Die Bewältigung des Pflegerisikos in Skandinavien [1 ed.] 9783428513321, 9783428113323

Demographische Veränderungen als Folge einer steigenden Lebenserwartung und einer sinkenden Geburtenrate stellen Wirtsch

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German Pages 321 Year 2004

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Die Bewältigung des Pflegerisikos in Skandinavien [1 ed.]
 9783428513321, 9783428113323

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Sozialpolitische Schriften Heft 87

Die Bewältigung des Pflegerisikos in Skandinavien Von Frank Wild

asdfghjk Duncker & Humblot · Berlin

FRANK WILD

Die Bewältigung des Pflegerisikos in Skandinavien

Sozialpolitische Schriften Heft 87

Die Bewältigung des Pflegerisikos in Skandinavien Von Frank Wild

asdfghjk Duncker & Humblot · Berlin

Die Fakultät für Wirtschaftswissenschaften der Technischen Universität Bergakademie Freiberg hat diese Arbeit im Jahre 2003 als Dissertation angenommen.

Bibliografische Information Der Deutschen Bibliothek Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über abrufbar.

Alle Rechte vorbehalten # 2004 Duncker & Humblot GmbH, Berlin Fremddatenübernahme: Berliner Buchdruckerei Union GmbH, Berlin Druck: AZ Druck und Datentechnik GmbH, Kempten (Allgäu) Printed in Germany ISSN 0584-5998 ISBN 3-428-11332-2 Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier ∞ entsprechend ISO 9706 *

Internet: http://www.duncker-humblot.de

Vorwort Die vorliegende Arbeit entstand während meiner Zeit als wissenschaftlicher Mitarbeiter am Lehrstuhl für Allgemeine Volkswirtschaftslehre der Technischen Universität Bergakademie Freiberg. Sie wurde im Juni 2003 als Dissertation angenommen. Das Buch widmet sich der Absicherung des Pflegerisikos in den skandinavischen Wohlfahrtsstaaten. Ich zeige für Schweden, Norwegen und Dänemark die Vorgehensweise bei der finanziellen Absicherung der Pflege und bei der Bereitstellung von Pflegeleistungen sowie die damit verbundenen Probleme. Die Arbeit versteht sich als ein Beitrag zur Sozialstaatsdebatte, wie sie gegenwärtig auch in der BR Deutschland stattfindet. Länderuntersuchungen tragen dazu bei, den hiesigen Horizont für andersartige Absicherungssysteme zu erweitern und die Vor- und Nachteile verschiedener Verfahren zu offenbaren. Die Diskussionen über Reformvorschläge wären tiefgründiger und sachlicher, wenn die entsprechenden Erfahrungen aus anderen Ländern mehr Berücksichtigung fänden. Mein Dank gilt vornehmlich meinem Doktorvater Prof. Dr. Bruno Schönfelder. Er gab mir durch seine fachliche Autorität viele wertvolle Anregungen. Gleichzeitig verschaffte er mir die Freiräume, die ich benötigte, um eine solche Arbeit zu verfassen. Für ihre Gutachtertätigkeit bedanke ich mich bei Prof. Dr. Horst Brezinski und Prof. Dr. Egon Franck. Darüber hinaus danke ich Prof. Dr. Peter Seidelmann für seine kritischen Anmerkungen, meinem Kollegen Besnik Bislimi für die inspirierenden Gespräche sowie Maren Göbel, Wolfram Göbel, Annelies Göbel, Bert Kübler, Andrea Meyer und Uwe Hunger für das Korrekturlesen. Einen aufrichtigen Dank schulde ich auch meiner Lebensgefährtin Anke Göbel. Ihre nimmermüde Unterstützung half mir, so manche Schwierigkeit zu meistern. Ein wichtiges Anliegen ist es mir schließlich, meinen Eltern zu danken. Ohne ihre selbstlose Hilfe in jeder Lebenslage hätte meine Arbeit nicht entstehen können. Freiberg, September 2003

Frank Wild

Inhaltsübersicht A. Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

23

B. Das Risiko der Pflegebedürftigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

28

C. Die demographische Situation in Skandinavien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

59

D. Die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen in Skandinavien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

74

E. Die Finanzierung der Pflege in Skandinavien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 106 F. Die Ökonomie der Pflegeleistungserstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 175 G. Die Angebotsstruktur in Skandinavien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 190 H. Historische und gegenwärtige Entwicklung des Pflegesektors in Skandinavien . . . . . . 213 I. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 268 J. Anhang . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 273 Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 287 Sachwortverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 315

Inhaltsverzeichnis A. Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

23

I. Problemstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

23

II. Ziel der Arbeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

24

III. Aufbau der Arbeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

25

B. Das Risiko der Pflegebedürftigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

28

I. Die medizinische Sichtweise . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

28

II. Pflegerisiko und Pflegeunsicherheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

32

III. Rechtfertigung staatlicher Einflussnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

33

1. Staatliche Fürsorge bei fehlender Versicherungspflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

34

2. Pflegeabsicherung bei Abwesenheit staatlicher Fürsorge . . . . . . . . . . . . . . . . . .

35

3. Gründe für Marktversagen und Marktunvollkommenheiten . . . . . . . . . . . . . . .

37

a) Negative externe Effekte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

37

b) Präferierung der häuslichen Pflege . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

38

4. Finanzielle Pflegeabsicherung als meritorisches Gut . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

39

a) Fehlerhafte Risikobewertung durch die Individuen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

40

b) Asymmetrische Informationsverteilung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

42

5. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

44

IV. Mögliche Finanzierungsformen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

45

1. Varianten der freiwilligen Absicherung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

45

2. Private Pflegepflichtversicherung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

47

3. Die Pflegeabsicherung als Sozialversicherung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

50

4. Finanzierung aus dem allgemeinen Steueraufkommen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

54

5. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

57

10

Inhaltsverzeichnis

C. Die demographische Situation in Skandinavien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

59

I. Überblick über die Entwicklung der Altersstruktur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

59

II. Geburtenrate und Lebenserwartung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

62

III. Migration . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

64

1. Wirkungen internationaler Migration . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

64

2. Migration und Einwanderungspolitik in Skandinavien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

66

IV. Auswirkungen der demographischen Entwicklung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

68

1. Folgen für den Arbeitsmarkt und das Humankapital . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

69

2. Wirkungen auf Konsum und Ersparnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

70

3. Folgen für den Staatshaushalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

71

4. Direkte Konsequenzen für die Absicherung des Pflegerisikos . . . . . . . . . . . . .

72

D. Die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen in Skandinavien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

74

I. Die Wirtschaft Skandinaviens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

74

1. Wirtschaftsstruktur und Wirtschaftsleistung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

74

2. Privatisierungen und Deregulierungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

77

3. Der öffentliche Sektor . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

78

a) Das Skandinavische Wohlfahrtsmodell . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

78

b) Die öffentlichen Ausgaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

81

c) Die öffentlichen Einnahmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

82

d) Staatsschuld und Intergenerational Accounting . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

84

e) Nachteile der nordischen Wohlfahrtspolitik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

88

II. Die Wirtschaft und die Fiskalpolitik Schwedens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

90

1. Aufbau des Wohlfahrtsstaates . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

90

2. Krisen und Reformen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

91

3. Lage am Ende des 20. Jahrhunderts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

93

III. Die Wirtschaft und die Fiskalpolitik Norwegens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

95

1. Ein Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

95

2. Erdölressourcen und Erdölfonds . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

96

3. Reformbedarf und Reformansätze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

98

Inhaltsverzeichnis

11

IV. Die Wirtschaft und die Fiskalpolitik Dänemarks . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

99

1. Strukturwandel und Ausdehnung öffentlicher Leistungen . . . . . . . . . . . . . . . . .

99

2. Krisen und Reformen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 100 3. Die Lage am Ende des 20. Jahrhunderts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 102 V. Pflegesystem und Wirtschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 103 1. Stabilität und Dynamik der Pflegevorsorge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 103 2. Zur Frage der mittel- und langfristigen Stabilität der Pflege in Nordeuropa 104 E. Die Finanzierung der Pflege in Skandinavien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 106 I. Das System der sozialen Sicherung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 106 1. Ein Überblick über die soziale Absicherung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 106 2. Die Sozialversicherung in Schweden und Norwegen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 107 3. Die soziale Absicherung in Dänemark . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 110 II. Die Absicherung des Pflegerisikos über die Sozialversicherung . . . . . . . . . . . . . . 111 1. Die Absicherung über die Sozialversicherung in Schweden . . . . . . . . . . . . . . . 112 a) Die Frührente (Förtidspension) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 112 b) Der Behindertenzuschlag (Handikappersättning) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 114 c) Der Pflegezuschuss (Vårdbidrag) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 115 d) Der Assistentenzuschuss (Assistansersättning) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 116 e) Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 119 2. Die Absicherung über die Sozialversicherung in Norwegen . . . . . . . . . . . . . . . 120 a) Die Behindertenrente (Uførepensjon) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 120 b) Die Grundunterstützung (Grunnstønad) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 121 c) Die Unterstützungshilfe (Hjelpstønad) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 122 d) Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 123 III. Die Absicherung durch den Zentralstaat in Dänemark . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 124 1. Die Frührente (Førtidspension) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 124 2. Die Betreuungszulage (Bistandstillæg) und die Pflegezulage (Plejetillæg) . 126 3. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 127 IV. Die Absicherung des Pflegerisikos durch die Kommunen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 127 1. Kommunale Struktur und kommunale Selbstverwaltung . . . . . . . . . . . . . . . . . . 128

12

Inhaltsverzeichnis 2. Die Finanzierung kommunaler Aufgaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 134 a) Die Finanzierungsstruktur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 134 b) Steuerautonomie vs. Finanzausgleich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 137 3. Die kommunale Einkommensteuer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 138 4. Die Probleme der Finanzierung der kommunalen Leistungserstellung . . . . . 140 V. Gesamtwirtschaftliche Wirkungen einer steuerfinanzierten Pflege . . . . . . . . . . . . 142 1. Das Steuersystem der nordischen Länder . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 143 a) Die Besteuerung des Einkommens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 143 b) Allgemeine und spezielle Verbrauchbesteuerung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 149 c) Sonstige Steuerarten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 149 2. Die Zusatzlast der Besteuerung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 150 3. Die Zusatzlast der kommunalen Einkommensteuer und der Sozialversicherungsbeiträge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 152 4. Moral hazard Verhalten im System der Pflegeabsicherung . . . . . . . . . . . . . . . . 154 VI. Analyse von distributiven Aspekten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 155 1. Interpersonelle Umverteilung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 156 2. Intertemporale Umverteilung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 157 3. Intertemporale und interpersonelle Umverteilung im Vergleich . . . . . . . . . . . 158 4. Bewertung der Umverteilung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 159 VII. Selbstbeteiligungen der Pflegebedürftigen in Nordeuropa . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 160 1. Der Umfang der Selbstbeteiligungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 160 a) Ein Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 160 b) Der ambulante Sektor . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 161 c) Der stationäre Sektor . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 162 d) Selbstbeteiligungen und Wohngeld . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 163 e) Determinanten des Selbstbeteiligungsumfanges . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 164 2. Die Wirkungen von Selbstbeteiligungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 166 a) Verteilungswirkungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 166 b) Finanzierungswirkung und allgemeine Steuerungseffekte . . . . . . . . . . . . . 167 c) Intersektorale Wirkungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 169

Inhaltsverzeichnis

13

d) Wirkungen im stationären Sektor . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 170 e) Wirkungen im ambulanten Sektor . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 171 VIII. Vereinheitlichung vs. individuelle Freiheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 172 F. Die Ökonomie der Pflegeleistungserstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 175 I. Private vs. öffentliche Produktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 175 1. Vergleich bezüglich der Arbeitsanreize . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 175 2. Auswirkungen der unterschiedlichen Eigentumsrechte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 177 3. Die Wirkungen von Wettbewerb . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 179 4. Zielfunktion öffentlicher Unternehmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 179 II. Marktversagen bei der Produktion von Pflege . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 180 1. Pflege als öffentliches Gut . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 180 2. Externe Effekte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 181 3. Qualitätssicherung als Rechtfertigung für eine öffentliche Produktion . . . . . 182 4. Pflegeversorgung auf dem Markt eines natürlichen Monopols . . . . . . . . . . . . . 187 5. Schlussfolgerung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 188 G. Die Angebotsstruktur in Skandinavien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 190 I. Ein Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 190 II. Öffentliche Produktion von Pflegegütern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 191 1. Staatliche Qualitätskontrolle bei privater Produktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 191 2. Qualitätssicherung bei öffentlicher Produktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 193 III. Private Pflegeunternehmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 195 1. Entwicklung und Wirkungsradius der privaten Pflegeunternehmen . . . . . . . . 195 a) Private Pflegeleistungen in Schweden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 195 b) Private Pflegeleistungen in Norwegen und Dänemark . . . . . . . . . . . . . . . . . 196 c) Ursachen der zunehmenden Bedeutung von privaten Anbietern . . . . . . . 198 2. Die privaten Pflegeanbieter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 199 3. Formen der Privatisierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 202 a) Das Ausschreibungsmodell . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 202 b) Das Auftraggeber-Auftragnehmer-Modell . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 203

14

Inhaltsverzeichnis c) Das Voucher- oder Konsumtionsmodell . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 204 d) Privatisierungsformen und kommunale Verantwortung . . . . . . . . . . . . . . . . 205 4. Privatisierung und Gesellschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 206 IV. Die Träger der Pflegeleistungen im empirischen Vergleich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 208 1. Gegenüberstellung von Kosten, Effizienz und Produktivität . . . . . . . . . . . . . . . 208 2. Vergleich der Arbeitsverhältnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 211

