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CORPUS SCRIPTORUM CHRISTIANORUM ORIENTALIUM EDITUM CONSILIO
UNIVERSITATIS CATHOLICAE AMERICAE ET UNIVERSITATIS CATHOLICAE LOVANIENSIS Vol. 674
SCRIPTORES SYRI TOMUS 262
DIE BRIEFE 40 UND 41 DES OSTSYRISCHEN PATRIARCHEN TIMOTHEOS I. Übersetzung VON
Martin HEIMGARTNER
LOVANII IN AEDIBUS PEETERS 2019
DIE BRIEFE 40 UND 41 DES OSTSYRISCHEN PATRIARCHEN TIMOTHEOS I.
CORPUS SCRIPTORUM CHRISTIANORUM ORIENTALIUM EDITUM CONSILIO
UNIVERSITATIS CATHOLICAE AMERICAE ET UNIVERSITATIS CATHOLICAE LOVANIENSIS Vol. 674
SCRIPTORES SYRI TOMUS 262
DIE BRIEFE 40 UND 41 DES OSTSYRISCHEN PATRIARCHEN TIMOTHEOS I. Übersetzung VON
Martin HEIMGARTNER
LOVANII IN AEDIBUS PEETERS 2019
A catalogue record for this book is available from the Library of Congress. © 2019 by Corpus Scriptorum Christianorum Orientalium Tous droits de reproduction, de traduction ou d’adaptation, y compris les microfilms, de ce volume ou d’un autre de cette collection, réservés pour tous pays. ISSN 0070-0452 ISBN 978-90-429-3867-0 eISBN 978-90-429-3869-4 D/2019/0602/50 Éditions Peeters, Bondgenotenlaan 153, B-3000 Louvain
VORWORT Mit den vorliegenden Briefen 40 und 41 des ostsyrischen Patriarchen Timotheos werden nochmals zwei nahezu unbekannte Texte veröffentlicht. Brief 40 wird hier sozusagen erstmals publiziert; bisher lag er nur in Form ungedruckter oder nicht wahrgenommener Editionen vor. Brief 41 erscheint hier erstmals in kritischer Edition und erstmals mit Übersetzung in eine moderne Sprache; bisher war er nur in photomechanischer Wiedergabe einer Handschrift mit der lateinischen Übersetzung von Raphael Bidawid aus dem Jahr 1956 zugänglich. Die Sekundärliteratur zu diesen Briefen ist gering. Dabei handelt es sich bei den vorliegenden beiden Briefen um bedeutende Texte: In Brief 40 schildert Timotheos ein Religionsgespräch, das er mit einem muslimischen Aristoteliker am Bagdader Kalifenhof führte. Der Text ist nicht nur ein wichtiger Zeuge für die frühe theologische Auseinandersetzung des Christentums mit dem Islam, sondern auch für die Vermittlung der aristotelischen Logik an die arabische Welt. Brief 41 an die Mönche des Klosters Mār Mārōn enthält die geschlossenste Gesamtdarstellung der Theologie des Timotheos in seinem gesamten erhaltenen Schrifttum und ist ein wichtiges Dokument für die Frühgeschichte der maronitischen Kirche. Diese beiden Briefe bilden den zweiten Teil eines Forschungsprojektes zu den Briefen 34–41, das der Schweizerische Nationalfonds zur Förderung der Forschung zu meiner grossen Freude bewilligt hat. Mir bleibt zu danken: Der Schweizerische Nationalfonds hat das vorliegende Editions- und Übersetzungsprojekt finanziert. Meine hochgeschätzte Chefin und Fachkollegin Prof. Dr. Silke-Petra Bergjan, Zürich, hat die Mühen des Projektantrages auf sich genommen. Herrn Dr. Grigory Kessel, Wien, danke ich für Handschriftenkopien aus Trichur und Bagdad sowie ihm wie auch Herrn Dr. Vittorio Berti, Padova, für Kopien von schwer zugänglichen Büchern. Herr Mag. theol. Joachim Jakob, Salzburg, hat meine Edition und Übersetzung von Brief 40 eingehend studiert und mir wertvolle Beobachtungen, Anregungen und Korrekturen zukommen lassen. Herr Dr. Samuel Zinsli, Zürich, hat mich beim Korrekturlesen in altbewährter Manier unterstützt. Frau Prof. Dr. Andrea Schmidt, Louvain-la-Neuve, sowie ihrer Assistentin Frau Dr. Laurence Tuerlinckx danke ich für die erneute Aufnahme in die Reihe Corpus Scriptorum Christianorum Orientalium und die ebenso altbewährte sorgfältige Behandlung des Manuskripts bei der Drucklegung. Schöfflisdorf, den 12. September 2018
Martin Heimgartner
VORBEMERKUNG Über die Art der Zitation von Quellen und Sekundärliteratur gibt die Einleitung zum Literaturverzeichnis Auskunft. Für syrische Wörter wird folgende Umschrift verwendet: a (resp. ’) b g d h w z ḥ ṭ y k l m n s ‘ p ṣ q r š t; der Unterschied zwischen harter oder weicher Aussprache der begadkepat-Buchstaben bleibt unberücksichtigt. Arabische und persische Wörter werden mit dem Transliterationssystem des 19. Internationalen Orientalistenkongresses von 1935 wiedergegeben. Gebräuchliche Orts- und Personennamen werden in der (resp. einer) uns geläufigen Form wiedergegeben (so Bagdad statt Baġdād und Sergios statt Sargīs). Bei der Schreibung moderner Eigennamen sind Inkonsequenzen unvermeidlich, ebenso bei Ortsnamen, von denen mehrere Schreibweisen belegt sind, sowie bei der syrischen Schreibweise persischer und arabischer Wörter.
EINLEITUNG 1. Zum Inhalt
der
Briefe 40
und
41
Brief 401 schildert ein Religionsgespräch, das der ostsyrische Patriarch Timotheos mit einem muslimischen Aristoteliker führte. Er bildet zusammen mit den Briefen 34–36 und der Disputation mit dem Kalifen al-Mahdī ein Corpus von fünf Schriften zur Thematik Christentum und Islam, das im gesamten Christentum bis zu Timotheos sowohl der Art als auch dem Umfang nach seinesgleichen sucht.2 Darüber hinaus ist Brief 40 auch für den Aristotelismus des 8. Jahrhunderts und die Vermittlung der aristotelischen Logik an die arabische Welt ein einmaliger Zeuge und lässt Bezüge zur islamischen Theologie des späten 8. Jahrhunderts erkennen. Dabei besticht der Text weniger durch seine eigentlichen logischen Qualitäten als vielmehr durch seine rhetorischen Techniken und Kniffe. Er gibt damit Einblick, wie die Topika des Aristoteles, mit deren Übersetzung Kalif al-Mahdī Timotheos betraut hatte (vgl. ep 43,1), in der Praxis des Streitgesprächs Anwendung fanden. Es geht dabei nicht so sehr darum, wer Recht hat und die Wahrheit vertritt, sondern vielmehr darum, wer geschickter argumentiert. Dabei wendet Timotheos auch die gesamte Palette von falschen Schlussformen an, wie sie Aristoteles im 9. Buch der Topika — den sogenannten Sophistischen Widerlegungen — beschreibt. Nur wer diese Tricks kennt und durchschaut, kann sich gegen die oft falsche und hinterlistige Argumentation des Patriarchen wehren. Aristoteles selbst hat in Top 8 Richtlinien zur fairen Beurteilung eines Streitgesprächs gegeben. Timotheos verletzt diese Regeln immer wieder, und sein Gesprächspartner hat offenbar nicht das nötige Rüstzeug, um die falschen Argumente als solche zu entlarven. Es scheint aber, dass der Empfänger von Brief 40 Timotheos für seine Argumentation getadelt hat, wie eine Bemerkung in disp 1,11 andeutet. Sergios war ein früherer Schulkollege des Timotheos in der Schule von Abraham bar Dāšandād und zur damaligen Zeit Priester und Lehrer in Mossul.3 Anspielungen in anderen Briefen (ep 8a und 46) 1 Brief 40 ist der fünftlängste Brief des Timotheos, vgl. dazu Heimgartner, CSCO 645, S. XXII–XXIII Anm. 79. 2 So schon Heimgartner, CSCO 662, S. V. Die fünf Schriften sind allerdings nicht als Gesamtcorpus konzipiert. 3 Vgl. dazu auch die Inscriptio von Brief 40.
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zeigen, dass Sergios in der Logik sehr gebildet war. Er hat auch die Zweite Analytik des Aristoteles im griechischen Original gelesen, wie die Antwort des Patriarchen auf eine Anfrage des Sergios zu einem griechischen Wort in der Zweiten Analytik zeigt (ep 48). Diese kritisierten logischen Strategien zeigen Timotheos in einer Abwehrhaltung gegenüber dem Islam. Er rechtfertigt sie als Verteidigung in der bedrohlichen Situation der Christen seiner Zeit, denn mit dem Kreuz des Christus habe die Lüge zwar einen scheinbaren Sieg und die Wahrheit eine scheinbare Niederlage erlitten, aber letztlich werde die Wahrheit siegen und die Lüge unterliegen, weil es »nichts Stärkeres als die Wahrheit gibt« (40,1)4. Timotheos vertritt dabei ein erkenntnistheoretisches Konzept, in dem Gott der Sinneswahrnehmung und der intellektuellen Vernunfterkenntnis entzogen ist und daher auch von menschlichen Aussagen und mit solchen gebildeten syllogistischen Beweisen nicht erfasst werden kann (40,2). Wie er allerdings im Gespräch mit dem Aristoteliker das Potenzial der aristotelischen Logik für das Religionsgespräch entdeckt, nimmt er die Logik in sein Instrumentarium auf. Aristoteles selbst hat einen eristischen, einen peirastischen und einen wissenschaftlichen Gebrauch des Syllogismus unterschieden (Top 9,3 165b,8–11). Hier in Brief 40 finden wir das wohl drastischste Beispiel einer eristischen Syllogistik, die teilweise bereits in eine peirastischen übergeht. In der Disputation mit al-Mahdī sodann steht das Anliegen, überzeugen zu können, noch stärker im Vordergrund bis hin zur leise angedeuteten Hoffnung, der Kalif könnte sich dem Christentum zuwenden (disp 21,12). Brief 2 schliesslich ist das vielleicht eindrücklichste Beispiel einer streng wissenschaftlichen Syllogistik bei Timotheos. Dort wird Schritt um Schritt in syllogistischer Argumentation eine Definition der Seele erarbeitet, ausgehend von den vier wissenschaftlichen Fragen in 2 An 2,15, wie sie in den Isagogekommentaren der Neuplatoniker umgeformt worden sind6. Von ganz anderer Natur ist Brief 41.7 Er richtet sich an die Mönche des Klosters Mār Mārōn, das in der Forschung weitestgehend mit jenem Kloster in der Syria secunda identifiziert wird, aus dem im Laufe eines Das Zitat ep 40,1,1; zu dessen Herkunft vgl. unten Anm. 1 zur Stelle. 2 An 2,1 89b,24f: »Wir fragen nach vier [Punkten]: dass [etwas ist], warum [es ist], ob es ist, was es ist.« 6 So z. B. David (CAG 18,2, S. 1 Z. 14f): »dass man bei fast jedem Ding nach den folgenden vier Punkten fragen muss: ob es ist, was es ist, was für eines es ist und weswegen es ist«. 7 Brief 41 ist der zweitlängste Brief des Timotheos, vgl. dazu Heimgartner, CSCO 645, S. XXII–XXIII Anm. 79. 4 5
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komplizierten geschichtlichen Prozesses die maronitische Kirche hervorgegangen ist. Das vorliegende Schreiben des Patriarchen antwortet auf eine nicht erhaltene Bitte dieser Mönche, ihre Anliegen beim ‘Abbāsidenkalifen zu vertreten.8 Timotheos nutzt sein Antwortschreiben dazu, die ostsyrische Dogmatik insgesamt darzulegen und dabei die Punkte festzuhalten, welche für eine Glaubensgemeinschaft unabdingbar sind. Über den genaueren Ort des bis heute archäologisch nicht identifizierten Klosters9 erfährt man aus Brief 41 nur, dass es auf ehemals römischem Reichsgebiet liegt (41,10,3). Ferner bezieht sich Timotheos auf vorangegangene Kontakte der Mönche von Mār Mārōn mit dem Patriarchen Ṣlībāzekā (714–728). Vermutlich handelte es sich damals um ein ähnliches Anliegen des Klosters, das der Patriarch vor dem Kalifen vertreten sollte. Die Bedingungen sine qua non einer Glaubensgemeinschaft sind, wie Timotheos selbst am Schluss nochmals zusammenfasst (41,11,15), a) die ostsyrische Christologie der zwei Hypostasen (in meiner Übersetzung: »Individualitäten«) in der einen Person des Sohnseins (41,3–5), b) die Anerkennung Marias nicht nur als »Gottesgebärerin«, sondern auch als »Menschengebärerin« und damit gemäss ostsyrischer Tradition als »Christusgebärerin« (41,6–7), c) die Tilgung des Zusatzes »der du für uns gekreuzigt wurdest« aus dem Trishagion-Hymnus (41,8) und d) die Anerkennung von Nestorius von Konstantinopel, Diodor von Tarsos und Theodor von Mopsuestia einerseits und die Verwerfung von Kyrill von Alexandrien andererseits (41,10,7–22). Nicht eigens nennt er in diesem Resüme die Trinitätslehre, wohl weil sie bei seinen Adressaten unumstritten war; sie bildet aber nach der weitschweifigen Einleitung (41,1) den ersten Themenblock (41,2). Damit wird Brief 41 zu einer eigentlichen Gesamtdarstellung der Theologie des Timotheos, die geschlossenste, vollständigste und konzentrierteste in seinem gesamten erhaltenen Schrifttum überhaupt. 2. Zur Forschungsgeschichte von Brief 40 Die Forschungsgeschichte von Brief 40 ist eine merkwürdige Geschichte von nicht veröffentlichten oder wirkungslosen Arbeiten. Als um die Wende zum 20. Jahrhundert die Handschriften der Briefe des Timotheos auf das Interesse der Forscher stiessen und Oskar Braun (1862–1931) wie auch Mit Bidawid, Lettres, S. XXX, und Berti, Vita, S. XXX. Vgl. dazu Suermann, Gründungsgeschichte, S. 41–72 mit Zusammenfassung S. 70–
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Jérôme Labourt (1874–1957) je eine Edition der Briefe planten10, fand Brief 40 nur ganz beiläufig Erwähnung.11 Als Braun anschliessend tatsächlich seine Gesamtausgabe begann, zuerst mit Editionen einzelner Briefe, dann mit einem ersten Band, der alle Briefe 1–39 umfasste, war Brief 40 der erste Brief nach der Bandgrenze. Da Braun später sein Fachgebiet wechselte und das Projekt nicht weiter verfolgte, blieb Brief 40 vorerst unveröffentlicht.12 Raphael Bidawid (1922–2003), ab 1989 langjähriger Patriarch der Chaldäischen Kirche, hat mit seiner 1956 publizierten Monografie Les lettres du patriarche nestorien Timothée I ein jahrzehntelang gültiges Standardwerk zu Timotheos geschaffen. Seine Zusammenfassungen über den Inhalt sämtlicher Briefe13 war für die damals noch unpublizierten Texte die einzige Orientierungsmöglichkeit. Hier findet sich auch eine Zusammenfassung von Brief 40.14 Sie gliedert den Brief in drei Teile: Gotteserkenntnis, Gottes Wirken ad intra, Inkarnation. Den aristotelischen Philosophen möchte Bidawid mit dem Muslim ‘Abdallāh ibn Ismā‘īl al-Hāšimī identifizieren, den Disputationspartner in der arabischen Korrespondenz des Christen ‘Abd al-Masīḥ ibn Isḥāq al-Kindī.15 Bidawid scheint den Brief mehr als dogmatischen Traktat zu verstehen. Den aristotelischen Charakter des Textes und die Bezüge zur islamischen Theologie des 8. Jahrhunderts erfasst er nicht, er erkennt aber den literarischen Zusammenhang mit der Disputation mit dem Kalifen al-Mahdī, welche Timotheos in Brief 40,11,4 niederzuschreiben ankündigt.16 1981 hat Thomas R. Hurst seine Masterarbeit an der Catholic University of America in Washington Brief 40 gewidmet: Unter dem Titel Letter 40 of the Nestorian Patriarch Timothy I (727–823): an Edition and Translation hat er den Text erstmals syrisch mit englischer Übersetzung vorgelegt. Die Arbeit wurde nie publiziert und ist nicht leicht zu bewerten. Angesichts der enormen Schwierigkeiten des Textes kann der Mut von Hurst nur bewundert werden. Aus forschungsgeschichtlicher Perspektive 10 Braun, Katholikos, S. 152; Braun, Briefe (OrChr 3), S. 1; Labourt, Timotheo, S. X. 11 Braun, Katholikos, S. 151 (»Disputation«); Labourt, Timotheo, S. 34 (»saepe de philosophia et religione cum doctoribus musulmanis disputaverit«). 12 Vgl. dazu Heimgartner, CSCO 645, S. XIV–XV. 13 Bidawid, Lettres, S. 18–43. 14 Bidawid, Lettres, S. 32f. Es ist die viertlängste Zusammenfassung nach derjenigen von Brief 42 (S. 34f), der Disputation (gezählt als Brief 59, S. 42f) und von Brief 47 (S. 36f). 15 Ebenda, S. 32 Anm. 2. Dagegen Fiey, Chrétiens, S. 38 Anm. 44. 16 Bidawid, Lettres, S. 17f.
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ist durchaus zu bedauern, dass die Arbeit nie überarbeitet wurde und im Druck erschien. Der syrische Text erscheint hier als fotomechanische Wiedergabe der Handschrift Vatikan, Syrus Borgia 605 mit Angabe der Textvarianten der Handschrift Vatikan, Syrus Borgia 81 in Anmerkungen.17 Damit hatte Hurst die beiden nach der damals wie heute unzugänglichen Handschrift Bagdad, Chaldäisches Kloster 509 (damals Deir as-Sayyida 169) ältesten Textzeugen ausgewählt. Aufgrund der hervorragenden Lesbarkeit von Borgia 605 kann mit diesem Text gearbeitet werden, auch wenn keine Druckausgabe in eindeutig identifizierbaren Buchstaben vorliegt. Anschliessend folgt die englische Übersetzung.18 Trotz zahlreicher Fehler19 erschliesst sie doch den Text erstmals im Detail. Am meisten zu bedauern ist, dass Hurst die Kategorie der Relationalität20 nicht erfasst, das entsprechende wörtliche Zitat aus der Kategorienschrift nicht erkennt21 und sich stattdessen mit einer Interpretation des entsprechenden syrischen Ausdrucks im Sinne von »Eigentümlichkeit« behilft.22 Wenn auch der aristotelische Hintergrund des Textes weitgehend unbeachtet bleibt23, besteht doch der zentrale Gewinn der Arbeit darin, dass Hurst über die Darstellung von Bidawid hinaus erstmals auf die Bezüge zur islamischen Vorstellung der göttlichen Namen und Attribute hinweist.24 Mit Hursts Arbeit beginnt eine seltsame Sequenz von drei Arbeiten zu Brief 40 innerhalb von drei aufeinanderfolgenden Jahren. Manchmal liegen Themen einfach in der Luft. Im folgenden Jahr 1982 erschien in Indien eine syrische Druckausgabe der Briefe 3–41, welche Thoma Darmo, der Metropolit von Trichur, zu drucken begonnen hatte, die aber nach seinem Hurst, Letter 40, S. 10–39 (syrischer Text) und 40–47 (Anmerkungen). Ebenda, S. 48–94. 19 Gleich in den ersten Zeilen verwechselt Hurst »( ܚܘܒܬܐNiederlage«) mit ܚܘܒܐ (»Liebe«). So heisst es dann: »Just as the love of truth is an eternal victory, so also the love of the world is a false victory.« (ebenda, S. 48) Es müsste heissen: »Die Niederlage der Wahrheit ist ein Sieg auf ewig und der Sieg der Lüge eine Niederlage auf ewig.« (40,1,1) Eine Reihe solcher Fehler, die ich hier nicht aufliste, hätte sich bei einer gründlichen Überarbeitung ausmerzen lassen. 20 Das syrische ܗܠܝܢ ܕܠܘܬ ܡܕܡsteht ab 40,3,7 passim für das griechische τὰ πρός τι, vgl. πρός τι in Arist Kat 1b,26. 21 Kat 7b,15f in 40,3,7. 22 Ebenda, S. 57: »things that are proper to anything«. — Derselbe Fundamentalfehler begegnet auch zwei Jahre später in der Arbeit von Cheikho, dazu unten S. XV. 23 Siehe aber ebenda, S. 95 Anm. 9, zur aristotelischen Unterscheidung von Erstem und Zweitem Wesen. 24 Ebenda, S. 5 und S. 96 Anm. 11. Auch wenn Hurst die dreiteilige Gliederung des Textes von Bidawid übernimmt, so interpretiert er nun den zweiten Teil mit den islamischen Bezügen neu. 17 18
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Tod 1969 jahrelang liegengeblieben war. Darmo hatte dazu eine Handschrift aus der eigenen Metropolitanbibliothek benützt25 und sie anhand der Vorlagehandschrift Bagdad 509 durchgearbeitet.26 Damit handelt es sich im Grunde um eine eigentlich kritische Ausgabe, nur dass die Varianten nicht ausgewiesen und die verwendeten Handschriften nicht deklariert werden. Der Wert von Darmos Arbeit wird jedoch durch Fehler bei der Drucklegung verspielt, die im Bereich der Briefe 30–39 verheerend sind.27 In den Briefen 40 und 41 sind die Versehen weniger gravierend; allerdings sind die Seiten 269 und 270 im Druck irrtümlich vertauscht worden, und der Text bricht kurz vor Ende des Briefes mitten in 41,10,21 am Ende des 41. Faszikels ab. Bis zu dieser Stelle hatte Darmo die Drucklegung durchgeführt.28 Da die Ausgabe keine Übersetzung umfasst, ist sie kaum beachtet worden. Im Folgejahr 1983 wurde eine weitere Arbeit zu Brief 40 vorgelegt: Diesmal war es die Dissertation Dialectique sur le langage de Dieu von Hanna P. Jajou Cheikho an der päpstlichen Universität San Tommaso d’Aquino in Rom. Auch diese Arbeit blieb leider ungedruckt. Sie hat ganz hohe philologische Qualitäten. Sie basiert ebenfalls auf der photomechanisch wiedergegebenen Handschrift Vatikan, Syrus 605, bietet aber unten auf jeder Seite einen handschriftlich zugesetzten Apparat, der nicht nur wie Hurst die Lesarten der Handschrift Vatikan, Syrus Borgia 81 bietet, sondern auch die einer Reihe irakischer Handschriften, nämlich Bagdad 509 und Bagdad 512 sowie Karemless 39. Damit verwendet er nicht nur die älteste erhaltene Handschrift, welche auch die direkte oder indirekte Vorlage der übrigen Handschriften ist, sondern auch Abschriften aus beiden Zweigen der Rezensionen.29 Eine so breite Handschriftenbasis hatte nie zuvor jemand bei einer Timotheosedition berücksichtigt.30 Seine Angaben zu den verwendeten Handschriften beruhen auf Autopsie und sind daher grundlegend.31 Die französische Übersetzung ist angesichts der immensen Schwierigkeiten des Textes eine bewundernswürdige Leistung. Nämlich Trichur 10, siehe dazu im Editionsband S. XXVI–XXVIII. Dabei folgt die Druckausgabe praktisch durchgehend den Korrekturen Darmos (in meiner Edition als T2 bezeichnet). 27 Vgl. dazu Heimgartner, CSCO 661, S. XXVI–XXVII. 28 Für die Details siehe in der Einleitung des Editionsbandes S. XXVIII. 29 Zu den Rezensionen vgl. im Editionsband S. XXIV–XXV sowie Heimgartner, CSCO 661, S. XX–XXI. 30 Auch Brauns Edition der Briefe 1–39 beruht nur auf zwei Handschriften: dem Codex Chabot und der Handschrift Vatikan, Syrus Borgia 81. 31 Ich selbst habe sie immer wieder mit Gewinn beigezogen. 25 26
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Eine Reihe von Versehen betreffen Dinge, wie sie jedem Erstübersetzer unterlaufen können.32 Das Hauptdefizit seiner Arbeit besteht wie bei Hurst darin, dass er die fundamentale Bedeutung der Kategorie der Relation nicht erkennt und die Ausdrücke an den betreffenden Stellen ebenfalls als Proprietäten interpretiert.33 Für seine anschliessende ausführliche Interpretation des Textes zieht er eine Fülle von patristischen und philosophischen Schriften bis hin zu Theodor Adorno bei, die aber insgesamt erratisch bleiben, weil auch ihm die entscheidenden Bezüge zur Kategorienschrift, darunter auf die Zentralstelle zur Gleichzeitigkeit der Relationen in 7b,15f, verborgen geblieben sind. Trotz mancher Mängel wäre eine Publikation dieser Arbeit im Druck von unschätzbarem Wert gewesen und hätte die Arbeit an diesem Text entscheidend vorangebracht. Cheikho hält Brief 40 mit Berufung auf Bidawid für authentisch34, erwägt aber aufgrund der unausgeglichenen Form35 die Möglichkeit, dass Timotheos die letzten Fragen des Gesprächspartner später ergänzt hat.36 Damit ergab sich für Brief 40 eine geradezu groteske Situation: Er lag nun einerseits in einer Druckausgabe vor, die niemand zur Kenntnis nahm, weil sie keine Übersetzung umfasste, und andererseits existierte er in englischer beziehungsweise französischer Übersetzung in zwei Dissertationen, die niemand zur Kenntnis nahm, weil beide unpubliziert blieben. Nur wenige Forscher haben den Weg zu den ungedruckten Arbeiten in den entsprechenden Archiven gefunden. Der erste war der oben genannte Thomas Hurst. Nach seiner Magister arbeit über Brief 40 hat er sich in seiner Dissertation an der Catholic University of America erneut dem Patriarchen Timotheos gewidmet. Die ebenfalls ungedruckte Arbeit aus dem Jahr 1986 über The Syriac Letters of Timothy I (727–823) geht auch auf Brief 40 ein und skizziert dessen Inhalt.37 Dazu verwendet er neben seiner eigenen Magisterarbeit auch die Dissertation von Cheikho, aus der er allerdings nur die Diskussion um die Authentizität des Textes aufgreift.38 Mit Cheikho spricht er sich für die Echtheit des Textes aus und hält gegen Cheikho auch den Schlussteil 32 So übersetzt Cheikho (Langage, S. 241f) etwa das Wort »( ܝܬܝܪܬܐüberflüssig«) passim mit »meilleur« o. ä., vgl. dazu Anm. 149 zu 40,6,26. 33 Siehe dazu unten Anm. 63 zu 40,3,7. 34 Cheikho, Langage, S. 54–56. 35 Cheikho (Langage, S. 183): »un tout construit«. 36 Cheikho, Langage, S. 182f. 37 Hurst, Letters, S. 32–43. 38 Hurst, Letters, S. 32–35.
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des Briefes für ursprünglich. Die von Cheikho vorgebrachten Unterschiede zur Disputation mit al-Mahdī erklärt er damit, dass letztere eine eher populäre Polemik und Apologetik gegen den Islam darstelle, Brief 40 hingegen ein mehr gelehrter, wissenschaftlicher Traktat sei.39 Bei der Gliederung des Textes in drei Teile erweitert er den von Bidawid vorgegebenen Raster: Der erste Teil40 umfasst eine philosophische Diskussion über die Möglichkeiten und Grenzen menschlicher Gotteserkenntnis einerseits sowie die Gottesprädikate und göttlichen Namen andererseits, wo Timotheos mit einer »gedanklichen Falle«41 zum zweiten Thema überleitet, der Trinität. Hier42 geht Timotheos zuerst von den Gottesattributen »sehend«, »erkennend« und »hörend« aus, räumt dann muslimische Bedenken gegen die Vorstellung eines göttlichen Zeugens und Hervorbringens aus dem Weg und entwickelt schliesslich ein begriffliches Modell einer Differenzierung in »Wesen« und »Art und Beschaffenheit«, das zur Terminologie der drei Hypostasen (in meiner eigenen Übersetzung: Individualitäten) führt. Das Ganze wird mit Schriftbelegen aus Bibel und Koran untermauert. Der dritte Teil43 widmet sich der Frage der Inkarnation und schliesst die Frage nach der Verehrung des Mensch gewordenen Gottes, der Kreuzigung und der Kreuzesverehrung ein, ebenso die Frage, weshalb Christus selbst gebetet habe. Hurst arbeitet heraus, dass dieser Brief wie auch andere Texte von Timotheos dazu dient, den Christen für die Diskussion mit Muslimen Argumente bereitzustellen.44 In weiteren Teilen seiner thematisch gegliederten Arbeit zieht Hurst Brief 40 ebenfalls bei. Die ungedruckten Arbeiten von Hurst haben 2007 und 2009 erstmals eine breitere Beachtung gefunden durch zwei Aufsätze, die Sidney H. Griffith mit ausdrücklicher Bezugnahme auf die Arbeiten seines ehemaligen Doktoranden Hurst und anderer schrieb.45 Der erste trägt den Titel The Syriac letters of Patriarch Timothy I and the birth of Christian kalām in the Mu῾tazilite milieu of Baghdad and Baṣrah in early Islamic times. Der Aufsatz erzählt den Inhalt des Textes nach und stellt die These auf, Timotheos demontiere in Brief 40 die vorgetäuschten Aristoteleskenntnisse des muslimischen Höflings und verteidige zugleich die Glaubwürdigkeit des Hurst, Letters, S. 34f. Hurst, Letters, S. 35–38. 41 Hurst, Letters, S. 37: »intellectual trap«. 42 Hurst, Letters, S. 38–41. 43 Hurst, Letters, S. 41–43. 44 Hurst, Letters, S. 31. 45 Griffith, Letters, S. 105: »relying heavily on previous studies by other scholars«. 39 40
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Christentums gegen die Angriffe der damaligen Mutakallimūn.46 Nach Griffith erinnert Timotheos seinen Gesprächspartner an der Kernstelle 40,3,6f47 daran, dass sie eine aristotelische Untersuchung und nicht eine Übung in theoretischer arabischer Grammatik vornehmen würden.48 Hier handelt es sich aber genau um die Stelle, wo der muslimische Aristoteliker die Kategorienschrift (7b,15f) zitiert, was bereits Hurst und Cheikho nicht erkannt hatten. Die Behauptung, der Gesprächspartner sei »a befuddled mutakallim«49, der keine Ahnung von Aristoteles habe, überzeugt nicht, weil Griffith selbst die Bezüge zu Aristoteles nicht erkennt. Richtig ist freilich, dass thematische Bezüge zur Theologie der Mu‘tazila sichtbar sind — die Fragen nach Gottes Einzigkeit (tawḥīd), nach Gottes Namen und Attributen, nach den Anthropomorphismen in der Schrift —, für die Griffith pauschal auf die späteren Autoren Abū l-Huḏail al-῾Allāf und al-Māturīdī im 9. resp. 10. Jahrhundert verweist.50 Noch Hurst hatte in seiner Dissertation auch die Bezüge des entstehenden islamischen kalām zur griechischen Tradition betont51. Griffith hingegen lässt diese unbeachtet und sieht das Christentum einseitig von der Diskussionskultur des kalām beeinflusst, sodass er im Titel seines Beitrags programmatisch von der »Geburt des christlichen kalām im mu‘tazilitischen Umfeld von Bagdad und Baṣra« spricht, ohne aber Belege für die Zeit des Timotheos selbst vorzubringen. Der zweite Aufsatz von 2009 mit dem Titel Patriarch Timothy I and an Aristotelian at the Caliph’s Court ist eine erweiterte und leicht veränderte Fassung des Abschnittes über Brief 40 im vorher genannten Aufsatz. Hier ist Griffith etwas offener gegenüber griechischen Einflüssen und arbeitet die thematischen Parallelen zur mu‘tazilitischen Theologie noch etwas deutlicher heraus. Das Gesamturteil über die angeblich fehlenden Aristoteleskenntnisse des muslimischen Gesprächspartners wird nahezu wörtlich übernommen.52 46 »Patriarch Timothy’s Letter XL to Sergius about his encounter with the unnamed devotee of Aristotle at the caliph’s court is an ingenious composition which for the eyes of his Christian reader in one stroke both deconstructs the intellectual pretensions of the Muslim courtier who affects the knowledge of Aristotle and defends the credibility of Christian teaching against the counter claims of the Muslim mutakallimūn of his day.« (Griffith, Letters, S. 113) 47 Griffith zitiert sie nach der Pagination von Handschrift W als »MS Vat. 605, f. 221v, ll 3-4« (Letters, S. 110 Anm. 35). 48 Griffith, Letters, S. 110. 49 Griffith, Letters, S. 114. 50 Griffith, Letters, S. 114. 51 Hurst, Letters, S. 52. 52 Griffith, Patriarch, S. 48 ganz unten.
XVIII
M. HEIMGARTNER
Der Überblicksartikel To Sergius, Letter 40 von Barbara Roggema im ersten Band des Handbuchs Christian-Muslim Relations: A Bibliographical History53 von 2009 basiert auf den Arbeiten von Cheikho, Darmo und Hurst sowie auf den beiden Artikeln von Griffith. Er fasst den Inhalt des Briefes in aller Knappheit präzis zusammen, klammert aber die Frage nach den Bezügen zu Aristoteles aus. Nur knapp wird Brief 40 in der grossen Timotheos-Monografie von Vittorio Berti gestreift. Die erweiterte Druckfassung seiner Doktorarbeit erschien 2009 unter dem Titel: Vita e studi di Timoteo I (†823) patriarca cristiano di Baghdad: Ricerche sull’epistolario e sulle fonti contigue. Wie das Vorgängerwerk von Bidawid, das damit abgelöst wird, geht die Arbeit detailliert auf die Datierung der Briefe ein. Brief 40 wird hier noch präziser richtig auf die Jahre 782–785 datiert.54 Ferner zieht Berti den Anfang des Gesprächs mit dem Aristoteliker zur Illustration des intellektuellen Klimas im damaligen Bagdad bei.55 3. Zur Forschungsgeschichte von Brief 41 Die Forschungsgeschichte von Brief 41 ist eng mit dem Bekanntwerden des Briefcorpus des Timotheos im Westen verknüpft. Es war Joseph David (1829–1890), seit 1863 Chorbischof der Chaldäischen Kirche, der 1869 auf Geheiss von Kardinal Alessandro Barnabò, dem Präfekten der Propaganda, eine erste Handschrift der Timotheosbriefe nach Rom brachte, wo er am 1. Vatikanischen Konzil teilnahm. Diese Handschrift, heute als Vaticanus Syrus Borgia 81 in der Biblioteca Apostolica Vaticana aufbewahrt, befand sich damals in der Bibliothek der Propaganda unter der Signatur XXVII.56 Die Leitung der Propaganda war es auch, die David zur Abfassung einer Schrift anregte, die 1870 unter dem Titel Antiqua Ecclesiae Syro-Chaldaicae traditio circa Petri Apostoli ejusque successorum Romanorum Pontificum divinum Primatum erschien. Hier wertete er reichhaltiges syrisches Quellenmaterial über den Petrusprimat aus, welches Roggema, Sergius, S. 519–522. Berti, Vita, S. 57 und 61. Allerdings wird die Begründung dafür auf S. 57 nicht ausdrücklich genannt. Sie ergibt sich aus den Bezügen zur Disputation (= Brief 59), deren Neudatierung Berti auf S. 58 mit Bezug auf meine damals noch ungedruckte Habilitationsschrift vornimmt (zur Datierung der Disputation jetzt Heimgartner, CSCO 632, S. XXXI– XXXIII). 55 Berti, Vita, S. 171f mit italienischer Übersetzung von ep 40,2,1–4. 56 Vgl. etwa David, Traditio, S. 35 Anm. 1 und S. 96 Anm. 1 (auf S. 64 in Anm. 1 steht irrtümlich XXVIII statt XXVII). 53 54
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auch teilweise in einem Anhang57 syrisch und arabisch zitiert wurde. Zu diesen Stücken gehören einige wenige, aber zentrale Stellen aus Brief 41 von Timotheos, laut dem die Mönche um eine Union mit der ostsyrischen Kirche gebeten hätten.58 Unter Verweis auf 41,10,3–5 legt David dar, dass die christlichen Kaiser verschiedentlich Änderungen im Glauben vorgenommen hätten, denen sich die Kirche jeweils gefügt habe, während die Nestorianer im Orient den Glauben unverfälscht bewahrt hätten.59 Damit liess sich gut die überlegene Rechtgläubigkeit der Chaldäischen Kirche belegen. Zwei weitere Stellen sind von weitreichender dogmatischer Relevanz: Die Zusammenfassung in 41,11,15 zeige die Punkte auf, welche die Mönche in Mār Mārōn im Falle einer Kirchengemeinschaft mit den Ostsyrern einzuhalten hätten.60 In 41,4,7 wende sich Timotheos gegen die Vorstellung des Dyotheletismus, dass nämlich der Wille des Gottessohnes in zwei einander widersprechende Willen aufgespalten sei.61 Die dunkle Redensart in 41,4,1262 deutet David als Anspielung auf die Verurteilung des Monotheletismus auf dem 6. Ökumenischen Konzil von 680/81.63 All dies verwendet David neben weiteren Materialien für die von ihm in einem Anhang vertretene These, die Maroniten hätten in ihrer Frühzeit den Monotheletismus vertreten: Timotheos tadle den Dyotheletismus in 41,4,7.12 so scharf, dass er zweifellos den Monotheletismus ebenfalls unter den Bedingungen für eine Kirchengemeinschaft in 41,11,15 genannt hätte, wenn die Mönche von Mār Mārōn nicht mit seiner Position übereingestimmt hätten.64 Mit dieser These griff David zutiefst das Selbstverständnis der maronitischen Kirche an, welche seit der Renaissancezeit den Glaubenssatz ihrer »immerwährenden Orthodoxie« und damit ihrer Übereinstimmung mit der Römisch-Katholischen Kirche vertrat.65 Die folgende jahrelange Als S. 1–40 (lateinisch und syrisch nummeriert) rückläufig zuhinterst eingebunden. David, Traditio, S. 96 Anm. 1 (»unionem cum ipsius ecclesia petentes«). 59 David, Traditio, S. 35. Hier verweist er nur auf die entsprechende Stelle in der Handschrift der Briefe. Auf S. 64 zitiert er 41,10,3 auf Lateinisch. 60 David (Traditio, S. 96 Anm. 1) zitiert 41,11,15 auf Lateinisch. 61 David zitiert die Stelle 41,4,7.12 (verkürzt) in Traditio, S. 96 Anm. 1, auf Lateinisch; im Anhang S. 38 (unter Punkt )גגגgibt er auch den syrischen Text an. Es ist die einzige Stelle aus Brief 41, die auch auf Syrisch angegeben ist. 62 Vgl. dazu auch ep 35,8,10. 63 Dabei ist Davids Übersetzung recht frei. Zudem liest er »( ܗܢܐdies«) statt des in allen Handschriften eindeutig bezeugten »( ܗܘܢܐGedanke«). — Der Interpretation von David folgt Moosa, Maronites, S. 213. 64 David, Traditio, S. 96 Anm. 1. 65 Vgl. dazu Suermann, Gründungsgeschichte, S. 3–5 und 13f. 57 58
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heftige Kontroverse begann der Maronit Joseph Elias Debs (1833–1907), ab 1872 Erzbischof von Beirut, mit seiner zweisprachigen arabisch-lateinischen Summa confutationum contra assertiones sacerdotis Josephi David vom Jahre 1871; die lateinische Fassung stammte von Nematallah Dahdah, ab 1872 maronitischer Erzbischof von Damaskus. 1896 erschien eine französische Fassung unter dem Titel Perpétuelle orthodoxie des Maronites, übersetzt von Th. Vazeux. Debs’ Hauptthese lautet: »la nation maronite a toujours été catholique, et n’a jamais été souillée par aucune séparation d’avec la Sainte Église Romaine«.66 Hier focht Debs auch das Zeugnis des Timotheos an67, indem er die Authentiziät von Brief 41, einem wichtigen Element von Davids Argumentation, in Frage stellte. Der Text könne, so Debs, nicht von Timotheos sein, weil das Kloster von Mār Mārōn bereits 694 von den Soldaten Kaiser Justinian II. Rhinotmetos’ zerstört worden sei und somit zur Zeit von Timotheos’ Patriarchat seit über einem Jahrhundert in Trümmern gelegen habe.68 Debs’ Gegner Joseph David wurde schliesslich 1877 zu einer Retractatio gedrängt, in der er eingesteht, sich geirrt zu haben. Sie ist im Anhang der französischen Fassung von Debs’ Schrift abgedruckt.69 Allerdings hatte David schon 1873 in einer unpublizierten Gegenschrift die Argumente von Debs widerlegt, indem er aufzeigte, dass die Zerstörung von Mār Mārōn 694 legendarisch ist und erstmals im 17. Jahrhundert auftaucht.70 Diese arabische Schrift ist erst 1908 postum erschienen unter dem Titel Kitāb ǧāmi‘ al ḥuǧāǧ ar-rāḥina fī ibṭāl da‘āwi al-Mawārina mit dem französischen Paralleltitel Recueil de documents et de preuves contre la prétendue Orthodoxie perpetuelle des Maronites. Was Oskar Braun betrifft, gilt dasselbe, was oben zu Brief 40 gesagt wurde: Wie dieser fällt auch Brief 41 hinter die Grenze des ersten und einzigen erschienenen Bandes von Brauns Timotheos-Gesamtausgabe. In seiner Überblicksdarstellung Der Katholikos Timotheos I und seine Briefe von 1901 hat Braun Brief 41 zwar katalogisiert, aber mehr als die Briefüberschrift mit den Adressaten erfahren wir hier nicht.71
Debs, Orthodoxie, S. 18. Debs, Orthodoxie, S. 61–71. 68 Debs, Orthodoxie, S. 69. 69 Debs, Orthodoxie, S. 265f. 70 David, Recueil, S. 199–213 (die Angaben nach Bidawid, Lettres, S. 53). Zu weiteren Dokumenten, welche die Existenz von Mār Mārōn im 8. Jahrhundert bestätigen, vgl. Bidawid, Lettres, S. 53f. 71 Braun, Katholikos, S. 151. 66 67
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Anders ist dies bei Jérôme Labourt. Im Zusammenhang mit seiner Doktorarbeit De Timotheo I Nestorianorum Patriarcha (728–823) et Christianorum orientalium condicione sub Chaliphis Abbasidis plante er, wie schon erwähnt, ebenfalls eine Gesamtausgabe.72 In dieser ersten Monografie zu Timotheos wertet er Brief 41 an mehreren Stellen aus und zitiert auch bisher unbekannte Stellen in lateinischer Übersetzung. Dabei verwendete er die Handschrift von Joseph David, welche mittlerweile im Museo Borgia aufbewahrt wurde.73 Die Äusserung gegen den Dyotheletismus wird auch hier als Beleg für den Monotheletismus der Maroniten gewertet. Labourt referiert dabei kurz die Ablehnung der Quaternität in 41,4,1–4 und zitiert danach 41,4,5–774 und die Liste der zwingenden Glaubensinhalte in 41,11,15.75 Im Zusammenhang mit der Missionstätigkeit des Timotheos erwähnt er die Äusserungen zu Naǧrān (41,11,13) und Indien (41,8,16) und zitiert die Stellen über die Bekehrung der Türken (41,11,11) und über die allgemeine Verbreitung des Trishagion-Hymnus ohne Zusatz (Ausschnitt aus 41,8,16). François Nau hat 1904 in einem Artikel über Maronites, Mazonites et Maranites bestritten, dass es sich bei den Adressaten von Timotheos’ Brief 41 um die Mönche des Zentralklosters des maronitischen Klosterverbandes handelt.76 Vom soeben erwähnten Jérôme Labourt erhielt er weitere Informationen über den Text, und die Inscriptio publizierte er sogar auf Syrisch mit französischer Übersetzung.77 Besonderes Gewicht legte er dabei auf das Wort ܡܛܠܬܐ78 (»Dach«, »Schutz«, »Zelt«), das er als »Zelt« interpretierte und das selbst im grossen Lexikon von PayneSmith nirgends »Kloster« heisse.79 Da sich gemäss Labourts Angaben in Brief 41 kein Hinweis auf den Libanon finde und zudem kein weiterer Brief des Timotheos nach Syrien gehe, handle es sich bei »Mār Mārōn« in Brief 41 eher um einen Araber in Mesopotamien, wie sowohl der häufige arabische Name Mārūn oder Marwān als auch die im Corpus benachbarten Briefe nach Elam und Mossul nahelegten.80 Labourt, Timotheo, S. X. Und zwar unter der Signatur K VI 3. Heute ist die Handschrift in der Vatikanischen Bibliothek katalogisiert als Borgia syrus 81, vgl. dazu Cersoy, Manuscrits, S. 365–368, und Heimgartner, CSCO 645, S. XI mit Anm. 12. 74 Labourt, Timotheo, S. 18; von 41,4,5 wird nur der Schluss zitiert. 75 Labourt, Timotheo, S. 18f. 76 Nau, Maronites, S. 273–276. 77 Nau, Maronites, S. 274. 78 Im Text ܕܒܡܛܠܬܗ. 79 Nau, Maronites, S. 274. 80 Nau, Maronites, S. 275. Das Argument ist allerdings nicht stichhaltig. Labourt hatte übersehen, dass das Kloster gemäss ep 41,10,3 auf ehemals byzantinischem Reichsgebiet liegt. 72 73
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Damit wurden die von Joseph David 1870 sowie die von Jérôme Labourt und François Nau 1904 publizierten Textstückchen zu wichtigen Bausteinen in der regen Diskussion über die Frühzeit der maronitischen Kirche, welche nun einsetzte.81 Dabei wurde auch die Lage des bis heute archäologisch nicht fassbaren Klosters diskutiert82; gegen Nau gehen aber alle davon aus, dass das Kloster in Brief 41 mit dem Hauptkloster des damaligen maronitischen Klosterverbandes identisch ist.83 Es war erst Raphael Bidawid, der Brief 41 1956 vollständig erschloss. Seine Schrift Les lettres du patriarche nestorien Timothée I stellt sich insbesondere die Datierung der Briefe zur Aufgabe, und da Brief 41 zu den präzis datierbaren Briefen gehört, war dieser Text ein Schlüsseltext seiner Arbeit. Bidawid hat sich nun aber nicht darauf beschränkt, den entsprechenden Passus in 41,11,11 zu untersuchen, sondern hat den gesamten Brief 41 ins Lateinische übersetzt84 und eine fotomechanische Wiedergabe einer Abschrift des syrischen Textes im Anhang seiner Monografie beigefügt.85 Den Inhalt des Briefes hat er nicht umfassend ausgewertet, sondern nur verschiedentlich für seine Untersuchung beigezogen.86 Bidawid versteht die dem Brief vorangegangene Anfrage der Mönche nicht als Bitte um Aufnahme in die ostsyrische Kirche, sondern als Bitte um Vertretung ihrer Anliegen beim Kalifen.87 Damit war Brief 41 fortan zwar in Urtext und Übersetzung zugänglich, aber beides war mit Schwierigkeiten verbunden: Beim syrischen Text handelte es sich um eine Abschrift, die 1951 auf der Basis der alten Synodalhandschrift (heute Bagdad 509) erstellt wurde.88 Sie weist einen ausgesprochen schönen und sehr regelmässigen Schriftduktus auf, aber dem Schreiber sind ausgesprochen viele Fehler unterlaufen. Zudem ist die etwas barocke Schnörkeligkeit der Schrift nicht 81 Siehe dazu Suermann, Gründungsgeschichte, insbesondere S. 22–39 (Forschungsgeschichte ab 1900) und S. 283–289 (Zusammenfassung von Suermanns Ergebnissen). 82 Siehe dazu oben Anm. 9. 83 Labourt, Timotheo, S. 18; Gribomont, Documents, S. 118; Moosa, Maronites, S. 212 (mit detaillierter Inhaltsangabe von Brief 41 auf S. 212–215 und Ablehnung der These von Nau auf S. 216); Suermann, Gründungsgeschichte, S. 247; Berti, Vita, S. 67. 84 Bidawid, Lettres, S. 91–125. 85 Bidawid, Lettres, S. ( ܡܙ–ܐrückläufig am Ende des Buches eingebunden). 86 So verwendet er etwa die Väterliste aus ep 41,10,8 (Bidawid, Lettres, S. 86; ebenso auch Tisserant in seinem Vorwort zu Bidawids Monografie ebenda, S. VII). 87 Bidawid, Lettres, S. 33. 88 Die Abschrift wurde vom Mönch Samuel Chauridze aus dem Dorf Tellazequipa nach der alten Vorlage im Kloster Deir-as-Sayyida erstellt und am 8. Dezember 1951 abgeschlossen. Die Angaben bei Bidawid, Lettres, S. 125; Weiteres dazu im Editionsband S. XXXII.
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besonders übersichtlich und lässt sich erst mit einer gewissen Übung leichter lesen. Die lateinische Übersetzung ist von einem ausgesprochen hohen philologischen Niveau. Bidawid ist im 20. Jahrhundert nach Braun89 wohl der beste Kenner von Timotheos’ Sprache. Man spürt, dass er für seine Zusammenfassung aller Briefe das Corpus vollständig auf Syrisch in den Handschriften durchgelesen hat. Da seine Übersetzung von Brief 41 auf Lateinisch und nicht in einer modernen Sprache abgefasst ist, hat sie nur wenig Beachtung gefunden; meist haben sich Forscher auf einige wenige Kernstellen beschränkt, zu denen insbesondere auch die längst eifrig diskutierten Stückchen zählen, welche David, Labourt und Nau publiziert hatten. Ähnliches gilt auch für die bereits oben erwähnte Edition der Briefe 3– 41 von Thoma Darmo. Der Text bricht in 41,10,21 ab, wo Darmos Druck des Textes endet.90 Sie umfasst keine Übersetzung und wurde kaum rezipiert. Im Gegensatz zu der bei Bidawid wiedergegeben Handschrift von Samuel Chauridze handelt es sich hier aber um eine Druckausgabe von Brief 41 — der bisher ersten. In einem Aufsatz Die oströmische Staatskirche und die Christenheit des Perserreiches von 1973 bezieht Wolfgang Hage auch die Stellen aus Brief 41 ein, wo sich Timotheos zur unterschiedlichen Religionspolitik im Römischen Reich und im Kalifat äussert.91 In einem weiteren, vielbeachteten Aufsatz Kalifenthron und Patriarchenstuhl: Zum Verhältnis von Staat und Kirche im Mittelalter von 2001 kontextualisiert er die entsprechenden Stellen aus Brief 41 zu einem Gesamtbild der abbasidischen Religionspolitik.92 Auch die knappen Äusserungen über die Kirchenprovinzen (41,8,16) und die Bemerkung über die Bekehrung des »Königs der Türken« (41,11,11f) werden — zusammen mit anderen Stellen in den Briefen des Timotheos — regelmässig in Arbeiten zur Asienmission berücksichtigt, so etwa in den Aufsätzen Timotheos und die Asienmission von Harald Suermann93 aus dem Jahr 2004 und Cristiani sulle vie dell’Asia tra VIII e IX secolo. Ideologia e politica missionaria di Timotheo I, patriarca siro-orientale (780–823) von Vittorio Berti94, erschienen im Jahr 2006. Zur Würdigung von Braun vgl. Heimgartner, CSCO 662, S. XXVIII. Für die Details siehe in der Einleitung des Editionsbandes S. XXVII. 91 Hage, Staatskirche, S. 185 (ep 41,2f). 92 Hage, Kalifenthron, S. 3 (ep 41,10,2f) und 16f (ep 41,10,5f). 93 Suermann, Asienmission, S. 195 und 196. 94 Berti, Cristiani, S. 121 und 123. 89 90
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In seiner grossen Timotheos-Monografie Vita e studi di Timoteo I († 823) patriarca cristiano di Baghdad von 2009 zeigt Berti anhand der Briefe 41 und 26 das Konzept auf, welches Timotheos zur Integration der anderen Konfessionen in die ostsyrische Kirche entwickelte: »La prospettiva del Cattolico prevedeva l’ingresso di questi gruppi entro la chiesa dell’Est, in un rapporto di subordinazione, secondo un modello di tutela garantito dal riconosciuto e stimato patriarca siro-orientale. Questa, almeno, è la linea chiaramente espressa nella lettera 41 ai monaci di Mar Maron, del 793.«95 Damit gelingt es Berti sehr überzeugend, die Ansätze von Joseph David und Raphael Bidawid zu verbinden: Die Bitte der Mönche, Timotheos möge die Anliegen des Klosters gegenüber dem Kalifen vertreten — so die Interpretation von Bidawid —, wird von Timotheos zu einer Gesamtdarstellung der ostsyrischen Dogmatik genutzt, welche die Bedingungen der erbetenen Kirchenunion — so die Interpretation von David — festhält.96 Feinsinnig zeigt Berti, wie Timotheos den logisch-wissenschaftlichen Charakter seiner Darstellung und die gemeinsam anerkannte Glaubensgrundlage betont.97 Dabei hält Timotheos die Unabhängigkeit der orientalischen Christenheit von der dogmatischen Willkür der römischen Kaiser fest und klärt, dass seine Kirche nicht etwa von Nestorius gegründet worden sei, auch wenn die »Feinde der Wahrheit« sie mit dem Namen des Nestorius bezeichnen würden.98 So stellt Timotheos seine eigene Kirche dar »come cardine di una evangelizazzione complessiva dell’Asia e i suoi regni barbari sotto la tutela dei sovrani musulmani«99, wobei er auch auf die Bekehrung der Türken verweist, welche 13 Jahre zuvor stattgefunden habe. In Brief 26 betont Timotheos noch stärker, dass das, was die Kirchen eint, mehr ist als das, was sie trennt.100 Der wohl grundlegendste dogmengeschichtliche Beitrag zu Brief 41 stammt von der Altmeisterin Luise Abramowski und ist leider noch nicht publiziert. Er steht unter dem Titel Christus im Fleisch, der Gott über allem ist und soll im sechsten Band (dereinst wohl Band 2/5) von Alois Grillmeiers Monumentalwerk Jesus der Christus im Glauben der Kirche erscheinen, das nun von Theresia Hainthaler betreut wird.101 Der Titel des Berti, Vita, S. 183. Ebenda mit Zitat von 41,10,1 in italienischer Übersetzung. 97 »Non per via di un magistero ex cathedra, ma per via argomentativa« (ebenda). 98 Berti, Vita, S. 184 mit Zitat von 41,10,22 in italienischer Übersetzung. 99 Ebenda. 100 »Ciò che unisce però, a ben guardare, è più di ciò che divide« (Berti, Vita, S. 185). 101 Die Angaben bei Hainthaler, Christus, S. 195f. Abramowski selbst hat diese zentrale Bedeutung von Röm 9,5 unterstrichen, als sie diesen Beitrag 2002 ankündigte, 95 96
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Beitrags bezieht sich auf das von Abramowski als zentral erachtete Zitat Röm 9,5 nach der Peschitta, welches den Text durchzieht.102 Generell würdigt sie die Christologie des Timotheos als eine eigenständige Weiterentwicklung der von Nestorius und Babai geprägten ostsyrischen Theologie unter Einbezug der griechischen Väter.103 Der grundlegendste gedruckte dogmengeschichtliche Beitrag zu Brief 41 stammt von Theresia Hainthaler und erschien 2013. Der Titel lehnt sich bewusst an denjenigen des genannten Beitrages von Abramowski an: Christus im Fleisch, der Gott über allem ist (Röm 9,5) — Katholikos Timotheos I. (780–823) und sein Brief an die Mönche von Mar Maron.104 Hainthaler stellt den Inhalt des Briefes sehr klar und präzis dar und arbeitet dabei die theologischen Konturen heraus, insbesondere Trinitätslehre, Christologie und Mariologie, dazu die Ausführungen zum Trishagionzusatz und zur Position des Timotheos gegenüber Nestorius. Viele wichtige Stellen sind übersetzt oder in Anlehnung an den genauen Wortlaut paraphrasiert. Hilfreich für das Verständnis von Brief 41 sind zwei zentrale Passagen aus Brief 26, auf welche Hainthaler ebenfalls eingeht: die »in der Alten Kirche völlig singuläre Pentarchie-Theorie« und die Positionierung der ostsyrischen Kirche gegenüber den anderen beiden grossen Kirchen.105 Timotheos definiert dort die Differenzen wie folgt: »Denn unser Streit, den wir miteinander [haben], bezieht sich auf die Art und Weise der Vereinigung und auf nichts anderes.« (ep 26,21)106 Hainthaler meint dazu: »Eine so klare und eindeutige Benennung des Streitpunkts kenne ich sonst kaum.«107 und zwar in ihrem Kapitel Aus dem Streit um das »Unus ex trinitate passus est«: Der Protest des Ḥabib gegen die Epistula dogmatica des Philoxenus an die Mönche, publiziert in Grillmeier/Hainthaler, Jesus, Bd. 2/3, S. 577 Anm. 26. 102 Vgl. zu den Stellen unten Anm. 2 zur Inscriptio von Brief 41. 103 So nach dem Referat von Hainthaler, Christus, S. 198. 104 Zum Bezug auf Abramowski Hainthaler, Christus, S. 196. — Eine englische Fassung des Artikels erschien 2014 in der Zeitschrift The Harp. Dabei handelt es sich nur um eine Rohfassung des Vortrages, den Hainthaler im September 2010 auf der 10th Syriac Conference in Kottayam (Indien) vortrug. In der englischen Fassung fehlen insbesondere die Ausführungen zu Brief 26 (Hainthaler, Christus, S. 198f) und zu Brief 41,7–9 (Hainthaler, Christus, S. 204, vgl. dazu die englische Fassung Hainthaler, Christ, S. 91). Nur die deutsche Fassung kann als Referenztext dienen. 105 Hainthaler, Christus, S. 198f, das Zitat S. 198. 106 Ich zitiere nach meiner im Entstehen begriffenen Edition und Übersetzung. Die Übersetzung von Hainthaler an der betreffenden Stelle (Christus, S. 198) lautet: »Wir streiten miteinander über die Weise und die Qualität der Einung und über nichts anderes.« 107 Hainthaler, Christus, S. 198.
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4. Zur Datierung der Briefe 40
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Einziger Anhaltspunkt für die Datierung von Brief 40 ist der Verweis auf die Disputation mit dem Kalifen al-Mahdī und die Ankündigung des Berichts darüber in 40,11,4. Ich selbst habe in meiner Edition der Disputation mit dem Kalifen al-Mahdī diese auf die Jahre 782–785 datiert. Berti hat den richtigen Schluss gezogen, dass diese Periode auch für Brief 40 zutrifft, allerdings ohne dies präzis zu begründen. Die präzise Argumentation lautet wie folgt: Da am Schluss von Brief 40 bereits auf einen weiteren Bericht über die Disputation mit dem Kalifen verwiesen wird, dürfte die Disputation mit dem muslimischen Aristoteliker wohl vor derjenigen mit dem Kalifen stattgefunden haben, die Niederschrift von Brief 40 wurde jedoch erst nach dem Gespräch mit dem Kalifen abgeschlossen. Ich möchte sogar vermuten, dass der Text in die Zeit zwischen den beiden Disputationstagen fällt, denn in Brief 40 ist noch nichts von der Wende zu spüren, welche Timotheos zwischen den beiden Disputationstagen vollzogen hat.108 Damit wurde Brief 40 nach der Erhebung Hārūns zum zweiten Thronerben am 31. August 782 und vor der Abreise al-Mahdīs nach Ǧurǧān im Juli 785 verfasst. Streng genommen könnte er bereits kurz zuvor geschrieben sein, denn die Erhebung Hārūns wird erst im zweiten Teil der Disputation (disp 19,23) genannt. Da sich für die Disputation eine Datierung in die Jahre 782 oder 783 empfiehlt, dürfte auch die Niederschrift von Brief 40 in diese Jahre fallen. Das Gespräch mit dem Aristoteliker selbst wird der Abfassung des Berichts nicht lange vorangegangen sein. Er könnte durchaus auf einem Gesprächsprotokoll beruhen. Diese Praxis ist beispielsweise für das Streitgespräch von ‘Abū Sa‘īd as/Sirāfī und Abū Bišr Mattā im Jahre 937/938 belegt.109 Brief 41 gehört, wie bereits Bidawid richtig erkannte, zu den Briefen, die präzis datiert werden können: In 41,11,11 sagt Timotheos, er sei jetzt »ungefähr dreizehn Jahre« als Patriarch tätig. So hat Bidawid richtig auf die Jahre 792/793 datiert.110 Da Timotheos sein Rechtsbuch von 805 auf 108 Vgl. dazu Heimgartner, Wissen, Kap. 3. — Nach diesem Modell hätten die beiden Gesprächsteile der Disputation also nicht an zwei aufeinanderfolgenden Tagen stattgefunden; beweisen lässt sich dies allerdings nicht. — Vgl. dazu auch Heimgartner, CSCO 632, S. 68 mit Anm. 211, wo ich eher mit zwei aufeinanderfolgenden Tagen rechnete. 109 Endress, Grammatik, S. 235 und 236, das Gespräch selbst in deutscher Übersetzung S. 238–270, die Datierung auf das Jahr 938 S. 194, aufs Jahr 937 S. 236. — Zur Frage, ob die Disputation mit al-Mahdī tatsächlich stattgefunden hat, vgl. Heimgartner, CSCO 632, S. XL–XLIII. 110 Bidawid, Lettres, S. 60 und 74. Ihm folgt Berti, Vita, S. 51 Anm. 59.
