch war ein guter Geschäftsmann. 46 Vgl. auch die Druckbeschreibung bei Hammer, Melanchthonforschung 1, S. 355f, Nr. 497. Im Jahr 1581 erschien eine veränderte zweite Auflage, vgl. a. a. O., S. 361 f, Nr. 508, 1584 ein Supplementum, vgl. a. a. 0 . , S. 372f, Nr. 521. 47 Wolf, Historia, Bl. A 2a. 48 In den gleichen Zusammenhang gehört sein Buch: Wolf, Fundamenta. Vgl. die Druckbeschreibung in der Bibliographie. 49 Wolf, Historia, Bl. A 2b-A 3a.

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6 Historia der Augsburgischen Konfession in der Darstellung .

den »Betrug« der Bergischen Väter, die in der Ubiquität einen Hauptgrund der Augsburger Konfession sehen und einführen wollten und sich unterstanden hätten, dies aus den vorgefallenen Akten und Geschichten zu belegen. Damit ist er bereits bei der historischen Arbeit von Chyträus angekommen, ohne ihn schon zu nennen. Das Bergische Buch zerbreche nachträglich die Legitimität der Wittenberger Konkordie und des Naumburger Abschiedes. Die Väter von Berge würden ihren Betrug mit Luthers Namen und Autorität »beschönen« und ihrem Lehrer Gewalt antun. Das Bergische Buch sei ein »Discordibuch« 50 . Hardesheim stellt zunächst kurz und für seine Zwecke zugespitzt dar, was das Bergische Buch unter Ubiquität versteht. Er will dazu das Urteil seiner Leser erbitten. Neben das Bergische Buch stellt er die beiden Werke von Chyträus und Cölestin: »grosse Bücher von der Augsburgischen Confession«. Er meint, der Leser könne leicht feststellen, »daß sie aller hernach vber solcher Confession erfolgter vnd gepflogener handlung gantzlich / vnd mit sonderm list verschweigen / gleichsam als ob an der Augspurgischen Confession / vnnd derselben rechten waren verstand / vnd Bekantnuß / nichts anders / noch mehr zu suchen were / dann allein die blosse leibliche gegenwertigkeit / vnter gestalt deß Brots vnd Weins / vnnd daß die gegenlehr verworffen sey«. Dies sei das »Persianisch Decret« der Bergischen Väter und dieser Autoren. Die Augsburgische Konfession sei hingegen nicht dieser Meinung, sondern »auff Verbesserung / wann man deren bericht würde / gestellt / vnd vbergeben worden« 51 . Hardesheim stellt fest, die Anhänger der Confessio Augustana könnten damit rechnen, daß man auf seiner Seite ganz bei der Position der Wittenberger Konkordie stehe. So möchte er die Beendigung des Streits und die Beseitigung des verhaßten Sektierernamens erreichen52. Mit dieser Problemstellung schreitet Hardesheim den Gang der Geschichte der Reformation ab. Seine Darstellung werde dem Leser dazu dienen, den Betrug der Bergischen Väter zu erkennen. Wir beachten also seine Konzentration auf die Abendmahlsfrage, die für ihn bei der Dokumentenauswahl und Darstellung leitend gewesen ist. Wir brauchen diesen Gegenentwurf nicht in voller Breite zu untersuchen. Die Absicht wird klar aus den einleitenden Überlegungen des Autors. Er nahm mehrfach kritisch Stellung zur deutschen Historia von Chyträus. Hardesheim meint weiter, aus der Historia von Chyträus belegen zu können, die Lutheraner hätten auf dem Reichstag 1530 nicht gewagt, die »babstische Transsubstantiation« zu verwerfen oder zu verneinen. Im Ausschuß sei sogar den Papisten in dieser Frage Beifall gegeben worden. Dieser Irrtum sei vielmehr erst durch die Wittenberger Konkordie verworfen worden53. 50 51 52 53

a. a. 0 . , Bl. Α 4a. a. a. 0 . , Bl. Α lb. Vgl. a. a. 0 „ Bl. Β 2a. Vgl. a. a. O., S. 45.

6.2 Christof Hardesheim

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Hardesheim weist an dieser Stelle ausdrücklich darauf hin, daß Landgraf Philipp von Hessen doch auch in Augsburg wegen der umstrittenen Abendmahlsfrage nicht sofort bereitwillig unterschrieben habe 54 , wie aus der Historia von Chyträus hervorgehe 55 . In einem zweiten Teil legt Hardesheim die »Acta concordiae« zwischen Luther und den evangelischen Städten der Schweiz vor56. Der Prozeß der Bemühungen seit dem Marburger Gespräch wird hier aus der Sicht des Autors rekonstruiert. Er versucht, Melanchthon so darzustellen, daß die Konsequenzen, die von den reformierten Theologen gezogen wurden, als konsequente Fortsetzung seiner Position erscheinen. Er versucht aber auch, Luther selbst gegen die Bergischen Väter auszuspielen. Hier geht es ihm besonders um die Korrespondenz Luthers mit den Schweizern im Anschluß an die Wittenberger Konkordie. Seine Argumentation baut stark auf den Brief Luthers an die Abgeordneten der reformierten Schweizer Orte vom 27. Juni 1538 auf, in dem Luther noch einmal sehr freundlich zur Frage der Abendmahlskonkordie Stellung genommen hatte57. Hardesheim deutete diesen Schriftwechsel als eine neue Konkordie und stützte seine ganze Beweisführung darauf 58 . Nur von da aus erschließt sich auch das rechte Verständnis seines programmatischen Buchtitels, der die »Concordia« mit den Schweizern thematisiert. Deshalb ging er auf die einzelnen Dokumente der erwähnten Zeitspanne von 1529 bis 1538 natürlich besonders breit und ausführlich ein. Im Rahmen dieser Darstellung bemerkt er, daß auch in den Bänden der Luther-Ausgaben Dokumente übergangen worden seien, welche ebenso Chyträus in seiner Historia ausgelassen habe. Das sei eine »Vertuschung«, die er beklagt 59 . Hardesheim schließt seine Darstellung mit: »Ware bestendige Argument vnd gründe / wider der Bergischen Vatter ungerechten verstandt der wort

54 55 56 57

Vgl. a. a. 0 . , S. 130f und S. 134f. Vgl. o. S. 97. Diese Acta beginnen auf S. 251. a. a. 0 . , S. 325f. Der Brief von Luther, der sich in WA.B 8, S. 241f, Nr. 3240, findet, hatte in den Luther-Ausgaben gefehlt, die Chyträus zur Verfügung standen. Der Brief war erst durch die »Acta concordiae«, Heidelberg 1572, bekannt geworden. Diese Publikation soll auch auf Hardesheim zurückgehen, vgl. Irene Dingel, in: ThLZ 114, 1989, Sp. 444. Auch Caspar Schwenckfeld hatte Kenntnis von diesem Brief Luthers und versah ihn mit Glossen, vgl. C Sch 6, S. 113-118, Document 263. Das Autograph dieses Briefs, das lange Zeit als verschollen galt, wurde jüngst von der Zentralbibliothek der Stadt Zürich für einen stolzen Preis erworben, vgl. Röder, Brief. 58 In der heutigen reformierten Theologie wird diese Nachgeschichte der Wittenberger Konkordie offenbar nicht thematisiert, vgl. Wilhelm Neuser, in: Andresen, Handbuch, S. 212-218. 59 Vgl. a. a. 0 . , S. 290.

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6 Historia der Augsburgischen Konfession in der Darstellung .

Christi / von seinem heiligen Abendtmal«60. Zunächst stellt er fest, Christus habe seinen Jüngern nur Brot zu essen gegeben im Abendmahl, ebenso auch nur Wein. Er schließt ab: »Ergo, So ist auch das Brot des HERRN Nachtmals nit darumb / vnd in solchem verstand der Leib Christi / daß derselbe leiblich / aber vnsichtbar / vnd vnbegreifflich / im Brodt zugegen vnd begriffen wer / auch mundlich darinnen genossen vnd empfangen wurde / sonder darumb / vnd dieser vrsach wegen / daß den Glaubigen / welchen allein Christus das Sacrament zum Gnadenzeichen vnd geheimnuß hat eingesetzt / mit Brot und Wein / die ware gemeinschafft des Leibs vnd Bluts Christi geistlich / das ist durch krafft vund wurckung deß Geistes Gottes / der sie mit dem Haupt Christo vereiniget / vnd einverleibet / gegeben / mitgetheilt vnd versichert wirt. Vnd also ist das Brot des Nachtmals nit schlecht noch gemein Brot / sonder ein Sacrament vnd geheimnuß der aller grasten Gnaden und gutthaten / die wir in Christo durch sein gemeinschafft haben.« Hardesheim hielt also abschließend fest, daß nach seiner Meinung die Confessio Augustana im Sinne der Fortschreibung durch die Wittenberger Konkordie so lehre, wie es in der calvinistischen Abendmahlstradition der Pfalz und anderer Länder seither gepflegt werde61. Chyträus hat sich in seinen Briefen sehr deutlich mit der Position von Hardesheim auseinandergesetzt, scheinbar ohne genau zu wissen, wer »Ambrosius Wolf« war62. Auch andere aus dem Kreis der »Patres Bergenses« haben ihm direkt geantwortet63 oder es doch wenigstens geplant64. 60 a. a. 0., S. 363-368. 61 Vgl. auch die Schrift: Ambrosius Wolf, De Confessione Avgvstana, quo sensu iampridem a socijs eius intellecta, accepta et approbata fuerit, ο. O. 1579. Hier wurde die Abendmahlslehre des Frankfurter Abschiedes von 1558 als verbindliche Lehraussage der Augsburger Konfessionsverwandten interpretiert, vgl. Mager, Konkordienformel, S. 389. 62 Es ist aber auch möglich, daß Chyträus sich nur bewußt an die offizielle Form des Autorennamens gehalten hat. Später wußte er jedenfalls, daß es sich dabei um ein Pseudonym handelte. So dankte er am 2. Juli 1581 Conrad Pistorius in Antwerpen: »Quod de Ambrosio Wolfio Herdessiano significasti, gratiam habeo ...« (Chytraei epistolae, S. 389). Pistorius [= Becker] hatte ihm offenbar Informationen über den Autor, der ihn verletzt hatte, zukommen lassen. 63 Nikolaus Seinecker schrieb 1582 »FORMA concordiae Anno 36. zu Wittenberg geschrieben ... zu ableinung der newen Lügen in des Vuolfii Historia...«, vgl. BSLK, S. 977, Anm. 1, und Irene Dingel, in: ThLZ 114, 1989, Sp. 443f. Als Richtigstellung ist auch zu verstehen die von Nikolaus Seinecker, Timotheus Kirchner und Martin Chemnitz veröffentlichte »Gründliche Warhafftige Historia: Von der Augspurgischen Confession, wie die Anno 1530. geschrieben, Keyser Carolo vbergeben...« (Leipzig 1584), vgl. WA.B 14, S. 441, Anm. 72, und Hammer, Melanchthonforschung 1, S. 374-376, Nr. 524-527. - Zum Verständnis Selneckers vgl. Fuchs, Psalmdeutung, S. 59-68. Über seine Bedeutung für die Entstehung der erwähnten Geschichte des Augsburger Reichstags vgl. Klän, Seinecker, S. 167. 64 Vom Plan einer Widerlegung in Braunschweig-Wolfenbüttel berichtet Mager, Konkordienformel, S. 403 mit Anm. 8, S. 407 mit Anm. 27 und S. 414 mit Anm. 69.

6.2 Christof Hardesheim

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Unter den Briefpartnern von Chyträus ist es vor allem Jacob Monau in Breslau, der sich als Melanchthonianer zu einem ausgesprochenen Calvinisten entwickelt hatte65, mit dem Chyträus über »Wolf« korrespondiert 66 . Dieser gelehrte Mann hatte sich offenbar die Thesen Hardesheims zu eigen gemacht, so daß Chyträus sich ihm gegenüber verteidigte. Das erste Schreiben an Monau datiert vom Dezember 157867. Chyträus sandte dem Breslauer die Agende für Österreich mit der Summa Doctrinae 68 . Er schreibt in der Vorfreude, daß dem Adressaten die Tröstungen im Agendenwerk gefallen werden. Er erwähnt die im Jahr 1577 an ihn ergangene Berufung nach Heidelberg 69 und seine Meinung über dort richtige theologische Maßnahmen zur Erhaltung der Lehre, die zum Aufbau wahrer Frömmigkeit, Gottesfurcht und Nächstenliebe führe. Mit einzigartigem Urteil sei diese Lehre in Melanchthons Loci theologici enthalten 70 . Nun geht er über zu den Streitfragen seiner Zeit, vor allem den erneuten Nachfragen darüber, wie die »heiligen Mysterien« zu Luthers Zeit behandelt worden seien. Er und seine Kollegen seien gewöhnt, darauf so zu antworten, wie es aus der mit dem Wort Gottes übereinstimmenden allgemeinen Confessio ihrer Kirchen in Übereinstimmung mit Luther und Melanchthon hervorgehe. Sie seien gewohnt, so zu antworten, wie es zur Zeit der Übergabe der Augsburgischen Konfession ohne Zweifel mit Gewißheit feststand. Und nun gäbe es Menschen, die den Konsensus der Lehrer zerreißen wollten. Er kommt nun darauf zu sprechen, daß Monau ihm Bemerkungen und Auslassungen zu seiner Historia Confessionis Augustanae versprochen habe. Er erwarte sie begierig, hofft aber, sie seien angemessener und weiser als jenes Urteil eines Neustädter Mannes 71 , den er nur in Umschreibungen nennt, mit denen er aber zweifelsfrei Ambrosius Wolf meint. Dieser habe ihm als Zweck der Publikation seines Buches angeheftet, wovon er nie - es sei denn in irgendeinem Fieber - geträumt habe. Hier sei ihm unterstellt worden, daß er die Schriften der Schweizer an Luther übergangen und gefälscht habe. Als er begonnen habe, jene Akten zu sammeln, habe er nichts von diesen Schriften der Schweizer gewußt. Bevor sie nicht in Heidelberg gedruckt worden seien72, habe er diese Schriften weder gehört noch gesehen. Er habe sie 65 Über den Privatgelehrten Jacob Monau (1546-1603) vgl. ADB 22, S. 162f. 66 Daß auch Hardesheim mit Monau in Verbindung stand, wissen wir aus einem erhaltenen Brief seines Bruders Petrus Monau, der ebenfalls Arzt in Breslau war (vgl. ADB 22, S. 163). Anstelle seines Bruders schrieb er am 24. September 1578 an Hardesheim, weil sein Bruder erst antworten könne, wenn er von einer Reise zurück wäre (Erlangen, UB: Briefsammlung Trew [Monau, Petrus Nr. 67]). 67 Chytraei epistolae, S. 892-896. 68 Vgl. Reingrabner, Geschehnisse S. 26f. 69 Vgl. Krabbe, Chyträus, S. 310-323. 70 Chytraei epistolae, S. 894. 71 »... ac spero aequius & candidius de ilia iudicium & censuram tuam fore, quam Neapolitani Lycophronis ...« a. a. O., S. 894. 72 Vgl. o. S. 123, Anm. 57.

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6 Historia der Augsburgischen Konfession in der Darstellung .

nicht ohne Bewunderung gelesen, wisse aber nicht, ob sie echt seien. Er habe sich bemüht, in seine Sammlung über die Handlung des Konvents von Augsburg die Schriften beider Seiten aufzunehmen, die in der Zeit des Reichstags ausgetauscht worden seien. Er habe ohne jedes Vorurteil verbunden, was er an Briefen aller Beteiligten erhalten konnte, und er habe es so vollständig dem Urteil des Lesers überlassen73. Auf welchen konkreten Text des Gegners Chyträus hier anspielt, läßt sich nicht genau belegen. Einzig die »Acta concordiae« von 1572 sind genau zu identifizieren. Sachlich ist der Bezug klar, auch zu dem Werk, das Wolf erst 1580 im Druck erscheinen ließ. Vielleicht waren auch Nachrichten daraus schon vorab bekannt. Um die gleiche Problematik ging es in einem Brieffragment an Monau, das nicht datiert ist74. Auch hier standen die Fragen der »heiligen Mysterien« im Blickpunkt des Interesses75. Chyträus will dafür nicht die menschliche Autorität der Lehrer, sondern die Testamentsworte des Sohnes Gottes anführen. Davon will er sich nicht wegbewegen. Die Worte seien so zu nehmen, wie sie lauten. Zum Glauben genüge allein die Person des redenden Gottes und des Erlösers Jesus Christus. Was Gott gesagt habe, sei wahr. Man dürfe daran nicht zweifeln. Chyträus begründet also die Sakramentslehre aus den Einsetzungsworten. Christus habe sein Mahl nicht »Mysterium«, d. h. »Sakrament« genannt, sondern er habe es als »Testament« bezeichnet. Wenn beim Testament von Menschen die Worte mit Verehrung und Zutrauen gehalten würden, um wieviel mehr seien im Testament des Sohnes Gottes die Worte einfach und eigentlich von ihrem Wortlaut her zu verstehen76. Wir brauchen den vollen Beweisgang aus dogmengeschichtlichen Argumenten in diesem Schreiben nicht zu rekonstruieren. Abschließend kommt Chyträus auf die Autorität Melanchthons zu sprechen, die für seinen Adressaten Monau so hoch stehe77. Nach seinem Tod seien geheime Schriftstücke hervorgebracht worden, nach denen Melanchthon im Gegensatz zu den Sätzen des Bekenntnisses Luthers stehe. Ganz gewiß aber habe er zur Zeit der Übergabe der Confessio Augustana den Wortlaut des Testaments Christi konstant verteidigt und sei eines Sinnes mit Luther gewesen. Chyträus fügt dafür Beispiele von Belegtexten an. Chyträus betont, er habe auch nie etwas anderes aus seinem Munde gehört während der ganzen sechs Jahre, die er bei ihm gelebt habe78. Er möchte die Privatbriefe Melanchthons an Kurfürst Friedrich von der Pfalz, an Calvin, Bullinger, Hardenberg 73 Chytraei epistolae, S. 896. 74 Chytraei epistolae, S. 1109-1117. 75 Die Einleitung dieses Fragments stimmt wörtlich überein mit der Passage aus dem vorigen Brief, a. a. O., S. 894, letzter Absatz. 76 a. a. O., S. 1111. 77 a.a.O., S. 1115. 78 a.a.O., S. 1116.

6.2 Christof Hardesheim

127

und andere, die erst nach seinem Tod publiziert worden seien, nicht mit gleicher Wertigkeit einstufen wie die öffentlichen Zeugnisse aus der Zeit der Confessio Augustana, über deren Sinn jetzt eine Kontroverse entstanden sei79. Er erkenne auch in den späteren Schriften Melanchthons dessen über jeden Zweifel erhabene Lauterkeit im Bemühen um Eintracht. Er habe so gemäßigt über diesen Artikel lehren wollen, daß es für die beiden untereinander streitenden Seiten annehmbar wäre und er weder von Zwinglianern noch von Lutheranern zurückgewiesen werden konnte. Denn darin bestehe Übereinstimmung, daß der Sohn Gottes »vere & substantialiter« im Mahl gegenwärtig und wahrhaft dort wirksam sei und uns als seine Glieder mit sich vereine80. In der Tat würde nicht gestritten über den Sohn Gottes oder über die Gottheit Christi, auch nicht über die Wirksamkeit des Wortes, sondern über das Besondere der wahren und wesentlichen Gegenwart von Leib und Blut Christi auf dieser Erde. Dieser einzige Punkt (scopulum) werde von jenem Rechtsgelehrten - er meint damit Hardesheim - fast immer übergangen. Es könne aber doch jener nicht mit gutem Gewissen, sondern nur aus beklagenswertem Antrieb heraus, an diesem Zeugnis, wie es von allen vertreten wird, die in der Kirche lehren, vorbeigehen. Chyträus wolle der Autorität Melanchthons und seinem Beispiel darin folgen, daß er nicht verdamme, vor allem solange er nicht alle Schriften der anderen gelesen habe. Der Text ist ein Fragment, aber es ist doch höchst naheliegend, ihn so zu verstehen, daß Chyträus am Ende mit dem Breslauer über die Legitimität der Anschauungen von Hardesheim spricht. Die Abendmahlsfrage war für Hardesheim ja die Zentralfrage. Ein weiteres Schreiben an Monau von 1579 ist uns bekannt81. Chyträus bestätigt den Eingang eines Briefs, den Monau am Sonntag vom guten Hirten abgeschickt habe. Noch immer erwartet er die versprochenen Bemerkungen zur Historia confessionis Augustanae. Er hält fest, es sei nicht ein einziger Brief Luthers oder Melanchthons in seine Historia gesetzt, der nicht vorher öffentlich in den Bänden der Werke Luthers und der Briefe Melanchthons vorgelegen habe. Ambrosius Wolf klage ihn an in seinem lateinischen und deutschen Buch gegen die Patres Bergenses, er habe die Briefe der Schweizer an Luther aus dem Umfeld der Wittenberger Konkordie anders als aus gutem Glauben ausgelassen. Dem stellt Chyträus gegenüber, er habe es unternommen, alles über den Reichstag zu sammeln, nicht jedoch die Geschichte der folgenden Jahre zusammenzutragen. Er habe keinen Zweifel haben können, weil jene Schreiben der Schweizer jene ganzen 40 Jahre von ihm weder gesehen noch gehört wurden, bis sie zu Beginn des Jahres 1578 in Heidelberg

7 9 a. a. 0 . , S. 1116. 80 a. a. O., S. 1117. 81 Chytraei epistolae, S. 1158-1160. Es ist datiert am Tag vor Christi Himmelfahrt 1579.

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6 Historia der Augsburgischen Konfession in der Darstellung .

gedruckt wurden82, wonach er sie nicht ohne Bewunderung und Erschrecken gelesen habe. Er wisse jedoch nicht, ob sie echt seien. Auch hier spielt er mit dem Namen von Wolf und nennt seine Gegenposition »hac lupina inuectiua«83. Er sendet gedruckte Reden an Monau und bittet um Grüße an D. Duditius und Johann Hermann in Breslau. Im Mai 1581 schrieb er noch einmal an Monau84. Dies ist ein freundschaftlicher Austausch über die nächsten literarischen Vorhaben und Fragen der Melanchthontradition. Von Ambrosius Wolf ist darin nicht die Rede. Im Mai 1581 schrieb er aber auch an den Breslauer Arzt Johann Hermann85, den er durch Monau schon grüßen ließ86. Hier ging es um die Frage einer Sammelausgabe von Melanchthons Reden. Hermann, der Schwiegersohn von Kaspar Peucer87, war ein wichtiger Adressat dafür. Er war offensichtlich bereit, eine Ausgabe von Reden des Wittenberger Lehrers durch Chyträus zu unterstützen88. Andererseits war der Rostocker bereit, mit dem Mediziner über die heftigen von vielen Seiten vorgetragenen Anklagen zu sprechen. Dabei ging es wohl um Fragen des Streites um den Kryptocalvinismus, weswegen Hermann außer Landes gewiesen worden war. Chyträus unterließ es auch in diesem Zusammenhang nicht, seine Treue zu Melanchthon zu bezeugen. Er mußte sich gegenüber Beschuldigungen verteidigen, daß er sich von dem Lehrer theologisch distanziert habe. Im Rahmen dieses ausführlichen Schreibens unterstreicht Chyträus, daß er den Dokumenten, die zu Melanchthons Lebzeiten gedruckt vorlagen, den Vorzug gebe vor jenen, die später in seinem Namen erschienen und Luthers Lehre wie eine Irrlehre hinstellten. Er betont dagegen, beide, Luther und Melanchthon seien von Gott gelehrte und orthodoxe Lehrer, wie er sie in Wittenberg erlebt habe89. Er bekennt, von Melanchthon persönlich und öffentlich gefördert worden zu sein. Melanchthon 82 83 84 85

86 87

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Chyträus kannte offenbar nicht die erste Auflage der Acta concordiae von 1572. Chytraei epistolae, S. 1159. a. a. O., S. 416-418. Johann Hermann, Leibarzt des sächsischen Kurfürsten, wurde 1574 wegen der kryptocalvinistischen Streitigkeiten aus Sachsen verwiesen. Er war der Schwiegersohn von Kaspar Peucer, vgl. ADB 12, S. 182. Chytraei epistolae, S. 106-113. Kaspar Peucer, der Schwiegersohn Melanchthons, hatte sich als Editor der Werke des Präzeptors verdient gemacht, hatte aber durch seine Verwicklung in die kryptocalvinistischen Streitigkeiten eine lange Haftzeit zu erleiden, vgl. ADB 25, S. 552-556. Chyträus gab 1584 Melanchthons »Oratio de methodo theologiae...« in Rostock heraus, vgl. Koehn, Reden, Sp. 1394f, Nr. 232. Eine von Chyträus geplante größere Ausgabe der Orationes Melanchthons kam dann doch nicht zustande, vgl. Schütz, Vita 3, S. 280-286, § 35. Melanchthons Loci benutzte Chyträus weiterhin im Lehrbetrieb, wie auch die »Summa Doctrinae« beweist, die sein Schwiegersohn Johannes Freder 1584 in einem Wittenberger Verlag herausgab, vgl. Hammer, Melanchthonforschung 1, S. 373f, Nr. 523. Chytraei epistolae, S. 112.

6.2 Christof Hardesheim

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habe jedoch Luther immer als seinen Lehrmeister in Theologie anerkannt und ehrend gefeiert. Deshalb kann Chyträus die Beschuldigungen Luthers als Häretiker (»Eutychianer, Nestorianer, Markionit, Monothelet und Anhänger des päpstlichen Götzendiensts ...«) nicht hinnehmen. Chyträus würde, so schreibt er dem Arzt, gottlos und gleichsam gegen dessen hypokratischen Eid handeln, wenn er anerkenne, daß er und seine Kirche eine solche Irrlehre aus dem Erbe Luthers übernommen hätten. Das ganze Schauspiel sei durch Ambrosius Wolf hervorgebracht. Er breche diese Lästerung ab und bitte Gott, daß er die Traurigkeit und Wunden der Kirche heile und die beteiligten Personen lehre und leite. Chyträus hat hier in wesentlich weiterem Umfang gegenüber Hermann Stellung genommen, aber Ambrosius Wolf war doch ein auslösender Faktor für diese grundsätzliche Äußerung. Zugleich ist dies auch ein Beispiel, wie Chyträus sich zu einem Mann verhielt, der aus theologischen Gründen aufgefallen war und seine Stellung als Leibarzt des Kurfürsten hatte verlassen müssen. Er stand ihm Rede und Antwort auf die angeschnittenen Fragen. Auch an Jakob Andreae 90 , den Motor der Konkordienformel, schrieb Chyträus 1579 einen Brief 91 , in dem er namens der Rostocker Fakultät auf die Aktivitäten von Ambrosius Wolf einging. Wir können an dieser Stelle das Schreiben nicht in vollem Umfang auswerten. Ein Rezensent aus Neustadt (»dem Neustadt Casimirs«) habe gegen Luther und die Patres Bergenses geschrieben, was Chyträus nur mit Schmerz und Seufzen lese. Hier würde darauf verwiesen, was jetzt über die Transsubstantiation 92 mit Vehemenz verworfen werde, sei in der Confessio Augustana und deren Apologie noch in Übereinstimmung mit der Lehre der katholischen Kirche gewesen 93 . Chyträus, der diese Akzentverschiebung in der Abendmahlstheologie offenbar persönlich anerkennt, verhehlt sein Unbehagen darüber nicht. Andererseits erklärt er doch abschließend seine volle Sympathie an Andreae und die übrigen Vertreter der Konkordiensache am Hofe Augusts von Sachsen. Zuletzt greifen wir einen Brief an Johannes Olearius 94 auf. Das undatierte Schreiben 95 gehört wohl ins Jahr 1584. Chyträus freut sich über die »Historia Augustanae Confessionis«, welche derjenigen von Wolf entgegengesetzt sei und nun in Leipzig erschienen sei. Er meint damit die »Gründliche Warhafftige Historia...« von Nikolaus Seinecker, Timotheus Kirchner und Martin Chemnitz 96 . Er schrieb zwar nicht selbst gegen Hardesheim, freute sich aber 90 91 92 93 94 95

Vgl. Martin Brecht, Andreae, in: TRE 2, S. 672-680. Chytraei epistolae, S. 1132-1134. Vgl. o. S. 122. Chytraei epistolae, S. 1134. Vgl. Franz Lau, Olearius, in: RGG 4, Sp. 1625. Chytraei epistolae, S. 564f. Krabbe, Chyträus, S. 385, Anm. *, bezieht diese Stelle auf ein Sammelwerk im Zusammenhang der Apologie des Konkordienbuchs. Das sollte aber nicht von der genauen Zuordnung zu dieser Einzelpublikation ablenken! 96 Vgl. o. S. 124, Anm. 63.

6 Historia der Augsburgischen Konfession in der Darstellung .

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über die Arbeit der Kollegen und dankte ihnen97. Er habe ihnen auch Material zur Verfügung gestellt. Er selbst habe seinem Gegner Antonio Possevino über andere Fragen geantwortet98. Damit sehen wir ein deutliches Bild, wie Chyträus sich mit jenem »Ambrosius Wolf« auseinandergesetzt hat. Ihm selbst gab er bewußt nur die Antwort des Schweigens, ließ aber in Briefen und Stellungnahmen gegenüber Dritten durchaus erkennen, welche Meinung er von dem Mann hatte, der seinen Namen nicht nannte. Man könnte annehmen, Chyträus habe nun nichts mehr zum Thema der Augsburgischen Konfession schreiben wollen. Wie wir sahen, folgten aber die späten Auflagen seiner Historia lateinisch99 und deutsch100 mit verändertem Titel. Nur ein einziges Dokument aus der eben erwähnten Arbeit der Kollegen nahm er neu auf101. Seine freundlichen Bemerkungen über die in Leipzig erschienene Arbeit der Kollegen zeigt, daß er durchaus auch die Leistung anderer positiv zu würdigen wußte, wenn sie gut war. Das enthob ihn zusätzlich der Pflicht, nun wieder selbst schreiben zu müssen.

97 Daß Chyträus nicht selbst in einer eigenen Publikation Stellung bezog, mag auch damit zusammenhängen, daß er und seine Rostocker Kollegen eine sehr dezidierte Meinung über die »Lästerbücher« des Ambrosius Wolf vertraten. 1582 in ihrem Judicium über die Apologie des Konkordienbuchs schrieben sie nämlich, man solle in diesem Zusammenhang die Argumente der Neustädter Admonitio und Wolfs gleichzeitig widerlegen, allerdings nur so, daß man zu den Loci, die es betrifft, der Bücher Wolfs am Rand gedenke, weil sich neuerdings die Sakramentierer auf seine angeblich unüberwindlichen Ergebnisse beriefen. Da er aber mit Namen nicht bekannt und ein grimmiger Feind sei, solle man auch sagen, daß man ihn einer eignen Antwort nicht für wert hielte. Es sei kein Zweifel, eine eigene Entgegnung sei nicht nur den Personen, die von ihm angegriffen und zu einer Antwort herausgefordert worden seien, sondern auch der gemeinsamen Sache selbst und »allen vnsern Kirchen hochschädlich vnd schimpfflich«. Deshalb gaben die Rostocker den Verfassern zu bedenken, daß man im Rahmen der Apologie des Konkordienbuchs bekunde, daß man sich mit derartigen Spöttern und dem »unflätigen« erdichteten Wolf, der mit seinem Namen nicht bekannt sei, nicht einlassen wolle (Chyträus, Judicium, S. 46-48). Aus diesem Urteil wird deutlich, wie sehr sich der führende Rostocker Theologe angegriffen fühlte, so daß er zusammen mit seinen Kollegen darauf nur mit Verachtung reagieren wollte. 98 99 100 101

Vgl. Vgl. Vgl. Vgl.

dazu Wendebourg, Reformation, S. 388, Anm. 25. o. S. 31 mit Anm. 87. o. S. 30 mit Anm. 79 und unten in der Bibliographie. o. S. 3Of mit Anm. 80.

7 Chyträus als Vertreter und Berater seiner Landesherren

Chyträus wirkte nicht nur als Professor in Rostock. Die Vertrauensstellung, die er sich bei seinen Landesherren erworben hatte, führte sehr bald auch dazu, daß er von den Herzögen für andere Dienste gebraucht wurde. Wir wollen an dieser Stelle aus der Fülle seiner Aufgaben nur diejenigen herausgreifen, die in immittelbarem Zusammenhang mit der Bekenntnisfrage stehen. Als in der Folge der innerlutherischen Streitigkeiten1 Versuche zur Einigung der zerstrittenen Anhänger der Augsburgischen Konfession unternommen wurden, finden wir Chyträus als Vertreter seines Landes mit unter den Gesprächsteilnehmem. Wir untersuchen diese kirchenpolitische Seite seines Wirkens, weil sein Bemühen um die Geschichtsschreibung des Augsburger Reichstags sich in diesen Verhandlungen, die sämtlich vor der Arbeit an der Historia liegen, orten und festmachen läßt. Im Rückblick berichtet Chyträus 1581 an Jacob Monau2, er sei 1556 dabei gewesen, als es um eine Konkordie zwischen Melanchthon und Flacius ging. Er sei fälschlich beschuldigt worden3, er habe gesagt, es sei keine Einigung zu erhoffen, wenn nicht Melanchthon ausgeschlossen würde4. Immerhin erfahren wir aus diesem Zusammenhang, daß Chyträus 1556 an diesen Beratungen auf Veranlassung seines damaligen Landesherm beteiligt war. Johann Albrecht von Mecklenburg war auch selbst mit in die Vorbereitungen der Einigungsbemühungen von Coswig-Wittenberg eingespannt, die unter Führung des Braunschweiger Superintendenten Joachim Mörlin im Januar 1557 stattfanden5. Welche Rolle Chyträus hier gespielt hat, ist nicht bekannt. Wir wissen lediglich, daß

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Vgl. Keller, Gnesiolutheraner, in: TRE 13, S. 513-517. Chytraei epistolae, S.417. Vgl. Krabbe, Chyträus, S. 75. Vgl. zu dieser Verleumdung: MBW 7, S. 456f, Nr. 7890 und Preger, Flacius 2, S. 17, aber auch Koch, Ausbau, S. 198, und Keller, TRE 13, S. 517. 5 Vgl. Fligge, Albrecht, S. 372-376, und Keller, Adiaphora, S. 97f. - Zum Braunschweiger Superintendenten vgl. Martin Stupperich, Mörlin, in: TRE 23, S. 193196.

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7 Chyträus als Vertreter und Berater seiner Landesherren

er in Fragen des Osiandrismus6 in Nürnberg zu jener Zeit so Stellung genommen hat, daß sich Melanchthon darüber freute7. Deutlicher greifbar ist seine Person im Vorfeld des Wormser Religionsgesprächs 1557. Melanchthon hatte ihn als Gesprächsteilnehmer vorgeschlagen8. Obwohl auch Herzog Christoph von Württemberg Chyträus gerne als Collocutor gesehen hätte, wurde er nicht unter die dort verhandelnden Theologen aufgenommen9. Das Wormser Gespräch, die letzte auf Reichsebene durchgeführte Versammlung, scheiterte nicht nur im Blick auf eine Einigung zwischen Protestanten und Katholiken10. Es machte auch den Bruch zwischen den Lutheranern offenbar11, die teils auf der Seite von Melanchthon, andernteils auf der Seite von Flacius standen12.

7.1 Frankfurter Rezeß, 1558 Ein halbes Jahr später trafen sich einige Fürsten am Rande der Übertragung der Kaiserwürde an Ferdinand I. in Frankfurt am Main. Sie einigten sich aufgrund einer Vorlage Melanchthons unter Berufung auf die Confessio Augustana und deren Apologie auf den sogenannten »Frankfurter Rezeß« vom 18. März 155813. Unter den Unterschriften der Augsburgischen Konfessionsverwandten fehlte diejenige des Herzogs Johann Friedrich des Mittleren von Sachsen14. Daraufhin baten die Theologen von Rostock, die für ihren Landesherrn ein Gutachten liefern mußten, den Herzog von Mecklenburg, er möge den Herzog von Sachsen freundlich anhalten, daß er sich nicht von den anderen evangelischen Ständen absondere, sondern so viel wie möglich zur Einigkeit in Gott beitrage. Aber doch beleuchteten sie den »Abschied« von Frankfurt kritisch. Am 14. August 1558 legten sie in Wismar ihr »Judicium« vor15.