H. Historische und gegenwärtige Entwicklung des Pflegesektors in Skandinavien . . 213 I. Die historische Entwicklung der Pflegeversorgung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 213 1. Die Pflege- und Altenfürsorge bis 1950 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 213 2. Geschichte des stationären Sektors seit 1950 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 215 a) Ein allgemeiner Überblick über die Entwicklung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 215 b) Die Entwicklung der Pflegeheime . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 218 c) Entwicklung des Versorgungsgrads . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 220 3. Geschichte des ambulanten Sektors seit 1950 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 222 a) Ein Überblick über die Entwicklung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 222 b) Entwicklung des Versorgungsgrads . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 223 4. Entwicklung der Pflegequalität seit 1970 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 225 II. Ein Überblick über das gegenwärtige Pflegeangebot . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 228 1. Pflegeausgaben und Versorgungsgrad . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 228 2. Die Ausrichtung der Pflegeversorgung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 229 3. Bedarfsprüfung bei der Pflegefürsorge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 230 4. Pflegeausrichtung und Pflegekosten – ein Erklärungsversuch . . . . . . . . . . . . . 231 III. Die Pflege im ambulanten Sektor . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 231 1. Ein Überblick über das Angebot an ambulanten Leistungen . . . . . . . . . . . . . . . 231 2. Häusliche Hilfe und häuslicher Dienst . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 233 3. Krankenpflege . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 234 IV. Pflege im stationären Sektor . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 235 1. Das Angebot an stationären Leistungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 235 2. Die Bedeutung der stationären Pflegeformen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 237

Inhaltsverzeichnis

15

V. Das Qualitätsniveau der Pflegeversorgung in Nordeuropa . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 240 1. Kennzahlen der Pflegequalität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 240 2. Das Problem der Warteschlangen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 242 3. Sonstige Qualitätsprobleme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 244 VI. Die informelle Pflege . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 246 1. Die ökonomische Theorie der informellen Pflege . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 246 a) Altruistische Beweggründe für die informelle Betreuung . . . . . . . . . . . . . 247 b) Informelle Pflege als eigennütziges Verhalten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 248 2. Die Bedeutung der informellen Pflege in Nordeuropa . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 249 a) Überblick über den Umfang der informellen Fürsorge . . . . . . . . . . . . . . . . 249 b) Ursachen für die geringere Bedeutung der informellen Pflege . . . . . . . . . 252 3. Öffentliche Geldleistungen für informelle Betreuungstätigkeit . . . . . . . . . . . . 256 VII. Der Arbeitsmarkt für Pflegekräfte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 258 1. Ungleichgewicht aufgrund der Marktstruktur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 259 2. Die Spezifik der Lohnbildung der öffentlichen Hand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 260 3. Begründung durch die Suchtheorie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 261 4. Der Arbeitsmarkt für Pflegekräfte in Nordeuropa . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 262 a) Ein Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 262 b) Die Lohnbildung der Kommunen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 264 5. Lösungs- und Reformversuche . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 266 I. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 268 J. Anhang . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 273 Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 287 Sachwortverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 315

Tabellenverzeichnis Tabelle B-1:

Zusammenhang von Lebensalter und Krankheitsfällen in Norwegen . . . . .

31

Tabelle C-1:

Bevölkerungszahl, Bevölkerungsdichte und Fläche . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

59

Tabelle C-2:

Anteil der 65-Jährigen an der Gesamtbevölkerung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

61

Tabelle C-3:

Lebenserwartung und Fertilitätsrate . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

63

Tabelle D-1: Bruttoinlandsprodukt und Bruttoinlandsprodukt pro Kopf . . . . . . . . . . . . . . .

75

Tabelle D-2: Struktur des Bruttoinlandsproduktes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

77

Tabelle D-3: Kennzahlen der Einkommensverteilung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

80

Tabelle D-4: Struktur der Steuereinnahmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

85

Tabelle E-1:

Sozialversicherungsleistungen in Schweden für Pflegebedürftige bzw. Behinderte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 120

Tabelle E-2:

Sozialversicherungsleistungen für Pflegebedürftige bzw. Behinderte in Norwegen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 123

Tabelle E-3:

Leistungsbausteine der Frührente in Dänemark . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 126

Tabelle E-4:

Geldleistungen des Zentralstaates im Falle von Pflegebedürftigkeit bzw. Behinderung in Dänemark . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 127

Tabelle E-5:

Anteile der Aufgabenfelder der Kommunen und Provinziallandtage in Schweden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 129

Tabelle E-6:

Anteile der Aufgabenfelder der Kommunen und Kreise in Dänemark . . . . 132

Tabelle E-7:

Anteile der Aufgabenfelder der Kommunen und Provinzen in Norwegen

Tabelle E-8:

Struktur der kommunalen Einnahmen in Nordeuropa . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 136

Tabelle E-9:

Besteuerung des Arbeitseinkommens in Skandinavien . . . . . . . . . . . . . . . . . . 147

134

Tabelle G-1: Die größten privaten Pflegeunternehmen in Nordeuropa 2001 . . . . . . . . . . . 200 Tabelle H-1: Über 80-Jährige in der stationären Pflege . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 217 Tabelle H-2: Pflegeplätze in der stationären Betreuung und in altersgerechten Wohnungen in Dänemark . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 238 Tabelle H-3: Pflegeplätze in der stationären Betreuung und in altersgerechten Wohnungen in Norwegen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 239 Tabelle H-4: Pflegeplätze in der stationären Betreuung und in altersgerechten Wohnungen in Schweden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 240 2 Wild

18

Tabellenverzeichnis

Tabelle J-1:

Bevölkerungsstruktur in Nordeuropa . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 273

Tabelle J-2:

Bevölkerungsprognose nach Altersgruppen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 274

Tabelle J-3:

Kennzahlen der Einwandererbevölkerung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 275

Tabelle J-4:

Staatsausgaben nach Bereichen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 275

Tabelle J-5:

Struktur der Sozialausgaben 1995 und 1999 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 276

Tabelle J-6:

Börsenkapitalisierung und Kreditmarkt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 276

Tabelle J-7:

Ausgaben für Forschung und Entwicklung 1985 – 1997 . . . . . . . . . . . . . . . . . 277

Tabelle J-8:

Kennzahlen des Arbeitsmarktes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 277

Tabelle J-9:

Wechselkurse 1990 – 2002 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 277

Tabelle J-10: Kennziffern der Dezentralisierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 278 Tabelle J-11: Kommunale Steuern und Ausgaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 278 Tabelle J-12: Altersstruktur der Population der Rentenempfänger . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 279 Tabelle J-13: Pflegebedürftige in stationärer Versorgung und in altengerechten Wohnungen in Norwegen 1970 – 1995 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 280 Tabelle J-14: Anzahl Pflegebedürftiger in stationärer Versorgung und in altengerechten Wohnungen in Schweden 1965 – 1991 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 281 Tabelle J-15: Pflegebedürftige in stationärer Versorgung und in altengerechten Wohnungen in Dänemark 1964 – 1994 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 282 Tabelle J-16: Pflegebedürftige in Einzimmerwohnungen nach Typ der stationären Einrichtung 1954 – 1995 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 283 Tabelle J-17: Pflegebedürftige in ambulanter Betreuung in Norwegen 1965 – 1994 . . . . 284 Tabelle J-18: Versorgung Pflegebedürftiger in ambulanter Betreuung in Schweden 1960 – 1995 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 285 Tabelle J-19: Pflegebedürftige in ambulanter Betreuung in Dänemark 1976 – 1994 . . . . 286

Abbildungsverzeichnis Abbildung D-1: Anteil der Staatsausgaben am BIP . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

82

Abbildung D-2: Steuern und Abgaben im Verhältnis zum BIP . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

83

Abbildung D-3: Staatsschuld im Verhältnis zum BIP . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

86

Abbildung H-1: Anzahl der Plätze für die stationäre Betreuung in Schweden, Dänemark und Norwegen von 1967 bis 1995 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 217 Abbildung H-2: Anzahl der Plätze für die stationäre Betreuung nach Art der Institution in Norwegen von 1966 bis 1995 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 219 Abbildung H-3: Anzahl der Plätze für die stationäre Betreuung nach Art der Institution in Schweden von 1965 bis 1995 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 220 Abbildung H-4: Versorgungsgrad der stationären Pflege in Dänemark, Norwegen und Schweden von 1967 bis 1994 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 221 Abbildung H-5: Anzahl der Personen, die häusliche Hilfe erhalten, in Dänemark, Norwegen und Schweden von 1967 bis 1994 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 223 Abbildung H-6: Versorgungsgrad der häuslichen Pflege in Dänemark, Norwegen und Schweden von 1967 bis 1995 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 224

2*

Abkürzungsverzeichnis AB Ädel A/S ATP BIP BR BSP DK ESO ESt HK / Kommunal IMF ISS jährl. KL LO monatl. Nor NOR Swd

Aktiebolag, Aktiengesellschaft in Schweden Äldredelegationen, Reform der Alten- und Pflegebetreuung in Schweden – Aksjeselskap, Aktiengesellschaft in Norwegen – Aktieselskap, Aktiengesellschaft in Dänemark Arbejdsmarkedets Tillægspension, Zusatzrente in Dänemark Bruttoinlandsprodukt Bundesrepublik Bruttosozialprodukt Dänemark Expertgruppen för studier i offentlig ekonomi, Komitee des schwedischen Finanzministeriums Einkommensteuer Handels- og Kontorfunktionærernes Forbund, Fachorganisation der kommunalen Beschäftigten in Dänemark International Monetary Fund, Internationaler Währungsfonds Integrated Service Solutions, weltweit tätiges Facility Service und Betreuungsunternehmen aus Dänemark jährlich Kommunernes Landesforening, Kommunalverband in Dänemark Landsorganisasjonen, Gewerkschaftsverband in Norwegen monatlich Norwegen Norsk Omsorg og Rehabilitering, Pflegeunternehmen aus Norwegen Schweden

A. Einleitung I. Problemstellung Ein zentrales Anliegen eines Wohlfahrtsstaates ist die Absicherung seiner Bevölkerung gegenüber Armut und sozialer Verelendung. Das Risiko von der Gesellschaft ausgegrenzt zu werden und ohne ausreichende finanzielle Mittel leben zu müssen, ist besonders bei älteren bzw. pflegebedürftigen Personen erheblich. Während die Einführung einer gesetzlichen Rentenversicherung zu den ältesten sozialstaatlichen Leistungen zählt, wurde indessen die Absicherung des Pflegerisikos in vielen Industrieländern lange Zeit vernachlässigt. In den meisten Industrieländern wurde das Pflegerisiko ungenügend als spezielles Risiko beachtet.1 Die Finanzierung einzelner Leistungen war bzw. ist meist verschiedenen Zweigen des Sozialsystems zugeordnet. Obwohl die Problemlage der Pflegebedürftigkeit schon alt ist, ist das Interesse an der Pflegeabsicherung erst in neuerer Zeit deutlich gewachsen. Die wesentlichen Ursachen liegen zum einen in der steigenden Lebenserwartung und den sich verändernden Familienstrukturen. Zum anderen ist es für eine entwickelte Gesellschaft in zunehmend geringerem Maße tragbar, über eine Verarmung größerer Bevölkerungsteile im Alter hinwegzusehen. Das Interesse für wirtschaftliche und soziale Sicherheit steigt typischerweise mit zunehmendem Wohlstand. In naher Zukunft lassen demographische und gesellschaftliche Entwicklungen einen weiteren Nachfrageanstieg nach professionellen Pflegeleistungen erwarten. Zu berücksichtigen ist dabei, dass der Eintritt der Pflegebedürftigkeit auch Auswirkungen auf Familienmitglieder bzw. die nahen Verwandten ausübt. Neben körperlichen und seelischen Belastungen können auch erhebliche finanzielle Bürden auftreten. In Nordeuropa spielt die Altenpflege durch den Staat seit längerer Zeit eine bedeutende Rolle. Die Absicherung des Pflegerisikos besitzt in dieser Region schon eine vergleichsweise lange Tradition. Die Pflegeverantwortung liegt im Wesentlichen in den Händen der Gemeinden2. Diese finanzieren die Pflegebetreuung vorwiegend aus kommunalen Einnahmen. Die Gemeinden nehmen ihre Pflegeverantwortung zum überwiegenden Teil dadurch wahr, dass sie die Pflegeleistungen in Eigenregie bereitstellen. Am nordischen Wohlfahrtssystem mit seinen umfassenden Leistungen interessiert gerade auch die Pflegeversorgung. Das Qualitätsniveau der Betreuung wird 1 2

Vgl. Hudson (1997), S. 103 – 115. Die Begriffe Kommune und Gemeinde werden in dieser Arbeit synonym verwendet.

24

A. Einleitung

im Allgemeinen als überdurchschnittlich hoch bewertet. Das Angebot an Pflegeleistungen ist zudem durch eine große Vielfalt gekennzeichnet. Verschiedene Sozialpolitiker außerhalb des nordischen Raums verwenden die Pflegeabsicherung in dieser Region häufig als Vergleichsmaßstab, um ein ähnliches Niveau und eine ähnliche Mannigfaltigkeit der Leistungen in ihren Ländern zu fordern. Zu beachten sind jedoch die erheblichen Kosten, die diesem Pflegeangebot gegenüberstehen. Die umfassenden staatlichen Wohlfahrtsleistungen erfordern eine hohe Steuerquote, woraus eine erhebliche Hemmung der volkswirtschaftlichen Wertschöpfung resultiert. Es ist zu bedenken, dass ein stabiles gesamtwirtschaftliches Fundament notwendig ist, um umfassende öffentliche Leistungen gewähren zu können. Die ökonomische Grundlage unterliegt jedoch bei einer allzu hohen Steuerbelastung der Erosion.