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das »26. Jahr seines Patriarchats im Jahr 1116 der Griechen« datiert111, neige ich noch etwas stärker zum Jahr 792, aber letztliche Gewissheit darüber haben wir nicht. 5. Zu den Schwierigkeiten der Edition, Übersetzung und Interpretation Wie die übrigen Briefe sind auch die Briefe 40 und 41 in der Handschrift Bagdad 509112 aus dem späten 13. Jahrhundert überliefert. Zur Zeit ist sie nicht zugänglich. Unklar ist, ob dafür nur die bürgerkriegsartigen Zustände im Irak verantwortlich sind oder ob auch kirchenpolitische Gründe mitspielen. Daher musste ich auf eine Reihe von verfügbaren Abschriften zurückgreifen.113 Aus diesen lässt sich im Wesentlichen ein solider, verständlicher Text rekonstruieren. An etlichen Stellen zeigt sich, dass bereits die Vorlage von Bagdad 509 beschädigt gewesen sein muss. Bei kleinen Lücken kann der ausgefallene Text meist über den Zusammenhang erschlossen werden. Hier haben bereits die Elias-Rezension und die Handschrift Karamlayss 39114 zahlreiche gute Textverbesserungen eingefügt, denen ich oft gefolgt bin. Es ist eine grosse Erleichterung für die Textinterpretation, dass die Briefe 40 und 41 geschlossene Einheiten sind, die weitgehend aus sich selbst heraus verständlich werden. Nur in der Einleitung von Brief 41 finden sich Anspielungen auf nicht näher bekannte Umstände. Die grössten Probleme bilden Stellen, wo schon in der Vorgängerhandschrift von Bagdad 509 längere Textstücke fehlten. An manchen Stellen meine ich befriedigende Konjekturen gefunden zu haben. An anderen Stellen (etwa 41,6,2) lässt sich nur der ungefähre Gedanke erschliessen; ich habe an diesen Stellen in der Übersetzung eine mögliche Textvariante in doppelten Klammern »[[…]]« angeführt, aber in der Edition auf eine Rekonstruktion des syrischen Textes verzichtet. An allen Problemstellen sind bessere Lösungen von anderen Fachleuten dringend erwünscht. Eine Übersetzung stellt eine notwendige Verständigung über den Inhalt des Textes dar und ist eine notwendige Kontrolle einer jeden Textedition. Brief 40 liegt in den unveröffentlichten Übersetzungen von Hurst und So die Angabe am Anfang der Schrift bei Sachau, Rechtsbücher, Bd. 2, S. 54/55. Vgl. dazu im Editionsband S. XV–XVII. 113 Vgl. dazu im Editionsband S. XIV. 114 Siehe dazu im Editionsband S. XXVI. 111 112
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Cheikho in englischer resp. französischer Sprache vor, Brief 41 in der publizierten lateinischen von Bidawid.115 Trotz einzelnen Kritikpunkten ist die hohe Qualität der Übersetzungen von Cheikho und Bidawid zu rühmen, die mich beide vor manchem Fehltritt bewahrt haben. Um den Vergleich mit diesen beiden Übersetzungen zu erleichtern, gebe ich in meinem deutschen Text je deren Paginierung an (z. B. »|C 268|« oder »|B 96|«). In den Anmerkungen zur Übersetzung wie auch in der Einleitung zum Übersetzungsband habe ich in eklektischer Weise Beobachtungen zu den Texten hinzugefügt. Wie schon bei den Briefen 30–39 habe ich — in Übereinstimmung mit dem Profil von CSCO — mich in der Einleitung auf ein Minimum zu beschränken versucht. Eine umfassendere Kommentierung beider Texte findet sich in meiner im Entstehen begriffenen Monografie über den syrischen Aristotelismus. Ebenso hoffe ich auf weiterführende Arbeiten sowie auf Berichtigungen und kritische Hinweise von Fachkolleginnen und -kollegen. Im Zwiespalt, einerseits möglichst eng am originalsprachlichen Text zu bleiben und andererseits den Inhalt in möglichst gutem Deutsch wiederzugeben, musste ich mich oft für freiere Formulierungen entscheiden. In eckigen Klammern zugesetzte Wörter und Satzteile dienen dem besseren Verständnis. Damit lässt sich nicht vermeiden, dass die deutsche Übersetzung oft klarer wirkt, als es das syrische Original ist.116 Dies gilt insbesondere für Stellen, wo Timotheos dasselbe Wort innerhalb eines Satzes in zwei verschiedenen Bedeutungen verwendet.117 Bei Zitaten antiker Schriftsteller sind die Gross-Kleinschreibung und die Interpunktion gegenüber der zugrunde liegenden Edition stillschweigend meiner eigenen Praxis angepasst. Über grundlegende Übersetzungsprobleme bei den Texten des Timotheos habe ich mich in den Einleitungen der Übersetzungsbände meiner bisherigen Editionen mehrfach geäussert.118 Hier wiederhole ich einiges in aller Kürze oder verweise auf die entsprechenden früheren Ausführungen. Zur Charakterisierung dieser Übersetzungen siehe oben S. XIII (Hurst), S. XIV–XV (Cheikho) und S. XXIII (Bidawid). 116 Vgl. zu dieser Problematik auch etwa Frede/Patzig, Metaphysik, Bd. 1, S. 18. 117 So beispielsweise »Rede« ( )ܡܠܬܐin 40,8,1 (»die Rede von der Menschwerdung der Rede«) oder in 41,3,43. 118 Siehe Heimgartner, CSCO 632, S. XLVII–XLIX, ebenso CSCO 644, S. XIX–XXI sowie S. 91 mit Anm. 462 und 463, ferner auch CSCO 662, S. XXIX–XXXVIII. 115
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Überlange syntaktische Konstruktionen, insbesondere Vergleichssätze müssen im Deutschen oft zerlegt werden. Auch ineinander verschachtelte Sätze oder Satzteile entflechte ich meist. An manchen Stellen muss die Syntax um der Verständlichkeit willen umgestellt oder verändert werden. Timotheos’ Vorliebe für Variantbegriffe bereitet oft Schwierigkeiten und zwingt einen zu sprachlichen Konzessionen.119 Verschiedentlich habe ich Genitiv- und Konstruktusverbindungen adjektivisch aufgelöst.120 So übersetze ich passim »die menschliche« resp. »göttliche Individualität unseres Herrn« statt »die Individualität des Menschseins unseres Herrn« resp. »die Individualität des Gottseins unseres Herrn« u. ä.121 Öfters sind rhetorische Fragesätze schwierig zu übersetzen122; bei längeren, komplexeren Fragen ist dabei oft eine Umformung notwendig.123 Zum anderen betreffen die Übersetzungsschwierigkeiten einzelne Begriffe, bei denen ich teilweise von den konventionellen Übersetzungen abweiche: a) melīlā (»vernünftig«) übersetze ich mit »denksprachfähig« und das davon abgeleitete Abstraktum melīlūtā mit »Denksprachfähigkeit«. Entsprechendes gilt für die negativen Pendants (»denksprachlos« usw.).124 Nicht betroffen davon sind die Stellen, wo melīlā »Logiker« bedeutet.125 b) meltā, traditionell als »Wort« übersetzt, wird bei Timotheos als Sprechakt Gottes und nicht als Resultat von Gottes Sprechakt verstanden. Daher habe ich die Übersetzung »Rede« gewählt.126 Ebenso wäre es treffender, rūḫā (»Geist«) — das syrische Pendant zum griechischen πνεῦμα — 119 Vgl. etwa »erfreut und entzückt … erquickt und erfrischt« (41,1,3), »lasse ich mich … hinziehen und hintragen« (41,1,4), die »zum Geist gehörenden geistigen Opfer« (41 inscr), die »geistigen Schönheiten des Geistes« (41,1,17), die »allgemeinen Allgemein[-aussagen]« (40,2,13) und das »allgemeine Allgemeinwesen« (ep 41,2,4), »über den heiligen Geist und vom heiligen Geist aussagen« (ep 41,8,8). 120 Vgl. etwa »Lichtkränze des Martyriums« (41,11,2) statt »Kränze des Lichts des Martyriums«. 121 Vgl. dazu auch Heimgartner, CSCO 662, S. XXX–XXXI. 122 Vgl. etwa ep 40,6,19; 40,8,4; 41,8,27–29. 123 Vgl. dazu Heimgartner, CSCO 662, S. XXXI. 124 Vgl. dazu Heimgartner, CSCO 632, S. XLVIII, CSCO 645, S. XIX–XX und CSCO 662, S. XXXII. 125 Vgl. dazu ep 40,2,30 und 40,3,1. 126 Am deutlichsten ist die Bedeutung von »Rede« als Akt Gottes in ep 40,7,7 und disp 18,38 sichtbar, vgl. dazu ausführlich Heimgartner, CSCO 632, S. XLVIII–XLIX, sowie ep 40,7,5f, ferner auch ders., Pseudojustin, S. 134 Anm. 4. — Bekanntlich ist im Syrischen das feminine Wort meltā maskulin, wenn Christus als Gottes λόγος gemeint ist. Nöldeke (Grammatik, S. 245) nennt dies eine »dogmatische Grille«.
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in entsprechender Weise mit »Hauch« oder »Atemhauch« wiederzugeben — die Bedeutung wird in ep 40,7,7 deutlich sichtbar —, aber dies schien mir für deutsche Ohren doch allzu befremdlich. c) alāhūtā/nāšūtā (»Gottheit«/»Menschheit«) übersetze ich abweichend vom Sprachgebrauch der deutschsprachigen Theologie mit Gottsein/ Menschsein. Entsprechendes gilt für weitere Abstraktbildungen wie Dienersein, Herrsein, Königsein, Sohnsein.127 d) Den Begriff ūsīā (griechisch οὐσία) übersetze ich in der Regel mit »Wesen«. Was den Begriff οὐσία in aristotelisch geprägten Zusammenhängen betrifft, teile ich den Vorbehalt von Arpe sowie von Frede und Patzig gegenüber der Übersetzung »Substanz«128. Bei Timotheos ist »Wesen« (ūsīā) weitgehend gleichbedeutend mit »Natur« (kyānā). Zum Ausdruck der Wesensgleichheit kennt Timotheos eine Fülle von substantivischen und adjektivischen Formulierungsmöglichkeiten unter Verwendung dieser beiden Wortstämme »Wesen« und »Natur« zusammen bald mit ܫܘܐ, bald mit ܒܪ, manchmal auch unmittelbar aufeinander folgend. Ich übersetze dabei je nach Wortstamm konsequent »wesens-« und »natur-«, bevorzuge aber die Adjektivbildungen auf »-gleich«. Nur dort, wo das Syrische mich zur Wortvariation drängt, wähle ich »wesens ebenbürtig« und »naturgleich« oder ähnliche Formulierungen.129 e) Den syrischen Begriff demūtā mit seinem breiten semantischen Gehalt von »Bild«, »Gestalt« einerseits und »Gleichheit« andererseits übersetze ich meist mit »Gleichbild«130. Diese Wortwahl wurde bereits bei der Übersetzung der Briefe 34–36 notwendig, weil Timotheos dort eine Reihe von Bibelstellen in einen hermeneutischen Zusammenhang bringt, in denen demūtā verschiedene griechische Termini wiedergibt. Hier in Brief 41 finden wir insbesondere das hermeneutische Konzept der beiden Gleichbilder des Christus (41,6,29–38): Christus ist einerseits »Gleichbild Gottes« (Phil 2,6)131, »Gleichbild des unsichtbaren Gottes« (Kol 1,15)132 und andererseits »Gleichbild eines Dieners« (Phil 2,7)133, Vgl. dazu Heimgartner, CSCO 645, S. XX, und CSCO 662, S. XXXII–XXXIII. Siehe Arpe, Substantia, sowie Frede/Patzig, Metaphysik, Bd. 1, S. 20, und v. a. Bd. 2, S. 16f. 129 So etwa »wesensebenbürtig und naturgleich« in 41,3,32 oder gar »naturebenbürtig und naturgleich« in 41,3,34. 130 Dazu Heimgartner, CSCO 662, S. XXXIII–XXXIV. 131 Zitiert in ep 41,6,32; vgl. auch das kurze freie Zitat in 41,1,2. 132 Zitiert in ep 41,1,17 und 41,5,28. 133 Zitiert in ep 41,6,32 und ausführlicher in 41,3,10. 127 128
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»Gleichbild der Menschen« (Phil 2,7)134 und »Gleichbild des Fleisches der Sünde« (Röm 8,3)135. Als Beispiel für »gleichen« wird auch Seth beigezogen, den Adam »nach seinem Gleichbild« zeugte (Gen 5,3)136. Nun steht aber demūtā in diesen Stellen für verschiedene griechische Begriffe, nämlich im Wesentlichen für ὁμοίωμα (Röm 8,3), σχήμα (Phil 2,7)137, μορφή (Phil 2,6 und 2,7), εἰκών (Kol 1,15), und ἰδέα (Gen 5,3).138 Damit stellt sich das Problem, dass hier für demūtā ein deutsches Wort gefunden werden muss, welches das gesamte Spektrum von »Gestalt« und »Gleichheit« abdeckt und auch in den hermeneutischen Ausführungen des Timotheos einigermassen passt. Das altertümliche »Gleichbild« scheint mir die beste Lösung zu sein. Dabei zwingen die Ausführungen zu den beiden Gleichbildern des Christus hier in ep 41,6,29–38 nicht zu einer so differenzierten Begrifflichkeit wie an den verwandten Stellen in ep 35,6,13–28 und ep 34,3,75–77.139 Mein Anliegen war aber, eine Wortwahl zu verwenden, die mit den Passagen in den Briefen 34 und 35 übereinstimmt. f) Die christologischen Zentralbegriffe qenōmā (»Hypostase«140) und parṣōpā (»Person«) gebe ich mit »Individualität« und »Person« wieder141, und die von qenōmā abgeleiteten Adverbien qenōmāīt142 und qenōmātānāīt143 sowie das Adjektiv qenōmātānāyā144 übersetze ich je nach Zusammenhang mit »im Sinne der Individualität«, »im Sinne von Individualitäten« oder »der Individualität nach«. Man beachte dabei aber, dass »individuell« Die Stelle wird nicht im Abschnitt ep 41,6,29–38 verwendet, aber in 41,3,10 zitiert. Zitiert in ep 41,6,29. 136 Implizit vorausgesetzt in 41,6,35, zitiert in ep 35,6,18. 137 In Heimgartner, CSCO 662, habe ich in Anm. 124 auf S. XXXIV die Textform von Phil 2,7 in ep 41,3,10 noch nicht richtig zitiert. Es muss (mit den entsprechenden angegebenen griechischen Begriffen) heissen: »…und er nahm das Gleichbild (μορφήν) eines Dieners an, und der Gestalt nach (ἐν ὁμοιώματι) erwies er sich als Mensch und wurde zum Gleichbild (σχήματι) der Menschen.« Hier in 41,3,10 wird ἐν ὁμοιώματι mit ܒܐܣܟ�ܡܐwiedergegeben. 138 Zu weiteren Bibelstellen (Gen 1,26f; Röm 5,14; 1 Kor 15,49; 2 Kor 3,18) in der noch ausführlicheren Bibelhermeneutik der Briefe 34–36 vgl. Heimgartner, CSCO 662, Anm. 124 auf S. XXXIII–XXXIV. 139 Vgl. dazu auch unten Anm. 162 zu ep 41,6,36. 140 In ep 41,2,8 verwendet Timotheos den syrischen und den griechischen Begriff synonym nebeneinander: »Individualität oder Hypostase«. 141 Dazu ausführlich Heimgartner, CSCO 662, S. XXXIV–XXXV. 142 So in ep 41,3,12.17(2×).23; 41,7,52. 143 So in ep 41,3,40. 144 So in ep 41,2,9; 41,3,39. 134
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— als Übersetzung von īḥīdāyā — nicht etwa Adjektiv zu qenōmā ist. Gelegentlich begegnet das griechische Lehnwort parṣōpā (πρόσωπον, »Maske«, »Angesicht«, »Antlitz«, »Person«) auch in der Bedeutung von »Angesicht«, »Antlitz«.145 g) Das Verb qb‘ mit all seinen Derivaten heisst oft »einfügen«, »befestigen«, sehr häufig aber auch — wie das bedeutungsnahe Verb ṭb‘ (»prägen«, »siegeln«) — »prägen« oder »einprägen«. Diese Bedeutung ist wichtig im Zusammenhang mit der Christologie und bezeichnet dort die Prägung der menschlichen Individualität des Christus durch seine göttliche Individualität.146 Wie in meiner Übersetzung der Disputation mit dem Kalifen al-Mahdī habe ich in Anlehnung an eine Praxis von Annemarie Schimmel die arabischen Textstücke in Brief 40 auf Englisch wiedergegeben.147 Allerdings handelt es sich hier nur um das zweimalige ḥawārīyūn in 40,10,3f, während in der Disputation mit dem Kalifen al-Mahdī eine ganze Reihe solcher Ausdrücke begegnet.148 In der Übersetzung habe ich verschiedentlich Lesarten, die von der Elias-Rezension oder einer anderen Handschrift eindeutig konjiziert worden sind, wie Konjekturen in spitze Klammern gesetzt und mit der entsprechenden Sigel der Handschrift resp. E für die EliasRezension gekennzeichnet, also etwa 〈…〉E.. Damit soll in der Übersetzung transparent werden, dass es sich dabei nicht um blosse Textvarianten, sondern um eigentliche Konjekturen handelt. Die beiden vorliegenden Briefe tragen nach der — letztlich auf Braun basierenden — Zählung von Bidawid die Nummern 40 und 41. In den Handschriften der EliasRezension und der davon abhängigen Edition von Darmo sind sie als Briefe 37 und 38 gezählt.149 In meinen bisherigen Publikationen habe ich bereits verschiedentlich die Briefe 40 und 41 nach der Paragrapheneinteilung der damals im Entstehen begriffenen vorliegenden Edition zitiert. Da ich stellenweise die Paragrapheneinteilung während der Arbeit noch verfeinert habe, divergieren diese Stellenangaben teilweise um einen oder zwei Paragraphen. So in ep 41,1,6. Zu ṭb‘ (»prägen«, »siegeln«) und qb‘ siehe ausführlich Heimgartner, CSCO 662, S. XXXV–XXXVIII. 147 Schimmel gibt eine türkische Passage in einem persischen Gedicht von Ǧalāladdīn Rūmī in ihrer deutschen Übersetzung auf Englisch wieder (Rumi, S. 50 mit Anm. 5 auf S. 215). 148 Vgl. dazu Heimgartner, CSCO 632, S. XXXIX–XL. 149 Zu den beiden Nummerierungssystemen siehe ausführlich Heimgartner, CSCO 645, S. LXXVI–LXXVIII. 145 146
LITERATURVERZEICHNIS Im vorliegenden Literaturverzeichnis werden nur die in diesem Band zitierten Werke aufgeführt. Nicht aufgenommen sind auch die gängigen Hilfsmittel wie Wörterbücher, Grammatiken, Konkordanzen, Lexika und Übersetzungen, sofern sie nicht zitiert werden. Ebenfalls nicht aufgeführt werden die einzelnen Bände von MPG und Mansi sowie die geläufigen Bibelausgaben und -übersetzungen. Texteditionen werden unter den Namen der Editoren eingeordnet. Die Editionen sind dem Stellenregister zu entnehmen, ebenso die Abkürzungen für antike Autoren und Schriften. Die Abkürzungen für Zeitschriften und Serien sind zu finden bei Siegfried M. Schwertner, TRE Abkürzungsverzeichnis, 2., überarbeitete Auflage, Berlin 1994. Verlagsorte in lateinischer Sprache werden in der heute geläufigen Form wiedergegeben. Bei Verlagen mit mehreren Filialen wird meist der Ort des Hauptsitzes angegeben. In der Regel wird die Literatur mit Nachnamen des Autors und Kurztitel oder Sigel der jeweiligen Reihe (CSCO, PTS u. a.) zitiert (mit oder ohne Bandnummer). Dabei werden die Seitenverweise für Text und Übersetzung nur durch Schrägstrich getrennt, auch wenn diese, wie etwa in CSCO üblich, in verschiedenen Bänden stehen. Wenig geläufige arabische Autoren werden nur nach der deutschen Übersetzung bei van Ess, Theologie, zitiert; sie sind auch nicht ins Stellenregister aufgenommen. Bei den Bänden von CSCO werden die Reihen Scriptores Syri und Scriptores Arabici sowie Subsidia abgekürzt mit »Syr«, »Arab« und »Sub«. Als »DNP« wird Der Neue Pauly, Stuttgart 1996ff, abgekürzt. Ahmad, Mirza Nasir (Hrsg.), Der heilige Qur‘ân: Arabisch und Deutsch, Zürich 4 1980. Arpe, Curt, Substantia, in: Ph. 94, 1941, S. 65–78. Berti, Vittorio, Vita e studi di Timoteo I († 823) patriarca cristiano di Baghdad: Ricerche sull’epistolario e sulle fonti contigue, (StIr.C 41) Paris 2009. Berti, Vittorio, Cristiani sulle vie dell’Asia tra VIII e IX secolo. Ideologia e politica missionaria di Timoteo I, patriarca siro-orientale (780-823), in: Quaderni di Storia Religiosa 12, 2006, S. 117–156. Bidawid, Raphaël J., Les lettres du patriarche nestorien Timothée I: Étude critique avec en appendice La lettre de Timothée I aux moines du Couvent de Mār Mārōn (traduction latine et texte chaldéen), (StT 187) Città del Vaticano 1956. Braun, Oscar [Oskar], De Sancta Nicaena Synodo : Syrische Texte des Maruta von Maipherkat nach einer Handschrift der Propaganda zu Rom übersetzt, (KGS 4/3) Münster i. W. 1898. Braun, Oskar, Der Katholikos Timotheos I und seine Briefe, in: OrChr 1, 1901, S. 138–152. Braun, Oskar, Zwei Synoden des Katholikos Timotheos I., in: OrChr 2, 1902, S. 283–311. Braun, Oskar, Briefe des Katholikos Timotheos I., in: OrChr 3, 1903, S. 1–15. [zitiert als »Braun, Briefe (OrChr 3)«]
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DIE BRIEFE 40 UND 41 DES OSTSYRISCHEN PATRIARCHEN TIMOTHEOS I. Übersetzung
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Von demselben an Rabban Sergios. An Rabban Mār Sergios, Priester und Lehrer. Timotheos, um sich im Herrn zu freuen.
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1,1 Es gibt nichts Stärkeres als die Wahrheit1 und nichts Schwächeres als die Lüge2. Und dies alles werde ich genau erklären, inwiefern die Niederlage3 der Wahrheit ein Sieg auf ewig [ist] und der Sieg der Lüge eine Niederlage auf ewig [ist]. 1,2 Das Zeichen, welches beides belegt, ist, dass Christus am Kreuz besiegt wurde und die Juden und der Satan siegten4. 1,3 Nun hat unser Herr dadurch, dass er scheinbar besiegt wurde, die Welt wie auch ihren Herrscher besiegt. »Erhebt eure Herzen«, sagt er nämlich, »ich habe die Welt besiegt.« (Joh 16,33) und: »Der Herrscher dieser Welt ist gerichtet.« (Joh 16,11) und: »Er wurde über den Himmel hinaus erhoben und sitzt zur Rechten von Gottes Thron« (Mk 16,19). |C 186| 1,4 Doch dadurch, dass der Herrscher der Welt und seine Heerführer5, die Juden, scheinbar gesiegt haben, sind sie besiegt6, und dadurch, dass sie scheinbar den [Sieges-]Kranz tragen, sind sie mit einer Schande beschämt und erniedrigt, die in Ewigkeit nicht vergessen geht. 1,5 Denn siehe, nicht nur in den Tagen des Herodes und des Pilatus und damals in den Tagen der alten Juden fanden eine derartige Niederlage und [ein derartiger] Sieg zwischen der Wahrhaftigkeit7 und der Lüge statt, sondern auch jetzt in den Tagen der gegenwärtigen Herrscher und in unseren 1 Vgl. dazu τῆς δὲ ἀληθέιας ἰσχυρότερον οὐδέν (»Es gibt nichts Stärkeres als die Wahrheit«) in PsJust res 1,6 und Joh Chrys Or in Bab 21 (SC 362, S. 116f), ferner auch 3 Esr [= LXX 1 Εσρ] 4,35 (καὶ ἡ ἀλήθεια μεγάλη καὶ ἰσχυροτέρα παρὰ πάντα) sowie dazu Heimgartner, Pseudojustin, S. 70 Anm. 170; S. 84 Anm. 251–253; S. 135 Anm. 8. 2 Beachte die asymmetrische Formulierung der syrischen Komparative, einmal mit Positiv + ܡܢ, ܼ einmal mit ܝܬܝܪ+ Positiv + ܡܢ ܼ (»... [noch] mehr schwach als«). 3 Den Begriff »( ܚܘܒܬܐNiederlage«) verwendet Timotheos in diesem Brief nur hier und in 40,1,7. 4 Im Syrischen substantivisch: »das Besiegtwerden ..., der Sieg ...« 5 Im Syrischen ’esṭarṭēgē, vgl. gr. στρατηγοί. 6 Im Syrischen wörtlich: »Der Herrscher der Welt mit seinen Heerführern … sind … besiegt (ad sensum mit Plural konstruiert; vgl. zu dieser Konstruktion ep 50,14). 7 Hier verwendet Timotheos das Katalipomenon šūrārā gegenüber šerārā oben in 1,1.
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Zeiten und in den Tagen der neuen Juden8, die unter uns sind, sind derselbe Kampf und derselbe Streit bei der Lüge gegen die Wahrheit zu sehen. Das Ärgernis des Kreuzes hat nämlich noch nicht aufgehört. 1,6 Aber man muss einen solchen Kampf und Streit nicht fürchten. Denn wenn [bereits] die scheinbare Niederlage der Wahrheit den Glanz des Sieges aufweist, wie oben erklärt wurde, wie gross und welcher Art ist |C 187| [dann erst] der Sieg der Wahrheit! 1,7 Und wenn [bereits] der Sieg der Lüge eine Niederlage ist, wie offengelegt wurde, wie und wie gross muss [dann erst] ihre Niederlage genannt werden! Denn mehr als die Strahlen der Sonne sind der Sieg des Christus, unseres Herrn, und die Niederlage des Oberherrschers der Luft und seiner Diener erkennbar. 1,8 Aber noch regt sich Leben im Schwanz der Schlange, obwohl ihr Kopf zertreten ist, und sie bringt in diesem gallengleiches Viper[-ngift] hervor, obwohl er bereits zerquetscht ist (vgl. Ps 74,149). Welches sind die beiden, von denen die Rede ist? 2,1 An einem Tag, als wir an der königlichen Pforte10 waren, näherte sich uns einer von jenen Edlen, die reich an Macht, an Wohlstand und an Grösse sind, der von Natur aus das Wissen hatte und auch sehr bewandert in den Gedanken des Aristoteles war, |C 188| in freundlicher Weise und grüsste uns. Und wir erwiderten ihm den Gruss mit gewohnter Sorgfalt11. 2,2 Und kaum hatte er sich gesetzt, sagte er zu uns: »Wenn du willst, können wir miteinander reden.« 2,3 Wir aber sagten zu ihm: »Es gibt bekanntlich nicht [nur] eine Art von Rede12, sondern verschiedene Arten. In welcher Art möchtest du, dass wir miteinander reden?« Er sagte mir: »In der Art der Disputation.« 2,4 Ich aber sagte zu ihm: »Und worüber wünschest du zu disputieren?« Er sagt mir: »Über Gott.«13 |C 189| 2,5 Ich aber sage ihm: »Welches von beiden [trifft auf] die Aussagen14 [zu], welche bei allen Disputationen gewählt werden und durch welche 8 Die Bezeichnung der Araber als »die neuen Juden« findet sich ebenso in ep 24,9 (CSCO 139/93) und in seinem Rechtsbuch (§ 16; Sachau, Rechtsbücher, Bd. 2, S. 70/71). 9 Vgl. auch Ps 91,13; Jes 14,29; Gen 3,15. 10 Wörtlich »Pforte des Königtums« wie ep 57,3, vgl. auch 54,10 (»Pforte des siegreichen Königs«). Das syrische tar‘ā (»Pforte«, »Tür«) kann wie das arabische bāb den gesamten Palast bezeichnen. Vgl. dazu auch »Hohe Pforte« als Bezeichnung für den Palast des Sultans in Istanbul und damit für die osmanische Regierung insgesamt. 11 Das Wort ܕܡܬܝܨܦist in der Übersetzung von Cheikho ausgelassen (Langage, S. 188). Vgl. auch disp 2,2: »Und als wir die Worte des Segens für ihn in der vorgeschriebenen Länge vollendet hatten…«. 12 Syrisch wörtlich: »Die Rede ist bekanntlich nicht von einfacher Art«. 13 Italienische Übersetzung von ep 40,2,1–4 in Berti, Vita, S. 172. ̈ hier (Langage, S. 189) und im Folgenden mit »termes«. 14 Cheikho übersetzt ܡ�ܠܐ Es ist aber wohl »Aussage« und nicht »Begriff« gemeint, vgl. besonders deutlich etwa
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die Beweise15 über die Dinge erfolgen: Müssen sie allgemein sein oder individuell?« Er sagt mir: »Notwendigerweise allgemein.« 2,6 Ich aber sage ihm: »Stammen die Aussagen aus Gedanken und Überlegungen oder nicht?« Er sagt: »Ja.«16 2,7 Ich sage ihm: »Sind es Gedanken und 5 Überlegungen zu Dingen und über Dinge oder nicht?« Er sagt mir: »[Ja, Gedanken] zu Dingen.« 2,8 Ich sage ihm: »Werden diese Dinge in allgemeiner oder in individueller Weise erfasst?« Er sagt mir: »Sowohl in allgemeiner als auch in individueller Weise.« 2,9 Ich sage ihm: »Welches von beiden ist Ursache für das Erfassen und das Erkennen: das Allge10 meine |C 190| für das Individuelle oder das Individuelle für das Allgemeine?« Er sagt mir: »Das Individuelle für das Allgemeine.«17 2,10 Ich sage ihm: »Gibt es eine Ursache für das Erfassen der individuellen [Dinge] oder gibt es keine?« Er sagt mir: »Es gibt eine.« »Und welche ist das?« sage ich ihm. Er sagt mir: »Die Sinneswahrnehmungen.«18 15 2,11 Ich sage ihm: »Wenn die allgemeinen Aussagen aus allgemeinen Gedanken [stammen] und die allgemeinen Gedanken [sich] auf allgemeine Dinge [erstrecken], und [wenn] die allgemeinen Dinge aus individuellen und die eigentümlichen19 Dinge aus den Sinneswahrnehmungen den 1
40,2,31, wo auch Cheikho »langage« übersetzt (Langage, S. 197). Für »Begriff« verwendet Timotheos in der Regel ܫܡܗܐ. 15 Beweise sind gemäss Arist 1 An 1,1 24b,18–22 logische Schlüsse, die auf wahren Ausgangssätzen beruhen. Mit »allgemein« (bei Timotheos auch »generell«) sind Aussagen gemeint wie »Jedes A ist…« oder »Kein A ist«, mit »partikulär« (resp. »individuell« oder »eigentümlich«) solche wie »Irgendein A ist…« oder »Einige A sind…« (1 An 1,1 24a,16– 22; vgl. auch Arist Herm 7 16b,38–17b,1 und 17b,5f sowie Top 2,1 108b,34–109a,1). Man könnte präziser von »allgemein quantifizierten« resp. »partikulär quantifizierten« Aussagen reden. Für beweiskräftige Syllogismen müssen wahre Ausgangssätze verwendet werden (Top 1,1 100a,27–29); im Streitgespräch können auch weitere vom Gegner anerkannte Ausgangssätze für Syllogismen gebraucht werden (Top 1,1 100a,29f). 16 Bei Timotheos werden Doppelfragen häufig mit »Ja« oder »Nein« beantwortet, so etwa disp 5,1; 6,29f; 6,31f; vgl. dazu Heimgartner, CSCO 632, S. 26 Anm. 101. 17 Hier liegt also eine induktive Erkenntnistheorie zugrunde: Die allgemein gültige Erkenntnis (die sich also auf jedes resp. keines der betreffenden Dinge bezieht) stammt aus einer partikulär gültigen Erkenntnis (die sich also nur auf eines oder einige der betreffenden Dinge bezieht). 18 Der Plural ̈ܖܓܫܐist zweideutig. Er kann Sinneswahrnehmungen oder Sinnesorgane bezeichnen. Im Abschnitt 40,5,7–9 bezeichnet er eindeutig Sinnesorgane, die dort mit den für Zeugen und Hervorgehen verwendeten »Körperteilen« (5,7) parallel gesetzt werden. Hier ab 2,10 dominiert die Bedeutung »Sinneswahrnehmungen«. Sie paast auch besser zur Vorstellung, dass die Sinneswahrnehmungen Ursache und nicht etwa Instrument des Erfassens und Erkennens sind. In 5,9 hingegen finden wir die instrumentale Verwendung (»mit« Sinnesorganen sehen und hören; syrisch )ܒ. — Zur Sinneswahrnehmung innerhalb der Erkenntnistheorie äussert sich Timotheos ausführlicher in ep 2,1,13–24. 19 Man beachte hier die synonyme Verwendung von »( ܝܚܝܕܝܐindividuell«) und »( ܕܝܠܢܝܐeigentümlich«).
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Anstoss des Erfassens erhalten, dann erhalten folglich auch die allgemeinen Aussagen in allen Disputationen den Anstoss des Erkennens aus Sinneswahrnehmungen?« 2,12 Er sagt mir: »Ja. Die Ursache des allgemeinen Erkennens ist bei uns Menschen die Sinneswahrnehmung20. Und [dies ist] der Beweis dafür: Wenn die Sinneswahrnehmung aufhört, hört auch die aus der Sinneswahrnehmung [stammende] Erkenntnis auf. Denn so lehren es sowohl die Natur als auch Aristoteles21.« |C 191| 2,13 Ich sage ihm: »Mit welchen Aussagen muss man über Gott disputieren: mit den allgemeinen Allgemein[-aussagen]22 oder mit den individuellen?« Er sagt mir: »Mit den allgemeinen.«23 2,14 Ich sage ihm: »Wenn Gott durch allgemeine Aussagen erfasst wird24 und allgemeine Aussagen durch allgemeine Gedanken erfasst werden, dann wird Gott also durch allgemeine Gedanken erfasst. Und wenn Gott durch allgemeine Gedanken erfasst wird und allgemeine Gedanken durch allgemeine Dinge erfasst werden, dann wird Gott folglich durch allgemeine Dinge erfasst.25 2,15 Und wenn Gott durch allgemeine Dinge erfasst wird und allgemeine Dinge durch die individuellen erkannt werden, dann wird also auch Gott durch die individuellen Dinge erkannt. Und wenn Gott aus26 den einzelnen27 [Dingen] erfasst wird und die zum Einzelnen [gehörenden Dinge] durch Sinneswahrnehmungen erfasst werden, dann wird also auch Gott durch Sinneswahrnehmungen erfasst und erkannt. 2,16 Gott kann aber durch |C 192| keine einzige Sinneswahrnehmung erfasst werden. Jede allgemeine und generelle Erkenntnis erhält den Anstoss der Erkenntnis und Einsicht aus Sinneswahrnehmungen. Dann darf Gott folglich nicht mit einer allgemeinen Aussage und [allgemeiner] Erkenntnis erfasst oder verstanden werden.« Hier das Substantiv ܪܓܫܬܐ. Vgl. dazu auch »Natur und Schrift« in disp 2,7–13. — Bei Aristoteles denkt der Gesprächspartner wohl an Stellen wie Kat 7b,36f o. ä. 22 Vgl. zu dieser Formulierung auch das »allgemeine Allgemeinwesen« in ep 41,2,4, die »zum Geist gehörenden geistigen Opfer« in 41 inscr und die »geistigen Schönheiten des Geistes« in 41,1,17. 23 Damit wird das oben in 2,5 Dargelegte auf Gott angewandt: Nur wenn A auf jedes B resp. auf kein B zutrifft und B auf Gott zutrifft, dann trifft A auch auf Gott zu resp. trifft A ebenfalls nicht auf Gott zu. 24 Der Satz »Gott wird mit allgemeinen Aussagen erfasst« meint also offensichtlich, dass ein auf Gott erfolgender Schluss auf einem allgemein quantifizierten Ausgangssatz beruht, wie es im soeben genannten Beispiel in der vorhergehenden Anm. 23 der Fall ist. 25 Es geht also auch hier, präziser formuliert, um allgemein resp. partikulär quantifizierte Aussagen, Gedanken und Dinge (vgl. oben Anm. 15 zu 40,2,5). 26 Timotheos wechselt die Präposition. 27 Offensichtlich als Variantbegriff für das vorhergehende »individuell« verstanden. 20 21
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2,17 Er sagt mir: »Es gibt keinen [anderen] Weg als den, solche Aussagen für Gott zu gebrauchen.« Ich sage ihm: »Weil er [seiner] Natur nach unter diese [Aussagen] fällt oder weil wir nicht anders können?« Er sagt mir: »Er fällt [seiner] Natur nach unter diese.« 2,18 Ich sage 5 ihm: »Gott fällt [seiner] Natur nach unter die allgemeine Aussage. Jede allgemeine Aussage ist in den zehn Kategorien.28 Also ist Gott in den zehn Kategorien, was absurd ist. Er wird nämlich dadurch auch als quantitativ, als qualitativ und als leidensfähig erkannt29, zudem auch als zusammengesetzt30, wie folgt: Wenn nämlich alles Zusammengesetzte 10 in diesen zehn Kategorien ist und [wenn] auch Gott in den zehn Kategorien ist, |C 193| dann ist also auch Gott zusammengesetzt.31 2,19 Wenn aber Gott nicht zusammengesetzt ist, und [wenn] alles, was mit den zehn Kategorien ausgesagt wird, zusammengesetzt ist, dann ist Gott folglich nicht in den zehn Kategorien noch wird er [mit diesen] ausgesagt. 15 Denn er ist nicht quantitativ noch qualitativ noch zusammengesetzt noch leidensfähig.«32 2,20 Er sagt mir: »[Er ist] nicht wie ein Teil, sondern wie ein allgemeines Wesen.«33 Ich sage ihm: »Erstens zeigt sich auch darin dieselbe 1
28 Das heisst, jede Aussage von der Struktur »Jedes A resp. kein A ist…« lässt sch einem der zehn Typen von »Ist«-Aussagen zuordnen, welche Aristoteles in Kat 4 (1b,25–2a,10) und Top 1,9 (103b,20–23) auflistet. 29 Hier ist Augustin (trin 5,8,9–5,10,11) wesentlich differenzierter, wenn er fragt, inwiefern die Kategorien auf Gott bezogen werden können. Man könnte in mancherlei Art gegen Timotheos argumentieren: Wenn »gut« mit der Kategorie der Qualität ausgesagt wird und die Kategorie der Qualität nicht auf Gott bezogen werden darf, ist Gott nicht gut. Wenn »angebetet werden« mit der Kategorie des Erleidens ausgesagt wird und die Kategorie des Erleidens nicht auf Gott bezogen werden darf, darf Gott nicht angebetet werden. 30 Timotheos betrachtet »zusammengesetzt« hier geradezu als aristotelische Kategorie, vgl. auch unten 40,2,19. 31 Man beachte die falsche Schlussform: Wenn K allen Z zukommt und K auch G zukommt, kommt Z auch G zu. Man kann sich allerdings fragen, ob der Syllogismus unsorgfältig formuliert ist. Der in 2,19 folgende negativ formulierte Syllogismus legt für 2,18 folgenden Sinn nahe: Wenn alles mit den zehn Kategorien Ausgesagte zusammengesetzt ist und auch Gott mit den zehn Kategorien ausgesagt wird, dann ist auch Gott zusammengesetzt (Wenn K allen Z zukommt und K auch G zukommt, kommt Z auch G zu). In diesem Fall wäre einerseits die Schlussform richtig, und andererseits würde »zusammengesetzt sein« die Verbindung von Wörtern zu Aussagesätzen bezeichnen, vgl. die »zusammengesetzte Rede der Geschöpfe« bei Barḥadbešabbā (Schulgründungen 339,8). — Vertauschungen von »A kommt B zu« statt »B kommt A zu« wie hier in 40,2,18 finden sich bei Timotheos so häufig, dass ich nicht mit Textverderbnis rechnen möchte. 32 Hier erscheinen »zusammengesetzt« und »leidensfähig« auf der Ebene der zehn Kategorien; hingegen fehlt das »Wesen«. 33 Vgl. dazu Ibn Muqaffa‘, Logikhandbuch (Dānēshpazhūh, 9,14ff; deutsch frei nach Schöck, S. 122): »Alle Dinge kommen unter zwei Namen vor. Der eine ist das Wesen
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Absurdität, wie folgt: Wenn Gott wie ein allgemeines Wesen ist und [wenn] die Ausprägung34 und Art des allgemeinen Wesens das eigentümliche [Wesen] ist, dann ist also auch Gottes Ausprägung und Art das individuelle Wesen35. 2,21 Aber kein Wesen ist Gottes Ausprägung oder Art. Das eigentümliche Wesen ist aber eine |C 194| bestimmte Ausprägung und Art des allgemeinen Wesens. Also kann folglich Gott nicht durch die Aussage des allgemeinen Wesens erfasst werden. 2,22 Dann aber frage ich und du antworte mir: Ist das allgemeine Wesen endlich oder unendlich?« Er sagt mir: »Es ist unendlich36.« Ich sage ihm: »Wenn das allgemeine Wesen unendlich ist und [wenn] Gott unendlich ist, dann ist also auch das allgemeine [Wesen] Gott. Also ist das nicht ein Beweis, sondern das, was zu beweisen ist. 2,23 Wenn aber das [allgemeine] Wesen nicht Gott ist und [wenn] Gott unendlich ist und man ihn [als solchen] bekennt, dann ist folglich klar, dass das allgemeine Wesen nicht unendlich ist. 2,24 Wenn ferner aber das allgemeine Wesen unendlich ist und [wenn] das, was unendlich ist, auch nicht in [Dinge] aufgeteilt werden kann, die [ihm] nicht gleich sind, dann kann folglich auch das allgemeine Wesen nicht in [Dinge] aufgeteilt werden, die [ihm] ungleich sind. 2,25 Aber das allgemeine Wesen kann in [ihm] ungleiche [Dinge] aufgeteilt werden, doch was unendlich ist, kann nicht in [ihm] ungleiche [Dinge] aufgeteilt werden. Also ist das allgemeine Wesen nicht unendlich. |C 195| Nun ist Gott unteilbar und unendlich, das allgemeine Wesen aber ist nicht unteilbar und [nicht] unendlich. Also wird Gott nicht durch die allgemeine Rede des Wesens bezeichnet. Soviel dazu, wenn man das allgemeine Wesen unendlich nennt.
(‘ain), der andere das Akzidens (‘araḍ). Das Wesen ist der Name einer jeden benannten Substanz (ǧauhar). Das Akzidens ist die Qualifizierung des Qualifizierten. Das Qualifizierte ist das Wesen… Weiter kommen das Akzidens und das Wesen in vier Positionen vor: unter dem Gesichtspunkt des Allgemeinen (‘āmm) und des Individuellen (ḫāṣṣ), wobei das Allgemeine das Ganze (kull) ist und das Individuelle der Teil (ba‘ḍ) ist. Das allgemeine Wesen ist beispielsweise »der Mensch«, das individuelle Wesen ist beispielsweise »dieser Mensch da«, das allgemeine Akzidens ist beispielsweise »die Weisse«, das individuelle Akzidens ist beispielsweise »diese Weisse da«. 34 Ich verstehe hier »Ausprägung« als Variantbegriff zu »Art«: Gott kann nicht als allgemeines Wesen verstanden werden, weil er so als Gattung verstanden würde, innerhalb derer sich Unterarten ausprägen (vgl. auch im Folgenden 2,21). 35 Hier erscheint »( ܝܚܝܕܝܐindividuell«) als Synonym für »( ܕܝܠܢܝܐeigentümlich«). 36 Timotheos variiert hier und im Folgenden »unendlich« ( )�ܠܐ ܡܣܝܟܐund »ohne Ende« ()ܕ�ܠܐ ܣܘܦ. Um der Klarheit willen übersetze ich hier durchgehend »unendlich«.
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2,26 Wenn aber das allgemeine Wesen nicht unendlich ist und [wenn] das, was nicht unendlich ist, partikulär ist, dann ist also das allgemeine Wesen partikulär. Dies ist eine Aussage, die im Widerspruch zu sich selbst steht: [Ihr zufolge] ist das allgemeine Wesen individuell, und durch das Individuelle wird das Beständige nicht bewiesen. Dann kann folglich das Beständige und Ewige nicht durch das allgemeine Wesen bewiesen werden. 2,27 Und ferner: Ist das allgemeine Wesen erschaffen oder unerschaffen? Wenn das allgemeine Wesen erschaffen ist und das Unerschaffene nicht durch das Erschaffene bewiesen werden kann37, dann kann folglich Gott nicht |C 196| durch das allgemeine Wesen bewiesen werden. Wenn aber das allgemeine Wesen unerschaffen ist und [wenn] das Unerschaffene Gott ist, dann ist folglich das allgemeine Wesen Gott. Dann ist das folglich kein Beweis, sondern es ist das Problem38, welches zu beweisen ist.39 2,28 Wenn aber das allgemeine Wesen nicht Gott ist und [wenn] allein Gott unerschaffen ist, dann ist folglich das allgemeine Wesen nicht unerschaffen. Es wurde aber soeben bewiesen, dass der Unerschaffene nicht durch das Erschaffene bewiesen werden kann. Dann fällt er folglich nicht [seiner] Natur nach unter die Aussagen des allgemeinen Wesens, sondern Gott wird, wie erkannt wurde, weder durch die allgemeinen noch durch die individuellen Aussagen bewiesen. 2,29 Und [somit] wird Gott weder durch die allgemeinen [Aussagen] noch durch die [Aussagen] über jedes Einzelne jemals erfasst oder begriffen. Dann wird Gott folglich nicht mit [logischen] Beweisen erfasst, sondern übersteigt [alle] Lehrsätze40.« 2,30 Der Logiker sagt zu mir: »Wir können |C 197| jedoch nicht anders über ihn disputieren als mit unseren [Aussagen].«41 Ich sage ihm: 37 Bei Cheikho, Langage, ist auf S. 195 die zweitletzte Zeile zu tilgen; die Text doppelung ist offensichtlich bei der Reinschrift des Typoskripts durch aberratio oculi entstanden. 38 Syrisch prōblēmā, vgl. gr. πρόβλημα. 39 Vgl. auch oben 40,2,22. 40 Syr. dūgmē, vgl. gr. δόγματα. Damit sind hier wohl aus sinnlicher Wahrnehmung und noetischer Erkenntnis gewonnene Sätze gemeint, vgl. dazu ep 2,1,1–25. 41 Vgl. dazu disp 17,4f: »Ich aber sagte: ›Weil wir alles, was wir über Gott sagen, von [Dingen] ausgehend sagen, die bei uns [auf Erden] sind. Denn wir benennen und bezeichnen Gott als »König aller Könige« und »Herr aller Herren«, als »stark«, »mächtig«, »gewaltig«, »Licht«, »Weisheit«, »Richter« und dergleichen, wobei wir ausgehend von [Dingen], die bei uns [auf Erden] sind, einen beweisenden Schluss führen. Und wenn wir davon Abstand nehmen, diese [Begriffe und Vergleiche] auf ihn [zu beziehen], und nicht von Derartigem ausgehend einen beweisenden Schluss auf ihn führen, womit und wodurch sollten wir ihn dann unserer Erkenntnis [noch] vorstellen können, der jedes Bild und [jeden] Vergleich übersteigt?‹«
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»Also disputieren wir über ihn nicht mit seinen [Aussagen], sondern mit unseren.«42 Er sagt mir: »Nicht mit unseren, sondern vielmehr mit seinen.«43 2,31 Ich sage ihm: »Wenn jede Aussage über Gott entweder in gänzlichem oder teilweisem Sinn erfolgt, 〈und »Gänze«〉44 und »Teil« niemals über Gott ausgesagt wird, so wird offensichtlich jede Aussage über Gott nicht mit den [Begriffen] seiner Natur, sondern vielmehr mit unseren [Begriffen] über ihn formuliert.45 2,32 Nun ist Gott einfach und unendlich und unzusammengesetzt, unsere Aussagen und Definitionen über ihn sind jedoch nicht unzusammengesetzt und nicht unendlich. Was aber einfach und unendlich ist, kann nicht durch das Zusammengesetzte und durch das Endliche erfasst und bezeichnet werden. Dann wird Gott folglich nicht durch die [Aussagen] seiner Natur, sondern durch unsere ausgesagt und bezeichnet.« |C 198| 2,33 Er sagt mir: »Unzusammengesetzt, unkörperlich, unsichtbar, unsterblich, leidensunfähig, unvergänglich und alles andere derartige, was sowohl wir als auch ihr von Gott bekennt: Ist [er das] als Natur oder nicht im Sinne der Natur?« Ich sage ihm: »Diese [Begriffe] treffen auf ihn im Sinne der Natur zu46, und [so] wird bezeichnet. Es soll aber genau verstanden werden, dass diese Begriffe nicht erhellen, was Gott ist, sondern vielmehr, was Gott nicht ist; sie sind [Dingen] bei uns entnommen und wollen Gott [jeglicher] Ähnlichkeit mit uns entheben47.« Er sagt mir: »Wie [das]?« 2,34 Ich sage ihm: »Man Im Syrischen begegnet hier und im Folgenden öfters die Gegenüberstellung »jene seinen … diese unseren«. 43 Vgl. dazu auch disp 17,6f: »Und unser siegreicher König sagte mir: ›Wir wenden diese Begriffe zwar auf Gott an, aber nicht, weil wir ihn so verstehen, als wäre er wie diese unsere [Begriffe]; vielmehr übersteigt er diese unsere [Begriffe] gänzlich und ist ihnen ungleich. Es ist nicht so, dass wir diese unsere [Begriffe] auf Gott anwenden, sondern vielmehr ist es so, dass seine Begriffe in grosser Güte vielfach abgeschwächt auf uns angewendet werden. Denn [Begriffe wie] »Herrschaft«, »Leben«, »Macht«, »Grösse«, »Ehre«, »Weisheit«, »Sehen«, »Erkennen«, »Richterschaft« und dergleichen gehören wahrhaftig, naturgemäss und auf ewig zu Gott, zu uns aber gehören sie nur in übertragener, abgeschwächter Weise und auf Zeit. Bei Gott haben sie keinen Anfang gehabt und haben sie kein Ende, bei uns Menschen aber haben sie einen Anfang und haben sie ein Ende.‹« 44 Die Elias-Rezension füllt die Lücke in den Handschriften mit »dann also« (ܐܪܐ )ܡܕܝܢ. Auch Cheikho (Langage, S. 197) übersetzt: »Or, il n’est jamais possible d’attribuer à Dieu une partie.« Die Partikel ܕܝܢnach der Lücke zeigt jedoch, dass nun erst die zweite Bedingung folgt. Aus der Konklusion lässt sich rückschliessen, dass in der zweiten Prämisse beide Aussagemöglichkeiten — die gänzliche und die teilweise — für Gott ausgeschlossen werden. Ich konjiziere daher ܟ�ܠܐ, vgl. zu »Teil und Ganzes« auch unten 40,4,17–22 und 40,5,37 sowie ep 36,1,36. 45 Diese Argumentation verwendet Timotheos auch in ep 2,1,5–12. 46 Im Syrischen wörtlich: »Diese [Begriffe] ist er im Sinne der Natur«. 47 Das Verb bedeutet im Syrischen sowohl »emporheben« als auch »wegnehmen« (vgl. im Deutschen den Doppelsinn von »aufheben«). 42
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sagt nämlich, dass Gott nicht wie wir zusammengesetzt und körperlich ist und nicht gleich wie wir sichtbar, sterblich, leidensfähig, vergänglich ist. Also wird Gott auch durch diese [Begriffe] der Ähnlichkeit mit uns enthoben. Diese Begriffe bezeichnen nicht Gottes Natur, sondern sie entfernen, was wir erleiden und was uns widerfährt, von der göttlichen Natur, damit wir erkennen und begreifen, dass [genauso] wie unsere Leiden und die uns widerfahrenden Akzidenzien48 nicht in seiner Natur sind, auch keine Ähnlichkeit unserer Natur an ihm gefunden wird. |C 199| 2,35 Denn um die Wahrheit zu sagen: Auch unsere Natur kann ich nicht von dem her verstehen, was leidensfähig, sterblich, zusammengesetzt, sichtbar und anderes derartiges ist, denn ich suche danach, was [unsere] Natur ist, die sterblich und leidensfähig ist, und nicht nach dem ›Sterblichen‹, ›Leidensfähigen‹ und ›Vergänglichen‹, was Akzidenzien an unserer Natur sind.49 2,36 Wenn [bereits] unsere Natur niemals durch diese Begriffe begriffen oder verstanden werden kann, obwohl sie nicht negierend, sondern affirmierend50 verstanden und ausgesagt werden, wie soll dann Gott von dem her, dass [er] ›leidensunfähig‹, ›unsterblich‹, ›nichtzusammengesetzt‹, ›unsichtbar‹ und solcherlei [ist], erkannt werden, so dass [diese] nicht affirmierend, sondern negierend verstanden und ausgesagt werden? Denn wir 〈versuchen〉E nicht zu zeigen, was Gott nicht ist, sondern vielmehr, was er ist. 2,37 Denn wenn diese [Begriffe] bei |C 200| Gottes Natur bezeichnen, was er nicht ist, und [wenn] ein jedes Geschaffene und Erschaffene [etwas] nicht ist, dann ist folglich ein jedes Geschaffene und Erschaffene eine Bezeichnung der göttlichen Natur.51 2,38 Aber die göttliche Natur ist 48 Im Syrischen das Substantiv gedšā, »Akzidens«, abgeleitet von gdš, »wider fahren«, »zustossen« (vgl. gr. συμβεβηκός, das »Zustossende«, »Zutreffende«). Um den Übergang vom alltäglichen Sinn (»Widerfahrnisse«) zum logisch-technischen Sinn in der Folge klarzustellen, übersetze ich hier, quasi hen dia dyoin, »widerfahrende Akzidenzien«. 49 Timotheos verschweigt hier, dass die menschliche Natur sehr wohl definiert werden könnte, wenn man noch den Begriff »Lebewesen« resp. »lebendig« dazunimmt, vgl. Porph Is 11,1–13 sowie Is 10,12f: ἀλλ᾿ αἱ μὲν τοῦ θνητοῦ καὶ τοῦ λογικοῦ διαφοραὶ συστατικαὶ γίνονται τοῦ ἀνθρώπου — »aber die Unterscheidungsmerkmale ›sterblich‹ und ›sprach-denkbegabt‹ werden konstitutiv für den Menschen«. Die porphyrianische Definition des Menschen wird unten in 40,4,9 aufgegriffen. 50 Aristoteles, Hermeneutik 5 (17a,23f). 51 Der Syllogismus ist sehr tückisch formuliert. Erstens ist die Schlussform falsch: Nichtprädikation kommt Gott zu. Nichtprädikation kommt Geschaffenem zu. Also kommt Geschaffenes Gott zu. Zweitens werden die eigentlichen Prädikate, welche über das betreffende Prädizierte ausgesagt werden, ausgelassen und nur mitgedacht: Die Prädikate, welche auf Gott zutreffen (beispielsweise »unerschaffen«, »ewig«) sind aber de facto gerade nicht dieselben wie diejenigen, welche auf das Geschaffene zutreffen (beispielweise »erschaffen«, »vergänglich«). Es liegt also gar kein gemeinsamer Mittelterm vor! Aristoteles
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unerschaffen und unendlich und ewig, dies alles ist geschaffen und endlich und unterliegt einem Anfang. Doch man kann nicht durch die geschaffene Natur die unerschaffene, durch die endliche [Natur] die unendliche und durch die [Natur], die einem Anfang unterliegt, die anfangslose 5 [Natur] der Natur nach bezeichnen. 2,39 Also vermag dies alles folglich nicht, die göttliche Natur dem Wesen nach52 zu bezeichnen. Folglich also wird 〈dies〉 nicht durch seine [Begriffe], sondern durch unsere 〈disputiert〉E53 und bezeichnet.« |C 201| 3,1 Jener Logiker sagt mir: »Es gibt aber andere [Begriffe], die nicht 10 〈unsere〉, sondern vielmehr seine sind und nicht verneinend, sondern bejahend54 sind und [so] von Gott ausgesagt werden.« Ich sage ihm: »〈Welche〉E sind dies?« 3,2 Er sagt mir: »Wir benennen Gott als ›Sehenden‹, als ›Hörenden‹, als ›Erkennenden‹ und als ›Wissenden‹, und man bekennt ihn als ›Schöpfer‹, ›Vorsorger‹ und als anderes solches55. Wenn 15 〈es angemessen ist〉56, jede Natur aufgrund von dem zu bezeichnen, was sie ist, und [wenn] Gott all diese [Prädikate] ist, dann bezeichnen sie folglich Gottes 〈Natur〉57.« 3,3 Ich aber sage zu ihm: »Ist er ›Sehender‹, |C 202| ›Hörender‹, ›Erkennender‹, ›Wissender‹ und ›Schöpfer‹, wobei 〈Gottes Natur〉E [noch] etwas anderes ist, oder 〈verstehst〉Κ du diese 1
würde zudem einwenden, dass »ist« ohne Prädikate nicht als Oberbegriff verwendet werden darf: »Weder ›Eines‹ noch ›ist‹ kann Gattung von [all] dem sein, was ist.« (Metaphysik B3, 998b,22) Drittens formuliert Timotheos nicht in der aristotelische Normalform »A kommt B zu« (oder wenigstens »A ist B«), sondern verwendet Verben, welche den logischen Zusammenhang zusätzlich verschleiern. Schliesslich mag eine existenziale Bedeutung von Sein mitschwingen, dass den Geschöpfen kein eigentliches beständiges Sein zukommt. — Die Übersetzung von Cheikho (Langage, S. 199f) fasst die zweite Prämisse syntaktisch und inhaltlich falsch auf: »En effet, si ces noms montraient ce que la nature de Dieu n’est pas, s’en suivrait que toute chose ne serait pas faite et créée! Donc toute chose faite et créée montre la nature divine.« 52 Man beachte, wie Timotheos »Natur« und »Wesen« in gleicher Bedeutung verwendet. 53 Ergänzung der Elias-Rezension. Mir schiene ein sinnverwandtes Wort zu »bezeichnet« stimmiger (etwa )ܡܫܘܝܕܥ, aber offenbar ist das Wortende ܪܫin Bagdad 509 (erste Hand) gesichert. Die Bedeutung »disputieren« wird allerdings von 40,2,5 her verständlich. 54 Hier die genuin syrischen Begriffe »( ܡܪܝܡܢܐܝܬwegnehmend«, »verneinend«) und »( ܣܝܘ�ܡܐܝܬsetzend«, »bejahend«). 55 Im Syrischen wörtlich: »und den Rest der übrigen derartigen [Dinge]«, vgl. zu der für unser Sprachgefühl hypertrophen Formulierung etwa ep 36,4,22 (Zitat des 63. Kanon des Marūthā von Maipherkat). 56 Lücke in den Handschriften. Cheikho (Langage, S. 283) schlägt als Konjektur ܘ�ܠܐ vor. Der Begriff begegnet tatsächlich in disp 1,1. Mir scheint das weitaus häufigere ܦܐܝܐ angemessener (vgl. zu den Katalipomena von ܦܐܐep 34,2,49; 34,3,58.60f.77; 34,4,22; 34,6,13; 34,7,26; 35,2,29; 35,3,10.18; 36,1,48; 36,3,10; 42,7,13; 56,4). 57 Lücke in den Handschriften; Konjektur von Cheikho (Langage, S. 284).