6 Wie sehr Chyträus in der Frage des Osiandrismus das Vertrauen Melanchthons genoß, wird deutlich aus Stupperich, Oslander, S. 185, Anm. I l l ; S.243 mit Anm. I l l ; S. 247 mit Anm. 134; S. 258-261; S. 286, Anm. 104 und S. 366, Anm. 20. 7 Vgl. Fligge, Albrecht, S. 337, Krabbe, Chyträus, S. 69-75, und Preger, Flacius 2, S. 17. 8 Vgl. Bundschuh, Worms, S. 238-240. 9 Vgl. a. a. O., S. 242. 10 Vgl. a. a. O., S. 502-507. 11 Zur rückblickenden Deutung von Worms hinsichtlich der Haltung zum Zwinglianismus vgl. Gensichen, Damnamus, S. 102-104 mit Anm. 184. 12 Vgl. auch Keller, Adiaphora, S. 99f, und TRE 13, S. 517. 13 Text in CR 9, Sp. 489-507. 14 Vgl. Keller, Adiaphora, S. lOOf. 15 Text in Schütz, Vita 1, S. 337-347. Der gleiche Text ist handschriftlich erhalten: Primus Liber Facultatis Rostochiensis ..., Bl. 30b-44a. Da die Schütz'sche Edition genau die Handschrift wiedergibt, zitieren wir nach der gedruckten Form.

7.1 Frankfurter Rezeß, 1558

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Zunächst betonen die Rostocker die Verantwortung christlicher Fürsten. Sie stellen fest, daß »unter dem Schein und Namen der Augsb. Confession gantz ergerliche und schedliche irrungen und Seckten eingerissen sind«16. Deshalb müsse man sich auf Mittel zur Erhaltung der »wahren reinen Lehre des heil. Evangelii« besinnen, Irrtümer widerlegen und austilgen und so christliche Einigkeit herstellen. Aus dem Frankfurter Abschied greifen sie lobend auf, daß die Fürsten dort das öffentliche Bekenntnis wiederholt hätten, »daß sie bey der einmal angenommenen Waren Reinen lere, die in gottlicher schrifft, in den Symbolis und der Augsb. Confession und derselbigen Apologia, welche aus Gottlicher Schrifft, als eine Summa und Corpus doctrinae gezogen17, standhafftig bleiben, und vorharren wollen«18. Die Rostocker halten es für den besten Weg, daß man nicht neue Bekenntnisse schreibe, sondern die Confessio Augustana samt der Apologie, »wie sie erstlich der Kays. Maj. a. 1530 uberantwortet«, neu drucken und von den Fürsten und Städten unterschreiben lasse. Über die aufgekommenen »Irrungen« müsse man eine »categorica declaratio« beigeben. Die Themen, die hier zu behandeln seien, umschreiben sie folgendermaßen: »von unser armen sunder gerechtigkeit, damit wir fur Gott gerecht werden, von nothwendigkeit der guten wercke zu unserer Seligkeit, von dem Sakrament des leibes und blutes Christi, vom freien willen, von der krafft des eusserlichen worts, von den Adiaphoris etc.«19. Es ist leicht, dahinter die einzelnen Lehrstreitigkeiten seit dem Interim zu erkennen. Es sei unmöglich, Einigkeit herzustellen, ohne daß man öffentlichen Irrtum öffentlich und namentlich strafe und verwerfe. Zweifelhafte und allgemein gehaltene Äußerungen, die von verschiedenen Parteien akzeptiert werden könnten und die nicht ausdrücklich zeigen, welche Lehre recht und welche unrecht und zu verwerfen sei, »dienen nicht zur Einigkeit« 20 . Für die Rostocker ist im Frankfurter Abschied ein Teil der Lehrartikel »gar generaliter und ambigue gestellet ..., also daß sie von den Sacramentirern und andern Secten gleich so woll als von unsere [!] kirchen können angenommen werden« 21 . Die Abweichungen von der reinen Lehre seien nicht ausdrücklich angezeigt und verworfen. Diese »generalis forma« sei nicht zu wahrer Einigkeit und Austilgung des Irrtums und der Sekten dienlich, was auch den Papisten nicht entgehe. Die Rostocker Theologen befürchten, daß daraus nur größere Spaltung als seither folgen werde. Sie gehen nacheinander die Streitpunkte durch, die der Frankfurter Rezeß aufgeführt hatte, und legen ihre Position dazu vor. Sie bitten ihren Landesherrn, er möge bei den Reichsfürsten darum bitten, daß vor allem

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a. a. O., S. 338. Vgl. CR 9, Sp. 494. Schütz, Vita 1, S. 339. a. a. O., S. 340. a. a. O., S. 340. a. a. O., S . 3 4 1 .

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7 Chyträus als Vertreter und Berater seiner Landesherren

über die Adiaphorafrage und die Abendmahlslehre deutlichere Klärungen vorgenommen würden »und daß bey allen Artickeln die Antitheses, oder Vorwerffung der irthumer, so mit öffentlichen Schrifften sind in unsern Kirchen vortaidinget worden, darzu gesetzt werde. Doch one meidung und vordammung einiger Person und Kirche.«22 Auf diese Weise könne man eine »Formula Concordiae« vorlegen. Die Rostocker bitten ihren Landesherrn um Beachtung solcher Bedingungen bei einer Unterschrift. Zugleich aber bitten sie ihn, er möge bei Johann Friedrich dem Mittleren »freundlich anhalten«, daß er, »so viel one vorletzung Gottlicher ehre und der warheit des Evangelii« möglich sei, zum Frieden unter den Anhängern der Augsburger Konfession raten und helfen und sich nicht absondern, sondern zu einer christlichen Beurteilung und Förderung der Einigkeit helfen möge23. Mit diesem ersten Votum zur Frage der Einigkeit in der Lehre haben die Rostocker bereits eine Position vorgelegt, der sie weiterhin in immer neuen Variationen inhaltlich treu blieben. Einerseits bejahen sie den Rückbezug auf die Confessio Augustana samt Apologie, andererseits aber fordern sie eine unmißverständliche Stellungnahme zu den Streitfragen im Luthertum nach dem Interim. Der Versuch, Johann Friedrich den Mittleren zum Einlenken zu bewegen, blieb allerdings ohne Erfolg. Das ernestinische Sachsen legte sein Weimarer Konfutationsbuch vor.

7.2 Weimarer Disputation, 1560 Wir wenden uns mit dem Thema der Disputation von Weimar dem Höhepunkt des Lehrstreits über die Erbsünde und den freien Willen im Gebiet des ernestinischen Herzogtums Sachsen zu. Wir müssen diese Vorgänge im Zusammenhang ihrer Vorgeschichte sehen und von daher die beiden Stellungnahmen der Rostocker Theologen verstehen, an denen Chyträus beteiligt gewesen ist. Die Reaktion Johann Friedrichs von Sachsen auf den Frankfurter Rezeß war das Weimarer Konfutationsbuch gewesen, das von den Theologen der Universität Jena im Auftrag des Herzogs erarbeitet worden war24. In Jena wirkte seit 1557 Matthias Flacius Illyricus als Professor. Wenn er auch nicht der alleinige Verfasser des Konfutationsbuchs war25, so war er doch der theologisch führende Vertreter in jener Phase der Jenenser Fakultät26. Sein Landesherr legte freilich Wert darauf, daß dies Buch nicht von Flacius »gestellet« sei27. Es trug ja auch

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a. a. O., S. 346f. Vgl. Keller, Adiaphora, S. lOOf. Vgl. Keller, Gnesiolutheraner, in: TRE 13, S. 517,32. Vgl. Oliver K. Olson, Flacius, in: TRE 11, S. 208,23f. Vgl. Keller, TRE 13, S. 5l2f. CR 9, Sp. 775, vgl. Gensichen, Damnamus, S. 105.

7.2 Weimarer Disputation, 1560

135

bereits im Titel die Namen der Herzöge28. In diesem Votum des Herzogtums Sachsen sollten im Sinne der Confessio Augustana alle Streitfragen, Sekten und Irrtümer widerlegt werden, die in den Kirchen aufgekommen waren29. Wir gehen hier nicht der Frage nach, welche Reaktionen diese Lehrschrift im allgemeinen auslöste, sondern beobachten lediglich, daß sie zu heftigem Streit zwischen den Theologen in Jena, vor allem zwischen Matthias Flacius Illyricus und Viktorin Strigel führte30. Der Herzog versuchte, diesen Streit durch die Weimarer Disputation im August 1560 beizulegen, was jedoch nicht gelang31. Der Streit hatte sich zugespitzt auf die Frage, wie man Erbsünde und freien Willen zu verstehen habe, ob die Erbsünde Substanz des Menschen sei, wie Flacius betonte, oder ob sie Akzidenz des Menschen sei, wie Strigel lehrte32. Der Text der Weimarer Disputation wurde 1563 publiziert. Über den Verlauf des Streitgesprächs hinaus enthielt der Band auch noch weitere Dokumente zur Streitfrage33. Dieses 606 Textseiten starke Buch, das mit einem Vorwort von Simon Musäus34 ohne Angabe von Ort und Drucker erschien35, enthält auch ein Judicium der Rostocker »Schule« und Kirche36. Das Dokument, das keine Unterschriften trägt, wird gewiß nicht ohne Beteiligung von David Chyträus zustandegekommen sein. Offensichtlich war also auch die Rostocker Fakultät um eine Stellungnahme in der zu Weimar behandelten Kontroversfrage gebeten worden. Welcher Fürst es war, dem sie ihr Bedenken und Bekenntnis auftragsgemäß schickten, geht aus dem Text nicht hervor. Es könnte ihr eigener Landesherr gewesen sein, der sich ja um Vermittlung bemühen wollte. Es ist jedoch auch nicht ganz auszuschließen, daß es Johann Friedrich der Mittlere von Sachsen selbst war, der Fürst also, welcher zur Disputation nach Weimar einberufen und »Propositiones« von Strigel gegen Musäus und Flacius zur öffentlichen Diskussion gestellt hatte37. Inhaltlich hielten sich die Rostocker an die vier Artikel »Vom freien Willen«, »Vom Evangelium, ob es eine Bußpredigt sei«, »Von der Proposition: Gute Werke sind nötig zur Seligkeit« und »Von den Adiaphoris«. Das waren

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Vgl. die Bibliographie in TRE 13, S. 518,20-26. Vgl. Gensichen, Damnamus, S. 105. Vgl. dazu Hübner, Willen, S. 142-147. Vgl. Bernhard Lohse, in: Andresen, Handbuch, S. 123f. Vgl. Olson, in: TRE 11, S. 208,25-37, und Kropatscheck, Anthropologie, S. 26-28. Vgl. die Angaben zu Musäus, Weimarer Disputation, unten in der Bibliographie. Zu Musäus vgl. Reinhold Jauemig, in: RGG4, Sp. 1194. Er leitete die Disputation. 1562 war er Superintendent in Bremen geworden, wo er auch am 2. Juli 1562 das Vorwort unterschrieb. 35 Lohse, in: Andresen, Handbuch, S. 124, Anm. 14, nennt als Verlagsort Eisleben. Das war jedoch nach Preger, Flacius 2, S. 561, nur ein Nachdruck. 36 Musäus, Weimarer Disputation, S. 337-350. 37 Vgl. Musäus, Weimarer Disputation, S. 6-11.

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7 Chyträus als Vertreter und Berater seiner Landesherren

die Fragen, über welche in den zurückliegenden Jahren gestritten worden war38. Sie greifen die zur Debatte stehenden Thesen auf, ohne die Namen der Urheber zu nennen39, und beleuchten sie durch entsprechende Bibelzitate. Als Belegmaterial ziehen sie außer der Bibel die Augsburger Konfession (invariata) und deren Apologie sowie Lutherzitate heran. Sie nehmen darin zwar eine vermittelnde Position ein, rücken aber deutlich von jedem Synergismus ab. Nur im adiaphoristischen Streit greifen sie ausdrücklich Zitate auf, die sie widerlegen, und beziehen Stellung gegen das Leipziger Interim. Es gehe in dieser Sache nicht allein um einen Chorrock und die Ordnung von Festen und Gesängen, sondern der Streit handle »von dem Bekenntnis und Erhaltung unserer ganzen Religion«. Sie wollen nicht alle Kirchen und Schulen im »lande zu Meißen und Kursachsen« als »abtrünnige Mamelucken« verdammen. Es hätten vielmehr drei oder vier Männer »fürnemlich« Schuld am Leipziger Interim. Diese schöben in falscher Weise die Schuld auf die Gesamtheit, um so ihre eigenen Namen zu schützen. »Dann die kirchen vnd landtstände in Meyssen [würden] allezeit darumb gelobt / das sie das Leypsigische Interim nicht haben annemen wolle / sonder sich in der bekandtnus der warheit vil bestendiger / als jre lehrer vnd fürer erzeigt haben.«40 Die Rostocker richten damit ihre Kritik auf das Leipziger Interim, das zu unterscheiden sei von dem, was in der »gottseligen Kirche und Schule« Sachsens und in den Universitäten Leipzig und Wittenberg gelehrt werde. Sie beklagen, daß man die Augsburgische Konfession bei den Stellungnahmen zum Interim nicht erwähnt habe und im Rechtfertigungsartikel nicht mehr lehre: »Sola fide iustificamur«, ja daß man sogar ausdrücklich über das Wörtchen sola nicht mehr habe streiten wollen. Sie verweisen auf Luthers Beispiel, wie er sich zu den Ausgleichsverhandlungen auf dem Reichstag zu Augsburg 1530 verhalten habe und wie er in den Schmalkaldischen Artikeln zum Papstamt Stellung genommen habe41. Hier wurde also die Bedeutung der Confessio Augustana für theologische Entscheidungen eingefordert, andererseits aber die Behandlung der Streitfragen weggeführt von unzulässiger Generalisierung und Verurteilung eines ganzen Territoriums hin zu einer präzisen Erfassung der theologisch gravierenden Fragen des adiaphoristischen Streits42. Damit leisteten die Rostocker einen wichtigen Dienst. Wir wissen nicht, wer genau die Verfasser dieses Judiciums waren. Tilemann Heshusius war zu diesem Zeitpunkt schon nicht mehr in Rostock43. 38 Vgl. meine Zusammenstellung der Streitigkeiten in TRE 13, S. 513-517. 39 Sie verzichten also formal auf persönliche Condemnationes gemäß ihrer eigenen Forderung, wenn man auch merken kann, wen sie meinen. 40 Musäus, Weimarer Disputation, S. 348. 41 a. a. O., S. 350. 42 Vgl. zur Haltung von Martin Chemnitz in dieser Frage: Keller, Adiaphora, S. 104108.

43 Vgl. Barton, Heshusius, in: TRE 15, S. 256-260.

7.2 Weimarer Disputation, 1560

137

Chyträus, der mit ihm befreundet war, schrieb am 25. Juli 1561 an Heshusius, er arbeite an einer Zusammenstellung von Zeugnissen aus Gottes Wort über den freien Willen und habe die Synergie, für die er bisher eine Vorliebe gehegt habe, nun völlig verworfen. Er übersandte an Heshusius gleichzeitig eine »Summa doctrinae« über diesen Artikel, welche in den vergangenen Tagen Simon Pauli an der Universität vorgelegt habe. Dazu erbat er das Urteil von Heshusius 44 . Aber er wartete zu diesem Zeitpunkt noch auf Einsicht in den vollen Text der Disputatio zwischen Flacius und Strigel und hoffte, daß er daraus sein Urteil noch besser begründen könne. Diese brieflichen Äußerungen sind nicht nur ein wichtiges Zeugnis über die theologische Entwicklung von Chyträus, sondern sie belegen auch eindeutig, wie unmittelbar er an der Erörterung der Fragen beteiligt war, wenn wir auch nicht seine alleinige Verfasserschaft behaupten können. Was wir in dem Judicium über den freien Willen lesen, ist durch die Mitteilung von Chyträus an Heshusius durchaus treffend charakterisiert 45 . Wir wollen diesen Aspekt noch kurz darstellen. An erster Stelle wird der freie Wille des Menschen vor der Wiedergeburt trotz des Sündenfalls für die Regelung des äußerlichen Lebens entfaltet 46 . An zweiter Stelle wird aus dem biblischen Zeugnis die Lehre von der Erbsünde vorgestellt. Der Verstand des Menschen sei durch die Erbsünde so durchgiftet, daß er in geistlicher Hinsicht »ganz nichts« 47 könne zu seiner Bekehrung. Was der Mensch aus natürlichen Kräften erstrebe, sei böse und widerstrebe Gottes Willen. Dafür werden Schriftbeweise angefügt. Gott allein wirke durch sein Wort und den heiligen Geist in uns, was zu unserer Seligkeit nötig sei, betont das Judicium mit Hinweis auf Phil 2,1348. An dritter Stelle wird über die Bekehrung und Wiedergeburt gehandelt. Die rechte und in Gottes Wort gegründete Lehre sei folgendermaßen zu verstehen: Gott bekehre den Menschen nicht ohne das Mittel seines Wortes, auch nicht als einen »Block«, der selbst gar nichts tut, sondern durch Predigt von Gesetz und Evangelium. Dem geängsteten Herzen werde in der Betrachtung des Evangeliums Trost zuteil und der heilige Geist gegeben. Der heilige Geist schaffe einen neuen Willen, der nun in den wiedergeborenen Menschen wohne. Drei Ursachen würden den neuen Gehorsam in den Bekehrten wirken: zuerst der heilige Geist, der durch Gottes Wort in den Menschen kräftig am Werk sei, zweitens das Wort Gottes und drittens der wiedergeborene Verstand und Wille. Diese Position wird aus Bibelzeugnissen, Lutherzitat 44 Der Text des Briefes findet sich bei Barton, Erbe, S. 126f, Anm. 51. - Über die Freundschaft zwischen Chyträus und Heshusius gibt auch der Brief an Johann Wigand vom Februar 1561 Auskunft (vgl. u. S. 144, Anm. 92). 45 Die Position von Chyträus zu diesen Fragen wird aus anderen Quellen dargelegt und in die gleichen Zusammenhänge gestellt bei Green, Causes, S. 101-106. 46 Vgl. Musäus, Weimarer Disputation, S. 338f. 47 a. a. O., S. 339. 48 a. a. O., S. 340.

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7 Chyträus als Vertreter und Berater seiner Landesherren

und Äußerungen der Wittenberger Theologen, zuletzt aus Artikel 5 des Augsburger Bekenntnisses in ungeänderter Fassung belegt49. Die Rostocker Theologen sollten noch ein zweites Mal zur Frage von Erbsünde und freiem Willen Stellung nehmen, die durch das Weimarer Konfutationsbuch gestellt war. Wir fügen diese Stellungnahme hier an, obwohl sie zeitlich in einen anderen Kontext gehört. Aus sachlichen Gründen soll sie jedoch hier zur Sprache kommen. Ende November 1567 legten die Rostocker Theologen auf Anforderung Johann Wilhelms, des neuen Herzogs im emestinischen Sachsen50, ein weiteres Judicium zu dieser Frage vor51. Der Regierungswechsel in Weimar hatte die alte Frage nach dem Konfutationsbuch neu aufleben lassen52. Johann Wilhelm wollte neu von diesem Dokument in seinem Land Gebrauch machen. Wir beachten dabei aber auch, daß das hinlänglich bekannte Thema der Erbsünde, das nach der Weimarer Disputation zur Ruhe gekommen war, neue Nahrung erhielt, als Matthias Flacius 1567 seine Clavis Scripturae Sacrae53 veröffentlichte54. Flacius hatte sich vor der Veröffentlichung mit einigen Freunden ausgetauscht über den Erbsündentraktat, den er in der Clavis zum Abdruck brachte, aber keinen Widerstand, sondern Zustimmung erhalten55. Von Braunschweig aus regte sich dann jedoch durch Joachim Mörlin und Martin Chemnitz Widerstand gegen diese Lehre56. Heshusius war es, der 1568 die Gnesiolutheraner für eine antiflacianische Position durch einen Brief gewann57. Von diesen neuen Konfrontationen her verstehen wir die Anfrage Johann Wilhelms an die Rostocker Theologen und deren Antwort von Ende November 1567. Dabei kommt aber die Lehre des Flacius von der Erbsünde nicht in vollem Umfang in Blick, sondern nur die Aussagen des Weimarer Konfutationsbuchs. Nur erschiene die Nachfrage im Jahr 1567 unmotiviert, wenn wir sie nicht von den neuen historischen Bedingungen her verstünden. 49 a. a. O., S. 343. - Chyträus bat auch Martin Chemnitz in Braunschweig mit einem Brief vom 10. Februar 1562 um seine Stellungnahme zur »controversia de libero arbitrio« und wünschte, daß ihm diese Frage mit der gleichen Qualität beantwortet werde wie die Abendmahlsfrage und die Christologie (Göttingen, SUB: 2° Cod. Ms. philos. 99, S. 627f). 50 Johann Wilhelm folgte seinem Bruder als Herzog im ernestinischen Sachsen nach Johann Friedrichs Gefangennahme 1567, vgl. Koch, Ausbau, S. 202. Er ließ die gnesiolutherische Lehre 1569 in einer Visitation durchsetzen. 51 Der Text findet sich bei Schütz, Vital, S. 355-363. Die handschriftliche Urschrift befindet sich in: Primus Liber Facultatis Rostochiensis ..., Bl. 100a-107a. Wir zitieren hier jedoch nach der gedruckten Fassung. Vgl. auch Krabbe, Chyträus, S. 189, und Krabbe, Rostock, S. 643. 52 Johann Wilhelm ließ es nicht jetzt erst neu ausarbeiten, wie Krabbe meint. 53 Vgl. Keller, Schlüssel, S. 118f. 54 Zum Problem des Erbsündentraktats in der Clavis vgl. Keller, a. a. O., S. 116f. 55 Vgl. Preger, Flacius 2, S. 325-328. 56 Vgl. a. a. O., S. 328-336. 57 Vgl. Barton, Heshusius, in: TRE 15, S. 257,35-38.

7.2 Weimarer Disputation, 1560

139

Die Rostocker beginnen ihr »Judicium« mit Wünschen an den Herzog, der am Anfang seiner Regierungszeit darauf bedacht sei, die reine unverfälschte Lehre und den Wohlstand der zerrütteten Kirche wiederherzustellen. Sie erbitten dazu Gottes Hilfe58. Aus dem Konfutationsbuch greifen sie die Frage der Lehre von Erbsünde und freiem Willen auf, während sie die darin enthaltenen »Personal-Händel« an ihren Ort verweisen. Die Lehre von Erbsünde und freiem Willen bezeichnen sie als die Hauptsache. Sie bestätigen diese Lehre des Konfutationsbuchs als schriftgemäß. Was inhaltlich im Judicium ausgeführt wird, stimmt zum Teil bis in die Formulierungen mit dem Inhalt der Stellungnahme überein, die wir aus dem Band zur Weimarer Disputation kennengelernt haben. Während zum Artikel von Erbsünde und freiem Willen ausdrücklich dem Konfutationsbuch zugestimmt wird, betonen die Rostocker, daß es im »gegenwärtigen« Streit um die erste Bekehrung und Wiedergeburt gehe59. Nach der Wiedergeburt blieben zwar viele Sünden und Gebrechen im Menschen, und das ganze Leben sei tägliche und stete Buße und Besserung des Lebens. Darin sei der bekehrte und neugeschaffene Wille des Menschen aber nicht ganz kraftlos und müßig, sondern wirke neben dem heiligen Geist mit. Drei Ursachen zur Besserung des Lebens und neuen Gehorsams könnten zusammengesetzt werden: der heilige Geist, die Betrachtung des göttlichen Worts sowie der »Fleiß und die Mitwirkung« des neuen, d. h. wiedergeborenen Willens. Der heilige Geist, der die Wiedergeburt des verderbten Willens bewirke, mache nicht »faule Schelme« und sei kein faules Wesen, sondern wirke, daß Menschen ihm dienen in guten Werken. Die Rostocker weisen den Vorwurf zurück, daß durch die Lehre vom Unvermögen des natürlichen menschlichen Willens die Gewissen in Verzweiflung gestürzt würden. Denn Gott schenke Glauben und Trost. Nach seiner Zusage helfe Gott dem schwachen Glauben und stärke ihn. Dies könne von sicheren und hoffärtigen Leuten nicht verstanden werden. In den Aussagen über die Willensfreiheit dürfe man nicht allein von Unvermögen und Passivität sprechen. Man müsse vielmehr auch von der Befreiung durch Christus und der Hilfe des heiligen Geistes handeln. Deshalb unterstreichen die Rostocker die drei Ursachen des neuen Gehorsams, die wir schon sahen60. Die Konfutationsschrift lehre durchaus schriftgemäß über den freien Willen, wenn sie auch vor allem das eine Stück von dem Unvermögen und Widerstreben des natürlichen Willens behandle, worüber man jetzt streite. Sie berücksichtige jedoch nicht die Mitwirkung des wiedergeborenen Menschen, auch spreche sie nicht »de modo conversionis« und davon, wie man betrübte Gewissen, die in großer Angst nichts als ihren Unglauben und ihr Unvermögen fühlen und 58 Vgl. Schütz, Vita 1, S. 355f. 59 Vgl. a. a. O., S. 359. 6 0 a. a. O., S. 361.

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7 Chyträus als Vertreter und Berater seiner Landesherren

sich stetig vorwerfen, daß sie nicht glauben können, wirkungsvoll trösten und erquicken solle. Trotz dieser Einschränkung bestätigen die Rostocker ihre Zustimmung zum Konfutationsbuch und bekräftigen, daß sie allein auf Gottes Wort sehen und die zweifelhaften Phrasen von der Tüchtigkeit des natürlichen freien Willens strafen und verwerfen wollen, die den hellen Zeugnissen der heiligen Schrift offen widersprechen. Dagegen wollten die Gutachter mit Gottes Wort bekennen, daß sie nicht tüchtig seien, etwas zum Heil aus sich selbst zu denken. Der natürliche Mensch vernehme nichts vom Geist Gottes. Die Rostocker wollen bei diesem Bekenntnis, welches »mit E. F. G. Confutation übereinstimmet^] mit GOttes hulff bestendiglich verharren«61. Was wir hier lesen, ist ein uneingeschränktes Ja zum Weimarer Konfutationsbuch, aber doch ein Reflektieren über eine gewisse Einseitigkeit und gegenüber der vorangegangenen Stellungnahme eine seelsorgerliche Weiterführung. Wir sehen darin einen Versuch, die rationalen Argumente der Gegner deutlich aufzugreifen und weiterzuführen, ohne dadurch die biblischen Aussagen zu entschärfen. Vom Trost angefochtener Gewissen war in der vorangegangenen Stellungnahme noch nicht so deutlich die Rede 62 . Wir müssen uns diese Position von Chyträus, die er mit den Rostocker Kollegen zusammen verantwortete, deutlich vor Augen halten im Vorausblick auf die Arbeit an der Konkordienformel63, die ebenfalls zu dieser Thematik das Wort ergreifen sollte64. 61 a. a. O., S. 363. 62 Leider geht Hübner, Willen, auf diese Rostocker Arbeiten überhaupt nicht ein, sondern nur auf spätere. 63 Vgl. dazu Green, Causes, S. 112f. 64 In einem undatierten Schreiben an den Eislebener Superintendenten Hieronymus Mencel (über ihn vgl. Paul Tschackert, in: ADB 21, S. 319) ging Chyträus ebenfalls auf diese Fragen ein. Mencel hatte auch eine »Confessio de peccato Vinariae data« und eine Abhandlung über den freien Willen (Eisleben 1565; vgl. AGL 8 [=ErgBd4], Sp. 1388f) geschrieben und war am Streit über die Erbsünde als Gegner von Flacius beteiligt, vgl. auch Bertram, Lüneburg, Beil., S. 160-164, Nr. 27. Chyträus bestätigte dem Eislebener Theologen, ein Buch - dessen Titel in der Edition der Briefe zwar nur mit »N« abgekürzt genannt wird, wohl weil es der Zensur der Kirche des Adressaten unterworfen war - sei von Johann Wilhelm von Sachsen dem Rostocker Kollegium zugeschickt worden. Chyträus bestätigte ausdrücklich seine Zustimmung zur Erbsündenlehre und versichert, daß die Rostocker die Lehrübereinstimmung zwischen dem Buch und dem alten orthodoxen Konsens der ganzen Kirche und den Ausdrucksweisen seiner Kirche festgestellt hätten. Er erörtert in jenem Brief weiter den Sprachgebrauch Luthers im Vergleich mit biblischen Texten und berät den Superintendenten über Möglichkeiten der Überwindung von Kontroversen (Der Text des Briefs findet sich in Chytraei epistolae, S. 344-349). Ob dieser Brief mit dem Weimarer Konfutationsbuch in Zusammenhang gebracht werden darf, ist bei der Vielfalt der Streitpunkte über die Erbsünde in der Grafschaft Mansfeld (vgl. Preger, Flacius 2, S. 344-364, Kawerau, Spangenberg, in: RE 18, S. 567-570, und Krabbe, Rostock, S. 657-659) allerdings sehr fraglich, zumal ja dem Schreiben ein Datum fehlt (vgl. auch Kolb, Rejection, S. 205, und Kolb, Dynamics, S. Dl 304).

7.3 Naumburger Fürstentag, 1561

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Im Gutachten von 1567 zu diesem Thema im Weimarer Konfutationsbuch spielt die Frage der Geltung und Anwendung der Confessio Augustana nicht mehr expressis verbis eine Rolle. Chyträus hat darin jedoch auf seine Art die Gedanken weitergeführt, worin ihm die Theologen aus dem Kreis der Gnesiolutheraner wohl nicht folgen konnten65. Man kann sich fragen, ob Chyträus in diesem Gutachten noch in gleicher Weise seine Position vertreten sehen konnte, die er 1561 in einem Brief an Heshusius formuliert hatte, nämlich die völlige Verwerfung der Synergie66. Er selbst scheint keinen Widerspruch darin gefunden und in bester Absicht seine Position ausgebaut zu haben. Seine Zeitgenossen urteilten zur Darstellung der Willensfrage offenbar schärfer. Aber wir wollen jetzt nicht in die Vorgeschichte der Konkordienformel vorausgreifen, sondern vom Fragenkreis der Weimarer Disputation weitergehen zur nächsten historischen Station, bei welcher Chyträus aktiv werden sollte, dem Naumburger Fürstentag.

7.3 Naumburger Fürsten tag, 1561 Im Jahr 1560 wurde auf Anregung des Herzogs Christoph von Württemberg eine neue Initiative zur Festigung der Einheit unter den Anhängern der Confessio Augustana eingebracht. Nachdem die meisten ursprünglichen Unterzeichner des Bekenntnisses auf dem Reichstag von Augsburg nicht mehr lebten, schlug Christoph eine Zusammenkunft zum Zweck der Neuunterzeichnung der Confessio vor67. Am 20. Januar 1561 kamen Fürsten, Räte und Gesandte zu diesem Zweck in Naumburg an der Saale zusammen68. Durch die besonderen Interessen Friedrichs III. von der Pfalz mit seiner Wendung zum Calvinismus war die Frage brennend, welche Fassung der Confessio unterschrieben werden solle, die Erstfassung von 1530/31 oder die Variata von 1540. Deshalb wurde noch auf dem Fürstentag mit einem Vergleich der verschiedenen Textfassungen begonnen69. Als Ergebnis fand man einen Kompromiß70. Man unterschrieb die deutsche Fassung, die 1530 in Wittenberg gedruckt worden war, und die lateinische Fassung von 1531. In einer Vorrede an Kaiser Ferdinand71 hielt man aber fest, daß die Fassungen von 1540 und 1541

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Vgl. Hübner, Willen, S. 149-153. Vgl. o. S. 136f bei Anm. 44. Vgl. Koch, Ausbau, S. 200. Vgl. Koch, Aufbruch, S. 48-54. Vgl. Koch, Aufbruch, S. 30f, und Calinich, Naumburger Fürstentag, S. 144-147. Salig, Historie, S. 670, berichtet von einer Stellungnahme des Chyträus zu dieser Frage. 71 Text bei Heppe, Bekenntnisschriften, S. 581-601.

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7 Chyträus als Vertreter und Berater seiner Landesherren

dem ursprünglichen Wortlaut nicht widersprächen72. Man distanzierte sich allerdings ausdrücklich von den »abgottischen Lehren und Ceremonien (jnn denen sich gleichwol nachgehendts allerhandt Christliche enderungen zugetragen) Bapstischen kirchen und sonderlich in den Grewel der Transsubstantiation der Bapstlichen Mess, und was dem anhengig«73. Der Erfolg des ganzen Vorgangs war jedoch ein sehr geringer. Als Unterzeichner blieb nur Friedrich III. von der Pfalz übrig74, während andere Kurfürsten, die zunächst ihre Unterschrift gegeben hatten, diese nachträglich wieder zurückzogen75. »Diese Chance der theologischen Einigung ist verspielt.«76 Chyträus hat zu dieser Versammlung seinen Herzog begleitet77. Er hat auch einen ausführlichen Bericht davon erstattet78. In seinem Bericht nannte er sehr genau die wesentlichen Fragen des Konvents, nämlich die Unterschriftenerneuerung unter die Confessio Augustana und die Frage der Konzilsbeschickung79. Die Verhandlungen jedes Tages wurden hier aufgezeichnet. Er hielt auch fest, wie ausführlich über die Frage verhandelt wurde, welche Fassung der Confessio Augustana in lateinischer und deutscher Form man unterschreiben wolle, und protokollierte auch weitere sich daraus ergebende Konsequenzen80. Mit Datum vom 31. Januar lesen wir in diesem Bericht: »Die 31. Ianuarij de praefatione sententias suas Iohannes Fridericus Dux Saxoniae & Vlricus Dux Megapolensis & quidam absentium principum Legati dixerunt, Non se posse communem subscriptionem cum aliis probare, nisi diserte de articulis controversis se declarent. Caeteri principes & errores a nostris Ecclesijs reiectos antea ac inprimis Sacramentariorum nominatim & in spetiae testentur improbare. Deinde etiam in praefatione falso iactitari: Nulla esse in Ecclesijs nostris dissidia. Cum omnium oculis & auribus ea subiecta sint. Periculose etiam phrasium de Sacramento Altaris & Apologiae anno 1540 editae mentionem fieri ,..«81 Hier wurde also vom ernestinischen Sachsen und von Mecklenburg82 gemeinsam die Unterschrift verweigert mit Gründen, die 72 Vgl. Koch, Konkordienformel, S. 26; Koch, Aufbruch, S. 54, und Koch, Ausbau, S. 200f. 73 Bei Heppe, Bekenntnisschriften, S. 593. 74 Er entschied sich danach für das reformierte Bekenntnis, vgl. Wolgast, Reformation, S. 84. 75 Vgl. Koch, Konkordienformel, S. 26f. 76 Koch, Ausbau, S. 201. 77 Vgl. Krabbe, Chyträus, S. 147. 78 Vgl. Acta Naoburgensia & Brunsuicensia a D. Dauide Chytraeo conscripta, Wolfenbüttel, HAB: Cod. Guelf. 14.6 Aug. 4°, 18r-48v. 79 a.a.O., 21r-v, vgl. auch Koch, Aufbruch, S.48f. Diese Wolfenbütteler Handschrift ist auch ausgewertet bei Salig, Historie, S. 668-670. 80 Das deckt sich mit den Angaben bei Calinich, Naumburger Fürstentag, S. 138-147. 81 Acta Naoburgensia ..., 34r-35r. 82 Vgl. auch die brieflichen Berichte von Matthias Judex an Johann Wigand: bei Salig, Historie, S. 675-677, Anm. f.