II. Ziel der Arbeit Länderuntersuchungen können dazu beitragen, die Vor- und Nachteile unterschiedlicher Verfahren klarer zu erkennen. Damit ist es möglich, Lösungsalternativen zu entdecken und ihre praktische Wirksamkeit zu analysieren. Mit der Untersuchung der Pflegesysteme von Schweden, Norwegen und Dänemark3 möchte der Verfasser an diesem Prozess mitwirken.4 In den skandinavischen Ländern5 selbst werden zum sozialen Bereich erhebliche Forschungen getätigt. Auf Grund der sprachlichen Barriere bleibt diesenStudien aber vielfach eine Beachtung im deutschen Sprachgebiet verwehrt. Auf die Originalpublikationen soll daher hier bevorzugt zurückgegriffen werden. In dieser Arbeit wird zum einen die Finanzierungs- und zum anderen die Angebotsseite des nordischen Pflegesystems untersucht. Es werden auch die Leistungen erörtert, die Pflegebedürftige erhalten, die das Rentenalter noch nicht erreicht haben. Im Gegensatz zur überwiegend kommunalen Vorsorge für die pflegebedürfti3 Bei der Betrachtung Dänemarks werden Sonderregelungen für Grönland und die FäröerInseln vernachlässigt. 4 Für das Größenverständnis der in dieser Arbeit genannten Zahlenwerte hier die Wechselkurse des Jahres 2000: 1 A entsprach etwa 8,45 skr, 8,11 nkr und 7,45 dkr. Vgl. auch Anhang Tabelle J-9. 5 Unter dem Begriff Skandinavien werden je nach Betrachtungsweise unterschiedliche Gebiete subsumiert. Aus geographischer Sicht zählen hierzu nur die Länder der skandinavischen Halbinsel, also Schweden und Norwegen. Unter kulturellem und politischem Blickwinkel wird diese Bezeichnung auf Dänemark, Finnland und Island erweitert. Vgl. Alestalo / Kuhnle (1987), S. 3. In dieser Arbeit werden die Bezeichnungen skandinavische Länder, Skandinavien bzw. Nordeuropa als zusammenfassende Begriffe für Schweden, Norwegen und Dänemark verwendet. Finnland und Island, die unter der erweiterten Definition des Begriffs Skandinavien korrekterweise gefasst werden müssten, werden hier nicht näher vorgestellt.

III. Aufbau der Arbeit

25

gen Altersrentner werden in Schweden und Norwegen Leistungen für die jüngeren Pflegebedürftigen zum großen Teil über eine Sozialversicherung bereitgestellt. In Dänemark werden zudem einige Geldleistungen durch den Zentralstaat angeboten. Ein weiterer Schwerpunkt der Arbeit liegt in der Analyse allokativer und distributiver Aspekte. Insbesondere die Wirkungen des umfassenden staatlichen Einflusses sind zu untersuchen. Es ist dabei grundsätzlich zu fragen, inwieweit dieser Interventionismus gerechtfertigt ist. Auch hier werden sowohl die Angebots- als auch die Finanzierungsseite erörtert. Ein dritter Untersuchungsgegenstand dieser Arbeit ist die Analyse der demographischen und ökonomischen Stabilität des nordischen Pflegesystems. Es wird die Frage erörtert, inwieweit das derzeitige Pflegeangebot und das aktuelle Finanzierungssystem auch in naher Zukunft aufrechterhalten werden können. Damit soll eine Beurteilung des Pflegesystems Skandinaviens auch unter mittel- bis langfristiger Sicht möglich werden. Dazu werden die demographische und die wirtschaftliche Situation in den skandinavischen Ländern dargelegt. Mit dieser Erörterung wird der Tatsache Rechnung getragen, dass die Pflegeabsicherung in einer Wechselbeziehung mit Demographie, Wirtschaftswachstum und Fiskalpolitik steht.6

III. Aufbau der Arbeit Zu Beginn der Arbeit wird das Risiko der Pflegebedürftigkeit erörtert. Dabei wird insbesondere untersucht, inwieweit sich ein Markt zur Absicherung dieses Risikos bildet. Ist der Markt für Pflegeversicherungen durch Marktversagen gekennzeichnet, wäre eine staatliche Einflussnahme gerechtfertigt. Vorgebracht werden neben der theoretischen Analyse auch empirische Untersuchungen. Es werden drei mögliche Absicherungsformen erörtert: die private Pflegepflichtversicherung, die Absicherung über eine Sozialversicherung und die steuerfinanzierte Pflege. Diskussionsgegenstand sind hierbei sowohl ökonomische als auch sozialpolitische Aspekte der verschiedenen Möglichkeiten. Nachdem damit einige grundsätzliche Gesichtspunkte der finanziellen Absicherung des Pflegerisikos analysiert sind, wird die Analyse ab dem Kapitel C. auf die skandinavischen Verhältnisse fokussiert. Da die Bevölkerungsstruktur und ihre Entwicklung einen wesentlichen Einfluss auf die Absicherung ausüben, ist zunächst die demographische Situation Nordeuropas zu beleuchten. In zwei Abschnitten wird auch darauf eingegangen, welche Auswirkungen die erwarteten Änderungen in der Bevölkerungsstruktur für die Ökonomie im Allgemeinen und das Pflegerisiko im Speziellen vermutlich haben werden. Im Mittelpunkt des Kapitels D. steht der wirtschaftliche Rahmen der nordischen Länder und dabei insbesondere die Finanzlage des öffentlichen Sektors. Es wird 6

Vgl. Hudson (1997), S. 104.

26

A. Einleitung

untersucht, über welchen Manövrierraum die skandinavischen Staaten in der Fiskalpolitik verfügen und welche Konsequenzen sich damit für die Pflegeabsicherung ergeben. Eine solche Darstellung zeigt zum einen die Wahrscheinlichkeit von Reformen und deren mögliche Richtungen auf, zum anderen kann hierbei auch auf die unterschiedliche ökonomische Lage der nordischen Länder, insbesondere von Norwegen im Vergleich mit Schweden und Dänemark, eingegangen werden. Im Kapitel E. wird die Finanzierung der Pflege in Skandinavien analysiert. Dabei wird sowohl auf die Leistungen der Sozialversicherung als auch auf die Rolle der Kommunen eingegangen. Es zeigt sich dabei, dass die Verantwortung für die Pflegeversorgung im Wesentlichen bei den Kommunen liegt. Die gesamtwirtschaftlichen Wirkungen, die aus dieser Absicherung resultieren, werden analysiert. Von besonderer Bedeutung sind hierbei zum einen die Lasten, die sich aus der Finanzierung der kommunalen Leistungen ergeben, zum anderen sind Umverteilungswirkungen zu berücksichtigen. Hierbei werden interpersonelle und intertemporale Wirkungen analysiert. Im letzten Teil des Kapitels E. wird die Finanzierung der Pflegeabsicherung über Selbstbeteiligungen in Nordeuropa diskutiert. Hierbei erfolgt eine Analyse der Selbstbeteiligungen hinsichtlich ihrer Verteilungswirkungen, der Finanzierungswirkung, der allgemeinen Steuerungswirkung sowie der sektoralen bzw. intersektoraler Wirkungen. Zudem wird noch die Frage diskutiert, ob ein einheitliches, hohes Niveau der Pflegeabsicherung aus Wohlfahrtsgründen als wünschenswert anzusehen ist. Nachdem bis dahin vorwiegend die Finanzierung der Pflege erläutert wurde, gelten die Kapitel F. bis H. der Angebotsseite, d. h. der Produktion des Guts Pflege. Im Kapitel F. ist zuerst zu überprüfen, ob ein staatlicher Einfluss auf die Leistungserstellung zu rechtfertigen ist. Es ist zu untersuchen, inwieweit sich ein Staatseingriff durch Marktversagen begründen lässt. Dabei werden verschiedene mögliche Formen des Marktversagens in Betracht gezogen. Der Schwerpunkt liegt auf der Analyse möglicher Informationsmängel auf Seiten der Bedürftigen hinsichtlich der Pflegequalität. Diese Analyse wird im Kapitel G. auf die Pflegeangebotsstruktur in Nordeuropa angewendet. Hierbei wird auch auf die Rolle privater Pflegeunternehmen eingegangen. Dabei werden die Effizienz und die Produktivität der verschiedenen Anbieter von Pflegeleistungen in Skandinavien mit Hilfe empirischer Daten verglichen. Im Kapitels H. werden die Pflegeleistungen in Nordeuropa für den ambulanten und stationären Sektor im Einzelnen vorgestellt. Es zeigen sich dabei die umfangreichen und vielfältigen Pflegeangebote in dieser Region. In einem Unterpunkt wird auch die historische Entwicklung dieser Leistungsangebote geschildert. Zudem erfolgt eine separate Erörterung von Qualitätsaspekten in der nordischen Pflegeversorgung. Es werden Qualitätsprobleme und Ansätze für deren Lösung dargelegt. Eine gesonderte Analyse gilt darüber hinaus der informellen Pflege. Neben der ökonomischen Theorie der informellen Pflege wird die Bedeutung dieser Pflegeform in den nordischen Ländern gewürdigt.

III. Aufbau der Arbeit

27

Am Schluss des Kapitels H. folgt eine Untersuchung des Arbeitsmarkts für Pflegekräfte mit einer Erläuterung der Situation in den einzelnen nordischen Ländern. Von Bedeutung ist die jeweilige Arbeitsmarktlage, insbesondere hinsichtlich der Entwicklung der Pflegequalität und der Pflegekosten.

B. Das Risiko der Pflegebedürftigkeit In diesem Kapitel wird die Diskussion über die Notwendigkeit einer Absicherung des Pflegerisikos nachgezeichnet. Im ersten Teil werden die wichtigsten Alterskrankheiten und ihr Einfluss auf den Pflegebedarf vorgestellt. Im zweiten Abschnitt wird auf die ökonomischen Konsequenzen der Pflegebedürftigkeit und die Möglichkeiten zur Absicherung dieses Risikos eingegangen. Dabei zeigt sich, dass verschiedene Merkmale des Pflegerisikos eine Marktlösung erschweren. Im letzten Teil werden verschiedene Möglichkeiten zur Absicherung des Pflegerisikos vorgestellt.

I. Die medizinische Sichtweise Veränderungen des menschlichen Organismus führen mit zunehmendem Alter zu einer verstärkten Anfälligkeit gegenüber Krankheiten und damit zu einem Anstieg der Morbidität. Die Auswirkungen gesundheitlicher Störungen können sich im Zeitablauf kumulieren bzw. über Kettenreaktionen Sekundärstörungen auslösen.1 So wird durch Multimorbidität das Risiko für schwerwiegende Ereignisse deutlich erhöht. Der Grund liegt im erschwerten Genesungsprozess und den auftretenden Komplikationen im Zusammenhang mit medizinischen Leistungen. Ein beträchtlicher Teil dieser Komplikationen ist dabei nicht vorhersehbar.2 Mit zunehmenden Alter treten damit eine oder mehrere Behinderungen auf, die dazu führen, dass die Fähigkeit eines Menschen abnimmt, sein Leben unabhängig von der Hilfe Anderer zu gestalten. Mit ansteigendem Lebensalter nimmt damit die Wahrscheinlichkeit zu, pflegebedürftig zu werden.3 Auf regelmäßige Betreuung und Hilfe angewiesen zu sein, ist allerdings nicht ausschließlich ein Phänomen des höheren Lebensalters. Ein nicht zu vernachlässigender Teil von Menschen jüngeren und mittleren Alters ist pflegebedürftig, häufig entweder von Geburt an oder als Folge eines Unfalls. Der Pflegebedürftige ist in den meisten Fällen durch mehrere Beschwerden (Multimorbidität) belastet.4 Nachstehend seien einige typische Alterskrankheiten und ihre Auswirkungen auf den Pflegebedarf genannt.5 1 2 3 4

Vgl. Zweifel (1994), S. 27. Vgl. Kruse (1992), S. 113. Vgl. Laing (1993), S. 96 – 101. Vgl. Kruse (1992), S. 14.

I. Die medizinische Sichtweise

29

Demenzerkrankungen Mit zunehmendem Alter wächst die Wahrscheinlichkeit von Gehirnerkrankungen. Während unter den 60 bis 70-jährigen Personen etwa 1 – 2 % davon betroffen sind, sind es bei den 70 bis 80-Jährigen bereits 7 %. In der Altersgruppe der Menschen zwischen dem 80. und dem 90. Lebensjahr leiden 15 – 20 % an Demenz.6 Gehirnerkrankungen führen dazu, dass selbst einfachste Tätigkeiten nur mit der Unterstützung von Pflegepersonen möglich sind. Im Verlauf dieser Erkrankungen kommt es meist zu Persönlichkeitsveränderungen der Betroffenen. Daraus folgt häufig eine soziale Isolation. Die Demenzerkrankung wird damit als langsamer sozialer Tod angesehen.7 Kardiovaskuläre Erkrankungen Die meisten körperlichen Behinderungen im Alter werden durch Erkrankungen des Herzens verursacht. Dabei ist zu beachten, dass sich die Herzfunktion jährlich, vom 20. Lebensjahr ab, um etwa 1 % vermindert.8 Neurologische Erkrankungen Mit höherem Alter steigt die Wahrscheinlichkeit, einen Schlaganfall zu erhalten. Für die Pflegeversorgung hat dies eine erhebliche Bedeutung, ist doch diese Erkrankung mit einem intensiven Pflegeaufwand und einer langwierigen Rehabilitation verbunden. Harn- und Stuhlinkontinenz Die Inkontinenz ist eines der Hauptprobleme älterer Menschen, da diese Krankheit tief in die Psyche des Betroffenen eingreift. Häufig führt Inkontinenz zu einer Verringerung der sozialen Kontakte bzw. zu einer erheblichen Einschränkung des Lebensraums. Den Betreuenden ist dabei die Betreuung der Betroffenen oftmals unangenehm. Dies kann zu einer mangelnden Fürsorge und damit zu einer gesundheitlichen Gefährdung des Patienten führen. Fraglich ist, ob Familienangehörige in einem solchen Fall überhaupt die Pflegeversorgung übernehmen möchten. Wenn nicht, ist eine Unterstützung durch professionelle Pflegekräfte notwendig. So kann 5 Da es sich bei dieser Arbeit um keine medizinische Erörterung des Alterungsprozesses handelt, kann diese Darstellung nicht erschöpfend sein. Hierzu sei auf Fachliteratur der Geriatrie verwiesen. Zum Beispiel Martin / Junod (1990) sowie für den skandinavischen Raum Dehlin / Rundgren (1995) bzw. Olsen-Hellberg / Mehlin (1996). 6 Vgl. Alzheimer Forum (1998), S. 3. 7 Vgl. Thomas (1997); Alzheimer Forum (1998), S. 2. 8 Vgl. Rivier (1990), S. 239.