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[Bezeichnungen] als seine Natur58 selbst?« »Wie«, 〈sagt er〉V59, »meinst du ›diese [Bezeichnungen]‹?« 3,4 Ich sage ihm: »Ist Gottes Natur [mit] Sehen, Hören und Erkennen [identisch] oder ist seine Natur von Hören, Sicht60 und Erkennen unterschieden?« Er sagt mir: »Seine Natur selbst ist ›hörend‹, ›sehend‹, ›erkennend‹ und ›erschaffend‹.« 3,5 Ich sage ihm: »Ein jeder von diesen genannten Termini61 kann auf drei Arten verstanden werden.« »Wie [das]?« sagt er. Ich sage ihm: »Erstens die Individualität [d. h. Person]62, die ›hörend‹ ist, dann das Gehörte und schliesslich dazwischen das Hören. Das Hören ist nämlich zwischen dem Hörenden und dem Gehörten, das Sehen zwischen dem Sehenden und dem Gesehenen, das Erkennen mitten zwischen dem Erkennenden und dem Erkannten und das Wissen zwischen dem Wissenden und dem Gewussten. |C 203| Verhält es sich damit [so] oder nicht?« Er sagt mir: »So ist es.« Ich sage ihm: »Sowohl bei uns als auch bei Gott oder nicht?« Er sagt mir: »Sowohl bei uns als auch bei Gott.« 3,6 Ich sage ihm: »Geht Erkenntnis dem, was erkannt wird, voran, Wahrnehmung dem, was wahrgenommen wird, Sehen dem, was gesehen wird, Schöpfung dem, was geschaffen wird, oder nicht?« Er sagt mir: »In der Aussage über jedes Einzelne gehen sie voran, doch in der allgemeinen Aussage gehen sie nicht voran.« Ich sage ihm: »Erhelle mir das Gesagte. Die Frage ist aristotelisch.« 3,7 Er sagt mir: »›Die »In-Bezug-auf-etwas« scheinen« nämlich »der Natur nach gleichzeitig zu sein, und bei vielen [Dingen] ist das wahr‹ (Kat 7b,15f), aber bei |C 204| den je einzelnen [Dingen] ist es nicht wahr.63 3,8 Wenn man es [so] sagen will: In allgemeiner Rede Lücke in den Handschriften; Konjektur von Cheikho (ebenda). ܿ Die Wortdoppelung ܐܡܪ ܐܡܪ (einmal mit Partizippunkt) findet sich nur in Handschrift V. Sie kennzeichnet aber in sinnvoller Weise den Sprecherwechsel. 60 Im Syrischen Wortvariante zu vorher. 61 Im Syrischen steht das griechische Lehnwort leksīs, vgl. gr. λέξις. 62 Hier verwendet Timotheos »( ܩܢܘ�ܡܐIndividualität«) wie in ep 48,5f in der alltäglichen Bedeutung unseres Begriffs »Person«. Erst ab 40,5,23 wendet er den Begriff direkt auf die göttlichen Individualitäten an. — Man beachte, dass hier in der Übersetzung »Individualität« ( )ܩܢܘ�ܡܐnicht das Substantiv zu »individuell« ( )ܝܚܝܕܝܐist (vgl. dazu Heimgartner, CSCO 662, S. XXXIV–XXXV). 63 Cheikho missversteht die Kategorie der Relation (hier im Plural: ܗܠܝܢ ܕܠܘܬ ܡܕܡ, »die ›In-Bezug-auf-etwas‹«) als Proprietäten (»les propriétés d’une chose«). Er übersetzt: »Il me dit: on pense que les propriétés d’une chose existent simultanément par nature. Cela est vrai pour les choses plurielles (sagguiāṯā); mais pour les choses singulières, cela n’est pas vrai.« Da er das Aristoteleszitat nicht erkennt, konstruiert er einen Gegensatz von Singular und Plural statt von Einzelnem und Allgemeinem (vgl. 3,8 und 3,9). Im Folgenden erkennt er die Textverderbnis ( ܕܟܝܢܐstatt richtigem )ܒܟܝܢܐnicht und behilft sich mit der Übersetzung »spontané«: »Si quelqu’un dit selon le langage commun et spontané 58
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sind [die ›In-Bezug-auf-etwas‹] der Natur 〈nach〉64 gleichzeitig und untrennbar — denn die Natur besitzt in sich [zwar] alle ›In-Bezug-aufetwas‹ gleichzeitig, aber [nur] der Möglichkeit nach —, doch in eigentümlicher Rede über jedes Einzelne sind sie nicht gleichzeitig. Sie waren nämlich erkennbar und wahrnehmbar65, auch bevor [beispielsweise] Sokrates66 [existierte], während doch er [für sich] allein [genommen] in eigentümlichem Sinn nicht Erkennender und Wahrnehmender war. 3,9 Bei der Natur und beim Allgemeinen sind Erkennendes und Erkanntes, Wahrnehmendes und Wahrgenommenes gleichzeitig, bei jedem Einzelnen aber sind sie nicht gleichzeitig; bei Sokrates [beispielsweise] sind Erkennendes und Erkanntes, Wahrnehmendes und Wahrgenommenes nicht gleichzeitig.«67 3,10 »Wie erklärst du dies?«, sagte ich ihm. |C 205| Dieser Weise sagt mir: »Wie nämlich natürliche Samen der Möglichkeit nach ein jedes gleichzeitig besitzen, der Wirklichkeit nach jedoch nicht gleichzeitig, sondern nach und nach die Wirklichkeiten der Möglichkeiten besitzen, so auch die Natur: Der Möglichkeit nach [und] insgesamt hat sie alle In-Bezug-auf-etwas gleichzeitig, doch der Wirklichkeit nach und bei jedem Einzelnen besitzt sie diese In-Bezug-auf-etwas nicht zugleich und nicht gleichzeitig.«68 3,11 Doch ich sage ihm: »Die [Begriffe] 〈›jedes Einzelne‹〉69 und ›allgemein‹ müssen beiseite gelassen werden, denn das ist auch [gar] nicht das Thema unserer Rede. Doch was Gott betrifft, wie du sagst: Nennst du ihn gleichzeitig Erkennenden und Erkannten, Subjekt und Objekt seines Tuns oder in anderer Weise?« Er sagt mir: »All diese (dakhyānā), que ces choses existent simultanément et inséparablement, (cela veut dire que) la nature possède, en puissance, en elle même, les propriétés d’une chose simultanément.« 64 Ich konjiziere »der Natur nach« ( )ܒܟܝܢܐstatt »der Natur« ( )ܕܟܝܢܐgemäss dem vorangegangenen Aristoteleszitat. 65 Beachte im Syrischen die Konstruktion mit passivem Partizip plus Seinsverb zur Wiedergabe des modalen (potenzialen) Sinnes der griechischen Verbaladjektive ἐπιστητός (ab Kat 7b,23) und αἰσθητός (ab Kat 7b,37), so auch von Cheikho (Langage, S. 204) richtig übersetzt (»en puissance d’être connues et senties«). 66 »Sokrates« ist häufiges Beispielwort in den Kategorien (Kat 13b,14–30 und 14a,9– 14 je passim) und der Hermeneutik (17b,28f; 18a,2; 20a,25f; 21a,2). 67 Vgl. zu 3,8f die unmittelbar folgenden Ausführungen des Aristoteles in Kat 7b,16– 8a,12 zu den beiden hier genannten Themen ἐπιστήμη (Erkenntnis, Wissen) und αἴσθησις (Wahrnehmung). 68 Vgl. zum Schema von Möglichkeit und Wirklichkeit in Brief 40 auch 4,23–28; 5,24; 5,39. 69 Ich konjiziere »jedes Einzelne« ( )ܕܟܠܚܕin Analogie zum Vorhergehenden. Die Handschriften lesen »das Deine« ()ܕܝܠܟ. — Mit dem unmittelbar folgenden Begriff »allgemein« ( )ܘܕܓܘܐnimmt Timotheos offenbar in entsprechender Weise das in 40,3,10 vorangegangene »insgesamt« auf.
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[Bezeichnungen] von Gott ›sind der Natur nach gleichzeitig‹ (Kat 7b,15).« 3,12 Doch ich sage ihm: »Ist Gott |C 206| ewig ›Sehender‹, ›Erkennender‹, ›Hörender‹, ›Wissender‹ und ›Erschaffender‹ oder nicht ewig?« Er sagt mir: »Ewig.« 3,13 Ich sage ihm: »Wenn Gott ewig ›Erkennender‹, ›Wissender‹, ›Sehender‹ und ›Hörender‹ ist und [wenn] jeder Erkennende auch ein Objekt des Erkennens erkennt, jeder Wissende ein Objekt [seines] Wissens weiss, jeder Sehende und Hörende ein Objekt [seines] Sehens und Hörens sieht und hört, dann besitzt Gott folglich ewig gleichzeitig das Erkennen und das Objekt [seines] Erkennens, gleichzeitig das Sehen und das Objekt [seines] Sehens.« Mein Gegner sagt mir: »Es ist so, wie du es gesagt hast.« 3,14 Doch ich sage ihm: »Und was ist das Objekt des Erkennens und des Sehens, das mit dem Erkennenden und dem Sehenden ewig gleichzeitig existierte, wenn Gott also nicht manchmal Nichtsehender und Nichthörender ist?« |C 207| Unser Kampfesgegner sagt mir70:»Gott sah und erkannte die Geschöpfe [schon] ewig auch vor ihrer Erschaffung.« 3,15 Doch ich sage ihm: »Hat Gott also [allein] das Sehen und das Erkennen 〈der Geschöpfe〉71 und nichts mehr ausser diesen ewig besessen? Wenn Gott nämlich das Erkennen und das Sehen der Schöpfung ewig besessen hat und [wenn] die Schöpfung einem Ende und einer Begrenzung unterliegt, dann hat folglich auch Gottes Erkennen und Sehen ein Ende und eine Begrenzung. 3,16 Wenn aber Gottes Erkennen und Sehen ohne Ende ist und [wenn] die Geschöpfe nicht ohne Ende sind, dann hat Gott folglich ein Erkennen und ein Sehen ausser demjenigen der Schöpfung, eines, das wie er ohne Ende ist.« 3,17 Der Bewundernswerte sagt mir: »Ein unendlicher Erkennender bedarf eines unendlichen Erkennens wie auch umgekehrt ein endlicher Erkennender ein |C 208| endliches Erkennen erfordert. Aber was ist das Objekt des Erkennens und des Sehens, das wie das Erkennen und der Erkennende ohne Ende ist?« 70 Cheikho (Langage, S. 207 Anm. 27) erwägt beim Zusammenstossen von Plural (»unser«) und Singular (»mir«) ein Versehen des Kopisten. Das harte Zusammentreffen von Singular und Plural findet sich jedoch auch anderswo, etwa für die 2. Person in disp 9,114: »Was sagst du, o König der Könige: Wenn Eure Majestät irgendein Haus hat, und Ihr wollt es einreissen…« Die allerdings nicht ganz vergleichbare Formulierung »unser siegreicher König sagte mir« findet sich in Varianten passim in der Disputation (vgl. etwa 2,3.7.8; 3,1 u. v. a.). ̈ 71 Gemäss der Fortsetzung konjiziere ich »der Geschöpfe« ()ܕܒܖܝܬܐ statt »in dieser« ( )ܕܒܗܢܐin den ursprünglichsten Textzeugen. Die Elias-Rezension bleibt näher am überlieferten Text und ändert nur einen Buchstaben: »( ܕܒܗܘܢܐder Vorstellung [erg.: der Schöpfung]«). Diese Lesart ergibt allerdings auch einen guten Sinn. Meine Konjektur scheint mir vom Vorangehenden und Folgenden her noch stringenter.
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4,1 Ich aber entgegnete ihm: »Jetzt muss dies beiseite gelassen werden und etwas anderes untersucht werden, was [bisher] beiseite gelassen wurde.« Der wundervolle Wettkampfgegner sagt mir: »Was ist es, das der Untersuchung würdig ist?« 4,2 Ich aber sage ihm: »Das, was [bereits] vorgegeben worden ist: dass Gottes Natur ›hörend‹, ›erkennend‹ und so weiter ist. Denn wenn Gottes Natur ›hörend‹, ›sehend‹ und ›erkennend‹ ist und [wenn] jedes Hörende, Sehende und Erkennende [auch] Sinnesorgane, [also] Sehen und Erkennen hat, dann hat folglich Gottes Natur Sinnesorgane und Erkennen.«72 4,3 Er, der mit mir debattiert, sagt mir: »Es ist nicht richtig bewiesen worden.« Ich sage ihm: »Wie [das]?« Er sagt mir: »Es hat nämlich nicht jeder Sehende und Hörende Sinnesorgane. Wie auch die himmlischen Mächte keine Sinnesorgane haben, aber Sehen und Hören haben73, genauso sagt man auch von Gott dem Allherrscher74, dass er zwar |C 209| Hörender und Sehender ist, nicht aber Sinnesorgane hat.« 4,4 Doch ich sage ihm: »Ob Gott Sinnesorgane hat oder keine hat, das zeigst du in beiden Fällen75, indem du von Geschöpfen und Handlungen ausgehst.« Er sagt mir: »Es gibt keinen anderen Weg als diesen.«76 4,5 Doch ich sage ihm: »Ist also Gottes Natur etwas, und [sind] diejenigen [Bezeichnungen], die sich auf die Natur beziehen, wie zum Beispiel Hören, Sehen und Wissen je etwas anderes?« Er sagt mir: »Es scheint mir, dass das so ist.«77 4,6 Ich aber sage ihm: »Wenn Gottes Natur etwas Einfaches ist, die Fähigkeiten78, die sich auf sie beziehen und die ihrigen sind, je etwas anderes sind, ist dann Gott etwa zusammengesetzt wie ein bestimmtes Wesen, [seine] Fähigkeiten und seine Beschaffenheiten?« Mein Gesprächspartner sagt mir: »Das kann nicht sein.« |C 210| 4,7 Ich aber sage ihm: »Wenn wir ›Sehender‹, ›Wissender‹ und ›Hörender‹ sagen, genügen [dann] diese Bezeichnungen ohne Hinzufügung, um ein bestimmtes Wesen oder [eine bestimmte] Natur zu bezeichnen?« (vgl. Kat 3a,18–20) Mein Gegenüber sagt: »Nein.« 4,8 Ich aber sage ihm: »Und mit Hinzufügung irgendeines Nomens79, ich sage zum 72 In der Konklusion fehlt »Sehen«. Vgl. zu solchen Unausgeglichenheiten auch ep 34,6,35 und zur Stelle Heimgartner, CSCO 662, S. 58 Anm. 273 (mit weiteren Belegen). 73 Vgl. dazu auch unten 40,5,4. 74 Vgl. disp 19,24 (dort von Hārūn), ep 50,15.18. 75 Vgl. zu ܟܢ ܟܢauch ep 35,5,47. 76 So auch der Aristoteliker oben in 40,2,17. 77 Anders der Aristoteliker oben in 40,3,3f und unten in 4,12. 78 ̈ Vgl. zum Begriff ܚܝ�ܠܐ (»Fähigkeiten«, »Potenzialitäten«) auch disp 16,64 und 16,97f mit den Ausführungen in Heimgartner, CSCO 632, S. 77 Anm. 241. 79 Zur präzisen Bedeutung von ܫ�ܡܐals »Nomen« vgl. ep 36,2,14 sowie ferner 36,1,15.
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Beispiel ›Engel‹ oder ›Mensch‹: Genügen sie [dann], um uns die Natur zu bezeichnen und zu beschreiben?«80 Er sagt: »Ja.« 4,9 Ich aber sage ihm: »Es ist also, wie ich vorher gesagt habe: Bei der erkennenden Natur 〈ist〉81 ›sehend‹, ›erkennend‹, ›hörend‹ etwas anderes als die Natur. Wenn ich nämlich ›lebendig, vernünftig, sterblich‹ sage, brauche ich nichts [Weiteres] zur Bezeichnung der Natur82, doch was die [Begriffe] ›sehend‹, ›hörend‹ und ›erkennend‹ betrifft, verstehe ich, wenn ich ›sehend‹, |C 211| ›hörend‹ und ›erkennend‹ sage, [darunter] niemals eine lebendige Natur ohne Hinzufügung eines Nomens oder einer Bestimmung. Genauso kann ich auch aufgrund der Begriffe ›hörend‹, ›sehend‹ und ›erkennend‹ nie die Natur selbst erfassen und verstehen, weder bei Gott noch bei etwas anderem. 4,10 Wir wollen fragen: Wer ist denn der, der ›hörend‹ ist, und was ist das, was zum ›Sehenden‹ gehört, wenn also auch ebendiese [Begriffe] weder mit der Natur identisch sind noch wiederum die Natur mit ebendiesen [Begriffen identisch ist] noch sie durch Zusammensetzung der Beschaffenheit aufeinander bezogen sind? Denn Gott ist nicht zusammengesetzt. 4,11 Wie soll denn deiner Meinung nach Gott von diesen [Begriffen] ausgehend im Sinne der Natur bezeichnet werden? Und [dies] selbst wenn diese Termini nicht in negierender Weise, sondern in affirmierender Weise erfasst und verstanden werden?« 4,12 Der Bewundernswerte sagt mir: »War denn Gott nicht [seit je]83 im Sinne der Natur sehend, hörend und erkennend und alle anderen solchen [Eigenschaften]?« 4,13 Ich aber sage ihm: »Wenn Gott im Sinne der Natur sehend, hörend und |C 212| erkennend ist, und [wenn] jeder, der diese [Eigenschaften] im Sinne der Natur hat, Sinnesorgane [im Sinne der Natur] hat, dann hat folglich auch Gott im Sinne der Natur Sinnesorgane. 4,14 Wenn Gott ferner im Sinne der Natur sehend und hörend ist, und [wenn] jeder Hörende und Sehende etwas ausserhalb von sich sieht und hört, dann sieht und hört folglich auch Gott etwas ausserhalb von sich; und wenn Gott etwas ausserhalb und innerhalb von sich sieht und hört und wenn jeder, der etwas ausserhalb und innerhalb von sich sieht und 80 Vgl. zu »um uns die Natur zu bezeichnen und abzubilden« (ܕܢܝܩܢܘܢ ܠܢ ܟܝܢܐ )ܘܢܨܘܪܘܢauch ep 42,4,6: »sie formen und bilden [ihr] doch die Art und [deren] Gestalt ab« (hier mit den Verben )ܨܝܪܝܢ ܘܓܒ�ܠܐܝܢ. 81 Lücke in den Handschriften; Konjektur von Cheikho (Langage, S. 289). 82 Anders als in 40,2,35 kommt hier die Definition zustande, weil Timotheos jetzt die richtigen Begriffe verwendet (vgl. oben Anm. 49 zur Stelle). 83 Im Deutschen zur Verdeutlichung davon, dass die Handlung in die Gegenwart andauert. Vgl. zum Perfekt für andauernde Zustände oder wiederholte Handlungen Nöldeke, Grammatik, S. 194 § 258.
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hört, endlich ist, dann ist folglich auch Gott endlich. 4,15 Aber Gott ist nicht endlich. Doch jeder, der etwas ausserhalb von sich und innerhalb von sich sieht, ist endlich und zusammengesetzt. Dann hört und sieht Gott folglich nichts ausserhalb von sich und innerhalb von sich.« 4,16 Der im Disputieren Kundige gab mir zur Antwort: »Aber ich kann niemals glauben, dass Gott nicht im Sinne der Natur Hörender, Erkennender und Sehender wäre!« 4,17 Doch ich entgegnete ihm: »Ist er diese oder in diesen als Ganzer oder [nur] teilweise? Wenn [er sie nur] teilweise [ist] und [wenn] jeder Teil |C 213| ein Zusammengesetztes bezeichnet, ist folglich Gott zusammengesetzt, wenn er teilweise sieht, teilweise hört [und] teilweise handelt. 4,18 Wenn Gott aber nicht teilweise, sondern als Ganzer sieht, hört und handelt84, welches von beiden [gilt dann wiederum]: Sieht er sich selbst oder nicht? 4,19 Wenn er sich selbst sieht, welches von beiden [gilt dann]: Wird er ebendadurch, dass er sieht, gesehen oder sieht er durch etwas und wird durch etwas anderes gesehen? 4,20 Wenn er dadurch, dass er sieht, gesehen wird und er als Ganzer sich als Ganzen sieht und als Ganzer von sich als Ganzem gesehen wird, dann ist derselbe folglich [zugleich] sichtbar und unsichtbar, und [zwar] in derselben [Hinsicht] und nicht in [je] verschiedenen [Hinsichten]85, was nicht sein kann. 4,21 Wenn er aber auf eine [Art] sich sieht und auf eine andere von sich gesehen wird, und wenn die ›eine und andere‹ [Art] Teile sind und die Teile ein Zusammengesetztes bezeichnen, dann ist Gott folglich zusammengesetzt, wie gezeigt wurde. 4,22 |C 214| Wenn er aber nicht seit ewig sich selbst sah — denn er ist als Ganzer das Sehen oder Sehender, wenn du [so] sagen willst — und [wenn zweitens] das Sehen sich nicht [selbst] sieht und kein anderes Existierendes mit ihm [seit ewig] zusammen war, das von ihm als Unendliches gesehen wurde und das er [als solches] sah: Wie sollte er dann also vor der Grundlegung aller Äonen Sehender und nicht vielmehr Nichtsehender [gewesen sein], Hörender und Erkennender und nicht vielmehr Nichthörender und Nichterkennender gewesen sein? 4,23 Dieser starke [Mann] sagt mir: »Der Möglichkeit nach und im Sinne der Natur besass er all dies in ewiger Weise, der Wirklichkeit nach jedoch erschienen [diese Eigenschaften] 84 Cheikho (Langage, S. 213) versteht den zweiten Teilsatz als Apodosis. Die Syntax ܿ (»zwar… aber«) zeigt, dass die Satzperiode weiterläuft. Des Weiteren mit ܕܝܢ... ܡܢ verweist er auf parallele Formulierungen in ep 2,1,5–12 (ebenda Anm. 29). Dort geht es allerdings nicht um die Frage, ob Gottes Sehen gänzlich oder teilweise ist, sondern um die Frage, ob die Menschen Gott, wenn überhaupt, gänzlich oder teilweise erkennen können. 85 Syrisch wörtlich: »in der einen und anderen [Weise]«.
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nach der Grundlegung der Geschöpfe.«86 4,24 Ich aber sagte ihm: »Wenn jede Wirklichkeit das Vollenden einer naturgemässen Möglichkeit ist und [wenn] jede Möglichkeit geringer als die Wirklichkeit ist, dann also befand sich Gott in einem Mangel, bevor er die Schöpfung aus dem Nichtsein herausführte, und erschien nach der Grundlegung der Geschöpfe aus dem Nichtsein in grösserer Vervollkommnung. 4,25 Und wenn ferner jede Möglichkeit unvollkommen und |C215| unvollendet ist und [wenn] Gott all diese Möglichkeiten ewig besass, dann war Gott folglich ewig unvollkommen und unvollendet. 4,26 Und wie er ewig der Möglichkeit nach Vollbringer, Richter, Lenker war, in der Zeit aber der Wirklichkeit nach, so war er auch ewig der Möglichkeit nach Sehender, Hörender und Erkennender und wurde es danach [auch] der Wirklichkeit nach, wie das neugeborene Kind der Möglichkeit nach Musiker ist, nicht aber der Wirklichkeit nach Musiker ist87, oder wie das Eisen der Möglichkeit nach Schwert ist und heisst, nicht aber der Wirklichkeit nach. 4,27 Also ist Gott deiner Rede zufolge in der Ewigkeit der Wirklichkeit nach Nichtsehender, Nichterkennender und Nichthörender, der Möglichkeit nach Sehender, Hörender und Erkennender, und [erst] in der Zeit war und wurde er [dies] der Wirklichkeit nach, was zu sagen frevelhaft und lästerlich ist. Denn Gottes Natur ist in jeder Hinsicht ewig vollendet und vollkommen.« 4,28 Dieser Bewundernswerte und Wunderbare sagt mir: »Wenn Gott in Ewigkeit der Wirklichkeit nach Erkennender, Sehender und Hörender war und [wenn] jeder Erkennende ein [Objekt] erkennt, das erkannt wird, und |C 216| jeder Sehende ein [Objekt] sieht, das gesehen wird88, dann müssen folglich auch das, was erkannt wird, und das, was gesehen wird, ewig sein, und [dann] können auch die Geschöpfe seit ewig existieren, denn ›die »In-Bezug-auf-etwas« sind gleichzeitig‹ (Kat 7b,15).«89 4,29 Ich aber antwortete ihm: »Wenn es Geschöpfe sind, die er sieht und erkennt, können sie nicht Ewige sein, denn kein einziges Geschöpf ist ewig. 4,30 Wenn es aber nicht Geschöpfe sind und [wenn] jedes Unerschaffene und Ungeschaffene auch ewig ist, dann sieht also 86 Zum Schema von Möglichkeit und Wirklichkeit hier in 4,23–28 vgl. in Brief 40 auch 3,10; 5,24; 5,39. 87 Vgl. dazu das Beispiel, dass das neugeborene Kind der Möglichkeit nach schriftkundig ist, in folgenden Isagogekommentaren: Elias 85,4–6; David 189,27; 191,23–26; Ammonios 102,9f; 104,16–18; Kurzkommentar 315f (Moraux). 88 Im Syrischen verschachtelt formuliert: »[wenn] jeder Erkennende ein Erkanntes und jeder Sehende ein Gesehenes erkennt und sieht«. 89 Cheikho (Langage, S. 216) übersetzt falsch: »car les propriétés d’une chose existent avec la chose même.« Vgl. dazu oben Anm. 63 zu 40,3,7.
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der Ewige die Ewigen, erkennt der Unendliche die Unendlichen90 — ein Erkennen und Sehen, das nicht in endlichen Geschöpfen, sondern vielmehr in seiner Natur und in seinem Sein besteht.« |C 217| 4,31 Er sagt mir: »Und wer sind diese Ewigen, 〈die〉91 der Ewige ewig in unendlicher Weise erkennt und sieht?« Ich aber sage ihm: »Ich meine den Sohn und den Geist, der aus dem Vater hervorgeht.« 4,32 Er aber sagte mir: »Wenn Gott [sie] zeugt und hervorgehen lässt, ist er jedenfalls älter als sie.« Ich aber sage ihm: »Du darfst nicht ohne Beweis reden.« |C 218| Er sagt mir: »Dafür ist auch überhaupt kein Beweis erforderlich. Denn jedes Erzeugte ist jünger als sein Erzeuger.« 4,33 Ich aber sage ihm: »Sind [sie] Vater und Sohn, Erzeuger und Erzeugtes, Ursache und Verursachtes aufgrund [der Kategorie] der ›In-Bezug-auf-etwas‹ oder nicht?«92 »Ja«, sagt er, »sie [sind dies] aufgrund [der Kategorie] der ›In-Bezug-auf-etwas‹.« 4,34 »Und gehen die ›In-Bezug-auf-etwas‹ einander voran oder ›sind sie der Natur nach gleichzeitig‹ (Kat 7b,15)?« Er sagt mir: »Es wurde vorher [bereits] gezeigt, dass sie der Natur nach 〈gleichzeitig〉 sind.« 4,35 Ich aber sage ihm: »Wenn der Vater und der Sohn aus [der Kategorie] der ›InBezug-auf-etwas‹ [sind], und [wenn] ›die »In-Bezug-auf-etwas« der Natur nach gleichzeitig [sind]‹ (Kat 7b,15), dann sind folglich der Vater und der Sohn der Natur nach gleichzeitig. Aber diejenigen [Entitäten], die der Natur nach gleichzeitig sind, gehen einander nicht [zeitlich] voran. Dann geht folglich der Vater dem Sohn nicht voran noch [ist] der Sohn der Natur nach oder der Zeit nach jünger als der Vater.« |C 219| 5,1 Der Disputationspartner aber sagt mir: »Wenn Gott zeugt und ausgehen lässt und [wenn] jeder, der zeugt und ausgehen lässt, ein Körper ist, [dann] ist Gott folglich ein Körper. Wenn aber Gott kein Körper ist und [wenn] jeder, der zeugt und ausgehen lässt, ein Körper ist, dann lässt Gott also auch nicht ausgehen noch zeugt er.« 5,2 Ich aber sage ihm: »Worauf beruht diese Beweisregel93? Auf etwas Geschaffenem oder Ungeschaffenem?« Er sagt mir: »Auf [etwas] Geschaffenem.« Ich sage ihm: »Wandtest du sie auf etwas Geschaffenes oder [etwas] Ungeschaffenes an?« Er sagt mir: »Auf [etwas] Ungeschaffenes.« Ich 90 Die präpositionale Formulierung ܠܕ�ܠܐ ܣܘܦist numerisch indifferent. Ich übersetze mit Plural aus Analogie zu den vorhergehenden »Unendlichen«. — Vgl. zu diesem Problem auch unten 40,7,11. 91 Der überlieferte syrische Text lautet: »Und wer sind diese Ewigen: derjenige, der als Ewiger ewig diese ohne Begrenzung erkennt und sieht?« Ich konjiziere den Plural des ܿ »die«) statt des maskulinen Singulars (ܗܘ ܕ, ܿ »der«). Relativums (ܗܢܘܢ ܕ, 92 Cheikho (Langage, S. 218) übersetzt hier und im Folgenden wie oben »propriétés« statt »die ›In-Bezug-auf-etwas‹«, vgl. dazu oben Anm. 63 zu 40,3,7. 93 Im Syrischen das Wort qānōnā, »Kanon«, vgl. gr. κανών.
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aber sage ihm: »Dann willst du Beweise der geschaffenen und erschaffenen Natur auf diesen Unerschaffenen und Ungeschaffenen anwenden!« |C 220| 5,3 Er sagt mir: »Aber ›zeugend‹ und ›herausgehen lassend‹ bezeichnen einen Körper.« Ich aber sage ihm: »Wenn Gott sieht und hört und [wenn], was94 sieht und hört, ein Körper ist, dann ist Gott folglich ein Körper. Wenn aber Gott kein Körper ist und [wenn], was sieht und hört, ein Körper ist, dann sieht und hört Gott folglich nicht.« 5,4 Er sagt mir: »Es gibt etwas, was sieht und hört und [dennoch] kein Körper ist.« Ich sage ihm: »Was ist das?« Er sagt mir: »Die unsichtbaren Mächte.«95 5,5 Ich sage ihm: »Sehen, erkennen und hören sie in begrenzter Weise oder in unbegrenzter Weise?« Und er sagt: »In begrenzter Weise.« 5,6 Ich aber sagte ihm: »Wenn Gott sieht und hört und erkennt und [wenn] jeder, der sieht, erkennt und hört, endlich ist, dann ist Gott folglich nicht Sehender, Erkennender und Hörender.«96 |C 221| Er sagte mir: »Gott sieht, erkennt und hört zwar, aber nicht in endlicher Weise und nicht [so], wie Körper [es tun].« Wir aber antworteten ihm: »So zeugt und lässt Gott auch hervorgehen, aber nicht als ein Endlicher und nicht wie ein Körper.« 5,7 Und er sagte mir: »Wenn Gott zeugt und hervorgehen lässt und [wenn] jeder, der zeugt und hervorgehen lässt, entsprechende Körperteile hat, dann hat Gott folglich entsprechende Körperteile. Wenn aber Gott keine [entsprechenden] Körperteile besitzt und [wenn] jeder, der zeugt und hervorgehen lässt, Körperteile hat, dann zeugt Gott folglich nicht und lässt [nicht] hervorgehen.« 5,8 Ich aber antwortete ihm: »Wenn Gott sieht und hört und [wenn] jeder, der sieht und hört, Sinnesorgane97 hat, dann besitzt Gott folglich Sinnesorgane. Wenn aber Gott kein einziges Sinnesorgan besitzt und [wenn] jeder, der sieht und hört, Sinnesorgane98 und ein Ende hat99, dann sieht und hört Gott folglich überhaupt nicht.« 5,9 »Doch Gott«, sagte er mir, »sieht und hört zwar, aber nicht mit Sinnesorganen und nicht in körperlicher Weise wie wir, |C 222| sondern in göttlicher, unendlicher und unerfassbarer Weise.« »Auf dieselbe Weise«, sagte ich ihm, »hat Gott gezeugt und hervorgehen lassen, aber nicht mit Körperteilen und nicht in körperlicher Weise, sondern gänzlich in göttlicher, unendlicher und unerfassbarer Weise.« ܿ für »wer« und für »was« stehen. In diesem Zusammenhang kann das syrische ܗܘ Vgl. bereits oben ep 40,4,3. 96 Der verkürzte Syllogismus setzt implizit voraus, dass Gott nicht endlich ist. 97 Zur Bedeutung von ̈ܖܓܫܐsiehe oben Anm. 18 zu 40,2,10. 98 Ich lese den glatteren Plural mit den Textzeugen TD. 99 In der ersten Prämisse des Syllogismus fehlt »und ein Ende«. 94 95
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5,10 »Doch wenn«, sagt er mir, »Gott zeugt und hervorgehen lässt und [wenn] »zeugend« und »hervorgehen lassend« dem Menschen gleich sind100, dann ist Gott folglich in diesem [Punkt] dem Menschen gleich. Wenn Gott aber dem Menschen nicht gleich ist, ja noch mehr: überhaupt keinem der Geschöpfe [gleich ist], und [wenn] das, dass er [angeblich] zeugen und hervorbringen soll, eine Eigentümlichkeit des Menschen ist, dann hat Gott folglich überhaupt weder gezeugt noch hervorgebracht.« 5,11 Ich entgegnete ihm Folgendes: »Wenn Gott Rede und Geist101 besitzt und [wenn] auch der Mensch Rede und Geist besitzt, dann gleicht Gott dem Menschen. Wenn Gott aber dem Menschen nicht gleicht und [wenn] der Mensch Rede und Geist hat, dann ist Gott folglich überhaupt ohne Rede und ohne Geist.« 5,12 »Doch Gott hat«, sagt er, »Rede wie auch Geist, aber nicht wie ein Mensch, sondern vielmehr wie Gott.« »Ebenso aber«, sagte ich ihm, »hat auch Gott Sohn und |C 223| Geist, aber nicht wie ein Mensch, sondern wie Gott und wie es zu Gott passt. 5,13 Was oder welche [von folgenden drei Aussagen a-c] ist denn mit Gott unvereinbar? [a] Wie er sieht, erkennt und hört, aber nicht wie ein Mensch und nicht wie ein Körper, so hat er auch den Sohn und den Geist gezeugt und hervorgebracht, [aber] nicht wie ein Mensch und nicht wie ein Körper, sondern in göttlicher und unerfassbarer Weise. 5,14 Oder [b]: Es müssen mit der [Aussage], dass er gezeugt und hervorgehen lassen hat, auch [die Bezeichnungen] ›sehend‹, ›hörend‹ und ›erkennend‹ [von ihm] ferngehalten werden, ebenso [die Bezeichnungen] ›Rede‹ und ›Geist‹, die [Bezeichnungen] ›König‹, ›Wissender‹ und ›Starker‹ und überhaupt alle Bezeichnungen und Begriffe, die von uns [stammen], damit Gott nicht uns gleich wird. 5,15 Oder [c]: Wenn diese [Bezeichnungen] nicht aufzuheben sind, sondern in göttlicher und nicht menschlicher Weise aufzufassen sind, dann muss man auch die [Bezeichnung] ›Sohn und Geist‹ mit ihnen zusammen [von ihm] bekennen, wobei sie nicht in menschlicher und nicht in leiblicher Weise, sondern gänzlich in göttlicher und unkörperlicher Weise aufzufassen ist.« 5,16 »Aber bei jenen [Bezeichnungen]«, sagt er, |C 224| »muss man in Bezug auf Gott überhaupt nichts befürchten. Sie machen Gott eher zur Einheit, als dass sie ihn aufteilen. Doch diese [Bezeichnungen] geben Anlass zu sehr grosser Befürchtung: Sie lösen 100 Hier und im Folgenden im Syrischen wörtlich »eine Gleichheit mit dem Menschen« ( ܕܒܪܢܫܐ... )ܕܘܡܝܐ. 101 Vgl. zu den beiden trinitarischen Konzepten Vater–Sohn–Geist und Gott–Rede– Geist Heimgartner, CSCO 632, S. 15f Anm. 64.
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nämlich die Einheit des Gottseins in eine Mehrzahl auf.« 5,17 »Auf dieselbe Weise«, sagte ich ihm, »besteht auch bei jenen [Bezeichnungen] eine Befürchtung, denn sie schliessen Gottes Natur mit einem Ende und einer Begrenzung ein.« Und er fragte mich: »Wie [das]?« 5,18 Ich aber sagte ihm: »Jedes Sehen insgesamt erstreckt sich entweder nach aussen oder nach innen. Doch ›aussen‹ und ›innen‹ sind Enden und Begrenzungen. Und wenn Gott sieht und hört und [wenn] jedes Sehen oder Hören sich nach aussen oder innen erstreckt, dann erstreckt sich folglich auch die göttliche Natur |C 225| in diesen [Tätigkeiten] nach aussen oder innen. ›Aussen‹ und ›innen‹ sind Enden und Begrenzungen. Also hat Gott folglich ein Ende und eine Begrenzung.« 5,19 »Aber Gott«, sagt er, »hat überhaupt kein Ende und [keine] Begrenzung. Aussen und innen sind aber Enden und Begrenzungen. Also erstreckt sich folglich Gott [bei diesen Tätigkeiten] nicht nach aussen und innen, und er sieht und hört nicht im Sinne von Enden und [Begrenzungen durch] Distanzen und Abstände102, sondern in göttlicher Weise.« 5,20 »Genauso«, sagte ich ihm, »hat der Vater Sohn und Geist in ewiger Weise gezeugt und hervorgehen lassen, nicht wie Körper im Sinne einer Vielzahl und ohne dass [dabei] die Einzigkeit der Göttlichkeit sich in eine Vielzahl aufgelöst hätte. 5,21 Es ist, wie wenn ich ›Seele‹ beziehungsweise ›Seele, Rede und Gedanken‹ [sage] — [oder] wenn du ›Mensch‹ insgesamt sagen willst: ›lebendig‹ und ›vernünftig‹, oder [wenn ich] ›Sonne‹ beziehungsweise ›Sonne, Wärme und Licht‹ sage103: [Dabei] habe ich nicht die eine Seele oder [den einen] Menschen in eine Mehrzahl von Seelen oder Menschen aufgelöst noch wiederum die eine Sonne in eine Dreizahl von Sonnen; ich habe |C 226| nämlich das [selbständige] Bestehen und die Einzigkeit und die Einheit der Natur durch die Aussage ausgedrückt, und es hat keine Auflösung und kein Übergang in eine Mehrzahl stattgefunden. 5,22 Genauso ist es auch beim Vatersein, beim Sohnsein und beim Ausgehen oder bei Vater, Sohn und Geist — oder bei Gott, der Rede und dem Geist104, wenn du [so] sagen willst: Ich Vgl. zu ܛܘܚܐdisp 4,60.66 und 18,17. Die verschachtelte syrische Formulierung lautet ungefähr so: »Es ist, wie wenn ich ›Seele‹ oder ›Sonne‹ sage, beziehungsweise ›Seele, Rede und Gedanken‹ im ersten Fall — [oder] wenn du ›Mensch‹ insgesamt sagen willst: ›lebendig‹ und ›vernünftig‹ — und ›Sonne, Wärme und Licht‹ im zweiten Fall.« 104 Hier stehen die beiden Formeln »Vater, Sohn und Geist« und »Gott, Rede und Geist« unmittelbar beieinander wie in disp 19,5, vgl. dazu Heimgartner, CSCO 632, S. 15f Anm. 64 und S. 97 Anm. 309. 102 103
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zeige mit der Formulierung nicht die Auflösung der Einzigkeit der Gottheit in eine Mehrzahl, sondern vielmehr die Vereintheit und die Existenz der Einzigkeit der Gottheit an. 5,23 Denn das [selbständige] Bestehen der ewigen Natur ist diese Individualitäten105, und diese Individualitäten sind das [selbständige] Bestehen der ewigen Natur. Denn man kann ›Natur‹ niemals sehen und erkennen ohne die Individualitäten wie auch wiederum |C 227| ›Individualitäten‹ niemals erkennen und sehen ohne die Natur. 5,24 Und deswegen ist Gottes Natur in ewiger Weise ›sehend‹, ›erkennend‹ und ›wissend‹. Er hat [dabei] nicht etwas ausserhalb seiner Natur gesehen und gehört — das zwar in seinem Erkennen ewig [wäre], der Wirklichkeit nach106 aber [erst entstanden wäre], als er die Schöpfung erschuf —, sondern [er hat] seine eigene Natur in seinen Individualitäten und seine Individualitäten in seiner Natur107 [gesehen und gehört]. 5,25 Denn eine jede der Individualitäten des Gottseins ist ein naturgleicher unbegrenzter Spiegel der anderen108, und 〈eine jede〉109 wird in jeder ohne Begrenzung gesehen und erkannt, sowohl der Natur nach als auch der Erkenntnis und der Ewigkeit nach. 5,26 Denn noch mehr als dass die Rede und der Gedanke einander und der Seele nahe sind110, der Strahl und die Wärme eines |C 228| dem anderen und der Sonne [nahe sind], [oder], ‹wenn› du [so] willst: die Süsse und der Duft einander und dem Apfel [nahe sind]111, sind der Sohn und der Geist miteinander und mit dem Vater vereint, wobei sie in unverwirrbarer Weise ineinander wohnen und sie einer den andern sehen und erkennen mit einem unendlichen und unbegrenzten Sehen und Erkennen, wie es ihrer Natur entspricht.112 105 Der Begriff »( ܩܢܘ�ܡܐIndividualität«) begegnet hier erstmals angewandt auf die göttlichen Individualitäten. In 40,3,5 verwendet Timotheos den Begriff in der alltäglichen Bedeutung von »Person«, vgl. dazu oben Anm. 62 zu 40,3,5. 106 Vgl. zum Schema von Möglichkeit und Wirklichkeit in Brief 40 auch 3,10; 4,23– 28; 5,39. 107 Vgl. zu diesem Gedanken disp 18,13–15. 108 Vgl. die Parallele in disp 18,12: »denn der Sohn und der Geist des Vaters sind ein reiner Spiegel, aber kein fremder Spiegel, sondern ein wesensgleicher [Spiegel], der seiner Natur gleicht und wie er ohne Ende und ohne Begrenzung ist.« 109 Ich konjiziere für die beiden Lücken im Text 〈 〉ܟܠ〉 ܚܕ 〈ܚܕin Entsprechung zur ersten Satzhälfte. 110 Vgl. zur Konstruktion: »aus dem ganzen Apfel wird der Duft gezeugt und geht der Geschmack hervor; sie mischen sich miteinander und mit dem Apfel« (disp 4,56). 111 Vgl. die Triade Geschmack–Duft–Apfel auch in disp 4,56; 18,18; 18,45–47; 19,8, dabei als Variante in der Terminologie in 18,46 »süsser Geschmack« und in 18,47 »Süsse«. 112 Vgl. auch disp 4,51–57 und 18,18 dieselben drei Triaden Rede–Gedanke–Seele, Strahl(Glanz, Licht)–Wärme–Sonne und Geschmack–Duft–Apfel als Vergleich für die Trinität.
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5,27 Denn wie Gott sieht und hört, aber nicht wie die Geschöpfe mit Begrenzung und Einschränkung, so hat Gott auch in ewiger Weise gezeugt und ausgehen lassen, ohne sich in eine Mehrzahl von Göttern aufzulösen.« 5,28 »Und aus welchem Grund«, sagt er113, »[geschieht es, dass], wenn er den Sohn und den Geist zeugt und ausgehen lässt, nicht auch er selbst, insofern [er] Gott [ist], in eine Mehrzahl übergeht und sich [in eine solche] auflöst und [dass] wie der Mensch |C 229| in [mehrere] Menschen so auch er als Gott sich in [mehrere] Götter auflöst und 〈verwandelt〉?« 5,29 »Weil die Gott-Rede nicht aus dem Anfang eines zeitlichen InBewegung-Kommens heraus existiert«, sagte ich ihm, »und sie nicht von dem, was nicht ist, zu dem wurde, was sein sollte114. 5,30 Wenn [erstens] sie nun im Sinne eines zeitlichen In-Bewegung-Setzens begonnen hätte〈n〉115 — er nämlich, zu zeugen und hervorgehen zu lassen, und sie [beide], gezeugt zu werden und hervorzugehen, er [also], sie aus ihrem Nichtsein116 hervorzubringen117, und sie, aus dem, dass sie nicht waren, hervorgebracht zu werden — und [wenn zweitens] dem zeitlichen InBewegung-Kommen notwendigerweise das Wieder-Zur-Ruhe-Kommen und dem Beginnen das Aufhören folgte — denn alles, was in Bewegung kommt, kommt auch wieder zur Ruhe, und alles, was beginnt, hört auch auf und geht zwingend in eine Mehrzahl über wie der Mensch —, so würde notwendigerweise auch die göttliche Natur aufgrund des Beginnens, des In-Bewegung-Kommens, des Aufhörens und des Wieder-ZurRuhe-Kommens |C 230| in eine Mehrzahlformulierung übergehen und sich hinsichtlich dessen, dass sie Gott [ist], aufgrund der Unbeständigkeit, 〈Sterblichkeit〉118 und Unvollkommenheit auflösen. 5,31 Nun aber fängt er weder an noch hört er auf zu zeugen und hervorgehen zu lassen, und sie [beide] wiederum fangen weder an noch hören sie auf, gezeugt zu werden und hervorzugehen, und sie sind gänzlich ohne In-Bewegung-Kommen 113 Die durch das Verbum dicendi unterbrochene Rede formuliert Timotheos hier mit Lamed citationis, so auch 40,6,17. 114 Denkbar wäre auch die syntaktische Gliederung: »und sie nicht von dem, was nicht war, zu dem [wurde], was sein sollte«. 115 Ich konjiziere den Verbplural ܫܪܝܘstatt ܫܪܝin den meisten Handschriften. V bietet eine Lücke; das Wort dürfte demnach in Bagdad 509 beschädigt sein. Der Plural wird sogleich durch »er« und »sie [beide]« expliziert. 116 Syrisch wörtlich: »aus denen, die sie nicht waren«. Die Formulierung ist offensichtlich gleichbedeutend mit der folgenden. 117 Hier verwendet Timotheos »hervorbringen« als Oberbegriff für »zeugen« und »hervorgehen«. Vgl. auch »Früchte« als Oberbegriff für Sohn und Geist in ep 35,2,20f. 118 Ich konjiziere »Sterblichkeit« statt »Unsterblichkeit in den Handschriften, wo wohl aus Flüchtigkeit eine Dreierserie von »Un-« ( )�ܠܐentstanden ist.
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und ohne Wieder-Zur-Ruhe-Kommen; was das Wesen und die Individualitäten betrifft, sind sie ja ewig, beständig und vollkommen. 5,32 Was aber ohne Anfang und ohne Ende das besitzt, was es ist119, das geht nie in eine Mehrzahl über in Bezug auf das, was es ist. Es ist notwendigerweise offensichtlich, dass Gott in Bezug auf das, was er ist, niemals in eine Mehrzahl übergeht. 5,33 Wie sollte er sich also von einem Gott in [mehrere] Götter auflösen und verwandeln?120 Denn Gott ist sowohl dem Wesen als auch den Individualitäten nach ohne In-Bewegung-Kommen und ohne Wieder-Zur-Ruhe-Kommen. 5,34 Was aber ohne In-BewegungKommen und ohne Wieder-Zur-Ruhe-Kommen ist, besitzt seine Existenz in unveränderlicher Weise. Und wenn Gott sein Wesen und seine Individualitäten in unveränderlicher Weise besitzt und [wenn] von jedem, der diese in unveränderlicher Weise besitzt, nicht in |C 231| der Mehrzahl geredet wird, dann ist folglich Gottes Natur nicht in eine Mehrzahl auflösbar. 5,35 Zudem ist Gottes Natur ohne Werden und ohne Vergehen.121 Jeder aber, der ohne Werden und ohne Vergehen ist, ist der Mehrzahl fremd. Also ist Gottes Natur folglich der Mehrzahl fremd.122 5,36 Wenn zudem aber die Mehrzahl in123 den Zahlen und die Zahlen in der Veränderung [bestehen] und [wenn] keine einzige Veränderung in Bezug auf Gottes Natur [besteht], dann gibt es folglich auch keine einzige Mehrzahl in Bezug auf Gottes Wesen und Natur. 5,37 Wenn zudem aber die Mehrzahl in Teilen ist und die Teile im Ganzen sind und ausgesagt werden124 und [wenn] kein [einziges] Ganzes und [kein einziger] Teil in Gottes Natur und Wesen [ist], dann ist folglich auch keine einzige Mehrzahl in Gottes Natur und Wesen zu bedenken und zu benennen.
Vgl. zu »das, was es ist« auch unten 40,6,1–3 mit Anm. 133 zur Stelle sowie 41,2,14f und 41,5,9. 120 Vgl. auch oben 40,5,27. 121 Vgl. den Titel von Aristoteles’ Schrift »Von Werden und Vergehen«, welche Timotheos in ep 42,3,34 ausdrücklich nennt. 122 Wie hier in 40,5,35–44 lässt Timotheos auch in disp 7,31–41 eine staccatoartige Serie von kurzen Argumenten folgen, die mit »zudem« ( )ܬܘܒaneinandergereiht sind. Vgl. auch das dicht gedrängte siebenfache »es erübrigt sich« in ep 42,3,20–30. ̈ ̈ 123 Die Handschriften lesen einhellig ;ܕܡܢܝܢܐ man wünschte sich ܒܡܢܝܢܐ wegen ̈ des sogleich folgenden ܒܫܘܚܠܦܐ. 124 Im Syrischen stehen die Verben in umgekehrter Reihenfolge. Die Umstellung erfolgt um der sprachlichen Klarheit im Deutschen willen. 119
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5,38 Wenn zudem jede Mehrzahl in einer Zahl [ist] und jede Zahl in der Quantität [ist], dann ist folglich jede Mehrzahl in der Quantität. Quantität existiert aber keine einzige |C 232| in Gottes Natur und Wesen. Also existiert folglich keine einzige Mehrzahl in Gottes Natur. 5,39 Zudem aber: Jede Mehrzahl der Individualitäten, die der Wirklichkeit nach [sind], ist aufgrund der Bedürftigkeit an Möglichkeit in der Materie.125 Doch es gibt keine Bedürftigkeit an Möglichkeit und [keine] Materie in Gottes Wesen.126 Dann gibt es folglich keine Mehrzahl in Gottes Wesen. 5,40 Wenn zudem die Mehrzahl aus der Verdoppelung [stammt] und [wenn] es keine Verdoppelung in Gott [gibt], dann [gibt es] folglich keine Mehrzahl in Gott. 5,41 Jede Mehrzahl entsteht entweder aus einer Aufspaltung oder aus einer Mehrzahl der Doppelung127 von ›Eins‹.128 Eine Aufspaltung oder ein Mehrfaches129 der Doppelung jedoch [gibt es] auch keine in Gottes Natur, sodass aus diesen [Erörterungen] gezeigt wird, dass es keine Mehrzahl in Gottes Natur gibt. 5,42 Nun |C 233| wird jede Mehrzahl entweder durch Ausmass, durch Zahl oder durch Gewicht begrenzt. Es gibt aber kein Gewicht, [keine] Anzahl und [kein] Mass in Gottes Natur. 5,43 Wenn zudem jede Mehrung130 und [jede] Minderung in der Materie stattfindet131 und [wenn] es keine Materie in Gottes Wesen gibt, gibt es folglich auch in Gottes Natur keine einzige Mehrung und [folglich] nämlich 125 Vgl. zu »Materie« hier 40,5,39 (2×); 40,5,43; 40,6,7.15. — Vgl. zum Schema von Möglichkeit und Wirklichkeit in Brief 40 auch 3,10; 4,23–28; 5,24. 126 Der Satz ist so verständlich. Logisch noch stringenter wäre er mit Konjektur ܕܒܗܘ�ܠܐstatt ܐܘ ܗܘ�ܠܐ: »keine Bedürftigkeit an Möglichkeit in der Materie« (vgl. Formulierung im vorhergehenden Satz). 127 Im Syrischen das Katalipomenon ܥܘܦܦܐgegenüber ܥܦܝܦܘܬܐin 40,5,40. 128 Vgl. zu 40,5,40f auch disp 16,25: »…darüber hinaus wird ebendiese Zahl über sich hinaus repetiert« (hier das Verb )ܡܬܥܦܦ. 129 Timotheos verwendet hier das Katalipomenon ܣܘܓܐܐstatt ܣܓܝܐܘܬܐin der ersten Satzhälfte und im Folgenden. 130 Timotheos verwendet hier dasselbe Wort »( ܣܓܝܐܘܬܐMehrzahl«) im prozesshaften Sinn von »Mehrzahlwerdung«, hier mit »Mehrung« übersetzt. ܿ )ܣܓܝܐܘܬܐvgl. Arist Kat 131 Zu »Mehrung und Minderung« (ܡܢ ܘܒܨܝܪܘܬܐ 3b,33–4a,9: Die Kategorie des Wesens kennt kein Mehr oder Weniger. Diese Stelle wird aufgenommen in ep 34,4,12f: »Nun ist Natur das, was in allgemeinem Sinn und mit Gleichrangigkeit hinsichtlich des Wesens in einer jeden Individualität erkannt wird, die unter einer Art [eingeordnet] ist, und [zwar] ohne das Mehr und Weniger (ܡܢ ܼ ܣܛܪ )ܬܘܣܦܬܐ ܟܝܬ ܘܒܘܨܪܐ, [anders als es bei] jenen neun Kategorien [der Fall ist].« Vgl. ferner auch »Gewinn und Mangel« ( )ܡܘܬܪܐ ܘܡܚܣܪܐin ep 35,2,22f.