7.3 Naumburger Fürstentag, 1561

143

in der historischen Situation kaum zu verwundern brauchen, wenn man weiß, wie sie vorher votiert hatten. Ausdrücklich erwähnt jedoch Chyträus in seinem Bericht das Bemühen anderer Fürsten, ihren sächsischen Kollegen von dieser »Störung« abzuhalten, mit der Begründung, daß dieser Konsens und die Verbindung in der Bekenntniseinheit zur Widerlegung und Zurückdrängung der gemeinsamen Feinde notwendig seien. Am 2. Februar habe Johann Friedrich von Sachsen seinen schriftlichen Protest vorgelegt, in dem er erklärt, er könne dem Vorwort und der gemeinsamen Unterschrift in Einheit mit denen, welche Irrtümer und Sekten im Widerspruch zum Wort Gottes und der Augsburgischen Konfession begünstigen, nicht ohne Verleugnung der ersten Tafel des Dekalogs und des achten Gebotes zustimmen. Er habe seine Bedingungen vorgelegt, wie er guten Gewissens unterschreiben könne und wolle. Wer dem widerspreche, könne nicht zur Gemeinschaft der Augsburgischen Konfession gezählt werden83. Tags darauf sei Johann Friedrich abgereist84. Wir übergehen die Einzelheiten zur Absage an die Konzilsaufforderung. Am 6. Februar seien Unterhändler an den Weimarer Hof gesandt worden, um Johann Friedrich noch einmal um seine Unterschrift zu bitten85. Sie hätten seinem Wunsch gemäß eine Antithese über das Abendmahl zugefügt86. Es blieb jedoch bei der Weigerung des sächsischen Herzogs, ja im weiteren Verlauf des Fürstentags und seiner Nachgeschichte kam es soweit, daß von der ganzen Unterschriftenaktion allein die Unterschrift Friedrichs III. von der Pfalz unter der Vorrede an Kaiser Ferdinand übrigblieb87. Am 8. Februar wurde der Konvent der Fürsten abgeschlossen. Mecklenburg war in dem Bericht von Chyträus hinter Sachsen zurückgetreten und nicht mehr näher erwähnt worden. Aber es war bei der genannten ablehnenden Haltung geblieben88. Die Berichterstattung geht in jenem Text von der Hand des Chyträus unmittelbar über zur Darstellung des Reichskreistages niedersächsischer Städte in Braunschweig89, wo über den Bremer Domprediger Albert Hardenberg90 und seine von der CA abweichende Abendmahlslehre verhandelt wurde. Chyträus war auf Wunsch seines Landesherrn91 von Naumburg aus nach Braun-

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Acta Naoburgensia ..., 36v-37r. Vgl. Calinich, Naumburger Fürstentag, S. 178-187. Vgl. a. a. O., S. 214-224. Vgl. Krabbe, Chyträus, S. 150, Anm. ***. Vgl. a. a. O., S. 151, Anm. * und Koch, Konkordienformel, S. 27. Vgl. den Bericht über die Position Ulrichs von Mecklenburg, der von Heidenhain, Unionspolitik, Beil., S. 64, geboten wird. 89 Zu diesem Konvent vgl. Heidenhain, Unionspolitik, S. 275-279. 90 Vgl. Wilhelm H. Neuser, Hardenberg, in: TRE 14, S. 442-444, hier S. 443, 49-53. 91 Chyträus war von Ulrich von Mecklenburg dorthin geschickt worden, wie er am 31. Januar 1561 an Johann Wigand schrieb (Text in Salig, Historie, S. 685f, Anm. m). Der Rostocker Professor erhoffte sich, in Braunschweig könne man sich unter frommen und gelehrten Männern zu einer besseren Unterschriftslei-

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7 Chyträus als Vertreter und Berater seiner Landesherren

schweig gereist92, so daß er darüber berichten konnte. Hardenberg habe ausdrücklich eine Verhandlung mit Paul von Eitzen 93 und Chyträus abgelehnt94, weil er beide aus bestimmten Gründen nicht für unparteilich gehalten habe. Chyträus habe einen seiner Schüler in Rostock, der seine Lehre dort vertreten habe, beim Examen aus Vorurteil verurteilt95. Als Ergebnis des Konvents in

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93 94 95

stung zusammenschließen, als die Fürsten in Naumburg. Er erwähnt ferner, Wigand könne aus den beiliegenden Blättern entnehmen, was er seinem Fürsten geraten habe. Welcher Art diese Beilage war, können wir nicht mit Bestimmtheit sagen. Vielleicht bezieht sich diese Bemerkung auf den Text: »Von der sembtlichen Unterschreibung der Augsburgischen Confession...«, den Wigand später als ein Dokument von des Chyträus Hand einstufte (vgl. u. S. 146, Anm. 108). Vgl. Krabbe, Chyträus, S. 148. - Von Braunschweig aus schrieb Chyträus am 10. Februar wieder an Johann Wigand in Jena, er habe den Brief der Jenenser erhalten und antworte nur auf eine Frage daraus. Unter allen Versammelten habe ein consensus über die Abendmahlsfrage bestanden. Man habe auch begonnen, »communem formulam concordiae de hoc articulo« zu schreiben, welche der »nervus« der Verbindung der sächsischen Kirchen sei. Darüberhinaus sei es um eine »norma« zur Beurteilung ähnlicher Kontroversfragen gegangen und um die Einberufung von Theologen, die eine »forma concordiae« erarbeiten sollten. Tilemann Heshusius, Paul von Eitzen und er, Chyträus, hätten den Auftrag erhalten, eine derartige »forma« zu formulieren. Hier sei es auch um den Textvergleich und die Unterschriftsleistung gegangen. In diesem Zusammenhang sei die Erklärung Heshusens zum Abendmahlsartikel der Confessio Augustana niedergeschrieben worden, von der Chyträus annimmt, der Autor habe sie nach Jena geschickt. Man halte sich zwar zur Widerlegung der Irrtümer bereit, doch seien dazu jetzt nicht günstige Bedingungen. Vielmehr wollten sie lieber erreichen, daß die ursprüngliche Augsburgische Konfession und kurze Erklärungen der umstrittenen Artikel von vielen Kirchen gleichzeitig unterschrieben würden. Dies halten sie für wirksamer, als daß einzelne Kirchen neue Bekenntnistexte veröffentlichten. Er wünsche sehr, daß die von seinem Landesherrn hervorgerufene Friedensformel (formula pacificationis) gedruckt werde. Aber er berichtet auch von den Schwierigkeiten durch verschiedene Meinungen. Was Wigand ihm wegen der Edition der ursprünglichen Confessio zuletzt geschrieben habe, erkenne er als ein Zeugnis wahrer und gewisser Liebe. Er berichtet, daß er vom Sohn Gottes täglich erbitte, er möge in seinem Geist das Licht seiner Wahrheit wegen der gegenwärtigen Streitigkeiten entzünden. In kurzer Zeit wolle er mit Gottes Hilfe seinem eigenen Gewissen ebenso wie dem etlicher Frommer Genüge tun durch die Ausgabe der ursprünglichen Confessio. - Ausdrücklich fügt er auch Segenswünsche an Matthias Flacius an, dem er für guten Rat und ein übersandtes Büchlein dankt. Auch an Matthias Judex richtet er gleiche Wünsche (Berlin, SBPK: Ms. boruss. fol. 31, Bl. 84r-86r [autographische Ausfertigung]) - Ob man darin einen Hinweis auf den Druck der CA in Rostock im Jahr 1561 (vgl. o. S. 98 mit Anm. 110 und u. S. 149 mit Anm. 122) sehen darf, ist nicht mit Sicherheit zu sagen. Zu Paul von Eitzen, dem Hamburger Superintendenten und ab 1562 Superintendenten und Hofprediger in Schleswig, vgl. Schade, Westphal, S. 24 und 48-51. Acta Naoburgensia .... 46v-47r, vgl. auch Krabbe, Chyträus, S. 149. »Dauid autem Discipulum quendam ipsius, qui eandem cum ipso Doctrinam professus esset, examinatum Rostochij praeiudicio suo condemnasset.« (Acta Naoburgensia ..., 46v-47r). Vgl. dazu Salig, Historie, S. 755f.

7.3 Naumburger Fürstentag, 1561

145

Braunschweig wurde der Dissensus festgeschrieben und Hardenberg mußte Bremen binnen 14 Tagen verlassen96. Auch davon hatte Chyträus zu berichten in jenem Dokument. Erst nach dieser Zwischenstation reiste er zurück nach Rostock. Mit der Heimkehr nach Rostock waren jedoch die durch den Naumburger Fürstentag gestellten Probleme noch nicht bewältigt. Die Kritiker hatten die erklärte Absicht, die durch »Naumburg« gestellten Fragen weiter im Auge zu behalten. Im Sommer 1561 sollte man in Lüneburg erneut zur Beratung über den Naumburger Abschied zusammenkommen97. In Vorbereitung auf diesen Konvent der Städte Lübeck, Hamburg, Lüneburg, Bremen, Rostock, Magdeburg und Braunschweig trafen sich vorab schon einmal die Städte Hamburg, Lübeck und Lüneburg in Mölln98. In Rostock forderte Herzog Ulrich von Mecklenburg eine Stellungnahme seiner Theologen, die im Zusammenhang mit der Promotion von Chyträus durch Jakob Runge, den pommerschen Superintendenten, gegeben wurde99. In Braunschweig legte Martin Chemnitz im April ein umfangreiches Gutachten vor: »De controversiis quibusdam, quae superiori tempore circa quosdam Augustanae Confessionis articulos motae et agitatae sunt, Judicium«100. In diesem ganzen Zusammenhang ist das Judicium von Chyträus und seinen Rostocker Kollegen über den Rezeß des Naumburger Konvents zu sehen, welches das Datum des 21. April 1561 trägt101. Dies Theologengutachten, das also den Herzog über Pro und Contra seiner Unterschrift unter die Naumburger Praefatio an den Kaiser beraten sollte, stammt im wesentlichen von Chyträus. Beteiligt waren auch Georg Venetus, Jacob Runge und Johann Kittel102. Sie waren zum Teil sehr vorsichtig in ihrem Urteil, weil sie im Unterschied zu Chyträus nicht bei den Verhandlungen zur Stelle gewesen waren und weil die Herzöge von Pommern - ihre Landesherren also - ihre Unterschrift schon gegeben hatten. Aber zur Abendmahlslehre wollten sie »ohne Scheu« bekennen, daß der Passus in der Praefatio so gehalten sei, daß auch »Calvin und alle Sacramentierer in Genf oder Emden« unter96 97 98 99

Vgl. Hauschild, Lübeck, S. 253f. Vgl. a. a. O., S. 262-264. Vgl. a. a. O., S. 263 mit Anm. 7, und Schade, Westphal, S. 50. Vgl. Krabbe, Chyträus, S. 151 f. Auch dem Herzog Johann Albrecht von Mecklenburg schrieb Chyträus zu dieser Frage abratend, vgl. Chytraei epistolae, S. 1122f. 100 Es wurde erst 1594 durch Polycarp Leyser publiziert, vgl. Keller, Adiaphora, S. 108f mit Anm. 82f und 102-108. 101 Text in Schütz, Vita 1, S. 348-350, vgl. auch Krabbe, Chyträus, S. 152. Die Urschrift findet sich in Schwerin: Dem durchleuchtigen hochgebomen Fürsten und Herrn, Herrn Ulrichen..., vgl. die Quellenbeschreibung unten. Eine weitere handschriftliche Überlieferung in: Primus Liber Facultatis Rostochiensis..., Bl. 70a72b. Da es keine wesentlichen Abweichungen gibt, zitieren wir nach der gedruckten Form. 102 Sie waren bei der Promotion von Chyträus anwesend, vgl. Chytraei epistolae, S. 1122.

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7 Chyträus als Vertreter und Berater seiner Landesherren

schreiben könnten103. Der Hauptpunkt, über den jetzt gestritten werde, sei darin nicht benannt, sondern als »generales loquendi formae« gesetzt. Streitpunkt sei ja nicht, daß Christus nach seiner Gottheit im Himmel ist und mit seiner Kraft im Glauben empfangen werde. Der eigentliche Kernpunkt des Streites sei die Gegenwart des wahren Leibes und Blutes unter der Gestalt des Brotes und Weines nach den Einsetzungsworten Christi. Der wahrhaftige Leib Christi werde im Abendmahl nicht allein von den Gläubigen empfangen, sondern auch von unwürdigen Christen zu ihrem Gericht104. Zum Thema der Unterschrift, setzt Chyträus fort, habe er sein Bedenken aus Gottes Wort begründet und dem Herzog bereits in Naumburg zugestellt. Er wolle sein Gewissen nicht damit beschweren, daß er zu dieser Subskription rate oder helfe, weil dadurch die Unrechte Lehre und Meinung der »Sakramentierer« und anderer Sekten, »die sich mit der Augsb. Confession beschonen«, nicht gestraft oder verworfen, sondern bestätigt werde. Aus diesen Gründen raten Chyträus und die anderen Theologen ihrem Herzog von der Unterschrift ab und bitten ihn, in gleichem Sinne auf benachbarte Fürsten einzuwirken. Die wahre Religion würde sonst vielfach unter dem Namen der Augsburger Konfession verfälscht. Man müsse aber die wahre Religion und darin Frieden und Einigkeit mit den Kirchen der benachbarten Territorien suchen105. Chyträus hatte erwähnt, er habe in Naumburg seine Meinung über die Unterschrift schon mitgeteilt. In diesem Passus kann man den Hinweis auf ein Dokument aus seiner Feder erkennen, das oft als anonym betrachtet wird106. Es wurde 1561 ohne Verfasserangabe publiziert107, aber in einer einschlägigen Veröffentlichung von 1730 wieder gedruckt und als Arbeit von Chyträus ausgewiesen108. An erster Stelle wird in diesem Text abgelehnt, eine gemeinsame Unterschrift mit solchen zu vollziehen, die unter dem Namen des Augsburgischen Bekenntnisses entweder »öffentliche Irrtümer und Sekten« verteidigen und 103 Schütz, Vita 1, S. 348. 104 a. a. O., S. 349. Chyträus wollte also Realpräsenz und manducatio indignorum im lutherischen Sinne gewahrt wissen. Vgl. seine Argumentation in dem undatierten Brief an Jacob Monau, o. S. 126f. 105 a. a. O., S. 350. 106 Kolb, Augsburg, S. 51, Anm. 13, rätselt über die Autorschaft. 107 Vgl. Kolb, a. a. O., und Voit, Gallus, S. 237. 108 Cyprian, Historia, Beil. XLIV, S. 229-240: »Von der sembtlichen Unterschreibung der Augsburgischen Confession...« Cyprian greift zur Begründung der Autorschaft auf die eben dargestellten Ausführungen und ein Zeugnis von Johann Wigand von 1574 zurück, das er selbst ebenfalls abdruckt, a.a.O., Beil. X, S. 150f. Möglicherweise meinte Chyträus dies Dokument mit seinen Bemerkungen, u. a. von der »formula pacificationis«, die er in den Briefen an Johann Wigand machte (vgl. o. S. 143f, Anm. 91 und 92). - Voit, Gallus, S. 225 und S. 237, möchte in diesem Text eine Arbeit von Nikolaus Gallus sehen, was aber kaum zutreffen kann.

7.3 Naumburger Fürstentag, 1561

147

ausbreiten oder in der Lehre von wichtigen Artikeln nicht mit Gottes Wort und »unserem rechten christlichen« Verständnis überein kommen109. Für diese These wird eine Sammlung von Belegstellen aus der Bibel vorgelegt. Eine Argumentation aus dem Text der Confessio Augustana selbst gegen diese Form der erneuten Unterschrift schließt sich an. Ein wesentlicher Gedanke ist dabei auch, daß den »schwachen und betrübten Gewissen«, die nicht wissen, wem sie folgen sollen, nicht geholfen werde, sondern daß ihre Betrübnis und ihr Irrtum bestätigt würden110. Man würde mit dieser Unterschrift auch den »papistischen Verunglimpfungen« neue Nahrung geben. Es wird an das Religionsgespräch von Worms mit seinem unerfreulichen Ergebnis erinnert, aber zugleich wird vermutet, die Spaltungen und die Uneinigkeit im evangelischen Lager seien noch gewachsen. Eine Unterschrift widerspreche darüber hinaus dem achten Gebot. Man durchleuchtet näher, was die Weigerung bedeute, Luthers Schmalkaldische Artikel zusammen mit der Confessio Augustana zu unterschreiben, die doch einige Irrtümer deutlicher aufgegriffen hätten, vor allem hinsichtlich der Abendmahlslehre und des Amtsverständnisses. Aus allen diesen Gründen wird von einer Unterschriftsleistung abgeraten. An zweiter Stelle wird gezeigt, über welche Artikel der Confessio Augustana in den letzten Jahren MißVerständnisse aufgekommen seien111. Darüber müsse man sich deutlich verständigen und die falsche Meinung verwerfen. Hier werden nacheinander strittige Artikel aufgegriffen. Zur Abendmahlslehre heißt es, Calvin und »alle Sakramentierer« könnten die Naumburger Präfation unterschreiben, weil die Worte so »weitläufig« seien. Es wird die Realpräsenz und in Zusammenhang damit die manducatio indignorum betont. Ausführlich wird die spiritualisierende Deutung der Gegner dargestellt und Position bezogen im Sinne des Verständnisses von CA 10 in Übereinstimmung mit den Schmalkaldischen Artikeln Luthers112. Zur Rechtfertigungslehre wird eine Verwerfung der nach Luthers Tod entstandenen Verfälschungen in allen Erscheinungsformen gefordert. Auch die Adiaphorafrage und das Problem des freien Willens werden erörtert. In der Willensfrage kann ausdrücklich auf die synergistische Verfälschung von Confessio Augustana Variata 18 hingewiesen werden113. Die Probleme von Bischofs- und Papstamt möchte man im Sinne der Schmalkaldischen Artikel geklärt wissen.

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a. a. 0 . , S. 230. a. a. 0 . , S. 232: »Zum siebenden«, (vgl. auch o. S. 22f bei Anm. 27). a.a.O., S. 233. a. a. 0 . , S.235. a.a.O., S. 238. Hier ist eine Parallele zu den Stellungnahmen zur Weimarer Disputation. Dort hatte Chyträus keinen Gebrauch von CA Var. 18 gemacht. Die für Chyträus charakteristische Fassung der Lehre von der Bekehrung und ihren drei causae finden wir hier nicht. Aus einem Brief von Matthias Judex an Johann Wigand wissen wir jedoch, daß Chyträus auf dem Naumburger Fürstentag mit Judex über die Willensfrage - wohl

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7 Chyträus als Vertreter und Berater seiner Landesherren

Um sich nicht durch die gemeinsame Unterschrift unter die Confessio an den genannten Irrlehren mitschuldig zu machen, müßten die Irrtümer verworfen werden, oder die Gegner sollten ausdrücklich ihre Lehrübereinstimmung erklären. Dies Votum war bestrebt, die Sachverhalte mit einfachen und verständlichen Worten zu beschreiben und auf Fachsprache ebenso wie auf historische Einzelheiten und Nennung von Personen zu verzichten. Es hatte offensichtlich die Fürsten als Leser dieser Publikation im ursprünglichen Einzeldruck114 im Auge, die ja vor der Frage der Unterschrift standen. Letzte Klarheit über die Verfasserschaft dieses Texts wird wohl kaum noch zu erreichen sein. Die Argumente von Cyprian115 zwingen nicht zu der Annahme, genau dies sei der Text, den Chyträus anderweitig erwähnt und von dem auch Johann Wigand gesprochen hatte116. Allerdings hat auch Salig den Text Chyträus zugewiesen117. Versteht man ihn als den Autor, so eröffnet das plausible Deutungsmöglichkeiten. Aber auch für Gallus als Autor gibt es Argumente118. Noch in demselben Jahr schrieb Chyträus an Johann Albrecht von Mecklenburg119. Hier wurde von der Beratung mit den Doctores aus Anlaß der Promotion berichtet. In der Naumburger Formel werde - so heißt es da - nicht allein durch die allgemeine Unterschrift den »Sakramentierern und anderen Irrtümern«, welche sich auf diese Weise mit dem Namen der Augsburgischen Konfession fälschlich schmücken, der Zugang zu »unseren Kirchen« eröffnet. Vielmehr werde auch die Formel des Frankfurter Rezesses erneut mit Geschick in den Text gesetzt, damit sie von denen, die sie mit richtigen und gewichtigen Gründen zurückgewiesen hätten, nun aufgenommen und bestätigt werde. Dies glaubte Chyträus aus Gewissensgründen anzeigen zu müssen. In der rückblickenden Beurteilung schien ihm dies besonders wichtig, nachdem er ja auch früher schon zum Frankfurter Rezeß Stellung genommen hatte. Chyträus, der sich auch wesentlich später noch kritisch an den Naumburger Fürstentag und seine Praefatio zur CA erinnerte120, hat bei seiner Beschreibung dieses Konvents nicht erkennen lassen, wo seine speziellen Aufgaben la-

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in bezug auf die Texte der CA - verhandelt hat, vgl. Salig, Historie, S. 676f, Anm. f. Vgl. Kolb, Augsburg, S. 51, Anm. 13, und Voit, Gallus, S. 237. Cyprian, Historia, Beil., S. 229. a. a. O., S. 150f. Vgl. Salig, Historie, S. 678, Anm. und S. 708-710 und o. S. 146, Anm. 108. Vgl. Voit, Gallus, S. 225. Daß man Regensburg als Druckort ermitteln kann, sagt noch nichts. Im Regensburg des Nikolaus Gallus wurden in jener Zeit auch andere auswärtige Dokumente gedruckt, wie z . B . die Lüneburger Artikel 1562, vgl. Keller, Adiaphora, S. 103. Chytraei epistolae, S. 1122f. Vgl. Brief vom 10.12. 1569 in Chytraei epistolae, S. 832.

7.4 Lüneburger Mandat, 1562

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gen. Ein Theologe war eben bei einem solchen Fürstenkonvent nur Ratgeber121. Aber es wird nicht ohne seine Beteiligung geschehen sein, daß im gleichen Jahr 1561 in Rostock eine neue Druckausgabe der CA für den Gebrauch vorgelegt wurde122. An Textexemplaren zu Studienzwecken sollte kein Mangel sein. Der dem Wortlaut des Bekenntnisses beigefügte Index aber sollte zeigen, daß die CA nicht ein beliebiges Dokument sei, welches man nach freiem Wunsch und Ermessen ändern und deuten könne. Die CA stehe vielmehr in Übereinstimmung mit der Lehre der ganzen Kirche und der hl. Schrift. In diesem Bemühen, das rechte Verständnis der Confessio von Augsburg zu ermitteln, was sich während der Verhandlungen von Naumburg als so dringend nötig erwiesen hatte, ist wohl die Wurzel für die Arbeit von Chyträus an Entstehung und Text der Confessio zu suchen. Es war ihm wichtig, die Quelle selbst so verstehen, daß sie aus ihrer eigenen Entstehung heraus allen Fehlinterpretationen kraft eigener Autorität Widerstand leisten mußte. In dieser Arbeit an Entstehung und Text der Confessio lag sein persönlicher Beitrag zur Einheit der Kirche. Eben dies war es, was Hardesheim verstanden hatte, und worauf er deshalb er mit den gleichen Waffen zu entgegnen versuchte123. Naumburg 1561 ist ein wichtiger »Sitz im Leben« für die Historia der Augsburgischen Konfession von Chyträus. Die Dringlichkeit der in Naumburg gestellten Fragen ist durch die Ereignisse der Folgezeit nicht geringer geworden, wie sich bis hin zur Konkordienformel verfolgen läßt.

7.4 Lüneburger Mandat, 1562 Wir wenden uns nun den Bestrebungen vor allem norddeutscher Städte zur Gewinnung einer überterritorialen Bekenntniseinheit zu. Die Epoche zwischen dem Naumburger Fürstentag und der Konkordienformel ist gefüllt von Ansätzen, die nicht alle erfolgreich waren bzw. deren Wirkung dann von der abschließenden Bekenntnisschrift des Luthertums im 16. Jahrhundert überrollt werden sollte. Von den in Kursachsen wirkenden Melanchthonschülem kamen wenig Impulse für eine theologische Einigung124. Man muß jedoch vorsichtig sein mit der Etikettierung dieser Theologen als Philippisten125. Eine Fülle verschiedener historischer, politischer und theologischer Faktoren wirkte hier zusammen.

121 Über seine Tätigkeiten in dieser Zeit geben die bei Salig, Historie, S. 675-677, Anm. f, mitgeteilten Briefe Aufschluß. 122 Vgl. Neuser, Bibliographie, S. 83, Nr. 55, und o. S. 98 mit Anm. 110. 123 Vgl. o. S. 119-124 und o. S. 144, Anm. 92. 124 Vgl. Müller, Einheit, S. 21, und Koch, Ausbau, S. 201f. 125 Vgl. Koch, Philippismus, S. 67-73.

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7 Chyträus als Vertreter und Berater seiner Landesherren

Im Anschluß an den Naumburger Fürstentag waren es norddeutsche Städte, die durch ihre Theologen einen Vorstoß für die Einheit verschiedener evangelischer Territorien machten. Man hat sie dem gnesiolutherischen Lager zuordnen wollen, aber bei genauer Durchsicht wird diese uniformierende Gruppenbezeichnung auch problematisch126. In diesen Zusammenhang aber gehört der Konvent in Lüneburg im Juli 1561127, auf dem die Theologen kritisch zum Vorschlag von Naumburg ein Dokument verabschiedeten, das auf Reinheit der Lehre pochte128. Joachim Mörlin, der Superintendent von Braunschweig, war der Verfasser dieser »Lüneburger Artikel«129, die in Antithese zu einer vermittelnden Theologie klare Position bezogen über die Frage, welche Lehrschriften zum Corpus Doctrinae gehören, welche Lehrfragen eine klare Condemnation entgegengesetzt bekommen sollten, und wie man sich gegenüber der Konzilseinladung verhalten solle130. Chyträus hat an diesem Konvent nicht teilgenommen, sondern der Rostocker Superintendent Johannes Kittelius131. Was hier jedoch beschlossen wurde, dürfte durchaus auch seine Zustimmung gefunden haben. Das Ansinnen von Naumburg stieß auf Ablehnung. Die theologische Position der Lüneburger Artikel sollte jedoch nicht auf die Zustimmung der Fürsten stoßen, die in den entsprechenden Territorien Verantwortung trugen. Es war wieder auf einer Kreisversammlung in Lüneburg im Juni 1562, als von den Fürsten ein Mandat132 gegen die Lüneburger Artikel der Theologen erlassen wurde. Dies Mandat nahm die Position des Frankfurter Rezesses ein und wollte dem Theologenstreit wehren. Von nun an durfte ohne obrigkeitliche Erlaubnis im niedersächsischen Kreis kein theologisches Buch veröffentlicht werden. Dies Mandat rief Widerspruch der Theologen hervor. Mörlin, Chyträus und Heshusius in Magdeburg veröffentlichten Gegenschriften. Heshusius wurde aufgrund dieser Polemik 1562 aus seiner Stadt ausgewiesen. Hamburg blieb trotz einer Spaltung der Pfarrerschaft über die Annahme des Lüneburger Mandats bei seinem gnesiolutherischen Bekenntnisstand. Schleswig und Holstein stimmten dem Lüneburger Mandat zu, nach126 Vgl. Koch, a. a. O., S. 65-67. Koch legt einen wichtigen Kriterienkatalog vor. Einfacher noch kann man sich zunächst einmal bewußt machen, daß die norddeutschen Theologen um Mörlin und Chemnitz zwar in wichtigen Fragen - etwa dem Streit um die Adiaphora - mit den Jenenser Theologen und ihrem Freundeskreis konform gingen. Andererseits konnten sie aber doch der flacianischen Erbsündenlehre nicht ohne deutliche Differenzierungen zustimmen. (Zur Begrifflichkeit vgl. auch Barton, Erbe, S. 10f)· 127 Vgl. Hauschild, Lübeck, S. 262-264; Hauschild, Konsensusbildung, S. 45f, und Hauschild, Corpus Doctrinae, S. 243f. 128 Vgl. Schwarz, Lehrnorm, S. 254f. 129 Vgl. das Faksimile des Titels in: Keller, Adiaphora, S. 103. 130 Vgl. Mahlmann, Chemnitz, S. 319, und Mahlmann, Artikel Chemnitz, in: TRE7, S. 715. 131 Vgl. Krabbe, Chyträus, S. 154f. 132 Text in Schütz, Vita 1, S. 350-354, vgl. auch Salig, Historie, S. 768f.

7.4 Lüneburger Mandat, 1562

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dem Paul von Eitzen seine Zustimmung zu den Lüneburger Artikeln widerrufen hatte. In Braunschweig und Lübeck wurden die Lüneburger Artikel aber Bestandteil des Corpus Doctrinae. Herzog Ulrich forderte von seinen Theologen in Rostock ein Gutachten zum Lüneburger Mandat an133. Das in Güstrow am 28. August 1562 von Chyträus in Gemeinschaft mit Conrad Pistorius und Simon Pauli erarbeitete »Bedenken«134 bewertet das Mandat als sträflich und gegen das Wort Gottes135. Die Autoren benennen neun Ursachen, um derentwillen fromme und treue Prediger das Lüneburger Mandat mit Gottes Wort strafen müßten. Zunächst sei es Gottes Wille und Befehl, daß treue Prediger nicht allein recht predigen, sondern auch falsche Lehre widerlegen sollten. Das Mandat streite dagegen, wenn es die Verdammung falscher Lehre verbiete. Auf einer unparteiischen Synode möge die Sache beurteilt und die Irrtümer abgeschafft werden134. Die zweite Ursache für die Ablehnung des Mandats sei das Verbot, die »Sakramentierer« zu strafen. Die Verfasser erinnern an die Kontroverse um Albert Hardenberg in Bremen und führen einen ausführlichen Beweis, wie die Confessio Augustana invariata in erkennbarem Unterschied zu allen späteren Editionen über die Abendmahlsfrage gelehrt habe. Die Lehrübereinstimmung der CA mit der römischen Kirche in der Frage der Realpräsenz wird eigens betont137. Sie zeigen die Gründe für die Veränderungen der Variata und der Apologie in späteren Ausgaben. Auf diese Weise sei es den »Sakramentierern« möglich, sich der CA und der Apologie zu rühmen138. Die Verfasser des Lüneburger Mandats hätten sich vorher theologisch beraten lassen sollen. Man hätte »ohn einige ambiguitaet« sagen sollen, was ein »Sakramentierer« ist. Die Güstrower Gutachter tun das mit einem Lutherzitat. Luther müsse man für den »getreuesten / beständigsten und besten Lehrer der Augsburgischen Confession« halten139. Seine Worte stimmten am besten mit den Worten Christi und des Apostels Paulus überein. Als dritte Ursache, warum sie gegen das Lüneburger Mandat votieren, zeigen die Theologen, daß mit dem Verbot einer »Condemnation« die niedersächsischen Kirchen selbst ihre früheren Konfessionen zu den Streitfragen nachträglich verurteilen würden. Das führe zu einer gottlosen Leichtfertigkeit, die keinem frommen Mann zuzumuten wäre140. 133 Vgl. Hauschild, Konsensusbildung, S.46f, und Hauschild, Lübeck, S.264f. 134 Text bei Bertram, Lüneburg, Beil. Nr. XI, S. 58-71. Handschriftlich findet sich dieser Text: Primus Liber Facultatis Rostochiensis..., Bl. 77a-86b. Wir zitieren die gedruckte Fassung. 135 a. a. O., S. 59. 136 a. a. O., S. 61. Damit kritisieren sie die Weigerung der Wittenberger Theologen gegen eine Synode. 137 a. a. O., S. 64. 138 a. a. O., S. 66. 139 a. a. O., S. 66. 140 a. a. 0 . , S. 67.

152

7 Chyträus als Vertreter und Berater seiner Landesherren

Als vierte Ursache nennen sie unrichtige Behauptungen des Mandats141. Es sei auch fünftens nicht möglich, auf die persönliche Namensnennung bei Irrtümern völlig zu verzichten. Auch seien - sechstens - Luthers Widerlegungen bestimmter Theologen nach diesem Mandat nur ein »ungebührliches Schelten«: »So ist es auch nicht ohne Nachtheil der Wahrheit und Argelist geschehen / daß in diesem Mandat nicht mit einem Wort gedacht werden D. Martini Lutheri Schrifften / den man ja für den fürnehmsten / reinesten und beständigsten / Lehrer der Augspurgischen Confession halten muß / und darinn der Sacramentirer und anderer Secten Irrthume deutlich und ernstlich gestrafft und verdammt werden.«142 Auch würden die Schmalkaldischen Artikel in dem Mandat ausgelassen oder seien nachträglich getilgt worden. Siebtens würde man dem Braunschweigischen Kreistagsabschied vom Februar 1561 mit der Verwerfung Albert Hardenbergs nun durch das Lüneburger Mandat widersprechen. Es sei achtens für einen getreuen Prediger ein Anstoß, daß in dem Mandat von zwei Religionen gesprochen würde, nämlich von der »alten« und der »der Augspurgischen Confession gemäßen«. Die »alte« Religion sei nämlich die wahrhaftige. Die papistische Lehre dürfe mit diesem ehrenvollen Titel nicht belegt werden. Neuntens versprechen die mecklenburgischen Theologen, daß sie sich der Bücherzensur unterordnen wollten, aber sie schärfen ihrem Landesherrn ein, was einer Obrigkeit von Gott befohlen sei143. Die Obrigkeit solle mit Hilfe von »gottseligen« und gelehrten Predigern eine feste und unbezweifelbare »Formam der Lehre« erstellen lassen und zur Norm erheben, sowie auf deren Einhaltung achten144. In diesem »Bedenken« begegnen uns wieder charakteristische textkritische Beobachtungen zu den Ausgaben der Confessio Augustana wie auch deutliche Hinweise auf die Bedeutung der Schriften Luthers für das Verständnis der Confessio. Wir finden darin außer der konkreten Stellungnahme zum Lüneburger Mandat auch den unverkennbaren Ansatz von Chyträus für Interpretation und Deutung des evangelischen Bekenntnisses. Von Bedeutung ist dabei auch der achte Punkt, in dem die Confessio Augustana unübersehbar in Einklang mit der alten, wahren katholischen Kirche gesetzt wird. Man grenzt sich von der »papistischen Lehre« zwar ab, aber in der Abendmahlsfrage unterstreicht man bewußt den Konsens mit der katholischen Kirche, wie wir unter Punkt zwei sahen. Hier zeichnet sich der Katholizitätsgedanke ab, der das Luthertum auf lange Jahre bestimmen sollte, der auch schon in dem »Index« der Rostocker CA-Ausgabe aufgetaucht war und der im »Catalogus testimoniorum« der Konkordienformel breitere Gültigkeit erhalten sollte.

141 a. a. 0 . , S. 67f. 142 a. a. O., S. 69. 143 Das zeigt, wie sicher sich die Theologen hinsichtlich der theologischen Haltung ihrer Herzöge sein konnten. 144 a. a. O., S. 70f. Vgl. zu diesem Text auch Krabbe, Chyträus, S. 156-160.

7.5 Augsburger Reichstag, 1566

153

Die mecklenburgischen Theologen hatten mit ihrem Gutachten Erfolg bei ihren Landesherren 145 . Das Lüneburger Mandat sollte keine Bedeutung behalten.

7.5 Augsburger Reichstag, 1566 Zu den Beratungstätigkeiten des Rostocker Professors Chyträus gehörte auch, daß er seinen Landesherrn, Herzog Ulrich, auf den Augsburger Reichstag von 1566 zusammen mit Johann Wigand, dem Superintendenten von Wismar, begleitete146. Dieser Reichstag, der in den theologiegeschichtlichen Lehrbüchern normalerweise vernachlässigt wird, war für die Bedeutung der Augsburgischen Konfession und die Frage nach ihrer Geltung von besonderer Wichtigkeit 147 . Dem pfälzischen Kurfürsten Friedrich III. gelang es hier nämlich, durch eine Rede zu erwirken, daß es nicht zur Ausrottung der »calvinischen Sekte« kam. »Somit bedeutet der Verlauf dieses Reichstags den Beginn der politischen Duldung der calvinistischen Glaubensrichtung im Reich.«14® Was sich so aus dem Rückblick des Historikers sagen läßt, ist für die Zeitgenossen eine dramatische Angelegenheit gewesen. Das gilt auch für die Beteiligung von Chyträus an dieser Versammlung. Seine Reise nach Augsburg führte ihn aber zugleich zu wichtigen Begegnungen und Kontakten. Wir verdeutlichen uns zunächst, worum es 1566 ging. Als Kaiser Maximilian II. am 12. Oktober 1565 die Einladung ausgehen ließ und den Reichstag zum 14. Januar 1566 nach Augsburg einberief, da stand an erster Stelle die Frage nach der Einheit der Religion im Reich, gefolgt von der zweiten: »Wie den einreißenden verführerischen Sekten vorzubeugen«. Es ging dabei also um die Handhabung des Landfriedens, das heißt um die Anwendung des Augsburger Religionsfriedens von 1555149. Wir beschränken uns hier auf die Aspekte der Versammlung150, die für unsere theologiegeschichtliche Fragestellung wichtig sind. Dem Kurfürsten Friedrich III. von der Pfalz mußte alles daran liegen, daß sein Land und der darin vertretene Calvinismus nicht den Stempel der »Sekte« behalten sollten151. Friedrich lag zur Erlangung dieses Zweckes auch daran, diesen Kampf nicht allein, sondern in Gemeinschaft mit anderen Territorien zu führen 152 . Ungeachtet dessen kam es zum kaiserlichen Dekret vom 14. Mai 145 146 147 148 149 150 151

Vgl. Hauschild, Lübeck, S. 264f. Vgl. Hollweg, Reichstag, S. 261, und Krabbe, Chyträus, S. 181. Vgl. o. S. 120f. Schulze, Augsburg, S. 44. Vgl. Hollweg, Reichstag, S. 104. Tatsächlich begann der Reichstag am 23. März 1566, vgl. a. a. O., S. 241. Sonst wäre die Vernichtung dieses Calvinismus angesagt gewesen, wie der Kaiser ursprünglich geplant hatte, vgl. a. a. O., S. 107. 152 Vgl. a. a. 0 . , S. 148.