30

B. Das Risiko der Pflegebedürftigkeit

dieses Leiden auch der entscheidende Faktor für den Umzug in ein Pflegeheim sein. Verschiedene Schätzungen – unter Einbezug einer beträchtlichen Dunkelziffer – gehen davon aus, dass rund 10 % der zu Hause lebenden Betagten an Inkontinenz leiden.9 In den Pflegeheimen ist der Anteil wesentlich höher.10 Folgen von Stürzen Mit höherem Alter nimmt die Zahl der Stürze deutlich zu. Von den zu Hause lebenden älteren Menschen stürzt ein Drittel mindestens einmal im Jahr. Heimbewohner stürzen doppelt so häufig.11 Mit jedem Sturz wächst auch die Unsicherheit, den Alltag noch eigenständig bewältigen zu können. Somit sind häufig nicht die Verletzungen selbst, sondern die Angst vor einem weiteren Sturz die Ursache für zunehmende Immobilität und Unselbstständigkeit.12 Zu beobachten ist, dass diese Angst bei den nahen Angehörigen stärker ausgeprägt ist als bei den Betroffenen selbst. Dies führt oftmals zu übervorsichtigen Maßnahmen, womit allerdings meist die Autonomie der älteren Menschen eingeschränkt wird. Im Extremfall wird eine stationäre Betreuung veranlasst.13 Die Furcht vor Stürzen ist jedoch nicht unberechtigt, zählen diese doch zu den häufigsten Todesursachen von über 75-jährigen Menschen.14 Eine Datensammlung des norwegischen Statistikamts zeigt für die Mehrzahl der Krankheiten mit zunehmendem Lebensalter eine steigende Prozentzahl der Betroffenen. Einen erheblichen Anstieg der Morbiditätsrate finden wir bei Erkrankungen des Herzens bzw. des Bewegungsapparats. So leiden 51 % der über 80-Jährigen an Herzerkrankungen, nachdem der entsprechende Wert bei den Menschen bis zum 44. Lebensjahr bei 12 % lag. Aber auch Muskel- und Knochenerkrankungen nehmen etwa ab der Mitte des Lebens deutlich zu.

Vgl. Nikolaus (1992), S. 63. Eine Untersuchung im Hôpital de gériatrie in Genf ergab, dass etwa 50 % der Patienten davon betroffen sind. Vgl. Chuat / Stalder (1990), S. 363. 11 Die größere Anzahl von Stürzen in Pflegeheimen gründet sich auf den höheren Pflegebedürftigkeitsgrad der Heimbewohner. 12 Untersuchungen in Frankreich, Kanada und Großbritannien zeigten, dass weniger als 10 % der Stürze von älteren Menschen zu körperlichen Verletzungen führten. Vgl. Martin / Junod (1990), S. 299. 13 Eine französische Studie zeigte für die Stadt Toulouse, dass 39 % der über 75-jährigen Menschen, nach einem Sturz – bei dem keine körperlichen Verletzungen auftraten – von den Angehörigen in einem Pflegeheim untergebracht wurden. Vgl. Marin / Junod (1990), S. 302. 14 Vgl. Kruse (1992), S. 78. 9

10

I. Die medizinische Sichtweise

31

Tabelle B-1 Zusammenhang von Lebensalter und Krankheitsfällen in Norwegen Anteil der Erkrankten [in % der jeweiligen Altersgruppe] Lebensalter Krankheiten

0 bis 6

7 bis 15 16 bis 24 24 bis 44 45 bis 66 67 bis 79 ab 80

nervöse Leiden

1

4

5

7

9

13

10

Augenerkrankungen

3

4

6

6

13

29

48

Herzkrankheiten

1

1

2

8

24

44

51

Erkrankungen der Atmungsorgane

14

17

25

19

17

16

15

Magenerkrankungen

0

0

1

2

4

8

6

andere Erkrankungen der Verdauungsorgane

2

1

1

2

6

9

11

Hauterkrankungen

8

8

11

12

8

8

7

Muskel- und Knochenerkrankungen

3

4

13

24

42

48

40

Quelle: Vgl. Statistisk sentralbyrå (1995). Die Daten wurden ausgewählt aus einer Gesundheitsuntersuchung von 1995.

Eine eindeutige Begriffsbestimmung der Pflegebedürftigkeit existiert nicht.15 Eine Definition ausschließlich über den Autonomieverlust eines Menschen greift zu kurz, da auch im Krankheitsfall eine Person auf Unterstützung angewiesen ist. Pflege wird damit typischerweise als langfristiger Hilfebedarf verstanden. Da aber die Festsetzung der Zeitdauer ebenfalls Schwierigkeiten erbringt, lassen sich Abgrenzungsprobleme zwischen einem Kranken- und einen Pflegefall kaum vermeiden. Da eine medizinisch klare Definition des Begriffs der Pflegebedürftigkeit nicht existiert, ist der Erbringer von Versicherungsleistungen gefordert, eine Klassifizierung der Schadensfälle zu entwerfen. Zur Bestimmung der Pflegebedürftigkeit ist bei einer versicherungsmäßigen Absicherung die Verwendung von Punktetabellen meist unerlässlich. Danach wird Pflegebedürftigkeit dann attestiert, wenn bestimmte Grundverrichtungen nicht mehr selbstständig ausgeführt werden können. Die Bewertung von Verrichtungen bzw. das Aufstellen einer Punktetabelle ist jedoch ebenfalls komplex. Insbesondere eine gleichwertige Behandlung von geistigen und körperlichen Behinderungen bereitet Schwierigkeiten.16 Dabei sind die Fragen: Wann sollen Versicherungsleistungen gezahlt werden und wann ist von einer Pflegebedürftigkeit auszugehen, fundamental für die Absicherung des Pflegerisikos. Es ist zu bedenken, dass nicht nur die Einstufung als Pflegefall an sich vorgenommen werden muss, auch der Grad der Bedürftigkeit ist 15 16

Vgl. Barron / Michailakis / Söder (2000), S. 139 – 141. Vgl. Baltes (1996), S. 7 – 24.

32

B. Das Risiko der Pflegebedürftigkeit

festzustellen. Im Weiteren ist eine Grenze zwischen Krankheit und Pflegebedürftigkeit zu ziehen, da hiervon typischerweise der Leistungsanspruch und die Zuständigkeit der Kostenträger abhängen. Die Definition der Pflegebedürftigkeit und die Festsetzung von Pflegestufen ist eine anspruchsvolle Aufgabe, sind doch sowohl körperliche als auch geistige bzw. seelische Leiden zu berücksichtigen.

II. Pflegerisiko und Pflegeunsicherheit Um den zentralen Begriff des Pflegerisikos einordnen zu können, ist zuerst zu fragen, inwieweit die Individuen die Wahrscheinlichkeit des Eintritts eines Schadensfalls bewerten können. Damit kann eine Einordnung in die Terminologie von Knight vorgenommen werden, nach der zwischen Risiko und Unsicherheit unterschieden wird.17 Von einem Risiko wird nach Knight dann gesprochen, wenn die Verteilung der Ergebnisse bekannt ist und den einzelnen möglichen Resultaten Wahrscheinlichkeiten zugeordnet werden können. Für alle Situationen, bei denen dies nicht möglich ist, wurde von Knight der Begriff der Unsicherheit eingeführt. Eine solche grobe Einteilung ist allerdings in der Realität wenig hilfreich, liegt doch fast nie eine vollkommene Information über mögliche zukünftige Umweltzustände und ihre Wahrscheinlichkeitsverteilung vor, so dass praktisch immer von Unsicherheit gesprochen werden müsste. Im Pflegefall lässt sich eine Wahrscheinlichkeit des Schadenseintritts insofern ansetzen, als der Prozess des Alterns obligatorisch ist und die Wahrscheinlichkeit der Pflegebedürftigkeit mit steigendem Alter zunimmt. Eine ungewisse Komponente ist die Möglichkeit eines jeden Menschen, durch Investitionen in das eigene Gesundheitskapital den Zeitpunkt der eigenen Pflegebedürftigkeit zu verzögern. So erbringen gesundheitsfördernde Aktivitäten nicht notwendigerweise eine Verbesserung der Gesundheitsaktiva.18 Im Weiteren können einmalige Ereignisse – wie Unfälle – zu bedeutenden Abschreibungsraten führen. Die Möglichkeit der Pflegebedürftigkeit liegt im Graubereich zwischen Pflegerisiko und Pflegeunsicherheit. In der Literatur zur Pflegeabsicherung werden dann auch meist Pflegerisiko und Pflegeunsicherheit als Synonym verwendet.19 In dieser Arbeit wird fast ausschließlich von Pflegerisiko gesprochen, wobei der Leser dies aber nicht als exakte Einstufung in die Terminologie von Knight verstehen sollte. Eine Absicherung eines Risikos ist besonders dann sinnvoll, wenn die auftretenden Kosten im Schadensfall erheblich sind und das eigene Vermögen übersteigen können. Eine solche Situation kann im Falle der Pflegebedürftigkeit gegeben sein. So entstehen den Betroffenen bedeutende Aufwendungen, zum Beispiel durch die Heimkosten oder die Vergütung der ambulanten Betreuung. Da der Eintritt der 17 18 19

Vgl. Knight (1921), S. 233. Vgl. Cropper (1977), S. 1273 – 1294; Ben-Porath (1967), S. 352 – 365. Vgl. z. B. Sievering (1996), S. 30.

III. Rechtfertigung staatlicher Einflussnahme

33

Pflegebedürftigkeit oft ein irreversibles Ereignis ist, kann das Eintreten des Pflegefalls zu einer beachtlichen Kostenkumulation bis an das Lebensende des Betroffenen führen. Im Weiteren ist es für diese Person meist nicht mehr möglich, einer Erwerbsbeschäftigung nachzugehen. Bei einem Rentenempfänger ist in dieser Hinsicht der pekuniäre Verlust gering. Die staatliche Rente wird unabhängig von der Pflegebedürftigkeit ausgezahlt. Der Einkommensverlust ist jedoch umso größer, je niedriger das Lebensalter des Bedürftigen ist. Wenn auf die Pflegeunterstützung von Familienmitgliedern zurückgegriffen wird, fallen die hohen Kosten der Betreuung bei den Angehörigen bzw. den Pflegenden an. Die größten Kosten ergeben sich dadurch, dass Pflegefürsorge und Erwerbstätigkeit häufig unvereinbar sind. So entstehen zum einen beträchtliche Kosten in Höhe des Verzichts auf ein Arbeitseinkommen, zum anderen wird durch die Berufsunterbrechung das Humankapital des Pflegenden entwertet. Mit Hilfe einer Versicherung ist es möglich, die Unsicherheit bzw. das Risiko der Auswirkungen zukünftiger Ereignisse zu mindern. So ist die Versicherung ein Instrument, bei dem ein kleiner sicherer Verlust (die Prämie) gegen einen großen unsicheren Verlust ausgetauscht wird. Damit kann jede Person durch den Abschluss einer Pflegeversicherung das Risiko eines bedeutenden finanziellen Bedarfs deutlich verringern. Eine Querschnittsuntersuchung zeigte, dass dieses Risiko beträchtlich ist. Danach sind 70 % der Frauen und 40 % der Männer im Laufe ihres Lebens zumindest einmal auf eine Heimunterbringung angewiesen.20 Unter dem Gesichtspunkt der mit einem Heimaufenthalt einhergehenden erheblichen Kosten ist es für jede Person sinnvoll, eine Pflegeversicherung abzuschließen. Staatliche Regulierung – beispielsweise durch Einführung einer Versicherungspflicht – scheint mithin nicht erforderlich. In diesem Zusammenhang erscheint es vorerst seltsam, dass trotzdem in einigen Industrieländern eine – teilweise bedeutende – Intervention durch die öffentliche Hand im Pflegesektor erfolgt. Im nächsten Abschnitt wird deshalb diskutiert, inwieweit Vorstellungen über die Bereitstellung der Pflegeabsicherung über einen Markt relativiert werden müssen. Möglicherweise existieren Gründe für ein staatliches Eingreifen.

III. Rechtfertigung staatlicher Einflussnahme Die Argumentation für eine staatliche Intervention basiert auf der These, dass auf einem unregulierten Markt nur ein kleiner Teil der Bevölkerung einen freiwilligen Pflegeversicherungsschutz in Anspruch nehmen würde. Ebenso wird vermutet, dass zu wenige Menschen Sparverträge zur Pflegevorsorge abschließen. Bei Bestätigung dieser Mutmaßungen kann ein regulierendes Handeln des Staates gerechtfertigt werden.