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auch keine Minderung. Denn wo es Mehrung gibt, bewirkt Notwendigkeit, dass auch Minderung entsteht, und wo es Minderung gibt, [bewirkt] Notwendigkeit, dass auch Mehrung entsteht. 5,44 [Nun] hat es in Gottes Wesen keine Minderung und Abnahme. Dann bewirkt folglich die Notwendigkeit, dass auch keine Mehrzahl und Vermehrung in Gottes Natur entsteht, denn er ist jenseits jeder Vermehrung und jenseits jeder Mehrzahl, und [als solchen] bekennt man ihn.« |C 234| 6,1 »Und wie«, sagt er, »soll er das, was er ist, nicht zu einer Mehrzahl gebracht haben, wenn du doch sagst, dass er ›ungezeugt‹, ›gezeugt‹ und ›hervorgehend‹ ist?« 6,2 »Weil ich unter ›ungezeugt‹, ›gezeugt‹ und ›hervorgehend‹«, sagte ich ihm, »nicht das, was er ist, das heisst132, [sein] Wesen verstehe133, sondern vielmehr [seine] Beschaffenheit und Art, wenn man denn auf uns bezogene Aussagen und Begriffe für denjenigen gebrauchen darf, der über alle Aussagen und Begriffe erhaben ist. 6,3 Denn diese sind nicht das Wesen und die Natur134, sondern eine Ausformung135 des Wesens und der Natur, denn wie es mir scheint, sind ›Wesen‹ und ›etwas vom Wesen‹ nicht dasselbe, ebensowenig auch ›Natur‹ und ›Beschaffenheit der Natur‹, und [dies], obwohl ich überhaupt nichts Unkörperliches über Unkörperliche aussagen kann, weil ich nicht ohne Körper und ohne Leib bin.« 6,4 »Aber welches von beiden sagst du?« sagt er, |C 235| »Sind diese [Begriffe] ein bestimmtes Wesen oder zusammen mit einem Wesen? Wenn sie ein Wesen sind und [wenn] sie drei sind, dann löst sich doch Gott in drei Wesen auf! Wenn sie aber nicht ein Wesen sind, sondern zusammen mit einem Wesen und in Bezug auf ein Wesen [sind], und [wenn] ›an einem Wesen und inbezug auf ein Wesen‹ Zusammensetzung bedeutet, dann ist doch Gott zusammengesetzt!« 6,5 »Vorher sagte ich, dass ›ungezeugt‹, ›gezeugt‹ und ›hervorgehend‹ nicht ein Wesen sind, sondern eine bestimmte Art und Im Syrischen »und«; vgl. zum ܘepexegeticum Heimgartner, CSCO 632, S. XLVII mit Anm. 221. ܿ und »Wesen« ( )ܐܘܣܝܐgleich133 Hier sind also »das, was er ist« ()ܗܝ ܕܐܝܬܘܗܝ bedeutend. Vgl. dazu auch 41,2,14f (»das, was er ist« und »Wesen und Natur« parallel) sowie ferner 40,5,32 und 41,5,9. 134 Handschrift L konjiziert offenbar richtig den Singular »Natur« gegenüber dem Plural »Naturen« in der Vorlage W wie auch den übrigen Handschriften. 135 Syrisch pṭōṭīqē (in Handschrift O: pāṭōṭīqē), vgl. gr. πτωτική, von πτωτικός, »deklinationsfähig«. Vgl. dazu auch πτωτικόν, »Kasusform«, »Beugungsform« (LSJ, S. 1550 l. Sp.), sowie πτῶσις im Sinne von Formenbildung oder Ableitung von Worten Kat 1 (1a,13); Kat 7 (6b,33); Herm 2 (16b,1); Herm 3 (16b,17); Top 1,15 (106b,29); Top 2,9 (114a,35); 1 An 1,26 (42b,30). — Cheikho (Langage, S. 234) übersetzt »indication«. 132
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Beschaffenheit am136 Wesen. Doch das Wesen und die Natur stimmen nicht mit ›Art und Beschaffenheit‹ überein, denn wenn ›Wesen‹ mit den Beschaffenheiten und der Art übereinstimmen würde, erschiene Gott nicht als drei, sondern als viele Wesen, denn er hat viele Eigentümlichkeiten. 6,6 Es ist jedoch nicht so, dass das Wesen und die Natur mit den Beschaffenheiten und Eigentümlichkeiten übereinstimmen; vielmehr stimmen diese nicht mit dem Wesen überein und sind es [nicht], denn sie erscheinen an diesem und in Bezug auf dieses, [aber] nicht im Sinne einer Zusammensetzung, sondern |C 236| jenseits von Zusammensetzung und in göttlicher Weise. 6,7 Denn ›ungezeugt‹, ›gezeugt‹ und ›hervorgehend‹ sind nicht das Wesen — denn Gott ist nicht drei Wesen — noch [sind sie] wiederum wie ein Akzidens am Wesen — denn Gottes Wesen besteht nicht aus Materie und Form, denn er ist nichtzusammengesetzt und unkörperlich.« 6,8 »Und wie wird ›eins in dreien‹ bewahrt?« sagt er. 6,9 »Wegen der Natur«, sagte ich ihm, »denn diese ist in unaufteilbarer Weise eins in dreien137, und wegen der Ewigkeit und der Unerschaffenheit, denn sie sind eins in dreien in ununterscheidbarer Weise, und wegen der Unendlichkeit und Unbegrenztheit, denn sie sind eins in dreien in unveränderbarer Weise, und wegen des Willens, der Kraft und der Wirksamkeit138, denn sie sind eins in dreien in unwandelbarer Weise, und wegen des Wissens, des Königtums und des Heilsplans, denn in einem jeden ist ›eins in dreien‹ in unerschütterlicher Weise bewahrt. 6,10 Denn [die Begriffe] ›ungezeugt‹, ›gezeugt‹ und ›hervorgehend‹ sind nicht im [Begriff] ›das eine Wesen‹ sichtbar, obwohl sie an ihm und in Bezug auf es ist, noch wird ›das eine Wesen‹ in den [Begriffen] ›ungezeugt‹, |C 237| ›gezeugt‹ und ›hervorgehend‹ erkennbar, obwohl es nicht ohne sie existiert. 6,11 Denn wie man sagt, ist die Kategorie des Wesens eines, und die Beschaffenheit und das In-Bezug-auf [sind] etwas anderes. Die Kategorien gehen nämlich nicht ineinander über oder fallen [ineinander], auch nicht bei diesen natürlichen Körpern bei uns, wieviel mehr also erst bei diesem erhabenen Wesen, das jenseits von allem ist! ›Das eine Wesen‹ wird nämlich niemals aufgeteilt. 6,12 Wie sollte sonst der [Begriff] des jeweiligen Einen entstehen und [bestehen] bleiben? Oder wie sollte sich überhaupt die Beschaffenheit in ein Wesen auflösen?139 Hier im Syrischen die Präposition ܨܝܕgegenüber ܕin 40,6,3. Vgl. »die drei Unaufteilbaren« in ep 41,5,24. 138 Zu Wille, Kraft und Wirksamkeit vgl. auch 41,4,6–11. 139 Cheikho (Langage, S. 237) erkennt die Bedeutung von »( ܘܐ�ܠܐsonst«) nicht und kämpft dann damit, dem Text einen Sinn abzuringen: »Pourtant on constate que les 136 137
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6,13 Ferner können auch diese Bezeichnungen der Beschaffenheit und der Arten140 niemals in ein [bestimmtes] Eines übergehen, was ebendiese Art und Beschaffenheit betrifft. 6,14 Denn [es ist] wie [beim] Apfel: Er wird sowohl als einer als auch dreifach verstanden und begriffen: als einer hinsichlich des Apfels und dreifach hinsichlich der Beschaffenheiten Geschmack, Duft und Farbe, wobei er nicht |C 238| wegen der drei Beschaffenheiten ›drei Äpfel‹ heisst noch wiederum sie drei wegen dem einen Apfel eine Beschaffenheit heissen und werden. 6,15 Genauso ist auch Gott — als Ursache von allem ohne Zusammensetzung, Akzidens, Materie und Formen, Ende und Quantität — einer wegen des Wesens 〈in〉 jeder Hinsicht141, und dreifach ist und heisst er wegen der Arten und Beschaffenheiten. Dann wird folglich ›Eins‹ in ›Drei‹ wie auch ›Drei‹ in ›Eins‹ bewahrt. 6,16 Denn diese drei gehören zu ebendiesem Wesen und [ebendieser] Natur, und zu ebendiesem Wesen und [ebendieser] Natur gehören diese drei142, wie auch die eine Seele in der Lebendigkeit, in der Rede und in der Vernunft ist und die Lebendigkeit, die Rede und die Vernunft in der einen Seele sind.« 6,17 »Wenn nämlich«, sagt er, »Gott eins ist und [wenn] sich Eins niemals in Drei auflöst143, dann löst sich folglich auch Gott niemals in Drei auf. Wenn sich aber Gott in Drei auflöst und [wenn] sich Eins niemals in Drei auflöst, dann ist Gott folglich nicht eins.« 6,18 »Er ist sowohl eins«, sagte ich, »als auch nicht |C 239| eins: eins [ist er], insofern er Wesen und Gott [ist]; nicht eins ist êtres singuliers (un et un) existent; alors pourquoi les accidents qui sont singuliers (un et un) ne deviennent-ils pas ousia?« 140 Für »Beschaffenheit und Art« verwendet Timotheos in diesem Kapitel den Terminus ܙܢܐund nicht =( ܐܕܫܐspecies), vermutlich weil er unten in 40,6,7.15 ܐܕܫܐfür den Ausdruck »Materie und Form(en)« gebraucht. Dabei variiert er nicht nur die Wortstellung, sondern auch Singular und Plural (ich zitiere ohne die Artikel): »Art und Beschaffenheit« (6,5 [2×]; 6,13), »Beschaffenheit und Arten« (6,13), »Beschaffenheiten und ̈ Art« (6,5), »Arten und Beschaffenheiten« (6,15), einmal sogar mit dem Begriff ܕܝܠܝܘܬܐ (»Beschaffenheiten und Eigentümlichkeiten«; 6,6). Daher überrascht auch der Numeruswechsel bei »Materie und Form« (6,7) resp. »Materie und Formen« (6,15) nicht. 141 Ich konjiziere »in« ( )ܒstatt »und« ( ;)ܘVgl. zu ܒܟܠ ܡܕܡep 35,3,9; 39,30; 40,6,9; 40,8,30; 41,6,31. Cheikho (Langage, S. 238) übersetzt: »et en toute chose«. 142 Die zweite Satzhälfte ist nur durch die Syntax variiert. Vom folgenden Vergleich her erwartet man: »Denn diese drei gehören zu ebendiesem Wesen und [ebendieser] Natur, und ebendieses Wesen und [ebendiese] Natur gehören zu diesen drei.« Es scheint aber, dass Timotheos bewusst so formuliert, um »Wesen« nicht in einer Genitivkonstruktion (mit ܕ, übersetzt mit »gehört zu«) von den »Dreien« abhängig sein zu lassen. Dasselbe Muster begegnet auch unten in 6,24. Beide Sätze laufen also nach dem Muster: »1 in 3 und 3 in 1 verhalten sich wie A in B und A in B.« 143 Vgl. die Aussage des Gesprächspartners oben 40,6,4: »…dann löst sich doch Gott in drei Wesen auf!«
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er hinsichtlich der Beschaffenheit und Art, wie ich sagte. 6,19 Du vermengst und verwirrst doch144 wie ein Sophist die Kategorien der Begriffe und der Naturen, indem du bald, was zum Wesen [gehört], auf die Beschaffenheit, bald, was zur Beschaffenheit [gehört], auf das Wesen überträgst145! 6,20 Also ist es auch für mich leicht, solche falschen Schlüsse146 zusammenzufügen und zusammenzustellen, wie folgt: Gott ist unendlich. »Unendlich« ist kein Wesen. Dann ist Gott folglich kein Wesen. Wenn aber Gott ein Wesen ist, und [wenn] »unendlich« kein Wesen ist, dann ist Gott folglich nicht ohne Ende. Aber das ist ein Fehler und Irrtum und nicht ein Beweis der Tatsachen und der Begriffe, so dass wir die einen [Dinge] mit den andern verwirren und vermischen. 6,21 Gott ist, wie wir sagten, insofern er Gott und Wesen [ist], unauflösbar, |C 240| insofern er Art und Beschaffenheit ist, keineswegs unauflösbar. Denn derselbe Gott ist auch zugleich Gerechter, Barmherziger, Fürsorger, Schöpfer, Lenker, Ewiger, Wissender, Richter, und er löst sich in viele solche Beschaffenheiten und Arten auf. 6,22 [Ist es] also [so, dass] du — weil Gott in solchen Beschaffenheiten existiert und sie in einer durch Auflösung und Ausformung147 [verursachten] Mehrzahl erscheinen — deshalb diesen einen als mehrere bezeichnest [und sagst], dass dieser Unteilbare sich in [einzelne] Bruchstücke aufteilt und auseinanderbricht?« 6,23 »Niemals«, sagte mein Gegenüber, »sondern als denselben einen benenne ich ihn in der Mehrzahl.« 6,24 »Auf dieselbe Weise«, sagte ich ihm, »ist hier gedacht worden, dass ein und derselbe ewig in der Dreizahl subsistiert, wobei [die Aussage] ›eins in dreien‹ ohne Aufteilung und ›drei in eins‹ ohne Vermischung bewahrt wird, wie ›eins‹ |C 241| in der Mehrzahl ohne Auflösung und ›eins‹ in der Mehrzahl ohne Verwirrung bewahrt wird148. Oder bezeichnest du etwa Gottes Ewigkeit als Schöpfertum und seine Gerechtigkeit als Bamherzigkeit?« 6,25 »Das meine ich niemals so«, sagt er, »sondern diejenigen, die nicht die gleichen sind, benenne 144 Syrisch wörtlich: »Wie vermengst du somit…«, vgl. zur Schwierigkeit der rhetorischen Fragesätze Heimgartner, CSCO 662, S. XXXI. 145 Zu ܥܒܪin der Bedeutung eines sinnwidrigen Bezugs vgl. auch ep 36,1,18. 146 Syrisch pārālōgīsmū, vgl. gr. παραλογισμός, »falsche Überlegung«, »Täuschung« (LSJ, S. 1317 l. Sp.). 147 Mit Hurst (Letter, S. 97) der Begriff ܡܦܘܠܬܐhier als syrisches Pendant zu πτωτικά oben in 6,3 (vgl. Anm. 135 zur Stelle); zu ܡܦܘܠܬܐals Pendant zu πτῶσις vgl. auch Payne Smith, Thesaurus, Bd. 2, Sp. 2414–2415. 148 Man erwartet: »… wie ›eins‹ in der Mehrzahl ohne Auflösung und die Mehrzahl in der ›Eins‹ ohne Verwirrung bewahrt wird«. Die Unausgeglichenheit ist wohl bewusst gewählt, vgl. oben 6,16 mit Anm. 142 zur Stelle.
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ich mit diesem [Wort] ›eins‹ als einen [einzigen] Gleichen.« 6,26 So aber«, sagte ich ihm, »ist in derselben Weise Drei durch Eins und Eins durch Drei verstanden worden. Ich aber meine, dass [das Wort] ›eins‹ im Reden über Gott überflüssig149 ist.« »Zum Beispiel?« sagt mein Gegenüber. 6,27 Ich aber sagte ihm: »Wie es bei der Sonne und beim Mond überflüssig ist, ›eins‹ zu sagen — denn wir sagen nicht ›die eine Sonne‹ oder ›der eine Mond‹, sondern, wenn wir ›Sonne‹ oder ›Mond‹ hören, verfällt unser Denken nicht darauf, sie von zweien oder vielen loszulösen und abzutrennen —, genauso ist es auch, wenn wir ›Gott‹ hören: Unser Denken verfällt und kommt nicht darauf, dass [es sich] um eine |C 242| Ausformung von Mehrzahl150 [handeln könnte]. 6,28 Denn wenn dieses [Wort] ›eins‹ manchmal [sogar] bei geschaffenen und erschaffenen Naturen überflüssig ist, um wieviel überflüssiger ist es folglich bei Gott, den man alleinig als ewiges Sein bekennt. Denn gesetzt den Fall, dass dieses [Wort] ›eins‹ über Gott gesagt werden muss, und [wenn] dieses ›eins‹ Ursache und Anfang aller Zahlen ist, dann wird also die Ursache der Zahlen auf Gott übertragen. 6,29 Nun ist ›eins‹ die Ursache von ›zwei‹ und ›zwei‹ von ›drei‹, und [so] folgt eine Zahl nach der anderen bis zur Vielzahl. Wenn es aber keine Vielheit der Zahl in Gott gibt und [wenn] dieses ›Eins‹ die Ursache der Vielheit der Zahl ist, dann kann man folglich von Gott nicht ›einer‹ sagen. 6,30 Denn ›Gott‹ — ohne Voranstellung151 von ›ein‹ —, das heisst, die Einzigartigkeit und Singularität seiner Natur, genügt, um im Denken das Abbild der Einzigartigkeit einzuprägen.«152 6,31 »Aber wie [kommt es]«, sagt er, »[dass] wir und ihr und viele [andere] dieses Wort gebrauchen?« |C 243| 6,32 »Erstens einmal«, 149 Cheikho (Langage, S. 241f) übersetzt hier und im Folgenden das Wort ܝܬܝܪܬܐ (»[es ist] überflüssig«) irrtümlicherweise mit »le meilleur« resp. »vaut mieux«. Damit verkehrt sich die Aussage genau ins Gegenteil des Gemeinten, vgl. etwa 6,28: »Si (le terme) ›un‹ vaut, quelquefois, pour les natures créées et faites, combien donc est-il plus valable à Dieu« (S. 242) statt: »Denn wenn dieses ›ein‹ manchmal [sogar] bei geschaffenen und erschaffenen Naturen überflüssig ist, um wieviel überflüssiger ist es folglich bei Gott…«. Entsprechendes gilt auch für seine Übersetzung von 40,6,35 oder 40,8,2. — Vgl. zu ܝܬܝܪܬܐauch die Verwendung in ep 42,3,20.21.25.27–30.35.40. 150 Vgl. zu ܡܦܘܠܬܐoben 40,6,3.22 mit den Anm. 135 und 147 zu den Stellen. 151 Syrisch prōtēhsīs, vgl. gr. πρόθεσις. 152 Entsprechend der oben genannten Fehlübersetzung von ( ܝܬܝܪܬܐvgl. Anm. 149 zu 6,26) übersetzt Cheikho (Langage, S. 243f) diesen Satz ausserordentlich frei: »Ainsi nous employons au sujet de Dieu l’expression (protésīs) »un« sans porter le regard spécialement sur la nature et sur ›l’ousia‹, mais sur les croyances fausses du polythéisme.« (Dabei steht S. 244 irrtümlich »ouisia« statt »ousia«.)
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sagte ich ihm, »weil es Unterschiede zwischen den Beschaffenheiten und Arten der Individualitäten gibt, denn damit niemand meint, ›Trinität‹ erscheine wie in diesen Beschaffenheiten und Arten so auch in [den Begriffen] ›Gott‹ und ›Natur‹, verwenden wir deshalb notwendigerweise dieses [Zahlwort] ›eins‹. 6,33 Andererseits153 wegen der Vielzahl der Götter der Heiden, die fälschlicherweise angenommen werden, aber in Wahrheit [gar] nicht existieren. 6,34 [Es ist] nämlich [wie in folgendem Beispiel]: Wenn jemand sagen würde, es gebe zwei Sonnen in der Welt, wobei er darüber streiten würde, ob man die Sonne im Wasser zusammen mit derjenigen am Himmel [als zwei] zählen solle, so wäre es unbedingt notwendig, gegen diesen zu sagen, dass es nicht zwei Sonnen gibt, sondern nur eine Sonne: die am Himmel, wobei man den Terminus ›eins‹ sowohl in überflüssiger als auch in notwendiger Weise auf die Sonne anwenden würde, nicht wegen der Sache und Natur, sondern wegen der entgegengesetzten Meinung und Vorstellung. 6,35 Genauso [ist es] auch bei Gott: |C 244| Wann immer wir nicht in überflüssiger Weise die Natur und das Wesen, sondern notwendigerweise die falschen Vorstellungen einer Vielzahl von Göttern im Blick haben, verwenden wir die Voranstellung von ›eins‹.« 7,1 Er sagt mir: »Was die Natur betrifft, haben diese [Dinge] genügend Beweiskraft erhalten, doch aus der Schrift154, scheint mir, kannst du den Beweis für diese nicht führen.« 7,2 Ich aber antwortete ihm: »Kaum haben wir begonnen, etwas darüber zu sagen, sind wir bereits mehr von der Genauigkeit entfernt, als wir uns [vom Ausgangspunkt] entfernt haben (vgl. Koh 7,24 𝔓). Aber was deine Aussage betrifft, dass es nicht aus der Schrift bewiesen werden kann, muss die Grösse deiner Anmut wissen, dass ich diese Beweise geführt habe, weil ich es aus der Schrift gelernt habe. |C 245| 7,3 Denn erstens sagt der göttliche Prophet Mose Folgendes: ›Am Anfang schuf Gott das Sein155 des Himmels und das Sein der Erde.‹ (Gen 1,1) Und zu dessen Erklärung sagt David: ›Durch die Rede des Herrn wurden die Himmel geschaffen und durch Man beachte die Formulierung: »Erstens … andererseits«. Vgl. zu »Natur« versus »Schrift« auch disp 2,10: »›Aber dafür‹, sagt der König, ›dass jemand ohne Geschlechtsverkehr geboren worden ist, dient uns in der Tat Adam als Beweis. Denn Gott hat ihn aus der Erde ohne Geschlechtsverkehr gebildet. Doch dafür, dass jemand ohne Verletzung der Jungfräulichkeit geboren werden kann, gibt es weder aus der Schrift noch aus der Natur einen Beweis.‹« Ebenso disp 19,9: »Wenn ich aber nicht aus der Natur, sondern aus der Schrift den Beweis führte, dann habe ich bei dem, was zu beweisen war, meine Aussagen manchmal [mit Worten] von Mose, manchmal auch von David, manchmal auch aus dem Koran abgesichert und beglaubigt.« 155 Das Syrische ahmt mit ܝܬarchaisierend die hebräische Akkusativpartikel nach. 153 154
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den Geist[-hauch] seines Mundes all seine Mächte.‹ (Ps 33,6) 7,4 Und an einer anderen Stelle sagt David: ›Du hast zu Anbeginn die Fundamente der Erde gegründet, und die Himmel sind das Werk deiner Hände‹ (Ps 102,26; Hebr 1,10), wobei er Rede und Geist als dessen [d. h. Gottes] Hände bezeichnet.156 7,5 Denn von den [Dingen] bei uns führt er [d. h. David] uns nämlich zur Erkenntnis derjenigen bei Gott. Wie die Rede und der Geist aus der Natur der Seele und wie die Hände aus dem Wesen des Leibes sind, so sind auch der Sohn und der Geist aus der Natur des Vaters und naturgleich [mit ihm]. 7,6 Ferner sagt der göttliche Mose bei der Grundlegung der Schöpfung157: ›Und Gott sprach: »Es werde Licht!«‹ (Gen 1,3) 7,7 Wer weiss nicht, |C 246| dass die Rede im Geist[-hauch] und mit dem Geist[-hauch] ist und wird!158 Wenn ›Gott sprach‹ eine Rede bezeichnet159, und [wenn] Rede nicht ohne Geist[-hauch] ist oder wird, dann bezieh〈t〉160 sich ›Gott sprach‹ auf seine Rede und seinen Geist. 7,8 Mose sagt bei allen Erschaffungen der sechs Tage: ›Gott sprach.‹ 161 Wenn er es nicht auf die Rede und den Geist hätte beziehen wollen, wäre es für ihn leicht gewesen zu sagen: ›Gott schuf‹ oder ›machte‹. 7,9 Ebenso hat Gott auch bei den übrigen Erschaffungen und besonders bei der Erschaffung des Menschen Kunde über seine Rede und seinen Geist abgelegt. Er [d. h. Mose] sagt nämlich: ›Und Gott sprach: »Wir wollen den Menschen nach unserem Bild gemäss unserem Gleichbild machen!«‹ (Gen 1,26) Diese Aussage bezeichnet nicht eine [einzige] Individualität, sondern den einen Gott und die Individualitäten in ihm.162 7,10 Denn insofern er ›Gott‹ [sagte], wies er auf ein bestimmtes Eines hin, insofern er ›[nach] unserem Bild‹ und nicht ›[nach] meinem Bild‹ Vgl. das Zitat auch in ep 34,8,4. Cheikho (Langage, S. 245) denkt enger an das Buch Genesis und übersetzt: »dans (le livre de) la création«. 158 Vgl. disp 18,38 zum Zusammenhang mit Ps 33,6 sowie disp 4,5.11 und 19,3 zum Zusammenhang mit Rede und Geist[-hauch], dazu auch Heimgartner, CSCO 632, S. XLVIII. 159 Hier ist eindeutig fassbar, dass Timotheos den göttlichen Logos im Sinne von »Rede« als Akt Gottes und nicht im Sinne von »Wort« als Resultat von Gottes Handeln versteht. Daher übersetze ich λόγος resp. ܡܠܬܐmit »Rede« und, anders als in der deutschsprachigen Theologie üblich, nicht mit »Wort«, vgl. dazu Heimgartner, CSCO 632, S. XLVIII– XLIX, ders., CSCO 645, S. XX; ders., Pseudojustin, S. 134 Anm. 4. 160 Die Handschriften lesen die Pluralverbform; ich konjiziere Singular. 161 Vgl. Gen 1,3.6.9.14.20.24. 162 Vgl. dazu ep 36,1,18: »…denn sie verstehen Gott nach jüdischer Vorstellung zugleich als eine einzige Natur und eine einzige Individualität«. 156 157
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sagte und ›[gemäss] unserem Gleichbild‹ und nicht ›[gemäss] meinem Gleichbild‹ sagte, bezeichnete er die Individualitäten aus ihm und die Naturgleichheit [der Individualitäten mit ihm]. |C 247| 7,11 Er bezeichnete nämlich nicht die Engel, insofern [er] ›unser Bild‹ und ›uns gleich‹ [sagte], wie die Juden meinten163 — denn das Bild und Gleichbild des Schöpfers und der Geschöpfe, von Gott und den Erschaffenen, des Ewigen und der Zeitlichen164 ist nicht ›Eines‹ — sondern er bezeichnete die Rede und den Geist, insofern er ›unser Bild‹ und ›unser Gleichbild‹ sagte. 7,12 Und so [ist es auch], wenn Gott sagt: ›Siehe, Adam wurde wie einer von uns!‹ (Gen 3,22) und insofern er ferner sagt: ›Kommt, wir wollen hinabsteigen und dort die Sprachen verwirren!‹ (Gen 11,7)165 — denn die derartigen Worte und Aussagen wurden nicht angegeben, als würde er sie zur Mithilfe rufen und auffordern — weder als er damals den Menschen erschuf noch als er die Sprachen verwirrte und versehrte (vgl. Gen 11,7)166, sondern allein um auf die Individualitäten hinzuweisen und sie zu bezeichnen, damit, wenn |C 248| zur Zeit, da es [geschehen] müsste, die Offenbarung ebendieser Individualitäten ausgesprochen würde, die Sache aus dem Vorausgehen der Aussagen und Bezeichnungen erkannt würde, dass die Lehre der Gottesfurcht nicht neu, sondern vielmehr alt ist. 7,13 Sodann167 kann man an vielen Stellen der Schriften eine solche Erklärung finden. So können wir auch in eurer Schrift Aussagen über Gott sowohl in der Einzahl als auch [welche] in der Mehrzahl finden. [Die Aussagen] in der Einzahl sind bekannt. [Diejenigen] in der Mehrzahl [sind zum Beispiel], wenn er sagt: ›wir machten‹ (Sure 15,26; 21,91; 23,12), ›wir gaben‹ (Sure 108,1), ›wir sandten‹ (Sure 19,17), ›wir hauchten ein‹168 (Sure 21,91) oder andere dergleichen. 7,14 Denn wenn er nicht [so geredet hätte], um die Rede und den Geist anzuzeigen, Vgl. zur Interpretation auf die Engel disp 16,77–81. Die präpositionale Formulierung ܘܕܒܙܒܢܐist numerisch indifferent. Ich übersetze mit Plural aus Analogie zu den vorhergehenden »Erschaffenen«. — Vgl. zu diesem Problem auch oben 40,4,30. 165 Die Zitate Gen 3,22 und Gen 11,7 in derselben Reihenfolge auch in disp 17,25. 166 Cheikho (Langage, 247) übersetzt: »ni quand il distribuait ou quand il établissait les langues«. Er fasst also ܣܪܚals Af‘el und ܫܟܢals Pa‘el auf. Mir scheint es naheliegender zu sein, ܣܪܚals Pa‘el und ܫܟܢals Af‘el (resp. Denominativverb )ܡܫܟܢzu verstehen. So bezieht sich dieser Satz inhaltlich auf die beiden Zitate Gen 1,26 und Gen 11,7 in 40,7,9f. — Vgl. Zitat von Gen 11,7 auch in disp 16,47. 167 Vgl. »erstens« oben in 40,7,3. 168 Denkbar ist die Ergänzung »[unseren Geist]« gemäss Sure 21,91, vgl. gleich die folgende Singularformulierung. 163
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hätte er nicht in der Mehrzahl [geredet], sondern nur die Einzahlform der Aussage gebraucht, wie wenn man sagt: ›ich machte‹, ›ich gab‹, ›ich hauchte meinen Geist ein‹169.« |C 249| 7,15 »Die Rede und den Geist«, sagt er, »bekennen auch wir170, aber nicht im Sinne eines [selbständig] Bestehenden, und wir nennen sie nicht Individualitäten.« 7,16 Wir aber sagten: »Und dies, obwohl der göttliche David Gottes Rede offenkundig als Individualität bekennt! Er sagt nämlich Folgendes: ›Auf ewig bist du, Herr, und deine Rede besteht im Himmel.‹ (Ps 119,89) Das [Wort] ›besteht‹ bezeichnet eine Individualität. 7,17 So sagt er auch an einer anderen Stelle: ›Er schickt seine Rede, und sie lässt sie schmelzen171.‹ (Ps 147,18) und: ›Er schickte seine Rede, und sie heilte sie.‹ (Ps 107,20) und: ›Du sendest deinen Geist aus, und sie werden geschaffen.‹ (Ps 104,30) und an einer bestimmten Stelle sagt er: ›Gottes Rede will ich preisen.‹ (Ps 56,11) 7,18 Siehe, wie |C 250| sollte er das, was keinen [selbständigen] Bestand hat, aussenden können? Und wie sollte das, was nicht ist, gepriesen werden? 7,19 Und Jesaja sagt: ›Das Gras ist verdorrt und die Blume verwelkt, aber Gottes Rede besteht in Ewigkeit.‹ (Jes 40,8) Und wiederum sagte Gott: ›Mein Geist besteht unter euch.‹ (Hag 2,5) 7,20 Anders [ausgedrückt]: Wenn Gottes Rede und Geist ohne Individualität sind und wenn wiederum unsere Rede und [unser] Geist ohne Individualität sind, dann sind folglich Gottes Rede und Geist wie unsere Rede und Geist. 7,21 Und wenn Gottes Rede und Geist wie unsere Rede und [unser] Geist sind und [wenn] diejenigen, die dieselbe [Art von] Rede und Geist haben, auch dieselbe |C 251| Natur haben, dann haben folglich Gott und wir ein und dieselbe Natur. 7,22 Doch wenn Gottes und des Menschen Natur ein und dieselbe sind und [wenn] Gott ewig, unendlich und unerschaffen ist, dann ist folglich auch der Mensch ewig, unendlich und unerschaffen. 7,23 Wenn ferner Gottes und des Menschen Natur ein [und dieselbe] ist und [wenn] der Mensch erschaffen, endlich und einem Anfang unterworfen ist, dann ist folglich auch Gott erschaffen, endlich und einem Anfang unterworfen. 7,24 Doch wenn Gott unerschaffen ist und der Mensch erschaffen ist und [wenn] das Erschaffene dem Unerschaffenen nicht dem Wesen nach gleich ist, dann ist folglich auch Gott dem Menschen nicht dem Wesen nach gleich: Gott ist ewig und unendlich, der Mensch ist das Gegenteil davon. Doch Timotheos bezieht sich auf Sure 21,91: »Wir hauchten ihr von unserem Geist ein.« Vgl. Sure 4,171. 171 Im Psalm ist zuvor von Schnee und Eis die Rede. 169
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das Ewige ist dem Zeitlichen und das Unendliche dem Endlichen dem Wesen nach nicht gleich.172 Gott und Mensch sind folglich dem Wesen nach nicht gleich. 7,25 Wenn aber Gott und Mensch dem Wesen nach nicht gleich sind und [wenn] bei denjenigen, die dem Wesen nach nicht gleich sind, auch deren Rede und Geist nicht gleich sind, dann sind auch bei Gott und Mensch ihre Rede und ihr Geist nicht gleich173. 7,26 Also erscheinen Gottes Rede und Geist als Individualität [und] in der Art eines [selbständig] Bestehenden, |C 252| [Rede und Geist] des Menschen nicht als Individualität und [nicht] in der Art eines [selbständig] Bestehenden. 7,27 Wenn aber ferner Gottes Rede und Geist aus seiner Natur sind und [wenn] Gottes Natur ohne Anfang und ohne Ende ist, dann sind auch [Gottes] Rede und Geist ohne Anfang und ohne Ende. 7,28 Das ist aber auch aus der Umkehrung ersichtlich, wie folgt: Wenn Rede und Geist des Menschen aus seiner Natur sind, und [wenn] die Natur des Menschen beginnt und endet, dann beginnt und endet auch Rede und Geist des Menschen.174 7,29 Wenn es aber keine [Zeit] gab, da Gott nicht existierte, und [wenn] es keine [Zeit] gab, da Gott ohne Rede und Geist existierte, dann gab es folglich keine [Zeit], da Gottes Rede und Geist nicht existierten. 7,30 Das aber, von dem es keine [Zeit] gab, zu welcher es nicht existierte, [von dem] gibt es auch keine Zeit, zu welcher es nicht ist. Das aber, das solcherart ist, ist ewig. Folglich sind Gottes Rede und Geist seit ewig. 7,31 Jedes Ewige ist auch unerschaffen und ohne Ende. Folglich sind Gottes Rede und Geist |C 253| unerschaffen und unendlich wie seine Natur. Denn das, was Gedanke und Rede in Bezug auf die Seele und Licht und Wärme in Bezug auf die Sonne sind, das sind Rede und Geist in Bezug auf die göttliche Natur.175 Denn Gottes Natur ist nicht ohne Rede und Geist, und Rede und Geist wiederum sind nicht ohne Gottes Natur.« 7,32 »Welche Notwendigkeit«, sagt er, »sollte bewirkt haben, dass sie so entstanden?« 7,33 Ich aber sagte ihm: »Wenn sie überhaupt entstanden wären, müsste deine grosse Weisheit untersuchen, welche Ursache [es dafür gegeben hätte], dass sie notwendigerweise entstanden 172 Im Syrischen mit chiastischer Satzstellung: »Doch das Ewige ist dem Zeitlichen und dem Endlichen das Unendliche dem Wesen nach nicht gleich.« 173 Man beachte: In dieser auf Gott und die Menschen bezogenen Formulierung sind im Syrischen »Rede« und »Geist« feminin und nicht maskulin wie beim göttlichen Logos und Geist üblich! 174 Der Wechsel von Plural und Singular entspricht der syrischen Formulierung. 175 Der Satz bringt beispielhaft die Funktion des Vergleichs bei Timotheos zum Ausdruck: Timothos vergleicht nicht eigentlich Gott mit Seele und Sonne, sondern die Relationen innerhalb des trinitarischen Gottes mit den Relationen innerhalb anderer Triaden.
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wären. 7,34 Wenn aber die Rede und der Geist nicht entstanden sind — sie haben nämlich ewig die Natur und die Gottgleichheit — und [wenn] bei denjenigen, die nicht Entstandene sind, die Frage überflüssig ist, welche Notwendigkeit [bewirkt habe, dass sie entstanden seien], dann scheint die Frage überflüssig, welche Notwendigkeit bewirkt haben sollte, dass jene entstehen würden. 7,35 Wenn ich aber in etwas kräftigerer Weise reden muss: Wenn Gott Rede |C 254| und Geist der Natur nach hat und [wenn] diejenigen [Dinge], die Gott der Natur nach hat, notwendigerweise existieren, dann hat Gott folglich Rede und Geist notwendigerweise. 7,36 Denn wie »lebendig« und »vernünftig« im Menschen sowohl der Natur nach als auch notwendigerweise sind und [diese Begriffe] auch den Begriff des Seins im Menschen festhalten, so sind auch »Rede« und »Geist« in Gott sowohl der Natur nach als auch notwendigerweise, wie dies viele Male gezeigt wurde. 7,37 Wenn [dabei] wiederum jeweils Notwendigkeit bewirkt hatte, dass die göttliche Natur sich [selbst seit je] sah und erkannte, und es nicht möglich war, dass sie sich 〈selbst in einem〉176 [einzigen] Sehen als Ganze gesehen und erkannt hätte, sondern nur in den Individualitäten, die aus ihr in seinshafter und naturgemässer Weise hervorgegangen sind177, dann sind folglich der Sohn und der Geist mit jeglicher Notwendigkeit ewig aus dem Vater hervorgegangen. 7,38 Denn die Individualitäten sehen und erkennen einander ewig eine die andere, sowohl dem Wesen nach als auch der Unendlichkeit nach und der ganzen göttlichen Herrlichkeit nach, ohne räumliche178 Entfernung und Distanz179, sondern wie [es] gesagt wurde. Aber diesen [Ausführungen] soll hier eine Grenze gesetzt werden.«180 |C 255| 8,1 »Doch was sagst du«, sagt er, »über die Rede von der Menschwerdung der Rede181? Wie soll die Körperlose Körper geworden sein, Konjektur Heimgartner. Vgl. dazu oben 4,17–22. 178 Cheikho (Langage, S. 254) übersetzt »par distance et par espace temporelle«; ܐܬܪܢܝܐscheint mir aber eindeutig. 179 Vgl. dazu oben 40,5,19 sowie disp 4,60.66 und 18,17. 180 Cheikho (Langage, S. 254) missversteht die Abschlussformulierung und zieht sie zum vorangehenden Satz: »parce que, comme on l’a dit, elles seraient dans ce cas limitées«. ܿ und eine VielDagegen sprechen das abgrenzende ܐ�ܠܐ, das auf 8,1 vorausweisende ܡܢ zahl von Parellelstellen, am deutlichsten disp 6,37 (»Diesen [Ausführungen] setzte unser gottliebender König hier ein Ende.«), daneben viele kürzer wie etwa das häufige »Soviel dazu«, vgl. ep 30,7; 31,1; 35,6,28; 36,3,32; 39,24; 42,1,7; 42,4,15; 42,6,32; 42,7,8; 43,8; 44,9; 47,12.15; 48,2; 54,5. 181 Timotheos scheut sich nicht, das Wort »Rede« ( )ܡܠܬܐim selben Satz in zwei verschiedenen Bedeutungen zu verwenden. Vgl. zu dieser Eigenart des Timotheos auch 176 177
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und wie soll die Unabtrennbare und Unbegrenzte sich vom Vater und dem Geist abgetrennt haben und sich in einem Körper begrenzt und beschränkt haben?« 8,2 Wir aber sagten auf diesen Einwand182: »Bei Gott und auf Gott bezogen183 ist es überflüssig184, nach einem ›Wie‹185 zu fragen. Er ist nämlich gänzlich unerforschbar und unergründbar. 8,3 Wie [sollte er] denn [sonst] in seinshafter Weise ohne Ursache [existieren]? Und wie sollte er es auf sich nehmen, einer derartigen Untersuchung unterzogen zu werden? Und wie sollte er [sonst] im Unendlichen jenseits von Ende und Begrenzung sein und gedacht werden? 8,4 Wie sollen denn die Geschöpfe sein: [erstens] innerhalb von ihm und ausserhalb von ihm oder [zweitens] umgekehrt weder innerhalb von ihm noch ausserhalb von ihm oder [aber drittens] zwar innerhalb von ihm, aber nicht ausserhalb von ihm oder [viertens] umgekehrt zwar ausserhalb von ihm, aber nicht innerhalb von ihm? Wenn das Erste: |C 256| Dann ist er doch ein Körper!186 Wenn das Zweite: Wie sollte dies denn also möglich sein? Wenn das Dritte oder Vierte: Dann ist er doch auch so nicht ohne Körper! Gott ist nämlich gänzlich unerforschbar und unergründbar.« 8,5 »Aber ihr sagt«, sagt er, »dass er herabgestiegen, Mensch geworden, empfangen, geboren und beschnitten worden sei, gelitten habe, gestorben, auferstanden und in den Himmel hinaufgestiegen sei und wiederum kommen werde. Dies alles sind keine unaussprechlichen Kategorien. Also ist er folglich nicht unaussprechlich. Wenn er aber aussprechlich ist187, ist er ep 42,5,27.35–37 und 42,6,44 mit den Anmerkungen zu den Stellen in Heimgartner, CSCO 632. 182 Vgl. zu ܣܩܘܒܠܝܐin der Bedeutung »Einwand« auch ep 36,3,10. 183 Vgl. zur Abfolge der beiden Präpositionen ܠܘܬund ܡܛܠauch ep 35,3,8 (2×). 184 Wie oben in 40,6,26 (vgl. Anm. 149 zu 6,26) missversteht Cheikho ܝܬܝܪܬܐ und übersetzt im gegenteiligen Sinn: »il vaut mieux se demander comment« (Langage, S. 255). 185 Vgl. zur islamischen Diskussion um das »ohne wie« (bilā kayf) etwa Kulīnī, Kāfī 1,78,13f: »Gott hat ohne Wo das Wo gewot und ohne Wie das Wie gewiet (aiyana l-ain bilā ain wa-kayafa l-kaif bilā kaif). Er ist weder durch Wieheit (kaifūfīya) noch durch Woheit (ainūnīya) zu erkennen und weder durch ein Sinnesorgan noch durch einen Verstandesschluß (qiyās) irgendwie wahrzunehmen.« (Übersetzung van Ess, Theologie, Bd. 4, S. 426) Ebenso das Bekenntnis des al-Aš‘arī: »Sie bekennen, daß Gott der Erhabene auf seinem Thron sitzt, nach seinem Wort: ›Der Barmherzige hat sich auf dem Thron hingesetzt‹ [Koran, Sure 20, Vers 5] und daß er zwei Hände hat — ohne nach dem ›Wie‹ zu fragen — nach seinem Wort: ›Ich habe mit meinen Händen geschaffen‹ [Sure 38, Vers 75]« (Übersetzung Endress, Islam, S. 64). 186 Syrisch wörtlich: »Weshalb sollte er dann nicht ein Körper sein?«, vgl. zur Schwierigkeit der rhetorischen Fragesätze hier und im Folgenden Heimgartner, CSCO 662, S. XXXI. 187 Der Konditionalsatz fehlt in der Übersetzung von Cheikho, Langage, S. 255.
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nicht unergründbar und auch nicht unerforschbar. Also ist er folglich [sehr wohl] ergründbar und erforschbar.« 8,6 [Ich sagte:]188 »Weil du somit bejahst, dass man ihn erforschen kann, [frage ich dich]: Hat sich denn dieser unerfassbare Gott irgendwie herabgeneigt189 und gezeigt und 5 zu den Menschen aus den Früheren190 〈gesprochen〉191 oder nicht? Nun hat er sich aber, wie geschrieben steht, sowohl dem Adam als auch dem Noah, dem Abraham, dem Mose, dem Jesaja, dem Ezechiel gezeigt192, 1
188 Cheikho (Langage, S. 256f) und Hurst (Letter, S. 84) verstehen den ganzen Passus 8,5–6 als Rede des Aristotelikers und setzen den Personenwechsel auf den Beginn von 8,7. Dort übersetzt Cheikho (Langage, S. 257) »Je lui ai dit«, obwohl er im Apparat zum syrischen Text (Langage, S. 318) mit der Elias-Redaktion die Lesart der zweiten ܿ Person ()ܐܡܪ ܐܢܬ empfiehlt. Auch Hurst ergänzt »I said to him« in eckigen Klammern. Diese Lesart ergibt einen passablen Text, aber mit einem erstaunlichen Ablauf: So ist es der Aristoteliker selbst, der die Gesprächsführung übernimmt und das hermeneutische Konzept entwickelt, mit dem seine eingangs gestellte Frage beantwortet werden kann: In den alttestamentlichen Offenbarungen hat sich Gott nicht »seiner Natur nach« gezeigt, sondern nur »in einer gewissen Weise« (8,6). Er lenkt Timotheos dahin, diese Offenbarungen dennoch als Wahrheit anzuerkennen (8,7), sodass dieser die Gesprächsführung übernehmen und die Argumentation in den vorgezeichneten Linien weiterentwickeln kann: Bei diesen Offenbarungen ist das unzusammengesetzte Unendliche keineswegs zusammengesetzt und endlich geworden (8,9), und genauso muss man sich auch die Menschwerdung vorstellen (8,10). Seltsam mutet in diesem Zusammenhang die Doppelfrage des Timotheos an, ob es sich bei der Wahrheit der Offenbarungen um »göttliche Natur an sich oder etwas Anderes, Mittleres« handle (8,7). Genau dies hat der Aristoteliker ja soeben dargelegt: Gott zeigte sich nicht seiner Natur nach, sondern »in einer gewissen Weise« (8,6). Schliesslich erstaunt, dass die Rede des Aristotelikers in 8,6 durchgehend theologische Gedanken des Timotheos verwendet: Zu den heilsgeschichtlichen Offenbarungen findet sich eine Parallele in ep 34,7,29, die Trugbilder als Wirkungen der Dämonen nennt er auch in disp 21,14–16, und die Differenzierung von »der Natur nach« und »in gewisser Weise« stellt den Kern des sogenannten »hermeneutischen Schemas« des Timotheos dar (vgl. dazu Heimgartner, Fragmente, S. 200f), welches dieser in ep 41 voll entwickelt (41,3,20.28.36; 41,7,2–8; 41,7,49–57). — All diese Probleme lösen sich, wenn man zu Beginn von 8,6 einen nicht signalisierten Personenwechsel annimmt, den ich hier in der Übersetzung in eckigen Klammern einfüge. Dann ist es Timotheos, der die Gesprächsführung bis 8,10 leitet. Er knüpft an die Erforschbarkeit Gottes an, welche der Aristoteliker soeben bejaht hat, und entwickelt daraus sein hermeneutisches Konzept, die Inkarnation genauso wie die alttestamentlichen Offenbarungen zu verstehen: nicht als Offenbarungen von Gottes unendlicher Natur, sondern »in einer gewissen Weise«, als etwas »Anderes, Mittleres«. 189 Timotheos verwendet hier das Wort ܐܬܪܟܢund nicht ܨ�ܠܐ, das ich in 40,10,1– 12 mit »sich niederneigen« übersetze, vgl. dazu Anm. 226 zur Stelle. ܿ statt ܡܢ 190 Die Wendung ist ungewöhnlich; Cheikho (Langage, S. 256) scheint ܡܢ ܼ zu lesen und übersetzt: »aux anciens«. In der Tat ist der Satz beschädigt, wie auch das Verb zeigt (vgl. folgende Anm. 191). 191 Ich konjiziere »( ܘܡܠܠund hat… gesprochen«) statt »( ܘܡܛܠund wegen«) mit der Übersetzung von Cheikho (Langage, S. 256), der aber nur zwei Verben wiedergibt: »Est-il apparu et a-t-il parlé aux anciens ou non?« 192 Vgl. zu diesem Gedanken auch ep 34,7,29 und die dortige Reihe der Offenbarungszeugen (»…als Gott sich zuerst Adam, dann Abraham, Isaak, Jakob, Mose, Jesaja, Ezechiel, Daniel und allen [anderen] Propheten in menschlichem Gleichbild zeigte«).
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aber nicht seiner Natur nach; diese ist nämlich gänzlich193 unsichtbar. Dass er sich aber den Menschen in gewisser Weise gezeigt hat: Sagst du, dass das ein Trugbild |C 257| und eine Täuschung ist, oder nennst du das Wahrheit? 8,7 Aber dann rede〈st du〉E194 von Täuschung im göttlichen Heilsplan: Diese Aussage ist ein Frevel. Es ist nämlich Sache der Dämonen, Täuschungen und Trugbilder zu bewirken und erscheinen zu lassen195. Er ist aber in Wahrheit und nicht in einer Erscheinung erschienen. Was ist die [erschienene] Wahrheit: die göttliche Natur an sich oder etwas Anderes, Mittleres?« 8,8 »Es ist offensichtlich«, sagt er, »dass wir denken müssen, dass sie nicht die Natur [an sich] ist, sondern irgendetwas Mittleres, wenn denn Gottes Natur ohne Ende und unzusammengesetzt ist, sie aber endlich und zusammengesetzt ist.« 8,9 Wir aber sagten: »Welches von beiden [ist richtig]: Ist das Unendliche im Endlichen endlich geworden und das Unzusammengesetzte im Zusammengesetzten zusammengesetzt geworden oder nicht?« »Es ist«, sagt er, »im Endlichen und im Zusammengesetzten weder endlich noch zusammengesetzt geworden.« 8,10 »Genauso wird«, sagte ich, »auch über Gottes Rede gedacht, dass sie aus der Jungfrau Mensch und Körper wurde, ohne dass ihre Natur sich im Fleisch verändert hätte noch endlich geworden wäre. Und wie Gott derjenige war, der sich den Früheren jeweils196 in einem wahrhaftigen Gleichbild offenbarte, so |C 258| war auch Gottes Rede diejenige, die sich der Welt im Fleisch offenbarte und erschien.« 8,11 Dieser Weise sagt mir: »Wenn du Gott anbetest, der Mensch geworden ist, und der Mensch aus Elementen zusammengesetzt ist, dann betest du folglich die Elemente197 an.« 8,12 Ich aber sage ihm: »Wenn die Propheten Gott angebetet haben, der sich ihnen gleich gemacht und sichtbar gemacht hat, und [wenn] diese Gleichheit und Sichtbarkeit aus zusammengesetzten Elementen entstanden ist, dann haben die heiligen Propheten folglich die Elemente angebetet. 8,13 Es ist aber ein Frevel, dies über Gott198 zu sagen. Denn wie die Propheten Gott in dem Gleichbild 193 Die Form ܠܟܠ ܟܠܗstatt des üblichen ( ܟܠ ܟܠܗ40,7,33; 40,8,4 sowie passim) ist ungewöhnlich; die Handschriften scheinen sich daran aber nicht zu stören. 194 Lückenhafter Text in den Handschriften VWLM. Ich lese mit der Elias-Redaktion die zweite Person des Verbs. Cheikho (Langage, S. 256f) und Hurst (Letter, S. 84) lesen erste Person. 195 Vgl. zu diesem Gedanken disp 21,14–16. 196 So zur Wiedergabe des iterativen Perfekts. 197 Syrisch ’ēsṭūksē, vgl. gr. στοιχεῖα. 198 Ich lese mit der Handschrift k die glattere Form �ܠܐܠܗܐstatt des umständ licheren ( ܕ�ܠܐܠܗܐauf Deutsch etwa: »dies als auf Gott bezogen auszusagen«). Der Sinn ist klar.
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angebetet haben, in dem er sich jeweils offenbart hat, [und wie] sie Gott [dabei] zwar jeweils angebetet haben, aber nicht losgelöst von dem Gleichbild, in dem er sich jeweils offenbart hat, und die Anbetung jeweils durch das Abbild zum Urbild emporstieg, so ist es auch bei mir199, wenn ich Gott in seiner Menschwerdung anbete: Die Anbetung steigt durch das Bild zum Archetyp empor.200 |C 259| 8,14 Denn Gott ist es, der sich auf Erden im Fleisch geoffenbart hat, und das Fleisch wird gewürdigt durch Gottes Würde, der sich in ihm geoffenbart hat, wie der Leib um der Seele willen gewürdigt wird, [wie] der Purpur[mantel] des Königs um dessentwillen, der damit bekleidet ist, [wie] das Leder der Tiere um der göttlichen Worte willen, die auf ihm geschrieben sind, [wie] der Ton um des königlichen Siegels willen, das auf ihn gesiegelt ist. 8,15 Wir verehren nämlich weder den Menschen an und für sich noch dienen wir den Geschöpfen noch dienen und verehren wir Gott ohne seine Bekleidung. Denn wenn wir Schuhe aus Leder von toten201 Tieren küssen um der Füsse des Königs willen, den sie beschuhen, um wieviel mehr also umarmen, verehren und küssen wir das vernünftige Kleid der Gott-Rede202 um Gottes willen, der damit bekleidet ist.203 8,16 Denn [es ist wie beim Geheiligten Haus]204: Gott wird von euch im Geheiligten Haus205 angebetet, und das Haus bleibt nie ohne Ehrung, und ihr betet Gott nie ohne es an, denn auch in der Ferne blicken euer Geist und euer Gesicht206 zum Geheiligten Haus, und in der Nähe wiederum bringt ihr Gott von überall ringsumher und [von allen] Seiten in ebendiesem Haus Anbetung dar, und es gibt niemanden, der euch vorwerfen würde, ihr würdet Steine verehren. Genauso verehren auch wir Gott überall in seinem vernünftigen und verborgenen Abbild, |C 260| und es gibt niemanden Vernünftigen, der uns vorwerfen würde, wir würden Geschöpfe anbeten. 8,17 Es ist nämlich auch angemessener, Gott in seinem Abbild anzubeten als in unbeseelten und vernunftlosen Steinen. Denn wenn Jesus Christus Rede und Geist von Gott ist207 und Im Syrischen noch härter mit Casus pendens: »…so auch ich, wenn ich Gott in seiner Menschwerdung anbete: Die Anbetung …«. 200 Vgl. dazu auch unten 40,9,9. 201 Das Adjektiv »toten« fehlt bei Cheikho (Langage, S. 259). 202 Also der zu Christus gehörende irdische Mensch. 203 Vgl. die ähnliche Formulierung in ep 34,7,31. 204 Ich entflechte den langen Vergleichssatz. 205 Syr. baytā ḥarmā, vgl. arab. ḥaram zur Bezeichnung des heiligen Gebietes der Städte Mekka und Medina (Graefe, Ḥaram, S. 278 r. Sp.). 206 Im Syrischen stehen »Geist« und »Gesicht« im Plural. 207 Hier wird Christus auf dem Hintergrund von Sure 4,171 als Rede und als Geist verstanden (vgl. dazu Heimgartner, CSCO 632, S. 15f Anm. 64 und S. 97 Anm. 309), ich setze daher in der unmittelbaren Fortsetzung »Rede und Geist« mit Singularverb. 199
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[wenn dazu] Gottes Rede und Geist diesem angemessener ist als Steine ohne Wahrnehmung und ohne Vernunft, dann ist also die Anbetung, die in Christus [vollzogen wird], Gott angemessener, wenn denn die, welche in Steinen [vollzogen wird], ohne Wahrnehmung und ohne Vernunft ist.« 8,18 »Aber es ziemt sich«, sagt er, »den einen Gott ohne irgendetwas anderes anzubeten.« 8,19 [Ich sprach:]208 »Wenn es sich ziemt, den einen Gott anzubeten, wie du sagtest, und [wenn] der eine Gott nicht ohne Rede und Geist ist, dann ziemt es sich folglich, Gott nicht ohne Rede und Geist anzubeten. Denn Gott liebt es niemals, ohne Rede und Geist angebetet zu werden, wo er doch lebendig und denksprachfähig ist209. 8,20 Denn wenn Gott angebetet wird und [wenn] Gott gut und weise und Richter ist, werden dann also weise Richter [in der Mehrzahl] angebetet? Wie nämlich Gott angebetet wird, und zwar keinesfalls ohne seine Güte und ohne seine Gerechtigkeit noch ohne sein Sehen und ohne sein |C 261| Erkennen, und niemand [dabei] je den Vorwurf macht, es würde eine Mehrzahl von Göttern angebetet, so wird auch Gott nicht ohne seine Rede und ohne seinen Geist angebetet, und niemand macht [dabei] den Vorwurf, es würde eine Mehrzahl von Göttern angebetet.« 8,21 [Er sprach:] »Jene [Attribute hat er] nämlich im Sinne der Natur, diesen aber, [der Gottes Rede und Geist ist,] hat er nicht in natürlicher Weise210; dieser ist [also] nicht anbetungswürdig.« 8,22 [Ich antwortete:] »Wenn aber Gott diesen im Sinne der Vereinigung besitzt — denn er ist und heisst auch Bild und Gleichbild Gottes — und [wenn] das, was mit Gott vereint ist, nicht anbetungswürdig ist, dann ist der zu unserem Herrn gehörende Mensch [ebenso] nicht anbetungswürdig wie auch diese Gleichbilder, in denen er den Propheten erschienen ist, denn wie er den Propheten nicht ohne Gleichbilder erschienen ist, so wurde er von den Propheten nicht ohne Gleichbilder angebetet, denn worin er den Propheten erschienen ist, ebendarin wurde er von den Propheten angebetet. 8,23 Ebenso auch hier: Wie er sich nämlich uns nicht ohne sein Bild und Gleichbild offenbart hat, so darf er von uns nicht |C 262| ohne sein Gleichbild angebetet 208 Der Wechsel der sprechenden Person wird im Text nicht angegeben, so auch in 40,8,21f und 40,9,11. Ich verzichte dabei in der Regel auf eine Konjektur und füge den Wechsel nur in eckigen Klammern bei. Anders ist es oben in 40,8,7: Dort ist einzig unklar, um welche Person des Verbs »sprach« es sich handelt. In der Disputation ist der Sprecher stets angegeben, vgl. dazu Heimgartner, CSCO 632, S. 46 Anm. 160 zu disp 9,37. Hier scheint er in 8,19–22 bewusst das rasche Hin-und-Her der direkten Rede nachzuahmen. 209 Vgl. dazu ep 34,6,35–38; 35,2,6–18.31; 41,2,11f; disp 4,17–22; 18,41. 210 Man beachte die ergativartige Konstruktion mit doppeltem, entstanden aus: »Was jene betrifft, hat er [sie]…, was diesen betrifft, hat er [ihn]…«.
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werden, denn worin er sich uns offenbart hat, darin wird er von uns angebetet und geehrt. 8,24 Wenn Gott ferner von [manchen] Leuten im Geheiligten Haus verehrt wird, Gott aber nicht naturgemäss ein Haus hat, dann darf er folglich nicht in einem Haus verehrt werden211, denn Gott hat nicht naturgemäss ein Haus. 8,25 Aber David, Gottes Prophet, befiehlt uns, den Schemel von Gottes Füssen und Gottes heiligen Berg zu verehren. »Lasst uns zu seiner Wohnung hinaufziehen«, sagt er, »und den Schemel seiner Füsse verehren!« (Ps 132,7) Und: »Verehrt seinen heiligen Berg!« (Ps 99,9) 8,26 Wenn David uns befiehlt, die Erde, die der Schemel von Gottes Füssen ist, und den heiligen Berg, auf dem Gott wohnt, wegen Gottes Ehre zu verehren, um wieviel mehr müssen wir folglich Gottes Tempel in Gott verehren! Und Gott ist in seinem Tempel auf ewig ohne Abtrennung.« |C 263| 8,27 »Wenn die drei Individualitäten«, sagte er, »unendlich sind und sich überhaupt in keiner [Hinsicht] von einander abtrennen und entfernen, wie du sagtest, wie kann es [dann] geschehen, dass eine von ihnen Fleisch und Mensch wird, die anderen jedoch nicht daran teilnehmen? Denn entweder wird die Menschwerdung [allen] dreien zuteil oder keiner von ihnen.« 8,28 »Erstens einmal«, sagten wir, »ist es unmöglich, bei Gott das »Wie« zu erforschen.212 Wie kannst du nur beständig dasselbe wie ein Rad um sich selbst herumdrehen und herumgehen lassen!« 8,29 Dann aber sagen wir: »Wie das Licht und die Wärme der Sonne sich sowohl mit der Luft als auch miteinander verbinden und vereinigen und das Licht der Sonne vom Auge gesehen wird, die Wärme und die Luft jedoch, die miteinander vereint sind, vom Auge nicht gesehen werden, obwohl sie nicht vom Licht getrennt sind, das für das Auge sichtbar ist, oder, wenn du [so] willst, wie die Seele, der Gedanke und die Rede miteinander vereint sind |C 264| und keines von ihnen vom anderen abgetrennt ist, so sagt man von der Rede, dass sie sich mit der Zunge bekleidet, aber von der Seele und dem Gedanken sagt man nie, dass sie körperlich und hörbar werden, obwohl sie sich nicht von der Rede entfernen, die körperlich wird und sich mit der Zunge bekleidet.213 8,30 So auch Gott, seine Rede und sein Geist: Obwohl sie in jeder Hinsicht unendlich und unaufteilbar sind und sich überhaupt nicht von einander entfernen, wird [nur] die Rede körperlich und Mensch ohne Veränderung, doch vom Der Syllogismus ist formal nicht richtig. Vgl. dazu auch oben 40,8,2 mit Anm. 185 zur Stelle. 213 Siehe zu diesem Vergleich auch disp 3,13. Ich hätte dort besser »Zunge« statt »Sprache« übersetzen sollen (Heimgartner, CSCO 632, S. 10). 211 212
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Vater und dem Geist sagt man nicht, dass sie Mensch würden. 8,31 Und wie die Seele im ganzen Leib ist, aber beim Redevorgang allein die Zunge gebraucht wird, obwohl jene sich überhaupt nicht auf die Zunge beschränkt und begrenzt, so [ist es] auch [bei] Gott: Obwohl er in allem ist und über alles hinausgeht, gebraucht er allein diesen [einen] Menschen in allem als einen Mittler, wobei er sich überhaupt nicht auf ihn begrenzt oder sich mit ihm begnügt. 8,32 Somit ist die Rede in eigentümlicher Weise Mensch geworden, wie die Rede214 die Zunge und wie das Auge das Licht 〈angenommen hat〉, und es werden nicht der Vater und der Geist Fleisch, obwohl sie |C 265| von der [Gott-]Rede untrennbar sind wie die Seele und der Gedanke [von der Rede der Seele] oder die Luft und die Wärme [vom Licht], so dass man nicht sagt, dass die Seele und der Gedanke gehört werden oder sich mit der Zunge bekleiden, und dass man von der Luft und der Wärme nicht sagt, dass sie vom Auge gesehen werden, obwohl die Seele und der Gedanke sich nicht von der Rede entfernen, die hörbar ist, und die Wärme und die Luft [sich] nicht vom Licht [entfernen], das sichtbar ist.« 9,1 Er sagt mir: »Wer ist, der ans Kreuz geheftet wurde?« Ich sage ihm: »Gottes Sohn im Fleisch.« 9,2 Er sagt mir: »Litt und starb er oder nicht?« Ich sage ihm: »Beides!« Er sagt mir: »Wie [das]?« 9,3 Ich sage ihm: »Insofern er als Rede215 dem Vater naturgleich ist, litt und starb er überhaupt nicht. Denn Gottes Natur ist leidensunfähig und unsterblich. Insofern er aber Fleisch ist, litt und starb und auferstand er auch. Denn die menschliche Natur ist leidensfähig.« 9,4 Er sagt mir: »Wenn das Fleisch litt und starb und Gott, wie du sagst, im Fleisch war, dann litt und starb folglich Gott.«216 |C 266| 9,5 Ich aber sage ihm: »›Fleisch‹ ist etwas anderes als ›im Fleisch‹. Jenes bezeichnet nämlich die Individualität, dieses den Ort oder die Stelle dort. Wie kannst du nur in sophistischer und verführerischer Weise ›Individualität‹ und ›Wesen‹ auf die Kategorie des Ortes oder Platzes übertragen und vermengen! 9,6 Wenn Wasser oder Salbe in einem Gefäss ist und es geschieht, dass das Gefäss zerbricht, müssen dann etwa notwendigerweise auch das Wasser und die Salbe zerbrechlich sein? Oder wenn das Licht der Sonne 214 Es ist hier und im Folgenden etwas verwirrend, dass »Rede« hier Element sowohl der Triade Vater–Rede–Geist als auch der damit verglichenen Triade Seele–Gedanke– Rede ist. 215 Die Konstruktion um des Deutschen willen. Im Syrischen ist der Wechsel von »Sohn« zu »Rede« problemlos möglich, weil ܡܠܬܐim Sinne des göttlichen Logos maskulin ist. 216 Ein Gedankengang wie 40,9,1–4 oder gar 40,9,1–7 dürfte in der Lücke vor disp 20,1 gestanden haben.
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im Spiegel ist und es geschieht, dass der Spiegel zerbricht, ist dann etwa, weil der Spiegel zerbrochen ist, auch das Licht der Sonne zerbrechlich? 9,7 Wie somit Gott in den Meeren ist und nicht ertrinkt und wie seine Natur im Feuerofen und in der Sonne ist und nicht verbrennt noch sich entzündet noch sich erhitzt und [wie] er in der Erde ist und nicht |C 267| durch die Pflugschar zerrissen wird oder leidet, so war er auch im Leib, aber seine Natur litt und starb nicht, während [nur] sein Leib litt und starb.« 9,8 »Wie denn«, sagt er, »und warum verehrt ihr das Kreuz217?« 9,9 Ich entgegnete ihm: »Wie wir nicht den Menschen separat [als solchen] verehren, sondern Gott in seinem Tempel verehren und Gottes Tempel um der Verehrung Gottes willen verehrt wird — wobei wir Gott vermittelt durch seinen Tempel eine [einzige] Verehrung darbringen und dabei weder Gott der Verehrung verlustig geht noch die geschaffene und erschaffene Natur in singularischer Weise verehrt wird —, so verehren wir auch nicht das Kreuz separat [als solches], sondern durch das Kreuz verehren wir den Archetyp218, wobei wir den Blick219 unserer Verehrung auf Gott ausdehnen. 9,10 Denn am Kreuz vergegenwärtigen wir das Bild von Gottes Sohn vor uns. Denn in ebendem, worin Gott uns seine Liebe zu uns in überreicher Weise gezeigt hat, müssen auch wir unsere Liebe zu Gott zeigen.«220 |C 268| 9,11 〈Er sagte:〉 »Folglich müssen wir Gott in allem verehren, denn alles ist ein Erweis von Gottes Liebe zu uns.«221 9,12 Ich aber sagte ihm: »Dies alles ist Gott nicht so nahe, wie Gottes Rede und Geist Gott nahe sind. Denn Gottes Rede und Geist sind Früchte seiner Natur, dies alles aber sind Früchte seiner Schöpfertätigkeit.222 Und wie seine Natur grösser als sein Erschaffen ist, so ist seine Liebe zu uns, die er uns durch seine Rede und seinen Geist gezeigt hat, grösser und erhabener als die [Liebe], die er uns durch dies alles kund getan hat.« 9,13 »Und was sagst du?« sagt er. »Hat er seine Natur um deinetwillen dem Tod am Kreuz ausgeliefert?« Ich sagte ihm: »Aber nur durch ein Vermittelndes.« |C 269| »Und was für einen Gewinn hast du davon?« sagt er. 9,14 »Weil Tod und Leiden«, sagte ich ihm, 217 Man beachte, dass die Kreuzigung im Kalifenreich zur Zeit des Timotheos noch immer in Gebrauch ist, vgl. dazu Heimgartner, CSCO 32, S. 42 Anm. 147. 218 Vgl. auch oben 40,8,13. 219 Vgl. zu »blicken« im Zusammenhang mit der Gebetsrichtung auch oben 40,8,16. 220 Vgl. zu diesem Gedanken disp 9,10–13. 221 Man beachte, wie Timotheos in disp 9,10–13 diesen Einwand von vornherein gezielt vermeidet. 222 Der Gedanke auch in ep 35,2,20f; dort betont Timotheos noch stärker den Gegensatz von Gottes Natur und Gottes Willen.