154

7 Chyträus als Vertreter und Berater seiner Landesherren

1566, das eine schroffe Absage an den Calvinismus bedeutete153. Der Pfälzer Kurfürst stand nun für kurze Zeit als einer da, der sich im Widerspruch zur Confessio Augustana befand. Es sollte dies jedoch nicht das letzte Wort dazu bleiben. Am 26. Mai übergaben die Stände dem Kaiser ein Antwortschreiben, womit ihm in dieser Sache das »Rückgrat gebrochen« wurde154. Damit hatte Friedrich gesiegt. Zur Beilegung der theologischen Differenzen in der Abendmahlsfrage wurde ein Treffen von Räten der evangelischen Stände in Erfurt für den 1. September in Aussicht genommen155. Hier sollten die pfälzischen Räte nachweisen, daß ihre Theologie mit der bisherigen Lehrtradition übereinstimme156. Wir mußten den Gang der Ereignisse und Daten kurz vor Augen führen, bevor wir Chyträus' Haltung dazu darstellen können. Für diesem Zusammenhang ist auch noch zu beachten, daß Herzog Christoph von Württemberg, dem auf diesem Reichstag eine ganz besondere Bedeutung zukam157, sich am 29. April an Herzog Ulrich von Mecklenburg gewendet hatte158. Er erinnerte daran, daß er dem Mecklenburger Herzog »ein Protokoll des Maulbronnischen Colloquii« zusammen mit einer Schrift seiner Theologen über das Abendmahl geschickt habe159. Er wies damit auf den württembergischen Versuch hin, die Herausforderung durch die neue Entwicklung in der Pfalz aufzugreifen und durch eigene Erklärungen Position zu beziehen160. Nun erbat Christoph erneut eine Stellungnahme der mecklenburgischen Theologen dazu, weil er eine Ausweitung des Streites unter den Verwandten der Augsburgischen Konfession vermeiden wollte. Da die »neuen Zwinglianer und Calvinianer« versuchten, seine Pfarrer mit mancherlei Anklagen anzugreifen, so sei ihm an einer mecklenburgischen Stellungnahme besonders gelegen161. Chyträus hatte bereits am 19. März ausführlich in einem Schreiben an Herzog Ulrich dazu Stellung genommen162. Sein Votum steht also vor dem Beginn des Reichstags und vor dem erwähnten Augsburger Schreiben Herzog Christophs von Württemberg. Da er jedoch auch zu dessen Fragen Stellung nimmt, beleuchten wir seine zeitlich frühere Position erst, nachdem wir dargestellt haben, um welche Fragen es dem Herzog von Württemberg dabei ging, die in Mecklenburg also doch schon vor der Mahnung vom 29. April weitergeleitet worden waren. Diesem Schreiben Christophs lag ein Entwurf 153 154 155 156 157 158 159 160 161 162

Vgl. a. a. O., S. 338-340. a.a.O., S. 376. Vgl. a.a.O., S. 391. Vgl. a.a.O., S. 395. Vgl. a.a.O., S. 114-127. Vgl. die Angaben zum Autograph im Quellenverzeichnis. Vgl. dazu Tschackert, Entstehung, S. 542f. Vgl. auch Brecht/Ehmer, Reformationsgeschichte, S. 339-341 und S. 429f. Das Schreiben trägt die eigenhändige Unterschrift Herzog Christophs. Vgl. die Angaben zum Autograph im Quellenverzeichnis.

7.5 Augsburger Reichstag, 1566

155

für Vergleichsartikel zur Beilegung des Konfessionsstreits zwischen der evangelischen und der altgläubigen Partei in Abschrift bei163. Darin wollte man sich verständigen über die Rechtfertigung des Sünders vor Gott, über die Priesterehe und über den Laienkelch. Der Rostocker Professor antwortet seinem Landesherrn als Historiker und auf dem Hintergrund seiner Erfahrung in solchen Beratungen. Er erinnert an den Regensburger Reichstag von 1541, wo der Kurfürst von Brandenburg einen ähnlichen Vorstoß wie in den vorliegenden Vergleichsartikeln unternommen habe, und ruft seinem Landesherm Luthers damalige Antwort ins Gedächtnis. Der Reformator habe damals einem solchen Versuch durch einen - jetzt von Chyträus zitierten - Brief eine kritische Absage erteilt164, weil die Rechtfertigungsfrage nicht geklärt sei. Mit dem Verweis auf Luthers kritische Stellungnahmen zu solchen Ausgleichsversuchen wird dem Herzog von Mecklenburg ein Argument für die gegenwärtige Situation an die Hand gegeben. In den Verweisen auf Lutherstellen165 klingt aber auch bereits die Rezeption der Haltung des Coburger Luther166 an, wie sie in der Historia dann ausgebaut werden sollte. Chyträus greift in seiner Erinnerung auch auf die Erfahrung mit dem Interim von 1548167 zurück. Darin sei deutlich geworden, was von solchen Vergleichen zu halten sei. Es seien auch jetzt ganz vergebliche Gedanken, sich über die drei Fragen Rechtfertigung, Priesterehe und Laienkelch verständigen

163 Vgl. die Angaben zu »Ungevarlich und guethertzig Bedencken« im Quellenverzeichnis. Chyträus gibt in seinem Brief an, das Schreiben sei ihm am 15. März zugeschickt worden. 164 Chyträus gibt als Quelle den 12. Band der deutschen Wittenberger Ausgabe (Bl. 306-308) an, wodurch sich feststellen läßt, daß es sich dabei um einen Brief Luthers an die Fürsten Johann und Georg von Anhalt vom 11. und 12. Juni 1541 handelt. Das Zitat findet sich: WA.B 9, S. 436-445, Nr. 3629, hier S. 440,20441,47. 165 »Im neunden Tomo ahm 434, 433, 445 blat« (gemeint ist die Wittenberger Ausgabe, deutsch). Damit verweist er auf Texte, die in die Geschichte des Augsburger Reichstags gehören und ihn später im Rahmen seiner Darstellung der Historia wieder beschäftigen sollten: Bl. 434 meint den Brief Luthers an Jonas vom 20. September 1530, wo Luther betont, daß man von der als richtig erkannten Position nicht weichen dürfe, vgl. dazu o. S. 68 mit Anm. 221. B. 433 meint den Brief Luthers an Melanchthon vom 26. August 1530, in dem Luther eine Einigung in der Lehre für unmöglich hält, vgl. dazu o. S. 63, Anm. 189. Bl. 445 weist in das Material, das auch Historia, Frankfurt 1580, Bl. 380b erwähnt wird (im fortlaufenden Text S. 178f), vgl. dazu o. S. 59-61. 166 Krabbe, Chyträus, S. 186, der das Gutachten von Chyträus ins das Jahr 1565 datiert, zählt Anm. ** zwar die bei Chyträus genannten Luther-Stellen auf, aber er zeigt nicht den inneren Zusammenhang mit der Rückbesinnung auf Augsburg 1530 auf. 167 Krabbe, a. a. O., Anm. ***, zitiert diese Passage ausführlich.

156

7 Chyträus als Vertreter und Berater seiner Landesherren

zu wollen. Der Papst werde solche Bedingungen niemals annehmen. Er rät seinem Landesherrn davon ab, die Kirche seines Landes mit derartigen Ausgleichsversuchen zu beunruhigen. Er will alle Artikel des christlichen Glaubens, wie sie in der Augsburgischen Konfession kurz zusammengefaßt sind, ohne Ausnahme und Rücksichten vor Gott und der Welt bekennen. Durch Vergleiche, denen eine ausreichende Begründung fehlte, würde anderen frommen Christen nur Ärgernis gegeben. Auf Wunsch des Herzogs wäre Chyträus auch bereit, die Punkte einzeln mit »linderen Worten« zu behandeln. Abschließend kommt er noch auf eine Stipendienfrage zu sprechen. Das Dokument trägt die eigenhändige Unterschrift von Chyträus, während der Text von Schreiberhand niedergelegt wurde168. Chyträus lehnte also im Vorhinein solche Ausgleichsversuche ab. Am 19. Juni 1566 berichtete er von den Verhandlungen an Herzog Johann Albrecht169. Er tritt nicht so massiv hervor, wie wir es bei seinem Kollegen Johann Wigand in einem ähnlichen Schreiben170 beobachten können171. Er sieht jedoch den Verlauf des Reichstags als unglücklich172 an. Wenn wir Chyträus in diesem Kontext sehen, dann erkennen wir in seinen Stellungnahmen zum Augsburger Reichstag nicht nur einen Ratgeber seines Fürsten von klarem Profil,

168 Auch die Adresse auf dem Brief wurde von Chyträus persönlich geschrieben. 169 Text in Krabbe, Chyträus, S. 182f, Anm. *. 170 Ohne Angabe von Ort und Datum hat Johann Wigand seinem Landesherm geschrieben und berichtet (Das Schreiben befindet sich im gleichen Aktenband und ist wohl nach dem 7. Juli 1566 geschrieben worden). Er nimmt Bezug auf ein Gespräch mit Herzog Christoph. Zunächst hebt er hervor, Herzog Christoph zweifle nicht, daß Ulrich von Mecklenburg den Konvent in Erfurt am 1. September mit guten und theologisch gebildeten Räten beschicken werde. Hauptsächlich gehe es um die Sache, »ob der Churfurst am Rein [= Friedrich III.] in der warheit der Augspurgischen Confession sei oder nicht«. Man solle »solchen statum causae« nicht versetzen noch verrücken lassen. Christoph habe aber auch Mecklenburg gebeten, auf die Einheit unter den evangelischen Theologen hinzuwirken, was er als eine Gegenmaßnahme gegen die »Sakramentierer« in der Pfalz verstehe. Ferner trägt Wigand die Meinung Herzog Christophs über eine Synode vor. Man dürfe auf einer solchen Synode keine Disputation über den Streit der Sakramentierer zulasssen und müsse festhalten, daß die Pfalz »der Augspurgischen Confession nicht gemeß oder gleich stimmend sey«. Dies sei dem Kurfürsten am Rhein mitzuteilen. (Hollweg, Reichstag, S. 261, spricht von dem durch seine »maßlose Polemik« bekannten Johann Wigand.) 171 Beigefügt ist dem Brief Wigands ein »Memorial« Herzog Christophs für Herzog Ulrich, das in Wildbad am 7. Juli 1566 unterzeichnet ist. Darin wird der württembergische Standpunkt dargelegt. Hier wird eine »norma doctrinae« in Vorschlag gebracht, die zu den strittigen Lehrfragen Klärung bringen soll. Christoph schlägt auch vor, welche Territorien an dieser Einigung beteiligt sein könnten. Es zeichnet sich also ein Konzept ab, das bereits in die Richtung weist, die mit der Formula Concordiae dann schließlich beschritten wurde (vgl. Bernhard Lohse, in: Andresen, Handbuch 2, S. 140f). 172 Vgl. Krabbe, Chyträus, S. 185, Anm. *.

7.5 Augsburger Reichstag, 1566

157

sondern auch einen historisch denkenden und argumentierenden Theologen, bei dem sich die Hinwendung zu einer Beschäftigung mit dem Stoff der »Historia der Augsburgischen Konfession« deutlicher als zuvor abzeichnet. Der Augsburger Reichstag von 1566 sollte auf die Entwicklung im Luthertum keine große Auswirkung haben, wohl aber auf die Entwicklung der Reformierten Kirche. Insofern war die Frage um so dringlicher gestellt, was im rechten Sinn das Verständnis des Bekenntnisses von Augsburg sei, auf dem die Gewährung des Reichsfriedens beruht, der 1555 in der gleichen Stadt gewährt worden war. Zu wenig in der bisherigen Forschung erkannt ist die Tatsache, daß in Augsburg 1566 ein Ort gewesen wäre, wo auf Betreiben Herzog Christophs von Württemberg ein Vorstoß für die Einheit der Lutheraner hätte gemacht werden können, wenn nicht zu dieser Zeit die Bereitschaft dazu wegen der inneren Streitigkeiten gefehlt hätte173. Auch Chyträus hat sich an diesem Punkt nicht vorgewagt. Die Furcht vor falschen Kompromissen war offensichtlich so groß, daß die fehlende Einheit der lutherischen Territorialkirchen ertragen werden konnte.

173 Vgl. Keller, Gnesiolutheraner, in: TRE 13, S. 517f.

8 Chyträus als Mitarbeiter an der Konkordienformel Nach dem Vorstoß von Lüneburg und den damit zusammenhängenden Reaktionen tritt eine gewisse Ermüdung in den Einigungsbemühungen ein1. Es gibt regional begrenzte Vorstöße in den norddeutschen Städten, wo die Abendmahlsfrage festgeschrieben wurde2. Ein Spezialproblem der Feier des heiligen Mahls, die Konsekration, beschäftigte auch verschiedene Territorien im Saligerschen Abendmahlsstreit3. Der Konflikt dehnte sich bis nach Rostock aus, so daß auch Chyträus dazu Stellung zu nehmen hatte4. Das Problem gewann eine solche Bedeutung im deutschen Luthertum, daß die Konkordienformel darauf klärend eingehen mußte5. Andererseits bewegten die flacianischen Streitigkeiten noch immer die Gemüter, so daß auf dem Altenburger Kolloquium 1568 noch einmal ein Verständigungsversuch gemacht wurde6. Bei einem Überblick über jene Jahre verdichtet sich aufs Ganze der Eindruck, daß die Bemühungen um Einheit unter den Kirchen der Augsburgischen Konfession zunächst einmal gescheitert waren7. In den einzelnen Territorien werden Corpora Doctrinae mit landesweiter Gültigkeit verabschiedet8. Neben die theologischen Bemühungen und ihr verschiedenartiges Scheitern9 treten als wichtige Faktoren für Begründung und Deutung dieser ganzen Situation die Veränderungen in jenen Jahren auf politischem Gebiet, die Wechsel in den Herrscherhäusern und die damit verbundenen theologischen Kursveränderungen, vor allem in Sachsen10, aber auch in Kurpfalz und Braunschweig-Wolfenbüttel. Erst mit den von Jakob Andreae, dem Kanzler der Universität Tübingen, ausgehenden Bemühungen um Einheit der Kirchen Augsburgischer Konfes1 Koch, Konkordienformel, S. 30-35, nennt die Zeit von 1561 bis 1568 »Die Periode des Stillstandes«. 2 Vgl. Hauschild, Lübeck, S. 265. 3 Vgl. a. a. O., S. 256-259. 4 Vgl. Schöne, Saliger, S. 40-57, und Krabbe, Chyträus, S. 226-232. 5 Vgl. Hauschild, Lübeck, S. 258, und Schöne, Saliger, S. 67-70. 6 Vgl. Keller, Gnesiolutheraner, in: TRE 13, S. 517f. 7 Vgl. Koch, Ausbau, S. 202. 8 Vgl. Hauschild, Corpus Doctrinae, S. 239-247. 9 Außer den innerlutherischen Begegnungen und Auseinandersetzungen war man ja auch zur Stellungnahme auf die 3. Sitzungsperiode des Konzils von Trient herausgefordert, vgl. Kolb, Reaction, bes. S. 77-79, wo auch auf Chyträus eingegangen wird. 10 Vgl. Koch, Ausbau, S. 201-204.

160

8 Chyträus als Mitarbeiter an der Konkordienformel

sion bekommt das Einigungswerk neue Stoßkraft. Mit der Vorgeschichte der Konkordienformel, die durch Andreae sozusagen persönlich repräsentiert wird, betreten wir aber zugleich ein Feld, auf dem auch dem Wirken von Chyträus als Mitverfasser der abschließenden lutherischen Bekenntnisschrift Aufmerksamkeit zugewendet wurde. Er vertrat dabei nicht allein seinen Landesherm, sondern genoß auch das Vertrauen des sächsischen Kurfürsten August11. Als Ansatzpunkt für Andreae muß seine Tätigkeit im Herzogtum Braunschweig-Wolfenbüttel 1568 gesehen werden12. Er war vom württembergischen Herzog auf Bitten Herzog Julius' von Braunschweig nach Wolfenbüttel entsandt worden, um bei der Einführung der Reformation in diesem Gebiet behilflich zu sein. Diese Aufgabe in Norddeutschland nutzte der Tübinger Kanzler als Ansatzpunkt, eine Einigung der zerstrittenen Lutheraner herbeizuführen. Chyträus hat 1568 auf der Durchreise nach Österreich einen Besuch bei Andreae in Wolfenbüttel gemacht und von ihm lateinische Unionsartikel gezeigt bekommen13. Die Beschreibungen, welche jene Artikel aus den Anfängen von Andreaes Bemühen in den Briefen des Rostockers gefunden haben, halfen bei der Identifizierung des Manuskripts durch Inge Mager14. Als Basis für einen Lehrvergleich und eine Einigung zwischen den getrennten Typen lutherischer Regionalkirchen sollten fünf Artikel über die Willensfreiheit, die Rechtfertigung, gute Werke, die Adiaphora und das Herrenmahl dienen15.

8.1 Andreaes Konkordienwerbung, 1569 Als ein Jahr später Andreae auf einer Rundreise im nördlichen Deutschland für seine Konkordie warb16, war er im Dezember 1569 auch bei Chyträus in Rostock17. Der Rostocker kritisierte die knappen Unionsartikel, weil ihnen die klaren Abgrenzungen fehlten, die er auch schon in seinen Stellungnahmen zum Frankfurter Rezeß und zum Naumburger Abschied eingefordert hatte18. Er korrespondierte auch mit Johannes Wigand19 in Jena und mit Martin Chem11 Vgl. Koch, Aufbruch, S. 55. 12 Vgl. Kolb, Andreae, S. 43, und Ebel, Andreae, S. 85-90. - In dieser Zeit (Oktober 1568) schrieb Chyträus an Martin Chemnitz, er wolle mit dem Braunschweiger Superintendenten über die Einheit der Kirche, worüber dieser sich mit Johann Wigand und Joachim Westphal verglichen habe, einen klärenden Austausch haben (Göttingen, SUB: 2° Cod. Ms. philos. 99, S. 636). 13 Vgl. Mager, Konkordienformel, S. 37. - Zur Rolle Andreaes in diesem Zusammenhang vgl. auch Mahlmann, Andreä und Raeder, Andreae, S. 252-263. 14 Mager, Unionsartikel, S. 70-72. 15 Vgl. den edierten Text bei Mager, Unionsartikel, S. 73-86. 16 Vgl. Hauschild, Lübeck, S. 266. 17 Vgl. Mager, Unionsartikel, S. 70, und Krabbe, Chyträus, S. 326f. 18 Vgl. Mager, Konkordienformel, S. 81f; vgl. o. S. 132-134 und S. 141-149. 19 Vgl. Chytraei epistolae, S. 958f: Brief vom 6. Dezember 1569.

8.1 Andreaes KonkordienWerbung, 1569

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nitz20 in Braunschweig über seine Meinung. Obwohl von sehr eindeutiger Haltung geprägt, betonte er doch auch jetzt gegenüber Andreae, daß er auf persönliche Condemnationen verzichten und Frieden erhalten wolle21. Die Rostocker Theologen haben sich zur gleichen Zeit auch mit der Pastorenschaft Lüneburgs ausgetauscht und im selben Sinne verständigt22. Die Rostocker begrüßten freudig die Einigungsbemühungen und ließen wissen, daß Andreae sie zur Stellungnahme aufgefordert habe. Sie erklärten, sie trügen die Absicht, an Epiphanias zusammenzukommen und eine kurze Erklärung zu den einzelnen Artikeln abzugeben, in der sie Irrtümer zwar zurückweisen, aber von keiner einzigen Person oder Kirche namentliche Erwähnung machen wollten. Sie erwägen auch, ob man die Lüneburger Artikel von 1561 dem Doktor Jakob Andreae anbieten wolle. Andreaes Artikel halten sie für nützlich23. Am 8. Januar 1570 legten die Mecklenburgischen Theologen das von Herzog Ulrich erbetene Votum zu Andreaes Anliegen vor24. Sie wünschen, daß die Friedenshandlung zur »Erhaltung Christlicher Wahrheit / und des gesunden Verstandes gedachter Augspurgischer Confession und zu Stifftung Christlicher Friedens und Einigkeit in unsern Kirchen« dienen möge25. Sie stellen also das rechte Verständnis des Bekenntnisses an eine hohe Stelle und greifen immer wieder darauf zurück. Sie wollen ihr Votum nicht als eine allgemeine Formula concordiae vorschlagen, sondern lediglich als Rechenschaft über die Frage, was über die fünf von Andreae vorgelegten Artikel in Mecklenburg gelehrt wird. Eine Concordia müsse wie in der Augsburgischen Konfession die Wahrheit nicht nur affirmativ lehren, sondern auch die Irrtümer ausdrücklich verwerfen26. In der Rechtfertigungslehre betonen sie das sola fide. Mit einfachen deutschen Sätzen formulieren sie so, daß die aufgekommenen Mißverständnisse in Rechtfertigungslehre und Christologie ausgeschlossen werden, wenn auch die Worte wie »Majorismus« und »Osiandrismus« nicht vorkommen. Über gute Werke beziehen sie Position gegen Amsdorf wie gegen Major, obwohl sie auch hier beide Positionen nur sachlich umschreiben. Über den freien Willen treffen wir erneut die bereits bekannte Position an. Differenzierter ist die Stellungnahme zu dem flacianischen Anliegen, aber doch finden wir auch hier die

20 Göttingen, SUB: 2° Cod. Ms. philos. 99, Bl. 637-639, vgl. Mager, Konkordienformel, S. 82 mit Anm. 89. 21 Brief vom 10. Januar 1570 an Jakob Andreae, in: Chytraei epistolae, S. 819f. 22 Vgl. Mager, Konkordienformel, S. 83. Texte bei Bertram, Lüneburg, Beil., S. 8 1 91 (nach S. 85 folgt ohne Auslassungen unmittelbar S. 90!). 23 a. a. O., S. 82 (Brief vom 18. Dezember 1569). In gleichem Sinne hatte Chyträus auch am 10. Dezember an die Superintendenten seines Landes geschrieben, vgl. Chytraei epistolae, S. 831-833. 24 Text bei Bertram, Lüneburg, Beil., S. 91-105. 25 a. a. O., S. 92. 26 a. a. O., S. 93.

162

8 Chyträus als Mitarbeiter an der Konkordienformel

charakteristischen drei causae für die Bekehrung. Wie im Votum zur Weimarer Disputation beziehen sie sich auf CA 527. Zur Adiaphorafrage entfalten sie zunächst, was unter diesem Begriff zu verstehen ist, um daran anschließend Kompromißlosigkeit gegenüber Verfolgern des Evangeliums zu fordern. Auch der Abendmahlsartikel greift alle Kontroversfragen auf, argumentiert jedoch ohne jeden Fachterminus oder lateinischen Begriff. Mit dem Gebrauch dieses Sakramentes sei das öffentliche Glaubensbekenntnis und die Absonderung von »andern Gottlosen Secten« verbunden28. Ob man den Sachverhalt treffend beschreibt, wenn man dem Rostocker Gutachten »spürbare Lustlosigkeit und Skepsis« bescheinigt29, bedarf eines weiteren Beweises. Der einleitende Brief an Ulrich von Mecklenburg liest sich ganz anders. Natürlich wissen die Verfasser sehr genau, daß die zurückliegenden Kolloquien mit Gegnern zur Ausweitung der Probleme und Verbitterung Anlaß gegeben hätten30. In der Konzentration auf eine knappe Darstellung liegt auch die besondere Leistung ihrer Stellungnahme. Gegenüber dem von »papistischer« Seite erhobenen Vorwurf der Uneinigkeit und »gebeiß zwischen den Theologen«31 möchten sie eine Norma für Einigkeit erreichen. Man muß sich vor Augen halten, wie intensiv sie die zurückliegenden Enttäuschungen selbst miterlebt und mit immer neuen Stellungnahmen begleitet hatten. In ihren einfachen Sätzen versuchten sie, auf alle diese Erfahrungen rücksichtsvoll einzugehen. In der vorsichtigen Eingrenzung ihres Vorhabens als territoriale Bekenntnisbeschreibimg liegt die Absicht, dadurch die Einheit mit Lüneburg und Lübeck nicht in Frage zu stellen. Deren eigene Entscheidung in der anstehenden Frage wollen sie nämlich unterstützen. Sie konnten dem Beharren dieser Städte bei ihren »Lüneburger Artikeln«32 zustimmen, weil darin die Übereinstimmung mit dem Wort Gottes »ac communi symbolo nostrarum Ecclesiarum Augustanae videlicet Confessioni«33 zum Ausdruck komme. Rostock wollte es nicht bei dem Verweis auf die vorliegende Urkunde belassen, sondern neu Stellung nehmen. Unbeschadet aller Rücksichten auf Zugehörigkeit zu einer kirchenpolitischen Schule schrieben sie ihre einfachen theologischen Sätze nieder34. Man wird sich nur vorsichtig zu einer Ortsbestimmung ihres Votums zwischen Gnesiolutheranern und Philippisten verstehen wollen, wenn man bedenkt, welche Kontakte Chy-

27 a. a. O., S. 101; vgl. o. S. 137f mit Anm. 49. 28 a. a. O., S. 105. Vgl auch die Darstellung bei Mager, Konkordienformel, S. 96f. 29 So Mager, a. a. O., S. 97. Einleitend nennt sie das Votum theologisch nuanciert, akzentreich, aber in der Gesamttendenz kompromißbereit, a. a. O., S. 96. 30 Bertram, Lüneburg, Beil., S. 92. 31 a. a. O., S. 92. 32 Vgl. Hauschild, Lübeck, S. 266. 33 Brief der Rostocker an die Lüneburger vom 8. Januar 1570, in: Bertram, Lüneburg, Beil., S. 90. 34 Im Brief vom 7. Februar 1570 an Jakob Andreae erläuterte Chyträus seine Absichten und nahm Stellung zu den Positionen, vgl. Chytraei epistolae, S. 820f.

8.2 Gescheiterte Zwischenstationen

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träus nach verschiedenen Seiten pflegte. Die persönliche dankbare Verbundenheit mit Melanchthon trotz einer an vielen Stellen abweichenden theologischen Position hatte er durchaus mit einigen Zeitgenossen, allen voran mit Martin Chemnitz, gemeinsam. Die Eindeutigkeit in der Sache und die klaren Absagen an irrtümliche Positionen läßt keinen Zweifel an seiner Stellung35. Der Verzicht auf »Personalcondemnationen« entsprach seinem Wunsch nach Einheit aller Kirchen Augsburgischer Konfession.

8.2 Gescheiterte Zwischenstationen Während Jakob Andreae sein Konkordienwerk weiter verfolgte, trat Chyträus zunächst in den Hintergrund. Im Mai 1570 fand in Zerbst (bei Magdeburg) ein Konvent statt36, der eine Einigung herbeiführen sollte37. Eine mecklenburgische Delegation war nicht auf diesem Konvent, weil es dem Herzog an Zeit gefehlt habe, Chyträus zum geeigneten Termin auf den Weg zu bitten38. Chyträus ging allerdings im Mai 1571 in einem Brief an Andreae lobend auf das Ergebnis ein39, legte aber zugleich ein Wort der Verteidigung für die Flacianer ein, die über Abendmahl und Christologie wie Luther dächten. Er fürchtete, daß bald nur noch diejenigen an vielen evangelischen Höfen für wahre Anhänger der CA gehalten würden, die gegenteilig dächten40. Mit dieser Äußerung zeigte Chyträus noch einmal ganz augenfällig, wie sehr seine Sympathien den Gnesiolutheranern gehörten. Das wird Andreae nicht besonders gern gehört haben, weil ihm aus dem Herzogtum Sachsen zu viel Gegnerschaft für seine Anliegen entgegentrat. Zerbst brachte zwar nicht die von Andreae erstrebte Verständigung41, aber es hatte als Ergebnis die Idee von einem Corpus Doctrinae, die im Konkordienbuch dann aufgegriffen und verwirklicht werden sollte42. Als im folgenden Jahr der Bruch zwischen den niedersächsischen Lutheranern und dem kursächsischen Kryptocalvinismus offen zutage getreten war, 35 Am 20. Dezember 1569 schrieb er ausführlich an einen ungenannten Freund über die Friedensbemühungen Andreaes (Chytraei epistolae, S. 976-985). Er verwies auf seine Erfahrungen in Österreich. Er legte großen Wert darauf, daß er in Rostock die wahre Lehre von Gott, wie er sie in Wittenberg von seinen gottgelehrten Lehrern Luther und Melanchthon durch mündlichen Vortrag und durch schriftliche Erklärungen gelernt habe, beibehalte und verkünde (a. a. O., S. 981). Er ging auf Lehrstreitigkeiten ein, wo er sich zu verteidigen hatte. 36 Vgl. Hauschild, Lübeck, S. 266f, und Ebel, Andreae, S. 98. 37 Vgl. die ausführliche Darstellung bei Mager, Konkordienformel, S. 103-118, und Ernst Koch, Konkordienformel, in: TRE 19, S. 478, 13-21. 38 Vgl. Mager, a. a. O., S. 109. 39 Chytraei epistolae, S. 4 7 5 ^ 7 7 . 40 a. a. 0 . , S.476. 41 Vgl. Hauschild, Corpus Doctrinae, S. 247. 42 Vgl. Mager, Konkordienformel, S. 117f, und Hauschild, Corpus Doctrinae, S. 248.

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8 Chyträus als Mitarbeiter an der Konkordienformel

arbeitete Martin Chemnitz in Braunschweig im Sommer 1571 eine Konfession aus, in welcher er vom Abendmahl und der Christologie handelte43. Er entlarvte darin schonungslos die calvinisierende Tendenz der Wittenberger44. Bei einer Taufe im Haus Herzog Julius' in Wolfenbüttel wurde dies Dokument unterschrieben und im Oktober 1571 gedruckt. Unter den Unterzeichnern war auch Mecklenburg zusammen mit den niedersächsischen Territorien und Städten45. Mecklenburg hatte sich damit erneut in die Gemeinschaft mit den norddeutschen Kirchen begeben, aber doch zugleich in unverkennbare Antithese zu Wittenberg und Kursachsen. Jakob Andreae in Tübingen konnte sich damit nur zögernd einverstanden erklären46. Mit Chemnitz verband Chyträus auch die gemeinsame Sorge für die evangelische Kirche Österreichs. Auch der Braunschweiger Superintendent war beim Kaiser für die Mitarbeit in Österreich im Gespräch gewesen47. Obwohl Chyträus die Arbeit an der Agende für Österreich als einziger norddeutscher Vertreter zusammen mit Christoph Reuter leistete48, erbat er sich doch auch gerade in jener Zeit die Unterstützung von Chemnitz49. Auf einer erneuten Reise nach Österreich im Jahr 1573, zu welcher ihn Georg Cölestin begleiten sollte, der aber von dem Reiseleiter wieder entlassen wurde50, traf sich Chyträus mit Martin Chemnitz in Salzwedel51. Hier wollten sie gemeinsam Überlegungen zur Kirchenordnung für die Steiermark besprechen. Chemnitz, der sich mit für die Konkordie lutherischer Kirchen einsetzte, wollte offenbar auch seinerseits eine Übereinstimmung mit Chyträus und nur diesem Ziel gemäß handeln52. 43 44 45 46

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Vgl. Hauschild, Lübeck, S. 267. Vgl. Mager, Konkordienformel, S. 135-139. Vgl. a.a.O., S. 138. Vgl. a. a. O., S. 139-141. Chyträus schrieb im Mai 1572 an Andreae und lobte seine Bemühungen um Frieden und Eintracht in der Kirche. Offensichtlich wollte er Andreae gewinnen für ein gemeinsames Handeln gegen Wittenberg. Der Brief findet sich im Original in Wolfenbüttel HAB: Cod. Guelf. 28.3. Aug. 2°, 202r. Vgl. Chytraei epistolae, S. 662f, und Krabbe, Chyträus, S. 217. Vgl. Reingrabner, Geschehnisse, S. 26, und WA 30,1, S. 802. Vgl. Brief an Chemnitz vom 4. August 1571, in: Chytraei epistolae, S. 662-665. Dieser Brief ist nach dem Autograph gedruckt bei Schütz, Vita 2, Appendix, S. 6 10, Nr. 3. Vgl. o. S. 115-119. Chyträus hatte Chemnitz für den 26. September dazu eingeladen, vgl. Mager, Konkordienformel, S. 173 mit Anm. 47. Am 20. September war Chyträus bereits in Parchim und teilte von dort aus an Matthäus Amman (vgl. o. S. 21, Anm. 16) mit, daß er auch mit Chemnitz über die Angelegenheiten der österreichischen Kirche sprechen wolle, vgl. Chytraei epistolae, S. 1090-1092. Vgl. auch Krabbe, Chyträus, S. 275. Während Chyträus noch in Berlin bei Georg Cölestin weilte, schrieben die Rostocker Theologen an ihn und erbaten von ihm Rat und Auskünfte über das Gespräch von Salzwedel, vgl. Schütz, Vita 2, Appendix, S. 39-41, Nr. 10 (Brief vom November 1573).

8.2 Gescheiterte Zwischenstationen

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Chyträus hatte mit dem Agendenwerk für Österreich ein »Doctrinale« verbinden wollen, welches dann doch nicht zum Druck kam53. Die Agende für Österreich sollte ein Ordnungswerk unter Einschluß einer Lehrzusammenfassung aufgrund der Confessio Augustana sein54. Obwohl für Österreich mit derartigen Plänen befaßt55, scheint Chyträus bei der Begegnung in Salzwedel doch für Martin Chemnitz bestätigend im Blick auf seine Pläne für Braunschweig und die Verhandlungen mit Jakob Andreae gewirkt zu haben56. Die Verbindung zwischen Chyträus und Chemnitz sollte neben der unmittelbar kirchlichen Angelegenheit der Lehrfragen und der Einigung mit den anderen Kirchen Augsburgischer Konfession noch auf einem anderen Sektor wirksam werden. Es war Martin Chemnitz, der Herzog Julius wesentlich dazu bestimmte, sich für die Gründung der Universität Helmstedt im Frühjahr 1576 der Hilfe des Rostocker Gelehrten zu bedienen57. Auch in seinem »Bedenken« von der »Juliusschule«58 spielte die Bestimmung des Standortes im Rahmen der »schedlichen trennungen und corrupteln in etlichen kirchen, der Augsburgischen Confession zugethan«59 eine wichtige Rolle. Hier wurde ausdrücklich auf das Corpus Doctrinae zurückgegriffen. Zur Einigkeit in der neuen »Schule« hielt man für nötig, »das ein gewiss und unfeilbare norma religionis oder corpus doctrinae christianae außgesetzt, und namhaftig gemacht werde, darzu sich alle und jede profeßores ohne unterscheidt mit hertzen, mund und hand bekennen und angeloben, sich durchauß darnach zu richten, und aller frembden und dem gesetzten corpori doctrinae widerwertigen opinion und meinung, beides publice und privatim eussern und enthalten«60. Ausdrücklich werden auch die Lehrschriften aufgezählt, welche zu diesem Corpus Doctrinae gehören61. Das Anliegen von Chyträus zog sich also auch in Bereiche, die 53 Vgl. Krabbe, Chyträus, S. 223f. 54 Vgl. a. a. O., S. 2 0 5 - 2 1 0 , und Sakrausky, Unterzeichnung, S. 145f. In einem Brief an Johann Albrecht von Mecklenburg erläuterte Chyträus auch seine Aufgabe, vgl. Chytraei epistolae, S. 1092-1094. Vgl. auch Schütz, Vita 2, Appendix, S. 1 2 27, Nr. 5. 55 Zur Bedeutung des Chyträus für die Organisation des Schulwesens in den österreichischen Ländern vgl. Baumgart, Bildungsreform, S. 189 mit Anm. 66. 56 Die Rostocker Theologen versicherten sich während des Aufenthaltes von Chyträus in Österreich mehrfach seiner Meinung, bevor sie in der Konkordienfrage votierten, vgl. Schütz, Vita 2, Appendix, S. 42-^8, Nr. 11-13. 57 Vgl. Baumgart, Bildungsreform, S. 188f, und Baumgart, Chyträus, S. 44. Bei der Arbeit an den Statuten für die Universität Helmstedt kam es auch zur Begegnung zwischen Chyträus und Erasmus Ebner, die für die Sammlung der Akten zur Historia der Augsburgischen Konfession so wichtig werden sollte, vgl. o. S. 27 mit Anm. 61. 58 Text bei Baumgart, Chyträus, S. 58-82. 59 a. a. O., S . 6 1 . 6 0 a. a. O., S. 65. 61 a. a. O., S. 66. Hier liegen Chyträus und Chemnitz auf gleicher Linie, vgl. Hauschild, Corpus Doctrinae, S . 2 4 4 f . - Chemnitz hatte schon am 13. Juli 1570 in

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nicht im engeren Sinn in die historische Rubrik der Konkordienverhandlungen gehören. Deshalb dürfen wir auch diese Bereiche nicht übersehen, um ein Bild davon zu gewinnen, auf welchen Feldern die Frage der Lehreinheit evangelischer Kirchen und des rechten Verständnisses der CA, des »symbolum der reformirten kirchen«62, ihre Anwendung fand und Bedeutung hatte63.