20

Vgl. Albert / Schölkopf (1999), S. 100; Hudson (1997), S. 105.

3 Wild

34

B. Das Risiko der Pflegebedürftigkeit

Es ist somit zu fragen, ob die These einer zu geringen Bereitschaft zur Pflegeabsicherung haltbar ist. Wenn ja, ist zu untersuchen, welche Ursachen hinter der zu geringen Nachfrage stehen könnten. Auf dem ersten Blick scheint es unverständlich, weshalb die Bürger trotz der erheblichen Schadenswahrscheinlichkeit und zu erwartenden beträchtlichen Schadenhöhe keine oder nur eine unzureichende Vorsorge treffen sollten. Bei der Auseinandersetzung mit diesem Problem helfen möglicherweise auch empirische Untersuchungen. Um das menschliche Verhalten zu untersuchen, werden zwei Ansätze betrachtet. Zum einen wird die Pflegenachfrage bei der Existenz einer staatlichen Einkommensgrundsicherung und zum anderen bei Abwesenheit einer solchen diskutiert.

1. Staatliche Fürsorge bei fehlender Versicherungspflicht Ein staatliches Sozialsystem mit der Funktion in Not geratenen Menschen zu helfen, existiert in fast allen Ländern. Personen, die nicht aus eigenem Einkommen oder Vermögen ihren Lebensunterhalt bestreiten können, soll mit der Einrichtung eines solchen typischerweise steuerfinanzierten Sicherungsnetzes ein soziales Existenzminimum garantiert werden. Diese Grundsicherung wird als ein Eckpfeiler eines Sozialstaates angesehen. Wenn ein Mensch pflegebedürftig wird, aber über keine Pflegeversicherung verfügt, muss er die Betreuungskosten aus seinem Vermögen entrichten. Ist dieses aufgebraucht, übernimmt die staatliche Grundsicherung in manchen Ländern die weitere Bezahlung. Das Vorhandensein eines solchen Sicherungsnetzes führt allerdings dazu, dass eine Reihe von Bürgern keine Pflegeversicherung abschließen wird, sondern sich auf die Leistung der sozialen Grundsicherung verlässt. Damit verringert das Vorhandensein einer staatlichen Einkommensgrundsicherung die Motivation, eine Pflegeabsicherung vorzunehmen. Der fehlende Anreiz einer Pflegeabsicherung gilt jedoch nicht für alle Personen gleichermaßen. Es ist zu berücksichtigen, dass die staatliche Fürsorge subsidiär hilft. Das heißt, sie tritt erst nach Aufzehrung des Vermögens eines Menschen ein. Personen, die ihr Vermögen vererben möchten, besitzen somit den Anreiz zum Abschluss einer Pflegeversicherung. Eine private Absicherung ist auch dann sinnvoll, wenn die betreffende Person im Pflegefall einen höheren Lebensstandard als nur eine Grundsicherung erhalten möchte. Dass die Bereitschaft zur Absicherung einkommensabhängig ist, zeigen Buchholz und Wiegard analytisch.21 Nach ihrer Studie besitzt ein Bürger erst ab einem bestimmten Einkommen bzw. Vermögen genügende Anreize, sich privat gegen das Pflegerisiko abzusichern.22

21 22

Vgl. Buchholz / Wiegard (1992), S. 441 – 457. Vgl. auch Pemberton (1995), S. 19 – 26.

III. Rechtfertigung staatlicher Einflussnahme

35

Felder und Meier weisen darauf hin, dass sich die Menschen in einer Art Gefangenendilemma befinden.23 Der Abschluss einer Pflegeversicherung stellt sie zwar besser, sie müssen allerdings über ihre Steuerzahlungen zur Finanzierung der sozialen Grundsicherung beitragen. Eine Person würde demnach nur dann eine Pflegeversicherung abschließen, wenn sie gleichzeitig von der Finanzierung der sozialen Grundfürsorge befreit würde oder alle Personen eine Pflegeversicherung abschließen. Dem Gefangenendilemma entsprechend wird sich eine Situation durchsetzten, bei der kein Bürger eine private Pflegeversicherung abschließt. Eine Pflichtversicherung würde nach dieser Argumentation alle Personen besserstellen. Eine erste Erklärung für einen nicht funktionierenden Markt könnte damit im Vorhandensein einer staatlichen Grundsicherung liegen. Eine gewisse empirische Evidenz für eine zu geringe Pflegeversicherungsnachfrage konnte in der BR Deutschland beobachtet werden. Die Grundsicherung wurde hier bis zur Einführung der Pflegeversicherung 1995 über die Sozialhilfe bereitgestellt. Zudem wurden bestimmte Leistungen auch von der gesetzlichen Krankenversicherung und der gesetzlichen Unfallversicherung gewährt.24 Die Nachfrage nach einer privaten Pflegeversicherung war sehr gering. Der Bestand an privaten Pflegeversicherungsverträgen lag Ende 1988 bei etwa 74 000 und Ende 1989 bei rund 76 000. Die Zahl der Pflegebedürftigen betrug dagegen ca. 1,8 Mio. Personen.25 Es kann davon ausgegangen werden, dass ein kausaler Zusammenhang zwischen der sozialen Grundsicherung und der geringen Pflegeversicherungsnachfrage besteht. Die Stärke der Korrelation ist aber unklar. Es sind noch weitere Ursachen für die niedrige Pflegeversicherungsnachfrage zu erörtern. Insbesondere ist zu analysieren, ob die Nachfrage auch ohne soziale Einkommensgrundsicherung gering bleibt.

2. Pflegeabsicherung bei Abwesenheit staatlicher Fürsorge In einem zweiten Ansatz ist ein Markt zu betrachten, bei dem keine staatlichen Sicherungselemente eine Unterstützung versprechen. Zu untersuchen ist damit, ob die Nachfrage nach einer freiwilligen Pflegeversicherung auch dann gering ist, wenn eine Person im Schadensfall nur auf eigene Absicherungsinstrumente vertrauen kann. Für die empirische Untersuchung einer solchen Situation lohnt sich ein Blick auf die USA, da dort das soziale Sicherungsnetz schwächer ausgeprägt ist als in Europa. Sozial Schwache erhalten zwar Unterstützung durch das Hilfsprogramm Medicaid.26 Der Leistungsbezug liegt allerdings deutlich unter der in anderen Län23 24 25 26

3*

Vgl. Felder / Meier (1996), S. 203. Vgl. Sievering (1996), S. 21 – 25. Vgl. Rudolph (2000), S. 914. Vgl. Jacobs / Weissert (1986), S. 378.

36

B. Das Risiko der Pflegebedürftigkeit

dern angebotenen Grundsicherung.27 Die Nachfrage nach einer privaten Pflegeversicherung ist trotz dieses ungenügenden Sicherungsnetzes gering.28 In diesem Land besitzen nur etwa 4 – 5 % der älteren Menschen eine entsprechende Versicherung.29 Etwa 95 % der älteren Menschen verfügen zwar über einen Versicherungsschutz über Medicare. Der Versorgungsanspruch im Pflegefall gilt hierbei aber nur für die ersten 100 Tage der Bedürftigkeit. Medicare kann durch diese Begrenztheit der Leistungen nicht als Pflegeversicherung angesehen werden. Eine private Krankenversicherung haben etwas mehr als 70 % der älteren Menschen abgeschlossen; ein Versicherungsschutz bei Langzeit-Pflegebedürftigkeit ist hierin aber nicht enthalten. Die Pflegekosten tragen die Betroffenen überwiegend selbst. Bei einem finanziellen Engpass wird die Versorgung jedoch auch häufig von nahen Angehörigen übernommen. In den amerikanischen Pflegeheimen (Nursing homes) werden die Kosten zu 47,8 % durch die Bedürftigen selbst getragen.30 45,6 % übernimmt im Durchschnitt Medicaid. Der Rest der Kosten wird von Medicare (4,7 %) bzw. sonstigen Quellen (1,9 %) getragen.31 Nur etwa 1 % der Ausgaben in den amerikanischen Pflegeheimen werden durch eine private Pflegeversicherung bezahlt.32 Dabei betragen die durchschnittlichen Kosten eines Pflegeplatzes in einer solchen Einrichtung 25 000 bis 30 000 US$ pro Jahr (Wert von 1992).33 In der ambulanten Versorgung wurden die Pflegeaufwendungen im Jahre 1993 zu 12,2 % durch private Versicherungen getragen.34 Als ein wesentlicher Grund für die geringe Nachfrage nach privaten Pflegeversicherungen in den USA wird das ungünstige Preis-Leistungsverhältnis entsprechender Policen genannt.35 Von den wenigen Versicherungsunternehmen, die eine private Pflegeversicherung anbieten, sind einige zudem nur regional tätig.36 Amerikanische Ökonomen vermuten aber, dass selbst bei einer Verbesserung der Konditionen nicht mehr als 20 % der US-Bürger eine solche Versicherung abschließen würden.37 27 Die Einkommensgrenze zum Bezug von Leistungen wird von den Bundesstaaten festgesetzt. Generell gilt jedoch, dass Armut allein nicht als Kriterium gilt. Von Bedeutung sind beispielsweise auch der Familienstand, die Kinderzahl und der Gesundheitszustand. 28 Vgl. Feder / Scanlon (1989), S. 125 – 131; Jacobs / Weissert (1986), S. 378. 29 Vgl. Binstock (1998), S. 7 – 8. 30 Die mangelhafte Pflegeabsicherung in den USA verdeutlicht auch der Vergleich mit der Krankenversicherung. Für die akute Krankenbetreuung müssen hier nur 5 % der Betroffenen selbst aufkommen. Vgl. Hudson (1997), S. 105. 31 Vgl. Rothfuchs (1997), S. 67 – 69 und S. 43 – 55. 32 Vgl. Binstock (1998), S. 7 – 8. 33 Vgl. Gerald (1993), S. 75. 34 Vgl. Pauly (1996), S. 25. 35 Vgl. Wiener (1998), S. 135; Binstock (1998), S. 7 – 8. 36 Vgl. Jacobs / Weissert (1986), S. 379. 37 Vgl. Binstock (1998), S. 8.

III. Rechtfertigung staatlicher Einflussnahme

37

Die Situation in den USA zeigt, dass auch ohne ein bedeutendes staatliches Sicherungsnetz eine geringe Nachfrage nach Pflegeversicherungen zu beobachten ist. Welche Begründungen gibt es dafür? Mehrere Ursachen sind denkbar. Zum einen könnte der Markt an sich Unvollkommenheiten aufweisen, zum anderen besitzen die Individuen möglicherweise Präferenzen, die nicht in Übereinstimmung mit den Rationalitätsaxiomen der Nutzentheorie stehen. In einer solchen Situation würde selbst ein funktionierender Markt nicht das gewünschte Ergebnis erbringen. Im Folgenden wird zuerst nach Marktunvollkommenheiten gesucht. Wir unterstellen also vorerst ein Handeln im Einklang mit der Neumann-Morgenstern-Nutzentheorie.

3. Gründe für Marktversagen und Marktunvollkommenheiten a) Negative externe Effekte Ein typischer Grund, weshalb ein Markt unvollkommen funktionieren kann, liegt im Vorhandensein von Externalitäten. Von einem negativen externen Effekt wird dann gesprochen, wenn Aktionen einer Person nachteilige Auswirkungen auf die Wohlfahrt eines anderen Menschen ausüben und diese Wirkungen nicht auf einem Markt ausgeglichen werden.38 Negative externe Effekte finden wir im Pflegebereich z. B. bei der häuslichen Pflegebetreuung. Der Eintritt des Pflegefalls betrifft nicht nur die Person selbst; es wird auch eine nachteilige Wirkung auf andere Personen ausgeübt. Je nach Schweregrad der Pflege kann die Fürsorge eine erhebliche physische und psychische Belastung für die betreuende Person darstellen. Einen Bedürftigen umzubetten oder ihm aus dem Bett zu helfen, kann – je nach dem Körpergewicht der pflegebedürftigen Person – erheblich die Wirbelsäule belasten. Eine längere Betreuung kann zu gesundheitlichen Schädigungen der Pflegeperson führen. Eine besondere Belastung ergibt sich für die betreuenden Personen bei geistiger Verwirrtheit des Pflegebedürftigen.39 In diesem Fall ist meist eine ständige Beaufsichtigung notwendig. Damit wird die Lebensgestaltung der Pflegeperson erheblich eingeschränkt. Theater- und Kinobesuche sowie die Pflege gesellschaftlicher Kontakte zu Freunden und Verwandten müssen zurückgestellt werden. Der negative externe Effekt infolge der Pflegebedürftigkeit ist besonders dann beträchtlich, wenn die häusliche Betreuung für die Pflegeperson mit einer Aufgabe der Erwerbstätigkeit verbunden ist. Dieser Fall kann schnell eintreten, ist doch der Zeitaufwand der Fürsorge bereits bei mittlerem Schweregrad der Pflege bedeutend. Für die Pflegeperson kann sich dann neben der körperlichen und seelischen Belastung auch eine Einkommenseinbuße infolge des Verzichts auf Erwerbstätigkeit er38 39

Vgl. Bator (1958), S. 351 – 379. Vgl. Nusbaum (2002), S. 45 – 48.