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»aufgrund der Vereinigung und der Verbindung mit seinem Leib als ihm zugehörig betrachtet werden, obwohl er überhaupt nicht der Natur nach gelitten hat. 9,15 Und wie als Opfer, das Abraham Gott darbrachte, nicht das des Widders erachtet wurde, der ohne Vernunft ist, sondern das seines Sohnes Isaak, der mit ihm [d. h. Abraham] naturgleich ist, und dies, obwohl Isaak überhaupt nicht geopfert wurde — denn mehr aufgrund der Absicht von Abrahams Willen als aufgrund dessen, dass er seinen Sohn [tatsächlich] getötet hätte, wurde sein Opfer beurteilt —, genauso wurden auch das Opfer, das Leiden und der Tod von Gottes Tempel nicht dafür erachtet, als gehörten sie allein zu seinem Leib, sondern so, dass sie aufgrund der Vereinigung [auch] zu ihm gehörten. 9,16 Und wie die Liebe Abrahams gegenüber seinem Schöpfer nicht in derselben Beschaffenheit und Menge kundgetan wurde223, als er ihm den Widder und als er ihm seinen Sohn zum Opfer darbrachte, genauso haben sich auch Gott und sein Erbarmen gegenüber uns nicht in derselben Menge und Beschaffenheit kundgetan, als er in seiner Schöpfung und als er in seinem Sohn seine Liebe zu uns zeigte. 9,17 Dann ist es folglich richtig, dass an dem, worin uns der Reichtum von |C 270| Gottes Liebe und Barmherzigkeit ____224 kundgetan wurde, auch wir den Beweis unserer Liebe zu Gott zeigen.« 10,1 »Wenn 〈Christus〉225«, sagte er, » so sich [im Gebet] niederneigte226 und [wenn], wer sich niederneigt, nicht Gott ist, dann ist 〈auch〉k227 Christus Die deutsche Übersetzung ahmt bewusst die technische Sprache mit ihrer Betonung der Kategorien nach. ܿ 224 Lücke in den Handschriften. Cheikhos Konjektur 〈ܒܗܘ 〉ܒܗ ܓܝܪscheint mir weder von der Logik her ( ܓܝܪmitten im Satz) zu passen, noch ist der Sprachgebrauch bei Timotheos belegt, soweit ich sehe. In Analogie zu der fast wörtlichen Parallele disp 9,13 könnte man allenfalls die Lücke wie folgt füllen: »worin uns der Reichtum von Gottes Liebe und Barmherzigkeit 〈gegenüber allen〉 ( )ܠܘܬ ܟܠkundgetan wurde«. 225 In diesem Satz ist der Text mehrfach beschädigt. Vom Syllogismus her lässt sich der Text rekonstruieren. Ich konjiziere das notwendige Subjekt »Christus« ( )ܡܫܝܚܐanstelle des in den Handschriften einhellig bezeugten, aber in der ersten Prämisse deplatzierten »also« ()ܡܕܝܢ. Es dürfte aus einer schlecht lesbaren Abbreviatur von ܡܫܝܚܐentstanden sein. Handschrift k hat sich hier ebenfalls um die Textlogik bemüht und liest: »›Wenn also‹, sagte er mir, ›Christus sich so [im Gebet] niederneigte, wie wir erfahren haben…‹« 226 Timotheos spielt in seiner folgenden Argumentation mit der Zweideutigkeit des Verbs »( ܨ�ܠܐsich neigen«), das im Pa‘el (wie auch das arabische ṣallā II) das EinanderZugeneigtsein von Gott und Mensch beschreibt und somit bei menschlichem Subjekt »beten« und bei göttlichem Subjekt »segnen« bedeutet. Um die Doppeldeutigkeit im Deutschen nachahmen zu können, übersetze ich mit »sich niederneigen«. — Vgl. zur Zweideutigkeit von Wörtern Aristoteles, Topika 9,19 (177a,9–15) am Beispiel von ἐπίστασθαι (»sich auf etwas verstehen« und »etwas verstehen«). 227 Lücke in den Textzeugen VWLTDMbp. Die Ergänzung von »auch« mit k; auch O liest »auch« mit folgender Lücke. Denkbar wäre (stattdessen oder zusätzlich) die 223
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nicht Gott!« 10,2 »Und wenn Gott sich über die Propheten niederneigt228 und [wenn], wer sich niederneigt, gemäss deiner Aussage 〈nicht〉E Gott ist, dann ist Gott folglich nicht Gott, 〈denn〉k er ist einer, der sich niederneigt. Wenn Gott aber Gott ist, obwohl er sich über die Propheten niederneigt, ist 〈folglich auch〉k Jesus Gott, obwohl er sich niedergeneigt hat. 10,3 Denn Jesus musste sich auch aus zwei [Gründen] niederneigen: erstens, weil er Gott naturgleich ist wie folgt: Wenn Jesus Gott naturgleich ist und [wenn] Gott sich niederneigt, dann muss notwendigerweise auch Jesus sich niederneigen. Denn die Eigentümlichkeit [von Gott und Jesus] ist ein und dieselbe wie [ihre] Natur. Dann aber auch, um die disciples229 das Sich-Niederneigen zu lehren.230 10,4 Und wie sein Vater sich über die Propheten niedergeneigt hat, aber nicht ohne seine Rede und seinen Geist, so haben sich auch seine Rede und sein Geist231 über die disciples niedergeneigt, aber nicht ohne Gott Vater. 10,5 Denn wenn der Vater sich niederneigt, neigt er sich mit232 seiner Rede und seinem Geist nieder. Und wenn wiederum seine Rede und sein Geist sich niederneigen, |C 271| neigen sie sich mit Gott [Vater] nieder. 10,6 Wenn es also Gott beliebt, sich niederzuneigen, dann gefällt es auch Gottes Rede und Geist, sich niederzuneigen. Doch wenn es Gottes Rede und Geist nicht gefällt, sich niederzuneigen, dann also gefällt es auch Gott [Vater] nicht, sich niederzuneigen. Ergänzung von »Jesus«: Die Namensform »Jesus Christus« verwendet auch der Kalif in disp 3,15; 5,3.8; 6,1 u. ö. 228 Timotheos spielt an auf Sure 33,56: »Gott und seine Engel segnen den Propheten«, wo genau das vorliegende Verb ṣallā (hier nuṣallūna) mit der Präposition ‘alā begegnet. Paret und Zirker übersetzen: »sprechen den Segen über dem Propheten«. Die AhmadiyyaÜbersetzung (Ahmad, Qur‘ân) vermeidet die Verbindung der beiden Subjekte: »Allah sendet Segnungen auf den Propheten und Seine Engel beten für ihn«. In diesem Vers hat auch die geläufige Eulogie des Propheten (ṣallā llāhu ‘alayhi wa-sallama, die sog. taṣliya) ihren Ursprung, vgl. dazu Rippin, Taṣliya, S. 385 l. Sp. 229 Arab. ḥawārī (Pl. -yūn), »Schüler«, »Jünger«. Ich ahme den Sprachwechsel nach, indem ich die arabischen Wörter in der deutschen Übersetzung auf Englisch wiedergebe. 230 Vgl. zu diesem Gedanken disp 6,10–12.33–36. 231 Timotheos konstruiert »Rede und Geist« bald mit Singularverb wie hier, bald mit Pluralverb wie nachher in 40,10,5. Ich setze hier im Deutschen stets den Plural. Anders ist es sogleich in 40,10,8–10, dazu unten Anm. 234. — Vgl. zum Problem des Numerus sowie zu den beiden Formeln »Vater, Sohn und Geist« und »Gott, Rede und Geist« Heimgartner, CSCO 632, S. 15f Anm. 64 und S. 97 Anm. 309. 232 Die Präposition ܒhier offensichtlich in der Bedeutung »mit«, wie der Textzusam menhang (»nicht ohne«) nahelegt. So wird auch die Reziprozität (»A mit B und B mit A«) besser verständlich als bei den Präpositionen »durch« und »mit«. So übersetzt auch Cheikho (Langage, S. 271f) in 10,9 (erstes Vorkommen) zwar »le roi … avec sa parole et son esprit«, jedoch hier in 10,5 »il prie en son Verbe et son Esprit« und in 10,9 (zweites Vorkommen) »par son Verbe et son Esprit«.
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Denn in derselben Weise wie Gott sich niederneigt, neigen sich ebenso auch Gottes Rede und Geist nieder.« 10,7 »Wenn nun Jesus angebetet hat233«, sagt er, »und [wenn], wer anbetet, nicht Gott ist, dann ist Jesus folglich nicht Gott.« 10,8 »Aber wenn Jesus angebetet hat«, sagte ich ihm, »und [wenn] Jesus Gottes Rede und Geist ist (vgl. Sure 4,171), dann hat folglich auch Gottes Rede und Geist angebetet.234 Und wenn Gottes Rede und Geist angebetet hat und [wenn] Gottes Rede und Geist niemals etwas ohne Gott tut, dann hat folglich auch diese Anbetung jeweils nicht ohne Gott stattgefunden.235 10,9 Denn wie der König nichts ohne seine Rede und seinen Geist tut, so tut auch des Königs Rede und Geist nichts ohne den König, sondern alles, was der König tut, tut er mit seiner Rede und seinem Geist. Und alles, was |C 272| des Königs Rede und Geist tut, tut sie mit dem König. 10,10 So tat und tut auch Gott nichts ohne seine Rede und seinen Geist, und Gottes Rede und Geist tut nichts ohne Gott. Und alles, was Gott tut, tut er mit seiner Rede und mit seinem Geist. Und alles, was Gottes Rede und Geist tut, tut Gott. 10,11 Zudem: Wie er [d. h. Jesus] sich niedergeneigt hat, aber ohne, dass er dessen bedurft hätte — denn der Schöpfer des Alls ist nicht bedürftig —, sondern um die Jünger das Sich-Niederneigen zu lehren und durch sie alle Völker der Erde, so hat er auch angebetet, um die Jünger die Anbetung des einen Gottes zu lehren und durch ihre Vermittlung alle Völker der Erde. 10,12 Denn wie die Handwerker in eigener Individualität ihre Handwerke ausüben und so ihre Schüler [»Jünger«] lehren236, so zeigte auch Jesus in eigener Individualität Sich-Niederneigen, Anbetung, Fasten, Taufe, Leiden, Kreuzigung und das Wiederaufleben der Toten237, um [all] dies die Jünger zu lehren und durch die Jünger die ganze Welt.« |C 273| 233 Nun wählt der Gesprächspartner den Alternativbegriff »( ܣܓܕanbeten«), der nicht mit Gott als Subjekt verwendet wird. 234 Hier wird nun »Gottes Rede und Geist« auf dem Hintergrund von Sure 4,171 ganz streng singularisch als »Jesus« verstanden (vgl. dazu auch oben Anm. 231 zu 40,10,4). Daher übersetze ich hier konsequent mit Singular. — Vgl. dazu auch Cheikho, Langage, S. 271 Anm. 98; er behält den Singular jedoch in der Übersetzung nicht streng bei. In der Conclusio des Syllogismus konjizieren auch die Handschriften WL den Plural. 235 Man beachte, wie Timotheos es streng vermeidet, das Verb »anbeten« direkt von Gott als Subjekt auszusagen. 236 Der Vergleich mit den lehrenden Handwerkern kommt in der Disputation nicht vor. 237 Vgl. die Liste der Inhalte der Lehre des Christus in disp 6,10: »Taufe, Gesetze, Gebote, Anbetungen, Verehrung nach Osten, das Opfer, das wir darbringen«, ferner auch die Liste in disp 13,57: »Die Zunahme von Körpergrösse und Weisheit sowie Essen, Trinken, Müdigkeit, Zorn, Unwissen, Beten, Leiden, Kreuz, Begräbnis und alle anderen derartigen [Dinge], die von manchen als Zeichen der Schwäche und Verachtenswürdigkeit betrachtet werden.«
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11,1 Als wir zu diesen Worten gelangt waren, erhob er sich von uns238, segnete mich239 und sagte mir: »Ich werde dich an einem anderen Ort als diesem Versammlungsort [wieder-]sehen«240, denn es hatten sich auch viele Menschen um uns versammelt.241 11,2 Und hier nahmen das Streit[-gespräch] 5 von damals und das »Ärgernis des Kreuzes« (Gal 5,11)242 ein Ende. 11,3 Ich wollte nämlich deine Freundlichkeit darüber in Kenntnis setzen, damit du weisst, in was für Streitigkeiten und Kämpfen wir uns befinden. 11,4 Über die Äusserungen, |331| Einsprüche 〈und〉 gegnerischen 〈Einwände〉243, die vom grossen Philosophen und Herrscher des Erdkreises bei uns stattfanden, 10 werde ich dir zu anderer 〈Zeit〉244 schreiben245, wenn es unserem Herrn gefällt, dem die Ehre [gebührt], und über der Welt und seiner Kirche246 sei sein Erbarmen auf ewig! Amen. 1
In 2,2 hatte er sich gesetzt. Vgl. disp 2,1f und 13,80. 240 Wegen der folgenden Begründung (»denn«) setze ich das Ende der direkten Rede hier. Cheikho (Langage, S. 273) setzt keine Anführungszeichen, doch seiner Interpunktion zufolge zieht er den folgenden Teilsatz noch zur Aussage des Gegners. Das ist auch möglich. In diesem Fall müsste man das syrische Perfekt im Deutschen entsprechend übersetzen (»haben sich… versammelt«). 241 Zu einer möglichen Bezugnahme des Gesprächsschlusses auf Just dial 142,2f vgl. Heimgartner, CSCO 632, S. XXXV–XXXVI. 242 Vgl. oben ep 40,7. 243 Lücke in den Handschriften. Ich konjiziere »und« sowie das fehlende Substantiv gemäss ep 36,3,10. 244 Die Konjektur ܒܙܒܢܐentsprechend zur Übersetzung von Cheikho (Langage, S. 273): »une autre (fois)«. Bidawid (Lettres, S. 17) übersetzt »je t’écrirai une autre lettre«. 245 Damit ist die Disputation mit dem Kalifen al-Mahdī (775–785) gemeint, vgl. dazu Bidawid, Lettres, S. 17f, und Heimgartner, CSCO 632, S. XXXV. Auch in der Disputation nennt Timotheos nie den Namen des Kalifen, sondern spricht stets vom »König«, von der »königlichen Krone« o. ä. (vgl. dazu Heimgartner, CSCO 632, S. 3 Anm. 20). Die Identität ist gesichert, weil in disp 19,4.8.23.27 und 21,13 seine Söhne Mūsā, Hārūn und ‘Alī namentlich genannt sind. 246 Die Elias-Rezension liest: »über der ganzen Welt und über seiner Kirche«. 238 239
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Von demselben an die Mönche von Mār Mārōn.
An die Glieder unseres Herrn Christus, die Söhne des Geheimnisses der Himmelsherrschaft, die an sich das Bild des himmlischen Menschen über die Erde tragen und anstelle des Abbildes der Sterblichkeit dasjenige 5 der Unsterblichkeit und Leidenslosigkeit darstellen, an die keuschen und verehrungswürdigen Brüder, die Mönche, welche unter dem Schutzdach von Mār Mārōn wohnen, welche die zum Geist gehörenden geistigen Opfer1 dem Christus, »der Gott über alles ist« (Röm 9,5 𝔓)2, mit zerknirschtem Herzen und demütigem Geist beständig darbringen. Timo10 theos, der geringe Diener des grossen lebendig machenden Gottes Jesus Christus (vgl. Tit 2,13 𝔓), der durch Gottes Gnade den Dienst des Patriarchensitzes in der Königsstadt ausübt, entbietet euch im Geist seinen Gruss und bittet inbrünstig um euer Gebet. 15
1,1 So grosse Freude und [so grossen] Jubel [bereiten] nicht [einmal] die Sonne denen, »die in der Finsternis wandeln« (Jes 9,1), noch die Sterne denen, die bei Schiffbruch auf dem Meer Gefahren bestehen, wie uns eurer erhabener göttlicher Brief3 Freude und Entzücken bereitet hat, insofern diese [Dinge] für nicht mehr als für die Enge einer kurzen Zeit 1 Vgl. zu dieser Formulierung auch die »geistigen Schönheiten des Geistes« in 41,1,17, die »allgemeinen Allgemein[-aussagen]« in 40,2,13 und das »allgemeine Allgemeinwesen« in ep 41,2,4, die »zum Geist gehörenden geistigen Opfer« in 41 inscr. 2 Die Formel findet sich vielfach in Brief 41 und stammt aus dem Vers Röm 9,5 (𝔓), der in 41,9,15 ausführlicher zitiert wird: »aus diesen [Vätern] erschien Christus dem Fleisch nach, er, der Gott über alles ist«. Luise Abramowski hat diesen Passus so sehr als Charakteristikum betrachtet, dass sie ihren noch ungedruckten Beitrag zum grossen christologischen Werk von Grillmeier/Hainthaler mit »Christus im Fleisch, der Gott über allem ist« betitelt hat. Ihr folgt Theresia Hainthaler mit dem Titel ihres Aufsatzes »Christus im Fleisch, der Gott über allem ist (Röm 9,5)«, wo die Angaben zu Abramowski referiert sind (Christus, S. 195f). — Timotheos verwendet für »Gott über alles« stets wie im Zitat in 41,9,15 die Form ܐܠܗܐ ܥܠ ܟܠohne ( ܕ41,1,17; 41,6,8[2×].19.22; 41,11,2.16.17), einzig in 41,11,15 verwendet er die seinem Stil mehr entsprechende Form ܐܠܗܐ ܕܥܠ ܟܠmit ܕ. 3 Im Syrischen »Mitteilung« ( ;ܥܢܝܢܐvgl. ep 35,1,1.3 und ep 38,1). Ich übersetze um der Genusklarheit willen »Brief« (Verwechslungsgefahr bei den Pronomen v. a. in 41,1,3). Möglicherweise hat Timotheos hier aus demselben Grund ܥܢܝܢܐgegenüber ܐܓܪܬܐ (»Brief«) bevorzugt, um klarzustellen, ob sich die Pronomen und Verben auf das feminine »( ܚܕܘܬܐFreude«) oder das maskuline »( ܥܢܝܢܐMitteilung«) beziehen.
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erscheinen, denn es können sowohl jene wieder in Finsternis als auch diese erneut in Schiffbruch geraten, wenn denn jene zu finsteren Orten und diese zu einer Meeresreise aufbrechen.4 1,2 Uns selbst aber bereitete eurer göttlicher und geistiger Brief — der mit der Liebe des Christus [mehr] strahlte als5 die Sonne an der Himmelsfeste und mit seiner Demut [mehr] glänzte als die Sterne zur Zeit der Nacht und an sich insgesamt ein möglichst genaues Abbild des Gleichbildes des Christus brachte, unseres Herrn, der, obwohl er Gott war, ist und sein wird und »dem Wesen nach« dem Vater entspricht und »gleich ist«, zu seiner Offenbarung »das Gleichbild eines Dieners annahm« und sich damit bekleidete (Phil 2,6f 6) — 1,3 nicht die Freude einer kurzen Zeit |B 92| und nicht die Wonne eines kleinen Augenblicks, noch [ist es so], dass er jetzt gegeben und später [wieder] genommen werden könnte noch dass [all] das, was zu ihm gehört, sich nur auf die körperliche Wahrnehmung erstrecken würde, wie es der Sonne und den Sternen eigentümlich ist, sondern eine beständige, dauerhafte [Freude] von umfassender Art ist ebendiesem [Brief] eigen: Er erfreut und entzückt den Leib, noch mehr aber erquickt und erfrischt er die Seele, für welche wir mehr als für andere [Dinge] Vorsorge treffen, wir, die wir Söhne Gottes und Söhne des Erbbesitzes des Christus sind und heissen. 1,4 Oder wenn ihr wollt, dass wir in einer vertrauteren und genaueren Weise [zum Vergleich] Bilder [herbeiziehen], welche sowohl eure als auch unsere [Belange] bezeichnen — denn wir gedenken auch in angenehmer Weise eurer [Belange], und [nur] mit Schwierigkeit oder Mühe lasse ich mich 〈nicht〉7 zur Süsse hinziehen und hintragen, wie [man] auch beim Gesichts- und Geruchsinn bei Ersterem von den schönen und gefälligen [Dingen], bei Letzterem von den besonders angenehmen und besonders süssen [[Dingen]]8 [hingezogen wird] —: 1,5 Wie dem Ezechiel die 4 Vgl. zum Briefanfang auch die ähnlichen Formulierungen in Brief 35,1,1: »Eine so grosse Freude bereiten die Sterne mit ihrem Glanz weder denen, die in der dunklen Finsternis der Nacht stehen, noch denen, die auf den Meeren Schiffbruch erleiden, [oder] wenn du [so] willst: weder die hellsten Brote denen, die hungern, noch die kühlsten aller kühlen Wasser denen, die dürsten, wie uns deine verständigen Mitteilungen voller Klugheit erfreut haben und erfreuen.« 5 Bidawid (Lettres, S. 91 Anm. 3) konjiziert unnötigerweise ܐܝܟstatt ܐܘ. Hier hat ܐܘjedoch die nicht unübliche Bedeutung des komparativischen »als«. 6 Sehr frei zitiert; wörtlicher, aber auch verkürzt das Zitat unten in ep 41,6,32 (vgl. ferner auch die Verkürzung des Zitats in ep 34,2,10). 7 Der überlieferte Text schreibt »für meinen Teil« ()ܠܝ. Mir scheint die Negation »nicht« ( )ܠܘvom Sinn her notwendig zu sein. 8 Lücke im Text. Was für ein Wort hier gestanden hat, kann nur erraten werden. Man ̈ ̈ mag an ܫܖܒܐ (ep 37,4) oder an ܣܘܥܖܢܐ (ep 36,2,15) denken.
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himmlische Schriftrolle [erschien] und der Versammlung der Apostel die Gabe des Parakleten — es gibt nämlich nichts unter den Gaben, was diese [Gabe] übertrifft —, so erschien und tat sich auch uns die ruhmreiche 〈Gab〉e9 eures göttlichen Briefes kund, welcher der Gestalt nach schön war — denn er entsprach dem Abbild nach jenen Tafeln, die mit Gottes Finger geschrieben worden waren —, [noch] schöner 〈wa〉r10 er aber, was die Art der geschriebenen [Inhalte] wie auch seiner Buchstaben betrifft, doch am Allerschönsten11 〈wa〉r er in der Beschaffenheit seiner Gedanken. 1,6 Denn er war in einfacher, reiner und geistiger Weise geschrieben, weil Gott, der sagte, dass »in der Finsternis Licht aufstrahlen wird« (Jes 9,112), selbst in unseren Herzen aufgestrahlt ist, damit wir durch die Erkenntnis der Herrlichkeit Gottes des Vaters im Antlitz des Jesus Christus13 erleuchtet werden. Denn siehe, die leuchtenden Strahlen des Lichts, das in den Herzen derer aufgestrahlt ist, die an Christus glauben, sind uns offenkundig sichtbar geworden aufgrund eures wunderbaren gotterfüllten Briefes. 1,7 Und deshalb ist es auch uns widerfahren, doppelte Strahlen zu geniessen14, sowohl diejenigen, die wir in uns haben — ich meine nämlich, dass auch ich Gottes Geist in mir habe —, als auch wiederum diejenigen [Strahlen], welche [uns] von euch her aufgeleuchtet sind, von demjenigen her, welcher den heiligen Geist euch eingegeben hat, denn wir alle »haben ein und denselben Geist getrunken« (1 Kor 10,4). 1,8 Und deshalb sind wir [gegenseitig] voneinander als solche erkannt worden, die der Art nach und dem Geschenk der Gnade des Geistes nach gleich sind, und haben einander [als solche] erkannt. 1,9 Doch in noch höherem Masse erkannt worden sind wir von Gott als [seine] Hausgenossen und als sein eigentümlicher Besitz. Und [so] haben wir nach Kräften dem Christus, unserem Herrn, gedankt, der uns mit sich vereint und durch sich mit dem Vater und mit dem heiligen Geist. |B 93| 1,10 Wir haben aber auch die Gnade von Gottes Liebe empfangen, die in euch ist, die ihr so zu uns als euren Brüdern in unserem Herrn und als euren Gliedern im Geist gelaufen seid. 1,11 Denn von Natur aus streben weder das Licht zur Finsternis noch die Süsse zur Bitterkeit hin Lücke im Text. Konjektur Heimgartner in Analogie zum vorausgehenden Vergleichssatz. Hier und im Folgenden Lücke im Text. Ich konjiziere zweimal 〈ܗܘ〉ܐ ܫܦܝܪnach ܼ Massgabe des vorangehenden Ausdrucks, der im Syrischen je nach Kontext »war schön«, »war schöner«, »war am schönsten« heissen kann. 11 Vgl. zur dreifachen Steigerung auch ep 44,6. 12 Bidawid gibt Gen 1,3 an. 13 Vgl. dazu Mk 9,2f par Mt 17,1f und Lk 9,28f sowie ep 34,5,30–32. 14 Vgl. disp 13,68; 21,12. 9
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— »Denn welche Gemeinschaft hat die Finsternis mit dem Licht? Welche Gemeinschaft hat der Ungläubige mit dem Gläubigen?« (2 Kor 6,14f15) —, sondern es streben diejenigen zueinander, die der Art und der Herrlichkeit nach gleich sind. 1,12 Und deshalb gerieten wir [noch] mehr in Freude und Entzücken über bestimmte eigentümliche und individuelle Angaben16, die auch zu den Vätern gehörende Bilder und Abbilder [in sich] tragen, denn wenn ihr euch an den Patriarchen Ṣlībāzekā17 erinnert habt und an seine [Leute] bei euch wie auch an eure [Leute] bei ihm, freuen wir uns [noch] mehr in unserem Herrn und besitzen wir noch mehr die Festigkeit und Beständigkeit eurer Liebe. 1,13 Wir haben nämlich erkannt, dass bis jetzt ein Deposit18 bei euch hinterlegt ist, die euren Vätern von unseren früheren Vätern im Geist anvertraut worden ist. 1,14 Und [so geschieht es] weder in oberflächlicher noch in törichter Weise, [dass] diese unsere [Belange] einander entsprechen19 oder [zueinander-]kommen, sondern in fester und unerschütterlicher Weise; und im Geist, dem Erneuerer, der Gott ist und von allen [als solcher] gepriesen wird20, sind wir und werden wir einander gegenüber dieselben sein, sowohl in der Liebe als auch in denjenigen [Eigenschaften], die mit dieser einhergehen. 1,15 Denn [all] dies ist auch eine genaue Abbildung und Bezeichnung, durch welche die Abbildung und das Bild der Jüngerschaft bei unserem Herrn in uns dargestellt und repräsentiert wird. Denn »daran«, sagt er, »erkennt ein jeder, dass ihr meine Jünger seid, wenn unter euch einer zum anderen Liebe hat.« (Joh 13,35) 1,16 Und wenn ihr mit der Liebe geprägt seid und [wenn] die Liebe die genaue Bezeichnung der Jüngerschaft bei unserem Herrn ist, dann funkeln folglich auch in euch besonders die Gleichbilder der Schülerschaft bei unserem Herrn und erscheint ein und dieselbe gött liche Gleichheit, soweit möglich21, sowohl in euch als auch in uns, die wir desselben Geistes und derselben Worte und Glaubenssätze22 und derselben Hoffnungen der himmlischen Herrschaft teilhaftig sind und von Gott teilhaftig gemacht werden.
Zitat verkürzt zitiert. Bidawid (Lettres, S. 93) übersetzt »notitiis«. 17 Patriarch 714–728 (siehe Hage, Syrisch-jakobitische Kirche, S. 94). 18 Im Syrischen pārātīqā, vgl. gr. παραθήκη. 19 Vgl. ep 35,5,9.34 und dazu Heimgartner, CSCO 662, S. 84 Anm. 407. 20 Vgl. zur Formulierung auch ep 42,4,20. 21 Zu solchen Vorbehalten vgl. ep 44,6 und 42,6,21–28. 22 Syrisch dūgmāṭē, vgl. gr. δόγματα. 15 16
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1,17 So also gewinnen wir aus eurem ruhmreichen geisterfüllten Brief alle Arten von in Gott [gegründeter] Freude und Wonne zu eigen. Er entsprach allen geistigen Schönheiten des Geistes23 und dem wunderbaren Heilsplan der Gottheit, welcher bei allen Generationen seit jeher unsere Erlösung vollzog und vollzieht, wobei [euer Brief] bei »Adam, dem ersten aus irdenem Erdboden [gebildeten] Menschen« (1 Kor 15,47), begann und mit dem »zweiten Menschen« endete, welcher der Herr »aus dem Himmel« (1 Kor 15,47) und »Gott über alles ist« (Röm 9,5 𝔓), »der das Gleichbild des unsichtbaren Gottes und Erstgeborener aller Geschöpfe ist« (Kol 1,15). 1,18 Wie uns ebendieser euer Brief zugleich als göttlicher und als menschlicher |B 94| erschien, insofern er beides gleichzeitig in sich »zusammenfasste« (Eph 1,8) und zu Einem versammelte und zusammenbrachte, gleich dem, »der beide eins machte und beide in einem Körper mit Gott versöhnte und den Zaun auflöste, der in der Mitte stand, und die Feindschaft durch sein Fleisch beseitigte« (Eph 2,14)24, so verband und verbündete eurer erhabener und gotterfüllter Brief auch uns und euch in der Liebe mit Gottes Geist und brachte und vereinte [uns und euch] zu dem einen Verbund, damit sogleich das geschieht, was der himmlische Apostel Paulus sagt und lehrt: »Freut euch mit denen, die sich freuen, und weint mit denen, die weinen« (Röm 12,15), und »was ihr für euch selbst im Blick habt, das habt auch für eure Brüder im Blick.« (Phil 2,4) 1,19 Denn siehe, auch wir sind sofort ebenso mit euch [verbunden] in der Leidensfähigkeit und der Teilhabe am Leiden, bei [all] dem, wo ihr wie auf dem Meer in dieser Welt Schiffbruch erleidet, nicht wegen weltlichen und flüchtigen Gewinnen, sondern vielmehr wegen der Hoffnungen, das heisst, wegen jener himmlischen Seligkeiten, die »kein Auge gesehen hat und kein Ohr gehört hat und [die] nie in ein Menschenherz aufgestiegen sind« (1 Kor 2,9), wie die göttlichen und vom Geist inspirierten Worte sagen. 1,20 Und dies zu Recht: Denn sie werden nicht ohne Beweis und ohne derartiges Exempel25 gezeigt. 1,21 Denn wenn ihr und wir ein Leib sind — [oder] noch mehr wir alle, die wir zu Christus gehören und gehören werden — und [wenn] dem einen gemeinsamen Leib sowohl die schmerzvollen als auch die erfreulichen [Dinge] zukommen, dann müssen also sowohl die betrüblichen wie auch die erfreulichen [Dinge] gleichermassen 23 Vgl. zu dieser Formulierung auch die »zum Geist gehörenden geistigen Opfer« in 41 inscr sowie die »allgemeinen Allgemein[-aussagen]« in 40,2,13 und das »allgemeine Allgemeinwesen« in ep 41,2,4. 24 Vgl. dieses Zitat auch in ep 50,1. 25 Syr. pārādīgmā, vgl. gr. παράδειγμα.
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zu uns und zu euch gehören. 1,22 Wenn somit ein Glied leidet, werden alle Glieder leiden, und wenn ein Glied verherrlicht wird, werden alle Glieder verherrlicht; wir sind nämlich auch Glieder des Christus und Teile des Leibes der Kirche, deren Haupt er ist und [als deren Haupt er] geglaubt wird. 1,23 [All] das, was wegen des Briefes eurer Brüderlichkeit [zu sagen ist], sei hier zu Ende. 2,1 Doch damit auch ihr unsere [Belange] kennt, dass sie [den euren] nicht 〈un〉angemessen26 und unähnlich sind und dass die [Belange] sowohl bei euch als auch bei uns dieselben bildenden Formen und Gestalten27 haben, die vom heiligen Geist und durch den Geist gegeben worden sind, will ich dazu kommen28, euch kurz ein wenig29 die Bedeutung von jenen höheren [Dingen] anzugeben, die über alles Unsrige erhaben sind, und zwar von den [Dingen] der Theologie30 und der Menschwerdung. |B 95| 2,2 Wir bekennen also einen [einzigen] Gott, ihr Brüder und Söhne des himmlischen Geheimnisses, der als derselbe sowohl im Sinne der Einzahl als auch der Dreizahl verehrt und verherrlicht wird. 2,3 Im Sinne der Einzahl und in individueller und singularischer Weise31 [wird Gott] im Sinne des Wesens und der Natur [verehrt]. Denn er ist einer und gänzlich unteilbar hinsichtlich des Wesens, und [als solcher] wird er verehrt. 2,4 Denn das allgemeine Allgemeinwesen32 einerseits und das eigentümliche und individuelle33 [Wesen] andererseits sind [bei Gott] nicht zweierlei, sodass es von da her eher zwei göttliche Wesen 26 Mit der Übersetzung von Bidawid (Lettres, S. 94: »nec disconvenienter«) konjiziere ich »un-« ( )�ܠܐstatt der Zitationspartikel ()ܠܡ. Vgl. auch die allerdings unklare Anm. 8 bei Bidawid zur Stelle: Adde verbum ܠܡpost ܕ�ܠܐ.« Vermutlich meint er �ܠܐ statt ܠܡ. 27 Vgl. dazu auch ep 42,4,6. 28 Die Form ܐܬܐ ist zweideutig. Denkbar wäre auch »[ist] das Zeichen [gegeben]«. ܸ Bidawid, (Lettres S. 94) übersetzt: »iam tempus est«. 29 Vgl. ep 34,2,1 und 34,7,1. 30 Damit meint Timotheos spezifisch die Trinitätslehre (mit Bidawid, Lettres S. 94 Anm. 9). 31 Man beachte, wie die Einzahl dreifach ausgedrückt wird! Im Syrischen stehen drei Adverbien ( ܘܝܚܝܕܐܝܬ ܘܠܚܘܕܐܝܬ... )ܚܕܢܐܝܬ. Vgl. dazu die im Syrischen fast identische Formulierung in disp 17,12: »Denn er ist alleinig, singulär und einzigartig in seiner Natur.« (ܗܘ ܓܝܪ ܘܚܕܢܝܐ ܘܝܚܝܕܝܐ ܒܟܝܢܗ ܼ )ܠܚܘܕܝܐmit Anm. 270 zur Stelle in CSCO 632 S. 84. 32 Vgl. zu dieser Formulierung auch die »allgemeinen Allgemein[-aussagen]« in 40,2,13 sowie die »zum Geist gehörenden geistigen Opfer« in 41 inscr und die »geistigen Schönheiten des Geistes« in 41,1,17. 33 Vgl. zu »eigentümlich und individuell« unten in ep 41,2,5 (zweimal konjiziert) und 41,5,28 sowie auch bereits oben in 41,1,12, ferner auch »eigentümlich und einzeln« in 41,3,44.
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wären als [nur] eines, wie manche in ungebildeter Weise zu sagen wagen. Denn das [göttliche] Wesen ist ein und dasselbe, und [zwar] im Allgemeinen wie auch darin, was das Eigentümliche betrifft.34 2,5 Der Unterschied jedoch erscheint nicht [darin], was das Wesen betrifft, sondern darin, was das 〈Individuelle〉35 und Eigentümliche betrifft; so ist [zum Beispiel] »Gottheit« und »Gott« eine oder einer36, das 〈Individuelle〉 und Eigentümliche jedoch [ist] nicht eines, wie denn nämlich Ersteres ein Wesen und eine Natur ist, Letzteres jedoch eine bestimmte Menge und Zahl von Individualitäten, sofern man [überhaupt] mit diesen auf Körper bezogenen37 [Begriffen] jene [geistigen Wirklichkeiten] benennen kann, die ohne Körper und ohne Materie [sind]. 2,6 Im Sinne der Dreizahl jedoch [wird Gott] im Sinne der Individualitäten [verehrt], welche die Personen oder Eigentümlichkeiten bilden oder formen. Denn während das Wesen [stets ein und] dasselbe ist, wird es bald mit der Person des Vaters zusammen, bald mit der des Sohnes zusammen, bald mit der des Geistes zusammen erfasst. 2,7 Nun verstehen wir das Wesen im Sinne einer Einzahl und ohne dass eine Verdoppelung38 hinzugefügt wird, die Individualitäten hingegen [verstehen wir] mithilfe der Bezeichnungen respektive Formen der Personen oder der Eigentümlichkeiten im Sinne der Dreizahl. 2,8 Nun [ist] ein und dasselbe Wesen im Sinne der Einfachheit den drei Individualitäten [eigen], die drei [sind] aber nicht dieselbe Individualität oder Hypostase39. Denn wir sagen weder, dass es etwas Fremdes in den Wesen gibt — das ist nämlich der Frevel des Alexandriners Arius — noch dass die drei eine Individualität sind — das ist nämlich die Lästerung des Sabellius von Lybien —, sondern wir verherrlichen Gott auch als den einen Schönen40, denn im 34 Vgl. dazu auch unten 41,3,42, wo Timotheos auf diesen Satz verweist, ferner auch 41,4,1. 35 Bidawid (Lettres, S. 95 Anm. 3) konjiziert hier und im unmittelbar Folgenden statt »( ܕܓܘܐ ܘܕܝܠܢܝܐdas Allgemeine und Partikuläre«) ܕܝܚܝܕܐܝܐ ܘܕܝܠܢܝܐund übersetzt »singulare et proprium« (»das Individuelle und Partikuläre«). Ein früherer Abschreiber des Textes hat das Begriffspaar, das schon in 2,4 genannt wird, offenbar an die in 2,5 vorangehende Gegenüberstellung von Allgemeinem und Besonderem angeglichen, die dort durch die Zitation in 41,3,42 inhaltlich gesichert ist. 36 Die Genusformulierung im Syrischen wie im Deutschen. 37 Im Syrischen adjektivisch formuliert: »mit diesen körperlichen«, »mit diesen körperhaften«. 38 »Verdoppelung« hier offenbar im Sinne eines jede Mehrzahl erzeugenden Vervielfachens. 39 Im Syrischen das griechische Lehnwort īpōsṭāsīs. 40 Vgl. zur Schönheit als Gottesprädikat auch ep 35,2,7.16.
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Wesen der drei verherrlichen wir das Sein41 als schön42, in den Individualitäten ___ 43, 2,9 wobei wir nämlich das Wesen in den Individualitäten erfassen und erkennen, die Individualitäten in den Personen und die Personen in den Eigentümlichkeiten. Denn wir erkennen die dem Vater der Natur und Individualität44 nach zugehörigen Potentialitäten45 nicht als ihm fremd; man glaubt ja, dass sie dem Wesen und der Ewigkeit nach [ihm] gleich sind und ihnen ein und dasselbe Königtum und ein und dieselbe Krone und Herrschaft eigen ist. 2,10 Und wir machen auch bei der Individualität wiederum nicht die Ursache zu den Wirkungen und umgekehrt die Wirkungen zur Ursache, |B 96| wobei wir im einen [Fall] zum arianischen Frevel, im andern [Fall] zur sabellianischen Lästerung neigen würden. 2,11 Denn wozu nützt es uns, entweder in boshafter Weise Gott zu eins zu machen oder ihn in noch boshafterer Weise aufzuteilen, wo wir doch also auf die [Glaubens-]Definitionen schwören46, dass wir bei Vater, Sohn und heiligem Geist glauben, dass das Gott ist. Einer [ist er] und unteilbar im Wesen und in der Gottheit, wie gesagt wurde, nicht aber ohne Rede und nicht ohne Geist, denn wie sollte er überhaupt Gott sein, wenn er ohne Rede [sein soll], oder wie sollte er Gott sein, wenn er ohne Geist sein soll? 2,12 Wir haben nämlich keinen leblosen und denksprachlosen Gott. Somit [sind] eher die Götter der Völker so, als dass unser [Gott so] ist. 2,13 Er hat aber wiederum auch nicht eine Rede noch einen Geist wie die unseren. Wenn nun Gott wie wir ist, dann sind notwendigerweise auch seine Rede und sein Geist wie die unseren. Wenn aber Gott nicht wie wir ist, dann ist offensichtlich, dass auch seine Rede und auch sein Geist nicht wie die unseren sind. 2,14 Nun hat er das, was er ist47, Übersetzung ep 35,2,1 mit Heimgartner, CSCO 662, S. 69 Anm. 338 zur Stelle. Bidawid, Lettres S. 95, verkürzt und übersetzt sehr frei: »…quae est blasphemia Sabellii lybici [sic]. Sed unum glorificamus Deum in essentia, et trinum in personis…« 43 Lücke in den Handschriften. Vermutlich ist ein weiterer Teilsatz ausgefallen, der dem vorangegangenen (»im Wesen der drei verherrlichen wir das Sein als schön«) entsprach. 44 Im Syrischen mit Adjektiv qnōmātānāyē formuliert; vgl. zur Übersetzungsproblematik Heimgartner, CSCO 662, S. XXXV. 45 ̈ Die Übersetzung von ܚܝ�ܠܐ (»Kräfte«, »Möglichkeiten«) ist in diesem Zusammenhang schwierig. Vgl. zum Begriff auch disp 16,64.97f und Heimgartner, CSCO 632, S. 77 Anm. 241. 46 Man möchte angesichts der kleinen Lücke bei »( __ܝܡܝܢܢschwören) in V und S (und somit wohl auch in Bagdad 509) »( ܡܗܝܡܢܝܢܢglauben«) konjizieren; der überlieferte Text lässt sich aber übersetzen. 47 Vgl. zu »das, was er ist« auch oben 40,6,1–3 mit Anm. 133 zur Stelle sowie 40,5,32 und 41,5,9. 41 42
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ewig und jenseits der Zeiten. In derselben Weise hat er auch seine Rede und seinen Geist ewig. Denn ebenso wie das, was er ist, hat er auch seine Rede und seinen Geist. 2,15 Wenn er seine Rede und seinen Geist ebenso wie das hat, was er ist, und [wenn] er das, was er ist, ewig hat und ist, dann hat er folglich auch die Rede und den Geist ewig. Denn ebenso wie er Wesen und Natur ist, hat er auch seine Rede und seinen Geist. 2,16 Und wenn er seine Rede und seinen Geist ewig hat und [wenn] alles, was ewig ist, ohne Anfang und ohne Ende ist, dann sind48 auch Gottes Rede und Geist ohne Anfang und ohne Ende. 2,17 So sind [allein] Gott, seine Rede und sein Geist. Wir jedoch sind sowohl zeitlich als auch zusammengesetzt, und einem Anfang unterworfen wie auch einem Ende unterworfen sind wir ebenso wie auch unsere Rede und unser Geist49. 2,18 Es gab [eine Zeit], da wir nicht existierten, und es wird [eine Zeit] geben, da wir nicht existieren. Genauso gab es auch [eine Zeit], da unsere Rede und unser Geist nicht existierten, und es wird [eine Zeit] geben, da sie nicht existieren werden. Dann [ist] Gott folglich nicht wie wir, und auch seine Rede und [sein] Geist [sind] nicht wie unsere Rede und [unser] Geist. 2,19 Wenn aber dieser Kanon50, [diese] Definition wahr ist, dann [gilt folgender Vergleich genauso]51: Gott hat eine Rede und einen Geist, aber nicht wie wir, und Gott sieht, hört, erkennt und macht, aber nicht wie wir und nicht auf unsere Weise, sondern auf göttliche Weise, [so], wie es sich für Gott ziemt, wir hingegen [sehen, hören, erkennen und machen] wie sterbliche und vergängliche Menschen. 2,20 Genauso zeugt auch Gott Vater den Sohn und lässt den heiligen Geist aus sich hervorgehen, Ersteren durch Zeugung, Letzteren durch Hervorgehenlassen, jenseits jedes In-Bewegung-Setzens und [jeder] Zeit und nicht wie wir und nicht auf unsere Weise. Wie sollte er denn einerseits [gleich] wie wir zeugen und hervorgehen lassen |B 97| und andererseits nicht wie wir erschaffen, sehen und hören? 2,21 Denn entweder soll man von Gott überhaupt nicht sagen, dass er macht, sieht und hört, damit nicht der Schöpfer seinen Geschöpfen gleich wird, oder wenn man von Gott sagt, dass er macht, aber nicht [gleich] wie wir, und dass er sieht und hört und erkennt, aber nicht [gleich] wie wir, soll man so in derselben Weise52 von ihm sagen, 48 Das Syrische setzt hier und im Folgenden das Singularverb »ist«; vgl. zum Problem oben Anm. 231 und 234 zu ep 40,10,4 und 40,10,8. 49 Vgl. dazu auch disp 4,8.11. 50 Im Syrischen das Wort qānōnā, »Kanon«, vgl. gr. κανών. 51 Ich entflechte den Vergleichssatz 2,18f. 52 Auch im Syrischen Hendiadyoin.
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dass er zeugt und hervorgehen lässt, aber nicht [gleich] wie wir und nicht auf unsere Weise, sondern Ersteren, das heisst, den Sohn, zeugt er auf ewige Weise, und Letzteren, das heisst, den Geist, lässt er jenseits der Zeiten auf göttliche Weise ohne Körper und in geistgestaltiger Art hervorgehen, in gänzlich reiner Art und jenseits von körperlicher Beschmutzung und 〈Befleckung〉53, ohne Teile und ohne Aufspaltung, ohne Leiden und ohne Aufteilung, als Ganzes aus einem Ganzen, als Unbegrenztes aus einem Unbegrenzten auf unbegrenzte Weise54 und ohne Anfang wie auch ohne Ende. Soviel zu [all] dem, was allein Gott eigentümlich ist und was man [als solches] bekennt. 2,22 Wenn wir aber beim Bekenntnis, dass Gott Rede und Geist hat und dass er sieht, hört, erkennt und macht, überhaupt nicht befürchten, dass er [gleich] wie wir werden könnte, dann müssen wir auch bei der Aussage, dass er Sohn und Geist hat, nicht befürchten, dass er [gleich] wie wir werden könnte, weder bei der Zeugung der Rede noch beim wunderbaren Hervorgehen des heiligen Geistes. 2,23 Denn wenn er auch den Begriffen unterliegt, so unterliegt er doch keineswegs auch unseren Leiden. 2,24 Und dass er unseren Begriffen und Bezeichnungen unterworfen ist, [ist doch nur so,] weil es überhaupt keine Möglichkeit gab oder gibt, dass wir55, obwohl wir Menschen und zusammengesetzte körperliche [Wesen] sind, zur Erkenntnis gelangen können, dass allein er unzusammen gesetzt ist, ohne irgendwelche körperlichen Gestalten und Formen und ohne zusammengesetzte Wörter und Bezeichnungen, die von [all] dem her, was bei uns ist, den Anstoss zur Zusammensetzung erhalten. Diese [seine] Natur ist gänzlich ohne Anfang, ewig, ohne Leiden, ohne Begriff und ohne Bezeichnung. 2,25 Die Rede über die Theologie56 in Zusammenfassung soll hier begrenzt werden. Sie übersteigt als Ganze die Vernunft und ist völlig unaussprechlich, nicht nur für uns Zusammengesetzte, die viele Leiden haben, sondern auch für die weiterführenden Überlegungen und Betrachtungen57, von denen man [noch] eher meint, dass sie in der Nähe der ewigen, über alles erhabenen und unerfassbaren Natur sind. |B 98| 53 Konjektur Bidawid, Lettres, S. 97 Anm. 2 mit Verweis auf die parallele Formulierung in ep 35,2,32. 54 Vgl. auch disp 4,55 sowie ferner ep 41,5,4–9 und 40,4,16. 55 D beginnt seltsamerweise mit »dass wir« einen neuen Abschnitt (nach dem im Syrischen vorangehenden Adversativsatz). 56 Damit ist die Trinität im Unterschied zur Christologie (vgl. das nun folgende Kapitel 3) gemeint. 57 Im Syrischen tē’ōrīyās, vgl. gr. θεωρία.
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3,1 Nun aber wollen wir uns der Rede von der Menschwerdung zuwenden und mit Gottes Hilfe kurz über sie sprechen. Wir bekennen also, dass Gottes Sohn Menschensohn wurde58: nicht durch eine Verwandlung der göttlichen Individualität — denn Gottes Natur [ist] ohne Veränderung und ohne Verwandlung —, sondern durch Annehmen der menschlichen Natur. Denn die [Formulierung], er »wurde« (Joh 1,14) und »er nahm an« (Phil 2,7 und Hebr 2,16) sind zwei zum Geist gehörende Termini59, und sie werden sowohl beim Evangelisten Johannes als auch beim göttlichen Apostel Paulus bezeugt. 3,2 Nun sagt Johannes der Donnersohn60: »Die Rede wurde Fleisch und wohnte unter uns« (Joh 1,14), und um zu zeigen, dass sie sich überhaupt nicht verwandelt oder verändert hat, sagt er: »Und wir sahen ihre Herrlichkeit als Herrlichkeit des Einziggeborenen61, der aus dem Vater [stammt] und voll Gnade und Rechtschaffenheit [ist].« (Joh 1,14) 3,3 Denn wenn sich ihre Natur verändert oder verwandelt hätte, wäre uns ihre Herrlichkeit nicht »als Herrlichkeit des Einziggeborenen, der aus dem Vater [stammt]«, erschienen. 3,4 Nun aber, da uns ihre Herrlichkeit »als Herrlichkeit des Einziggeborenen, der vom Vater [stammt]«, erschienen ist, ist also offensichtlich, dass sich auch ihre Natur nicht verändert oder verwandelt hat. 3,5 Denn wenn die Rede Fleisch wurde und ihre Herrlichkeit — »als Herrlichkeit des Einziggeborenen, der vom Vater [stammt]« – das Fleisch erstrahlen liess, wie soll denn da also die Natur derjenigen sich verändert oder verwandelt haben, die auch ihr Fleisch durch die Individualität ihres Gottseins mit dem Glanz der unaussprechlichen Herrlichkeit erstrahlen liess und zierte? 3,6 Das [ist] nämlich ein leuchtender Beweis für die Unveränderlichkeit der Rede:62 Das Strahlen der Herrlichkeit ihres Fleisches ist erschienen »als [diejenige] Herrlichkeit« und Zierde, die sie [schon immer] im Sinne der Natur zusammen 58 Vgl. die nahezu identische Formulierung in ep 34,3,1: »Dann bekennen wir, dass der Gottessohn aus der heiligen Jungfrau Menschensohn wurde«. In ep 35,3,56–61 wird »Menschensohn« als »der zu Christus gehörende Mensch« verstanden (vgl. Heimgartner, CSCO 662, S. 79 Anm. 383). 59 Syrisch leksīs. 60 Vgl. zu diesem Titel der beiden Zebedaiden Mk 3,17 sowie ep 34,1,10 (»Johannes der Donnersohn und Evangelist«). 61 In den Handschriften VWLTOMS sind die Wörter »als Herrlichkeit« umgestellt, nachgeahmt etwa: »…ihre Herrlichkeit, die Herrlichkeit als die des Einziggeborenen«. Ich folge der von D bezeugten Normsyntax des Bibeltextes, da Timotheos den Wortlaut genau dieses Satzteils (»als Herrlichkeit des Einziggeborenen, der vom Vater [stammt]«) im Folgenden (41,3,3–5) dreimal wörtlich betont. 62 Im Syrischen verschränkter Relativsatz: »…der Rede, von der gilt, dass der Glanz der Herrlichkeit ihres Fleisches…«.
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mit dem Vater besass. 3,7 Denn sie ziert ihr Fleisch durch das naturgemässe Sohnsein und Herrsein. Denn ein [einziges] unteilbares Sohnsein [ist] sowohl in der Rede als auch in ihrem Fleisch [gegenwärtig]. 3,8 Und uns hat sie die Gnade der Zierde von Söhnen gewährt. Denn »denjenigen, die sie aufnahmen, gab sie die Macht, Gottessöhne zu werden« (Joh 1,12). 3,9 Aber das Fleisch der Rede nahm deren naturgemässes Sohnsein an, wir jedoch sind und heissen durch Gnade Gottessöhne.63 3,10 Nun sagt Paulus, der Apostel und Bote der Völker, an einer bestimmten Stelle: »Und er nahm das Gleichbild eines Dieners an, und der Gestalt nach erwies er sich als Mensch und wurde zum Gleichbild der Menschen.« (Phil 2,7) 3,11 An einer anderen Stelle sagt er: »Er nahm nämlich nicht [einen] |B 99| aus den Engeln an, sondern [einen] aus der Nachkommenschaft Abrahams nahm er an.« (Hebr 2,16)64 und zeigte [damit], dass das [Wort] »wurde« nicht im Sinne einer Veränderung, sondern eines Annehmens verstanden werden muss. 3,12 Denn [es ist] auch nicht [so], dass »die Rede« der Natur nach und dem Wesen nach »Fleisch wurde« und sich verfleischlichte. Sie war nämlich [bereits seit] ewig, und [ihrer] Art gemäss »wurde« sie in ewigem Sinne65, weder zum Schein noch in symbolischem Sinn, sondern im Sinne der Individualität und in wahrhaftiger Weise. 3,13 Denn nicht die Rede, die ewig aus dem Vater geboren wird66, empfing von Maria 〈den Anfang〉67 eines Seins — denn »am Anfang war [die Gott-Rede] bei Gott« und aus Gott »und [sie war] Gott« (Joh 1,1) —, sondern das Fleisch der Rede empfing den Anfang dem Fleisch nach aus der Jungfrau. 3,14 Und deshalb wird es der Natur nach Fleisch und der Weise68 nach Rede genannt, die aus Maria »wurde«. 3,15 Und wie beim Fleisch nicht dem Wesen oder der Natur nach, sondern der Weise oder der Eigentümlichkeit nach gesagt wird, dass es aus dem Vater geboren wird, so wird auch bei der Rede nicht der Natur nach oder dem Wesen nach, sondern der Weise nach gesagt, dass sie aus der Vgl. ep 42,6,16–28. Anders als hier scheint Timotheos den Hebräerbrief in disp 18,52 nicht als Schrift des Paulus zu betrachten, wenn er sagt: »Und einer von den Jüngern des Christus: ›Vielfach und vielgestaltig redete Gott vor alters mit den Vätern durch die Propheten.‹ (Hebr 1,1)« Dabei handelt es sich aber wohl um verhüllte Rede (entgegen meiner Bemerkung zur Stelle in Heimgartner, CSCO 632, S. 96 Anm. 300). 65 Im Syrischen wörtlich: »der Art nach in ewiger Weise«. Zur Deutung von »wurde« vgl. auch disp 4,32–35 und dazu Heimgartner, CSCO 632, S. 20 Anm. 80. 66 Vgl. zur Übersetzungsproblematik Heimgartner, CSCO 632, S. XLVII–XLVIII. 67 Von W und Elias-Redaktion gemäss erster Satzhälfte konjiziert. 68 Der syrische Text verwendet ܙܢܐund nicht etwa »( ܐܕܫܐArt«, der aristotelische Fachterminus für »Spezies«). 63 64
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Jungfrau »wurde« oder »sich verfleischlichte«. 3,16 Denn die Rede wurde nicht mit einem blossen Menschen69 vereinigt — das sei ferne! —, sondern die Rede, die ewig ist, sie vereinigte in der Jungfrau Maria das Fleisch mit sich und prägte es.70 3,17 Nun »war die Rede« sowohl der Natur nach wie auch der Individualität nach »Gott«, aus Gott, in Gott und »bei Gott« (Joh 1,1), doch das Fleisch 〈war〉71 der Rede eigentümlich — der Natur nach war es nämlich in der Jungfrau wie Levi im Schoss des Abraham (vgl. Hebr 7,9f), der Individualität nach spross es durch die Rede und durch den Geist aus Maria, der Jungfrau auf ewig —, sodass deshalb Christus als derselbe sowohl Gott als auch Mensch ist; er ist einer aus der Dreiheit und nicht die ganze Dreiheit und einer aus dem Menschsein und nicht das ganze Menschsein, und [er ist] ein und derselbe durch die Vereinigung, sowohl aus dem Gottsein als auch aus dem Menschsein ohne Aufteilung, 3,18 denn [es ist] nicht [so, dass], wie die Rede zeitweise Gott, nicht aber Mensch war, genauso auch Christus zeitweise Mensch, nicht aber Gott ist72 — [Gott] bewahre! das soll nicht geschehen! —, [sondern] die Rede [ist] sofort Fleisch und sofort Fleisch Gottes, sofort beseeltes Fleisch und sofort beseeltes Fleisch der GottRede73. 3,19 Denn durch ebendiese [Gott-]Rede hatten sie [d. h. Fleisch und Seele] auch [ihren selbständigen] Bestand74, wie der dreimalselige grosse Athanasios75 lehrt, und [zwar] sowohl in jenen [Worten], die er an Kaiser Jovinian76 richtet, als auch in jenen, mit denen er gegen Apollinaris 69 Vgl. dazu ep 35,4,12; ep 38,26.28.29; ep 39,10.21.37.40.46; ep 42,5,11.13.15.16.2 5.27.28.31.32.34 u. a. 70 Vgl. ep 35,4,12: »Denn das in Natur und Individualität [des Menschseins bestehende] Bild und Gleichbild, das in Adam [bereits] vor der Sünde eingeprägt war, dieses prägte die Rede in ihr, [das heisst,] im Schoss der Jungfrau.« – Zu »prägen« ( )ܩܒܥvgl. Heimgartner, CSCO 662, S. XXXVI–XXXVIII, sowie hier ep 41,3,36; 41,5,28; 41,6,8; 41,9,9. ܿ gemäss dem folgenden Teilsatz. Bidawid 71 Ich konjiziere »war ()ܗܘܐ statt »diese« ()ܗܘ ܼ (Lettres, S. 99) versteht den Ausdruck im Sinne von »dieses der Rede Eigentümliche« (»Caro autem propria verbi«) offenbar als Apposition und das Folgende als Hauptsatz. Wegen der ܿ Partikeln scheint es mir naheliegender, den folgenden Satz entweder als Neueinsatz (ܡܢ ܓܝܪim Sinne von »Nun [war es]…«) zu verstehen oder, wie hier vorgeschlagen, als Einܿ im Sinne von »denn einerseits [war es]«. leitung einer zweiteilige Begründung (ܡܢ ܓܝܪ 72 Bidawid (Lettres, S. 99) lässt beide Male das entscheidende Wort »zeitweise« aus. 73 Vgl. die nahezu identische Formulierung in ep 34,1,9! ܿ 74 Bidawid (Lettres, S. 99) lässt diesen Teilsatz stillschweigend aus. — Statt ܒܗ konjiziere ich ;ܒܗes ist nicht eine menschliche Rede, sondern die göttliche Rede gemeint, daher wie im Satz zuvor die Maskulinform. 75 Vgl. »der dreimalselige Athanasios« auch in ep 34,1,10. 76 Gemeint ist der römische Kaiser Jovian, der Nachfolger von Julian dem Abtrünnigen, zum Kaiser ernannt am 27. Juni 363, gestorben am 17. Februar 364 (vgl. Portmann, Iovianus,
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von Laodizea streitet77. 3,20 Denn die Gott-Rede ist Gott dem Wesen nach und Mensch der Vereinigung nach, das Fleisch der Rede aber [ist] Mensch dem Wesen nach und Gott der Vereinigung nach78, und beides [geschieht] gleichzeitig und im gleichen Vollzug der Vereinigung in der 5 heiligen Jungfrau, sodass — wie unser Vater Gregor der Theologe in den [Worten] lehrt, die er an Kledonius schreibt |B 100| — »in der Jungfrau Gott Mensch und der Mensch Gott wurde« (Greg Naz ep 101,2179). 3,21 Denn wenn die Gott-Rede nicht sowohl der Natur nach als auch der Individualität nach Gott ist, wie sollte sie denn das Fleisch durch die 10 Vereinigung zu Gott machen können? Und wenn das Fleisch der Rede nicht sowohl der Natur nach als auch der Individualität nach Mensch ist, wie sollte denn die Rede Mensch werden können? 3,22 Denn [es ist] nicht [so, dass dies] allein der Gestalt nach und der blossen Gleichheit nach [geschehen wäre]80, wie einst — wie wir sagen — bei den Propheten und 15 Engeln die Rede Fleisch und Mensch wurde81, und auch nicht [so], dass ihr gewissermassen Farbe und Beschaffenheit empfangen hätte82, als 1
Sp. 1093f). Timotheos verwendet für ihn denselben Titel »König« (syrisch melkā) wie für die Abbasidenkalifen (vgl. disp passim, dazu Heimgartner, CSCO 632, S. 3 Anm. 20). Zur Form »Jovinian« vgl. auch unten in 41,10,8 die Form »Justinian« statt »Justin« in allen Handschriften. 77 Schon Bidawid (Lettres, S. 99 Anm. 6) weist auf die Epistola ad Iovianum (CPG 2135) und die (pseudathanasianischen) De incarnatione contra Apollinarium libri ii (CPG 2231) hin. Hainthaler (hier deutlicher in der englischen Fassung: Christ, Anm. 29 auf S. 87f) hat auch die Epistula Ioviani ad Athanasianum (CPG 2136), die Petitiones Arianorum (CPG 2237) sowie die oft Athanasius zugeschriebene Schrift De unione des Apollinaris (CPG 3648) beigezogen, aber keine Stellen identifizieren können, auf die sich Timotheos hier direkt bezieht. Ebenfalls ist die Athanasius untergeschobene Schrift Ad Iovianum des Apollinaris (CPG 3665) zu erwähnen. Es dürfte sich bei der von Timotheos genannten Schrift um eine weitere Fälschung handeln (Hainthaler, Fälschungen, S. 281 Anm. 99). — Timotheos zitiert unten aus diesen wohl pseudathanasianischen Schriften sechs Fragmente aus dem ersten Buch gegen Apollinaris (7,29; 7,30; 7,31; 7,32–35; 7,36; 7,37), zwei Fragmente aus dem zweiten Buch gegen Apollinaris (7,38; 7,39f) und zwei Fragmente aus den Fragen und Antworten zu Apollinaris (7,41–47 und 7,48). Bereits Bidawid (Lettres, S. 113 Anm. 2 und S. 114 Anm. 1) hat diese Textstücke aus der »anderen Rede gegen Apollinaris« in MPG 26, Sp. 1093–1132 und 1131–1167, umsonst gesucht. 78 Eine Paradestelle für das hermeneutische Schema des Timotheos zur Interpretation von Hoheits- und Niedrigkeitsaussagen, vgl. dazu auch 41,3,28.36; 41,7,2–8; 41,7,49–57 sowie Heimgartner, Fragmente, S. 200f. 79 Greg Naz ep 101,21 (SC 208, S. 44): θεοῦ μὲν ἐνανθρωπήσαντος ἐν τῇ παρθένῳ, ἀνθρώπου δὲ θεωθέντος, wobei ἐν τῇ παρθένῳ nur von Handschrift Marcianus graecus 70 hinzugefügt wird, vgl. Apparat in SC 208, S. 44 zur Stelle sowie S. 31 zur Handschrift. — Das Zitat begegnet in derselben Textgestalt auch in ep 38,16 und 42,6,12. 80 Zu »Gestalt und Gleichheit« vgl. auch ep 34,3,75–77. 81 Vgl. dazu oben ep 40,8,6 sowie ep 34,7,29. 82 Bidawid (Lettres, S. 100) übersetzt: »specificatum et qualificatum est«.