8.3 Vorstufen der Konkordienformel Es sollte nochmals ein Vorstoß von Jakob Andreae sein, der die Bemühungen um eine Konkordie lutherischer Kirchen weiter vorantrieb64. Im Februar 1573 veröffentlichte er seine dem Herzog Julius von Braunschweig-Wolfenbüttel gewidmeten »Sechs Predigten«65. In diesen Lehrpredigten griff er die umstrittenen Fragen auf, die unter den Anhängern der Confessio Augustana seit dem Augsburger Interim kontrovers diskutiert worden waren66. Damit gelang es ihm, das Vertrauen der niedersächsischen Lutheraner wieder zu gewinnen. Zwar gaben sie nicht, wie Andreae gewünscht hatte, ihre Unterschrift zu seinen Predigten, aber sie erkannten darin eine Basis für weitere gemeinsame Arbeit67. 8.3.1 Der Weg zur Schwäbisch-Sächsischen Konkordie, 1574/75 Andreae selbst verfaßte auf der gewonnenen Basis einen neuen Konkordientext, die »Schwäbische Konkordie«. Wir haben sie vor uns in den elf Artikeln, die er im März 1574 nach Wolfenbüttel zu Herzog Julius und Martin Chemnitz schickte68. Auch an Chyträus wollte er seine Artikel schicken69, was aber dann doch nicht geschehen ist70. Es war Martin Chemnitz, der sich nun für die Einigkeit in den norddeutschen lutherischen Gebieten einsetzte. Am 3. Juli 1574 wurde in Lübeck eine Stellungnahme zu Andreaes Artikeln verabschie-

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einem Brief an Chyträus seine Vorstellungen vom Corpus Doctrinae entwickelt (Berlin, SBPK: Ms. boruss. fol. 54, Bl. 21r-22v. So die Formulierung von Chyträus bei Baumgart, Chyträus, S. 66. Vgl. Mager, Konkordienformel, S. 160f. Vgl. Ebel, Andreae, S. 102. Vgl. Kolb, Andreae, S. 48-56, und Krabbe, Chyträus, S. 331. Vgl. die Inhaltsangabe bei Ebel, Andreae, S. 102-104. Vgl. a. a. O., S. 107. Mager, Unionsartikel, S. 72, meint, Andreae habe kurzfristig um der Gewinnung der kursächsischen Philippisten willen seine Strategie geändert und sei erst jetzt zum ursprünglichen Konzept im Sinne seiner Unionsartikel von 1568 zurückgekehrt. Vgl. Mager, Konkordienformel, S. 186, und Ebel, Andreae, S. 107f. Vgl. Mager, Konkordienformel, S. 186. Vgl. Ebel, Herkunft, S. 255, Anm. 122.

8.3 Vorstufen der Konkordienformel

167

det71. Die Rostocker theologische Fakultät sollte die Aufgabe erhalten, alle Stellungnahmen zur Schwäbischen Konkordie Jakob Andreaes einer Endredaktion zu unterziehen72. Die drei norddeutschen Städte Hamburg, Lübeck und Lüneburg berieten auf einem Konvent in Bergedorf im Oktober 1574 über die Artikel73. Ein solcher Vorgang der Rezeption war zwar zeitaufwendig, aber Chemnitz erhoffte sich davon eine Einheit auf breiter Basis74. Erst im Mai 1575 konnte das Ergebnis der Rostocker Umarbeitung aufgrund der eingegangenen Stellungnahmen an die norddeutschen Städte geschickt werden75, woraufhin sie im Juli auf einem Konvent in Mölln erneut darüber berieten76. Letzte Hand hat Martin Chemnitz an die Schlußredaktion der Konkordie gelegt, die inzwischen eine Schwäbisch-Sächsische Konkordie war. Am 20. Oktober 1575 erfolgte die Rücksendung des Textes an Andreae und andere Württemberger77. Wir haben damit einen wesentlichen Ort vor Augen, an dem Chyträus im Entstehungsprozeß der Konkordienformel aktiv tätig wurde. In der Tätigkeit der Rostocker bei den Änderungen der Schwäbischen Konkordie im Frühjahr 157578 war es Chyträus, der die Feder der Fakultät geführt hat. Jobst Ebel hat jedenfalls auch das Zeugnis von Martin Chemnitz für diese Feststellung angeführt79, die zugleich durch alles, was wir über die Bedeutung von Chyträus innerhalb der Fakultät wissen, bestätigt wird. Wie mehrfach herausgearbeitet worden ist, sind es vor allem die beiden Artikel »Vom freien Willen«80 und »Vom Abendmahl«81, in denen der Text in Rostock sehr deutlich geprägt wurde, diejenigen Artikel also, mit denen sich Chyträus früher bereits beschäftigt hatte82. Wir kennen die Position von Chyträus zur Willensfrage bereits aus seinen Stellungnahmen zur Weimarer Disputation83. Die Disputation von 1574, die in 71 72 73 74 75 76 77 78

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Vgl. Mager, Konkordienformel, S. 190f, und Hauschild, Lübeck, S. 268. Vgl. Ebel, Herkunft, S. 255. Vgl. Hauschild, Lübeck, S. 268f. Die Rostocker baten die Lübecker im Dezember 1574 um ihr Votum, vgl. Bertram, Lüneburg, Beil., S. 231f. Text der Conformatio Notationum bei Bertram, Lüneburg, Beil., S. 263-279, Nr. 76. Vgl. Mager, Konkordienformel, S. 195, und Hauschild, Lübeck, S. 270f. Vgl. Mager, Konkordienformel, S. 196, und Ebel, Andreae, S. 11 Of. Vgl. Krabbe, Chyträus, S. 334. (Wichtig sind vor allem die angeführten Briefzitate aus den Anmerkungen, da Krabbe auf die inhaltlichen Fragen kaum eingeht, sondern lediglich die großen Besorgnisse des Chyträus unterstreicht.) Vgl. Ebel, Herkunft, S. 256. Vgl. Ebel, Herkunft, S. 256, und Green, Causes, S. 103-105. Vgl. Schöne, Saliger, S. 67-70, und Ebel, Herkunft, S. 256, Anm. 127. Mager, Konkordienformel, S. 227, hat dies zwar eingeräumt, wenn sie auch für den Artikel über den freien Willen zu wenig auf die Vergleichstexte bei Chyträus eingeht und der Bearbeitung von Chemnitz eine sehr hohe Bedeutung beimißt, vgl. a. a. O., S. 212. Vgl. o. S. 134-141 und S. 162 mit Anm. 27.

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8 Chyträus als Mitarbeiter an der Konkordienformel

Rostock unter Simon Pauli über den freien Willen stattgefunden hatte84, war nur noch ein weiterer Baustein, aber das Gedankengebäude stand bereits vorher fest. Die typische Erörterung der drei causae in den Bekehrten war in hartem Ringen der theologischen Urteilsbildung zwischen den streitenden Parteien gereift und wurde hier von Chyträus so beibehalten85. Die Position von Chyträus in der Abendmahlsfrage war in der Auseinandersetzung mit Johannes Saliger gewachsen86. Die Rostocker haben diesen Artikel der Schwäbischen Konkordie völlig umgestaltet und dabei in charakteristischer Weise »die rechte meinung und eigentlichen verstand der worte Christi vnd der Augspurgischen Confession von diesem Artickel« herausgearbeitet87. Die Rückbindung an das Bekenntnis von Augsburg stand für sie höher in der Rangliste als für Andreae und Chemnitz. Wenn man die Arbeit des Chyträus über die Historia der Augsburgischen Konfession und seine privaten Auseinandersetzungen darüber kennt, die er mit Christof Hardesheim führen sollte, dann ist diese Haltung konsequent und verständlich. Seine Ansichten zum Verständnis der Konsekration, die im Wismarer Abschied von 1569 zum Saligerschen Streit erarbeitet worden waren, kehren bis in wörtliche Passagen hinein nicht nur in der Überarbeitung der Schwäbischen Konkordie von 1575, sondern auch noch in der Endgestalt der Konkordienformel wieder88. Die Kraft der Einsetzungsworte Jesu bestimmt das Verständnis der Realpräsenz89. Beim gegenwärtigen Forschungsstand der historischen Arbeit an der Vorgeschichte der Konkordienformel können diese Hinweise auf die besonderen Beiträge, die Chyträus bei seiner Überarbeitung der Vorlage aus Schwaben im Frühjahr 1575 in seine Redaktionsarbeit einfließen ließ, genügen90.

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Vgl. Mager, Konkordienformel, S. 212. Vgl. Hübner, Willen, S. 147-153. Vgl. o. S. 159, und Krabbe, Chyträus, S. 226-232. Mager, Konkordienformel, S. 223. Vgl. Hauschild, Lübeck, S. 257-259, und Schöne, Saliger, S. 55-70. Leider ist Ebel, Herkunft, S. 256f, nicht auf die Ergebnisse von Schöne eingegangen. 89 Vgl. Schöne, Konsekrationslehre. Daß Jörg Baur sich zu kritisch gegen Schöne wendet, hat Mager, Konkordienformel, S. 224 mit Anm. 142, mit Recht festgestellt. Baur, Abendmahlslehre, S. 197-201, setzt sich in einem eigenen Exkurs kritisch mit Schöne auseinander. Um die Dinge gerecht beurteilen zu können, müßte man nicht nur, wie Baur betont, den historischen Hintergrund des Saligerschen Streits genauer durchleuchten, sondern auch das Vorverständnis von Baur und Schöne, das bei beiden so verschieden ist, daß Baur nicht verstehen kann, was Schöne schrieb! Baur, Abendmahlslehre liegt jetzt in einem erneuten Abdruck vor in Baur, Erben, S. 117-144. 90 Die Ergebnisse der Analyse von Inge Mager werden sich in der wissenschaftlichen Diskussion bewähren müssen.

8.3 Vorstufen der Konkordienformel

169

8.3.2 Das Torgische Buch, 1576 Zu den Tätigkeiten im niedersächsischen Kreis, an denen wir Chyträus und die Rostocker beteiligt sahen, traten von Württemberg aus eigene Initiativen. Im Januar 1576 wurde die »Maulbronner Formel« unterzeichnet91. Über die von Chemnitz an Andreae geschickte Schwäbisch-Sächsische Konkordie äußerte sich der Tübinger Kanzler ausführlich92. Andreae bevorzugte in dieser Zeit die Maulbronner Formel. In diesem Stadium der Einigungsbemühungen trat endlich Kurfürst August von Sachsen wieder mit in Aktion93. Er rief im Februar 1576 eine erste Versammlung auf der Lichtenburg bei Prettin zusammen. Hier wurde die Basis gefunden für die Einberufung des Torgauer Konvents, bei dem vom 28. Mai bis 7. Juni 1576 Andreae, Chemnitz, Chyträus, Seinecker, Musculus und Cornerus an der Arbeit waren94. Ergebnis dieser Beratungen, die unter Beteiligung von Chyträus stattfanden, war das Torgische Buch. Der Rostocker signalisierte ausdrücklich zum Artikel über den freien Willen seine Zustimmung95. Auch im Rückblick gab er dem Torgischen Buch den Vorzug vor dem Endergebnis der Konkordienformel, das im Kloster Berge ohne sein Zutun verabschiedet worden war96. Offenbar war die von Chyträus und Chemnitz redigierte Schwäbisch-Sächsische Konkordie doch so weit mit übernommen worden, daß beide mit dem Ergebnis von Torgau sehr zufrieden sein konnten. Nun konnten Stellungnahmen zu dieser Vorform der Konkordienformel eingeholt werden97. Auch die Rostocker theologische Fakultät legte Herzog Ulrich von Mecklenburg eine »Zensur« des Torgischen Buches vor98. Voll Dankbarkeit begrüßen die Theologen die Initiative des sächsischen Kurfürsten August und die Wendung der theologischen und kirchlichen Lage in Sachsen. Ihre Lektüre des Torgischen Buchs hat dazu geführt, daß sie »mit sonderlichen hertzlichen freuden vernommen, daß aller, demselbigen bedencken einvorleibten Articul, Erklärungen mit dem heil. Gottlichen wort und des tewren Mannes Gottes D. Lutheri Schrifften, und E. F. Gn. Kirchen und Schulen biß hieher eintrech91 92 93 94

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Vgl. Ebel, Andreae, S. l l f , und Mager, Konkordienformel, S. 241f. Vgl, Mager, a. a. 0 . , S. 241-244. Vgl. Koch, Ausbau, S. 204f, und Mager, Konkordienformel, S. 247. Vgl. Ebel, Andreae, S. 112 mit Anm. 187; Mager, Konkordienformel, S. 247-254, und Hauschild, Lübeck, S. 271. - Zur Bedeutung Selneckers in diesem Kreis vgl. Klän, Seinecker. Zu Musculus vgl. Koch, Musculus, und Koch, Tertius usus. Vgl. Mager, Konkordienformel, S. 254 mit Anm. 61. Vgl. Brief an Johann Hermann in Breslau vom Mai 1581, in: Chytraei epistolae, S. 109, und Mager, Konkordienformel, S. 254. Das gleiche Urteil findet sich im Brief an Jacob Monau vom Mai 1581, in: Chytraei epistolae, S.417f: »Torgensum librum Bergensi ego etiam multis modis praefero.« Vgl. Koch, Ausbau, S. 205, und Koch, Auseinandersetzungen, S. 151-154. Der Text vom 16. Oktober 1576 findet sich bei Schütz, Vita 2, Appendix, S . 4 8 53, Nr. 14.

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8 Chyträus als Mitarbeiter an der Konkordienformel

tiglich und bestendiglich geführten lehr gantzlich überein stimmen, und eine rechte, redliche, auffrichtige, Lutherische bekändtniß sind...«". Die Rezensenten erteilen dem ganzen Text ihre Zustimmung und wünschen, daß er zur Einheit der Kirchen Augsburgischen Bekenntnisses dienen möge. Nach der grundsätzlichen Zustimmung folgen kritische Bemerkungen zu Stilfragen, aber sie halten diese selbst nicht für so zentral, daß sie den Herzog damit »beschweren« wollten. Ihre Sorge richtet sich auf die Bewahrung des Standorts, der im Torgischen Buch erreicht ist. Sie bitten ihren Herzog, sich beim sächsischen Kurfürsten für die Rehabilitierung der von ihren Pfarrstellen vertriebenen Pfarrer einzusetzen, sofern deren Lehre mit dem Torgischen Buch übereinstimmt. Mit den sehr deutlichen Stellungnahmen zur Lage in Sachsen ließen die Rostocker nur allzu deutlich erkennen, wo ihr theologisches Herz schlug und wie sie die Vorgänge in diesem Land beurteilten. Die Freundschaft zu einigen Vertretern der abgesetzten Gnesiolutheraner war zu eng, als daß sie zu dem Unrecht, das vom Kurfürsten ausgegangen war, hätten schweigen können. Die hohe Begeisterung für das Torgische Buch hingegen ist schon fast selbstverständlich, wenn man bedenkt, welche Rolle Chyträus dabei spielte. Ulrich von Mecklenburg jedoch ließ sich nicht allein daran genügen, daß sein Rostocker Professor Chyträus in Torgau mitgewirkt hatte. Er wünschte ein gemeinsames Votum aller seiner Theologen unter Einschluß der Superintendenten von Wismar und Güstrow. Da die Rostocker Professoren nun allein ihre Stellungnahme vorgelegt hatten, versprachen sie, die Zustimmung der beiden Superintendenten noch nachträglich einzuholen100.

8.4 Das Bergische Buch, 1577 Vom 1. bis 14. März 1577 trafen sich Jakob Andreae, Martin Chemnitz und Nikolaus Seinecker in Kloster Berge bei Magdeburg. Sie hatten von Kurfürst August die Aufgabe erhalten, alle eingegangenen Stellungnahmen zum Torgischen Buch durchzusehen und das Notwendige noch einzuarbeiten101. Hier waren es vor allem die Artikel vom Abendmahl und vom freien Willen, die wesentlichen Kürzungen unterzogen wurden102. Andererseits wurde der Be99 a. a. O., S. 50f. 100 a. a. O., S. 53. Die beiden Rostocker Pastoren Gelmer Nemorimontius und Matthäus Rutze wurden aus ihren Ämtern entlassen, weil sie die Unterschrift verweigerten und sich auf einen flacianischen Standpunkt stellten, vgl. Krabbe, Chyträus, S. 339. Chyträus konnte für Gelmer Nemorimontius nicht die Wiedereinsetzung befürworten, vgl. Schütz, Vita 2, Appendix, S. 54—56, Nr. 15. Nemorimontius ging in seine Heimat Antwerpen zurück, vgl. o. S. 32, Anm. 94. 101 Vgl. Mager, Konkordienformel, S. 273. 102 Vgl. a. a. O., und Ebel, Herkunft, S. 256f.

8.4 Das Bergische Buch, 1577

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griff »Corpus Doctrinae« aus der Einleitung getilgt, um nicht Anklänge an das Corpus Doctrinae Philippicum festzuschreiben103. Die zugehörigen Bekenntnisschriften wurden aber genau der Schwäbisch-Sächsischen Konkordie gemäß festgeschrieben. Zu einer zweiten Begegnung vom 19. bis 28. Mai 1577 im Kloster Berge wurden dann wieder alle sechs Vertreter, die in Torgau versammelt gewesen waren, zusammengerufen und mit der endgültigen Überarbeitung beauftragt. Erst jetzt waren also Musculus, Coraerus und Chyträus wieder mit an der Arbeit104. Chyträus sah diese Zusammenkunft rückblickend als reine »Proforma-Aktion« an105. Besonders von der Abendmahlslehre, wie sie von den »triumviri« im März 1577 in Berge durch Aufnahme von Lutherzitaten gestaltet worden war, hat er sich distanziert106. Jedenfalls konnte er auch in dem Bericht an den schwedischen König über die Vorgänge der Endredaktion der Konkordienformel die zweite Zusammenkunft in Berge im Mai 1577, bei der er zugegen war, mit völligem Schweigen übergehen und nur die Tätigkeit der drei Männer im März 1577 erwähnen107. Offenbar meinte er, damit nichts Wesentliches ausgelassen zu haben, und bevorzugte es, dem schwedischen König seine Probleme mit Andreae dezent zu verschweigen, damit dieser nicht einen schlechten Eindruck bekommen sollte, der seine unsichere Stellung zum Augsburger Bekenntnis erneut hätte infrage stellen können. Einem Marburger Kollegen, Ägidius Hunnius108, gegenüber, der fest im deutschen Luthertum verankert war, schrieb er im weiten Rückblick viel offener, Jakob Andreae habe nichts gelten lassen, was er beigetragen und geschrieben habe109. Zur einmal gegebenen Unterschrift stand Chyträus aber ohne Frage. Er hat auch mitgewirkt, als Herzog Ulrich die Annahme und Unterschreibung der Konkordienformel in seinem Herzogtum vorantreiben wollte und dazu am 12. Novem103 Vgl. Hauschild, Corpus Doctrinae, S. 249. 104 Vgl. Mager, Konkordienformel, S. 275f, und Krabbe, Chyträus, S. 337. 105 Im Mai 1581 schrieb er an Jacob Monau, daß er das Torgische Buch dem Bergischen vorziehe und begründete dies: »Et me non adhibito ille primum mutatus est, mense Martio a III viris Iacobo, Selneccero & Kemnicio. Postea mense Iunio alii etiam tres pro forma aduocati sumus, cum omnia iam transacta essent.« Aber er ließ dennoch den Sprecher der reformierten Gemeinde in Breslau wissen: »Et tarnen quod semel subscripsi, retractare iam nec possim nec velim.« (Chytraei epistolae, S. 418), vgl. Mager, Konkordienformel, S. 276 mit Anm. 13, und Koch, Aufbruch, S. 60-63. 106 Brief an Johann Hermann vom Mai 1581, in: Chytraei epistolae, S. 109f. 107 Brief vom 24. März 1580 an Johann von Schweden, in: Chytraei epistolae, S. 332f. 108 Über ihn vgl. Franz Lau, in: RGG 3, Sp. 490f. 109 »Nihil enim omnium, quae a me dicta, acta aut scripta essent, Iacobus Andreae Aristarchus noster probabat, ita vt ne verbum quidem a me scriptum, libro concordiae insit, ideoque non inter auctores illius, sed subscriptores recenseri merito possim, nec tamen, quod semel subscripsi, vnquam retractaui.« (Chytraei epistolae, S. 873, Brief aus dem Jahr 1591), vgl. Ebel, Herkunft, S. 254. - Zu Hunnius vgl. auch Mager, Konkordienformel, S. 274.

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8 Chyträus als Mitarbeiter an der Konkordienformel

ber 1577 die Superintendenten in Güstrow versammelte110. Widersprechende Theologen flacianischer Prägung in Wismar konnte Chyträus doch zur Unterschrift bewegen111. Zweimal sollte die Rostocker Fakultät noch mit Briefen an Andreae und die anderen mit der Konkordienformel befaßten Theologen Stellung nehmen. Im Votum von 1578 bestätigen sie ausdrücklich ihre Unterschrift und ihre Bereitschaft, davon nicht abweichen zu wollen. Aber sie fordern doch zugleich eine umfassende Synode, auf der nicht nur die Vertreter deutscher Kirchen, sondern auch der benachbarten Kirchen, vor allem Dänemarks, mitberaten sollten112. Vor der Publikation des Konkordienbuchs müßten alle Theologen noch einmal zusammengerufen werden, damit nicht die wenigen nicht zustimmenden Kollegen auf leichte Weise den erreichten Konsens durcheinanderbringen könnten. Hinsichtlich des Artikels vom freien Willen und der Rechtfertigung hegen die Rostocker Beanstandungen, weil sie meinen, der status controversiae sei nicht deutlich genug erfaßt. Sie weisen darauf hin, daß gemäß der Apologie zur CA in der Neuheit des ganzen Lebens die rettende Kraft liege113. Diese Aussagen zum Verständnis der Rechtfertigung gingen doch gewiß weit hinaus über die These von der Notwendigkeit guter Werke zum Heil114. Mit Bezug auf das Abendmahl stellen sie fest, daß die Transsubstantiation, die in der Konkordienformel schwerwiegend zurückgewiesen werde115, doch offensichtlich in der Apologie stabilisiert worden sei116. Was uns hier begegnet, sind die alten Fragen, zu denen die Rostocker ihre Meinung noch einmal im bekannten Sinn vortragen. Sie wünschen besser begründete Klärungen, wie sie im Torgischen Buch noch zu finden gewesen seien. Es fällt auf, wie hier zur Begründung der Kritik reflektierend auf die Confessio Augustana und deren Apologie zurückgegriffen wird. Die Rostocker beklagen, daß nicht auf die eklatantesten Fehlentwicklungen im Sinne einer besseren Verständigung namentlich eingegangen werde. Hier führen sie die Lehre vom freien Willen an, welche in der Confessio und der Apologie so konzipiert gewesen sei, daß sie zwar die »Päpst-

110 Vgl, Krabbe, Chyträus, S. 340, und Mager, Konkordienformel, S. 295f. 111 Vgl. den Austausch mit Johann Isensee aus Wismar vom 18. November 1577 bis 17. Dezember 1577, in: Schütz, Vita 2, Appendix, S. 56-72, Nr. 16-18 (vgl. Krabbe, Chyträus, S. 3400112 Vgl. Chytraei epistolae, S. 1179. Auch in einem Brief vom 24. 10. 1579 an Caspar Paselicus, einen dänischen Hofbeamten, unterstrich Chyträus seinen Wunsch einer Generalsynode aller Kirchen Augsburgischer Konfession, vgl. Chytraei epistolae, S. 1009f. 113 Vgl. ApolCA 4, in: BSLK, S. 158-233. 114 Vgl. Solida Declaratio IV, in: BSLK, S. 936-950. 115 Vgl. Solida Declaratio VII, in: BSLK, S. 1010. 116 Vgl. Chytraei epistolae, S. 1181. Der Abendmahlsartikel der ApolCA findet sich in BSLK, S. 247f. Zur Sache vgl. Brunner, Realpräsenz, S. 146f.

8.4 Das Bergische Buch, 1577

173

liehen« und die »Synergisten« erwähnen, aber nicht förmlich verurteilen117. Sie rufen die »Akten« - also die Dokumente, die Chyträus in seiner »Historia« gesammelt hatte und die er selbst mehrfach mit dieser Kurzform bezeichnete - in Erinnerung und betonen nochmals die drei causae conversionis im ganzen Leben. Hier wäre ihnen die ausführliche Argumentation lieber gewesen als die einfache Verdammung. Auch im Blick auf das Abendmahl wäre eine Auseinandersetzung mit zwinglianischen Schriften nötig erschienen. Anstelle des »Damnamus« hätte wie in der CA ein »improbamus« stehen sollen. Schließlich hätte nach Meinung der Rostocker der Name Melanchthons nicht völlig ausgelassen werden dürfen, sondern mit einer Bezeugung der Verehrung und Dankbarkeit wenigstens in der Vorrede erwähnt werden sollen. In Rostock konnte man offensichtlich über die Bedeutung des Präzeptors emotionsloser nachdenken als in Kursachsen, so daß man diese »Verdrängung« nicht gutheißen wollte, weil sie der historischen Bedeutung des Wittenberger Professors nicht gerecht wurde118. Am 15. Dezember 1579 sollten sie ein zweites Mal ähnlich den gleichen Adressaten gegenüber argumentieren119. Sie können sich nicht damit zufrieden geben, daß in den Abendmahlsartikel das Lutherzitat über die »Sakramentierer« eingefügt sei120. Diese Stelle spreche über jene, die nicht glauben, daß Christi Leib anwesend sei, sondern behaupten, nichts außer Brot und Wein im Vollzug der Abendmahlsfeier vor sich zu haben. Leitender Gesichtspunkt im Abendmahlsartikel der FC sei jedoch die Sorge, daß weder der Glaube der »Diener« noch der Glaube der Empfänger zum Grund für die Gegenwart Christi erklärt werde, sondern allein die Einsetzung durch Jesus Christus, die in der Kraft seiner Worte wirke. Auch sei der Rückbezug auf Augustinus falsch121, weil nicht übereinstimme, was von Augustin und was vom Konkordienbuch über die Rechtfertigung gelehrt werde122. Man wundere sich, daß für die völlige Passivität des Willens bei der Bekehrung die Confessio Augustana zitiert werde123. Auf die Frage der Transsubstantiation seien sie erst durch Ambrosius 117 Vgl. CA 18, in: BSLK, S. 73f, und ApolCA 18, in: BSLK, S. 311-313. - Auch in einem undatierten Brief an Nikolaus Seinecker kritisiert Chyträus die Fassung des Artikels vom freien Willen (Krakau, Biblioteka Jagiellonska, Autographensammlung, ohne Jahr, 24. Oktober). 118 Vgl. auch Emst Koch, Konkordienformel, in: TRE 19, S. 479, 15-26 und Koch, Auseinandersetzungen, S. 159. 119 Vgl. Chytraei epistolae, S. 1132-1134 (auch handschriftlich in Rostock: Primus Liber Facultatis Rostochiensis ..., Bl. 236a-237b). 120 Vgl. Epitome zur FC, in: BSLK, S. 798f, Abschnitt V, und Solida Declaratio, a. a. O., S. 979-985 und S. 1005-1008. 121 Offensichtlich meinen die Rostocker hier die Bezüge auf Augustinus im Erbsündenartikel der Konkordienformel, SD I, in: BSLK, S. 853 und 862. 122 Vgl. Chytraei epistolae, S. 1133. 123 Vgl. BSLK, S. 884-886. Die Rostocker griffen in ihrer Lehre vom freien Willen gem auf CA 5 zurück, vgl. o. S. 134-141.

174

8 Chyträus als Mitarbeiter an der Konkordienformel

Wolf, jenen ungenannten Autor aus Neustadt, aufmerksam geworden. Noch einmal baten die Rostocker um größere Sensibilität für diese Probleme, obwohl sie keine Änderung mehr verlangen konnten124. Mit diesen Stellungnahmen gegenüber Andreae und den für die Konkordiensache tätigen Theologen haben wir zeitlich vorausgegriffen. Wir dürfen dabei nicht übersehen, daß die Rezeption der Konkordienformel in Mecklenburg wie auch in anderen Territorien nicht völlig ohne bleibenden Widerspruch ablief. Nicht alle mecklenburgischen Pfarrer waren in der Lage, trotz gewisser Bedenken dennoch ihre Unterschrift zu geben. Es gab auch solche, die deswegen das Land verlassen mußten125.

8.5 Die Vorrede zur Konkordienformel Chyträus, von dem sein Landesherr annahm, daß er bei den Konkordienverhandlungen von Anfang bis Ende dabei gewesen sei, wußte diese falsche Annahme deutlich zu korrigieren126. Zu schmerzlich war ihm, daß er, als es um die Vorrede ging, mitteilen mußte, er habe seit zwei Jahren das Exemplar des Konkordienbuchs nicht mehr gesehen. Über dessen Inhalt sei in dieser Zeit außer zum Problem der Vorrede nichts mehr mit ihm ausgetauscht worden127. Nach der »Pro-forma-Mitarbeit« von Berge wurde er wieder beteiligt am Konvent von Tangermünde im März 1578128. Hier sollte der Widerspruch gegen das Bergische Buch geprüft werden. Man kam zu dem Ergebnis, daß es für eine Überarbeitung zu spät sei, weil der Prozeß der Unterzeichnung in Niedersachsen schon zu weit vorangeschritten war. Die Einsprüche schienen nicht so gravierend129.

124 Chytraei epistolae, S. 1134. 125 Während es gelungen war, Johann Isensee in Wismar zur Unterschrift zu bewegen, verharrten Basilius Michaelis und Thomas Holzhuter im Widerspruch, was dazu führte, daß Herzog Ulrich sie aus ihren Ämtern entfernte, vgl. Krabbe, Chyträus, S. 342-346. Chyträus, auf den die widersprechenden Theologen sich zwar beriefen, war doch an dieser Absetzung beteiligt, vgl. auch Mager, Konkordienformel, S. 296. 126 »So wissen E. F. G., daß ich zu Heidelberg, da die praefation letztmahls mit dem Churfürsten Pfaltzgrafen verglichen, nicht dabey gewesen, auch sonst nicht mehr als viermahl, zu Torga, Magdeburg [= Kloster Berge], Tangermund und Jüterbock dieser handlung beygewohnt.« (Schütz, Vita 2, Appendix, S. 81, Nr. 21). Welche Bedeutung die hier genannten Orte haben, geht aus meiner folgenden Darstellung hervor. 127 Brief an Nicolaus Theophilus, ohne Datum, in: Chytraei epistolae, S. 1161. 128 Vgl. BSLK, S. XL, und Krabbe, Chyträus, S. 345f. 129 Die Bedenken von Chyträus, die er später formulierte, nennt Ebel, Herkunft, S. 263f.

8.5 Die Vorrede zur Konkordienformel

175

Auf dem folgenden Konvent vom 18. bis 26. Januar 1579 in Jüterbog wurde dann über die Frage der Vorrede verhandelt130. Chyträus war an diesen Gesprächen beteiligt131, aber auch dies Mitwirken hatte keine bleibenden Folgen132. Das Ergebnis von Jüterbog sollte noch nicht das letzte Stadium der Vorrede sein. Die Endgestalt wurde im »Heidelberger Abschied« am 31. Juli 1579 vorgelegt133. Im Herbst 1579 zogen sich die Verhandlungen wegen der Unterzeichnung der Vorrede hin134. Herzog Ulrich bat seine Theologen um eine Stellungnahme, die sie am 25. August 1579 abgaben135. Als sie zur Heidelberger Vorrede das Wort nahmen, verhehlten sie nicht, daß sie lieber gesehen hätten, wenn die in Jüterbog im Januar des Jahres beratene und bewilligte Fassung erhalten geblieben wäre. Was sie in der Heidelberger Fassung vor allem stört, ist die positive Wertung des Frankfurter Rezesses136 und des Naumburger Fürstentags137. Sie haben ihre alten Bedenken gegen diese Vorlagen nicht überwunden und erinnern ihren Herzog an die damaligen Ablehnungen138. Andererseits können sie sich aus diplomatischen Gründen nicht gegen diese Vorrede stellen. Sie erwähnen auch hier, daß sie lieber gesehen hätten, wenn - wie in Jüterbog festgelegt - die geplante Vorgehensweise eingehalten und zur Annahme eine größere Synode einberufen worden wäre139. Der Herzog bat seine Theologen ein weiteres Mal um ihre Stellungnahme zur Vorrede. Er wollte offenbar vor seiner Unterschrift140 sich noch einmal erneut der Meinung seiner Fachleute vergewissern. In ihrer Antwort141 greifen

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Vgl. BSLK, S.XLI. Vgl. Krabbe, Chyträus, S. 348. Vgl. Ebel, Herkunft, S. 264. Vgl. BSLK, S. XLI. Krabbe, Chyträus, S. 349, hat diese Stadien übersehen, ebenso Krabbe, Rostock, S. 663-665, Am 10. September 1579 wurde der gedruckte Text mit der Bitte um Unterschrift verschickt, vgl. Mager, Aufnahme, S. 274. Text bei Schütz, Vita 2, Appendix, S. 76-79, Nr. 20. Vgl. BSLK, S. 743f. Vgl. BSLK, S. 744-746. Vgl. o. S. 132—134 und 141—149. Auch jetzt noch tragen sie Bedenken gegen die damalige Abendmahlslehre: »... so sind doch die Artickel von Abendmahl in beiden Abschieden also meisterlich und verschlagen mit gantz scheinlichen [= bestechenden] und doch zweiffelhaftigen Worten auff schrauben gesezt, daß sie alle Calvinisten gleich so woll, als die Lutherischen annehmen und ein jeder auff seine meinung ziehen können.« (Schütz, Vita 2, Appendix, S. 77f). Vgl. Mager, Konkordienformel, S. 391. Den Gedanken der Synode griff Chyträus immer wieder auf, vgl. seinen Brief an Nicolaus Theophilus, in: Chytraei epistolae, S. 1161, vgl. auch o. S. 172, Anm. 112. Ulrich von Mecklenburg unterschrieb die Vorrede am 31. Dezember 1579, vgl. BSLK, S. 763 mit Anm. 7. Text bei Schütz, Vita 2, Appendix, S. 79-85, Nr. 21.