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B. Das Risiko der Pflegebedürftigkeit

geben. Die Abwesenheit vom Erwerbsleben bewirkt auch eine Abschreibung des eigenen Humankapitals.40 Das bedeutet, dass zum einen die Möglichkeit eines beruflichen Aufstiegs eingeschränkt wird; zum anderen ist das Einkommen nach Wiederaufnahme einer Erwerbstätigkeit geringer als wenn es keine Unterbrechung der beruflichen Tätigkeit gegeben hätte. Der negative externe Effekt wird besonders dann deutlich, wenn bei der Entscheidung, ob eine Pflegeversicherung abgeschlossen wird, die Folgen für potenzielle Betreuungspersonen unzureichend berücksichtigt werden. Dass eine Absicherung des Pflegerisikos auch positive Wirkungen auf die zukünftige betreuende Person ausübt, bleibt bei der Nachfrageentscheidung vermutlich häufig unberücksichtigt. So könnten die Entbehrungen der häuslichen Pflegekräfte durch die Auszahlung von Pflegegeld kompensiert oder wenigstens gemindert werden. Zudem ist durch die finanzielle Absicherung auch eher professionelle Pflege bzw. stationäre Versorgung möglich. In welchem Umfang die Betreuenden bei der Entscheidung für eine Pflegeversicherung berücksichtigt werden, ist davon abhängig, inwieweit in der Nutzenfunktion eines Menschen der Nutzen der potenziellen Pflegekräfte – also meist der Kinder – enthalten ist. Ein vollständiger negativer externer Effekt tritt damit dann auf, wenn einer Person das Wohlergehen ihrer möglichen familiären Pfleger völlig gleichgültig ist. Aber selbst wenn der negative externe Effekt in abgestufter Form auftritt, sorgt er dafür, dass tendenziell zu wenige bzw. zu niedrige Pflegeversicherungen abgeschlossen werden.

b) Präferierung der häuslichen Pflege Wenn keine Pflegeabsicherung getroffen wird, müssen die gesamten Pflegekosten einer stationären Betreuung aus dem Einkommen und dem Vermögen des Bedürftigen beglichen werden. Da die Kosten einer Heimunterbringung erheblich sind, werden dann selbst größere Vermögenswerte in kurzer Zeit aufgezehrt. Damit sinkt aber die potenzielle Erbmasse für die Angehörigen. Um diese Verringerung ihres möglichen Erbes zu verhindern, werden die Familienmitglieder eine stationäre Versorgung ablehnen. Sie besitzen den Anreiz, die häusliche Fürsorge vorzuziehen.41 Im Regelfall wird hierbei das Vermögen des Pflegenden bedeutend weniger reduziert. Wenn eine Person aber eine Pflegeversicherung abschließen würde, bezahlt im Pflegefall die Versicherung die Fürsorge. Das heißt, bei stationärer Pflege reduziert sich auch dann das Vermögen des Bedürftigen weniger. Die Angehörigen würden demnach einer stationären Fürsorge eher zustimmen, bleibt doch damit ihr mögliches Erbe erhalten. Die Personen, die im Pflegefall häuslich versorgt zu werden Vgl. Wright (1991), S. 56, 62 – 65. Die innerfamiliären Transfers zur Durchsetzung von Zielen behandelt Becker (1974), S. 1063 – 1093. 40 41

III. Rechtfertigung staatlicher Einflussnahme

39

wünschen, besitzen somit keinen Anreiz eine Pflegeversicherung abzuschließen.42 Ein Grund für einen unvollkommenen Markt könnte somit das Interesse vieler Menschen sein, im Pflegefall möglichst im Kreise der Familie zu verbleiben. Das auf eine bestimmte Pflegeform hinziehende strategische Verhalten beeinflusst möglicherweise zusätzlich auch die Strategie der Vermögensbildung. So kann durch eine unterlassene Pflegeabsicherung besonders dann auf eine häusliche Fürsorge hingezielt werden, wenn das Vermögen beträchtlich ist. Für eine Person ist es damit rational, ein Vermögen aufzubauen. Empirische Untersuchungen zeigten denn auch, dass ältere Menschen die Angewohnheit besitzen, größere Geldbeträge zu sparen.43 So stellte Mirer in einer Studie fest, dass die älteren Menschen weniger entsparen als es nach der Theorie des Lebenszyklus-Sparens zu erwarten gewesen wäre. In der Literatur wird dieses Verhalten häufig damit begründet, dass die Nutzenfunktion der älteren Menschen auch den Nutzen der Angehörigen über das Erbe einschließt. Um dieses Sparverhalten zu erklären, müsste die Nutzenfunktion eines Bürgers nach der vorgetragenen Theorie aber nicht um den Nutzen seiner Angehörigen erweitert werden. Es ist ausreichend, wenn seine Nutzenfunktion nur seinen Nutzen einschließt. Für die Nachfrage nach einer Pflegeversicherung ergibt sich die Konsequenz, dass eine Reihe von Personen auf den Abschluss einer Versicherung verzichten wird, um im Pflegefall häuslich versorgt zu werden. Damit ergibt sich neben den negativen externen Effekten ein zweiter Grund für eine Marktunvollkommenheit.

4. Finanzielle Pflegeabsicherung als meritorisches Gut Die im vorigen Unterkapitel dargestellten Argumente lassen vermuten, dass ein Markt für Pflegeversicherungen unvollkommen funktioniert. Eine Ursache für eine zu geringe Nachfrage nach einer Pflegeversicherung könnte aber zusätzlich auch darin zu finden sein, dass die Präferenzen der Personen als „verzerrt“ oder gar als „neurotisch“ zu bewerten sind. In diesem Fall könnte die Pflegeabsicherung als ein meritorisches Gut angesehen werden, wodurch sich eine staatliche Einflussnahme rechtfertigen ließe. Als meritorische Güter werden Güter dann bezeichnet, wenn angenommen wird, dass Individuen sie aufgrund von unvollständiger Information bzw. Charakter- oder Willensschwäche zu wenig nachfragen.44, 45 Von einer Meri42 Auf dieses intrafamiliäre Argument verweisen Pauly (1990), S. 153 – 168; Zweifel / Strüwe (1994), S. 28 – 48; Zweifel (1996a), S. 284 – 293; Zweifel / Strüwe (1996). 43 Vgl. Mirer (1980), S. 1197 – 1205. 44 Die Bezeichnung meritorische Güter wurde in die finanzwissenschaftliche Literatur von Musgrave eingeführt. Vgl. Musgrave (1959). Eine Auseinandersetzung mit diesem Begriff findet sich auch bei Head (1966), S. 1 – 29. 45 Der Begriff der meritorischen Güter wird von verschiedenen Ökonomen unterschiedlich definiert. Musgrave blieb in seiner Charakterisierung uneindeutig. Vgl. Andel (1984), S. 630 – 648; Head (1969), S. 214 – 225.

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B. Das Risiko der Pflegebedürftigkeit

torisierung eines Guts wird dann gesprochen, wenn der Staat aufgrund der angenommenen unvollkommenen Information oder Willensschwäche46 der Bürger versucht, den Konsum dieses Guts zu beeinflussen. Ein fast schon klassisches Argument für einen staatlichen Eingriff setzt daran an, dass ein Großteil der Bevölkerung die jeweiligen Risiken nicht erkennt bzw. fehlerhaft bewertet.47 Auf dem Versicherungsmarkt können daraus zwei Effekte resultieren. Erstens würde in einem solchen Fall die Nachfrage der Individuen nicht dem aufgrund der Risikosituation objektiv erforderlichen Wert entsprechen. Wenn die Menschen ihr Pflegerisiko unterschätzen, ist die Nachfrage nach einer Pflegeabsicherung zu gering. Zweitens ergibt sich dann, wenn die Versicherungsunternehmen die Risiken zutreffender bewerten, eine asymmetrische Informationsverteilung, die ebenfalls bedeutende Wirkungen auf den Markt ausüben kann. Beide Effekte werden in diesem Abschnitt näher diskutiert.

a) Fehlerhafte Risikobewertung durch die Individuen Eine Grundannahme der meisten ökonomischen Ansätze ist, dass rational handelnde Individuen den Erwartungsnutzen maximieren. Dass das menschliche Verhalten allerdings häufig nicht von Rationalität gekennzeichnet ist, wurde spätestens durch die Arbeit der amerikanischen Verhaltenspsychologen Kahneman und Tversky erkannt.48 Im Bereich der Versicherungsnachfrage zeigt sich häufig, dass Menschen die Schadenswahrscheinlichkeiten falsch einschätzen oder eine Versicherung nicht als relevante Handlungsalternative erkennen.49 Stellt man nur auf die tatsächlich wahrgenommenen Informationsinputs ab, erscheint ihre Entscheidung als rational. Unter Berücksichtigung der objektiven Erfordernisse ist diese Entscheidung aber evident unangemessen.50 Da Menschen dazu neigen, Risiken fehlerhaft zu bewerten, kann von fehlerhaften Präferenzen ausgegangen werden. Die subjektive Wahrnehmung eines Risikos differiert teilweise erheblich gegenüber dem objektiven Risiko.51 Frey und Eichenberger zeigen eine Reihe von kognitiven Illusionen auf.52 Eine Risikounterschätzung kann danach zum einen als Folge des Schwelleneffekts der Wahrnehmung – also des Ignorierens von sehr kleinen Wahrscheinlichkeiten – ge46 Nach Auffassung von Löwenstein verfügen viele Menschen über zu wenig Willenskraft, um für das Alter vorzusorgen. Sie bewerten zwar ihren zukünftigen Mittelbedarf realistisch, kümmern sich aber trotzdem nicht um Absicherung. Löwenstein (2000), S. 51 – 76. 47 Vgl. Diamond (1977), S. 281 – 296. 48 Vgl. Kahneman / Tversky (1979), S. 263 – 291; Tversky / Kahneman (1974), S. 1124 – 1131. 49 Vgl. Kunreuther / Slovic (1979), S. 64 – 69. 50 Vgl. Schubert (1990), S. 497. 51 Vgl. zu dieser gesamten Thematik Schubert (1990), S. 496 – 509. 52 Vgl. Frey / Eichenberger (1989), S. 82 – 85.

III. Rechtfertigung staatlicher Einflussnahme

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schehen. Zum anderen wirkt ein overconfidence-Effekt, d. h. es wird eine zu enge Wahrscheinlichkeitsverteilung angenommen. Bei der Bewertung von Risiken spielt zudem auch das soziale, politische und kulturelle Umfeld eine wichtige Rolle. So können umfassende Presseberichte zu einer gesellschaftsübergreifenden Überschätzung von Risiken führen. Andere Gefahren mit objektiv höheren Risiken, aber diesbezüglich spärlichen Medienberichten werden dafür unterschätzt. Empirische Studien zeigen, dass eine Unterbewertung des Risikos vor allem bei häufig auftretenden Schadensfällen erfolgt. Da das Pflegerisiko zu den häufigen Gefahren zählt, ist danach zu erwarten, dass es unterschätzt wird. Pflegeversicherungen würden demnach weniger nachgefragt, als es dem objektiven Risiko nach eigentlich sein dürfte. Personen unterschätzen Risiken im Weiteren dann, wenn sie ihre Fähigkeit, den Schadensfall zu vermeiden, im Vergleich zu dessen tatsächlicher Beeinflussbarkeit überschätzen. Rothbaum unterscheidet dazu zwei Fälle der Kontrollierbarkeit von Gefahren.53 Ein Bürger überschätzt die primäre Kontrollierbarkeit, wenn er davon ausgeht, dass die Wahrscheinlichkeit des Schadens bei ihm geringer ist als bei anderen Personen. Dies wird auch als „it won’t happen to me“ Effekt bezeichnet. Als sekundäre Kontrollierbarkeit bezeichnet Rothbaum den Einfluss eines Menschen auf eine Gefahr nach dem Eintritt des Schadenfalls. Hierbei ist zu beobachten, dass eine Reihe von Menschen glaubt, mit dem Schaden besser umgehen zu können als andere Personen. Sie meinen damit, dass bei ihnen eine geringere Gesamthöhe des Schadens auftritt. Dieses Verhalten wird von Rothbaum „it won’t matter to me“ Effekt genannt. Von Bedeutung hierbei ist, dass viele Bürger bei der Gegenüberstellung mit anderen Personen einen „sozialen Heruntervergleich“ (downward comparison) vornehmen. Der Bürger sucht sich eine Vergleichsperson, an der er zeigen zu können glaubt, er sei robuster und geschickter im Vermeiden von Schadensfällen.54 Langer meint dazu in ihrem Aufsatz „Illusion of control“, dass zum einen viele Personen sich selbst als gute Menschen sehen und zum anderen die Meinung vorherrscht, dass guten Menschen auch nur gute Ereignisse widerfahren.55 Eine Person kann die Einstellung zu einer Risikovorsorge dann ändern, wenn sich ihre Vergleichsperson ändert. Wenn ein Bürger beispielsweise feststellt, dass nahe Freunde oder Bekannte trotz ähnlichem Verhalten einen Schadensfall erleiden, könnte er aufgeschlossener gegenüber der Frage einer Versicherung sein. Bedeutsam für eine Versicherungsnachfrage sind damit persönliche Erfahrungen.56 So ist zu erwarten, dass die Angehörigen von Pflegebedürftigen eher eine private Pflegeversicherung abschließen werden als Personen, die nur wenig oder gar nicht Vgl. Rothbaum / Weisz / Snyder (1982), S. 7 – 10. Einige Hypothesen zum übertriebenen Optimismus des Menschen erörtert Weinstein. Vgl. Weinstein (1980), S. 806 – 820. 55 Vgl. Langer (1975), S. 312. 56 Vgl. Andel (1984), S. 645. 53 54