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hätte sie am Wesen Akzidenzien empfangen. 3,23 Denn wir erkennen dieses dem Wesen nach Einfache und Körperlose nicht als ein der Natur nach Zusammengesetztes, sondern wir sagen, dass es der Natur nach und der Individualität nach Mensch geworden ist. Wir sagen, dass es die Natur, die es ist und in der es auch besteht, angezogen hat. 3,24 Denn wie die Rede »Individualität« und »Wesen« gleichzeitig besitzt, so [besitzt] auch das Fleisch der Rede 〈»Wesen«〉83 und »Individualität« [gleichzeitig]:84 3,25 Durch ebendiese Rede besitzt es beide gleichzeitig, und beide sind gleichzeitig in göttlicher und menschlicher Weise in der Jungfrau zu unauflöslicher Einheit verbunden. 3,26 Und wie das Bild und Gleichbild im ersten Adam in der Seele wie auch im Leib gleichermassen eingeprägt wurde — das Bild und Gleichbild [ist] ein und dasselbe, jene aber, in denen, und [jene], von denen das Bild eingeprägt und vollendet worden ist, sind [ihren] Wesen nach nicht ein und dieselben untereinander —, so [ist] auch die Person des naturgemässen Sohnseins und [des naturgemässen] Herrseins in Christus, dem Herrn der Herrlichkeit, dem Gottessohn, gleichzeitig in der Rede und in ihrem Fleisch [eingeprägt] oder, wenn du [es anders sagen] willst, [so] sind in Gott und im Menschen gleichermassen und in derselben Weise auch das Abbild der Person des Sohnseins und der Vereinigung eingeprägt, und sie ist ein und dieselbe, und [als solche] wird sie bekannt. 3,27 Diejenigen aber, in denen, und [jene], von denen die Person der Vereinigung eingeprägt wurde, sind [ihren] Wesen nach weder eins noch dieselben untereinander, sondern das eine wird als göttlich und auf göttliche Weise, das andere als menschlich und auf menschliche Weise verstanden. 3,28 Und deshalb gehören zu demselben Sohn und Christus sowohl erhabene wie auch niedrige [Aussagen], denn Gottes Sohn ist einer und unteilbar, insofern er Sohn ist. Aber obwohl auf diese Weise hohe und erhabene [Aussagen] einerseits dem Wesen nach und der Natur nach zur Rede, andererseits der unauflöslichen Vereinigung nach auch zum Fleisch der Rede [zugeordnet werden und gehören], und niedrige und geringe [Aussagen] einerseits der Natur nach und dem Wesen nach zum Fleisch der Rede, andererseits der Vereinigung nach auch der Rede selbst zugeordnet werden und gehören85, [so] wird deswegen durch die Vereinigung Gottes Sohn zum Menschensohn und der Menschensohn Lücke im Text; Konjektur mit Bidawid S. 100 Anm. 2. ܿ Ich setze in diesem Satz Anführungszeichen zur Wiedergabe des betonenden ܗܝ ܕ bei den Begriffen. 85 Zu den Hoheits- und Niedrigkeitsaussagen vgl. auch ep 42,6 zu Gregor von Nazianz, Rede 29,18f. 83 84
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zum Gottessohn, und [so] wird [Gottes Sohn Menschensohn und der Menschensohn Gottessohn] genannt. 3,29 Wenn nämlich Christus nicht der Individualität seines Gottseins nach ist und gewahrt bleibt, worin soll er dann naturgleich mit dem Vater sein und [als solcher] benannt werden? Denn eine Natur wird nie als mit einer [anderen] Natur naturgleich benannt. 3,30 Und wenn Christus nicht der Individualität seines Menschseins nach ist und gewahrt bleibt, worin soll dann Christus mit uns naturgleich sein und [als solcher] benannt werden? 3,31 Denn ein Wesen wird nicht als einem [anderen] Wesen |B 101| wesensgleich benannt86. Eine Individualität wird nämlich als einer [anderen] Individualität naturgleich87 benannt, was die Wesensgleichheit betrifft. 3,32 Und wenn Christus in beiderlei [Hinsicht] — ich meine, im Gottsein wie auch im Menschsein — zugleich als wesensebenbürtig und naturgleich benannt wird und ist und [wenn die Eigenschaft] »naturgleich« und »wesensebenbürtig« in den Individualitäten sichtbar ist, dann sind folglich nicht weniger als beide Individualitäten in Christus erforderlich, durch welche ausgesagt wird, dass er die Naturgleichheit in beiderlei [Hinsicht] — zusammen mit dem Gottsein wie auch mit dem Menschsein — empfängt. 3,33 Wenn man aber einerseits bekennt, dass Christus zwei Naturen [ist], andererseits die [eine] Natur nicht als der [anderen] Natur naturgleich benannt wird, dann kann Christus folglich weder als der Natur nach dem Vater gleich noch als der Natur nach uns gleich benannt werden, was frevelhaft und lästerlich ist. 3,34 Wenn aber Christus uns allen wie auch dem Vater als naturebenbürtig und naturgleich bezeichnet wird und [wenn] Naturgleichheit und Naturebenbürtigkeit88 den Individualitäten nach benannt wird, dann werden also in Christus wie zwei Naturen auch zwei Individualitäten benannt: Die eine ist und heisst die unbegrenzte und unsichtbare, die andere die begrenzte und sichtbare, sodass er, insofern er unbegrenzt ist, mit dem Vater naturgleich und naturebenbürtig [ist und heisst], und insofern er begrenzt ist, mit uns naturgleich und dem Wesen nach gleich ist und heisst. 3,35 Wenn er also nicht so benannt Man beachte die Variante in der Formulierung gegenüber 40,3,29. Timotheos konstruiert Komposita mit »-gleich« bald mit ܫܘܐ, bald mit ܒܪ. In der Regel wähle ich für die Übersetzung das im Deutschen geläufigere »-gleich«. An Stellen wie hier gebe ich die Vielfalt der Begriffe mit »-gleich« und »-ebenbürtig« wieder, ohne in ein starres Schema zu verfallen. 88 Syrisch wörtlich: »[wenn] ›naturgleich‹ und Naturebenbürtigkeit«. Timotheos verwendet einmal den Begriff und einmal das Abstraktum. 86 87
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werden soll, dass er, insofern er dem Vater [dem Wesen nach]89 gleich [ist], uns naturebenbürtig [ist und heisst], und insofern er uns naturebenbürtig [ist], dem Wesen nach dem Vater gleich ist und heisst, dann ist sowohl so als auch so die Vermischung nicht ohne die Individualitäten 5 sichtbar, denn die Wesensgleichheit kann niemals90 ohne die Individualitäten gesehen werden noch [kann sie so] sein, wie auch die Vereinigung niemals ohne die Individualitäten und ohne die Wesen war und ist. 3,36 Denn wie man auch bei der Seele und dem Leib sehen kann — sie sind nämlich weder ohne [selbständigen] Bestand noch ohne [ihre] Wesen: 10 weder solange sie in der Vereinigung zusammengesetzt sind noch nachdem sie daraus losgelöst worden sind, obwohl in der Verbindung von ihnen beiden sie zu einer Natur und Individualität91 zusammenlaufen —, [so] bekennt man also auch, dass die Vereinigung des Gottessohnes und die Verbindung der beiden zu einer Person des naturgemässen Sohnseins92 15 nicht ohne die wesenhaften Individualitäten noch ohne die [selbständig] bestehenden Wesen geschieht. 3,37 Denn wie sollte diese überhaupt zwei Naturen oder aus zwei Naturen sein können93, wenn sie nicht aus 〈zwei〉94 Individualitäten [wäre] und zwei Individualitäten wäre? 3,38 Denn auch diese Erwägungen und Reflexionen95 über die Naturen kann man niemals 1
89 Angesichts der logischen Unausgeglichenheit des Satzes möchte man hier nicht nur gerne den Sinn durch eine Ergänzung klären, sondern recht eigentlich nach Massgabe der zweiten Satzhälfte konjizieren: »insofern er dem Vater 〈dem Wesen nach〉 gleich [ist]«. Die unterschiedliche grammatikalische Konstruktion spricht jedoch für die Richtigkeit der Textüberlieferung. Vgl. zu solchen Unausgeglichenheiten auch ep 34,6,35; 35,2,14; 35,3,61; 35,3,62; 35,5,23; 36,3,3 und Heimgartner, CSCO 662, S. 58 Anm. 273. 90 Vgl. zur Negation ܠܝܬ ܓܝܪ ܠܝܬ ܡܬܘܡauch ܘ�ܠܐ ܕܝܢ ܘ�ܠܐin 41,5,26. 91 Man beachte, wie hier und in 5,11 die miaphysitische Formel der »einen Natur und Individualität« auf den aus Seele und Leib zusammengesetzten Menschen bezogen wird und nicht auf den zu Christus gehörenden Menschen. In der auf Gott bezogenen Apodosis wird hier die Formulierung »zu einer Natur und Individualität« bewusst weggelassen. — Gegen die Vorstellung der »einer Natur und Individualität« wendet sich Timotheos ausführlich in ep 42,6. Vgl. ferner auch Nest Ap 7 (»jene, die … eine Natur und Hypostase … bekennen wie die Severianer«). 92 Zur »Person des Sohnseins« vgl. ep 34,2,76: »Durch den heiligen Geist wurde der Tempel seines Menschseins geformt, und durch die Individualität seines Gottseins wurde die Individualität seines Menschseins geprägt, [und zwar] in der natürlichen Person des Sohnseins. ›In ihr wohnt die ganze Fülle des Gottseins in körperlicher Weise.‹ (Kol 2,9)« 93 Um der dogmatischen Präzision willen wähle ich bewusst die harte deutsche Formulierung, die wörtlich das Syrische wiedergibt. Eine geschmeidigere Übersetzung mit »aus zwei Naturen bestünde« wäre missverständlich angesichts der dogmatischen Unterscheidung von »zwei [Naturen]« und »aus zwei [Naturen]«, vgl. dazu auch ep 35,6,23 mit Anm. 483 zur Stelle sowie hier unten 41,5,11.22f und 41,8,37f. 94 Konjektur Heimgartner. 95 Im Syrischen tē’ōrīmātē, vgl. gr. θεωρήματα.
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ohne Individualität denken und verstehen — weder bei den96 [Dingen], die in richtiger Weise begriffen und verstanden werden, noch bei den [Dingen], die als Fabeln und Geschichten erfunden werden —, [also nicht so,] wie jene [es tun], die irgendwelche Bockhirsche und Skindapsen97 5 erfinden.98 3,39 Denn wenn solche Leute irgendwelche Abbilder und Figuren im Sinne von Individualitäten99 vortäuschen100, gleiten und fallen auch sie, ja, auch sie 〈zu〉101 Fabeln und Geschichten ab und rutschen 1
96 Das Pronomen ist in Bagdad 509 vermutlich nicht mehr lesbar. Die Handschriften ܿ ergänzen verschiedene Lösungen. ܒܗܢܝܢ in Analogie zum folgenden Teilsatz (Textzeugen TDOM) ist die ungezwungenste Lösung. 97 Im Griechischen gilt σκινδαψός (LSJ, S. 1611 l. Sp.) als Paradebeispiel für ein Wort ohne Bedeutung (im Sinne von etwas Inexistentem könnte man im Deutschen etwa an »Wolkenkuckucksheim« oder »eierlegende Wollmilchsau« denken). Zugleich ist es auch Bezeichnung für ein viersaitiges Musikinstrument und eine efeuartige Pflanze (deutsch manchmal »Efeutute«). In der Kombination mit »Bockhirsch« (τραγέλαφος), so auch unten in 41,8,20, dürfte David, Isagogekommentar 1,15–18, im Hintergrund stehen: »Und zu Recht fragen wir nach diesen vier: Denn von den Dingen sind die einen inexistent — wie Bockhirsch, Skindapsos, Blityri und alles Übrige, was unser Verstand erfindet —, die anderen haben Existenz.« (καὶ εἰκότως τὰ τέσσαρα ταῦτα ζητοῦμεν· τῶν γὰρ πραγμάτων τὰ μὲν ἀνύπαρκτά ἐστιν, ὡς τραγέλαφος, σκινδαψός, βλίτυρι καὶ τὰ λοιπά, ὅσα ἡ ἡμέτερα διάνοια διαπλάττεται, τὰ δὲ ὕπαρξιν ἔχει.) — Das Wort »Blityri« hier im Zitat bezeichnet einen Harfenklang und davon abgeleitet einen bedeutungslosen Klang (LSJ, S. 319 l. Sp.). Bidawid, Lettres, S. 101, übersetzt σκινδαψός mit »effata quibus sensus deest«. 98 Dieser Satz ist auf den ersten Blick schwer verständlich, weil einerseits nicht klar ist, worauf sich der Vergleichssatz (»wie jene…«) bezieht, und andererseits die Verben ܐܣܬܟܠund ܐܬܗܘܢܢsowohl als Aktiva als auch als Passiva verstanden werden können. Allerdings klärt der Kontext, wie die jeweiligen Formen zu verstehen sind: Der Infinitiv ܠܡܬܗܘܢܢܘmuss wie der parallel stehende Infinitiv ܠܡܪܢܐaktiv sein, und die (neutrisch zu verstehenden) femininen Pluralformen beziehen sich auf die Dinge, welche somit sinngemäss passivisch »begriffen und verstanden« werden. Erkennt man, dass der Satzanfang aktivisch zu verstehen ist, schliesst sich auch die Fortsetzung (»wie jene [es tun], die … erfinden«) gedanklich stimmig an. Dieser Vergleichssatz illustriert also nicht den Einschub (»weder… noch…«), sondern den Hauptsatz, dass man die »Erwägungen … niemals ohne Individualität denken und verstehen« könne. Dabei schiebe ich ein verdeutlichendes »[also nicht so]« ein, um den Sinn des negierten Vergleichs klarzustellen. Bidawid (Lettres, S. 101) übersetzt den Satzanfang passivisch, ohne sich zur aktiven Form ܠܡܪܢܐzu äussern, und bezieht den Vergleich auf den Einschub. Den dabei erfolgenden abrupten Sprung von Sache zu Person mildert er, indem er den Vergleichssatz geschickt, aber textwidrig zu einem Relativsatz umformt: »quae tamquam narrationes et fabulae effinguntur, sicut hircocervos vel effata, quibus sensus deest, quae quidam effingunt« (»die als Fabeln und Geschichten erfunden werden, wie die Bockhirsche und die Aussagen, denen ein Sinn fehlt, welche manche erfinden«). 99 So zur Wiedergabe des Adjektivs qnōmātānāyē; vgl. zur Übersetzungsproblematik Heimgartner, CSCO 662, S. XXXV. 100 Bidawid (Lettres, S. 101 Anm. 2) konjiziert »( ܓܒܠܝܢerfinden«; in Analogie zum Verb im vorangehenden Satz 3,38) statt ܓܢܒܝܢ, das hier aber in der Bedeutung »vortäuschen« hervorragend passt. 101 Die Konjektur »zu« ( )ܠܘܬstatt »nicht« ( )ܠܘmit Bidawid, Lettres, S. 101 Anm 2.
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von denjenigen [Dingen], welche der |B 102| Natur nach und der Individualität nach existieren, zu jenen ab, von denen man sagt, dass sie weder der Natur nach noch der Individualität102 nach existieren.103 3,40 [All] das aber, was in Gottes Sohn ist, ist im Sinne sowohl der Natur als auch der 5 Individualität sichtbar, denn104 das ist ein offensichtlicher und glaubwürdiger Beweis für die Naturen 〈und〉 Individualität〈en〉105. 3,41 Nun aber bezeichnet106 »Natur« das Allgemeine, »Individualität« das irgendetwas Eigentümliches107. Das Allgemeine ist an jedem Einzelnen im Sinne des Wesens sichtbar, ohne dass nur das Allgemeine [sichtbar wäre]. In glei10 cher Weise [ist] auch das Eigentümliche am Allgemeinen [sichtbar], ohne dass nur das Eigentümliche [sichtbar wäre]. 3,42 Das Sein ist ja, wie ich vorher sagte, [bei Gott] ein und dasselbe und wird [als solches] benannt und gedacht, sowohl was das Allgemeine als auch was das Eigentümliche betrifft.108 3,43 Aber »allgemein« und »einzeln« sind nicht [ein und] das15 selbe. Das allgemeine Wesen ist das Sein, das ohne die neun [übrigen] Kategorien gedacht wird, das Einzelne [ist] ein bestimmtes eigentümliches Sein, das mit Hinzufügung der [übrigen] neun Kategorien ist und gedacht wird. 3,44 Nun ist das Allgemeine am Beispiel des Gottseins »Gott«, am Beispiel des Menschseins »Mensch«, das Eigentümliche und Einzelne am Beispiel 1
Zu ܩܢܘ�ܡܐund den Derivativen vgl. oben in der Einleitung S. XXXI. Die zweite Satzhälfte hat Bidawid missverstanden und nennt sie einen »passus difficilis lecturae et intelligentiae« (Lettres, S. 102 Anm. 1). Er übersetzt: »Et id, quod sunt in natura et persona, non respondent eorum nominibus, nec in natura neque in persona existunt.« (ebenda S. 101f) Auf Deutsch in meiner Wortwahl (Bidawid übersetzt qnōmā mit persona): »Und das, was sie der Natur und Individualität nach sind, [das] beziehen sie nicht auf deren Begriffe; sie existieren weder der Natur noch der Individualität nach.« Dabei interpretiert Bidawid das eindeutig bezeugte ܘܡܢ ܼ ܿ �ܡܐ ̈ ܗܢܝܢ ܕܐܝܬܝܗܝܢ (»und von denjenigen [Dingen], welche … sind«) als )(ܗܘ ̈ ܕܗܢܝܢ ܐܝܬܝܗܝܢ (»das, was sie … sind«), ergänzt das Verb »beziehen« (»respondent«), und statt »( ܡܫܬܪܓܠܝܢausrutschen«) konjiziert er »( ܡܫܬܟܚܝܢvorhanden sein«; auf S. 102 in Anm. 1 irrtümlich ܡܫܬܟܢܝܝܢgedruckt), das er de facto als Wortdoppelung in der Übersetzung auslässt. Wenn man erkennt, dass der Gedankengang des vorangehenden Satzes weitergeführt wird und sich die Präpositionen ܡܢ ܼ und ܠܘܬ auf ܡܫܬܪܓܠܝܢbeziehen (»von … zu … rutschen«), lässt sich der Satz problemlos übersetzen. 104 D beginnt mit »denn« seltsamerweise einen neuen Abschnitt. ̈ 105 Ich konjiziere ܘܕܩܢܘܡܐ (Pl.) statt ( ܩܢܘ�ܡܐSg.). Bidawid (Lettres, S. 102) übersetzt: »Persona enim est evidens et fidelis naturarum manifestatio.« Wegen der femininen Verbform ist im Syrischen aber »Beweis« und nicht »Individualität« Subjekt. 106 Hier verwendet Timotheos ܨܘܪoffensichtlich als Synonym zu ܫܘܕܥ. 107 Vgl. dazu ep 34,4,12–15 und 41,5,18f. 108 Vgl. oben 41,2,5. Timotheos verwendet ܐܝܬܘܬܐin Brief 41 nur hier in 3,42 und 3,43 (2×), und zwar offensichtlich als Synonym zu »Wesen« ()ܐܘܣܝܐ, wie der Verweis auf 41,2,5 zeigt. Zu ܐܝܬܘܬܐvgl. ferner ep 40,5,22 und 40,7,36. 102
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des Gottseins »Vater«, »Rede«, am Beispiel des Menschseins »Fleisch, durch die Rede geformt, durch den heiligen Geist in der Jungfrau gebildet, das empfangen wurde ohne [geschlechtliche] Verbindung und geboren wurde ohne Verletzung der Jungfräulichkeit derjenigen109, die es gebar, [das Fleisch,] von dem man bekennt, dass der Vereinigung nach die der Individualität der [Gott-] Rede entsprechenden Eigentümlichkeiten seine und die seiner Individualität entsprechenden Eigentümlichkeiten die der Gott-Rede [sind], ohne dass von Vermischung und Vermengung die Rede110 [sein könnte]«.111 3,45 Wir erkennen aber hinsichtlich der Eigentümlichkeit der [Gott-]Rede eine Naturgleichheit mit dem Vater und hinsichtlich der Eigentümlichkeit des Fleisches eine Naturgleichheit mit uns und beide gleichzeitig, und ohne dass sie [voneinander] getrennt sind, in der Einzigkeit der unaufteilbaren Person des Sohnes. 4,1 Und es soll niemand sagen, wenn man zwei Individualitäten in Christus bekenne, erweise sich die Dreiheit112 als eine Vierheit. Denn wie wegen der Zweizahl der Naturen und Wesen, die wir in Christus bekennen, oder wegen des Allgemeinen und Einzelnen, das in der Gottheit [ist], die Dreiheit niemals zu einer Zweizahl der Wesen113 wird, so erweist sich die Dreiheit auch aufgrund des Bekenntnisses der Zweizahl der Individualitäten in Christus niemals als eine Vierheit. 4,2 Denn das Festhalten an der Zweizahl der Individualitäten in Christus bedeutet ein Festhalten an der Zweizahl der Naturen in Christus, und das Bewahren der Zweizahl der Naturen in Christus versteht sich als ein Bewahren der Zweizahl der Individualitäten in Christus. 4,3 Denn wie und wo die menschliche Natur ist, die in Christus [ist], dort ist jedenfalls auch die menschliche Individualität, die in Christus [ist], und wird sie sein. Und was die menschliche Natur in der Dreiheit wirkt und wie sie wirkt, dasselbe wirkt und bewirkt auch die menschliche Individualität in der |B 103| Dreiheit. 4,4 Denn es ereignet sich auch nie und geschieht [nie], dass die Natur von der Individualität und die Individualität von der Natur durch ein Werden abgetrennt wird. 4,5 Und wenn die Dreiheit der Individualitäten, die in der Gottheit [sind], niemals eine Dreiheit von Gottheiten und Naturen bewirkt Vgl. disp 2,7. Timotheos verwendet das Wort »( ܡܠܬܐRede«) im selben Satz in zwei verschiedenen Bedeutungen (vgl. zu dieser Eigenheit auch ep 34,1,5.16; 36,1,5.8; 40,8,1; 41,10,15 u. a.). 111 Vgl. zu 41,3,44 auch unten 41,5,19 sowie 34,4,11–15. — Bidawid (Lettres, S. 102 Anm. 3) findet den Satz dunkel (»Phrasis obscuritate laborat.«). 112 Im Syrischen wird für »Dreiheit« dasselbe Wort verwendet, das hier gewöhnlich als »Trinität« übersetzt ist. 113 Gemeint ist: in der Trinität. 109
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— denn die Singularität von Gottes Natur und die Einzigkeit [seines] Wesens verbindet und vereinigt sich zu einer Dreiheit der Individualitäten und Personen —, [dann] bewirkt auch die Zweizahl der Individualitäten und Naturen in Christus niemals eine Zweizahl der Söhne oder eine Vierheit. 4,6 Denn die Singularität des naturgemässen Sohnseins und der [naturgemässen] Person verbindet und vereint die Individualitäten, [die Singularität,] welche die zwei Individualitäten zu einem [einzigen] Willen und [einer einzigen] Kraft und zu einer [einzigen] Wirksamkeit und Eigentümlichkeit zusammenfasst.114 4,7 Denn ganz anders als der Frevel mancher Leute spalten wir den Gottessohn nicht in zwei Willen und in zwei Wirksamkeiten und Eigentümlichkeiten auf, so dass er mit sich selbst in einem endlosen Widerstreit stünde aufgrund des Widerspruchs der Wirksamkeiten, der Willen und der Eigentümlichkeiten.115 4,8 Denn wenn in Christus einerseits zwei Willen und andererseits auch zwei Eigentümlichkeiten und Wirksamkeiten sind und [wenn] Christus ohne Ende ist und [als solcher] geglaubt wird, dann bleibt folglich auch diese Aufspaltung in [zwei] Willen, Eigentümlichkeiten und Wirksamkeiten ohne Ende bestehen. 4,9 Wenn ferner zwei Willen, Wirksamkeiten und Eigentümlichkeiten in Christus sind und [wenn] Zwei niemals Eins wird, dann kann folglich auch Christus niemals Eins werden. 4,10 Und wenn ein Widerspruch als Ganzer in der Beschaffenheit besteht und [wenn] die Beschaffenheit gänzlich hinsichtlich der Willen, Eigentümlichkeiten und Wirksamkeiten besteht und [wenn] die Willen, die Eigentümlichkeiten und die Wirksamkeiten in Christus ohne Ende sind, dann ist folglich die Gegensätzlichkeit in Christus ohne Ende. 4,11 Soll denn »Gott« dereinst »alles in allem sein«, nicht der Natur oder dem Wesen nach — das sei ferne! —, sondern dem Willen, der Eigentümlichkeit und der Wirksamkeit nach, wie es ja dort überhaupt keinerlei zu Gott widersprüchliche Bewegung gibt, weder dem Willen noch dem Gedanken noch dem Wirken nach, aber Christus als einziger von allen soll mit sich selbst im Widerspruch sein, und zwar gleichermassen mit sich wie auch mit seinem Vater und mit allem [im Widerspruch]?116 4,12 Der Gedanke soll zu den Höfen der Häretiker verstossen, mit Purpur gekrönt und verbannt werden!117 114 Im Syrischen bedeutet das Verb wörtlich: »anakephalaiotisch macht«, »anakephalaiosiert«, vgl. zu ēnākēpālē’ōtīnā (sic Vokalisation in Handschrift O) gr. ἀνακεφαλαιόω κτλ. — Zu Wille, Kraft und Wirksamkeit vgl. auch 40,6,9. 115 Vgl. auch 36,3,7. 116 Vgl. zu 4,11f auch ep 36,3,7f. 117 Im Syrischen ’ēksōrīstīnā, vgl. gr. ἐξοριστος und dazu Bidawid S. 103 Anm. 2. — Vgl. zu dieser Redewendung auch ep 35,8,10.
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5,1 Für uns118 aber ist der Gottessohn ein [einziger Sohn], er, von dem eine Zweizahl seiner Individualitäten und Wesen gedacht wird, innerhalb der Gestalt der Person und des naturgemässen Bildes des Sohnseins, wobei die Individualität seines Menschseins niemals ohne die Verbindung mit seinem Gottsein sichtbar wurde oder wird, weder im Mutterschoss noch am Kreuz noch im Grab, sondern sein Gottsein ist mit seinem Menschsein unauflöslich vereinigt, [aber] nicht im Sinne einer Zusammensetzung — denn er, [der Gottessohn,] kann auch überhaupt nicht zusammengesetzt werden, er, der ohne Teile und ohne Aufgliederung ist, er, der alles zusammensetzt und erschafft119, er, der körperlos und unnahbar ist. 5,2 Wenn nämlich Gottes Rede zusammengesetzt worden ist und [wenn] alles Zusammengesetzte ein Zusammensetzendes hat, dann muss folglich auch die Gott-Rede |B 104| ein Zusammensetzendes haben. Aber das ist frevelhaft und töricht. 5,3 Wenn aber die Gott-Rede kein 〈Zusammensetzendes〉120 hat und [wenn] jedes Zusammengesetzte ein Zusammensetzendes hat, dann ist folglich die Gott-Rede nicht zusammengesetzt worden. 5,4 Wenn ferner die Rede zusammengesetzt worden ist und [wenn] alles, was zusammengesetzt worden ist oder zusammengesetzt wird, entweder als Ganzes mit irgendetwas als Ganzem oder als Teil von sich mit etwas als einem Teil oder als Ganzes mit etwas als einem Teil oder als Teil von sich mit irgendetwas als Ganzem zusammengesetzt ist, dann ist auch die Gott-Rede auf eine dieser Arten zusammengesetzt. 5,5 Wenn die Rede als Ganze mit dem Fleisch als Ganzem zusammengesetzt worden ist und [wenn] das Fleisch begrenzt ist, dann ist folglich auch die Rede begrenzt, was töricht und frevelhaft ist. 5,6 Wenn das Fleisch als Ganzes mit der Rede als Ganzer zusammengesetzt worden ist und [wenn] die Rede ohne Grenze und ohne Ende ist, dann ist folglich auch das Fleisch ohne Grenze und ohne Ende, was töricht und frevelhaft ist, denn wo sollte der [Spruch Platz haben]: »Er wird so wiederkommen, wie ihr ihn in den Himmel steigen gesehen habt.« (Apg 1,11) und [der Spruch]: »Ihr werdet den Menschensohn sehen, wie er über den Wolken des Himmels kommt.« (Mt 26,64) und [der Spruch]: »Er sitzt auf seinem Thron in königlicher Weise.« (Ps 29,10)? 5,7 Wenn Vgl. zur syrischen Konstruktion mit ܠܢauch ep 35,2,19. Syrisch mit Verbalsubstantiv: »er, der Zusammensetzer und Schöpfer von allem ist«. Hier wird »zusammensetzen« sozusagen zum Synonym von »erschaffen«! 120 Hier hat die Elias-Rezension den Text ausgezeichnet verbessert ( ܡܪܟܒܢܐstatt des beschädigten ܐܬܪܟܒܢܐin Bagdad 509). Anders die Lösung von Bidawid, der ܡܪܟܒܢܐ zusätzlich ergänzt (S. 104 Anm. 1). Mir scheint die Konstruktion der Elias-Rezension mit Casus pendens eleganter und logisch stimmiger. 118 119
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die Rede nicht als Ganze mit dem [Fleisch] als Ganzem, sondern als Teil von sich mit einem Teil des Fleisches zusammengesetzt wurde und [wenn] ein Teil nicht 〈er als Ganzer〉E ist, dann ist folglich die Rede [nur] teilweise mit einem Teil des Fleisches zusammengesetzt worden. 5,8 Aber beide 〈Aussagen〉 sind töricht und voll Frevel: sowohl [die Aussage], dass sich die Rede in Teile aufteilt — denn sie ist unkörperlich und unzusammengesetzt —, als auch die Aussage, dass das Fleisch [nur] zum Teil mit der Rede vereinigt worden ist; das Fleisch hat sich nämlich gänzlich mit der Rede vereinigt. 5,9 Wenn man aber sagt, dass sie nicht als Ganze mit ihm als Ganzem [zusammengesetzt wurde]121 — denn die Rede ist nicht begrenzt worden und das Fleisch ist nicht in ein Unbegrenztes und Unendliches aufgelöst worden — und [dass] auch nicht ein Teil von ihr mit einem Teil von ihm [zusammengesetzt wurde] — denn die Rede ist ohne Teile und ohne Zusammensetzung und das Fleisch ist nicht [nur] teilweise mit der Rede vereinigt worden —, sondern [dass] sie als Ganze mit einem Teil von ihm oder ein Teil von ihr mit ihm als Ganzem zusammengesetzt worden ist, dann ist nämlich sowohl so als auch so die Rede nicht ohne Körper und nicht unendlich und das Fleisch nicht ohne Einfachheit122 und nicht ohne Vergänglichkeit, [es,] das aus dem, was es ist, sein Sein hat123. 5,10 Und wenn jede Zusammensetzung auf eine von diesen Arten entsteht und [wenn] die Rede mit dem Fleisch auf keine von diesen [Arten] zusammengesetzt sein kann124, wenn also all diese Torheiten nicht zutreffen, dann ist offensichtlich und klar, dass die Rede mit ihrem Fleisch nicht durch Vereinigung im Sinne einer Zusammensetzung zusammengesetzt worden ist. 5,11 Nun sagen manche: »Wie der Leib mit der Seele zusammengesetzt wurde, so wurde auch die Rede mit dem Fleisch vereint, und wie ja die eine Natur und Individualität des Menschen aus der Seele und dem Leib zusammengesetzt ist — sie, die etwas anderes als die Seele und der Um der Verständlichkeit willen wiederhole ich das Verb des Objektsatzes hier und im Folgenden. Es steht im Syrischen zusammen mit dem Verb des übergeordneten Konditionalsatzes (»man sagt«) erst unmittelbar am Schluss des gesamten Nebensatzgefüges vor Beginn der Apodosis (»…, dann sagt man«). Die Syntax ist im Syrischen noch weit gespreizter als bei der berühmten Endstellung des Verbs im deutschen Nebensatz. 122 Im Syrischen wörtlich: »nicht uneinfach« (vgl. Bidawid, Lettres, S. 104: »non nonsimplex«). 123 Vgl. zu »das, was es ist« auch oben 40,6,1–3 mit Anm. 133 zur Stelle sowie 40,5,32 und 41,2,14f. 124 Bidawid versteht den Teilsatz bereits als Apodosis. Er muss dies jedoch im folgenden Teilsatz ausgleichen, indem er den neuen Satz mit »Si autem…« (»Wenn jedoch…«) beginnt, während im Syrischen »( ܐܢ ܐܪܐwenn also«) steht. 121
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Leib ist, auch wenn [diese] ein [Einziges] aus zweien [bestehendes] »Beideszugleich«125 bewirkt —, so ist auch die eine Individualität und Natur [des Christus] aus Gott-Rede und Mensch zusammengesetzt, sie, die etwas anderes ist als die Seele und das Fleisch, auch wenn die Verbindung und Verknüpfung der Zweien Eines aus Zweien bewirkt.« |B 105| 5,12 Nun sagen wir zuerst: Wenn die Rede und das Fleisch sich zu einer [einzigen] zusammengesetzten Natur und Individualität verbunden haben und [wenn] jedes Zusammengesetzte auch auflösbar ist, dann können folglich auch die Rede und das Fleisch [aus der Verbindung] von einander losgelöst werden, denn sie sind zusammengesetzt. 5,13 Wenn aber die Vereinigung der Rede mit dem Fleisch niemals aufgelöst worden ist oder aufgelöst wird und [wenn zweitens] jedes Zusammengesetzte aufgelöst werden kann, dann [sind] die Rede und das Fleisch niemals durch eine Zusammen setzung zu einer [einzigen] Natur und Individualität verbunden worden. 5,14 Denn wenn es möglich ist, dass sie zu einer [einzigen] Natur verbunden werden, dann können sie folglich [auch] zu einer [einzigen] Individualität verbunden werden. Und wenn sie nicht zu einer [einzigen] Natur verbunden werden können, dann ist es folglich auch nicht möglich, dass sie zu einer [einzigen] Individualität verbunden werden. 5,15 Denn was sollte die 〈Erklärung〉126 [dafür] sein, dass einerseits die Individualität vorhanden sein und vorgefunden werden sollte, andererseits aber die Natur nicht vorhanden sein und [nicht] vorgefunden werden sollte? 5,16 Sollte [denn tatsächlich]127 die Vereinigung, die stattgefunden hat, zwar eine [einzige] Individualität bewirkt haben, aber bei der Natur die »Zwei« in einer Aufspaltung zurücklassen? So behelfsmässig zur Wiedergabe von ܣܘܢܐܡܦܛܪܘܢ, wohl als sūnāmp(ō)ṭ(e)rōn zu interpretieren, für gr. συναμφότερον, vgl. Greg Naz or 30,8 (SC 250, S. 242, Z. 12f): εἰ γὰρ καὶ τὸ συναμφότερον ἕν, ἀλλ᾿ οὐ τῇ φύσει, τῇ δὲ συνόδῳ τούτων. Anders als bei Gregor wird der Begriff συναμφότερον hier aber nicht christologisch verwendet. — Der Anfang dieser Stelle wird in ep 42,6,30 in folgender Textform zitiert: ܘܐܦܢ ܓܝܪ »( ܟܢܝܫܘܬ ܬܪܝܗܘܢ ܚܕDenn obwohl die Verbindung von beiden eins ist«), also mit ܟܢܝܫܘܬzur Wiedergabe von συναμφότερον. — Die Handschriften sind mit dem Wort hier in 41,5,11 überfordert, vgl. die unvokalisierten Textvarianten im Apparat des Editionsbandes zur Stelle. 126 Die Handschriften bieten einhellig »( ܦܣܐHandfläche«, »Fusssohle« oder aber »Los«, »Stimmzettel«). Bidawid (Lettres, S. 105) übersetzt: »Quodnam enim est fundamentum…«. Mir scheint das griechische Lehnwort ( ܦܝܣܐin diesem Zusammenhang »Erklärung«, »Antwort«) näherzuliegen. Eine Verlesung der beiden Formen ist leicht denkbar. 127 Der rhetorische Fragesatz ist im Syrischen mit dem Fragepronomen ܐܝܟܢܐgebildet (»Wie soll sie denn zwar, aber doch…?«). Vgl. zur Schwierigkeit der rhetorischen Fragesätze Heimgartner, CSCO 662, S. XXXI. 125
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5,17 Aber wenn vielleicht jemand Folgendes sagt, dass sie die »Eins« dadurch bewirkt hat, dass die Vereinigung stattgefunden hat, und sie die »Zwei« dadurch gemacht hat, dass die Vereinigung nicht stattgefunden hat, [dann entgegnen wir Folgendes:] Wenn die Vereinigung gänzlich stattgefunden hat, [dann hat] sie sowohl die Naturen als auch die Individualitäten in Christus in einer unzerreissbaren Person des naturgemässen Sohnseins [vereint]128: Wie soll sie [dann] einerseits den Naturen eine Aufteilung in eine Zweizahl zurücklassen129 und andererseits die Individualitäten von dieser [Teilung] weg zur Bezeichnung »Eins« erheben? 5,18 Danach sagen wir auch Folgendes: Der Begriff, der bezeichnet, was aus Seele und Leib verbunden worden ist — man mag es eine [einzige] Natur oder eine [einzige] Individualität nennen —, ist und heisst »Mensch«, doch der Begriff für die Natur und die Individualität, die aus dem Gottsein und dem Menschsein verbunden worden ist, was und welcher ist er? 5,19 Nun bezeichnen der Begriff »Gott« die göttliche Natur, der [Begriff] »Rede« die göttliche Individualität und der [Begriff] »Sohn« die Person bzw. Eigentümlichkeit. Der [Begriff] »Mensch« [bezieht sich] zugleich auf die Seele und den Leib, der [Begriff] »Fleisch« auf die Verbindung der Kräfte der Elemente, der [Begriff] »Christus« nicht auf die Natur und Individualität, sondern auf die Tätigkeit beziehungsweise Wirksamkeit ebendieser Naturen, der [Begriff] »Jesus« in derselben Weise auf die Erlösung, die von Gott durch die menschliche130 Natur [vollbracht wurde], und so beziehen sich auch die [Begriffe] »Immanuel« und »Menschensohn« zugleich auf das Gottsein und das Menschsein, wobei sie nicht das anzeigen, was aus Gottsein und Menschsein verbunden wurde, sondern vielmehr ebendieses Gottsein und Menschsein.131 5,20 Wie lautet somit der Begriff, um diese Natur und Individualität zu bezeichnen, die aus jenen [beiden, d. h. Gottsein und Menschsein,] zusammengesetzt worden sein soll? Wenn diese [Natur und Individualität] ohne Begriff ist und [wenn] das, was ohne Begriff ist, auch ohne Erkenntnis ist, dann ist folglich diese eine Natur und Individualität, die manche Leute nenn〈en〉132, unerkennbar. Ergänzung gemäss Übersetzung Bidawid, Lettres, S. 105 (»univit«). Vgl. zu ܫܒܩܐetwa ep 42,6,48. 130 Bidawids Handschrift S hat hier die Sonderlesart »göttlich«. Bidawid (Lettres, S. 105) übersetzt »per naturam humanam«, ohne auf das Problem einzugehen. M liest ܐܝܟܢܐ (»wie«). Hier ist Bagdad 509 offenbar schlecht lesbar. 131 Vgl. zu 41,5,19 auch oben ep 41,3,44. ܿ 132 ̈ Das Kollektivum ist hier mit Singular konstruiert (ܐܡܪ ;)ܐܢܫܝܢ ich konjiziere Pluralverb, vgl. dazu Nöldeke, Grammatik, S. 241 und 244 mit Anm. 1. 128 129
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5,21 Und ferner: Wie können sie denn anderen wegen deren Bekenntnis der zwei Individualitäten in Christus bald eine Vierzahl [in der Gottheit], bald eine Zweizahl von Söhnen vorwerfen, wo sie doch in Christus den vollkommenen Gott und den vollkommenen Menschen bekennen und zudem in Christus die eine zusammengesetzte Natur und Individualität bekennen im Bewahren und Bewahrtwerden133 jener, aus denen dieses Eine |B 106| verbunden oder zusammengesetzt wurde? 5,22 Denn wenn bei denen, die in Christus zwei Individualitäten bekennen, eine Vierzahl in der [göttlichen] Dreiheit und eine Zweizahl von Söhnen in dem einen Gottessohn auftreten sollen, sollten dann nicht bei ihnen wahrlich [sogar] eine Fünfzahl und eine Sechszahl auftreten? Wann [immer] sie eine Dreiheit der [göttlichen] Individualitäten134 bekennen, aber das Gottsein und das Menschsein unseres Herrn nicht leugnen, fügen sie uns zu [diesen] fünf Einzigkeiten offensichtlich [noch] die eine aus Zweien [zusammengesetzte] Natur und Individualität hinzu. 5,23 Denn wenn dieses aus Zweien [zusammengesetzte] Eine nicht dasselbe wie die Zwei ist, [dann ist] so auch die Zwei nicht [dasselbe] wie das aus Zweien [zusammengesetzte] Eine. 5,24 Und gerade wenn dieses Eine in doppelter Weise angenommen wird, nämlich sowohl als Einfaches als auch als Zusammengesetztes: Werden dann bei den drei Unaufteilbaren — Vater, Sohn und heiliger Geist — Drei und Drei nicht Sechs?135 5,25 Und wenn die Verbindung, die in der Vereinigung [besteht], diese drei, die in der Menschwerdung sind, zu136 irgendetwas Einem macht, um wieviel mehr macht und verbindet sie dann die zwei Individualitäten zu einer [einzigen] Person des Sohnseins! Soviel zu [dem, was diese] Leute [reden]. 5,26 Doch wir reden von einer Offenbarung des Gottseins im Menschsein, des Verborgenen im Offenbaren, [und von einer] Vereinigung nicht wie jener der Seele mit dem Leib noch wie jener des Gedankens mit der Seele137 — denn diese lösen sich irgendwie [wieder] auf138 —, sondern So wörtlich die hypertrophe Formulierung im Syrischen. Im Syrischen mit Singular konstruiert: »eine Dreiheit an [göttlicher] Individualität«. 135 Der rhetorische Fragesatz ist im Syrischen mit dem Fragepronomen ܐܝܟܢܐgebildet (»Wie sollen dann…?«). Vgl. zur Schwierigkeit der rhetorischen Fragesätze Heimgartner, CSCO 662, S. XXXI. 136 Die Konjektur »zu« ( )ܠܘܬstatt »nicht« ( )ܠܘerfolgt mit Bidawid, Lettres, S. 106 Anm. 1.] 137 Vgl. dazu etwa disp 4,51.53.61.63.65; ep 40,5,21.26; 40,7,31; 40,8,29.32. 138 Bidawid (Lettres, S. 106) liest statt ܕܗܘ ܼ »( ܐܝܟܢirgendwie«) offenbar ܐܝܟܢ ܕܗܘܘ, wenn er »sicuti fuerunt« übersetzt. 133 134
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[wir reden von] einer göttlichen Vereinigung, die höher und erhabener als jene [Dinge] ist. 5,27 Denn das Fleisch als zur Rede gehörende Individualität ist von deren Individualität nicht entfernt, sondern ohne Grenze und Begrenzung jenem Ganzen nahe, welches demjenigen, der salbt139, gehört. 5,28 Und die Rede wiederum als zum Fleisch gehörende Individualität existiert nicht [in Gestalt] blosser Wirksamkeit und Heiligung wie bei den Propheten140, sondern als eigentümliche Individualität, die ich auch als individuell bezeichnete141, und [als] eine [einzige] Person, die durch beide unerschütterlich geprägt ist: durch die Rede der Natur nach als dem Vater wesensgleich, durch sein Fleisch der Vereinigung nach als naturgemässes Bild seiner Verborgenheit142: »Und er ist das Gleichbild des unsichtbaren Gottes und Erstgeborener aller Geschöpfe.« (Kol 1,15) 5,29 Und weil es deshalb ein und dieselbe Person ist, sagte er einmal: »Wenn ihr den Menschensohn dorthin aufsteigen seht, wo er zuvor war« (Joh 6,62), und einmal: »Und niemand ist in den Himmel hinaufgestiegen ausser dem, der aus dem Himmel herabgestiegen ist: der Menschensohn, der im Himmel ist143.« (Joh 3,13) Soviel darüber, dass dieselbe Person, die der naturgemässe Sohn ist, all diese [Dinge] gleichzeitig empfängt, sowohl die göttlichen als auch die menschlichen. 6,1 Und deshalb [bekennen wir] auch die heilige Jungfrau Maria nicht im absoluten Sinn als »Gottesgebärerin«, aber auch nicht im einfachen Sinn als »Menschengebärerin«, denn die erste von den [Bezeichnungen], die sie leugneten und leugnen, bezieht sich auf die Menschwerdung der Rede, und die zweite von den [Bezeichnungen], die sie leugneten oder 139 So die lectio difficilior ( ܕܡܫܚin allen Handschriften ausser S), welche auf Greg Naz or 30,21 anzuspielen scheint, eine Lieblingsstelle von Timotheos, welche er unten in 41,7,4 und in ep 42,6,40 zitiert. Bidawid (Lettres, S. 106) liest mit seiner Handschrift S [»( ܕܡܫܝܚܐwelches] Christus [gehört]«) und übersetzt: »non in distantia personae suae, sed in propinquitate totius illius qui Christi 〈est〉«. Die Handschriften lesen einhellig (»derjenige, der salbt«). Die Form ܕܡܫܚkönnte tatsächlich auch aus einem abgekürzten und beschädigten ܕܡܫܝܚܐentstanden sein. 140 Vgl. dazu ep 34,2,49–71. 141 Vgl. zu »eigentümlich und individuell« oben ep 41,2,4 (und zweimal konjiziert in 41,2,5) sowie auch 41,1,12. 142 Anders versteht Bidawid (Lettres, S. 106) ܩܒܝܥmit ܒnicht als »geprägt durch«, sondern als »eingeprägt in« und übersetzt: »infixum in utroque immutabiliter, in Verbo naturaliter, tamquam consubstantiale Patri, in carne sua coniunctim, tamquam figuram naturalem absconsionis eius«. Vgl. dagegen die Ausführungen in Heimgartner, CSCO 662, S. XXXVII zum ܒbeim Passiv von ܩܒܥ. — Entsprechendes gilt für die Übersetzung von 41,6,8: »quae infixa est in Verbo et in Spiritu« (Bidawid, Lettres, S. 107). 143 Der Passus »der im Himmel ist« (griechisch »der im Himmel war« ) ist in Joh 3,13 textkritisch ungesichert und fehlt etwa im Nestle/Aland27.
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leugnen, [bezieht sich auf] die Vergöttlichung unserer Natur. 6,2 Wir aber bekennen, |B 107| dass die heilige Jungfrau Christusgebärerin ist, Gebärerin des Gottessohnes im Fleisch. Denn wenn die Jungfrau Maria Christusgebärerin ist, wie das Evangelium lehrt, und [wenn] Christus zwei Naturen ist, dann ist die Jungfrau Maria folglich [[weder im absoluten Sinn »Gottes gebärerin« noch im einfachem Sinn »Menschengebärerin«, sondern]]144 Christusgebärerin, wie das Evangelium lehrt. 6,3 Wenn die Jungfrau Maria Christusgebärerin ist und [wenn] Christus sowohl Gott als auch Mensch ist, was ist aus dem Menschen geworden, der in unserem Erlöser [ist]? Wurde er als Gott aus Maria geboren oder nicht145? 6,4 Wenn er mit Gott zusammen und in Gott geboren wurde, und [wenn eine Frau] Mutter dessen ist, was aus ihr geboren wurde, dann ist die heilige Jungfrau folglich unbedingt Gottesgebärerin wie auch Menschen[-gebärerin]. 6,5 Wenn er aber nicht geboren wurde oder geboren wird, [dann] wurde er überhaupt nicht geboren. Und wenn er überhaupt nicht geboren wurde und geboren wird, wie sollte dann Christus folglich zwei Naturen sein, wenn die eine aus der Jungfrau geboren worden sein soll und die andere überhaupt nicht geboren worden sein oder geboren werden soll. 6,6 Wenn er aber [noch] nicht geboren wurde, sondern [erst] später irgendwie und irgendwann aus der Jungfrau geboren wird146, [dann] wird man [erst] dann von Christus zwei Naturen aussagen, wenn Christus auch [tatsächlich] aus der Jungfrau als zwei Naturen geboren wird. 6,7 Wenn die Jungfrau Maria Gottesgebärerin ist und [wenn] Gott eine [einzige] Natur ist, dann ist die Jungfrau folglich Gebärerin einer [einzigen] Natur. Dann ist Christus folglich nicht zwei Naturen noch aus zwei [Naturen]. 6,8 Doch wenn die Jungfrau nicht Gebärerin einer [einzigen] Natur ist und [wenn] Gott eine [einzige] Natur ist, dann ist die Jungfrau folglich nicht Gottesgebärerin, sondern Gebärerin des Christus im Fleisch, »der Gott über alles ist« (Röm 9,5 𝔓), wobei er, insofern er Christus [ist], Abbild der Einzigkeit der unaufteilbaren Person des Sohnes [ist], und insofern er im Fleisch ist, Bild seines Menschseins ist, welches durch die Rede und den Geist geprägt wurde, und dadurch, dass er »Gott über alles ist« (Röm 9,5 𝔓), hat der himmlische Paulus uns 144 Hier scheint ein Textstück ausgefallen zu sein, das sich aus 6,1 ungefähr erschliessen lässt. Da sich der genaue Wortlaut nicht ermitteln lässt, setze ich die Textergänzung in doppelten eckigen Klammern. Man könnte notfalls auch Fragesatz lesen: »…ist dann die Jungfrau Maria folglich nicht, Christusgebärerin, wie das Evangelium lehrt?« 145 Das Syrische wiederholt in solchen Zusammenhängen das Verb: »Wurde er … geboren oder wurde er nicht geboren«. ܿ als 146 Bidawid (Lettres, S. 107 mit Anm. 1) ringt um den Sinn der Stelle, weil er ܡܢ »wer« missversteht.
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die Natur seines Gottseins gelehrt. 6,9 Wenn aber die Jungfrau Maria Gottesgebärerin ist und [wenn] Gott drei Individualitäten ist, dann hat die aller Segnungen würdige Jungfrau folglich drei Individualitäten geboren, und Vater, Sohn und heiliger Geist würden zu Söhnen der Jungfrau. 6,10 Doch wenn die Jungfrau Maria nicht drei Individualitäten geboren hat und [wenn] Gott drei Individualitäten ist, dann ist die Jungfrau folglich nicht im absoluten Sinn Gottesgebärerin, sondern sie ist Gebärerin des Gottessohnes im Fleisch, wie es uns auch der Apostel Paulus lehrt: »über seinen Sohn, der im Fleisch geboren wurde aus der Nachkommenschaft des Hauses Davids« (Röm 1,3). 6,11 Wenn der Begriff »Gott« eine Bezeichnung für die Natur ist und der Begriff »Sohn« die Individualität und die Person beschreibt, [dann] verstehen wir unter dem Begriff »Gott« drei Individualitäten und unter dem Begriff »Sohn« eine Individualität und Person. 6,12 Drei Individualitäten erscheinen niemals für die Vorstellung von »Individualität« noch werden sie jemals durch die singularische Bezeichnung »ein [einziger] Gott« [voneinander] abgetrennt noch wird die eine Person und Individualität jemals durch die [Bezeichnung] »Eins« von den Zweien oder Dreien abgetrennt. 6,13 Wie sollten wir denn den unauftrennbaren Begriff »Sohn« aufgeben und die heilige Jungfrau Gebärerin Gottes nennen, den man in drei Individualitäten verehrt und bekennt? 6,14 Was ist denn Christus als Ganzer: nur Gott oder |B 108| nur Mensch147 oder nicht doch Gott und Mensch zugleich? Und wurde er als Ganzer oder nur stückweise und teilweise um unseretwillen aus Maria geboren? 6,15 Wenn Christus als Ganzer nur Gott ist und [wenn] die Jungfrau Christusgebärerin ist, dann ist die Jungfrau folglich Gottesgebärerin, weil Christus als Ganzer nur Gott ist. 6,16 Wenn aber Christus als Ganzer [nur] Mensch ist und [wenn] die Jungfrau Christusgebärerin ist, dann ist die Jungfrau folglich Menschengebärerin, denn Christus ist als Ganzer nur Mensch. 6,17 Wenn aber diese zwei [Anschauungen] Gefallen finden, [so bedenke man]: Die eine ist manichäisch, die andere jüdisch148. 6,18 Die Jungfrau Maria bekennt man im Evangelium als Christusgebärerin. Christus wurde als Ganzer um unseretwillen geboren. Christus als Ganzer ist Gott und Mensch zugleich. Dann ist die Jungfrau folglich Gottesgebärerin und Menschengebärerin zugleich. 6,19 [Nun] aber ist Christus Gott und Mensch zugleich; Gott und Mensch ist Christus zugleich149. 6,20 Wenn Im Syrischen sprachlich variiert: »einzig Gott oder allein Mensch?« Vgl. dazu ep 36,1,18, ep 41,8,13, ep 42,5,11.13.25.29.31 und Nest Ap 6 und 8. 149 Bidawid (Lettres, S. 108) verkürzt die Doppelung: »Christus enim Deus simul et homo est.« 147 148
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[nun], weil die Jungfrau Christus geboren hat und Christus »Gott über alles« (Röm 9,5 𝔓) ist, deswegen auch die Jungfrau Gottesgebärerin genannt werden muss, dann [muss die Jungfrau], weil Christus naturgleich mit dem Vater, ewig, unbegrenzt und unerschaffen, ohne Anfang und ohne Ende ist, insofern er Gott ist, und andererseits Mensch ist und gemäss der Schrift Fels, Lamm, Tür, Weg und viele andere derartige [Dinge]150 genannt wird, [ja,] dann muss die Jungfrau151 Maria auch Gebärerin des mit dem Vater Naturgleichen, Gebärerin des Ewigen, Gebärerin des Unbegrenzten und Unerschaffenen, Gebärerin dessen, der ohne Anfang und ohne Ende [ist], Menschengebärerin, Felsgebärerin, Lammgebärerin, Weggebärerin und Türgebärerin heissen. 6,21 Wenn aber all diese [Dinge] in den Schriften von Christus gesagt werden und einige von ihnen auf sein Gottsein, einige auf sein Menschsein bezogen werden und [wenn] man die Jungfrau Maria nicht Gebärerin [all] dieser [Dinge] nennt, obwohl Christus diese [Dinge] ist, die er genannt worden ist, dann darf die heilige Jungfrau auch nicht absolut Gottesgebärerin genannt werden, [und zwar] nicht [etwa], weil er, der aus ihr geboren wurde, nicht Gott wäre152, sondern weil er zugleich sowohl Gott als auch Mensch ist. 6,22 Die Jungfrau als seine Gebärerin muss mit einem Begriff benannt werden, der seine Gesamtheit und seine Eigentümlichkeit bezeichnet, das heisst, mit dem Begriff, welcher die Person und die Individualität bezeichnet, und das ist »Christus« und »Sohn«. Und dann bringen wir zusätzlich den Begriff vor, der die Natur bezeichnet, und das ist »Gott über alles« (Röm 9,5 𝔓). 6,23 Denn siehe, auch der Prophet Jesaja brachte zuerst den Begriff vor, der die Person bezeichnet, und [erst] dann den Begriff, der die Natur bezeichnet: »Siehe, die Jungfrau ist schwanger und gebiert einen Sohn.« (Jes 7,14) Er sagte nicht: »Sie ist schwanger und gebiert einen Gott und einen Menschen«153, [mit] Benennungen, welche [je] die Natur bezeichnen, sondern [er sagte] »Sohn«, ein Begriff, der Bezeichnung der Person ist, und [erst] dann brachte er zusätzlich den Namen154 vor, der die Natur bezeichnet, 150 Vgl. disp 19,29; ep 34,4,40; 35,5,38, dazu auch Heimgartner, CSCO 662, S. 30f Anm. 138 und S. 87 Anm. 431 zur Schwierigkeit der Begriffswahl in der Übersetzung. 151 Timotheos wiederholt das die Folgerung einleitende »( ܡܕܝܢdann«, »also«). Ich habe oben zu Beginn des Satzes »[muss die Jungfrau]« um der Verständlichkeit willen ergänzt. 152 Das Syrische setzt das Präsens: »ist«. 153 Das Syrische formuliert verschachtelt und mit doppelter Verneinung im Sinne einer einfachen: »Er sagte nicht: ›Sie ist schwanger und gebiert weder einen Gott noch einen Menschen.‹« Vgl. zur Konstruktion auch unten 41,6,27. 154 Das Syrische verwendet denselben Terminus ܫ�ܡܐfür »Name« und für »Begriff«. Da es sich im Folgenden tatsächlich um einen Namen handelt, muss ich hier in der deutschen Übersetzung die Termini wechseln, ebenso auch 41,6,24.