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8 Chyträus als Mitarbeiter an der Konkordienformel

sie das Ergebnis vom August auf und geben dem Herzog zu verstehen, daß er ihnen zum zweiten Mal den identischen Text vorgelegt habe. Sie raten ihm auch jetzt zur Unterschrift142. Hier muß nun Chyträus selbst seine Position offenlegen. Er beschreibt genau die Stationen seiner Mitarbeit, die wir oben sahen143. Im weiteren kritisieren die Rostocker den Gebrauch der lateinischen Schulwörter in der Praefation, die sogar von vielen Pastoren nicht verstanden würden144. Sie begrüßen freudig, daß nun die Namen von Luther und Melanchthon erwähnt würden145, was sie ja vorher Andreae gegenüber moniert hatten. Der wichtigste Punkt in der Vorrede, der mit dem Konkordienbuch selbst aber nicht in Einklang stehe, sei die positive Erwähnung des Frankfurter Rezesses von 1558, der doch wie auch die Naumburgische Praefation eine unbefriedigende Kompromißlösung gewesen sei146. Jetzt rufen sie ihre kritischen Judicia von 1558 und 1561 nicht nur in Erinnerung, sondern fügen auch die Abschrift des Votums von 1558 bei147. Bei der Erinnerung an Naumburg tritt Chyträus namentlich aus dem Kollektiv der Rostocker Fakultät hervor und erinnert seinen Landesherrn an das gemeinsame Erlebnis. Die Rostocker stellen es in das Belieben Ulrichs von Mecklenburg, ob er diese Differenz zwischen dem Konkordienbuch und den beiden weniger positiven Einigungsversuchen der Vergangenheit kritisch anmerken wolle14®. Jedenfalls halten sie es für gut, daß man den Frankfurter Rezeß nicht als »christlich« bezeichne und wenigstens dieses positiv wertende Attribut auslasse, wenn schon die Fakten als solche nicht übergangen werden können149. Trotz dieser Bedenken raten die Rostocker Theologen ihrem Landesherrn zur Unterschrift und halten es für möglich, neben der Unterschrift an die namhaft gemachten kritischen Punkte zu erinnern. Auch ohne diese Änderung der Vorrede sei die Bewahrung der Lehre durch das Konkordienbuch gewährleistet, so daß der Herzog mit fröhlichem Gewissen seine Unterschrift leisten könne, was dann ja auch geschah. Ulrich von Mecklenburg fügte seiner Unterschrift die Kritik an den Schulwörtern zur Christologie und an der Bezeichnung »christlich« für den Frankfurter Rezeß bei. In dem Exemplar der Vorrede, das er unterschrieb, ließ er nur »wohlgemeint« als Attribut für den Re-

142 143 144 145 146

a. a. 0 . , S. 81. Vgl. o. S. 174, Anm. 126. Schütz, Vita 2, Appendix, S. 81, vgl. BSLK, S. 754f mit Anm. 3. a. a. o„ S. 82, vgl. BSLK, S. 752f mit Anm. 3. Der Abendmahlsartikel sei in beiden »also hinterlistig und verschlagen, mit scheinlichen und doch gemeinen beidenhendischen Worten zugerichtet, daß ihn alle Calvinisten gleich so woll, als die Lutherischen annehmen, und ein jeder auff seine meinung ziehen kan ...« (a. a. O., S. 82). 147 Der Text vom 14. August 1558 (vgl. dazu oben S. 132-134), in: Schütz, Vita 1, S. 337-347, Appendix, Nr. 1. 148 Schütz, Vita 2, Appendix, S. 83. 149 a. a. O., S. 83f, vgl. auch BSLK, S. 744 mit Anm. 2.

8.5 Die Vorrede zur Konkordienformel

177

zeß stehen150. Der Landesherr wußte in die Tat umzusetzen, was seine Theologen ihm nahegelegt hatten151. Dies Gutachten der Rostocker Theologen zeigt in auffälliger Weise etwas vom Arbeitsstil in ihrem Kreis. Das Dokument, das die gemeinsame Unterschrift trägt, hat in grammatischer Hinsicht verschiedene Subjekte. Die Darstellung mit dem Subjekt »wir« kann mühelos unterbrochen werden von Passagen, in denen das »Ich« des Chyträus allein auf bestimmte Erlebnisse zurückverweist. Das deutet darauf hin, daß er wahrscheinlich das ganze Votum formuliert und für die Fakultät erarbeitet hat, wenn es auch dann die Unterschrift des Dekans erhielt. Es war offenbar nicht nötig, daß Chyträus die seine Person betreffenden Fragen in einem Separatvotum vorbrachte, sondern das Kollegium trug auch seine persönlichen Erinnerungen in der Ich-Form mit durch die Unterschrift des Dekans. Die Rostocker Theologen haben am 15. Dezember 1579 aber nicht nur dem Herzog ihre Stellungnahme zur Frage der Unterschrift unter die Vorrede vorgelegt. Am gleichen Tag schrieben sie ihren Brief an Andreae 152 und die anderen mit der Konkordie befaßten Theologen, in dem sie zwar offen gestanden, daß eine Änderung nicht mehr gefordert werden könne, in dem sie doch aber auch deutlich auf weiterhin bestehende Probleme im Text der Konkordienformel aufmerksam machten 153 . Als zum 50. Jahrestag der Übergabe des Augsburgischen Bekenntnisses am 25. Juni 1580 das Konkordienbuch gedruckt erschien, war zwar nicht das Ziel erreicht, das man sich erhofft hatte, die Einigung aller Anhänger der Confessio Augustana 154 , aber Chyträus freute sich über die Völlendung des so lange beratenen Werkes. Als sein Landesherr ihm ein Exemplar des Konkordicnbuchs verehrte, dankte der Mitarbeiter und gab seiner Hoffnung Ausdruck, daß »die Publication desselben zu Gottes ehren vnd vnderhaltung reiner lehr vnd christlicher Einigkeit, in den loblichen Herrschaften, so vnterschrieben, seliglich diene. Denn mit den Widersachern vnd andern Secten wird doch vor dem Jüngsten tag kein bestendiger Fried khönen getroffen werden« 155 . Trotz aller Enttäuschungen freute er sich über die erreichte Einheit, wenn er auch die Manifestation auf einer Gesamtsynode lieber gesehen hätte und wenn er auch zu Einzelfragen durchaus weiterhin kritische Anmerkungen hatte. Die

150 Vgl. Mager, Konkordienformel, S. 391 mit Anm. 115, und BSLK, S . 7 4 4 mit Anm. 2. 151 Vgl. Mager, Aufnahme, S. 286. 152 Vgl. auch Krabbe, Chyträus, S. 349f. 153 Vgl. o. S. 173 mit Anm. 119. 154 Am 24. März 1580 berichtete Chyträus über die Entstehung an König Johann III. von Schweden. Er erwähnte, daß folgende Territorien von der Unterschrift Abstand nahmen: Hessen, Anhalt, Holstein und Pommern (Chytraei epistolae, S. 332f). 155 Krabbe, Chyträus, S. 351, Anm. *.

178

8 Chyträus als Mitarbeiter an der Konkordienformel

endlich erreichte Einheit hatte für ihn einen höheren Stellenwert als die Durchsetzung der eigenen Position um jeden Preis. Daß damit nicht für alle Zukunft die Erhaltung der reinen Lehre gesichert war, war ihm dabei freilich nicht verborgen. Er hatte aber nun doch die Hoffnung, ein geeignetes Instrument für die Erhaltung der Einheit zu haben.

8.6 Das Nachspiel Nach der wechselvollen Vorgeschichte ist es kein Wunder, daß sich in den deutschen lutherischen Kirchen auch noch weiterhin Meinungsverschiedenheiten wegen des Konkordienbuchs ergaben. Wir rufen uns zunächst die Kritik »von außen« in Erinnerung. Von den unterlegenen Seiten, die ihre Position nicht im Konkordienbuch vertreten fanden, kam alsbald Kritik. Einerseits ist hier nochmals an die reformierte Kritik aus der Pfalz zu denken, die uns in der Person von Christof Hardesheim schon begegnet ist156. Man hat die »Admonitio« der Pfälzischen Theologen157 gegen das Konkordienbuch als die »gründlichste« von »allen Gegenschriften, welche das Konkordienbuch hervorrief«, bezeichnet158. Im Jahr 1581 bereits waren die Neustädter damit hervorgetreten. Aber auch aus anderen Territorien kam Kritik159, nicht zuletzt auch von flacianischer Seite durch Christoph Irenäus160. Es war vor allem die pfälzische Kritik, die unter den drei an der Konkordienformel beteiligten Kurfürsten den Wunsch nach einer Apologie zum Konkordienbuch hervorrief. So bildeten sie eine Arbeitsgruppe für diesen Zweck. August von Sachsen entsandte Nikolaus Seinecker, Johann Georg von Brandenburg entsandte Martin Chemnitz, Pfalzgraf Johann Casimir nominierte Timotheus Kirchner aus Heidelberg. Das Triumvirat traf sich am 23. Oktober 1581 in Erfurt zum Zweck des Entwurfs einer gemeinsamen Verteidigung161. Jakob Andreae war daran nicht mehr beteiligt. Er war in Sachsen in Ungnade gefallen, so daß er am 1. November 1580 um seine Entlassung gebeten hatte und am Jahresende wieder nach Tübingen gezogen war162.

156 Vgl. o. S. 119-130. 157 Vgl. die Druckbeschreibung bei Hammer, Melanchthonforschung 3, S. 205f, Nr. *506. 158 E.F.K. Müller, Neostadiensium admonitio, in: RE 13, S. 709, 46f, vgl. auch Ernst Koch, Konkordienbuch, in: TRE 19, S. 474, 31f. 159 Vgl. Krabbe, Chyträus, S. 383; Reinhold Seeberg, Konkordienformel, in: RE 10, S. 743,50-744,2, und Ernst Koch, Konkordienbuch, in: TRE 19, S. 474. 160 Vgl. Kolb, Rejection, S. 209-211. 161 Vgl. Mager, Konkordienformel, S.403f, Klän, Seinecker, S. 167f, und Krabbe, Chyträus, S. 383f. 162 Vgl. Mager, Konkordienformel, S.404f, Mahlmann, Andreae, und Martin Brecht, Andreae, in: TRE 2, S. 679,14-23.

8.6 Das Nachspiel

179

Das Ergebnis der Arbeit der drei Theologen in Erfurt, die vom 23. Oktober bis 8. Dezember 1581 dauerte, ein umfangreiches Werk, das auf viele Einzelheiten einzugehen hatte163, wurde in Abschriften zur Begutachtung in die Territorien Württemberg, Brandenburg-Ansbach, Braunschweig-Wolfenbüttel und Braunschweig-Lüneburg, Magdeburg und Mecklenburg geschickt. Die Theologen dieser Gebiete sollten darüber beraten. Gegen Christof Hardesheim, den »Ambrosius Wolf«, wollten die Apologeten eigens eine Schrift verfassen 164 . Ulrich von Mecklenburg erhielt die Apologie durch den brandenburgischen Kurfürsten Johann Georg. Er berief seine Theologen zur Beratung nach Güstrow 165 . Am 22. Februar 1582 unterzeichneten sie ihr ausführliches Judicium166. Neben der grundsätzlichen Zustimmung zu der Absicht der Apologie gehen die Rostocker den Text des ihnen vorliegenden Entwurfs durch und nehmen dazu Stellung. Dieser Diskurs ist zum Teil sehr kritisch, aber die eingangs geäußerte Sympathie darf doch nie überhört werden. Die kritischen Bemerkungen allein ergeben ein falsches Bild vom Urteil der mecklenburgischen Theologen. In Neustadt benutzten die pfälzischen Theologen diese kritischen Passagen zu einer Fälschung und erweckten so den Anschein, sie könnten sich bei ihren Beanstandungen auch auf das Votum aus Mecklenburg berufen 167 . Chyträus bezeichnete diesen Druck aus der Rückschau später als ein lügnerisches Unterfangen, da es andernorts Unruhe verursacht hatte168. Immerhin ist es dieser Fälschung zu verdanken, daß das Gutachten auch noch 1584, nach Abschluß des Druckes der Apologie169, ein zweites Mal in Mecklenburg im Druck erschien170.

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Vgl. auch Kolb, Rejection, S. 212. Vgl. Mager, Konkordienformel, S. 407. Vgl. Krabbe, Chyträus, S. 385, und Chyträus, Judicium, S. 6. Vgl. die Angaben in der Bibliographie zu Chyträus, Judicium, und Schütz, Vita 3, S. 58-60, § IX. Vgl. Krabbe, Chyträus, S. 388, Anm. *, und Schütz, Vita 3, S. 117-119, § XIX. Vgl. Brief vom 24. März 1595 an Christoph Pelargus, in: Chytraei epistolae, S. 941. Vgl. die Druckbeschreibung zur Apologie in V D 16, Bd. 10, S. 440, Κ 1 0 2 9 K 1031. - Eine Abbildung des Titelblatts findet sich in Seinecker, Luther, zwischen den Blättern 87 und 88. Vgl. Krabbe, Chyträus, S. 388, Anm. *. Auch von diesem Druck, der bei M. Melchior in Krakow in Mecklenburg erschien, distanzierten sich die Rostocker Theologen. Sie hielten den Editor für einen »öffentlichen Falsarium und Verleumbder« (Schütz, Vita 3, S. 119). Die Original-Handschrift ist in Rostock erhalten: Primus Liber Facultatis Rostochiensis ..., Bl. 252b-271b. Der Textvergleich ergibt jedoch, daß die Handschrift und der Druck des Judiciums nur in sehr geringfügigen Varianten voneinander abweichen, beispielsweise stehen die gedruckten Randglossen nicht in der Handschrift. Es besteht aber kein Hindernis, daß wir uns an die gedruckte Fassung halten.

180

8 Chyträus als Mitarbeiter an der Konkordienformel

Die Theologen haben im Februar 1582 das Konzept der Apologie gemeinsam durchgearbeitet 171 . Sie halten das Unterfangen einer Apologie des Konkordienbuchs, das sie der göttlichen Allmacht selbst zu verdanken meinen, für ein hohes, gottgefälliges und für die Kirchen nötiges, heilsames Werk zur Überwindung der Zerrüttung und Spaltungen 172 . Zwar befürchten sie, daß die kurfürstlichen Theologen bei ihrer endgültigen Fassung der Apologie auf die Mecklenburger Stellungnahme wenig Rücksicht nehmen werden, aber auf Befehl ihres Herzogs stellen sie zusammen, was man bedenken oder verändern sollte. Die Hauptartikel von der Person Christi und vom heiligen Abendmahl haben sie bei der Verlesung der Apologie »mit hertzlichen freuden« vernommen, aber doch bekunden sie, »daß etliche ding fleissiger werden von den Herren Verfassern dieser Apologiae zubedencken sein«173. Was sie nun im einzelnen zu bemerken haben, dient nicht zum Ruhm der Verfasser jener Apologie. Aber es kann doch auch als eindrucksvolles Zeugnis dafür gelten, wie in Mecklenburg die Kritik am Detail die Zustimmung zum Gesamtphänomen der Konkordienbemühungen nicht infrage gestellt hat. Dieses Pro und Contra hier in aller Ausführlichkeit zu rekapitulieren, würde zu weit führen 174 . Sie fordern eine Straffung und Beseitigung vieler Wiederholungen175. Diese Apologie dürfe nicht ein umfangreicheres Buch werden als die Apologie der Augsburgischen Konfession. Sie bitten aber die Verfasser auch um größere Vorsicht, daß sie aus den Büchern der Gegner »nichts änderst dann wie es darinnen steht« zitieren176. Nur so könne verhindert werden, daß das Gesamtwerk etwa in den Verdacht bewußter Einseitigkeit gerate. Dabei fehlt es nicht an Beispielen, die diese Bitte begründen. Auch an den enthaltenen Interpretationen des Konkordienbuchs selbst üben die Mecklenburger Kritik177. Eine klare Auseinandersetzung mit den Gegenpositionen halten sie für wünschenswert, hingegen raten sie davon ab, Ambrosius Wolf einer eigenen Schrift zur Widerlegung zu würdigen. Man solle ihn am Rand behandeln. Eine eigene Entgegnung auf seine Thesen würde nur neu die kritische Aufmerksamkeit auf diejenigen lenken, die er angegriffen hatte178. In dem abschließenden Votum halten die Theologen die Fortsetzung der Arbeit an dieser Apologie für ein wichtiges Gebetsanliegen 179 . Namentlich

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Vgl. Chyträus, Judicium, S . 4 . a. a. O., S. 4f. a. a. 0 . , S. 6f. Eine knappe Inhaltsangabe bietet auch Krabbe, Chyträus, S. 385-388. Eine Randglosse sagt: »Das die Apologi ein confus werck ist« (Chyträus, Judicium, S. 10). a. a. 0 . , S. 15. a. a. 0 . , S. 24-27. a. a. O., S. 46-48, vgl. o. S. 130, Anm. 97. a. a. O., S. 57f.

8.6 Das Nachspiel

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unterschrieben drei Rostocker Professoren und die fünf mecklenburgischen Superintendenten 180 . Wir wissen nicht, ob die hier vorgebrachten Bedenken in die Druckfassung der Apologie des Konkordienbuchs aufgenommen worden sind. Sie erschien 1583 in Heidelberg181. Wir wissen allerdings, daß Herzog Julius ebenfalls eine Abschrift erhielt, die er den Helmstedter Theologen am 20. Februar 1582 zur Begutachtung zuschickte182. Die Helmstedter erkannten auch sofort Mängel, griffen aber zugleich das alte Anliegen eines Generalkonvents wieder auf. Zu diesem Konvent ist es nicht gekommen, und Heshusius in Helmstedt nahm zusammen mit seinem Landesherrn eine reservierte und unbeteiligte Zuschauerhaltung ein183. Währenddessen wurde die Arbeit der drei Autoren am Text der Apologie in Braunschweig fortgesetzt, weil Chemnitz reiseunfähig war. Heshusius aus Helmstedt war der Einladung zum 21. Mai 1582 nach Braunschweig nicht gefolgt. Herzog Julius kritisierte die Arbeit im kleinen Kreis der Theologen. Er wünschte dringend die Beteiligung von »Politikern« und wiederholte die Forderung einer allgemeinen Synode, die seit 1576 immer erhoben worden war. Er lud die in Braunschweig versammelten Autoren der Apologie nach Helmstedt ein. Obwohl Kurfürst August sein Einverständnis dazu erklärte, scheiterte dies Zusammenkommen einerseits an der ablehnenden Haltung von Heshusius 184 . Der tiefe Bruch, zu dem es zwischen Chemnitz und Herzog Julius gekommen war, spielte dabei andererseits eine ebenso wichtige Rolle185. Die Kritik aus Helmstedt und dem Fürstentum Braunschweig-Wolfenbüttel kam auf diese Weise nicht zur Wirkung bei der Arbeit am Text der Apologie, die im Frühsommer 1582 in der Stadt Braunschweig geleistet worden ist186. David Chyträus sollte auf ausdrücklichen Wunsch des Kurfürsten August von Sachsen auch an den Beratungen teilnehmen und wurde deshalb von seinem Landesherrn, Herzog Ulrich, gebeten, nach Braunschweig reisen187. Er 180 Vgl. auch Krabbe, Chyträus, S. 385f, Anm. ***. Leider geht aus den Ausführungen von Krabbe (S. 388, Anm. *) nicht völlig deutlich hervor, wie das Verhältnis der handschriftlichen Vorlage zu den gedruckten Fassungen ist (Vgl. dazu o. S. 179, Anm. 170). 181 Vgl. o. S. 179, Anm. 169. 182 Vgl. Mager, Konkordienformel, S. 408. 183 Vgl. a. a. O., S.410f. 184 Vgl. a. a. O., S. 412-414. 185 Vgl. auch Theodor Mahlmann, Chemnitz, in: TRE 7, S. 717,45-718,2. 186 Vgl. Mager, Konkordienformel, S. 414-421. 187 Kurfürst August von Sachsen forderte Herzog Ulrich von Mecklenburg auf, David Chyträus, »der heiligen Schrifft doctor und Professor E. L. Universitet Rostock« zu den Beratungen zu entsenden, denn er sei »hiebevorn bey stellunge und berathschlagunge des christlichen Concordienbuchs gewesen und« könne »bei vorbesserunge der Apologien viel gutes thun«. August bat, Chyträus möge

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8 Chyträus als Mitarbeiter an der Konkordienformel

konnte jedoch diesen Wünschen nicht folgen, weil er in jener Zeit sehr ernstlich erkrankt war 188 . Vor seiner Krankheit ist Chyträus in Franken und am Rhein gewesen 1 8 9 . Auf der Rückreise von diesem Aufenthalt im Süden kam er auch durch Braunschweig. Bei dieser Gelegenheit muß Martin Chemnitz den Freund aus Rostock gebeten haben, auf die Meinung der Helmstedter Theologen einzuwirken 190 . Ein Schreiben der Rostocker Fakultät an die Helmstedter liegt auch tatsächlich vor. Es trägt das Datum 17. November 1582 191 . Dies Dokument veranschaulicht in der besten Weise, wie man in Rostock über die Konkordienangelegenheit dachte. D i e Rostocker waren ja nicht offiziell u m ihre Stellungnahme gebeten worden. Ihnen war lediglich durch glaubwürdige Personen über »gewisse Helmstedter Schreiben« Kenntnis gegeben worden. Sie verschweigen natürlich sehr bewußt, woher ihre Informationen stammten. Sie hätten eben gehört, daß in Helmstedt nicht allein die Apologie, sondern auch das Konkordienbuch selbst so sehr in Mißkredit geraten sei, daß man erwarte, beide würden auf einer Synode aller Schwesterkirchen zurückgezogen 1 9 2 . Die Rostocker antworten dann Punkt für Punkt. Sie hatten ja selbst eine General-

am Montag, 21. Mai nach Braunschweig kommen (Göttingen, SUB: 2° Cod. Ms. theol. 250 III, Bl. 320r-321v, Briefkopie vom 23. April 1582). Die Aufforderung an den Rostocker Professor durch seinen Herzog ist in Güstrow am 9. Mai ausgegangen. Chyträus erhielt sie am 12. Mai und antwortete postwendend (Göttingen, a. a. 0 . , Bl. 340r-343v). - Vgl. dazu Ebel, Herkunft, S. 264. 188 In seinem Brief an Herzog Ulrich betont Chyträus, er wäre willig zu Mitarbeit, aber seine Krankheit hindere ihn. Gott habe ihn »mit einer schweren und nahe bey dem tod hergehenden kranckheit gezüchtiget«, weshalb er auch teglich noch in gedult Gottes väterlichen willen, ob ers zum tod oder leben mit mir schicken wird, erwarte«. Chyträus stellt jedoch ins Bedenken des Herzogs, ob er einen seiner Kollegen, Simon Pauli oder Lucas Bacmeister, auf den Weg schicken wolle. Ulrich schickte das Entschuldigungsschreiben von Chyträus an die in Braunschweig versammelten Theologen mit dem Hinweis, er wisse jetzt in der Eile niemanden an die Stelle von Chyträus zu setzten, so daß die Theologen nicht vergeblich warten sollten (a. a. O.). Vgl. dazu Mager, Konkordienformel, S.412 mit Anm. 52. Daß er wegen Krankheit sein Haus längere Zeit nicht verlassen konnte, schrieb er auch in einem Brief vom 24. Juni 1582 an Georg Liebler, vgl. Chytraei epistolae, S. 389, und Schütz, Vita 3, S. 62, und Thüringer, Chytraeus, S. 168. 189 Vgl. Chytraei epistolae, S. 389. 190 Vgl. Schütz, Vita 3, S. 64, § X. 191 Chytraei epistolae, S. 1195-1202. Handschriftliche Überlieferungen desselben Briefs in Wolfenbüttel, HAB: Cod. Guelf. 33,17 Aug. 2° (Hier lautet das Datum fol. 497 merkwürdigerweise 1583!). Auch in Göttingen UB findet sich eine Abschrift (vgl. Mager, Konkordienformel, S.421 mit Anm. 94, wo allerdings die Seitenangabe in Chytraei epistolae zu berichtigen ist), ebenso in Rostock: Primus Liber Facultatis Rostochiensis ..., Bl. 329a-335a. 192 Chytraei epistolae, S. 1195. Zur Sache vgl. Mager, Konkordienformel, S. 4 1 5 421.

8.6 Das Nachspiel

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synode gefordert, aber jetzt sehen sie die Übereinstimmung des Konkordienbuchs mit der Norm des Wortes Gottes und sind dafür dankbar, so daß sie zu diesem Zeitpunkt ihre Forderung einer Synode gerne verschweigen und zurückstehen lassen. Vielmehr weisen sie die Kollegen auf die doch bereits von ihnen selbst vollzogene Unterschrift unter die FC hin. Die jetzt vorgetragenen Bedenken der Helmstedter gegen die Druckausgabe des Konkordienbuchs werden dadurch beschwichtigt, daß die Rostocker der Überzeugung sind, hinsichtlich der Lehre sei in These und Antithese nichts verändert worden. Die vollzogenen Veränderungen hätten nicht das Gewicht, daß sie Grund böten, die einmal gegebene Unterschrift zurückzuziehen. Auch die Auslassung von Tauf- und Traubüchlein aus Luthers Katechismus sei mit Rücksicht auf oberdeutsche Kirchen und deren Gebrauch geschehen, wo die Trauformel und der Exorzismus bei der Taufe nicht üblich seien. Luther selbst habe diese Sitten in der Kirche frei bleiben lassen wollen. Daß die lateinische Version des Konkordienbuchs an einigen Stellen weniger angemessen sei, bekennen auch die Rostocker. Auch hätten sie die Selneckersche Arbeit vor der Edition weder gesehen noch ihr zugestimmt. Da es sich aber nur um eine Übersetzung des unterschriebenen deutschen Exemplars handle, seien sie zur Abweisung nicht berechtigt. Den Rostockern mißfällt allerdings, daß im Konkordienbuch nicht die prima editio der Apologie zur CA enthalten sei, sondern die zweite vom Autor veränderte 193 . Auch in der Erklärung der Kontroversen bestätigen die Rostocker abermals, daß sie lieber gesehen hätten, wenn anstelle des Bergischen Buches das Torgische stehen geblieben wäre. Aber sie wollen sich nun doch mit dem Ergebnis zufrieden geben. Über den Appendix zum Konkordienbuch, die Dicta der Väter betreffend, sind die Rostocker gleicher Meinung wie die Helmstedter, daß hier Revisionsarbeit nötig wäre194. Sie erwähnen wieder die alten Kritikpunkte an der Würdigung des Frankfurter Rezesses und an den scholastischen Termini in der Vorrede, mit denen sie aber nicht durchgekommen seien. Die Bedenken der Helmstedter gegen Äußerungen zur Ubiquität werden erörtert. Mit Bedauern sehen die Rostocker auf das Torgische Buch zurück, das die Fehler der Bergischen Endredaktion noch nicht hatte. Sie wollen aber nicht, daß durch unterschiedliche Ansichten über den Modus des Vorgehens bei der Erarbeitung der Apologie zum Konkordienbuch die erreichte Lehreinheit noch einmal aufs Spiel gesetzt werde. Schließlich seien weder die Confessio Augustana noch die Apologie oder die Katechismen Luthers auf einer Synode erarbeitet und beschlossen worden. Trotzdem würden diese Schriften heute als Symbola der Kirche gebraucht. So könne man auch jetzt in der Ent-

193 Chytraei epistolae, S. 1198. 194 Der Catalogus Testimoniorum war von Andreae, Chemnitz und Seinecker vom 25. Februar bis 1. März 1580 im Kloster Berge redigiert worden, vgl. Emst Koch, Konkordienbuch, in: TRE 19, S. 473, 24-27.

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8 Chyträus als Mitarbeiter an der Konkordienformel

stehung der Apologie zum Konkordienbuch sich die Leistung der drei Männer aneignen und ihren Dienst anerkennen. Mit allen diesen Gründen werden die Helmstedter gebeten, sich nicht aus der Bekenntnisgemeinschaft auszuschließen195. Es seien brauchbare und nötige Hinweise in der Helmstedter Zensur der Apologie, so daß die Rostocker nicht zweifeln, daß diese Argumente ihren Ort finden würden. Aber das ganze Konkordienbuch nun wieder auf den Amboß zu legen, wäre ein zu großes Ärgernis196. So haben die Rostocker die Bedenken der Helmstedter diskutiert, auch die eigene Kritik dabei nicht verhehlt, aber doch gerade darin begründet, warum es jetzt nicht angezeigt sein könne, die einmal erreichte und durch Unterschrift des Bergischen Buchs bezeugte Einheit erneut zur Debatte zu stellen. Ob die Rostocker vom bevorstehenden Konvent in Quedlinburg schon wußten, als sie den Brief nach Helmstedt schickten, geht aus diesem Schreiben nicht hervor. Zwar hatten die drei Kurfürsten schon länger eine Zusage für einen gemeinsamen Konvent gegeben 197 , aber die Einladung zu dem Kolloquium in Quedlinburg erging doch erst am 18. November 1582198. Hier sollte nun über die Helmstedter Bedenken zur Apologie des Konkordienbuchs beraten werden. Wir brauchen den Verlauf des Gesprächs jetzt nicht nachzuzeichnen 199 . Diese Zusammenkunft hat den auch von Rostock gewünschten Erfolg nicht erzielt, die Einheit des Luthertums zu festigen, sondern hier wurde der »Ausschluß Braunschweig-Wolfenbüttels aus dem Konkordienluthertum eingeleitet«200. David Chyträus, der zu dem Kolloquium eingeladen worden war201, ist nicht in Quedlinburg gewesen. Er entschuldigte sein Fernbleiben damit, daß sein Herzog ihn nicht rechtzeitig zu dieser Reise beauftragt habe, gab als Ursache also das Verhalten seines Landesherrn an202. Noch einmal beschäftigte sich Chyträus mit der Frage einer Nationalsynode in einem Gutachten für Herzog Ulrich203, das nicht datiert ist204. Herzog Julius von Braunschweig hatte angeregt, sich mit dieser Frage noch einmal zu befassen. Als Berater seines Herzogs antwortet Chyträus auf eine ihm gestellte Frage. Er handelt in zehn Punkten eine Reihe von Fragen zur Geschäftsordnung 205 ab. Was er hier schreibt, läßt sehr schnell erkennen, daß er 195 196 197 198 199 200 201 202 203 204

Chytraei epistolae, S. 1200f. a. a. 0 . , S. 1201. Vgl. Mager, Konkordienformel, S . 4 2 0 . Vgl. a. a. 0 . , S . 4 3 3 . Vgl. die Darstellung bei Mager, a. a. 0 . , S. 4 3 3 - 470. a. a. 0 . , S. 467; vgl. Ernst Koch, Konkordienbuch, in: TRE 19, S. 474,38-^14. Vgl. Mager, a. a. 0 . , S. 433. Vgl. Schütz, Vita 3, S. 65, und auch sehr knapp: Ebel, Herkunft, S. 264. Primus Liber Facultatis Rostochiensis ..., Bl. 315a-317a. Am Ende trägt eine andere Hand das Jahr 1583 nach, aber es wird wohl 1585 anzusetzen sein, vgl. Krabbe, Chyträus, S. 390. 205 So auch schon sein Votum zu einer Anfrage Heinrichs von Navarra von 1584, vgl. Krabbe, Chyträus, S. 388f.

8.6 Das Nachspiel

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keine gute Meinung über eine solche Synode hatte. Er fürchtet, daß daraus Zerrüttung folgen könne, da nicht alle Territorien teilnehmen würden. Neben den mehr formalen Fragen zeigt er auch die inhaltlichen Probleme, wie an siebter Stelle: »Ob man secundum pluralitatem votorum oder secundum sanioris et melioris partis verbo Dei nitentis suffragia sprechen sol, da kein teil dem andern die praerogativam quod sit pars sanior et melior, gönnen wird.« Aus allen seinen Fragen klingt ablehnende Zurückhaltung. Jedenfalls meint er abschließend, erst wenn dies alles geklärt sei, was vor Ablauf von zwei Jahren nicht geschehen könne, sei neu über eine Synode nachzudenken. Daraus ist jedenfalls soviel mit Gewißheit zu entnehmen: Chyträus sah keinen akuten oder eiligen Handlungsbedarf. Der Rostocker Theologe hat mit seinen letzten Stellungnahmen zu konkreten Fragen der Einheit lutherischer Kirchen noch einmal gezeigt, daß er sich von der Konkordienformel nicht trennen oder lossagen wollte, wenn er auch über Detailfragen kritisch gedacht hatte206.

206 Krabbe, Chyträus, S. 351 f, berichtet von dem Gerücht, das sich verbreitet habe, Chyträus sei von der Konkordienformel »wiederum abgefallen«.

9 Die Confessio Augustana als Symbol

»In der theologischen Sprache aller Kirchen bedeutet Symbol zunächst das Bekenntnis, das in einer Kirche als verbindliche Formulierung des gemeinsam Geglaubten in Kraft steht.«1 Unser theologischer Sprachgebrauch2 verwendet dies Wort im allgemeinen - wenn überhaupt - nur noch für die drei altkirchlichen ökumenischen Bekenntnisse und betont damit den besonderen Rang dieser »Haupt-Symbola«3. Sie werden um ihrer Katholizität oder Ökumenizität willen höher eingestuft als die reformatorischen Bekenntnisschriften4 mit ihrer Begrenzung auf bestimmte Territorien oder Kirchen5. Die altkirchlichen Symbole - vor allem Apostolicum und Nicaeno-Constantinopolitanum - haben in allen christlichen Kirchen Bedeutung im Gottesdienst der Gemeinde, weil sie die wichtigsten Heilstatsachen in der Antwort des Glaubens beschreiben6. Wir verdeutlichen uns diese sprachlichen und zugleich sachlichen Klärungen, um damit Voraussetzungen für das Verständnis unserer historischen Analyse zum Ausdruck zu bringen.

1 Eduard Buess, Symbol, in: RGG 6, Sp. 540. 2 Es fällt auf, daß der Begriff in der neueren Theologie weit in den Hintergrund getreten ist. Das mag damit zusammenhängen, daß seine theologische Bedeutung im heutigen Sprachempfinden ganz hinter der philosophischen und bildhaften Bedeutung zurückgetreten ist. Auch das Fach »Symbolik« wird heute in der Regel nicht mehr so bezeichnet, sondern als Konfessionskunde, vgl. Peter Hauptmann, Konfessionskunde, in: TRE 19, S. 431-436. 3 Das Konkordienbuch nennt sie die drei »Haupt-Symbola«, die in der Kirche »einträchtiglich« gebraucht werden. In der lateinischen Form heißt die Bezeichnung: »Tria Symbola catholica sive oecumenica« (BSLK, S. 19, vgl. auch die Nachträge in BSLK, S. 1219). Auch in der röm.-kath. Kirche stehen sie in hoher Achtung, vgl. Gerhard Müller, Bekenntnisse, Bekenntnisschriften, in: EKL (3. Aufl.) 1, Sp. 416. 4 Die Confessio Augustana selbst beruft sich in Artikel 1 auf den Beschluß des Concilii Nicaeni und meint damit das Symbolum Nicaeno-Constantinopolitanum (BSLK, S. 50). In Artikel 3 beruft sie sich auf das Symbolum Apostolicum (a. a. O., S. 54). 5 Mildenberger, Bekenntnisschriften, S. 22, § 2, behandelt die CA als evangelischlutherisches Symbol. 6 Vgl. auch F. Mayr, Symbol Π. Theologisch, in: LThK 9, Sp. 1207f, und J. Quasten, Symbolforschung, ebd., Sp. 1210-1212.

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9 Die Confessio Augustana als Symbol

Ein abschließender Überblick über das Wirken von David Chyträus und seinen Beitrag zu den innerlutherischen Einigungsbemühungen seiner Zeit führt zu einem deutlichen Befund. Die Confessio Augustana und ihr Verständnis stellt bei Chyträus nicht irgendeinen Stoff unter vielen dar, der beliebig austauschbar wäre. Die Confessio Augustana ist bei ihm, anders als im heutigen allgemeinen Sprachgebrauch, den altkirchlichen Symbolen gleichgeordnet7. Sie wird selbst als »Summa« oder »Corpus Doctrinae« bezeichnet, in dem das festgehalten ist, was aus der heiligen Schrift hervorgeht8. Insofern ist die Confessio Augustana ein Kennzeichen der Theologie überhaupt. Chyträus kann die Gleichung sogar noch ausweiten, wenn er Luther als den treusten und besten Lehrer der Augsburgischen Konfession bezeichnet, dessen Schriften am besten mit dem übereinstimmten, was Christus und Paulus gelehrt hätten9. Was Luther hier qualifiziert, ist nicht zuerst eine Verehrung seiner Person10, sondern seine Rückbindung an die Botschaft des Neuen Testaments, um die es auch im Bekenntnis von Augsburg ging. Ausdrücklich verweigerte Chyträus den möglichen Gedanken, die Lehre der Confessio Augustana in einen Gegensatz zur »alten« Lehre zu stellen. Die Lehre der CA ist für ihn die »alte«, dem apostolischen Evangelium gemäße. Im Gegensatz dazu steht für ihn die »papistische Lehre«11, jene Lehraussagen also, die sich im mittelalterlichen Katholizismus herausgebildet hatten. Immer wieder stoßen wir bei Chyträus auf Aussagen, in denen das Verständnis der Worte Christi und die Lehre der Confessio Augustana als Einheit beschrieben werden12. Mit dieser Auffassung stand Chyträus nicht allein. Seit dem mißglückten Versuch einer innerevangelischen Einigung auf der Basis des Bekenntnisses

7 Vgl. o. S. 80, 133, 162 und 166. 8 Wir tun gut daran, daß wir diese Aussage so hören, wie sie in ihrer Zeit gemeint war. Am deutlichsten wird das in den hermeneutischen Grundsatzüberlegungen der Konkordienformel reflektiert: »Von dem summarischen Begriff, Grund, Regel und Richtschnur« (BSLK, S. 833-842). Die prophetischen und apostolischen Schriften des Alten und Neuen Testaments haben alleine den Rang einer norma normans. Demgegenüber sind die Bekenntnisse norma normata. Für die Beschreibung der grundsätzlichen Differenz zwischen »Gottes Wort« als einziger »Regel und Richtschnur« aller Lehre, »welchem keins Menschen Schriften gleichgeachtet, sondern demselbigen alles unterworfen werden soll«, und den Schriften irgendwelcher Menschen beruft sich die FC ausdrücklich auf Luther (BSLK, S. 837). Wollen wir als Theologen im 20. Jahrhundert solche Positionen kritisch beleuchten, müssen wir diese Aussagen aus der Epoche der Konfessionalisierung nach ihren eigenen Maßstäben überprüfen. 9 Vgl. o. S. 151f. 10 Ein Verschweigen seines Namens lehnte Chyträus ausdrücklich ab, vgl. o. S. 151f. Vgl. dazu auch Kolb, Luther, S. 37f. 11 Vgl. o. S. 152. 12 Vgl. o. S. 168.