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B. Das Risiko der Pflegebedürftigkeit

mit Bedürftigen in Kontakt stehen. Damit könnte ein familiärer Pflegefall die Präferenzen eines Menschen deutlich verändern. Die Bewertung von Risiken ändert sich somit im Laufe des Lebens.57 Spätestens wenn ein Bürger kurz davor steht, ein Pflegefall zu werden, kann sich seine Auffassung über eine Risikovorsorge beträchtlich modifizieren. Die Person könnte damit ex post wünschen, dass der Staat ex ante eine Meritorisierung der Pflege durchgesetzt hätte. Für die Volkswirtschaft ist von Bedeutung, dass die fehlerhafte Risikobewertung zu einer fehlenden Versicherungsnachfrage führt, woraus ein Verlust in der Gesamtwohlfahrt resultiert.58 Ein staatlicher Eingriff in Form der Meritorisierung eines Guts liegt allerdings im Konflikt mit dem Prinzip der Konsumentensouveränität. McLure – ein bedeutender Verfechter des individualistischen Ansatzes – meint, dass Nichtrationalität und unvollkommene Information bei den meisten Handlungen anzutreffen sind, so dass der Staat nach diesem Ansatz fast jeden Eingriff rechtfertigen könnte. Eine solche Herangehensweise würde nur zu unnötigem paternalistischen und autoritärem Handeln des Staates führen.59 Fehlerhafte Risikobewertung ist zudem deshalb schwerlich als Grundlage für eine staatliche Regulierung zu sehen, da private Versicherer, um Versicherungen zu verkaufen, Anreiz haben, die Bürger so intensiv zu informieren, dass sie die Größe der ihnen bedrohenden Gefahren erkennen. Auf einer Reihe von Märkten, wie etwa dem Markt für Lebensversicherungen, erreichen sie dies auch weitgehend. Auf anderen Versicherungsmärkten gelingt ihnen dies jedoch weniger gut. Notwendige Versicherungen werden vergleichsweise wenig nachgefragt, während sich eine Reihe von Personen gegen unwesentliche Risiken absichert. Das bedeutendste Beispiel aus dem deutschen Raum für eine zu geringe Nachfrage nach einer wichtigen Versicherung ist die Berufsunfähigkeitsversicherung. Trotz Einwände von McLure scheint ein staatlicher Eingriff aufgrund der meritorischen Eigenschaften des Guts Pflege durchaus vertretbar. Die Bedenken hinsichtlich der Einschränkung der Konsumentensouveränität sind bei der Ausgestaltung der Absicherung bzw. bei der Form des staatlichen Einflusses zu berücksichtigen.

b) Asymmetrische Informationsverteilung Wie im vorigen Abschnitt gezeigt, bewertet der einzelne Bürger das Risiko der Pflegebedürftigkeit fehlerhaft. Die subjektive Risikoeinschätzung weicht vom obVgl. Basu (1975), S. 220 – 225. Vgl. Schubert (1990), S. 504. 59 In seinem Aufsatz wendet sich McLure insbesondere gegen Musgraves Ansatz zur Wohlfahrtstheorie. Nach Meinung von McLure haben meritorische Güter keinen Platz in einer normativen Theorie. Vgl. McLure (1968), S. 474 – 483. 57 58

III. Rechtfertigung staatlicher Einflussnahme

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jektiven Risiko stark ab. Versicherungsunternehmen können dagegen das Pflegerisiko eines Menschen vergleichsweise gut einschätzen. Die Versicherer verfügen über statistisches Material, mit dem es möglich ist, verschiedene Merkmale eines Menschen in Beziehung zu seinem Pflegerisiko zu setzen. Die dazu notwendigen Informationen über die einzelnen Personen sind für sie leicht zu eruieren. So können die Versicherer allein über die Merkmale Geschlecht, Alter, Beruf und Familienstand ein sehr gutes Risikoprofil eines Menschen entwerfen. Es ist davon auszugehen, dass der Versicherer das Pflegerisiko zutreffender bewertet als der einzelne Bürger. Die damit vorhandene Informationsasymmetrie erschwert die Bildung eines Markts für eine freiwillige private Pflegeversicherung, da das Versicherungsunternehmen diesen Informationsvorsprung bei der Auswahl und Anwerbung von Versicherungsnehmern nutzen wird. Die privaten Versicherer werden bevorzugt junge und gesunde Menschen anwerben, da diese laut Statistik ein geringeres Pflegerisiko aufweisen. Der Versicherungsbeitrag kann so bemessen werden, dass die Nachfrager meinen, einen niedrigen Beitrag zu zahlen. Es ist zu erwarten, dass dabei die Versicherer diesen Bürgern das individuelle Pflegerisiko unverhältnismäßig überhöht darstellen. In Wirklichkeit würde deren geringes Pflegerisiko aber ein noch niedrigeres Beitragsniveau ermöglichen. Die Versicherer nutzen ihren Informationsvorsprung für die Erzielung einer ansehnlichen Gewinnmarge. Dieses Verhalten wird auch als „Cream skimming“ – Sahne abschöpfen – bezeichnet.60 Es ergibt sich das Phänomen, dass vorwiegend Menschen mit niedrigem Pflegerisiko über die Gefahr der Pflegebedürftigkeit belehrt werden. Wenn der Versicherer über ein Portefeuille mit überwiegend „guten Risiken“ verfügt, hellt sich seine Ertragsrechnung weiter auf. Er besitzt verstärkt die Möglichkeit, seine gewünschten Versicherungsnehmer mit geringen Beitragssätzen zu überzeugen. Menschen mit den Risikomerkmalen „alt und krank“ haben Schwierigkeiten, einen Versicherer zu finden. Die Versicherungsunternehmen werden diese Bürger mit hohen Prämienforderungen oder speziellen Regelungen abschrecken. Möglicherweise wird der private Versicherer den Abschluss eines Vertrags ablehnen. Cream skimming-Verhalten wirkt besonders beim Aufbau eines Versicherungsmarkts erschwerend. Wenn das Versicherungsunternehmen in großer Zahl Verträge mit jüngeren Menschen abschließt, wird auf lange Sicht der überwiegende Teil der Bevölkerung einen Pflegeversicherungsvertrag besitzen. Für einen kleinen Teil der Bevölkerung wird der Abschluss aber auch nach der Aufbauphase schwierig. Dies betrifft vorwiegend Personen, bei denen schon in jungen Jahren die Wahrscheinlichkeit einer langen und umfassenden Betreuung als hoch eingeschätzt wird. Aus diesem Argument lässt sich die Empfehlung ableiten, dass zumindest diese Personen über eine staatliche Pflegeabsicherung unterstützt werden sollten. 60

Vgl. Sievering (1996), S. 93.

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B. Das Risiko der Pflegebedürftigkeit

Um das Problem der asymmetrischen Information zu entschärfen, wäre theoretisch auch denkbar, dass die Versicherer verpflichtet werden, ihr statistisches Material über die Risiken der einzelnen Bevölkerungsgruppen offenzulegen. Es ist aber zu vermuten, dass der größte Teil der Bevölkerung – sofern er überhaupt Interesse bekundet – mit diesen Angaben wenig anfangen kann. Dabei ist auch zu erwarten, dass die Versicherer die statistischen Zahlenwerte kompliziert darstellen werden, so dass die Offenlegung ohne erkennbare Wirkung verhallt. Es soll in diesem Abschnitt nicht unerwähnt bleiben, dass manche Ökonomen annehmen, dass der Versicherungsnehmer das Pflegerisiko besser bewerten kann als das Versicherungsunternehmen.61 Sie gehen bei ihrer Argumentation davon aus, dass der einzelne Bürger sich selbst am besten kennt und damit das Risiko besser bewerten kann als ein außenstehendes Unternehmen. Eine solche Argumentation steht allerdings im Widerspruch zu den im vorigen Unterkapitel dargelegten Beobachtungen, die eine fehlerhafte Risikobewertung bei vielen Bürgern feststellten. Wenn trotzdem eine solche Informationsasymmetrie unterstellt wird, führt dies auf dem entsprechenden Markt zu einer adversen Selektion62, woraus sich ebenfalls die Berechtigung staatlicher Eingriffe ableiten ließe.63

5. Zusammenfassung In den vorangegangenen Unterkapiteln wurde untersucht, ob eine Pflegeversicherung auf einem unregulierten Markt in größerem Maße nachgefragt wird. Die Betrachtung umfasste sowohl die Lage mit als auch die Situation ohne staatliche Grundsicherung. In beiden Fällen ließen sich empirische Belege für eine zu niedrige Nachfrage finden. Im Zuge einer Erörterung der verschiedenen Ursachen wurde nach den Gründen für dieses Verhalten gesucht. Es zeigte sich, dass die Existenz eines staatlichen Sicherungssystems allenfalls eine Teilerklärung darstellt. Zudem führt das Vorhandensein von Externalitäten bzw. die Präferierung von häuslicher Pflege zu einem Marktversagen. Darüber hinaus weisen die Individuen Präferenzen auf, die selbst auf einem funktionierenden Markt ohne sozialpolitischer Grundsicherung eine relativ geringe Pflegeversicherungsnachfrage erwarten lassen. Einer Absicherung des Pflegerisikos durch eine private Pflegeversicherung ist damit eine Vgl. Bradley (1998), S. 62 – 76. Vgl. u. a. Arrow (1963), S. 941 – 973; Pauly (1974), S. 44 – 62; Akerlof (1970), S. 488 – 500. 63 Der Versicherer kann in diesem Fall aufgrund seiner unzureichenden Information nur eine Durchschnittsprämie kalkulieren. Menschen mit niedrigem Pflegerisiko – das sie nach dieser Argumentation kennen – werden diese Policen nicht nachfragen. Die Käufer von Pflegeversicherungen sind demnach Personen mit hohem Pflegerisiko. Sie bewerten den Preis der Police als günstig. Da der Versicherer damit vorwiegend schlechte Risiken in seinem Portefeuille aufweist, wird er aufgrund der Menge und des Umfangs der Schadensfälle gezwungen sein, die Prämie zu erhöhen, wodurch ein weiterer Selektionsprozess in Richtung schlechter Risiken ausgelöst wird. 61 62

IV. Mögliche Finanzierungsformen

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Reihe von Vorbehalten entgegenzubringen. Obwohl es sinnvoll erscheint, dass jede Person eine Pflegeversicherung abschließt, ist zu vermuten, dass sich kein größerer Markt für eine solche Versicherung bilden wird.

IV. Mögliche Finanzierungsformen Die Finanzierungsvarianten können dem Individual- oder dem Sozialprinzip zugeordnet werden.64 Zum Individualprinzip sind jene Systeme zu zählen, bei denen über privatvertragliche Lösungen eine Absicherung erreicht werden soll. Zu den hier zugehörigen Varianten zählen die freiwillige private Pflegeversicherung sowie sonstige freiwillig abgeschlossene Sparverträge zur Pflegevorsorge. Zum Individualprinzip gehört auch die private Pflegepflichtversicherung. Beim Sozialprinzip wird das versicherungstechnische Äquivalenzprinzip durch Verteilungsaspekte überlagert, so dass ein so genannter Sozialausgleich vorgenommen wird. Sozialen Sicherungsinstrumenten wird von manchen Autoren die Funktion eines Stabilisierungsfaktors beigemessen. Zum Sozialprinzip sind die steuerfinanzierte Pflegeabsicherung und das System der Sozialversicherung zu rechnen. In den nachstehenden Abschnitten werden verschiedene Absicherungsmöglichkeiten analysiert. Der Schwerpunkt liegt dabei auf denjenigen Varianten, mit denen es möglich ist, Marktversagen zu verhindern. Dies sind die private Pflegepflichtversicherung, die Absicherung über die Sozialversicherung und die steuerfinanzierte Vorsorge. Bei diesen drei Modellen werden neben den entsprechenden ökonomischen Argumenten auch sozialpolitische Vorstellungen diskutiert. Damit wird berücksichtigt, dass Politiker vielfach ein starkes Interesse bekunden, die Pflegeabsicherung mit weitreichenden verteilungspolitischen Zielen zu verknüpfen. Verschiedene Ansätze der ökonomischen Theorie der Politik versuchen zu erklären, weshalb Politiker ein solches Verhalten an den Tag legen.65

1. Varianten der freiwilligen Absicherung Eine freiwillige Pflegevorsorge ist auf vielerlei Weise möglich. Zum einen ist der Abschluss einer Pflegeversicherung denkbar, zum anderen kann auch über verschiedene Sparverträge eine Absicherung gegen die hohen Pflegekosten im Alter erfolgen. Entsprechende Angebote offerieren private Versicherer oder Banken. Wie in den vorigen Unterkapiteln gezeigt wurde, ist aber das Interesse eines größeren Teils der Bevölkerung an einem entsprechenden Vertrag gering. Es wurde eine Reihe von Gründen für ein Marktversagen erörtert. 64 65

Vgl. Aebischer (2000), S. 189 – 211. Vgl. Mishra (1984), S. 6 – 25.