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nämlich: »und er wird mit dem Namen ›Immanuel‹ [d. h. ›Gott mit uns‹] benannt werden« (Jes 9,5), ein Begriff, der beide Naturen bezeichnet, sowohl die [Natur] Gottes] als auch die des Menschen: die [Natur] Gottes, insofern er »El« [d. h. ›Gott‹] sagt, und die [Natur] des Menschen, insofern er »mit uns«155 sagt. 6,24 So sagte er auch wenig später: »Denn ein Kind ist uns geboren und ein Sohn ist uns gegeben worden.« (Jes 9,5) [mit] Begriffen, welche die Person bezeichnen und nicht die Natur. Und [erst] danach fügt er Begriffe hinzu, welche die Natur bezeichnen, und sagt: »und sein Name wird lauten: ›Wunder‹, ›Ratgeber‹, ›starker Gott der Äonen‹.« (Jes 9,5) |B 109| 6,25 Ebenso auch der Evangelist: »Du wirst einen Sohn gebären, und sein Name wird ›Jesus‹ lauten.« (Lk 1,31) 6,26 Und die Engel sagten den Hirten bei der Verkündigung: »Euch ist heute der Erlöser geboren worden, welcher Christus der Herr ist, in der Stadt Davids« (Lk 2,11), [mit] Begriffen, welche die Vereinigung der beiden Naturen bezeichnen. 6,27 Ebenso sagte auch Paulus an einer bestimmten Stelle: »Gott sandte seinen Sohn, und er entstand aus einer Frau.« (Gal 4,4) Er sagte »seinen Sohn« und nicht »den Gott«, ein Begriff, welcher die Naturen und nicht die Individualitäten bezeichnet. Und er sagte auch nicht: »Gott sandte den Gott und den Menschen«156, obwohl unser Erlöser der Natur nach beides ist, Gott und Mensch zugleich, sondern er sagte: »Gott sandte seinen Sohn, und er entstand aus einer Frau.« (Gal 4,4), ein Begriff, welcher die eine unaufteilbare Person des Sohnes bezeichnet. 6,28 Denn wie [der Begriff] »Gott« niemals in eine Dreizahl von Göttern aufgespalten wird, so wird auch [der Begriff] »Sohn« niemals in eine Zweizahl von Söhnen und Christussen aufgespalten. 6,29 Doch an einer anderen Stelle sagt er: »Gott157 sandte seinen Sohn im Gleichbild des Fleisches der Sünde, um die Sünde in dessen Fleisch zu verdammen.« (Röm 8,3) 6,30 Und wiederum sagte er »den Sohn« und nicht »den Gott« und zeigte uns hier wiederum offensichtlich auch die Zweizahl der Naturen und der Individualitäten. Denn insofern er »Sohn« [sagte,] zeigte er uns die Individualität der Rede, und insofern er »im Gleichbild des Fleisches der Sünde« (Röm 8,3) sagte, zeigte er uns die menschliche Individualität. Die menschliche Individualität unseres Herrn ist aber diejenige, welche 155 Timotheos verwendet hier nun die syrische Form (‘ammān) und nicht wie vorher die hebräische (‘immānū). 156 Das Syrische formuliert wieder mit doppelter Verneinung im Sinne einer einfachen, vgl. oben 41,6,23. 157 In Bagdad 509 ist offenbar das Wort »Gott« ausgefallen, welches VWLTD ergänzt haben. Ich folge dieser Lesart mit ep 34,4,10.
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»im Gleichbild des Fleisches der Sünde« ist, sie ist aber nicht »das Fleisch der Sünde«. 6,31 Denn bei einer Individualität sagt man, dass sie einer [anderen] Individualität der Natur nach gleicht158. So glich auch das Fleisch unseres Herrn als Individualität der Natur nach in jeder Hinsicht unseren Individualitäten, [nur] der Sünde nach glich es [unseren Individualitäten] überhaupt nicht. 6,32 Also lehrte er [d. h. Paulus] uns, indem er »im Gleichbild« sagte, die vereinigte Individualität des Menschseins unseres Herrn, und indem er »Fleisch« [sagte], die [beiden] Individualitäten und die allgemeine Natur, wie er auch an die Philipper schreibt: »Der das Gleichbild Gottes ist, nahm das Gleichbild eines Dieners an.« (Phil 2,6f) 6,33 Auch hier lehrte er uns wiederum offenkundig die zwei Gleichbilder an unserem einen Herrn Jesus Christus, der uns lebendig macht (vgl. Tit 2,13 𝔓): das eine das Gleichbild der Gott-Rede, die dem Vater naturgleich ist, und das andere das Gleichbild des Dieners, das159 uns naturgleich ist. Und wenn es an unserem Herrn Christus zwei Gleichheiten hat und [wenn] zwei Gleichheiten zwei Individualitäten sind, dann lehrte uns der himmlische Apostel Paulus zwei Individualitäten an dem einen Herrn Jesus Christus. 6,34 Denn [alles], was [etwas anderem] gleicht, gleicht etwas, was ihm gleicht. Denn von dem Betreffenden wird niemals gesagt, dass etwas [Beliebiges] ihm gleicht, sondern es wird gesagt, dass das eine dem anderem entweder der Natur nach gleicht oder irgendwelchen [Eigenschaften] nach, die ausserhalb der Natur sind. 6,35 Nun [meint] »der Natur nach [gleichen]« wie [beispielsweise] Adam dem Seth [gleicht]160, »irgendeiner [Eigenschaft] nach [gleichen], die ausserhalb der Natur ist«, wie [beispielsweise] die Gestalt einer Statue einem natürlichen Menschen [gleicht]161. 6,36 Hier |B 110| aber lehrt er uns an Christus eine Gleichheit162, die der Natur nach ist. Denn ebendieser eine Christus und Got tessohn gleicht seiner göttlichen Individualität nach dem Vater und seiner 158 Vgl. zu »gleichen« und »Gleichheit« auch die Ausführungen in ep 35,6,13–28 und ep 34,3,75–77. 159 Man beachte das Ungleichgewicht in der syrischen Formulierung! 160 Vgl. Gen 5,3 (zitiert nach der syrischen Textform in ep 35,6,18): »Und er [Adam] zeugte [ihn] nach seinem Gleichbild (κατὰ τὴν ἰδέαν) gemäss seinem Bild und gab ihm den Namen Seth.« — Der Vergleich von Adam und Seth begegnet auch in ep 35,6,18.26. 161 Das Beispiel aus Arist Kat 1a,2f auch in ep 35,6,20. 162 Hier übersetze ich mit » ܕܡܝܘܬܐGleichheit«, während ich bei den drei parallel vorkommenden Begriffen in ep 34,3,75–77 weiter differenzieren musste, nämlich »Gleichheit« für ܕܘܡܝܐ, »Gleichbild« für ܕܡܘܬܐ, und — anders als hier — »Gleichsein« für ܕܡܝܘܬܐ.
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göttlichen Natur nach [gleicht er] dem Geist163, seiner menschlichen Individualität nach gleicht er der Mutter und seiner menschlichen Natur nach [gleicht er] uns.164 6,37 Er ist einer in den zwei durch Natur und Individualität gegebenen Gleichbildern, insofern er Sohn, Christus und Einziggeborener [ist], wie er auch als Mensch und Abbild einer ist in Seele und Leib. 6,38 Und wie Christus das Gleichbild des Vaters165 ist, nicht aber der Vater selbst in dessen Individualität ist, so ist ebendieser Christus das »Gleichbild eines Dieners«, nicht aber ein Diener [selbst] in dessen Individualität. 6,39 Also muss die heilige Jungfrau Christusgebärerin und [Gebärerin] des Gottessohnes im Fleisch genannt werden, wie es die Apostel, die Evangelisten und die Propheten durch diese Begriffe lehren, welche die Zweizahl der Naturen des Christus bezeichnen, aber nicht »Gottesgebärerin«, ein Begriff, der die eine Natur Gottes bezeichnet. 7,1 »Aber manche von den früheren Vätern haben die Jungfrau ›Gottes gebärerin‹ genannt.«166 Dass das gesagt ist, leugnen wir nicht, wir wollen jedoch untersuchen, auf welche Weise sie die Jungfrau »Gottesgebärerin« genannt haben. 7,2 Denn der, der sagt, dass die Jungfrau »Gottesgebärerin« sei167, sagt in ebendemselben Brief an Kledonius Folgendes: »Durch die Jungfrau wurde Gott Mensch und der Mensch Gott.« (Greg Naz ep 101,21)168 163 Hier wird die Relation des Sohnes zum Vater und zum Geist anhand der Begriffe »Individualität« und »Natur« differenziert. Timotheos kennt also nicht die Vorstellung eines filioque. 164 Im Syrischen mit gespreizter Syntax: »Denn ebendieser eine Christus und Gottessohn gleicht seiner göttlichen Individualität nach dem Vater, und dem Geist [gleicht er] seiner göttlichen Natur nach, seiner menschlichen Individualität nach gleicht er der Mutter, und uns [gleicht er] seiner menschlichen Natur nach.« 165 Vgl. Phil 2,6 sowie Kol 1,15 und Hebr 1,3. 166 Timotheos nimmt offenbar Bezug auf eine Äusserung der Mönche in ihrem Brief, die hier wörtlich oder sinngemäss wiedergegeben sein mag. Vgl. zu ähnlichen Bezügen auf uns nicht erhaltene Anfragen Heimgartner, CSCO 662, S. IX–X (zu ep 35) und XV–XIX (zu ep 38 und 39), sowie Heimgartner, CSCO 645, S. XL–XLIX (zu Brief 42) 167 Gemeint ist Gregor von Nazianz. Die Stelle ist ep 101,16 (SC 208, S. 42): εἴ τις οὐ θεοτόκον τὴν ἁγίαν Μαρίαν ὑπολαμβάνει, χωρὶς ἐστὶ τῆς θεότητος. (»Wenn nun einer nicht annimmt, dass die heilige Maria Gottesgebärerin ist, so ist er ausserhalb der Gottheit.«) 168 Greg Naz ep 101,21 (SC 208, S. 44): θεοῦ μὲν ἐνανθρωπήσαντος ἐν τῇ παρθένῳ, ἀνθρώπου δὲ θεωθέντος, wobei ἐν τῇ παρθένῳ nur von Handschrift Marcianus graecus 70 zugefügt wird, vgl. Apparat in SC 208, S. 44 zur Stelle sowie S. 31 zur Handschrift. — Dieselbe Stelle wird vom Timotheos bereits oben in 41,3,20 zitiert, ebenso auch in ep 38,16 und 42,6,12. — Bidawid (Lettres, S. 110 Anm. 2) liest in MPG 37, Sp. 180, die Textform ohne ἐν τῇ παρθένῳ.
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Siehe, somit benennt er hier den Menschen als Gott169 aufgrund der Vereinigung. 7,3 In der [Rede] über Pfingsten170 aber redet er auch über den heiligen Geist: »Denn deswegen ehrt Gott den Leib, weil 〈auch〉171 dieser durch die Vergöttlichung Gott [ist].« (Greg Naz or 39,16)172 Siehe: Auch hier wiederum benennt er den Leib aufgrund der Vereinigung als Gott. 7,4 Und in der [Rede] über den Sohn sagt er: »Nämlich die Wirkung der Salbung, dass der Salbende Mensch genannt wird und der Gesalbte zu Gott gemacht wird.« (Greg Naz or 30,21)173 7,5 Auch hier wiederum bezeichnet er den Leib als den, der »zu Gott gemacht wird«, und wiederum [an der Stelle]: »ein sichtbarer Gott aufgrund dessen, dass er erkannt wird« (Greg Naz or 30,21) erkennt er [ihn] als sichtbaren Gott und als erkennbaren Gott174, und zwar jenen der Vereinigung nach, diesen der Natur nach. 7,6 Und niemand soll je dem Theologen175 eine Zweizahl von Göttern oder eine Zweizahl von Söhnen vorwerfen. Wann [immer] er also die Jungfrau »Gottesgebärerin« nennt, meint er den zu unserem Herrn gehörenden Menschen, der vergöttlicht wurde176 durch die Vereinigung mit der Rede im Schoss der Jungfrau. 7,7 Denn der, welcher über die an Christus Glaubenden sagte: »Ein Gott wird mit Göttern vereinigt und vergöttlicht« (Greg Naz or 38,7)177, und wiederum: »…damit ich so weit Gott werde, 169 Man beachte, dass »wurde Gott« im vorangehenden Zitat auf Syrisch verbal (»wurde vergöttlicht«) ausgedrückt wurde. 170 Hier irrt sich Timotheos: Es ist Rede 39 (»Auf das Fest der heiligen Lichter«). In ep 42,6,40, wo dieselben drei Gregorzitate stehen wie hier in 7,3–5, findet sich dieselbe falsche Zuordnung dieses Zitats. Sie könnte aus einem Florileg oder noch eher aus einem privaten Exzerpt stammen. 171 Mit ep 42,6,40 konjiziere ich »( ܡܛܠ ܕܐܦ ܗܢܐweil auch dieser«) statt ܡܛܠ »( ܗܢܐdeswegen«). 172 Greg Naz or 39,16: τιμᾷ γὰρ τὸ σῶμα, ἐπεὶ καὶ τοῦτο τῇ θεώσει θεός. (»Denn er ehrt den Leib, weil auch dieser durch die Vergöttlichung Gott ist.«) 173 Greg Naz or 30,21 (SC 250, S. 272, Z. 13–17): χρίσις ... ἧς ἔργον ἄνθρωπον ἀκοῦσαι τὸ χρίον, καὶ ποιῆσαι θεὸν τὸ χριόμενον. (»… die Salbung, … deren Werk es ist, dass das Salbende »Mensch« genannt wird und das Gesalbte zu Gott gemacht wird«) Die auffälligen Neutra im Griechischen werden auch in der deutschen Übersetzung von Sieben (FC 1/22, S. 271) als Maskulina wiedergegeben. 174 Greg Naz or 30,21 (SC 250, S. 272, Z. 10): θεὸς ὁρώμενος διὰ τὸ νοούμενον. 175 Der geläufige Titel von Gregor von Nazianz erscheint in 7,6.9.11 in der syrischen ̈ Form ܐܠܗܝܬܐ ܠܡܡܠܠ, während in 7,10 wie in 41,3,20 und 41,7,56) das griechische Lehnwort ( )ܬܐܘܠܘܓܘܣsteht. 176 Im Syrischen dasselbe Verb wie vorher in 41,7,2 im Gregorzitat. 177 Greg Naz or 38,7 (SC 358, S. 116, Z. 20–22): θεὸς θεοῖς ἑνούμενός τε καὶ γνωριζόμενος, καὶ τοσοῦτον ἴσως ὅσον ἤδη γινώσκει τοὺς γινωσκομένους. — »Ein Gott
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wie jener Mensch [geworden ist]« (Greg Naz or 29,19)178, 7,8 [bei dem ist es] 〈nicht〉179 verwunderlich, wenn er denn die Jungfrau wegen der Vereinigung seines [d. h. des Christus] Fleisches mit der Gott-Rede »Gottesgebärerin« nennt. 7,9 Und dass niemand meine, Gottes Sohn sei ein einfacher Mensch180, wie Apollinaris von Laodizea dem Theologen vorwarf! Er warf nämlich unseren Vätern auch eine Zweizahl von Söhnen und die Verehrung eines Menschen vor. 7,10 Und deshalb sagte unser Vater der Theologe gegen den Vorwurf der Zweizahl von Söhnen: »Denn es sind zwar zwei Naturen, [nämlich] Gott und Mensch, aber nicht zwei Söhne oder Götter.« (Greg Naz ep 101,19)181 7,11 Wir wollen jedoch untersuchen, was der Theologe hinzufügt und über die Seele und den Leib sagt — weil nämlich Apollinaris bei Christus eine [einzige] Natur und Individualität aus Leib, vernunftloser Seele und Gottheit bekannte —, wobei der Lehrer genau [die beiden Naturen] unterscheidet und den Unterschied zu dem von diesem [d. h. Apollinaris] gesagten Frevel erklärt. Er sagt: »[Es sind] zwei Naturen, Gott und Mensch, denn [da sind] auch Seele und Leib« (Greg Naz ep 101,19)182, wie wenn man sagen will: Der Mensch in Christus, unserem Herrn, hatte beides, Seele und Leib, [gleich] wie wir. Denn die vollkommene Natur des Menschen besteht aus Seele und aus Leib. 7,12 Nun sind es zwei Naturen, es sind aber weder zwei Söhne noch [zwei] Götter. Denn auch hier [sind es] nicht zwei Menschen, obwohl Paulus so die Gemeinschaft von Mensch und Sohn benannte. 7,13 Und er fügt eine weitere Untersuchung über die Individualitäten hinzu. Nun redete er zuvor über die Natur, jetzt aber redet er über die Individualitäten in Christus: »Und wenn wir es zusammengefasst sagen müssen, so sind es eine und eine andere, aus denen unser Erlöser [besteht], und nicht einer und ein anderer — das soll nicht geschehen!« vereinigt sich mit Göttern und lässt sich von ihnen erkennen, und dies wohl so sehr, als er bereits die erkennt, welche [von ihm] erkannt werden« (vgl. dazu auch Ps 82,1.6). 178 Greg Naz or 29,19 (SC 250, S. 218, Z. 9f): ἵνα γένωμαι τοσοῦτον θεόν, ὅσον ἐκεῖνος ἄνθρωπος. — Zur Auslegung des Gregorzitats vgl. Heimgartner, Mystiker, S. 79–81. 179 Lücke in den Handschriften. Ich konjiziere sinngemäss eine Negation. 180 Im Syrischen nominal formuliert: »Und dass niemand die Einfachheit über Gottes Sohn meine«. 181 Greg Naz ep 101,19 (SC 208, S. 44): φύσεις μὲν γὰρ δύο θεὸς καὶ ἄνθρωπος, ἐπεὶ καὶ ψυχὴ καὶ σῶμα· υἱοὶ δὲ οὐ δύο, οὐδὲ θεοί. »Denn es sind zwar zwei Naturen, [nämlich] Gott und Mensch, denn [da sind] auch Seele und Leib, aber [es sind] nicht zwei Söhne oder Götter.« Timotheos lässt dabei bewusst »[da sind] auch Seele und Leib« aus, um die Hinzufügung im nächsten Satz zu erläutern. 182 Timotheos wiederholt einen Teil des vorherigen Zitats, jetzt ohne die Auslassung.
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(Greg Naz ep 101,20)183 7,14 Nun sagte er nämlich »eine und eine andere«, um die Individualitäten zu bezeichnen — denn »Individualitäten« haben im Griechischen nicht männliches, sondern weibliches grammatikalisches Geschlecht184 —, und nicht »einer und ein anderer«, was 5 den Sohn als den einen und Gott als den anderen bezeichnen würde. Denn »Sohn« und »Gott« haben auch im Griechischen wie im Syrischen vielmehr männliches und nicht weibliches grammatikalisches Geschlecht.185 Und so wendet er den Vorwurf186 der Zweizahl von Söhnen und Göttern ab, indem er den Einwand des Gegners umkehrt. 7,15 Wie es bei der Tri10 nität ein Gott ist, aber drei Personen, so sind es umgekehrt bei der Menschwerdung eine Person von Sohn und Gott, aber zwei Individualitäten und Naturen187. 7,16 Doch gegen den Vorwurf der Verehrung eines Menschen sagte er dies: »Du Bester, du Fleischesverehrer, wenn denn ich ein Menschenver15 ehrer [bin]« (Greg Naz ep 101,48)188, woraus Folgendes offensichtlich ist, dass er, als er den schlechten Gedanken der Verehrung eines Menschen — und [zwar] eines blossen Menschen — entfernte, das Wort »Gottesgebärerin« sagte, und nicht, als würde er die Natur des Menschseins unseres 1
183 Greg Naz ep 101,20 (SC 208, S. 44): καὶ εἰ δεῖ συντόμως εἰπεῖν, ἄλλο μὲν καὶ ἄλλο τὰ ἐξ ὧν ὁ σωτὴρ (εἰπερ μὴ ταὐτὸν τὸ ἀόρατον τῷ ὁρατῷ καὶ τὸ ἄχρονον τῷ ὑπὸ χρόνον), οὐκ ἄλλος τὲ καὶ ἄλλος· μὴ γένοιτο. Im Griechischen stehen dabei die Neutrumformulierung ἄλλο μὲν καὶ ἄλλο, welche das Syrische, das kein Neutrum kennt, sprachgemäss mit Femininformen wiedergibt. In meiner Übersetzung des syrischen Textes gebe ich hier den entsprechenden Passus auch im Deutschen mit Feminina wieder, da Timotheos diese Feminina im Folgenden als Bezug auf das feminine griechische Wort ὑπόστασις (»Individualität«) interpretiert. 184 Im Syrischen wörtlich: »nicht männliche, sondern weibliche Gestalt der Formulierung haben«. Anders als ὑπόστασις im Griechischen ist im Syrischen qnōmā (»Individualität«) männlich. 185 Vgl. eine ähnliche Stelle in ep 42,6,13: »Man muss in der Tat wissen, dass, wenn Gregor eine [einzige] zusammengesetzte Natur und Hypostase meinen würde, er nicht ›einer‹ in der männlichen Form, sondern ›eine‹ in der weiblichen Form sagen würde, insofern als bei den Griechen ›Natur‹ und ›Hypostase‹ nicht männliches, sondern weibliches grammatikalisches Geschlecht haben.« 186 Syrisch qūṭrāgā, abgeleitet von qaṭreg, »anklagen«, »einen Vorwurf machen«, vgl. gr. κατηγορεῖν. 187 Die vielleicht konzentrierteste Form der Christologie bei Timotheos. — Vgl. dazu die ähnliche, aber weniger glückliche Formulierung in ep 38,9f mit den Ausführungen in Heimgartner, CSCO 662, S. 144 Anm. 739. 188 Greg Naz ep 101,48 (SC 208, S. 56): σὺ μὲν διὰ τοῦτο ἀτιμάζεις, ὦ βέλτιστε, τὸν ἐμὸν νοῦν, ὡς σαρκολάτρης, εἴπερ ἀνθρωπολάτρης ἐγώ. »Dadurch entehrst du, Bester, meinen Geist, du als Fleischesverehrer, wenn denn ich ein Menschenverehrer bin.« — Bidawid (Lettres, S. 111) konnte die Stelle nicht identifizieren und damit auch nicht erkennen konnte, dass »Fleischesverehrer« auf den von ihm ausgelassenen Vokativ bezogen ist. So übersetzt er: »Potius carnem colerem, si hominem colerem.«
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Herrn Christus entfernen oder tilgen. Also muss die Jungfrau Maria189 Gebärerin des Christus und des Sohnes im Fleisch190 genannt werden und nicht nur »Gottesgebärerin«. 7,17 Auf dieselbe Weise [ist] auch der, der gelitten hat, gekreuzigt wurde, starb, begraben wurde, auferstand und [in 5 den Himmel] aufstieg, nicht separat Gott oder Mensch, sondern Gottes Sohn und Jesus Christus im Fleisch, wie uns die heiligen Schriften lehren. 7,18 »Wenn also Petrus sagt: »Christus hat |B 112| um euretwillen im Fleisch gelitten« (1 Petr 2,21191) und Paulus sagt: »unser Herr Jesus in jener Nacht, in der er verraten wurde« (1 Kor 12,23) und: »Christus starb 10 um unseretwillen, wie geschrieben steht, wurde begraben und auferstand nach drei Tagen, wie geschrieben steht« (1 Kor 15,3f), so haben auf dieselbe Weise auch die dreihundertachtzehn Väter und jene anderen hundertfünfzig, von denen sich die einen gegen die Lästerung des Arius in der Stadt Nizäa, die anderen gegen die Frevel des Apollinaris und des Make15 donios in der Kaiserstadt192 Konstantinopel versammelten und kämpften, nicht mit einem Begriff, der die 〈Natur〉193 des Gottessohnes bezeichnet, sondern mit einem [Begriff], der die Person und die Vereinigung bezeichnet, den Anfang ihres 〈Bekenn〉tnisses194 formuliert. 7,19 Als sie am Anfang ihrer Rede sagten: »Wir glauben an einen Gott, den Vater, der alles hält195, 1
Im Konsonantentext sind »( ܡܪܝܡnahm weg«) und »( ܡܪܝܡMaria«) nicht zu unterscheiden. — Vgl. die Namenserklärung in ep 36,1,56f: »Denn wenn Christus einerseits Rede aus dem Vater und andererseits Mensch aus Maria ist und [wenn] der Vater [seiner] Natur nach Gott ist und der Name »Maria« [syr. Maryam] von »Herr« [syr. Maryā] abgeleitet ist — »Maria« ist nämlich von »Herr« als einer partikulären Bezeichnung [abgeleitet], denn so steht es in der Schrift —, [dann] ist Christus, unser Herr, folglich sowohl der Natur nach Gott vom Vater her als auch wiederum Herr von Maria her, die ihn geboren hat. Denn die, die ihn geboren hat, wurde nicht »Magd« genannt, sondern »Erhabene« [syr. mrīmtā] und »Herrin« [syr. mārtā], vom Namen »Herr« [syr. Maryā] her.« (Korrektur an meiner Übersetzung in CSCO 662, S. 116, dank Hinweis von Joachim Jakob, Salzburg.) 190 Man möchte — dogmatisch noch präziser — »des Gottessohnes im Fleisch« mit 41,6,2.10.39 und 41,7,28 sowie 34,2,33; 34,7,36; 40,9,1 lesen. Die kürzere Form steht jedoch auch unten in 41,7,59. 191 Vgl. auch 1 Petr 3,18 und 4,1. 192 Derselbe Ausdruck »Stadt des Königtums« ( )ܡܕܝܢܬ ܡܠܟܘܬܐwird in ep 42,2,7 und ep 46 praescr auch für Bagdad verwendet; vgl. ferner in ep 35 einmal ܡܕܝܢܬ ܡܠܟܘܬܐ (35,2,21) und zweimal ( ܡܕܝܢܬ ܡܠܟܐ35,2,21.22). — Konstantinopel ist auch in disp 19,23 genannt. 193 Lücke im syrischen Text; Ergänzung gemäss Übersetzung von Bidawid (Lettres, S. 112). 194 Lücke im syrischen Text; Ergänzung gemäss Übersetzung von Bidawid (Lettres, S. 112). 195 Vgl. dazu auch die Formel: »Durch Gottes Rede, deren Herrschaft Himmel und Erde hält« (mit Varianten) in ep 45,4; 50,10.12.14 und in der Apologie des Nestorius von Bēt Nūhadrān 22. 189
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den Schöpfer aller sichtbaren und unsichtbaren [Dinge]«, formulierten sie »Gott« zur Bezeichnung der Natur, »Vater« zur Bezeichnung der Person und der Individualität, »der alles hält« zur Bezeichnung der Wirksamkeit. 7,20 Dann fügten sie ihrer Rede folgende Aussage hinzu: »Und an einen Herrn Jesus Christus, Gottes Sohn.« Von diesen Worten bezeichnen der [Begriff] »Herr« die Herrschaft 〈und〉196 die Souveränität197, der [Begriff] »Jesus Christus« die göttliche Tätigkeit und Wirksamkeit im Fleisch, der [Begriff] »Gottes Sohn« die Person beziehungsweise Eigentümlichkeit. 7,21 ____198 Wie [sie] über den Vater [sagten]: »Wir glauben an einen Gott, den Vater«, so sagten sie auch 〈über〉199 den Sohn: »und an einen Gott, den Sohn«.200 Denn sie wussten, dass sie danach die Geburt aus der Jungfrau, das Leiden, die Kreuzigung und [ebenso] den Tod, die Grablegung und die Auferstehung nennen würden. 7,22 Und sie waren fest überzeugt, dass die unerschaffene Natur das Leiden der Erschaffenen nicht annehmen kann, und deshalb begannen sie ihre Rede über den Sohn nicht mit einem Begriff, der die Natur bezeichnet, sondern mit einem, der die Vereinigung und die Person [bezeichnet] und der in sich die Bedeutung der zwei Naturen enthält, des Gottseins und des Menschseins, und sie bezogen ebendiese Bezeichnung auf die göttlichen wie auch die menschlichen [Dinge], so dass derselbe Herr Jesus Christus, Gottes Sohn, mit dem Vater naturgleich ist, vor allen Äonen gezeugt wurde und nicht geschaffen wurde, insofern er Gott ist, er aber mit uns naturgleich ist und am Ende der Zeiten aus der Jungfrau Maria geboren wurde und geschaffen wurde, insofern er Mensch ist201. 7,23 Und ebendieser eine Herr Jesus Christus ist sowohl Einziggeborener als auch Erstgeborener, und zwar Einziggeborener dem Gottsein nach — denn er hatte keine Brüder — und Erstgeborener dem Menschsein nach: »Ich werde deinen Namen meinen Brüdern verkünden.« (Ps 22,23; Hebr 2,12), wobei diese Bezeichnungen wegen der Vereinigung austauschbar sind: Der Einziggeborene wird Erstgeborener und der Erstgeborene wird Einziggeborener, ohne dass |B 113| die »Natur« und das Naturgegebene202 aufgelöst werden. 196 Konjektur Heimgartner gemäss Fortsetzung; denkbar wäre auch blosses ܘstatt ܐܟܚܕܐ ܘals Ergänzung. 197 Syrisch āwtenṭīya, vgl. gr. αὐθεντία, vgl. auch ep 34,7,23. 198 Lücke im Text. 199 Lücke in den Handschriften; Ergänzung gemäss Übersetzung von Bidawid (Lettres, S. 112). 200 Die Formulierung weicht von derjenigen im Zitat vorher in 7,20 ab! 201 Vgl. dazu auch ep 34,3,22. 202 Bidawid (Lettres, S. 113) ergänzt »Eigentümlichkeit«: »〈proprietas〉 naturalis«.
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7,24 Derselbe eine Herr Jesus Christus ist sowohl Gott von Gott als auch Mensch von unserer Natur, er, welcher vom Himmel herabstieg seinem Gottsein nach, wie es Gott geziemt, und welcher Körper wird aus dem heiligen Geist und aus der Jungfrau Maria seinem Menschsein nach, aber nicht ohne dass es mit seinem Gottsein verbunden ist. 7,25 Derselbe eine Herr Jesus Christus war und ist Gott, insofern er [Gottes] Rede ist, und Mensch wiederum wurde er, insofern er Mensch ist, aber nicht ohne dass er mit Gott verbunden ist und nicht ohne dass die Rede Mensch ist. 7,26 Derselbe eine Herr Jesus Christus wurde aus dem Vater ohne Mutter ewig als Gott geboren203 — denn er ist Gott von Gott und Licht von Licht —, und derselbe wurde empfangen und geboren aus der Jungfrau Maria ohne Vater als Mensch — denn Mensch ist er aus David und aus Abraham, aber er ist, nicht ohne dass er Gott ist, aus der Jungfrau Maria empfangen und geboren worden. 7,27 Derselbe eine Herr Jesus Christus litt und wurde gekreuzigt in den Tagen des Pontius Pilatus, wurde begraben und auferstand nach drei Tagen, wie geschrieben steht, seinem Menschsein nach, aber nicht dass dabei sein Gottsein von seinem Menschsein entfernt gewesen wäre — denn niemals seit dem ersten In-Bewegung-Setzen des Werdens seines Fleisches hat sich die Vereinigung der Rede mit dem Fleisch gelöst noch löst sie sich. 7,28 So lernten wir es aus den von den Vätern [stammenden] Schriften, und nicht [so], dass Gott aus der Jungfrau geboren wurde, litt und [ans Kreuz] geschlagen wurde, starb, begraben wurde, auferstand und in den Himmel aufstieg, sondern [so], dass der eine Herr Jesus Christus, Gottes Sohn im Fleisch aus der Jungfrau geboren wurde und dass er im Fleisch litt und gekreuzigt wurde und im Fleisch begraben wurde, Jesus Christus, Gottes Sohn, im Fleisch, und nicht, dass Gott im Fleisch litt und auferstand. 7,29 Und darüber legt der grosse Athanasios Zeugnis ab in den Auseinandersetzungen, die er gegen 203 Hier stellt sich mit der deutschen Wiedergabe von yaldā ( )ܝܠܕܐresp. māwlādā ( )ܡܘܠܕܐein unlösbares Problem. Das Verb yld ( )ܝܠܕkann wie sein griechisches (γεννάω) oder hebräisches ( )ילדÄquivalent sowohl das Zeugen des Mannes als auch das Gebären der Frau sowie schliesslich das Hervorbringen und Produzieren in übertragenem Sinn bezeichnen. Manchmal verlangt die syrische Argumentation, dass yld innerhalb eines Gedankenganges stets gleich übersetzt wird. Dies erfordert von der deutschen Sprache Konzessionen. Einen solchen Fall finden wir hier: Timotheos stellt die irdische Geburt und die ewige Zeugung als einander gänzlich entsprechende Vorgänge gegenüber. Ich habe daher in beiden Fällen die Übersetzung »Geburt« gewählt. — Diese Anmerkung zur Übersetzungsproblematik ist mit leichter Anpassung wiederholt aus Heimgartner, CSCO 662, S. 112 Anm. 573, knapper ders., CSCO 645, S. 91 Anm. 463, vgl. auch die ausführlicheren Fassungen in ders., CSCO 632, S. XLVII–XLVIII.
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Apollinaris ausficht204, wenn er Folgendes sagt: »Von Athanasios: Wie könnt ihr nur Folgendes sagen: ›Es ist Gott, der durch das Fleisch gelitten hat und auferstanden ist.‹? Pfui205, diese Lästerung! Das ist eine Verwegenheit 〈des Arius〉E!« 7,30 Und wenig später: »Und siehe: Die Schrift lehrt nicht, dass Gott im Fleisch das Leiden zuteil wurde noch dass Gott durch das Fleisch gelitten hat. Ihr also, die ihr zuvor das Bekenntnis der Naturgleichheit abgelegt habt: Wie könnt ihr nur diesen unaufteilbaren und una〈btrennbaren〉206 Namen207 einem Abstieg zum Leiden unterwerfen?« 7,31 Und nach anderen [Worten]: »Wo steht denn geschrieben, dass es Gott ist, der, nachdem er gelitten hatte, auch auferstand?208 Wenn Gott leidet, benennt ihr auch den Vater und den Parakleten als leidensfähig, so dass es ein [einziger] Name und eine [einzige] Natur des Gottseins ist. Aus dieser Rede ist aber eure Meinung zu sehen, dass ihr Gott nicht fürchtet und den heiligen Schriften nicht gehorcht.« 7,32 Und wenig später: »Doch die Schriften überlieferten uns nirgends, dass Gott 〈starb〉209 oder dass Gott durch das Fleisch litt und auferstand. Solche Verwegenheiten sind den Arianern eigen, weil sie Gottes Sohn auch nicht als wahren Gott bekennen. 7,33 Nun verkünden die heiligen Schriften, 〈den Tod〉210, das Leiden und die Auferstehung im Fleisch Gottes und vom Fleisch Gottes, der Mensch geworden ist, und 〈dass〉211 die Auferstehung aus dem Haus der Toten Gottes Leib |B 114| zuteil wurde. 7,34 Ihr aber sagt das Umgekehrte, als [wäret ihr] weiser als die Apostel und inspirierter als die Propheten und bevollmächtigter als die Evangelisten und herrenhafter als der Herr. 7,35 Und beim Lobpreis, der verkündet wird, leugnet ihr die Wahrheit und sprecht eine Lästerung gegen das Gottsein aus.« 7,36 Und nach anderen [Worten]: »Doch ferner 204 Aus 41,7,38 zu schliessen, scheint damit das erste Buch der oben 41,3,19 gegen Apollinaris genannten Schrift gemeint zu sein. Bereits Bidawid (Lettres, S. 113 Anm. 2) konnte die Stücke in 41,7,29–37 nicht identifizieren, vgl. dazu auch oben Anm. 77 zu ep 41,3,19. 205 Auch das Syrische sagt pūī! 206 Ich konjiziere »unabtrennbaren« ( )ܡܬܦܣܩܢܐstatt »ununterscheidbaren« ( )ܡܬܦܪܫܢܐin der Elias-Rezension. Der Begriff scheint mir noch besser zum unmittelbar vorangehenden Wort »unaufteilbaren« ( )ܡܬܦܠܓܢܐzu passen. — Vgl. zu ܡܬܦܣܩܢܐ ep 36,2,6.14.20; 40,3,8; 41,3,25.45. 207 Vgl. dazu oben Anm. 154 zu 41,6,23. 208 Bidawid übersetzt glatter: »Ubinam scriptum est, Deum esse, qui passus est et resurrexit?« (Lettres, S. 113) 209 Konjektur Heimgartner in Analogie zur folgenden Konjektur von Bidawid in 7,33. 210 Konjektur Bidawid (Lettres, S. 113 Anm. 3). 211 Konjektur Heimgartner.
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sagt ihr: ›Wie sollen sie den Herrn der Herrlichkeit gekreuzigt haben?‹ Sie haben doch die [Gott-]Rede nicht gekreuzigt! [Gott] bewahre! Das soll nicht geschehen! Sie haben aber die [Gott-]Rede misshandelt und geschmäht, als sie den Körper der Rede ans Kreuz schlugen. Nun ist es zwar Gott, der misshandelt wurde, es sind aber das Leiden, der Tod und die Auferstehung von Gottes Leib und Seele.« 7,37 Und nach anderen [Worten]: »Denn deshalb sagt ihr, dass auch Gott leidensfähig ist. Ihr redet nicht in Übereinstimmung mit euch selbst, eher gleich wie die Arianer.« 7,38 Ebendiese [Dinge] sagt er auch in der anderen Rede gegen Apollinaris212. Er sagt nämlich Folgendes: »Denn der Tod war dem Fleisch der Rede naturgleich.« 7,39 Und später: »Deshalb sagen auch wir, wobei wir Christus als Gott und Mensch bekennen, diese [Dinge] nicht wegen der Aufspaltung — das soll nicht geschehen! —, sondern wiederum wie die Schriften: [so,] wie das Leiden und der Tod, der stattfand, verkündigt werden213, bis er [wieder-]kommt (vgl. 1 Kor 11,26). 7,40 Beim Fleisch der Rede sollen wir das Leiden und den Tod bekennen, bei der Rede selbst jedoch sollen wir glauben, dass sie doch unveränderlich und unwandelbar ist. Deswegen ist es derselbe, der litt und der nicht litt. Der Natur des Gottseins nach ist er leidensunfähig, unwandelbar und unveränderlich, ›dem Fleisch nach litt er‹, wie Petrus sagte (1 Petr 4,1).«214 7,41 Dieselben Dinge sagt er auch in den Fragen und Antworten zu Apollinaris215, wie folgt: »Apollinaris: ›Also wurde ein Mensch um unseretwillen gekreuzigt.‹ 7,42 Athanasios: ›Nicht ein blosser [Mensch], sondern insofern er [auch] Gott ist. Denn weil216 Gottes Sohn um unseretwillen gekreuzigt werden wollte, vereinigte sich mit einem beseelten und vernünftigen Leib, der unter willentlichem Leiden gekreuzigt werden 212 Bereits Bidawid (Lettres, S. 114) konnte die Zitate aus dieser Schrift hier in 41,7,38– 40 nicht identifizieren, vgl. dazu auch oben Anm. 77 zu ep 41,3,19. ܿ 213 Bidawid (Lettres, S. 114) versteht die beiden Partizipien ܕܗܘܐ ܘܡܣܬܒܪ parallel (»der geschehen ist und erhofft wird«) und übersetzt: »passionem et mortem transactam et futuram«. Abgesehen von den Schwierigkeiten einer Passivform zum Af‘el ܐܣܒܪ (»erwarten«) scheint mir angesichts des Bezugs zum Korintherzitat die Bedeutung »verkünden« (Etpa‘al )ܐܣܬܒܪnäherzuliegen. 214 Bidawid (Lettres, S. 114) übersetzt neutrisch: »Ideo ipsum est quod passum et non passum est, cum in natura divinitatis impassibile, immutabile et invariabile sit, in carne vero passum sicut dixit Petrus.« 215 Die Zitate aus dieser Schrift (41,7,41–48) lassen sich bisher nicht identifizieren, vgl. dazu auch oben Anm. 77 zu ep 41,3,19. 216 Stünde das für Timotheos völlig ungewöhnliche ܒܕnicht in einem Zitat, würde ich ܟܕkonjizieren.
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konnte.‹ 7,43 Apollinaris: ›Warum sagst du »mit willentlichem Leiden«? Ist das Kreuz eine [Sache] und das willentliche Leiden eine andere?‹ Athanasios: ›Ja.‹ 7,44 Apollinaris: ›Wie sollte er denn aufgrund eines Leib ohne Seele gekreuzigt werden können? Dass er willentlich leidet, ist [dann] nicht möglich, wo er doch keine Seele hat.‹ 7,45 〈Athanasios〉217: ›Das ist ein Frevel derjenigen, die sagen, dass er keine Seele hat, denn der Leib kann ohne Seele keine Leiden wahrnehmen. [Dann] leidet notwendigerweise die [Gott-]Rede, die an der Stelle der Seele ist. Oder wenn nicht: Dann ist ihr überhaupt keine Fähigkeit zuteil, willentliches Leiden wahrzunehmen.‹ 7,46 Apollinaris: ›Also hat nicht die Rede gelitten.‹ Athanasios: ›Der Natur nach nicht.‹ 7,47 Apollinaris: ›Sie hat [aber] gänzlich gelitten.‹ Athanasios: ›Wie sie nicht der Natur seines Gottseins nach, sondern der von seinem Heilsplan [vorgesehenen] Vereinigung nach von der Mühsal des Weges ermüdete.‹« 7,48 Und wiederum vor diesen [Worten]218: »Apollinaris: ›Also litt der Mensch um unseretwillen!‹ Athanasios: ›[Gott] bewahre! Das soll nicht geschehen! Vielmehr hat Gott, als er sichtbar werden wollte, sich mit einem Leib vereinigt, der sichtbar zu werden imstande war, und als er leiden wollte, hat er sich mit einem beseelten Leib vereinigt, der |B 115| willentlich zu leiden imstande war, während er zuerst [zu leiden] nicht [imstande] gewesen war und sich dann in ausserordentlicher Weise mit ihm vereinigt hat.‹« 7,49 Das also sind die Worte dieses grossen gekrönten Athleten, durch die er die Leiden von der göttlichen Natur fernhält und sie auf die Menschwerdung des Gottessohnes bezieht. 7,50 Und an uns ist es, aufgrund der göttlichen Worte dieses Lehrers [Folgendes] zu verstehen: Wie Gott, als er sichtbar werden wollte, sich mit einem sichtbaren Leib vereinigte, seine Natur [dabei] aber niemals sichtbar wurde, obwohl er sich mit diesem Sichtbaren vereinigte, genauso vereinigte sich Gott, als er leiden wollte, mit einem beseelten Leib, der willentlich zu leiden imstande war, aber er selbst litt niemals seiner Natur nach, obwohl er sich mit diesem Leidensfähigem vereinigt hatte. 7,51 Und wie er in einem sichtbaren Leib nun freilich seinem Willen nach sichtbar wurde — denn der Natur nach wurde er niemals sichtbar —, genauso litt er seinem Willen nach in einem beseelten Leib, der einen Willen hatte, doch seiner Natur nach litt und starb er niemals. 7,52 Und wie er seinem Willen nach ermüdete, schlief, ass und Die Ergänzung mit der Übersetzung von Bidawid (Lettres, S. 114). Bidawid (Lettres, S. 114) fasst das Lemma des Zitats als Apodosis zum vorangehenden Satz auf und übersetzt: »ita hic etiam«. 217
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trank219, wobei er [all] dies als zu seinem Leib gehörend erachtete, so litt und starb er ebenso nicht im Sinne der Natur und der Individualität, sondern des Willens und in übertragener Weise, wobei er [all] dies als zu seinem Leib gehörend erachtete. 7,53 Folglich ist es völlig widergesetzlich, [all] das, was sich auf Gott [bezieht], in absolutem Sinn auf das Leiden zu beziehen. 7,54 »Aber wir finden«, [sagen manche]220, »einige unter den Lehrern, die offenkundig das Leiden und den Tod über Gott aussagen.«221 7,55 Und [dazu] sagen wir: Dass manche das sagen, wissen wir. Doch wir untersuchen, in welchem Sinne diese [Aussagen] gemacht sind222. 7,56 Wir wissen: Wie [der Begriff] »Gottesgebärerin« nicht im Hinblick auf das Gottsein gesagt ist, sondern im Hinblick auf Gottes Leib aufgrund der Vereinigung — denn [er wurde] »ein sichtbarer Gott aufgrund dessen, was [in ihm] erkannt wird«223, sagt der Theologe —, genauso wird auch, dass Gott leidet, nicht der Natur nach gesagt, sondern aufgrund seines Leibes, der leidet. 7,57 Denn wenn der Leib litt und starb, der Leib aber der Vereinigung nach Gott ist, dann ist es folglich Gott, der leidet und stirbt, aber nicht der Natur nach — denn Gottes Natur ist leidensunfähig und unsterblich, sowohl im Vater als auch im Sohn und im heiligen Geist —, sondern der Vereinigung nach. Denn der zweite Adam ist gegenüber der Sünde ein »leidensfähiger Gott«, wie die Rede [Gregors]224 es schön formuliert. 7,58 Denn dass sie litt und starb, wird nicht über die [Gott-] Rede gesagt, insofern sie Rede ist — das ist nämlich frevelhaft —, sondern insofern sie Fleisch ist, und aufgrund des Fleisches wird es so gesagt. 7,59 Denn wenn die Rede Fleisch wurde und [wenn] das Fleisch der Natur nach litt und starb, dann wird folglich über den Sohn im Fleisch225 ausgesagt, dass er litt und starb. Vgl. dazu die Parallelstelle in 35,7,5. Im Syrischen nur mit der Zitationspartikel lam ausgedrückt. 221 Vgl. zu scheinbar auf Gott bezogenen Niedrigkeitsaussagen bei Gregor von Nazianz ep 42,6,54–63. 222 Im Syrischen wörtlich: »Doch wir untersuchen die Weise, in der diese [Dinge] gesagt sind.« 223 Greg Naz or 30,21 (SC 250, S. 272, Z. 10): θεὸς ὁρώμενος διὰ τὸ νοούμενον. 224 Gemeint ist Greg Naz or 30,1 (SC 250, S. 226, Z. 8–11): τὰς μὲν ὑψηλοτέρας καὶ θεοπρεπεστέρας φωνὰς προσνείμαντες τῇ θεότητι, τὰς δὲ ταπεινοτέρας καὶ ἀνθρωπικωτέρας τῷ νεῷ δι᾿ ἠμᾶς Ἀδὰμ καὶ θεῷ παθηῷ κατά τῆς ἁμαρτίας. »…indem wir die höheren und Gottes würdigeren Worte auf die Gottheit bezogen haben, die niedrigeren und menschlicheren auf den unseretwegen neuen Adam und der Sünde gegenüber leidensfähigen Gott.« Vgl. dieses Zitat in ep 42,6,37 mit der danach folgenden Auslegung. 225 Vgl. zur Kurzform »Sohn im Fleisch« (gegenüber »Gottes Sohn im Fleisch«) oben 41,7,17 mit Anm. 190 zur Stelle. 219 220
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8,1 Doch auch das, was manche über den Hymnus226 »Heiliger Gott« sagen, der von den Seraphen formuliert wurde, d. h. [über den Satz] »der du um |B 116| unseretwillen gekreuzigt wurdest«, ist ohne Platz und ohne Ort und nicht vom Frevel entfernt. 8,2 Zuerst müssen wir Folgendes untersuchen: Welches von beiden [gilt]: Kommt diese Heiligung der ganzen Trinität oder [nur] einem aus der Trinität zu? 8,3 Wenn sie [nur] einem aus der Trinität [zukommt], dann wird zwei Individualitäten aus der Heiligkeit Unrecht getan. Sollten wir denn nicht auf dem Weg der Seraphen wandeln, die im Dreimalheilig227 drei Individualitäten der Gottheit bezeichnet und gelehrt haben, wie es der allgemeinen Anschauung der ganzen Kirche entspricht? 8,4 Wenn die Heiligung jedoch nicht [nur] einem aus der Trinität zukommt, sondern der ganzen Trinität, welches von beiden [gilt dann]: Ist »der du um unseretwillen gekreuzigt wurdest« [allen] drei Individualitäten gemeinsam oder [nur] einer [einzigen] Individualität eigentümlich? 8,5 Wenn es allgemein und gemeinsam ist, wie sollte es dann nicht ein Frevel sein, über den Vater und den Sohn und den heiligen Geist zu sagen, dass sie um unseretwillen gekreuzigt worden seien, gelitten hätten und gestorben seien? Denn dies ist ein unerhörter Frevel. 8,6 Wenn es aber nicht allgemein und gemeinsam ist, sondern in eigentümlichem Sinne und [nur] von einer Person [gesagt ist,] welches von beiden [gilt dann]: [Ist es] etwa von dem [gesagt], der um unseretwillen Fleisch und Mensch wurde, oder etwa vom heiligen Geist und von Gott? 8,7 Wenn die [Aussage] »der du um unseretwillen gekreuzigt wurdest« dem heiligen Geist eigentümlich ist228 und [wenn] der heilige Geist weder Fleisch noch Mensch um unseretwillen geworden ist, dann haftet folglich auch dieses »der du um unseretwillen gekreuzigt wurdest« nicht dem heiligen Geist an.229 8,8 Weswegen also sollte man es denn über den heiligen Geist und vom heiligen Geist aussagen, über den man überhaupt nicht sagt, dass er Fleisch und Mensch um unseretwillen wird? 8,9 Wenn aber »der du um unseretwillen gekreuzigt wurdest« nicht über den heiligen Geist ausgesagt ist, sondern über die Rede und den Gottessohn, der um unseretwillen Mensch geworden ist, weswegen 226 Mit den Textzeugen T2DO2 ist »Hymnus« ( )ܩܢܘܢܐstatt »Individualität« ()ܩܢܘ�ܡܐ zu lesen, vgl. 8,16. 227 Der Hymnus in Jes 6,3; im Syrischen wörtlich: »drei Heilige«. 228 Damit ist gemeint, dass sich »der du um unseretwillen gekreuzigt wurdest« im Text des Hymnus auf den heiligen Geist beziehe, vgl. auch 41,8,12. 229 Der Syllogismus überspringt unausgesprochene Zwischenglieder und ist zur folgenden geradezu paradoxen Form verkürzt: »B kommt A zu. C kommt A nicht zu. B kommt folglich A nicht zu.«
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steht es denn nicht an zweiter Stelle in der Heiligung — das heisst, zusammen mit dem Sohn, der Mensch geworden ist —, sondern an dritter Stelle in der Heiligung deplatziert und am falschen Ort?230 8,10 Denn auch die dreihundertachtzehn Väter haben im Kanon über den Glauben, der von ihnen beziehungsweise durch sie vom heiligen Geist formuliert und definiert wurde231, nach »Wir glauben an den einen Gott Vater« hinzugefügt: »Und an den einen Herrn Jesus Christus, Gottes Sohn«, und nachdem sie die ganze Ordnung der Menschwerdung von Gottes Sohn mit der Geburt im Fleisch aus Maria, mit dem Leiden am Kreuz und dem Tod, mit der Grablegung und der Auferstehung, mit dem Aufstieg [zum Himmel] und mit der zweiten Ankunft vom Himmel her vollständig aufgezählt haben, sind sie danach mit der Formulierung über den heiligen Geist fortgefahren. 8,11 Es müsste also auch hier so angegeben sein: »Heiliger Gott, heiliger Starker, der du um unseretwillen im Fleisch gekreuzigt wurdest, heiliger Unsterblicher, erbarme dich unser!«, damit sich der göttliche Heilsplan vom Leiden des Gottessohns vollzieht, der unsere Natur angenommen hat. 8,12 Doch jetzt ist es nicht so, sondern entweder wird »der du gekreuzigt wurdest« auf die drei Individualitäten bezogen, sodass es das Leiden der gesamten Trinität wird, oder es wird auf den heiligen Geist bezogen, was deplatziert und unangebracht232 ist. 8,13 Oder soll von ihnen jenes andere, Frevelhafte gesagt werden, dass wir 〈nicht〉233 die drei Individualitäten heiligen, sondern [nur] die eine 〈der〉 jüdischen 〈Vorstellung〉234 verherrlichen? |B 117| 8,14 Also, liebe Brüder, bitten wir euch im Herrn: Es soll dieses lästerliche Wort aus eurem göttlichen Kloster entfernt werden, und »Gottes Name soll nicht mehr gelästert werden« (1 Tim 6,1) unter euch, wo er vielmehr verherrlicht werden 230 Im Syrischen wörtlich: »… weswegen ist denn nicht die Zweizahl [in] der Ordnung in der Heiligung — das heisst, zusammen mit dem Sohn, der Mensch geworden ist —, sondern als Drittes in der Ordnung der Heiligung angegeben?« Vgl. dazu unten 41,8,11.15. 231 Der syrische Text impliziert einen mitgedachten Wechsel des Verbmodus, wörtlich: »der von ihnen [formuliert und definiert wurde] beziehungsweise [den] durch sie der heilige Geist formulierte und definierte«. 232 Syrisch wörtlich »ohne Ort und ohne Bestand«, dabei im Syrischen qāṭāsṭāsīs, vgl. gr. κατάστασις. 233 Die Konjektur »dass nicht« ( ܕܠܘstatt )ܕܠܘܬmit der Übersetzung von Bidawid (Lettres, S. 116: »non«). 234 Hier ist offensichtlich ein Genitiv- ܕmit einem femininen Substantiv ausgefallen. Ich konjiziere »der Vorstellung« ( )ܕܬܪܥܝܬܐaufgrund der engen Sachparallele in ep 36,1,18: »sie verstehen Gott nach jüdischer Vorstellung zugleich als eine einzige Natur und eine einzige Individualität«. Denkbar wäre auch »( ܕܡܣܒܪܢܘܬܐder Meinung«) gemäss ep 35,5,7. — Bidawid (Lettres, S. 116 Anm. 3) rechnet ebenfalls mit Textverlust.
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muss. 8,15 Denn wenn es so gesagt würde: »Heiliger Gott, heiliger Starker, der um unseretwillen Mensch wurde und gekreuzigt wurde, heiliger Unsterblicher, erbarme dich unser!«, dann wäre vielleicht Platz dafür, dass man es [so] sagen würde. 8,16 Doch nun, da man es anders sagt, bringt es von allen Seiten Tadel und Vorwürfe235. Denn siehe, in allen Provinzen — in Babylon, in Persien, in Assur und allen Provinzen des Ostens und in Bet-Hindūyē236, in Bet-Sīnāyē237, in Bet-Tuptāyē und in Bet-Turkāyē238 und in allen Bürgerschaften239, die diesem Patriarchenthron unterstellt sind, dessen Diener und Untertanen zu sein Gott befohlen hat — wird dieser Hymnus seit ewig an vielen verschiedenen Orten und bei [vielen verschiedenen] Völkern und in [vielen verschiedenen] Sprachen ohne den Zusatz »der du um unseretwillen gekreuzigt wurdest« rezitiert, woraus erkennbar ist, dass dieser alte Hymnus aus der Höhe eine zusammengesetzte Individualität 〈bezeichnet〉240. 8,17 Diese eine zusammengesetzte Individualität aber ist sowohl aufgrund der [Gott-]Rede wesenseins mit dem Vater als auch aufgrund des Menschen, der aus denksprachfähiger Seele und Leib [besteht], zusammengesetzt. 8,18 Dann wird diese Individualität folglich eine höchste Individualität241, denn sie ist aus den zwei Individualitäten Gott und Mensch zusammengesetzt, und sie wird [somit] sowohl einfach als auch zusammengesetzt, und [sogar] mehr als zusammengesetzt: einfach aufgrund der Rede, zusammengesetzt aufgrund des Menschen, mehr als zusammengesetzt aufgrund dieser einen Individualität, die aus einer Verbindung von beiden zusammengesetzt wurde. 8,19 So liegen uns von da her drei Individualitäten in Christus vor, wie oben gesagt wurde, nämlich242 zwei zusammengesetzte und eine einfache. Im Syrischen zē‘tēmē, vgl. gr. ζητήματα. D. i. Indien. 237 D. i. China. 238 Tibet und Turkestan sind auch in ep 47,31 genannt: »Der [heilige] Geist hat in diesen Tagen einen Metropoliten für Bet-Turkāyē gesalbt, und wir beabsichtigen, einen weiteren für Bet-Tuptāyē zu salben.« Vgl. dazu Heimgartner, CSCO 645, S. 71 Anm. 345 und 346. Zu Turkestan vgl. Dickens, Patriarch, und Kydd, Timothy. 239 Im Syrischen pūlīṭīyās, vgl. gr. πολιτεία. 240 Lücke in den Handschriften. Ich konjiziere »bezeichnet« ( )ܡܫܘܕܥals ein mögliches verbum dicendi. 241 Syrisch wörtlich »Individualität der Individualitäten«; vgl. dazu auch »König der Könige« (disp 3,28 u. ö, dazu Heimgartner, CSCO 632, S. 12 Anm. 53), »Gott der Götter« (ep 36,1,13.75 mit Zitat von Ps 50,1), ferner die letztlich stoischen Begriffe »Gattung der Gattungen« und »Art der Arten« (»oberste Gattung« resp. »unterste Art«; ep 42,4,12, dazu Heimgartner, CSCO 645, S. 17 Anm. 80). ܿ (»nämlich einerseits«), das ausgezeichnet passt und 242 Ich konjiziere ܡܢ ܓܝܪ vom folgenden ܕܝܢaufgenommen wird (»nämlich einerseits zwei zusammengesetzte, 235 236
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Und wenn diese eine Individualität Gott und Mensch bezeichnet, dann erweist sich dies als Torheit. 8,20 Wenn aber diese eine Individualität weder Gott noch dem Menschen zugehört, dann ist es irgendeine Fabel, wie jene [sie erzählen], welche die Skindapsen oder den Tragelaph243 erfinden. Es ist aber töricht, in der Kirche Gottes heidnische Fabeln und Sagen zu erfinden. 8,21 Wenn aber diese eine Individualität Bezeichnung der Gott-Rede und nicht [etwa] des Menschen in Christus ist: Existiert dann der Mensch, zu dem sich die Rede inkarniert hat, oder existiert er nicht? 8,22 Wenn er nicht existiert: [Stammt] denn diese [Vorstellung] nicht von den Manichäern? Wenn er aber existiert und ein Unvergängliches [ist], dann [ist] er jedenfalls entweder ein Akzidens oder ein Wesen. 8,23 Wenn er ein Akzidens ist, werden wiederum Simon [der Magier]244 und Mani bekräftigt und feiern wiederum Markion und Eutyches Urständ. 8,24 Wenn er aber nicht ein Akzidens ist, sondern ein Wesen, welches von diesen [ist es dann] wiederum: das zum Allgemeinen oder das zum Individuellen [Gehörende]? 8,25 Wenn diese Individualität in allgemeiner Weise verstanden wird, wie kann sie dann der göttliche Apostel beständig »eine« nennen, wenn er sie vergleichshalber |B 118| dem einen Adam gegenüberstellt und sagt: »Wie durch einen Menschen die Sünde hereinkam, so [kam] auch durch einen Menschen die Gerechtigkeit.« (Röm 5,12.18) Und »wie durch einen der Tod [hereinkam], so erschien auch durch einen das Leben.« (1 Kor 15,21 𝔓)245. 8,26 Und unser Herr sagte ferner: »Das Leben [ist eines] von den Juden« (Joh 4,22) und nicht »die Juden«. 8,27 Wenn es aber nicht allgemein gesagt ist, sollte es dann nicht eine Individualität sein?246 Wenn es aber weder wie ein Allgemeines noch wie ein Eigentümliches [ist], sollte es dann also sicht vergänglich ܿ (»einerseits andererseits«, andererseits eine einfache«). Das einhellig überlieferte ܡܢ ܕܝܢ »zwar aber«) ist seltsam (im Deutschen nachgeahmt: »einerseits andererseits zwei zusammengesetzte, andererseits eine einfache«). 243 »Bockhirsch«. Im Gegensatz zur Parallelstelle oben ep 41,3,38 (vgl. dort auch Anm. 97 zur Stelle) steht hier im Syrischen das griechische Fremdwort trāgēlapōs, vgl. gr. τραγέλαφος und dazu ferner auch Arist Herm 1 16a,16–18: »Denn auch ›Bockhirsch‹ bezeichnet ja etwas, aber noch nicht etwas Wahres oder Falsches, wenn man nicht dazusetzt, dass es ›ist‹ oder ›nicht ist‹.« 244 Vgl. zu Simon dem Magier (Apg 8,9–25) auch disp 21,16. 245 Bidawid (Lettres, S. 118) verkürzt irrtümlich die beiden Zitate, indem er die erste Hälfte der Römerstelle mit der zweiten Hälfte der Korintherstelle verbindet. 246 Der rhetorische Fragesatz ist im Syrischen mit dem Fragepronomen ܐܝܟܢܐgebildet (»Wie soll es denn…?«). Entsprechendes gilt auch für die folgenden Fragesätze in 8,28–30. — Vgl. zur Schwierigkeit der rhetorischen Fragesätze Heimgartner, CSCO 662, S. XXXI.