9 Die Confessio Augustana als Symbol

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von Augsburg beim Frankfurter Rezeß von 1558'3 stand trotz aller Gegensätze14 unter den Lutheranern verschiedener Prägung dieses Konzept im Raum15. Umstritten war nicht die Wertung des Bekenntnisses von Augsburg als solches16, umstritten waren lediglich die Modalitäten seiner erneuten Ratifizierung unter den Bedingungen der jeweiligen Zeit17. Bis in die Formulierungen der Konkordienformel hinein hält sich diese Auffassung durch, wenn die CA als »nostri temporis symbolum« eingestuft und beurteilt wird18. Ebenso war die Würdigung Luthers nicht eine von Chyträus allein vertretene Meinung, sondern in gleicher Weise die Ausgangsthese der Konkordienformel19. Aus diesen Beobachtungen ergibt sich, daß wir nicht irgendeinen Spezialsektor aus der Theologie des Rostocker Professors untersuchen, wenn wir die Bedeutung des Bekenntnisses von Augsburg - des Symbolums seiner Zeit20 für sein theologisches Wirken erfragen. Wir treffen damit auf das Kernstück. Hier kann Chyträus inhaltlich in je neuen Herausforderungen festmachen, welche theologische Meinung er vertritt. Hier ist aber zugleich der Ort, an dem er demonstrieren konnte, daß es für ihn, der selbst in so engem Kontakt zu Melanchthon und Luther in Wittenberg gestanden hat, unmöglich erschien, an dieser Stelle einen Gegensatz zwischen den beiden großen Lehrern an der Leukorea zu konstruieren21. 13 Vgl. dazu o. S. 132. 14 Wenn man auch die theologische Kritik von Chyträus an den Dokumenten von Frankfurt und Naumburg versteht, war doch die Erwähnung dieser historischen Stationen in der Vorrede der FC sinnvoll, vgl. o. S. 174f. 15 Vgl. auch Ernst Koch, Konkordienbuch, in: TRE 19, S.472, und Schwarz, Lehrnorm, S. 253-257. 16 Vgl. die reichsrechtliche Bedeutung des Bekenntnisses am Beispiel der Pfalz, die wir o. S. 120f und S. 153-157 gezeigt haben. In einem umfangreichen, aber doch unvollständigen und undatierten Brief an Jacob Monau wird deutlich, wie der Dialog mit dem reformierten Gesprächspartner sich auf die richtige Interpretation der CA zuspitzt (Chytraei epistolae, S. 1109-1117). 17 Hierhin gehören die Streitfragen über die Beurteilung der von Melanchthon bearbeiteten späteren Ausgaben, die seit dem Naumburger Fürstentag im Raum standen, vgl. o. S. 141-149. Wir sahen, daß darin ein wesentliches Movens für die Arbeit von Chyträus an seiner »Historia« lag. - Damit verbunden war die Frage, wie die Klärung der nach Übergabe der CA aufgekommenen theologischen Kontroversen unter den Anhängern dieser Konfession aussehen sollte. 18 Vgl. FC, SD, Von dem summarischen Begriff..., BSLK, S. 835,18 (aber auch in der Vorrede der FC, BSLK, S. 741 f, 12ff). 19 Vgl. Hägglund, Rezeption, S. 107f. 20 So weit ich sehe, wird der Begriff des Symbolum von Chyträus nur der CA und in der Regel nicht den anderen im Konkordienbuch gesammelten Bekenntnisschriften beigelegt. Eine Ausnahme, in der auch die Luther-Schriften des Konkordienbuchs als Symbola bezeichnet werden, ist die Argumentation gegenüber den Helmstedter Theologen von 1582, also nach Drucklegung der Bekenntnisschriften, vgl. o. S. 183f. 21 Vgl. o. S. 128f.

190

9 Die Confessio Augustana als Symbol

Wir haben in der Historia der Augsburgischen Konfession und in allen Eigenarten ihres deutschen und lateinischen Texts mit den verschiedenen Auflagen den groß angelegten Beweisgang des historisch arbeitenden Theologen Chyträus gesehen22. In den verschiedenen Stellungnahmen zu kirchenpolitischen Fragen im Vor- und Umfeld der Konkordienformel hat er zwar kaum auf diese Privatarbeit hingewiesen. Aber wenn die Rostocker Theologen im Januar 1570 wünschen, daß Jakob Andreaes Konkordienwerbung zur Erhaltung eines »gesunden« Verständnisses der CA dienen möge23, dann fällt damit ein Stichwort, um das es Chyträus seit dem Frankfurter Rezeß und dem Naumburger Fürstentag gegangen ist24. Daß die Erinnerung daran für Chyträus lebendig geblieben ist, zeigt sich bis in die Gutachten zur Vorrede der Konkordienformel25. Zur besseren Erklärung des im Bekenntnis von Augsburg vorliegenden Argumentationsgangs und zum Nachweis der historischen und theologischen Interpretationszusammenhänge, in welche es gestellt wurde, diente seine persönliche theologische Forschungs- und Sammelarbeit in der »Historia«. Damit leistete er neben der Mitarbeit an der Entstehung der Konkordie von Kirchen Augsburgischen Bekenntnisses seinen eigenen Beitrag zur Darstellung der Theologie des Symbols seiner Zeit. So konnte er zugleich zeigen, was die CA im Dialog mit der römischen Kirche und in der Verhältnisbestimmung zum Calvinismus bedeutete. Melanchthon war ja im Dialog der Lutheraner mit den Altgläubigen die Schlüsselfigur gewesen. Der Präzeptor Germaniae war es aber auch, auf den sich heimliche und öffentliche Calvinisten gerne als Kronzeugen für ihre Ansichten beriefen. Seine Bereitschaft, auf neue Herausforderungen mit neuen Positionen einzugehen, führte andererseits dazu, daß auf ihn die gnesiolutherischen Freunde von Chyträus mit besonderem Argwohn blickten. Der Rostocker Theologe hat versucht, unbeirrt von den Präferenzen der einen oder der anderen Art, sein aus der persönlichen Erinnerung und aus intensiven Quellenstudien geprägtes Bild von Melanchthon und seiner Confessio Augustana festzuhalten. Wir haben die theologische Gestaltungskraft von Chyträus in der Historiographie des Bekenntnisses aufgezeigt. Das ist von der bisherigen Forschung nicht mit genügender Klarheit erkannt worden. In seinen persönlichen Studien über die Geschichte des Symbols liegen die Gründe für seine Eigenständigkeit bei der Beurteilung von Streitfragen im Bemühen um Einheit unter den Kirchen Augsburgischen Bekenntnisses. Er war gegen schnelle Vereinnahmungen für oder gegen Melanchthon durch seine historischen Arbeiten gewappnet. Dieser Nebenschauplatz seiner Mitarbeit an der Gestaltung des kirchlichen Bekenntnisses gab ihm 22 23 24 25

Vgl. Vgl. Vgl. Vgl.

o. o. o. o.

S. S. S. S.

109-114. 161. 132-134 und 141-149. 174-178.

9 Die Confessio Augustana als Symbol

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Sinn und langen Atem für die rechten Gewichtungen und eine Unabhängigkeit von den Meinungsströmen unter Freunden und Gegnern 26 . Eindrucksvoll ist seine Bereitschaft, die durch das Konkordienbuch gewonnene Einheit im deutschen Luthertum nicht wieder preiszugeben 27 , wenn auch für ihn persönlich mit dem Konkordienunternehmen so viele Enttäuschungen verbunden waren28. Die 1578 erhobene Forderung, die Konkordienformel müsse durch eine Gesamtsynode ratifiziert werden und dürfe nicht an den Grenzen Deutschlands aufhören 29 , konnte er 1581 zurückstellen. Die Einheit in der Wahrheit, auf die es ihm inhaltlich ankam, machte er nicht von Verfahrensfragen abhängig. Es war sein Wunsch, mit solchen Überlegungen auch die Helmstedter Kollegen und seinen alten Freund Tilemann Heshusius ebenso wie Herzog Julius von Braunschweig-Wolfenbüttel, den einstigen Förderer der Konkordie, im Bund der durch das Konkordienbuch geeinten lutherischen Kirchen und Territorien halten zu können 30 . Durch diese Stellungnahme unterstrich er zugleich seine Einschätzung der endlich gewonnenen Einheit. Damit wurden gleichwohl seine eigenständigen Kritikpunkte im Detail nicht gegenstandslos 31 . Wir sahen, daß Chyträus in seinem Denken nicht auf die innerdeutschen Probleme eingeengt war. Neben den immer wieder genannten Tätigkeiten für die evangelischen Kirchen Österreichs und seiner Beschreibung des Lebens der Ostkirche 32 sahen wir bereits in der Wirkungsgeschichte der »Historia« seine Verbindungen bis nach Schweden 33 und Antwerpen 34 reichen. Sein Einfluß läßt sich auch auf die Bekenntnisbildung in Siebenbürgen nachweisen 35 . 26 Nur in zwei Briefen aus der Zeit der beginnenden Arbeit an der Historia an Georg Cölestin vom 12. September 1570 und 12. November 1570 taucht einmal expressis verbis die Zusammengehörigkeit von Erforschung der Geschichte der Augsburgischen Konfession und den von Jakob Andreae ausgehenden Friedensbemühungen im Luthertum auf (Berlin, SBPK: Ms. boruss. fol. 54, Bl. l l v - 1 2 v und Bl. 24v-25r). Sonst wird dieser Gedanke, soweit wir das jetzt sehen können, nicht offen ausgesprochen. 27 Vgl. o. S. 176f; 182f und 184f. 28 Vgl. o. S. 172-177. 29 Vgl. o. S. 172. 30 Vgl. o. S. 182 und 184f. 31 Dieser differenzierte Umgang mit einem bis heute bedeutenden, aber doch auch oft kritisierten Text verdient Beachtung. Die hier zutage tretenden Gewichtungen von übergeordneten und zweitrangigen Fragen könnten immer noch hilfreich sein. Zur Bedeutung des Konkordienbuchs heute vgl. etwa Müller, Konkordienbuch, S. 176-178. Natürlich ließe sich eine Liste von Literatur, in der diese Fragen in unserem Jahrhundert behandelt wurden, leicht vermehren und auf verschiedene theologische und historische Kriterien befragen. Aber dazu ist hier und in diesem Rahmen nicht der Ort. 32 Vgl. Peter Barton, Chyträus, in: TRE 8, S. 88-90 und Heyer, Chytraeus. 33 Vgl. o. S. 86-91. 34 Vgl. o. S. 32. 35 Vgl. Binder, Augsb. Konfession, S. 72, und Binder, Konkordienformel, S. 154.

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9 Die Confessio Augustana als Symbol

Die Wertschätzung seines Schaffens zeigt sich auch darin, daß die »Historia« über alle kirchenpolitischen Umbrüche hinweg lange Zeit nicht aus den Verlagsprogrammen gestrichen wurde 36 . Was die Bedeutung des Rostocker Professors für seine Universität anbelangt, so konnte auch die marxistische Geschichtsschreibung nicht umhin, ihn als einen der »bedeutendsten Wissenschaftler der alten Universität« 37 hervorzuheben. Das verdient besondere Beachtung, wenn man die sonstigen Verzeichnungen dieser Darstellungsweise bedenkt 38 . Chyträus hat für die innere Vergewisserung der u m ihr Bekenntnis und damit um ihre Identität ringenden lutherischen Kirchen besondere Bedeutung 3 9 . Was wir in dieser Hinsicht seinen verschiedenen Arbeiten entnehmen können, hat die bisherige Forschung noch nicht gekannt oder wenigstens nicht zureichend ausgewertet. Die Kenntnis dieses Schaffensbereichs schließt aber nicht nur irgendeine Lücke in der Erforschung v o n Leben und Wirken des Rostocker Professors, sondern trifft einen theologiegeschichtlich zentralen Punkt zur Beschreibung seines ganzen Selbstverständnisses 40 . Daran können wir bei36 37 38 39

Darauf wird besonders aufmerksam gemacht in Klein, Kampf, S. 146. Heidorn, Geschichte, S.47. Vgl. Haendler, Rostocker Theologen, S. 60f. Allzuoft ist er mit anderen Zeitgenossen unter das Verdikt gefallen, das über dem »Konfessionalismus im Zeitalter der protestantischen Orthodoxie« liegt und etwa so lauten kann: »Es lohnt nicht, die konfessionell-polemischen Streitschriften auf lutherischer und auf reformierter Seite aufzuzählen. Sie sind zumeist von beißender Schärfe ...« (Neuser, Konfessionalisierung, S. 24). Man sollte sorgfältiger beachten, was man als protestantische Orthodoxie bezeichnet. Die Zeitangabe 1565 bis 1580 ist jedenfalls nicht besonders geeignet, eine Begriffsverwirrung zu vermeiden. Kann man den Beginn der Epoche der Orthodoxie in bestimmter Weise auch schon vor der Konkordienformel ansetzen, so ist doch die eigentliche Frühorthodoxie erst nach 1580 anzusetzen, ganz zu schweigen von der Hochorthodoxie. Die Epoche der Schüler der Reformatoren, also mindestens der Zeitraum bis zur Konkordienformel wäre jedenfalls im Luthertum besser als »Spätreformation« charakterisiert, vgl. o. S. 12, Anm. 14. Neuser als Kenner der melanchthonischen und reformierten Theologie dieser Zeit hat dies Verdikt wahrscheinlich nicht so kategorisch gemeint, wie es an der zitierten Stelle klingt. Diese Äußerung bringt aber auf eine knappe Formel, was viele Historiker gedacht haben. Den um die Gewißheitsfrage ringenden Theologen der Spätreformation hat man damit nicht auf die ihnen eigene Spur kommen können. 40 Seine exegetische Arbeit bedürfte ebenfalls einer Untersuchung. Immer wieder wird beispielsweise erwähnt, daß die Bezeichnung »Hohepriesterliches Gebet« für Joh 17,1-26 auf Chyträus zurückgeht, vgl. Gustav Stählin, Hohepriesterliches Gebet, in: RGG 3, Sp. 427. Es ist zu hoffen, daß seiner Schriftauslegung erneute Aufmerksamkeit gewidmet werden kann. Daraus würde ein weiterer Baustein für das Bild des Theologen Chyträus als Schüler von Luther und Melanchthon gewonnen. Nach den Beobachtungen von Krabbe, Chyträus, S. 115-132, ist darüber noch nicht wieder gearbeitet worden. - Lediglich zu seiner Genesisvorlesung finden sich einige Beobachtungen in Kolb, Commentary.

9 Die Confessio Augustana als Symbol

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spielhaft für die Forschungslage zu seiner ganzen Epoche erkennen, wieviel theologiegeschichtliches Material jener Zeit noch der Bearbeitung harrt 41 . Ein Verständnis der Spätreformation von ihrem historischen und theologischen Umfeld her ist gerade in unserer Zeit, in der wir über die Bedeutung der damals eingetretenen Konfessionalisierung und den Stellenwert der unter solchen Umständen ausgesprochenen Lehrverurteilungen neu nachdenken 42 , von hohem Wert 4 3 .

41 Vgl. den Seminarbericht vom letzten Kongreß für Lutherforschung: Kolb, Bekenntnisbildung, S. 283. Analoge Aspekte zum gleichen Sachverhalt bei Chyträus klingen an in Koch, Evangelienauslegung. 42 Auf die Studien im Dialog des ökumenischen Arbeitskreises evangelischer und katholischer Theologen oder die sonstigen neueren Dokumente zur ökumenischen Arbeit hier einzugehen, würde den Rahmen vorliegender Arbeit sprengen. - Ein schönes Beispiel sachgerechter Argumentation auf dem Hintergrund der Bekenntnisschriften im Dialog mit der Ostkirche bietet Hauptmann, Bekenntnis. 43 »Der interkonfessionelle Dialog der Gegenwart nun hat kirchliche Feindbilder abzubauen begonnen. Es ist m. E. ein Erweis für das Erreichte, ob man über konfessionelle Streitigkeiten und Verhärtungen der Vergangenheit ohne Verschleierung sprechen kann, oder ob die historische Analyse kaum verheilte Wunden wieder aufreißt und dadurch der christlichen Einheit schadet. Dieses Risiko muß eingegangen werden, denn Umleitungen bahnen keine geraden Wege in die Zukunft.« (Krumwiede, Konfessionalisierung, S. 37).

Bibliographie

Verwendete Abkürzungen und Siglen HAB LkA SB SBPK StA StB StUB SUB UB

Herzog-August-Bibliothek Landeskirchliches Archiv Staatsbibliothek Staatsbibliothek Preußischer Kulturbesitz Stadtarchiv Stadtbibliothek Stadt- und Universitätsbibliothek Staats- und Universitätsbibliothek Universitätsbibliothek

Für alle sonstigen Abkürzungen im Text sowie in der Bibliographie habe ich gemäß dem von Siegfried Schwertner für die Theologische Realenzyklopädie vorgelegten Internationalen Abkürzungsverzeichnis für Theologie und Grenzgebiete, Berlin 1976, 2 1994, gearbeitet1.

1 Das gilt auch für solche Standardwerke, wie etwa die WA der Werke Luthers oder die gebräuchlichen Lexika, die deshalb nicht eigens im Literaturverzeichnis aufgeführt werden, sondern für welche die bibliographischen Angaben durch das Abkürzungsverzeichnis erschlossen sind (RGG wird dabei nur nach der 3. Auflage, LThK nur nach der 2. - also der jeweils letzten - Auflage zitiert.). Neuere, inzwischen üblich gewordene bibliographische Siglen, die für Schwertner noch unbekannt waren, erhalten eine vollständige Auflösung im Literaturverzeichnis.

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Bibliographie

Gedruckte Quellen von Chyträus2 Deutsche Ausgaben der Historia Rostock 15761 = (schwarz:) (rot:) (schwarz:) (rot:) (schwarz:)

HISTORIA Der Augspurgischen Confession: Wie sie erstlich beratschlagt / verfasset / vnd Keiser Carolo V. vbergeben ist / sampt an= dem Religions handlungen / so sich dabey auff dem Reichstag zu Augspurg / Anno M.D.XXX. zugetragen durch (rot:) D. DAVIDEM CHYTRAEVM (schwarz:) zusammen geordnet [Druckersignet] (rot:) Rostock (schwarz:) Gedruckt durch Jacobum Lucium / Sieben= burger / Anno M.D.LXXVI. Bl. Ala-A4b; Ala-Nn7a = Bl. la-274b Ende auf Bl. 275a: Correktur, [Druckersignet] Gedruckt zu Rostock durch Jacobum Lucium. M.D.LXXVI. Wolfenbüttel HAB: S. 193a. 4° Heimst. Rostock UB: Fg 1042 VD 16, C 2603, Bd. 4, S. 250.

2

Hier werden nur die Signaturen der Exemplare aufgeführt, die ich selbst benutzt habe. In einigen Fällen waren es mehr als ein Exemplar. Zahlreiche weitere Fundnachweise lassen sich zusammenstellen aufgrund der Angaben in VD 16, WA.B 14 und Hammer, Melanchthonforschung.

Gedruckte Quellen von Chyträus

Rostock 15762 = HISTORIA Der Augspurgischen Confession: Wie sie erstlich berathschlagt / verfasset / vnd Keiser Carolo V. vbergeben ist / sampt an= dem Religions handlungen / so sich dabey auff dem Reichstag zu Augspurg / Anno M.D.XXX. zugetragen: durch D. DAVIDEM CHYTRAEVM (rot:) erstlich zusammen geordnet / vnd (schwarz:) newlich vermehret. [Druckersignet] Rostock (rot:) (schwarz:) Zum andern mal gedruckt / durch Jacobum Lucium / Anno M.D.LXXVI. Bl. )(la - )(4b; Ala-Eee4a = Bl. la-392b Am Ende: Gedruckt zu Rostock / durch Ja= cobum Lucium / Siebenburger Anno M.D.LXXVI.

(schwarz:) (rot:) (schwarz:) (rot:) (schwarz:)

München SB: 4° H. ref. 166 Rostock UB: Fg 1042a Rostock StA: 5461 VD 16, C 2604, Bd. 4, S. 250

Bibliographie

Frankfurt 1576 = (schwarz:) (rot:) (schwarz:) (rot:) (schwarz:)

HISTORIA Der Augspurgischen Confession: Wie sie erstlich berahtschlagt / verfasset / vnd Keiser Carolo V. vbergeben ist / sampt andern Reli= gions Handlungen / so sich dabey auff dem Reichs= tag zu Augspurg / Anno M.D.XXX. zu= getragen: Durch (rot:) D. DAVIDEM CHYTRAEVM (schwarz:) zusammen geordnet Sampt einem ordentlichen Register aller Handlung. [Holzschnitt mit dem Bildnis Karls V.] (rot:) Gedruckt zu Franckfurt am Mayn M.D.LXXVI. Bl. Ala-A4b; Ala-1 4b = Bl. la-264b Am Ende: Gedruckt zu Franckfurt am Mayn bey Georg Raben M.D.LXXVI. [Druckersignet] Erlangen UB: Thl. V, 65 182 VD 16, C 2602, Bd. 4, S. 250

Gedruckte Quellen von Chyträus

Rostock 1577 = (schwarz:) (rot:) (schwarz:) (rot:) (schwarz:)

HISTORIA Der Augspurgischen Confession: Wie sie erstlich berathschlagt / verfasset / vnd Keiser Carolo V. vbergeben ist / sampt an= dem Religions handlungen / so sich dabey auff dem Reichstag zu Augspurg / Anno M.D.XXX. zugetragen: durch D. DAVIDEM CHYTRAEVM (rot:) erstlich zusamen geordnet / vnd (schwarz:) newlich vermehret. [Druckersignet] Rostock (rot:) (schwarz:) Zum andern mal gedruckt / durch Jacobum Lucium / Anno M.D.LXXVII. Bl. )(la - )(4b; Ala-Eee4b = Bl. la-392b Am Ende: Gedruckt zu Rostock / durch Ja= cobum Lucium / Siebenburger. Anno M.D.LXXVII. Rostock UB: Fg 1042b Uppsala UB: 0. VI. 2 Wolfenbüttel HAB: S. 194. Heimst. 4° VD 16, C 2606, Bd. 4, S. 250.

200

Bibliographie

Frankfurt 1577 = (schwarz:) (rot:) (schwarz:) (rot:) (schwarz:)

HISTORIA Der Augspurgischen Confession: Wie sie erstlich berahtschlagt / verfasset / vnd Keiser Carolo V. vbergeben ist / sampt andern Reli= gions Handlungen / so sich dabey auff dem Reichs= tag zu Augspurg / Anno M.D.XXX. zu= getragen: Durch D. DAVIDEM CHYTRAEVM (rot:) erstlich zusammen geordnet / vnd neuw= (schwarz:) lieh vermehret. [Holzschnitt mit dem Bildnis Karls V.] Gedruckt zu Frankfurt am Mayn (rot:) M.D.LXXVII. (schwarz:) Bl. Ala-A4b; Ala-1 8b (ab 1 7b leer) = Bl. la-262b [fügt hinter Bl. 172 Bll. CLXXIII-CLXXVI und hinter Bl. 188 Bll. CLXXXIX-CCXXXIIII ein und ergänzt so den Text] Am Ende: Gedruckt zu Franckfurt am Mayn / bey Georg Raben [Druckersignet] M.D.LXXVII. München SB: 4° Melan. 8 VD 16, C 2605, Bd. 4, S. 250.

Gedruckte Quellen von Chyträus

201

Frankfurt 1580 = (schwarz:) (rot:) (schwarz:) (rot:) (schwarz:)

HISTORIA Der Augspurgischen Confession: Wie sie erstlich berahtschlagt / verfasset / vnd Keiser Carolo V. vbergeben ist / sampt andern Reli= gions Handlungen / so sich dabey auff dem Reichs= tag zu Augspurg / Anno M.D.XXX. zu= getragen: Durch D. DAVIDEM CHYTRAEVM (rot:) erstlich zusammen geordnet / vermehret / (schwarz:) vnd nun endtlich wiederumb durchsehen [Holzschnitt mit dem Bildnis Karls V.] (rot:) Gedruckt zu Franckfurt am Mayn M.D.LXXX. (schwarz:) Bl. )(la - )(4b; Ala-Bb6a = Bl. la-381b Am Ende: Gedruckt zu Frankfurt am Mayn / bey Georg Raben / in Verlegung Henning Groß vnd Niclas Bocken / beyder Burger vnd Buchhendler in Leiptzig. [Druckersignet] M.D.LXXX. Erlangen UB: Thl. V, 65a 183 Nürnberg LkA: 4° 1780 VD 16, C 2607, Bd. 4, S. 250.

202

Bibliographie

Ausführlicher Bericht = (rot:) (schwarz:) (rot:) (schwarz:) (rot:) (schwarz:)

Außfuhrlicher Bericht Von Der Augsburgischen CONFESSION Wie sie erstlich berathschlaget / verfasset vnd Keyser CAROLO V. vbergeben ist. Sampt andern Religionszhandlungen / so sich dar= bey auff dem Reichßtage zu Augsburg ANNO M.D.XXX. zugetragen. Von (rot:) D. Dauide Chytraeo, vor etlichen vie= (schwarz:) len Jahren erstlich zusammen geordnet / vermehret / vnd nun endlich widerumb durchsehen, (rot:) Zu Eißleben gedruckt / In Vorlegung Hen= (schwarz:) ningi Grossen / Buchhändlers zu Leipzig, (rot:) CVM PRIVILEGIO (schwarz:) Anno M.D.XCIX. Bl. ):(la - ):(4b; Ala-Cc2a = S. 1-774 Am Ende: Typis et Sumptibus Grosianis [Druckersignet] Gedruckt zu Eißleben / Durch Bartho= lomaeum Hornigk. Im Jahr / 1599 München SB: Η ref. 4, 165u Nürnberg StB: Solg. 1125, 4° VD 16, C 2609, Bd. 4, S. 251

Gedruckte Quellen von Chyträus

(rot:) (schwarz:) (rot:) (schwarz:) (rot:) (schwarz:)

203

Außfuhrlicher Bericht Von Der Augsburgischen CONFESSION Wie sie erstlich berathschlaget / verfasset / vnd Keyser CAROLO V. vbergeben ist. Sampt andern Religionszhandlungen / so sich dar= bey auff dem Reichßtage zu Augsburg ANNO M.D.XXX. zugetragen. Von (rot:) D. Dauide Chytraeo, vor etlichen vie= (schwarz:) len Jahren erstlich zusammen geordnet / vermehret / vnd nun endlich widerumb durchsehen, (rot:) Zu Eißleben gedruckt / In Vorlegung Hen= (schwarz:) ningi Grossen / Buchhändlers zu Leipzig, (rot:) CVM PRIVILEGIO. (schwarz:) Anno M.D.XCIX. Bl. ):(la - ):(4b; Ala-Cc2a = S. 1-774 Am Ende: Typis et Sumptibus Grosianis [Druckersignet] Gedruckt zu Eißleben / Durch Bartho= lomaeum Hornigk. Im Jahr / 1600 [!] Wolfenbüttel HAB: S. 196. Heimst. 4° VD 16, C 2608, Bd. 4, S. 250

204

Bibliographie

Lateinische Ausgaben der Historia Historia (lat.) 1578 = HISTORIA AVGUSTANAE CONFESSIONIS, Continens SERIEM VARIARVM DELIBERATIONVM ET ACTORVM IN CAUSA RELIGIONIS, EO TEMPORE, QVO AVGVSTAE CONFESSIO FIDEI, QUAE ET IPSA INSERTA EST, CAROLO V. IMPER. A IOHANNE, ELECTORE SAXONIAE, ET CONIVNCTIS Principibus ac Ciuitatibus, primum exhibita est in Comitijs Anni M.D.XXX. CONTEXTA A D. DAVIDE CHYTRAEO, V. CL. SACROSANCTAE THEOLOGIAE IN ACADEmia Rostochiana Professore. [Druckersignet] FRANCOFORTI AD MOENVM, 1578. Bl. ):(la - ):(4b; Ala-x6a = S. 1-694 Am Ende: IMPRESSVM FRANCOFORTI AD MOENVM, APVD PAVLVM REFFELER, IMPENSIS SIGISMVNDI FEIRABEND [Druckersignet (wie auf dem Titelblatt)] M.D.LXXVIII. Erlangen UB: Thl. V, 65 M 87 Nürnberg LkA: Spit. D 2 4° Nürnberg StB: Theol. 51, 4° Theol. 1380, 4° Theol. 1305, 4° VD 16, C 2600, Bd. 4, S.250.

Gedruckte Quellen von Chyträus

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Historia (lat.) 1579 = HISTORIA AVGVSTANAE CONFESSIONIS, continens SERIEM VARIARVM DELIBERATIONVM ET ACTORVM IN CAVSA RELIGIONIS, EO TEMPORE, QVO AVGVSTAE CONFESSIO FIDEI, QVAE ET IPSA INSERTA EST, CAROLO V. IMP. A ΙΟHANNE, ELECTORE SAXONIAE, & coniunctis Principibus ac Ciuitatibus, primum exhibita est in Comitijs Anni M.D.XXX. CONTEXTA A DAVIDE CHYTRAEO, SACRAE THEOLOGIAE IN ACADEMIA Rostochiana Professore [Schmuckvignette] ANNO M.D.LXXIX Bl. ):(la - ):(4b; Ala-x6a = S. 1-694 Am Ende: IMPRESSVM FRANCOFORTI AD MOENVM, APVD PAVLVM REFFELER, IMPENSIS SIGISMVNDI FEIRABEND [Druckersignet (wie Historia 1578)] M.D.LXXVIII. [sie!] Halle, Hauptbibliothek der Franckeschen Stiftungen: 112 D 3 Uppsala UB: 51. V. 2

206

Bibliographie

Expositio = Dauidis Chytraei EXPOSITIO ACTORVM DE RELIGIONE IN COMITIIS ANNO M.D.XXX. Augustae celebratis: cum CONFESSIO QUAE AVGVstana inde nominatur: CAROLO V. IMP. AIOHANNE DVCE Saxoniae electore, & coniuratis principibus ac civitatibus, Primum exhibita est. [Druckersignet] Excusa Francofordiae ad Moenum, M.D.LXXXVII. Kiel UB: Ε 8441, 8° VD 16, C 2601, Bd. 4, S. 250

Gedruckte Quellen von Chyträus

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Französische Übersetzung HISTOIRE DE LA CONFESSION D' AUXPOVRG, CONTENANTE Les principauls Traittez & Ordonances, faittes pour la Religion, quand l'Electeur IEHAN, Due de Saxe auec les Citez & autres Princes Protestants presenterent leur CONFESSION DE FOY (icy inseree) a l'Empereur CHARLES V. es Estats generauls de Γ Empire, tenus a Auxpourg, 1530. RECVEVILLIE Par le D. David Chytreus, Professeur des S. lettres, en l'Vniversit6 de Rostoch, et nouuellement mise en Francais, par Luc le Cop. [Druckersignet] EN ANVERS Chez Arnould Coninx, M.D.LXXXII. 839 Seiten Rostock UB: Fg 1059 Würzburg UB: Horn 4920

208

Bibliographie

Sonstige Werke von Chyträus Chytraeus, Judicium = IVDICVM vnd Bedencken D. DAVIDIS CHYTRAEI vnd anderer Fürstlichen Mechelburgischen Theologen vber die Apologi des Concordibuchs anno etc. 1582. zu Erdfurt gestellt. [Schmuckvignette] Geschrieben Auß beuelch deß Hertzogen zu Mechelburg Getruckt zu Cracaw [= Krakow in Mecklenburg] / bei M. Melchior. 1584. Bl. Ala-D8b (D6a-D8b leer) = 58 gezählte Seiten. Nürnberg StB: Theol. 154 8° Wolfenbüttel HAB: 758. 7 Theol. (5)

Gedruckte Quellen von Chyträus Chytraei epistolae = DAVIDIS CHYTRAEI THEOLOGIAC HISTORICI EMINENTIS SIMI, ROSTOCHIANA IN ACADEMIA Professoris quondam Primarii EPISTOLAE; Ob miram rerum varietatem stylique elegantiam cuiuis lectu iucundissimae; Nunc demum in lucem editae A DAVIDE CHYTRAEO Authoris filio. [Druckersignet] HANOVIAE, Typis Wechelianis, apud haeredes Ionnis Aubrii M.DC.XIV. 1284 gez. S. Erlangen UB: Phi. IX, 108 Rostock StA: 7621 Rostock UB: Cq 1512 Cq 1512" Schwerin SA: 3125

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Bibliographie

Werke anderer Autoren des 16. Jahrhunderts Coelestin, Historia = HISTORIA COMITIORVM ANNO M.D.XXX. AVGVSTAE CELEBRATORVM, REPURGATAE DOCTRINAE OCCAsionem, praecipuas de religione deliberationibus, Consilia, Postulata, Responsa, pacis ac concordia media, Pompas, Epistolas, & tarn Pontificiorum quam Euangeliorum scripta pleraq; complectens: PER ANNOS IAM MVLTOS, MAGNIS SVMPTIBUS ET PERICVlosis peregrinationibus collecta, et in quatuor Tomos distributa, Per Georgium Coelestinum, S. Theol: Doct: & Ecclesiae Coloniensis in Marchia Praepositum. [Holzschnitt] Cum Gratia & Privilegio Imp: Francofordiae cis Viadrum, imprimebat IOHANNES EICHORN, M.D.LXXVII. Erlangen, UB: Thl. VI, 6

Werke anderer Autoren des 16. Jahrhunderts

Musäus, Weimarer Disputation = DISPVTATIO DE ORIGINALI PECCATO ET LIBERO ARBITRIO, INTER MATTHIAM Flacium Illyricum, & Victorinum Strigelium, publice Vinariae per integram hebdomadam, praesentibus Illustriss. Saxoniae Principibus, Anno 1560. initio mensis Augusti, contra Papistarum & Synergistarum corruptelas habita: Cum Praefatione, in qua & Disputationis huius utilitas, & editionis causae exponuntur. Cui succedunt Rationes, cur necessaria sit cognitio doctrinae & Disputationis de Libero arbitrio: & Discrimina uerae ac falsae sententiae. ACCESSERVNT eiusdem argumenti, et alia quaedam Diuersorum scripta, eiusdem Disputationis occasione, ac illustrandae ueritatis gratia composita: quorum alia quidem antea quoq; edita fuere, alia uero nüc primum in lucem prodeunt: Omnia triplo, quam antea edebantur, nunc auctiora, lectuq; dignißima, et nostro praesertim seculo an formandum rectius de praesentibus controuersiis iudicium utilißima cognitu. Anno Domini M.D.LXIII. Mense Martio. [Ohne Angabe von Ort und Drucker], 606 Seiten München SB: 4° Η Ref 261

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Bibliographie

Vita Davidis Chytraei = VITA DAVIDIS CHYTRAEI, THEOLOGI SVMMI, Historici eximij, Philosophi insignis, Viri optimi et integerrimi, Memoriae posteritatis, ORATIONIBVS ET CARMINIBVS Amicorum, justisque ENCOMIIS consecrata. [Druckervignette] ROSTOCHII Excusa apud Christophorum Reusnerum. Anno aerae Christianae M.D.CI. Bl. Ala-Cc2b Wolfenbüttel HAB: Q 151 Heimst. 4°

Werke anderer Autoren des 16. Jahrhunderts

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Wolf, Historia = (schwarz:) HISTORIA (rot:) Der Augspür= gischen Confession / Wie / (schwarz:) vnd in welchem verstand sie vorlängst von dero genossen vnnd verwandten im Artickel des Heiligen Abendmals / nach der Wittenbergischen Concordiformul Anno 36. ist angenommen / Auch wie sie seidhero sonst etlich mal in offent= liehen Religionshandlungen ist gemehrt vnd erklärt worden. Item / (rot:) ACTA CONCORDIAE Zwischen Herren Luthero vnd den Euange= (schwarz:) lischen Stätten in Schweiz im Jahr 38 vber der Wit= tenbergischen Concordiformul auffgerichtet. (rot:) Wider die PATRES BERGENSES vndd anderer (schwarz:) Vbiquitisten verfurischen betrug, (rot:) Durch M. Ambrosium Vvolfium, [= Pseudonym für Christoph Hardesheim (Herdesianus)] allen liebhabern der warheit (schwarz:) zum besten mit allem fleiß zusammen getragen / vnd auch im druck vbergeben. PSALM 94 Recht wird dannoch recht bleiben / vnd dem werden zufallen alle die frommes hertzen sein, (rot:) Gedruckt zu Newstatt an der Hardt / in der Fürstlichen (schwarz:) Pfaltz / durch Matthaeum Harnisch. 1580 Erlangen UB: Thl. VI, 35

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Bibliographie

Wolf, Fundamenta = FVNDAMENTA LVTHERANAE DOctrinae, de Vbiquitate, atque adeo de corporali praesentia corporis Christi in Eucharistie, AD ORTHODOXAE FIDEI normam expensam, & sub veritatis censuram reuocata. EX ORTHODOXO CONSENSV, Contra Patres Bergenses M. AMBROSIO WOLFIO Authore [= Pseudonym für Christoph Hardesheim (Herdesianus)] Pars Prima ECCLESIAST. 4. Non contradicas verbo Veritatis vllo modo, sed de mendacio ineruditionis tuae verecunderis. AVGVSTINVS ad quendam Donatistam. Quod in Cypriani scriptis diuinarum scripturarum authoritati congruit, cum laude ipsius accipio: quod autem huic non congruit, cum pace ipsius repudio. ANNO DOMINI M.D.LXXIX. [ohne Ort und Drucker] Mikrofiche-Edition, Leiden, Inter Documentation Company PBU - 597,1-3

Handschriftliche Quellen

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Handschriftliche Quellen3 Brief von David Chyträus an Johann Wigand, 10. Februar 1561 (Autograph) Berlin SBPK: Ms. Boruss. fol. 31, Bl. 84r-86r Verschiedene Briefe von und an Chyträus Berlin SBPK: Ms. Boruss. fol. 54 Brief von Joachim Westphal an David Chyträus, 29. Oktober 1573 (Autograph) Berlin SBPK: Ms. Boruss. fol. 201, Nr. 117 De Colloquio inter Dr. Jacobum Andreae et Theodorum Bezam Mompelgarti habito ad Davidem Chytraeum Doctoris Lucae Osiandri Narratio [1586] (Abschrift?) Erlangen UB: Briefsammlung Trew, Lucas Oslander (vgl. Schmidt-Herrling, Briefsammlung, S. 446) Brief von Petrus Monau an Christoph Herdesianus [=Hardesheim], (Autograph), 24. September 1578 Erlangen UB: Briefsammlung Trew, Petrus Monau, Nr. 67 (vgl. Schmidt-Herrling, Briefsammlung, S. 416f) Briefe von David Chyträus an Hartmann Beyer in Frankfurt Frankfurt StUB: Ms. Ff. H. Beyer A 56-68

3 Neben die Sammlung der nur handschriftlich erhaltenen Briefe von Chyträus müßte eine Liste der verstreut gedruckten Briefe von seiner Hand treten. Folgende Beispiele seien genannt: Brief an Heshusius, Rostock 25.7. 1561, in: Barton, Erbe, S. 126f (vgl. o. S. 137 mit Anm. 44); Schreiben der Fakultät an Herzog Ulrich vom 21.2. 1581, in: Cordshagen, Mecklenburg, S. 64f (vgl. o. S. 24, Anm. 94); Brief an Johann Marbach, 1568, in: Fecht, Marbach 2, S. 281-283; Brief an dens., 18. 7. 1574, in: Fecht, Marbach, 2, S. 498; Brief an Andreas Viritius, 1599, in: Lipsius, Bestendigkeit, Bl. A5a-A6b; Brief an Johann Wigand, 31. 1. 1561, in: Salig, Historie, S. 685f, Anm. m. Weitere ungedruckte Chyträus-Briefe, die wir kennen, die aber hier aus thematischen Gründen nicht ausgewertet wurden, finden sich in: Berlin SBPK; Göttingen SUB; Krakau, Bibliotheka Jagiellonska; Stuttgart, Württembergische Landesbibliothek. Ferneres Material in den Archiven von Rostock und Schwerin.