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sein? 8,28 Wenn es aber sowohl ein Allgemeines als auch ein Eigentümliches ist und [als beides] verstanden wird, sollte dann nicht ebendieses sowohl Natur als auch Individualität sein — Natur, weil es ein vernünftiges sterbliches Lebewesen ist, Individualität, weil es Seele und Leib ist? 8,29 Und sollten es dann nicht auch so zwei Individualitäten und Naturen in einer eigentümlichen Person und einer eigentümlichen Wirksamkeit sein? 8,30 Wenn aber jemand sagt, dass diese eine Individualität nicht die der Gott-Rede ist, sondern die des Menschen in Christus, [dann sagen wir] erstens einmal: Ist diese [Individualität] denn nicht ein blosser [Mensch], wenn sie denn als ewig verstanden wird, wenn auch irgendwie247 ohne die Rede? 8,31 Was soll aber dann aus der Rede entstanden sein, die zu diesem Menschen und Fleisch geworden ist?248 8,32 Dann wiederum: Die Vorstellung von der Gott-Rede ist ohne Körper, ohne Gestalt und ohne Art — denn wann [immer] man sich »körperlos« vorstellt, sind alle körperlichen Ausprägungen und Arten249 weggenommen und entfernt —, doch die Vorstellung über den zu unserem Herrn gehörenden Menschen oder sein Fleisch oder wie [auch immer] es jemand benennen möchte — egal, ob sie wie irgendeine Markierung250 angenommen worden ist oder wie irgendein Zeichen251, das im Gedanken angenommen wird —, wird nicht ohne Art und ohne Gestalt angenommen. 8,33 Und wenn beide diese Prinzipien im Gottessohn sind — das eine ohne Körper und ohne Gestalt, das andere nicht ohne Körper und nicht ohne Gestalt und beide in wesenhafter und subsistenter Weise in einer [einzigen] Vereinigung — und sie als zwei Individualitäten verstanden werden, dann gibt es also zwei Individualitäten in der einen unaussprechlichen Vereinigung in Christus. 8,34 Wenn ferner manche sagen, dass Christus »〈aus〉252 zwei Naturen« [ist] und nicht »zwei [Naturen]« ist, und [wenn] dieser Terminus etwas vom Eigentümlichen oder vom Nicht-Allgemeinen an etwas anzeigt, [dann ist folgende Stelle zu bedenken]: »Und Gott, der Herr, nahm Staub vom Bidawid (Lettres, S. 118) gibt »irgendwann« statt »irgendwie« wieder und übersetzt: »etiamsi aliquando conciperetur absque Verbo«. 248 Im Syrischen mit Verben formuliert, wörtlich: »zu diesem [Menschen] sich verܿ statt ܡܢ, menschlicht und verfleischlicht«. — Bidawid (Lettres, S. 118) liest offenbar ܡܢ ܼ wenn er übersetzt: »Quid est Verbum quod in hoc 〈homine〉 incarnatum et homo factum est?« 249 Vgl. zu »Ausprägung und Art« auch oben ep 40,2,20f. 250 Syr. sṭīgmā, vgl. gr. στίγμα. 251 Syr. sīmīōn, vgl. gr. σημεῖον (Bidawid, Lettres, S. 118 Anm. 4, verweist auf das Katalipomenon σῆμα). ܿ gemäss der Übersetzung von Bidawid 252 Die Konjektur »aus« ()ܡܢ ܼ statt »zwar« ()ܡܢ (Lettres, S. 118: »ex«). 247
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Erdboden.« (Gen 2,7) »Vom Erdboden« sagte er, mit Hinzufügung [der Präposition], und nicht »Erdboden« absolut. 8,35 Und ferner [die Stelle]: »Er nahm nicht [einen] aus den Engeln an, sondern [einen] aus der Nachkommenschaft Abrahams nahm er an.«253 (Hebr 2,16)254 Und auch hier wiederum sagte er: »aus der Nachkommenschaft Abrahams« mit der Präposition255 »aus« und nicht »Nachkommenschaft Abrahams« absolut. 8,36 Und wir sagen, [dass] Christus [einer] »aus der Trinität« und nicht »die Trinität« [ist] und gleichermassen [einer] »aus dem Menschsein« und nicht »das Menschsein« absolut [ist]. 8,37 Dann ist folglich auch aus der [Formulierung] »aus zweien« und nicht »zwei« zu erkennen, dass die zwei Individualitäten der eine Gottessohn [sind]. Denn wann [immer] wir »zwei«256 Naturen« sagen, |B 119 S 39| verstehen wir [darunter] Gottsein und Menschsein, wann [immer] wir aber »aus zwei Naturen« sagen, erkennen wir [darin] unseren Herrn Christus, der einer aus Gottsein und Menschsein ist und nicht Gottsein und Menschsein absolut ist. 8,38 Denn dieses »aus zweien« schildert und bezeichnet uns sowohl die unaussprechliche Vereinigung als auch die Individualitäten, die sich in dieser [Vereinigung] zu einer Person des Sohnseins verbinden. 9,1 Weil sich folglich diese [Dinge] so verhalten, ihr lieben Brüder und Väter in Christus, wollen wir in unserer Gesinnung einen [einzigen] Glauben teilen, und es soll uns ein [einziger] Wille und eine [einzige] Gesinnung zuteil werden. 9,2 Denn siehe, unser Herr hat uns offenkundig die Unterscheidung der [beiden] Individualitäten [in Christus] gezeigt in dem [Spruch]: »Löst diesen Tempel auf, und in drei Tagen werde ich ihn [wieder] errichten.« (Joh 2,19) Denn diese Worte werden niemals anstelle eines [einzigen] Nomens gesagt; »diesen«, »ich« und »ihn«257 können nicht über eine [einzige] Individualität gesagt werden.258 9,3 Und ferner [in dem Spruch]: »Ein Geist hat nicht Fleisch und Knochen wie ihr seht, dass ich sie habe.« (Lk 24,39) Wenn er nun eine [einzige] Individualität und Natur wäre, würde er nicht sagen: »dass ich sie habe« wie einen 253 Das Zitat wird im Rahmen der ostsyrischen Assumptionschristologie verstanden, wie die Fortsetzung zeigt. 254 Das Zitat bereits oben in 41,3,11. 255 Syrisch prōtesīs, vgl. gr. πρόθεσις und dazu etwa ep 36,2,11 oder ep 42,6,43.45.49. 256 In der Übersetzung von Bidawid (Lettres, S. 118) fehlt das Wort »zwei«. 257 Das Syrische formuliert mit dem Nominativ (»er«). 258 Vgl. dazu ep 36,2,14: »…jene Wörter, die statt eines Nomens gesetzt werden und gleichsam mit dem Finger [auf das Betreffende] zeigen und wie folgt lauten: ›er‹, ›er selbst‹, ›dieser‹, ›ich‹ und andere derartige Wörter, die er hier und an anderen derartigen Stellen für ein Nomen in eigentümlichem, singulärem und individuellem Sinn setzt«.
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Tempel, ein Bild und ein Gleichbild und einen ewigen Besitz, sondern er würde sagen, »dass ich sie bin«. 9,4 Wenn nun unser Herr Christus in den heiligen Schriften dem Fleisch nach »Tempel«, »Wohnstätte«, »Bild«, »Türvorhang«, »Kleid«, »Gewand«, »Röcke«, »Mantel«, dem Geist 5 nach aber »Einwohnender«, »Archetyp, »Sich-Ankleidender«, »SichBekleidender« und »König« genannt wird und [wenn zweitens] »Einwohnender« und »Tempel«, »Auferwecker« und »Auferweckter«, »Abbild« und »Urbild«259, »Sich-Ankleidender« und »Gewand«260, »Türvorhang« und der drinnen von diesem verborgene »König« [jeweils] nicht eine [ein10 zige] Natur und Individualität sein können, dann kann folglich auch unser Herr Jesus Christus nicht eine [einzige] Natur und Individualität sein. 9,5 In diesen zur Individualität [gehörenden Eigenheiten]261 fand die Vereinigung statt, aber die Vereinigung fand nicht in der Individualität selbst statt, wie auch das Feuer und das Gold, die Seele und der Leib in ihren zur Individu15 alität [gehörenden Eigenheiten] vereinigt werden, aber nicht als Individualität selbst vereinigt werden — denn auch die Seele wird mit dem Leib und das Feuer mit dem Gold nicht aufgrund der Individualität und [aufgrund] ihrer selbst [vereinigt]. Sonst wäre es262, wie wenn man sagt: »Der Leib ist ein unsichtbarer Geist«, und: »Das Gold bewegt sich schnell in vielfachem 1
259 Timotheos variiert die Begriffe: vorher ܨܠ�ܡܐund ܪܫ ܛܘܦܣܐ, jetzt ܝܘܩܢܐ und ܪܫ ܝܘܩܢܐ. 260 Bidawid (Lettres, S. 119) übersetzt ܘܠܒܘܫܐ ܘܐܣܛ�ܠܐmit »vestis et indumentum«. Er hat offenbar übersehen, dass es sich stets um Aktiv-Passiv-Paare handelt. Dabei ist nun allerdings die Form ܠܒܘܫܐzweideutig: Der Unterschied von »Sich-Ankleidender« und »Kleid« ist nur aus der Vokalisation erkenntlich, nicht aus dem Konsonantentext. Allerdings irritiert auf den ersten Blick, dass Timotheos selbst ܠܒܘܫܐzu Beginn des Satzes in beiden Bedeutungen verwendet, dabei auch ܘܠܒܘܫܐ ܘܐܣܛ�ܠܐnicht als Aktiv-Passiv-Paar, sondern als Begriffsvarianten (»Kleid«, »Gewand«). Durch den Kontext ist jedoch genau ersichtlich, welche Bedeutung gemeint ist. Vgl. zur Bedeutung des Kontextes bei der Interpretation von zweideutigen Formen des Verbmodus auch oben Anm. 98 zu 41,3,38. 261 Bidawid (Lettres, S. 119) ergänzt hier und im Folgenden den Begriff proprie tates. Ich folge ihm und ergänze in eckigen Klammern »[Eigenheiten]« im Bewusstsein, dass um der Verständlichkeit willen ein Begriff ergänzt wird, der bei Timotheos nicht ̈ steht. Er selbst schreibt nur ܕܩܢܘ�ܡܐ... ܗܢܝܢ (»diejenigen der Individualität«, »diejenigen, die zur Individualität [gehören]«). Vgl. dazu auch ep 2,2,21 (Braun, CSCO, ̈ S. 41/25) ܗܢܝܢ ܕܠܘܬ ܐܘܣܝܐ mit stärkerer Betonung der Relationalität (»diejenigen in Bezug auf das Wesen«, »die auf das Wesen Bezogenen«). Auch hier vermeidet Timotheos einen substantivischen Begriff; so nennt er auch in der Fortsetzung 2,2,23 (zitiert unten in der Anmerkung 263) exemplarisch Kraft, Wärme und Helligkeit, aber keinen Fachterminus! ܿ 262 Die Irrealisform ܗܘܐ ܗܘܐ steht im Syrischen am Ende des Satzes. ܼ
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Hin-und-Her.«263 Aber [es ist] nicht die Individualität, sondern [es sind] die [Eigenheiten] der Individualität, was sie [einander] geben und [voneinander] nehmen. 9,6 So [geben] ja auch die Rede dem Fleisch und das Fleisch der Rede nicht die Individualität und das Wesen, sondern der Vereinigung nach ist die Nichtrede Rede und das Nichtfleisch Fleisch, nicht als Individualität und Wesen, sondern durch die [Eigenheiten] des Wesens und der Individualität werden sie vereint und nicht durch räumliche Distanz264, denn so nahe wie seine Rede sich selbst ist, ist sie auch ihrem Fleisch nahe, obwohl es überflüssig265 ist, dass wir über jemanden sagen: »Er ist sich nahe.« 9,7 Als Bewohner im vernünftigen Tempel ist er jedoch unveränderlich: »In ihm wohnt die ganze Fülle des Gottseins in körperlicher Weise.« (Kol 2,9)266 |B 120| Die zwei Gleichbilder, welche vom göttlichen Paulus genannt wurden267, erklären uns nichts anderes als die zwei Individualitäten, wie gezeigt wurde. 9,8 Denn das naturgemässe Gleichbild des Vaters ist er seiner göttlichen Individualität nach und nicht seiner menschlichen Individualität nach; und das naturgemässe Gleichbild des Dieners ist er seiner menschlichen Individualität nach und nicht [seiner] göttlichen Individualität nach. 9,9 Er nahm nämlich das Gleichbild für das Gleichbild an, nicht die Natur für die Natur absolut, sondern die Individualität, die das naturgemässe Gleichbild des Vaters ist, [nahm er] für die Individualität [an], die das naturgemässe Gleichbild des Menschen ist; wie wir sagten nicht so, als hätte sie zuvor bestanden 263 Zur Verdeutlichung der Absurdität charakterisiert Timotheos den Leib mit den Eigenheiten der Seele und das Gold mit den Eigenheiten des Feuers. Vgl. dazu die fast gleich lautende Formulierung in ep 2,2,23 mit Erläuterung: »Und wie das Feuer dem Eisen, das sich mit ihm vereinigt, seine Kraft, das heisst, seine Wärme und seine Helligkeit gibt, ihm aber nicht sein Wesen und seine Individualität geben kann, denn das Eisen würde sich niemals [so] schnell in vielfachem Hin-und-Her bewegen wie das Feuer…« (�ܠܐ ܓܝܪ ̈ ܿ ܥܘܦܦܐ ܐܝܟ ܢܘܪܐ ܗܘܐ ܦܪܙ�ܠܐ ܡܬܬܙܝܥ ܩܠܝ�ܠܐܝܬ ܒܣܘܓܐܬ )ܡܬܘܡ. Bidawid (Lettres, S. 119) scheint den Satz nicht verstanden zu haben, wenn er übersetzt: »aurum vero densum et difficile mobile esset«. — Zu ähnlichen absurden Formulierungen vgl. auch ep 34,3,15–20, wo Timotheos Aussagen nennt, welche nicht über Christus prädiziert werden: »›Also ist das Licht der Wahrheit Finsternis.‹ Oder: ›Der Wahrhaftige ist ein Lügner.‹ ›Der gänzlich Unvergängliche ist vergänglich.‹ Oder vielleicht: ›Das seiende Sein ist nicht.‹ ›Das Quadrat ist ein Kreis.‹ Oder: ›Zwei und zwei sind vierzehn.‹« 264 Vgl. dazu auch oben ep 40,5,19 und 40,7,38 sowie disp 4,55–66. 265 Bidawid (Lettres, S. 119) übersetzt »iam multum«. 266 Vgl. das Zitat auch ep 34,2,76 und 34,3,47. 267 Vgl. zum Gleichbild Gottes des Vaters Phil 2,6 sowie Kol 1,15 und Hebr 1,3 und zum Gleichbild des Dieners Phil 2,7. Vgl. zu den beiden Gleichbildern bei Paulus auch oben 41,6,32–38, ferner bereits in 41,1,2 die Teilzitate aus Phil 2,6f.
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und wäre danach mit der Rede vereinigt worden — [Gott] bewahre! Das soll nicht geschehen! —, sondern die 〈eine〉268 Person des naturgemässen Sohnseins, Herrseins und Königtums entstand durch ebendiese Rede, wurde mit ihr vereint und durch sie geprägt. 9,10 Und deshalb 〈sagte〉269 der Engel: »Unser Herr ist mit dir, du Gesegnete unter den Frauen!« (Lk 1,28) Und ferner: »Euch ist heute der Erlöser geboren, welcher der Herr Christus ist.« (Lk 2,11)270 9,11 Jesaja nannte ihn: »Gott mit uns« (Jes 9,5)271, damit wir verstehen, dass er sofort und von Anfang an mit allen Höhen und Erhabenheiten der Rede vereinigt war272. 9,12 Denn Christus besitzt seine Naturen in allgemeiner Weise, zusammen mit dem Gottsein und zusammen mit dem Menschsein zugleich. Denn er hat nichts Zusätzliches gegenüber dem Vater und dem 〈Geist〉273, was das Gottsein betrifft, und gegenüber den übrigen Menschen, was das Menschsein betrifft. 9,13 Doch seine Individualitäten und [seine ihm] eigentümliche Person hat und besitzt er nicht in allgemeinem, sondern in eigentümlichem und individuellem Sinn. 9,14 Er hat aber etwas Zusätzliches über das Allgemeine hinaus: Über den Vater und den Geist hinaus [hat er zusätzlich] die Menschwerdung, das heisst, den Menschen, den er zu seiner Offenbarung erhöhte und annahm274, und über das Allgemeine aller Menschen hinaus [hat er zusätzlich] die Vergöttlichung, das heisst, die Gott-Rede, die ihn erhöhte und annahm. 9,15 Denn er ist nicht ein einfacher Gott ohne Körper — denn die Rede wurde durch die Vereinigung Fleisch —, aber auch nicht wiederum blosser Mensch — denn »aus diesen [Vätern] erschien Christus dem Fleisch nach, er, der Gott über alles ist« (Röm 9,5 𝔓)275. Und deshalb ist Gott Mensch und der Mensch Gott, zwar nicht der Natur nach, aber der Vereinigung nach, wie es gesagt wird. 10,1 Diese [Dinge] also habe ich nun zu euch geredet276, ihr Brüder, nicht im Sinne einer Belehrung — denn Gelehrte Gottes seid ihr [selbst] Lücke in den Handschriften; ich konjiziere »eine« ( )ܚܕgemäss ep 41,5,28. Konjektur Heimgartner (vgl. auch 41,6,26 und 41,7,10). Bidawid (Lettres, S. 120) ergänzt: »Mariam salutavit«. 270 Das Zitat auch ep 34,2,28 und 35,7,13. 271 Wie in 41,6,23 verwendet Timotheos hier nicht die hebräische, sondern die syrische Form. 272 Vgl. die prägnanten Formulierungen oben in 41,3,18 sowie in 34,1,9. 273 Konjektur Bidawid (Lettres, S. 120 Anm. 4). Die Handschriften schreiben »Sohn«. 274 Bidawid (Lettres, S. 120) setzt hier und im Folgenden beide Male nur das eine Verb »assumpsit«. 275 Vgl. zu diesem Zitat oben Anm. 2 zur Praescriptio. 276 Die Personalendung ist in Bagdad 509 offenbar nicht mehr lesbar. Die Handschriften behelfen sich in verschiedener Weise: »ich habe geredet« (WL), »wir haben geredet« (V), 268 269
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und werdet ihr sein —, sondern im Sinne eines Beweises und weil wir euch die kirchlichen Dogmen und Lehren kundtun wollten, die bei uns festgehalten werden, und damit ihr erkennt, dass dieselben göttlichen Bedeutungs- und Verstehensweisen277 sowohl bei uns als auch bei euch bewahrt werden. 10,2 Denn auch bei uns ist die Orthodoxie richtig und ohne Änderung formuliert. Unserem Glauben ist nämlich nie etwas Entgegengesetztes |B 121| [zuteil geworden], so dass wir etwa zur Perle der Wahrheit278 etwas hinzugefügt oder [von ihr] weggenommen hätten279, welche die heiligen Apostel in dieser Region des Ostens überliefert haben. 10,3 Nun herrschten bei euch christliche Kaiser280, und wohin [jeweils] die Gesinnungen der Kaiser neigten — sei es zu den Häretikern, sei es zu den Orthodoxen —, dorthin lenkten sie auch die Priester und die Gläubigen, und deswegen sind bei euch [Dinge] im Glauben hinzugefügt und weggenommen worden. Denn was Konstantin der Grosse bekräftigte, das setzte Konstantius ausser Kraft und annullierte es, und was dieser bestätigte, das löste der nach ihm auf und verwarf es. 10,4 So geschah es bei euch, dass daher auch viele Häresien und schismatische Anschauungen aufgeblüht sind, und weil die Kaiser Christen waren, zwangen sie nicht nur die Häretiker, sondern oft auch die Orthodoxen mit Gewalt, wie wir sehen, dass Athanasios dem Grossen von Kaiser281 Konstantin, Johannes Chrysostomos von Theodosius dem Grossen282 und Nestorius dem Märtyrer von Theodosius dem Kleinen283 und wieder anderen von anderen Leid zugefügt wurde. 10,5 Bei uns aber gab es nie einen christlichen König, sondern zuerst ungefähr vierhundert 〈Jahre〉284 die Magier, danach die Muslime, und weder Erstere noch Letztere haben es unternommen, dem Glauben der Christen etwas hinzuzufügen oder wegzunehmen; vielmehr zeigten »ich rede« (TDO), »er hat geredet« (M), »sie haben geredet« (S). Bidawid (Lettres, S. 120) übersetzt: »diximus«. 277 So zur Wiedergabe der syrischen Plurale. Bidawid (Lettres, S. 120) übersetzt mit nur einem Substantiv. 278 Vgl. zur Perle auch ep 26,1–29 (Braun, CSCO, S. 142–147/96–99) und disp 21,1–12. 279 Die Formulierung wird in 41,11,9 aufgegriffen. — Vgl. dazu auch die Argumentation, dass die Kategorie des Wesens gemäss Arist Kat 3b,33–4a,9 kein Mehr oder Weniger kennt (ep 34,4,12f; 40,5,43f). Dabei verwendet Timotheos verschiedene Begriffe für »Mehr oder Weniger«. 280 Wie oben in 41,3,19 verwendet Timotheos hier und im Folgenden für die römischen Kaiser denselben Titel »König« (syrisch melkā) wie für die Abbasidenkalifen (vgl. disp passim, dazu Heimgartner, CSCO 632, S. 3 Anm. 20). 281 Timotheos verwendet dafür das Wort malkā, vgl. dazu oben Anm. 76 zu 41,3,19. 282 Theodosius I. (der Grosse), Kaiser 379–395. 283 Theodosius II., Kaiser 408–450. 284 Von Handschrift L und der Elias-Redaktion richtig konjiziert.
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sie sich bemüht, unseren Glauben überhaupt auszurotten, ausser jene gesegneten Könige der Muslime, die niemals in der Sache des Glaubens irgendeinen Zwang auf uns ausübten. 10,6 Und was immer die heiligen Apostel uns überlieferten, wird bei uns ohne Änderung und unerschüttert285 von Anfang an beachtet und nicht verändert. 10,7 Und es soll ferner niemand Folgendes meinen: dass [nämlich] Nestorius alle Regionen und Völker unter diesem Patriarchenthron gelehrt und getauft habe (vgl. Mt 28,19). Wir hatten nämlich das Christentum [bereits] ungefähr 500 Jahre, bevor Nestorius geboren wurde, ungefähr 20 Jahre nach dem Aufstieg unseres Herrn in den Himmel. 10,8 Und wir hatten das alte und das neue Testament an allen Enden des Ostens und des Südens und des Nordens286, zudem die Schriften der grossen früheren Lehrer, die vor Nestorius [lebten], ich meine von Justi〈n〉287 dem Philosophen und Märtyrer, von Hippolyt, dem Bischof und Märtyrer, von Methodius, dem Bischof und Märtyrer, von Athanasios, von Basilios, von der Schar der drei Gregors288, von Johannes dem Grossen289, von Diodor, von Amphilochios, von Ambrosius290, von Theodor dem Grossen291, von diesen allen und von anderen Gefährten von ihnen breiteten sich [die Schriften] bei uns auch vor Nestorius aus. 10,9 Doch [nun dazu], dass wir ebendiesen Nestorius gutheissen, weil wir ihn als orthodox anerkannt haben und er dieselben [Dinge] lehrt, welche die heiligen Schriften und die früheren Lehrer lehren: [Er lehrt] Im Syrischen verbal formuliert. Bidawid (Lettres, S. 121) übersetzt: »in omnibus finibus Orientis, a dextris et a sinistris«. Dagegen sprechen meines Erachtens nicht nur lexikalische Gründe, sondern auch die parataktische Wortstellung. 287 Konjektur gemäss der Übersetzung von Bidawid (Lettres, S. 121: »Justini«). Die Handschriften schreiben »Justinian« (im Syrischen nur ein zusätzliches Nun). Über den Titel »Philosoph und Märtyrer« ist Justin identifiziert. Zu einer weiteren mit »-in-« erweiterten Form vgl. auch oben in ep 41,3,19 »Jovinian« statt »Jovian«; auch dort ist die Identifikation über die angegebene Schrift des Athanasius zweifelsfrei möglich. — Ich hatte mich in Heimgartner, Disputatio, S. 47 Anm. 25 zu diesem textkritischen Problem geäussert. Der syrische Zeichensatz ist im Druck leider zur Unkenntlichkeit entstellt worden. Es sollte heissen: »Dabei ist ܕܝܘܣܛܢܝܢܘܣals Verschreibung für ›Justin‹ zu deuten, was schon Bidawid, Lettres, S. 121, stillschweigend tut.« und zuvor: »Bidawid, Lettres, S. ܡܒ Z. 20.« 288 Im Syrischen »Haus der drei Gregors«: Gregor von Nazianz, Gregor von Nyssa und Gregor der Thaumaturg (vgl. Berti, Vita, S. 332 und 336f sowie 383, ebenso Hainthaler, Christus, S. 205). 289 Gemeint ist Johannes Chysostomos; vgl. zu »Johannes der Grosse« auch ep 42,5,39, dort in unmittelbarer Nähe zur Bezeichnung »Johannes Chysostomos« in 42,5,44. 290 Zu Ambrosius bei Timotheos vgl. auch ep 39,34. 291 D. i. Theodor von Mopsuestia. 285 286
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den gesunden Glauben an die verehrenswürdige Trinität, und bekennt denselben Sohn Gottes, Jesus Christus, als Gott und Mensch, und er verflucht jeden, der von zwei Söhnen und Christussen redet; und die heilige Jungfrau, die Gebärerin des Christus und des Gottessohnes |B 122| verkündet er wie das Evangelium als Gebärerin des Gottes und Menschen, der den Naturen nach unterschieden ist, dem Sohnsein und der naturgemässen Person nach vereinigt ist. 10,10 Wir finden aber, dass jene [Dinge], die der Ägypter Kyrill über ihn [d. h. Nestorius] sagt, alle falsch sind, wie wir aus den Schriften des Mannes lernen. So sagt Kyrill über ihn, dass er einen blossen Menschen bekenne und von zwei Söhnen und Christussen rede. 10,11 Und siehe, Nestorius verurteilt in all seinen Kommentaren und [sonstigen] Büchern offenkundig jene, die unseren Herrn als blossen Menschen oder als zwei Söhne oder zwei Christusse benennen. 10,12 Und deshalb haben wir Nestorius als Orthodoxen gutgeheissen, der ungerecht behandelt wurde, und Kyrill als Häretiker verurteilt, der Unrecht tat. Er sagt nämlich in jenem 12. Kapitel: »Wer nicht bekennt, dass Gott im Fleisch gelitten hat, gestorben ist und begraben wurde, der sei verflucht.« (Kyrill, 3. Brief an Nestorius292), eine Aussage, die ausserhalb der göttlichen Schriften ist. 10,13 Die Arianer sagten nämlich, dass die GottRede im Fleisch litt und starb, als wäre ihre Natur ein Geschaffenes und Erschaffenes. 10,14 Sind es die Arianer, die ihrem Glauben entsprechend in folgerichtiger Weise reden, oder Kyril〈l〉293, der annimmt, dass der Sohn wesenseins mit dem Vater ist? Denn wenn die Rede mit dem Vater wesensgleich ist und der Vater leidensunfähig und unsterblich ist, dann ist zwingendermassen auch die Rede leidensunfähig und unsterblich in jeder Hinsicht. Vielmehr [ist es] Kyrill, der mit seinem Glauben im Widerspruch steht! Denn wenn die Rede Mensch geworden ist zu einer Natur und Individualität, wie er sagt, und [wenn zweitens] das Fleisch leidensfähig und sterblich ist, dann ist auch die Rede leidensfähig und sterblich, und [so] löst sich die [Aussage] »dem Vater wesensgleich« auf. 10,15 Denn »leidensunfähig und leidensfähig, unsterblich und sterblich dieselbe Rede«: [das ist] eine Rede294, die sich selbst widerspricht, denn Schwartz, ACO 1,1,1, S. 42. Wegen des folgenden Singulars konjiziere ich »Kyrill« statt »Kyrillianer« in den Handschriften. 294 Timotheos spielt mit den verschiedenen Bedeutungen von »Rede« (vgl. zu dieser Eigenheit oben Anm. 110 zu 41,3,44 mit weiteren Stellen). Allerdings ist wegen der unterschiedlichen Genera — maskulin für die göttliche Rede, feminin für die menschliche Rede — die Aussage völlig klar. Um es auf Deutsch nachzuahmen, müsste man etwa 292 293
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dass ein und derselbe Sohn Jesus Christus in einer [Hinsicht]295 leidet und stirbt und in einer anderen [Hinsicht] nicht leidet und nicht stirbt, das ist möglich, angemessen und richtig angegeben. 10,16 Denn nicht einmal über die Seele, obwohl sie geschaffen ist, sagen wir, dass sie im Körper leidet und stirbt, denn ihrer Natur nach leidet und stirbt sie nicht. Um wieviel mehr also ist es unpassend und unangemessen, über die Rede, die unerschaffen ist, zu sagen oder zu denken, dass sie im Fleisch stirbt und leidet. 10,17 Ihrer Natur nach leidet und stirbt sie nicht. Denn egal, ob [einer sagt], sie sei ihrer Natur nach gestorben, oder ob [er sagt, sie sei] nicht ihrer Natur nach [gestorben], sie ist jedenfalls sterblich. 10,18 Weil wir somit beim Vergleich der Meinungen von Nestorius und Kyrill mit den göttlichen Schriften und den orthodoxen Engeln296 herausgefunden haben, dass einerseits Nestorius mit den Schriften und den Lehrern übereinstimmt — und zwar sowohl in seinen Lehrschriften vor dem Patriarchat als auch in denen während des Patriarchats297 als auch in denen [aus der Zeit], nachdem er ungerechterweise ins Exil298 geschickt worden war — und dass andererseits Kyrill mit der Meinung des Apollinaris übereinstimmt, 10,19 und [weil wir dabei ebenfalls] herausgefunden haben, dass Ersterer der ist, welcher Unrecht erlitt, unterdrückt und verfolgt wurde und mit dem Lichtkranz gekrönt ist, den unser Herr ihm dreifach flocht: »Selig ihr, wenn sie euch fluchen und verfolgen und um |B 123| meinetwillen über euch alles Böse reden und lügen. Freut euch dann und frohlocket, dass euer Lohn im Himmel gross ist.« (Mt 5,11– 12), und dass Letzterer der ist, welcher Unrecht tat, unterdrückte und verfolgte — denn er schickte sechzehn Metropoliten mit dem seligen Nestorius ins Exil —, 10,20 wegen all [dem] haben wir einerseits Nestorius unter die grossen Lehrer aufgenommen, die um des Christus willen ungerechtfertigterweise verfolgt wurden wie Athanasios, Meletius und Johannes [Chrysostomos] — denn auch Johannes hat dieselben [Dinge] von den Leuten Kyrills erlitten, der ihn in seinem Brief, den er an den Patriarchen Attikos von Konstantinopel schrieb, einen Judas nannte299 —, und haben wir andererseits Kyrill verworfen, weil er zur Ursache für Anstoss und so formulieren: »unsterblich und sterblich ist derselbe Wort, ein Wort, das sich selbst widerspricht«. 295 Vgl. zur Funktion der Relationen im hermeneutischen Schema, das Timotheos zur Interpretation von kontradiktorischen Aussagen entwickelt, Heimgartner, Fragmente, S. 200f. 296 Vgl. »Theodor der Lichtengel« in ep 20,2 (Braun, CSCO, S. 131/87). 297 Bidawid (Lettres, S. 122) übersetzt wohl irrtümlich: »post patriarchatum«. 298 Syr. ’exōr(i)yā, vgl. gr. ἐξορία. 299 CPG 5376, Text bei Schwartz, Codex, S. 25–28, v. a. S. 26 Z. 29–31.
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Spaltung in Gottes Kirche wurde und weil er in tyrannischer Weise und in bitterem Starrsinn Streit schuf, so dass er seinen Hass und seine Bitterkeit Wirklichkeit werden liess. 10,21 Denn wir haben keinen anderen Grund dafür, Ersteren zu lieben und Letzteren zu hassen, ausser Gottes Wahrheit. 10,22 Wir sind nämlich nicht auf den Namen des Nestorius getauft worden noch wurde Nestorius um unseretwillen [ans Kreuz] geschlagen, sondern wir sind im Namen der Dreieinigkeit getauft worden, und Christus, der Herr der Herrlichkeit, wurde um unseretwillen gekreuzigt, auch wenn die Feinde der Wahrheit uns mit dem Namen des Nestorius zu benennen wagen. 11,1 Das haben wir gesagt, damit ihr erkennt, dass die Wahrheit der Orthodoxie bei uns unverändert bewahrt wird, ohne von den Lehrern300 verfälscht zu werden noch von den Königen zugrunde gerichtet zu werden, und dies, obwohl die katholische Kirche bei uns nicht ohne Verfolgung und nicht ohne Gefährdungen blieb, vielmehr wurde sie in allen Generationen und Nachkommenschaften der Zeiten verfolgt und erschüttert. 11,2 Denn siehe, wir haben an einem bestimmten Ort fünf oder sechs Patriarchen, die auf diesem Thron, dessen Dienst mir anvertraut worden ist, »wie die Sonne« am Himmel »glänzten« (Mt 13,43), welche die Lichtkränze des Martyriums flochten, die zusammen mit Christus und gleich wie Christus ans Kreuz hinaufstiegen, die bezeugten, dass Christus, unser Herr, Gottes Sohn und »Gott über alles« (Röm 9,5 𝔓) ist. 11,3 Wieviele Metropoliten und Bischöfe, wieviele gläubige Männer und Frauen301 teils durch das Kreuz302, teils durch das Schwert, teils durch das Feuer, teils durch Peinigungen und Folterungen, teils durch Hungerqualen303 und Bedrängnisse, teils durch Gefangenschaften [als Märtyrer] gekrönt wurden, das ist [allein] Gott genau bekannt. 11,4 Ihr könnt es aber teilweise erfahren304 aus der Lektüre der Bücher der Martyrien — das heisst, aus den Akten305 der Märtyrer, die im Osten das Martyrium erlitten —, welche von Bischof Marutha von Maipharkat angefertigt wurden, der in der Gesandtschaft des Königs der Rhomäer306 zum Perserkönig Yezdegerd307 Im Syrischen »die Rabbānen« (rabbānē). Man beachte die inklusive Formulierung zur Betonung der Menge. 302 Man beachte, dass die Kreuzigung im Kalifenreich zur Zeit des Timotheos noch immer in Gebrauch ist, vgl. dazu Heimgartner, CSCO 632, S. 42 Anm. 147. 303 Zur Wiedergabe des syrischen Plurals von »Hunger«. 304 Vgl. zu »teilweise« disp 21,6f. 305 Syrisch hōpāmnēmāṭā, vgl. gr. ὐπομνήματα. Die Handschriften sind hier in 41,11,4 bei der Vokalisation des ihnen unbekannten Begriffs weitgehend ratlos. 306 Arcadius (395–408). 307 Yezdegerd I. (399–420). 300 301
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geschickt wurde in den Tagen des Patriarchen Qayūmā308 von Seleukeia und von Ktesiphon. 11,5 Denn siehe, dieser heilige Marutha hat nicht nur ein Verzeichnis309 ihres Sterbens310 und [ihrer] Martyrien gemacht, wobei er die [Geschichten] [B 124| darüber, was ihren Tod verursachte, von den Schriftstellern bei uns nahm, sondern er überführte auch mit Wagen [einen Teil]311 von den Gebeinen der Märtyrer in die Stadt Amīd, und deswegen wird diese auch bis zum heutigen Tag »Stadt der Märtyrer« genannt. 11,6 Denn obwohl er mit königlichen Geschenken gewürdigt wurde312 als »Helfer der Könige«, schätzte er all jene [Gebeine] höher [als diese Geschenke] und erbat sich von König Yezdegerd allein Folgendes: Gebeine der Märtyrer und Wagen, um sie nach Amīd überführen zu können. 11,7 Denn dieser Heilige erachtete nichts anderes für so wertvoll, wie einen Teil von den Gebeinen der heiligen Märtyrer ins Gebiet der Rhomäer und in seine Stadt überführen zu dürfen. 11,8 Denn wenn jemand sagt, dass die Erde des Orients die Erde der heiligen Märtyrer ist, verfehlt er die Wahrheit niemals. Denn [während] ungefähr vierhundert Jahren Perser[-herrschaft] wichen Schwert und Töten nicht von der Kirche des Ostens. 11,9 Und in dieser ganzen Zeit und Dauer des Tötens und der Verfolgung konnte der Satan niemals den Reichtum ihres Glaubens plündern noch je eine Hinzufügung oder Minderung machen, sondern sie [d. h. die Kirche] bewahrte die Perle der Wahrheit ohne Hinzufügung und Minderung.313 11,10 Und es gibt nichts, was verhindert, ihr unsere Lieben, dass wir eine [einzige] Kirche unseres Herrn Christus werden. 11,11 Denn siehe: Auch in unseren Tagen, vor zehn Jahren, als die Tätigkeit des Dienstes der Kirche mir anvertraut wurde — denn ich bin jetzt ungefähr dreizehn Jahre in dieser Tätigkeit314 —, da verliess315 der König der Türken mit mehr oder weniger seinem ganzen Jurisdiktionsbereich den alten Irrtum der Qayūmā, ostsyrischer Patriarch 377–399. Syrisch hōpāmnēsṭīqōn, vgl. gr. ὑπομνηστικόν, so auch ep 54,11 (dazu Heimgartner, CSCO 645, S. 108 Anm. 555). — Die Handschriften sind ebenso ratlos wie zuvor in 41,11,4 mit den hōpāmnēmāṭā. 310 Im Syrischen Plural; vgl. zum Plural auch den Titel der Schrift »De mortibus persecutorum« von Laktanz (CPL 91). 311 Zur Ergänzung vgl. die Fortsetzung. 312 Vgl. dazu auch ep 48,2. 313 Vgl. zu dieser Formulierung sowie zur Perle oben 41,10,2 mit Anm. 278. 314 Der Brief ist also etwa im Jahr 792/793 verfasst, vgl. dazu in der Einleitung S. XXVI–XXVII. 315 Im Syrischen mit Pluralverb formuliert, da »mit« ( )ܥܡgerne als »und« verstanden wird. 308 309
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Gottlosigkeit316 und vertraute sich dem Christentum an durch die Wirksamkeit der grossen Kraft des Christus, dem alles untertan ist. 11,12 Und er erbat sich von uns in seinen Schreiben, dass wir einen Metropoliten für die Jurisdiktion seines Königreiches schaffen würden, was wir auch mit 5 Gottes Hilfe taten, und auch den Brief, den wir an ihn schrieben, schicken wir euch, wenn es dem Herrn gefällt. 11,13 Weiterhin hat auch die bekannte Stadt Nagrān, die von der Häresie des Julian befallen war, im vergangenen Jahr dreizehn Kirchen mit uns vereint, eine Gemeinschaft, die die Zahl von zweitausend Menschen übersteigt. 11,14 So wollen auch wir, geliebte 10 Brüder, uns miteinander verbinden, uns zu Gliedern voneinander vereinigen und dem Christus gehören, der alle mit sich und durch sich mit dem Vater vereint. |B 125| 11,15 Jene [Dinge] aber, die man zwingend annehmen muss, sind diese: 1
– der Glaube an die Zweizahl der naturgemässen Individualitäten in der einen Person des naturgemässen Sohnseins in Christus; – zweitens, dass die Gebärerin des Christus, unseres Herrn, der »Gott über alles ist« (Röm 9,5 𝔓)317, sowohl Gottesgebärerin als auch Menschengebärerin ist; – drittens, dass man die Formulierung »der du gekreuzigt wurdest« aus der Heiligung der heiligen Seraphen tilgt, welche später durch mensch20 lichen Starrsinn hinzugefügt wurde; – viertens, dass Nestorius, Theodor und Diodor gutgeheissen werden und Kyrill, der ein Häretiker ist, verworfen wird. 15
11,16 Wenn Gott diese [Dinge] befiehlt und sie geschehen (vgl. Ps 33,9), sind wir euch Diener und Brüder im Herrn und ihr uns Väter und Herren in ebendiesem Jesus Christus, der »Gott über alles ist« (Röm 9,5 𝔓). 11,17 Mögen wir alle bewahrt werden durch die Gebete Marias, der Gebärerin des Christus, der »Gott über alles ist« (Röm 9,5 𝔓), dem alles Lob und aller Preis318 gebührt, und dessen Erbarmen auf uns ist in alle Ewig30 keit. Amen. 11,18 Brüder, betet für uns! Euch grüsst die katholische Kirche des Ostens. 25
Im Syrischen wörtlich: »Irrtum des [es ist] kein Gott« ( ܕ�ܠܐ ܐܠܗ... )ܛܘܥܝܝ. Hainthaler (in der englischen Fassung Christ, S. 94) weist auf das dreifache »Gott über alles« in diesem Schlussteil hin (41,11,15.16.17). 318 Hier »alles« und »aller« zur Wiedergabe der Plurale im Syrischen. 316
317
STELLENREGISTER a)
Altes Testament Gen 1,1 33 Gen 1,14 34 Gen 1,20 34 Gen 1,24 34 Gen 1,26 34, 35 Gen 1,26f XXXI Gen 1,3 34, 53 Gen 1,6 34 Gen 1,9 34 Gen 11,7 35 Gen 2,7 99 Gen 3,15 4 Gen 3,22 35 Gen 5,3 XXXI, 82 Jes 6,3 94 Jes 7,14 80 Jes 9,1 51, 53 Jes 9,5 81, 102 Jes 14,29 4 Jes 40,8 36 Hag 2,5 36 Ps 22,23 88 Ps 29,10 72 Ps 33,6 34 Ps 33,9 109 Ps 50,1 96 Ps 56,11 36 Ps 74,14 4 Ps 82,1 84 Ps 82,6 84 Ps 91,13 4 Ps 99,9 44 Ps 102,26 34 Ps 104,30 36 Ps 107,20 36 Ps 119,89 36 Ps 132,7 44 Ps 147,18 36 Koh 7,24 𝔓 33 3 Esr 4,35 3
Biblische Schriften Neues Testament Mt 5,11–12 Mt 13,43 Mt 17,1f Mt 26,64 Mt 28,19 Mk 3,17 Mk 9,2f Mk 16,19 Lk 1,28 Lk 1,31 Lk 2,11 Lk 9,28f Lk 24,39 Joh 1,1 Joh 1,12 Joh 1,14 Joh 2,19 Joh 3,13 Joh 4,22 Joh 6,62 Joh 13,35 Joh 16,11 Joh 16,33 Apg 1,11 Apg 8,9–25 Röm 1,3 Röm 5,12 Röm 5,14 Röm 5,18 Röm 8,3 Röm 9,5 𝔓
106 107 53 72 104 61 53 3 102 81 81, 102 53 99 62, 63 62 61 99 77 97 77 54 3 3 72 97 79 97 XXXI 97 XXXI, 81 XXIV, XXV, 51, 55, 78, 80, 102, 107, 109 Röm 12,15 55 1 Kor 2,9 55 1 Kor 10,4 53 1 Kor 11,26 91 1 Kor 12,23 87 1 Kor 15,3f 87 1 Kor 15,21 𝔓 97 1 Kor 15,47 55
112 1 Kor 15,49 2 Kor 3,18 2 Kor 6,14f Gal 4,4 Gal 5,11 Eph 1,8 Eph 2,14 Phil 2,4 Phil 2,6 Phil 2,6f Phil 2,7 Kol 1,15
STELLENREGISTER
XXXI XXXI 54 81 50 55 55 55 XXX, XXXI, 83,101 52, 82, 101 XXX, XXXI, 61, 62, 101 XXX, XXXI, 55, 77, 83, 101 b)
Sure 4,171 Sure 15,26 Sure 19,17 Sure 20,5 Sure 21,91
67, 101 95 51, 82 62, 101 83 34 88 61, 62, 99 63 87 87 87, 91
Koran
36, 42, 49 35 35 39 35, 36 c)
Kol 2,9 1 Tim 6,1 Tit 2,13 𝔓 Hebr 1,1 Hebr 1,3 Hebr 1,10 Hebr 2,12 Hebr 2,16 Hebr 7,9f 1 Petr 2,21 1 Petr 3,18 1 Petr 4,1
Sure 23,12 Sure 33,56 Sure 38,75 Sure 108,1
35 48 39 35
Christliche Autoren des Orients
Barḥadbešabbā ‘Arbāyā Ursache der Schulgründungen Edition: Scher, PO 4/4 = 18 zitiert nach Seiten und Zeilen bei Scher 339,8 7 Nestorius von Bēt Nūhadrān Apologie (Nest Ap) Edition: Heimgartner, CSCO 644 6 79 7 67 8 79 22 87 Timotheos I. Disputation mit dem Kalifen al-Mahdī (disp) Edition: Heimgartner, CSCO 631 XII, XVIII 1,1 12 1,11 IX 2,1f 50
2,2 4 2,3 15 2,7 15, 70 2,7–13 6 2,8 15 2,10 33 3,1 15 3,13 44 3,15 47 3,28 96 4,1 59 4,5 34 4,8 59 4,11 34 4,17–22 43 4,32–35 62 4,51 76 4,51–57 24 4,53 76 4,55 60 4,55–66 101 4,56 24
4,60 23, 38 4,61 76 4,63 76 4,65 76 4,66 23, 38 5,1 5 5,3 47 5,8 47 6,1 47 6,10 49 6,10–12 48 6,29f 5 6,31f 5 6,33–36 48 6,37 38 7,31–41 26 9,10–13 46 9,13 47 9,37 43 9,114 15 13,57 49 13,68 53 13,80 50 16,25 27 16,47 35 16,64 16, 58 16,77–81 35 16,97f 16, 58 17,4f 9 17,6f 10 17,12 56 17,25 35 18,12 24 18,13–15 24 18,17 23, 38 18,18 24 18,38 XXIX, 34 18,41 43 18,45–47 24 18,46 24 18,47 24 18,52 62 19,3 34 19,4 50 19,5 23 19,8 24, 50 19,9 33
STELLENREGISTER
113
19,23 XXVI, 50, 87 19,24 16 19,27 50 19,29 80 20,1 45 21,1–12 103 21,6f 107 21,12 X, 53 21,13 50 21,14–16 40, 41 21,16 97 Briefe (ep) Editionen: ep 1–29: Braun, CSCO 2,67 = CSCO 74 (Syr 30), teils zitiert nach der Paragrapheneinteilung der Übersetzung von Heimgartner (in Vorbereitung) ep 30–39: Heimgartner, CSCO 661 ep 40– 41: Heimgartner, CSCO 673 ep 42–58: Heimgartner, CSCO 644 1–39 XII 2 X 2,1,1–25 9 2,1,5–12 10, 18 2,1,13–24 5 2,2,21 100 2,2,23 100, 101 3–41 XIII, XXIII 7,29 64 7,30 64 7,31 64 7,32–35 64 7,36 64 7,37 64 7,38 64 7,39f 64 7,41–47 64 7,48 64 8a IX 20,2 106 24,9 4 26,1–29 XXIV, XXV, 103 26,21 XXV 30–39 XIV, XXVIII 30,7 38 31,1 38
114
STELLENREGISTER
34 XXXI 34–36 IX, XXX, XXXI 34,1,5 70 34,1,9 63, 102 34,1,10 61, 63 34,1,16 70 34,2,1 56 34,2,10 52 34,2,28 102 34,2,33 87 34,2,49 12 34,2,49–71 77 34,2,76 67, 101 34,3,1 61 34,3,15–20 101 34,3,22 88 34,3,47 101 34,3,58 12 34,3,60f 12 34,3,75–77 XXXI, 64, 82 34,3,77 12 34,4,10 81 34,4,11–15 70 34,4,12f 27, 103 34,4,12–15 69 34,4,22 12 34,4,40 80 34,5,30–32 53 34,6,13 12 34,6,35 16, 67 34,6,35–38 43 34,7,1 56 34,7,23 88 34,7,26 12 34,7,29 40, 64 34,7,31 42 34,7,36 87 34,8,4 34 35 XXXI, 83 35,1,1 51, 52 35,1,3 51 35,2,1 58 35,2,6–18 43 35,2,7 57 35,2,14 67 35,2,16 57 35,2,19 72
35,2,20f 25, 46 35,2,21 87 35,2,22 87 35,2,22f 27 35,2,29 12 35,2,31 43 35,2,32 60 35,3,8 39 35,3,9 30 35,3,10 12 35,3,18 12 35,3,56–61 61 35,3,61 67 35,3,62 67 35,4,12 63 35,5,7 95 35,5,9 54 35,5,23 67 35,5,34 54 35,5,38 80 35,5,47 16 35,6,13–28 XXXI, 82 35,6,18 XXXI, 82 35,6,20 82 35,6,23 67 35,6,26 82 35,6,28 38 35,7,5 93 35,7,13 102 35,8,10 XIX, 71 36,1,5 70 36,1,8 70 36,1,13 96 36,1,15 16 36,1,18 31, 34, 79, 95 36,1,36 10 36,1,48 12 36,1,56f 87 36,1,75 96 36,2,6 90 36,2,11 99 36,2,14 16, 90, 99 36,2,15 52 36,2,20 90 36,3,3 67 36,3,7 71 36,3,7f 71
STELLENREGISTER
36,3,10 12, 39, 50 36,3,32 38 36,4,22 12 37,4 52 38 83 38,1 51 38,9f 86 38,16 64, 83 38,26 63 38,28 63 38,29 63 39 83 39,10 63 39,21 63 39,24 38 39,30 30 39,34 104 39,37 63 39,40 63 39,46 63 40 IX 40 inscriptio IX 40,1 X 40,1,1 X, XIII 40,1,7 3 40,2 X 40,2,1–4 XVIII, 4 40,2,2 50 40,2,5 6, 12 40,2,10 21 40,2,13 XXIX, 51, 55, 56 40,2,17 16 40,2,19 7 40,2,20f 98 40,2,21 8 40,2,22 9 40,2,30 XXIX 40,2,31 4 40,2,35 17 40,3,1 XXIX 40,3,3f 16 40,3,5 24 40,3,6f XVII 40,3,7 XIII, 19, 20 40,3,8 XV, 90 40,3,9 13 40,3,10 14, 19, 24, 27
40,3,29 66 40,4,3 21 40,4,9 11 40,4,12 16 40,4,16 60 40,4,17–22 10, 38 40,4,23–28 14, 19, 24, 27 40,4,30 35 40,5,4 16 40,5,7 5 40,5,7–9 5 40,5,9 5 40,5,19 38, 101 40,5,21 76 40,5,22 69 40,5,23 13 40,5,24 14, 19, 27 40,5,26 76 40,5,27 26 40,5,32 28, 58, 73 40,5,35–44 26 40,5,37 10 40,5,39 14, 19, 24, 27 40,5,40 27 40,5,40f 27 40,5,43 27 40,5,43f 103 40,6,1–3 26, 58, 73 40,6,3 29, 31, 32 40,6,4 30 40,6,5 30 40,6,6 30 40,6,7 27, 30 40,6,9 30, 71 40,6,13 30 40,6,15 27, 30, 31 40,6,17 25 40,6,19 XXIX 40,6,22 32 40,6,24 30 40,6,26 32, 39 40,6,28 32 40,6,35 32 40,7 50 40,7,3 35 40,7,5f XXIX 40,7,7 XXIX, XXX
115
116
STELLENREGISTER
40,7,9f 35 40,7,11 20 40,7,31 76 40,7,33 41 40,7,36 69 40,7,38 101 40,8,1 38, 70 40,8,2 32, 44 40,8,4 XXIX, 41 40,8,6 40, 64 40,8,7 40, 43 40,8,9 40 40,8,10 40 40,8,13 46 40,8,16 46 40,8,21f 43 40,8,29 76 40,8,30 30 40,8,32 76 40,9,1 87 40,9,1–4 45 40,9,1–7 45 40,9,9 42 40,9,11 43 40,10,1–12 40 40,10,3f XXXII 40,10,4 49, 59 40,10,8 59 40,10,8–10 48 40,10,9 48 40,11,4 XII, XXVI 41 X, 40 XXV, XXIX, 6, 51, 55, 56 41 inscriptio 41,1 XI 41,1,2 XXX, 101 41,1,3 XXIX, 51 41,1,4 XXIX 41,1,6 XXXII 41,1,12 56, 77 41,1,17 XXIX, XXX, 6, 51, 56 41,2 XI 41,2f XXIII 41,2,4 XXIX, 6, 51, 55, 77 41,2,5 56, 69, 77 41,2,8 XXXI 41,2,9 XXXI 41,2,11f 43 41,2,14f 26, 28, 73
41,3–5 XI 41,3,10 XXX, XXXI 41,3,11 99 41,3,12 XXXI 41,3,17 XXXI 41,3,18 102 41,3,19 90, 91, 103, 104 41,3,20 40, 83, 84 41,3,23 XXXI 41,3,25 90 41,3,28 40, 64 41,3,32 XXX 41,3,34 XXX 41,3,36 40, 63, 64, 100 41,3,38 97, 100 41,3,39 XXXI 41,3,40 XXXI 41,3,42 57, 69 41,3,43 69 41,3,44 56, 70, 75, 105 41,3,45 90 41,4,1 57 41,4,1–4 XXI 41,4,5 XXI 41,4,5–7 XXI 41,4,6–11 29 41,4,7 XIX 41,4,12 XIX 41,5,4–9 60 41,5,9 26, 28, 58 41,5,11 67, 74 41,5,18f 69 41,5,19 70, 75 41,5,22f 67 41,5,24 29 41,5,26 67 41,5,28 XXX, 56, 63, 102 41,6–7 XI 41,6,1 78 41,6,2 XXVII, 87 41,6,10 87 41,6,19 51 41,6,22 51 41,6,23 81, 90, 102 41,6,24 80 41,6,26 XV, 102 41,6,27 80 41,6,29 XXXI
41,6,29–38 XXX, XXXI 41,6,31 30 41,6,32 XXX, 52 41,6,32–38 101 41,6,35 XXXI 41,6,36 XXXI 41,6,39 87 41,6,8 51, 63, 77 41,7–9 XXV 41,7,2 84 41,7,2–8 40, 64 41,7,4 77 41,7,9 84 41,7,10 84, 102 41,7,11 84 41,7,17 93 41,7,20 88 41,7,28 87 41,7,29–37 90 41,7,38 90 41,7,38–40 91 41,7,41–48 91 41,7,49–57 40, 64 41,7,52 XXXI 41,7,56 84 41,7,59 87 41,8 XI 41,8,8 XXIX 41,8,11 95 41,8,12 94 41,8,13 79 41,8,15 95 41,8,16 XXI, XXIII, 94 41,8,20 68 41,8,27–29 XXIX 41,8,28–30 97 41,8,37f 67 41,9,9 63 41,9,15 51 41,10,2 108 41,10,2f XXIII 41,10,3 XI, XIX, XXI 41,10,3–5 XIX 41,10,5f XXIII 41,10,7–22 XI 41,10,8 XXII, 63 41,10,15 70 41,10,21 XIV, XXIII
STELLENREGISTER
41,10,22 XXIV 41,11,2 XXIX, 51 41,11,4 108 41,11,9 103 41,11,11 XXI, XXII, XXVI 41,11,11f XXIII 41,11,13 XXI 41,11,15 XI, XIX, XXI, 51 41,11,16 51 41,11,17 51 42 XII, 83 42,1,7 38 42,2,7 87 42,3,20 32 42,3,20–30 26 42,3,21 32 42,3,25 32 42,3,27–30 32 42,3,34 26 42,3,35 32 42,3,40 32 42,4,6 17, 56 42,4,12 96 42,4,15 38 42,4,20 54 42,5,11 63, 79 42,5,13 63, 79 42,5,15 63 42,5,16 63 42,5,25 63, 79 42,5,27 38, 63 42,5,28 63 42,5,29 79 42,5,31 63, 79 42,5,32 63 42,5,34 63 42,5,35–37 38 42,5,39 104 42,5,44 104 42,6 65, 67 42,6,12 64, 83 42,6,13 86 42,6,16–28 62 42,6,21–28 54 42,6,30 74 42,6,32 38 42,6,37 93 42,6,40 77, 84
117
118
STELLENREGISTER
48,2 38, 108 48,5f 13 50,1 55 50,10 87 50,12 87 50,14 3, 87 50,15 16 50,18 16 54,5 38 54,10 4 54,11 108 56,4 12 57,3 4
42,6,43 99 42,6,44 38 42,6,45 99 42,6,48 75 42,6,49 99 42,6,54–63 93 42,7,8 38 42,7,13 12 43,1 IX 43,8 38 44,6 53, 54 44,9 38 45,4 87 46 IX 46 inscriptio 87 47 XII 47,12 38 47,15 38 47,31 96 48 X d) Christliche
Rechtsbuch Edition: Sachau, Rechtsbücher, Bd. 2 zitiert nach Seiten bei Sachau 54/55 XXVII 70/71 4
Autoren der römisch-byzantinischen Welt
Augustin De trinitate (trin) Edition: Mountain/Glorie, CChr.SL 50 und 50 A 5,8,9–5,10,11 7 Gregor von Nazianz (Greg Naz) Epistulae (ep) Edition: Gallay/ Jourjon; SC 208 101,16 83 101,19 85 101,20 86 101,21 64, 83 101,48 86 Orationes (or) Editionen: or 29/30: Gallay/Jourjon; SC 250 or 38/39: Moreschini/Gallay, SC 358 29,18f 65 29,19 85 30,1 93 30,8 74
30,21 77, 84, 93 38,7 84 39,16 84 Justin (Just) Dialog mit dem Juden Tryphon (dial) Edition: Marcovich, PTS 47 142,2f 50 Kyrill von Alexandrien 3. Brief an Nestorius Edition: Schwartz, ACO 1,1,1 zitiert nach Seiten bei Schwartz 42 105 Johannes Chrysostomos Oratio in Babylam (Or in Bab) Edition: Schatkin/Blanc/Grillet, SC 362 21 3 Pseudojustin (PsJust) Über die Auferstehung (de res) Edition: Heimgartner, Pseudojustin 1,6 3
STELLENREGISTER
e) Nichtchristliche
119
Autoren der römisch-griechischen Antike
Aristoteles (Arist) Kategorien (Kat) Edition: Minio-Paluello, Categoriae 1a,2f 82 1a,13 28 1b,25–2a,10 7 1b,26 XIII 3a,18–20 16 3b,33–4a,9 27, 103 6b,33 28 7b,15 15, 19, 20 7b,15f XIII, XV, XVII, 13 7b,16–8a,12 14 7b,23 14 7b,36f 6 7b,37 14 13b,14–30 14 14a,9–14 14 Hermeneutik (Herm) Edition: Minio-Paluello, Categoriae 16a,16–18 97 16b,1 28 16b,17 28 16b,38–17b,1 5 17a,23f 11 17b,5f 5 17b,28f 14 18a,2 14 20a,25f 14 21a,2 14
Metaphysik Edition: Jaeger, Metaphysica B3, 998b,22 11 Analytiken (An) Edition: Ross, Analytica 1 An 1,1 24a,16–22 5 1 An 1,1 24b,18–22 5 1 An 1,26 42b,30 28 2 An 2,1 89b,24f X Topika (Top) Edition: Ross, Topica 1,1 100a,27–29 5 1,1 100a,29f 5 1,15 106b,29 28 1,9 103b,20–23 7 2,1 108b,34–109a,1 5 2,9 114a,35 28 8 IX 9 IX 9,3 165b,8–11 X 9,19 177a,9–15 47 Porphyrios Isagoge Edition: Busse, Isagoge zitiert nach Seiten und Zeilen bei Busse 11,1–13 11 10,12f 11
f) Griechische, syrische und arabische
Kommentare und Handbücher zu Aristoteles und Porphyrios
Ammonios In Porphyrii Isagogen sive V voces Edition: Busse, CAG 4/3 zitiert nach Seiten und Zeilen bei Busse 102,9f 19 104,16–18 19
[Anonymus] Kurzkommentar zu Porphyrios’ Isagoge Edition: Moraux, Kurzkommentar zitiert nach Seiten und Zeilen bei Moraux 315f 19
120
STELLENREGISTER
David In Porphyrii Isagogen Commentarium Edition: Busse, CAG 18/2 zitiert nach Seiten und Zeilen bei Busse 1,14f X 1,15–18 68 189,27 19 191,23–26 19
Ibn Muqaffa‘ Manṭiq (Logikhandbuch) Edition: Dānēshpazhūh, Manṭiq Zitiert nach Seiten und Zeilen bei Dānēshpazhūh 9,14ff 7
Elias In Porphyrii Isagogen Edition: Busse, CAG 18/1 zitiert nach Seiten und Zeilen bei Busse 85,4–6 19 g) Synodensammlungen
Marūthā von Maipherkat 73 Kanones Edition: Braun, Synodo Nizäa, Kanon 63 12
INHALTSVERZEICHNIS Vorwort . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
v
Vorbemerkung . . . . . . . . . . . . . . . . .
vii
Einleitung . . . . . . . . . . . . . . 1. Zum Inhalt der Briefe 40 und 41 . . . . . . 2. Zur Forschungsgeschichte von Brief 40 . . . . 3. Zur Forschungsgeschichte von Brief 41 . . . . 4. Zur Datierung der Briefe 40 und 41 . . . . . 5. Zu den Schwierigkeiten der Edition, Übersetzung pretation . . . . . . . . . . . . . .
ix
. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . und Inter. . . .
xxvii
Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . .
xxxiii
ix xi xviii xxvi
Übersetzung . . . . . . . . . . . . . . . . .1 Brief 40 . . . . . . . . . . . . . . . . . . .3 Brief 41 . . . . . . . . . . . . . . . . . . .51 Stellenregister . . . . . . . . . . . . . . . .111 Inhaltsverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . .121
= 100,2 mm
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