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Bibliographie

55 Briefe von David Chyträus an Martin Chemnitz, 1562-1578 (größtenteils Autographe) Göttingen SUB: 2° Cod. Ms. philos. 99, S. 627-810 (vgl. Handschriften in Göttingen 1, S. 200-203) Brief von Herzog Ulrich von Mecklenburg an die in Braunschweig versammelten Theologen, 19. Mai 1582, mit inliegendem Brief von Chyträus an Herzog Ulrich, 12. Mai 1582 (Schreiberschrift mit autograph. Unterschrift) Göttingen SUB: 2° Cod. Ms. theol. 250 II2 (Bd. 3), fol. 340r-343v (vgl. Handschriften in Göttingen 2, S. 450-457) Brief von Matthias Ritter aus Frankfurt an Martin Chemnitz in Braunschweig, 18.1.1578 Göttingen SUB: 2° Cod. Ms. philos. 90, S. 551 Briefe von David Chyträus an Matthias Ritter in Frankfurt [handschriftliche Kopien aus dem 18. Jahrhundert, vgl. dazu WA.B 14, S. 72f] Hamburg SUB: Sup. ep. 2, 114-135 Brief von David Chyträus an Nikolaus Seinecker in Leipzig (Autograph) 24. Oktober [ohne Jahr] Krakau, Biblioteka Jagiellonska: Autographensammlung Primus Liber Facultatis Theologiae Rostochiensis, continens varia scripta, iudicia, responsa, literas, testimonia, & alia negocia eiusdem facultatis ab anno Christi 1558 usque ad annum 1591 Rostock, Universitätsarchiv: I D I / 1558 Dem durchleuchtigen hochgebornen Fürsten und Herrn, Herrn Ulrichen Hertzogen zu Meckelnburg, Fürsten zu Wenden, Graven zu Schwerin, der Lande Rostock und Stargardt Herrn, meinem gnedigen Herrn, [von anderer Hand:] Der Teollogen bedencken auf die Nauenburgische handelung in Religions Sachen, anno 1561 [21. April] Schwerin, Staatsarchiv: 1 Β 23 / 05 Acta ecclesiasticarum et scolarum, generalia Nr. 1550 1566 D. David Chytraei Suppl. an Hertzog Ulrich zu Mecklenburg wegen Vergleichung der Religions Streitigkeiten, d.d. Rostock, den 19. Mart, ad Acta Herzog Christoffs zu Württemberg: [1.] Dem hochgebornnen fürsten, unserm freündtlichen lieben oheim und Schwägern, Herrn Ulrichen, Hertzogen zu Mecklenburg, Fürsten zu Wenden, Graven zu Schwerin, der lannd Rostock und Stargarde, Hern... [von anderer Hand: Schreyben von Hertzog Christoffen zu Wirtenberg

Handschriftliche Quellen

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Li teraturverzei chnis

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Personenregister

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Personenregister Aegidius von Plackery 67, 94, 100 Agricola, Johann 4 1 , 9 5 , 9 9 Albrecht von Mainz, Erzbischof 53f Amman, Matthäus 21 Amsdorf, Nikolaus 161 Andreae, Jakob 82, 129, 159-161, 163172, 174, 176-178, 183, 190f Argula von Stauffen 97 August, Kurfürst von Sachsen 112, 129, 160, 169f, 178, 181 Augustinus 173 Aurifaber, Johannes 42, 60, 118 Bacmeister, Lucas 12, 182 Balthasar, Jacob Heinrich 23 Barton, Peter 24, 112 Baumgart, Peter 96 Baumgartner, Hieronymus 95 Becker, Konrad siehe Pistorius Beyer, Hartmann 81-83, 114 Bindseil, Heinrich Ernst 101, 104, 107 Bock, Niclas 83 Braubach, Peter 104 Brenz, Johannes 1 1 , 5 2 , 6 5 , 7 8 , 1 0 3 Brück, Gregor 40, 47, 51, 69, 70f, 78, 106 Bucer, Martin 51, 67, 78-80, 106 Bullinger, Heinrich 126 Calvin, Johannes 126, 145, 147 Camerarius, Joachim 11, 56, 95, 100 Campeggio, Lorenzo 43, 54, 67, 69, 92f, 97 Capito, Wolfgang 78 Chemnitz, Martin 129, 138, 145, 150, 160, 163-171, 178, 181-183 Christoph, Herzog von Württemberg 132, 141, 154, 156f, 160 Christoph von Stadion 67, 92, 94 Chytraeus, Matthäus 11 Chyträus, Nathan 86 Cisner, Nikolaus 82 Clemens VII., Papst 33f, 48, 74 Cochläus, Johannes 36 Cölestin, Georg 19, 21, 24f, 28, 44f, 55, 59f, 81, 96, 98f, 115-119, 122, 164, 191 Cop, Luc le 32

Corner, Christoph 118, 169, 171 Corvinus, Antonius 105 Cyprian, Ernst Salomon 20, 148 Diestelmaier, Lambert 44 Dietrich, Veit 52, 99 Duditius, D. 128 Duplicius von Schepper, Cornelius 98 Ebel, Jobst 167 Eber, Paul 80 Eberhard, Caspar 22, 25, 41, 118 Eberhard von Lüttich, Bischof 94 Ebner, Erasmus 27, 55, 68, 95f, 118, 165 Ebner, Hieronymus 95 Eck, Johannes 36, 49, 58, 62, 93 Eitzen, Paul von 144, 151 Erasmus von Rotterdam 54, 84, 92, 94, 103-105 Fabricius, Andreas 55 Fabri, Johann 56 Ferdinand I. Kaiser 28, 40, 42f, 52, 70f, 75, 132, 141, 143, 145, 164 Feyerabend, Sigismund 31, 82f, 87 Flacius Illyricus, Matthias 32, 35, 52, 82, 93f, 99, 111, 131f, 134f, 137f, 144 Förstemann, Karl Eduard 33, 40, 42, 45, 47, 50, 59-62, 69f, lOlf Friedrich der Weise, Kurfürst von Sachsen 35 Friedrich III., Kurfürst von der Pfalz 41, 47, 55, 69f, 120, 126, 141-143, 153f, 156 Gallus, Nikolaus 146, 148 Georg Truchseß von Waldburg 67, 6 9 71, 92, 100 Georg von Anhalt 155 Georg von Brandenburg, Markgraf 40, 71, 100 Georg von Gera 90 Georg von Sachsen, Herzog 35, 58 Groß, Henning 83 Güldenstein, Nicolaus 114 Gustav Wasa, König 88, 114

232 Hadrian VI., Papst 58 Hägglund, Bengt 7, 90 Han, Weigand 82 Hardenberg, Albert 103, 126, 143-145, 15 lf Hardesheim, Christof 29, 80, 108, 115, 119,121-125,127-130,149,168,174, 178-180 Harnisch, Matthäus 121 Heinrich, Gerd 46 Heinrich, Herzog von Sachsen 77 Herdesianus siehe Hardesheim Hermann, Johann 128, 169, 171 Hermann von Wied, Erzbischof von Köln 101 Heshusius, Tilemann 112, 136-138, 141, 144, 150, 181, 191 Hofmann, Hans-Ulrich 56 Holzhuter, Thomas 174 Hon6e, Eugene 28, 59f, 69f, 100 Hunnius, Ägidius 171 Immenkötter, Herbert 27f, 54f, 59f, 62 Irenaus, Christoph 178 Isensee, Johann 174 Jenitz, Johann 44f Jeremias II., Patriarch von Konstantinopel 91 Joachim, Kurfürst zu Brandenburg 45, 57, 71f, 155 Jobin, Bernhard 5 Johann Albrecht von Mecklenburg, Herzog 131-133,135,148,153,156,165 Johann Casimir, Pfalzgraf 178 Johann Friedrich I., der Großmütige, von Sachsen 50 Johann Friedrich II., der Mittlere, Herzog von Sachsen 132, 134f, 142f Johann Georg von Brandenburg, Kurfürst 178f Johann III., König von Schweden 19, 31, 86-91, 109f, 114, 171, 177 Johann, Kurfürst von Sachsen 31, 34, 36^11, 43, 46, 48-51, 55-58, 63, 65, 67, 69, 71, lOOf, 112 Johann von Anhalt 155 Johann Wilhelm, Herzog von Sachsen 138-140 Jonas, Justus 14, 36, 51-53, 63, 68, 9 6 99

Register Judex, Matthias 142, 144, 147 Julius, Herzog von Braunschweig 164-166, 181, 184, 191

160,

Karl V., Kaiser 33f, 37-43, 47-51, 5 5 58, 60, 64, 6 9 - 7 1 , 7 3 - 7 5 , 83, 88f, 92f, 98, 100, 109 Kirchner, Timotheus 129, 178 Kittel, Johann 145, 150 Koch, Emst 7, 112, 159 Kolb, Robert 19 Krabbe, Otto 13, 16, 23, 86 Lang, Matthäus, Erzbischof von Salzburg 97 Leyser, Polycarp 145 Liebler, Georg 182 Loesche, Georg 24, 28 Lucius, Jakob 19 Ludwig von der Pfalz 82, 120 Luther, Martin 12, 14, 16, 22, 25f, 28f, 34-39, 41, 43, 46-54, 56f, 60, 63-68, 73-80, 83f, 91, 93-101, 105, 108, l l l f , 118, 122f, 125-129, 136f, 147, 152, 155, 163, 169, 171, 173, 176, 188f, 192 Mager, Inge 8, 160, 168, 225 Major, Georg 161 Mathesius, Johann 19 Matthaeus, Ericus 86 Maximilian II., Kaiser 16, 153f Melanchthon, Philipp l l f , 14, 16, 22, 26, 29, 34, 36-38, 48, 50-58, 63-67, 75, 77-79, 81, 83f, 92-101, 103-108, 110-113, 118, 121, 123, 125-128, 131f, 149, 163, 173, 176, 189f, 192 Mencel, Hieronymus 140 Michaelis, Basilius 174 Mörlin, Joachim 131, 138, 150 Monau, Jacob 85, 125-128, 131, 146, 169, 171, 189 Monau, Petrus 125 Müller, Gerhard 8, 60 Musäus, Simon 135 Musculus, Andreas 46, 118, 169, 171 Musculus, Paul 45f Naevius, Caspar 46 Nemorimontius, Gelmerus 170

27, 32, 54,

Personenregister

233

Neuser, Wilhelm H. 28, 44, 46, 101 Obsopoeus, Vincentius 95 Oekolampad, Johannes 107f Olearius, Johannes 129 Oporinus, Johannes 83 Oslander, Andreas 27, 56, 67 Paselicus, Caspar 172 Pauli, Simon 137, 151, 168, 182 Peucer, Kaspar 128 Pflug, Julius 105 Philipp von Hessen, Landgraf 38, 56f, 77f, 97, 123 Pimpinella, Vincenzo 41 Pistorius, Konrad 32, 124, 151 Planitz, Hans von 73 Poach, Andreas 42 Possevino, Antonio 29, 90f, 130 Praetorius, Paul 44, 96, 117f Rab, Georg 26, 82f Rabus, Ludwig 19 Reffeier, Paul 3 1 , 8 2 Reuter, Christoph 21, 164 Ritter, Matthias 31f, 81-89, llOf, 118f Rörer, Georg 48 Roselli, Lucio Paolo 93 Rottmaier, Georg 53 Rühel, Johann 53 Runge, Jakob 145 Rutze, Matthäus 170 Sabinus, Georg 57, 91 Salig, Christian August 148 Saliger, Johannes 159, 168 Scheible, Heinz 8, 106 Schirrmacher, Friedrich Wilhelm Schnepf, Erhard 11

58-60

Schweiß, Alexander 47 Seinecker, Nikolaus 19, 80, 124, 129, 169-171, 173, 178, 183 Sibylle von Cleve 50 Sigismund III., von Schweden 90 Sleidanus, Johannes 61, 68, 117 Spalatin, Georg 22, 36, 42, 44f, 47, 5 0 52, 60-63, 66f, 75, 99, 101, 118 Sparre, Erich 114 Spengler, Lazarus 68, 96, 111 Sternberg, Hans von 80, 108 Strigel, Viktorin 135, 137 Tetleben, Valentin von 47, 59 Theophilus, Nicolaus 174f Thüringer, Walter 24 Tiepolo, Niccolo 67, 92f Ulrich, Herzog von Mecklenburg 11, 16, 131, 142f, 145f, 151, 153-156, 160162, 170f, 174-177, 179, 181f, 184 Ulrich, Herzog von Württemberg 103 Ursinus, Zacharias 120 Veesenmeyer, Georg 23, 28 Vehus, Hieronymus 28, 60-62, 70f, 100 Venetus, Georg 145 Westphal, Joachim 160 Wigand, Johann 19, 142-144, 146-148, 153, 156, 160 Wischermann, Else M. 87 Witzendorff, Johann 42, 60 Wolf, Ambrosius siehe Hardesheim, Christof Zoch, Andreas 45 Zwingli, Ulrich 51, 77f, 93, 110, 113

234

Register

Ortsregister Anhalt 177 Ansbach 95 Antwerpen 32, 110, 170, 191 Augsburg 13-15, 35f, 38-41, 43, 45, 48f, 51f, 54-58, 62f, 65f, 71, 76-80, 83f, 87, 89, 92-95, 98-100, llOf, 113,115, 123, 126, 136, 141, 153f Bamberg 67 Barcelona 34 Basel 83 Bayern 39 Berge (Kloster) 121-124, 127, 129, 169171, 174, 183 Bergedorf 167 Berlin 115, 119, 164 Bologna 33f Brandenburg-Ansbach 179 Braunschweig 27, 131, 138, 143, 145, 150f, 161, 164f, 181f Braunschweig-Lüneburg 179 Braunschweig-Wolfenbüttel 159f, 179, 181, 184 Bremen 143, 145, 151 Breslau 125, 127f Coburg 35-37, 39, 41, 48f, 51f, 54, 56f, 63, 65f, 79f, 93, 95f, 111, 155 Coswig 131 Dänemark 172 Eisleben 30 Emden 145 Erfurt 154, 156, 178 Franken 182 Frankfurt am Main 25, 30-32, 81-83, 85-87, 104, 132 Frankfurt an der Oder 21 Freiburg 92 Genf 15, 145 Gotha 50 Güstrow 151, 170, 172, 179

Helmstedt 11, 165, 181-184, 191 Hessen 73, 177 Holstein 177 Ingelfingen 11 Ingolstadt 58 Jena 52, 134f, 144, 150, 160 Jüterbog 174f Kiel 87 Kurpfalz 159 Kursachsen 136, 164 Leipzig 83, 136 Lichtenburg 169 Lübeck 145, 151, 162, 166f Lüneburg 145, 150, 159, 162, 167 Lund 90 Magdeburg 35, 121, 145, 150, 170, 174, 179 Mainz 44f, 58 Marburg 77, 107 Mecklenburg 16, 20, 131, 142f, 152154, 161, 163f, 174, 179-181 Meißen 136 Menzingen 11 Mölln 145, 167 Naumburg 105, 141, 143, 145f, 149f, 176 Neustadt an der Weinstraße 120f, 125, 129, 174, 178f Niederlande 15 Niedersachsen 174 Nürnberg 27, 58, 67f, 94-96, 100, 119, 132 Österreich 11, 15, 20f, 39, 86, 109f, 117, 125, 160, 164f, 191 Pfalz 15, 120, 124, 154, 178f Pommern 177 Quedlinburg 184

Hamburg 82, 145, 150, 167 Heidelberg 120, 125, 127, 174f, 178, 181

Regensburg 46, 75, 148

Ortsregister

235

Rhein 182 Rom 90f Rostock 11,13, 16, 20, 30, 98,114,129140, 145, 160f, 167-170, 172-174, 176f, 179, 181-185

Torgau 169-171, 174 Tübingen 11, 164, 178

Sachsen 73, 134, 136, 142f, 159, 163, 169f, 178 Salzwedel 164f Schwabach 36 Schweden 89f, llOf, 114, 191 Siebenbürgen 191 Skandinavien 15, 114 Speyer 39, 57, 72, 75, 82, 107 Steiermark 115, 117, 164 Straßburg 5, 79, 106

Wartburg 35 Weimar 102, 135, 138, 143 Wismar 132, 170, 172 Wittenberg 11, 35, 52, 112, 128, 131, 136, 138, 141, 164, 173, 189 Witzenhausen 105 Wolfenbüttel 160, 164, 166 Worms 39, 42, 46, 48, 73, 105 Württemberg 167, 169, 179

Tangermiinde 174

Uppsala 91 Venedig 93

Zerbst 163 Zürich 123

236

Register

Sachregister Abendmahl 56, 61, 65f, 124, 126, 129, 133f, 143-147, 152, 154, 159f, 163f, 167f, 171, 173, 180 Abendmahlskonkordie 77f, 106,108,123, 144, 162 Abendmahlsstreit 78f, 97, 106-108, 121123, 127, 151, 154, 159 Acta concordiae 123, 125f Adel 8 0 , 1 0 9 , 1 1 1 Adiaphora 133-136, 147, 160, 162 Agende 20, 125, 164f Amtsverständnis 147 Archiv 102 Archivar 15, 113 Arzt 129 Augsburgische Konfession passim, besonders: 19-23, 43-19, 83f, 88f, 98, 110-114, 118, 121f, 124-127, 129f, 133-138, 142f, 147-149, 151f, 154, 156, 161, 165, 168, 170-172, 177, 187-190 - Apologie 27, 37, 48, 55, 71, 75, 92, lOOf, 117, 129, 133f, 136, 151, 172, 183 - Confutatio 27,48f, 54-58, 60, 70, 93, 103, 109, 118 - Variata 46, 147, 151 - Vorrede 36 Augsburger Religionsfrieden 1555 24, 75, 102, 107, llOf, 120f, 153, 157 Ausland 11, 16 Ausweisung 145 Autographen 116 Bannbulle 33 Beichte 61 Bekehrung 137, 139, 162, 168 Bekenntnisschriften 20, 103, 110, 160, 170, 187 Berater der Landesherren 16, 131, 153, 156, 160, 176 Bergedorfer Konvent 167 Bergisches Buch 122, 170-174, 183f Berufung 12, 125 Bibliographie 17, 23-26 Biographie 16, 23 Bischof, Bischöfe 43, 63, 67, 76, 93f, 105, 147

Brandenburgische Kirchen Ordnung

44,

118 Braunschweigischer Kreisabschied Briefe 52, 63, 67f, 92, 94, 96, 98f Buchbinder 71 Buchhändler 83, 104 Buße 103 Bündnis 34

152

Calvinismus 15, 29, 124f, 141, 145, 153f Catalogus testimoniorum 152, 183 Choral 34 Christologie 79, 107, 121, 127, 161, 163f, 176, 180 Clausula Petri 74 Confessio Wirtembergica 103, 113 Confessio Saxonica 103, 113, 121 Confessio Tetrapolitana 8 0 , 1 0 6 , 1 1 0 Corpus Doctrinae 44,103,125,133,150f, 159, 163f, 171, 188 Coswig-Wittenberger Konvent 131 Druck(e) 30-32, 55, 81 f, 85, 94, 96, 98, 149 Druckerei(en) 82f, 105 Druckersignet 87 Edikt 74, 103 Ehre Gottes 84 Einigungsbemühungen 20, 53, 56, 58, 67, 7Of, 74, 80, 89, 92, 94-96, 101, 106f, 114, 123, 131, 142, 155, 159, 161, 165f, 176, 178, 180, 188, 190 Einsetzungsworte (zum Abendmahl) 126, 146, 168 Epigonenkämpfe 112 Erbsünde 134f, 137-140 Erzbischof 53f, 58, 97f, 101 Evangelium 22, 33f, 39, 48, 133, 135, 162, 188 Eucharistie 65 Exorzismus 183 Flacianer 138, 161, 172, 178 Frankfurter Messe 25, 82, 85 Frankfurter Rezeß 121, 132-134, 148, 150, 160, 175f, 183, 189f Freier Wille 133-135, 138-141, 147,

Sachregister 160, 167, 169, 172 Frieden 56, 72, 161, 177 Fronleichnamsfest 39f Fürsten 42, 57,71, 133, 135 Gebot 54, 143 Gegenreformation 11, 110 Gegenwart Gottes 22, 107 Gehorsam, neuer 139 Gelehrte 109f Gelübde 62 Gesetz und Evangelium 137 Gewissen 50f, 146 Gewißheit 89 Glaube 22f, 39, 41 f, 49f, 88, 111, 120, 139, 146, 187 Glaubensbekenntnis 43, 48, 110, 120, 152, 156, 161f, 170, 187, 191 Gnesiolutheraner 112, 134, 138, 150, 161-163, 170, 190 Gottesdienst 120, 187 Gute Werke 133, 135, 160, 172 Gymnasium Casimirianum 120 Häresie 129 Handschriften 17, 25, 44^15, 60, 160 Heidelberger Abschied 175 Heidelberger Katechismus 120 Heilige Schrift 38, 58, 88, 133, 136, 140, 149, 188 Heiligenanrufung 61 Heiratsvertrag 50 Historiker 12, 14, 16, 41, 53, 112, 155, 157, 190 Hofprediger 41, 44 Humanisten 90, 95, 103f Hypokratischer Eid 129 Index 98, 110, 149 Interim 103, 134, 136, 155, 166 Jahrmarkt 50 Judicium 135, 139, 176 Jüngster Tag 177 Jüterboger Konvent 175 Jurisdiction (bischöfliche; päpstliche) 61, 64, 67, 76, 94f Jurist 119 Kaiser 33f, 37f, 40f, 49, 56, 60, 64, 69f, 72, 98, 100, 109

237 - Schirmherr der Kirche 42, 69, 153 Kanzlei 60 Kanzler 160 Katechismus Luthers 183 Katholizismus 15, 29, 34, 51, 53, 58f, 90, 104f, 110, 129, 132, 152, 187f Kirche(n) 33, 84, 105, 114, 139, 149, 190 Kirchengeschichtsschreibung 13, 15f, 19, 23, 39, 54, 65, 75, 91, 100, 109, 112f, 190, 193 Kirchenordnung 46f, 164 Kirchenpolitik 11 Kloster 6 4 , 7 0 Konfessionalisierung 12, 193 Konfessionskirchen 15, 193 Konfessionsverwandte 120f, 141, 146, 154, 159 Konkordienbuch 113, 121, 163, 172f, 176-178, 180, 183f, 191 - Apologie des Konkordienbuchs 129, 178-184 Konkordienformel 11, 16, 20, 68, 82, 113, 119f, 129, 134, 140f, 149, 152, 156f, 160, 166-172, 174, 177f, 182, 185, 189f - Vorrede 173-176, 183, 190 Konsekration 159, 168 Konversion 90 Konzil 64, 69f, 72, 103f, 142f Krieg 92 Kryptocalvinisten 108, 112f, 121, 126, 128, 141, 162-164, 171, 190 Kurfürst 39f, 49-51, 58, 70, 120, 142, 154,160 Kurie 94 Laien 111, 120 Laienkelch 58, 63f, 74, 155 Landesherr 35, 27, 38, 41, 49, 63, 65, 109, 131-133, 176f Landeskirche 121 Landeskirchentum 11, 114, 157 Legat 4 3 , 7 1 , 9 7 Lehen 50 Lehre 22, 33, 49, 61, 64, 78, 84, 88, 104, 125, 129, 133, 139, 147, 149f, 160, 178, 188 Lehrer 128, 151f Lehrnorm 162 Lehrstreit 84, 104, 107, 135, 150, 154

238 Lehrtätigkeit 11, 25, 98, 114 Lehrverurteilung siehe Verwerfung Liturgie 65 Lüneburger Artikel 150f, 159, 161f Lüneburger Mandat 149-153 Lutheraner 34, 51, 95, 103f, 132, 157, 160, 163, 166, 190 Lutherausgaben 14, 24-28, 35, 39, 47, 60, 74, 77, 91, 99, 112, 116, 123, 127 Lutherische Streitigkeiten 131,134f, 160, 178 Luthertum 29, 91, 120, 159, 171 Lutherzitate 171 Magister 11 Majorismus 161 Manducatio indignorum 146f Marburger Gespräch 38, 77, 107, 123 Maulbronner Gespräch 154, 169 Melanchthonforschung 26, 128 Menschensatzungen 54 Messe 61f, 66, 70, 142 - Messopfer 64f Mißbräuche 33, 43, 50, 61, 104 Möllner Konvent 167 Naumburg er Fürstentag 20, 121f, 141, 145, 148, 150, 160, 175f, 190 Nürnberger Religionsfriede 75 Oberdeutsche 106, 108, 110, 113, 117, 121 Obrigkeit 39 Ökumene, ökumenisch 85, 187 Osianderforschung 27 Osiandrismus 132, 161 Ostkirche 191 Papisten 73f, 133, 142, 147, 152, 162, 188 Papst 33f, 53, 58, 136, 147, 156 Particula exclusiva 58, 161 Passauer Vertrag 75 Pfarrer 11, 31, 81, 83, 105, 174 Polemik 24, 150 Politik 33, 68, 100 Predigt 37, 39f, 49, 166 Predigtverbot 37, 39, 41 Priesterehe 58, 61f, 155 Privatmesse 61, 64, 66 Privatschriften 22, 29, 126

Register Promotion 145, 148 Propst 115, 119 Protest 40 Protestanten 51, 56, 59f, 64, 69, 70, 132 Pseudonym 120 Quedlinburger Gespräch 184 Quellen 20f, 24f, 29, 31, 41, 44f, 60f, 92f, 96, 105, 109, 111, 117-119 Realpräsenz 77, 79, 107, 122f, 127, 147, 151, 168, 173 Rechtfertigung(slehre) 58, 61, 103, 133, 136, 147, 155, 160f, 172f Rede 97 Reformation 33, 160 Reformationsgeschichte 23, 102f, 111, 122 Reformator(en) 96, 109 Reformierte 119f, 178 Reformkatholizismus 90, 103 Rehabilitierung 170 Reichskammergericht 73 Reichskreistag 143 Reichsrecht 55, 120 Reichstag 40 - Augsburg 1530 13, 15, 19, 21, 34, 36-41, 48f, 51f, 68, 71, 73, 75-77, 89, 91, 94, 97, 100, 102, 116, 118f, 126, 141 - Augsburg 1566 153f, 156f - Nürnberg 1522 58 - Regensburg 1532 75, 103 - Regensburg 1541 155 - Speyer 1526 und 1529 39, 72, 107 - Worms 1521 33, 42, 73 Reichstagsabschied 7 0 , 7 2 f , 7 5 , 101-103, 117 Reichstagsakten 14 Reichsstände 59 Religion, alte 152, 188 Religionsfreiheit 120 Religionsgespräch(e) 46, 76, 109 - Marburg siehe Marburger Gespräch - Worms 46, 121, 132, 147 - Regensburg 46, 121 Sakramentierer 107, 145, 151f Saligerscher Abendmahlsstreit 159, 168 Schmalkaldener Konvent 103 Schmalkaldische Artikel 136, 147, 152

239

Sachregister Schmalkaldischer Krieg 75, 103 Schriftbeweis 56 Schwabacher Artikel 36 Schwäbische Konkordie 166-168 Schwäbisch-Sächsische Konkordie 166f, 169, 171 Sechserausschuß 64, 66, 95 Seelsorge 97, 112, 140 Sekte 69, 120-122, 133, 135, 143, 146, 152f, 162, 177 Sonderverhandlungen (auf dem Reichstag von Augsburg) 69, 78, 98, 100, 110, 136 Spätreformation 7, 12f, 193 Stemma 30 Stipendium 156 Streitigkeiten, innerlutherische 19, 151 Superintendent 153, 170, 172, 181 Symbol 80, 83f, llOf, 133, 166, 183, 187-190 Synergismus 137, 147, 173 Synode 151, 156, 175, 177, 181, 183185 Tangermünder Konvent 174 Taufbüchlein Luthers 183 Territorialgeschichte 24 Territorium 85, 136, 159 Teufel 51, 53 Textvergleich 24, 30 Theologe(n) 14f, 49, 51, 58, 93f, 99f, 103,109, 119, 135,138,151,157,172 Tischrede 48 Torgauer Konvent, Torgauer Buch 169f, 172, 183 Tradition 93 Transsubstantiationslehre 79, 122, 129, 142, 172f Traubüchlein Luthers 183

Tridentinum 75, 103, 110 Trost 22f, 29, 35, 38, 41, 49, 51, 85, 97-99, U l f , 137, 139f Türkenkrieg 41,43, 71f Ubiquitätslehre 121 f, 183 Übersetzung 3 2 , 5 4 , 5 7 , 6 1 , 6 3 Universität 12, 114, 134, 136f, 159, 165, 169, 192 Verantwortung 109 Vergewisserung 112 Verfolgung 111 Verleger 3 1 , 8 3 Verwerfung 133, 150, 161, 163, 173, 193 Vierzehnerausschuß 59, 63f Vision 57, 91 Vorwort 81, 83, 85, 87f, 105, 112 Weimarer Disputation 134f, 137, 162, 167 Weimarer Konfutationsbuch 134, 141 Westeuropa 110 Widerstand 74 Widmung 31, 80, 86f, 89, 114 Wiedergeburt 137, 139, 172 Wiedertäufer 70 Wismarer Abschied 168 Wittenberger Konkordie 79f, 113, 124 Wormser Edikt 3 9 , 4 2 , 4 8 Wort Gottes 22, 47, 53, 80, 88, 125, 127, 133, 137, 140, 143, 151, 169, 183 Zerbster Konvent 163 Zeremonien 61 Zweireichelehre 93 Zwinglianismus 93, 110, 154, 173

141, 138-

121-

107f, 146f,

Leif Grane

Die Confessio Augustana Einführung in die Hauptgedanken der lutherischen Reformation. Aus dem Dänischen von Eberhard Harbsmeier. (UTB 1400). 4., durchgesehene Auflage 1990. 196 Seiten, kartoniert. ISBN 3-8252-1400-1 Der Verfasser stellt die wichtigste evangelische Bekenntnisschrift in den Zusammenhang der reformationsgeschichtlichen Auseinandersetzungen und anderer zusammenfassender Bekenntnisäußerungen der Reformation. Vor allem geht es ihm darum, daß das Augsburger Bekenntnis im Zusammenhang mit Luthers ganzem theologischen Wirken verstanden wird. Damit wird eine solide historische Grundlage für das Verständnis der Confessio Augustana gelegt. Das Buch ist so angelegt, daß einer kurzen Einführung artikelweise die Übersetzung und ein eingehender Kommentar folgen.

Inge Mager

Die Konkordienformel im Fürstentum Braunschweig-Wolfenbüttel Entstehungsbeitrag - Rezeption - Geltung. (Studien zur Kirchengeschichte Niedersachsens, 33). 1993. 548 Seiten, 15 Abb., kartoniert. ISBN 3-525-55238-6 Die Untersuchung nimmt ihren Ausgang bei der Frage, ob die Konkordienformel von 1577 im Fürstentum Braunschweig-Wolfenbüttel, einem Territorium, dem sie wesentliche Etappen ihrer Entstehung verdankt, im 16. und 17. Jahrhundert als Lehrverpflichtung gegolten hat. Zur Klärung dieses bisher noch immer kontroversen Problems werden Genesis und Rezeption der letzten lutherischen Bekenntnisschrift in Niedersachsen überwiegend aufgrund der handschriftlichen Überlieferung nachgezeichnet.

V&R

Vandenhoeck &. Ruprecht