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B. Das Risiko der Pflegebedürftigkeit

Um den Abschluss einer freiwilligen Pflegeversicherung zu fördern, wird teilweise eine steuerliche Abzugsmöglichkeit der Beiträge diskutiert.66 Es ist aber zu bedenken, dass dieser steuerlichen Entlastung an anderer Stelle eine steuerliche Belastung zur Finanzierung dieser Abzugsmöglichkeit gegenübersteht. Damit sind hier Umverteilungseffekte zu berücksichtigen. Problematisch ist zudem, dass die staatliche Unterstützung bei Personen mit höherem Einkommen größer ausfällt als bei Personen mit geringem Einkommen. Bei Bürgern ohne Erwerbseinkommen greift diese Förderung überhaupt nicht. Der Förderumfang ist umso größer, je weniger wichtig eine staatliche Vorsorgeförderung ist. Diese Variante trägt damit zur Lösung des eigentlichen Problems wenig bei. Eine Möglichkeit sich gegen das Pflegerisiko abzusichern, könnten auch „Home equity conversions“-Verträge bieten.67 Die bekannteste Form sind „reversed mortgage“-Vereinbarungen.68 Sie sehen vor, dass im Pflegefall der unbelastete Kapitalanteil des Eigenheims einer Person in das Eigentum der Bank übergeht. Dafür erhält dieser Bürger zum einen ein lebenslanges Wohnrecht und zum anderen eine lebenslange monatliche (Pflege) Geldzahlung. Aber auch hier sind erhebliche Zweifel an der Möglichkeit einer großflächigen Absicherung der Bevölkerung vorzubringen. Zum einen sind die geschilderten Argumente zur Meritorisierung der Pflege und zu den Externalitäten der Pflegeabsicherung auch hier anwendbar, zum anderen sind solche Verträge nur dann denkbar, wenn ein beachtlicher Teil der Bevölkerung Wohnungseigentum besitzt. Diese Absicherung ist damit realistischerweise nur für die Mittelschicht von Bedeutung. Vermögendere Personen müssen ihr Wohnungseigentum nicht für die Pflegekosten aufwenden. Weniger begüterte Personen besitzen schlicht kein Eigenheim. Aber selbst bei Bürgern mittleren Einkommens ist nicht zu erwarten, dass ein Großteil dieser Menschen sein Wohnungseigentum für die Pflegeaufwendungen einsetzen wird. In der Regel ist anzunehmen, dass sie diesen Vermögensteil an die nachfolgende Generation vererben möchten.69 Als alternative Pflegeabsicherungsmöglichkeit sind diese Varianten akzeptabel.70 Eine Absicherung der gesamten Bevölkerung kann aber nicht erwartet werden.

Vgl. Pauly (1996), S. 26. Vgl. Wiener (1994), S. 83 – 109. 68 Vgl. Mayer / Simons (1994), S. 235 – 255. 69 Vgl. Mayer / Simons (1994), S. 235 – 255. 70 Zur Bedeutung dieser Absicherungsvariante in Großbritannien siehe Laing (1993), S. 73 – 74. 66 67

IV. Mögliche Finanzierungsformen

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2. Private Pflegepflichtversicherung Der Grundaufbau Bei diesem System verordnet der Gesetzgeber im Bereich des Pflegerisikos eine Versicherungspflicht für alle Bürger des Landes. Anbieter einer Pflegepflichtversicherung sind private Versicherer. Jede Person kann ihr Versicherungsunternehmen frei wählen. Die Versicherer kalkulieren die Versicherungsbeiträge typischerweise nach dem Kapitaldeckungsverfahren. Das heißt für jede Person wird eine individuelle risikoabhängige Prämie gebildet, die sich am Erwartungswert zukünftiger Leistungen orientiert.71 Die eingezahlten Beiträge werden auf dem Kapitalmarkt angelegt. Bei Eintreten des Pflegefalls sollen dann die Leistungen aus diesem individuellen Kapitalstock bestritten werden.72 Je nach Ausgestaltung des Versicherungsvertrags ist es möglich, durch Zahlung höherer Beiträge erhöhte Leistungen zu erhalten. Damit besteht ein direkter Zusammenhang zwischen der Beitragshöhe und der Versicherungsleistung. Die Beiträge werden dabei nach dem Versicherungsprinzip berechnet. Aus versicherungsmathematischem Blickwinkel ist zu beachten, dass bei Eintritt des Schadenfalls die Leistungen in der Regel bis zum Tode des Betroffenen zu erbringen sind. Damit entspricht der Leistungsverlauf einer Pflegeversicherung dem einer Renten- oder Berufsunfähigkeitsversicherung, weniger einer Krankenversicherung.73 Teilweise kann der Versicherungsvertrag durch weitere staatliche Regularien beeinflusst werden. Vorstellbar ist ein Kontrahierungszwang und damit das Verbot, Personen mit bestimmten Vorerkrankungen auszuschließen. Diese Vorgaben stellen für die privaten Pflegeversicherer im Regelfall keine größeren Probleme dar, da ein Ausgleich innerhalb des Portefeuilles möglich ist.74 Ökonomische Argumente Mit Hilfe einer Versicherungspflicht lassen sich die risiko- und allokationstheoretischen Probleme der Pflegeversicherung lösen. Marktunvollkommenheiten werden ausgeschaltet, Menschen, die auf Grund von fehlerhafter Risikobewertung auf eine freiwillige Absicherung verzichtet hätten, werden zum Abschluss verpflichtet. Dass bei einer Pflichtversicherung Personen zum Abschluss einer Versicherung gezwungen werden, die sonst darauf verzichtet hätten, kann auch als Nachteil gesehen werden. So wird durch die Versicherungspflicht die Konsumentensouveräni71 Wenn dem Versicherer nicht alle individuellen Risikodetails bekannt sind, bildet er Gruppen von mehr oder weniger homogenen Risiken. Jeder Versicherungsnehmer wird dann einer dieser Klassen zugeordnet. Dieses System wird als das der modifizierten Individualäquivalenz bezeichnet. Vgl. Sievering (1996), S. 211 – 212. 72 Vgl. Söderström (2002), S. 60 – 61. 73 Vgl. Rudolph (2000), S. 916. 74 Vgl. ebenda.

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B. Das Risiko der Pflegebedürftigkeit

tät eingeschränkt. Selbst wenn man unterstellt, dass es volkswirtschaftlich wünschenswert ist, dass bestimmte Versicherungen von allen Bürgern abgeschlossen werden, ergibt sich das Problem des Mindestdeckungsumfangs. Je höher der Deckungsumfang festgesetzt wird, umso mehr wird die Konsumentensouveränität beschränkt. Bei einem niedrigen in Aussicht stehenden Leistungsumfang könnte jedoch die Absicherung des Pflegerisikos unzureichend sein. Hier ist also eine Abwägung erforderlich. Es ist aber zu bedenken, dass dies ein Problem aller obligatorisch konstruierten Absicherungsmodelle darstellt.75 Eine größere Schwierigkeit kann sich dadurch ergeben, dass das Wachstum des Kapitalstocks vom Realzins als der auf Basis von Kaufkrafteinheiten berechneten Rendite abhängt. Die Anlage der Rückstellungen auf dem Kapitalmarkt ist mit einem Inflationsrisiko verbunden. Die Nominalzinssätze reagieren nur begrenzt auf Inflationsentwicklungen (Fisher-Effekt). So verzinsten sich amerikanische Staatsanleihen mit einer Laufzeit von 10 Jahren von 1974 und 1994 etwa mit 7 %. Die Inflationsrate betrug 1974 zwischen 10 % und 12 %, 1994 erreichte sie etwa 3 %.76 Die Schwankungen des Realzinssatzes bewirken eine Änderung des Realwerts der Rückstellungen. Der Zinsverlauf wird durch die Entwicklung des volkswirtschaftlichen Kapitalangebots und der Kapitalnachfrage bestimmt. Da Veränderungen in der Bevölkerungsstruktur den Kapitalmarkt beeinflussen können, wird ein Kapitaldeckungsverfahren auch von der demographischen Entwicklung tangiert. Die Rendite des Kapitalstocks kann zudem durch verschiedenenartige gesamtwirtschaftliche Einflüsse beeinflusst werden. So können Anlagen der Versicherungsunternehmen in Grundstücke und Häuser durch einen Verfall von Immobilienpreisen entwertet werden. Ein weiteres Problem ergibt sich dadurch, dass es für ein privates Versicherungsunternehmen notwendig ist, einen vollständigen Risikoausgleich innerhalb seines Portefeuilles herzustellen. Nur dann kann der Versicherer Mehrzahlungen für die eine Person durch Mehreinnahmen von einem anderen Bürger ausgleichen. Ein vollständiger Risikoausgleich ist nur möglich, wenn die Risiken der einzelnen Versicherten unabhängig voneinander eintreten. Eine solche Voraussetzung ist im Falle des Pflegerisikos nicht gegeben. Die Entwicklung der Pflegekosten beeinflusst die zukünftigen Leistungen für alle Versicherungsnehmer. Für den Versicherer ist es nicht möglich, diese Art des Risikos innerhalb seines Portefeuilles auszugleichen. Breyer untersuchte die generationellen Wirkungen einer Pflegepflichtversicherung in einem Fall, in dem ein steuerfinanziertes System schrittweise durch eine Pflegepflichtversicherung ersetzt wird.77 Er weist darauf hin, dass erst auf längere Sicht die inter- und intragenerationellen Transfers der steuerfinanzierten Absiche75 76 77

Vgl. Eisen (1994), S. 69 – 70. Vgl. Schöne (1997), S. 10. Vgl. Breyer (1991), S. 96 – 97.

IV. Mögliche Finanzierungsformen

49

rung deutlich verringert werden können.78 In der Einführungsphase müssten die Leistungen von bereits pflegebedürftigen Bürgern weiterhin durch Steuermittel finanziert werden. Auch in späterer Zeit wären noch Transfers innerhalb der Gesellschaft zu erwarten, da ältere Menschen noch keinen ausreichenden Kapitalstock bei einer Versicherung aufbauen konnten. Insbesondere ältere, einkommensschwache Personen wären bei diesem System auf weitere Unterstützung durch eine soziale Grundsicherung angewiesen, sind doch die Beiträge bei Versicherungsbeginn im Alter hoch. Sozialpolitische Argumente Die private Pflegepflichtversicherung, die nach einem Kapitaldeckungsverfahren kalkuliert, weist eine Beitragsstruktur auf, die rein nach dem Versicherungsprinzip aufgebaut ist. Dies führt dazu, dass Personen mit größerer Pflegewahrscheinlichkeit – also insbesondere ältere und kranke Menschen – höhere Prämien zahlen müssen. Auch Frauen müssten tendenziell höhere Beiträge entrichten als Männer. Dies wird sozialpolitisch nicht goutiert. Von gesetzgeberischer Seite werden vielfach Beitragshöchstgrenzen, eine Beitragsfreiheit für Kinder, geschlechtsunabhängige Prämien sowie verringerte Beiträge für Verheiratete gefordert. Um diese Vorgaben zu erfüllen, sind die privaten Versicherungsunternehmen gezwungen, Umlageteile in die Kalkulation aufzunehmen. Jeder Versicherungsbeitrag enthält damit einen Bestandteil, der nicht für die individuelle Vorsorge eines Bürgers, sondern für andere Versicherte bestimmt ist. Dies führt zu einer Vermischung mit Elementen und damit auch Problemen des Umlageverfahrens. Auf dieses Kalkulationssystem wird in den folgenden Absicherungsmodellen noch eingegangen. Bewertung Die private Pflegepflichtversicherung verfügt zwar auch aus rein ökonomischen Gründen über einige Nachteile, die nicht zu vernachlässigen sind. Die wesentliche Begründung für die vermutlich fehlende politische Mehrheitsfähigkeit dieser Variante liegt aber im sozialpolitischen Bereich. Die unterschiedliche Beitragshöhe für unterschiedliche Risikogruppen wird vielfach abgelehnt. Dabei sind in vielen anderen Versicherungsbereichen – wie der Kfz-Haftpflichtversicherung – risikoabhängige Prämien bereits alltäglich. Im Gesundheitssektor wehren sich jedoch viele Stimmen gegen eine solche Kalkulation. Durch die Einführung einer Beitragshöchstgrenze oder von geschlechtsunabhängigen Beiträgen würden Menschen mit geringem Pflegerisiko die Personen mit höherer Pflegewahrscheinlichkeit subventionieren. Eine solche Beitragsumlage relativiert das Versicherungsprinzip allerdings stark. 78 Einen Widerspruch zu dieser Argumentation sieht Eisen. Vgl. Eisen (1994), S. 69; vgl. auch Replik von Breyer zu Eisen in Breyer (1994), S. 73 – 74.

4 Wild

50

B. Das Risiko der Pflegebedürftigkeit

3. Die Pflegeabsicherung als Sozialversicherung Der Grundaufbau Bei diesem System ist ebenso wie bei der Pflegepflichtversicherung der Abschluss für jede (erwerbstätige) Person obligatorisch. Eine Sozialversicherung ist dabei vielfach auf abhängig Beschäftigte ausgerichtet, tangiert also beispielsweise nicht die Selbstständigen. Als Anbieter der Pflegeversicherung tritt der Staat selbst auf. Als Kalkulationsverfahren wählt er typischerweise das Umlageverfahren. Bei dieser Methode werden die Beitragseinnahmen sofort zur Finanzierung der Ausgaben verwendet. Da kein individueller Kapitalstock gebildet wird, erwirbt eine Person nur Rechtsansprüche auf zukünftige Leistungen. Die Beiträge werden typischerweise in Abhängigkeit vom Arbeitseinkommen erhoben, sind also nicht risikoabhängig.79 Grundsätzlich wäre es auch möglich, eine Sozialversicherung nach dem Kapitaldeckungsverfahren zu organisieren. Eine solche Absicherung könnte allerdings auch im Rahmen einer privaten Pflegepflichtversicherung von privaten Versicherungsunternehmen angeboten werden. Es wäre unklar, weshalb der Staat als Anbieter auftreten sollte. Wenn der Staat als Versicherungsunternehmer auftritt, erfolgt daher typischerweise „höchstens“ eine Vermischung von Kapitaldeckungs- und Umlageverfahren. Auf diese Mischvarianten wird nachstehend nicht näher eingegangen. Die nachfolgend dargelegten ökonomischen und sozialpolitischen Argumente beziehen sich auf eine Sozialversicherung, die auf dem Umlageverfahren basiert. Ökonomische Argumente Da eine Sozialversicherung für einen bestimmten Personenkreis obligatorisch ist, werden dort ebenso wie bei der Pflegepflichtversicherung die risikotheoretischen Probleme vermieden sowie Marktunvollkommenheiten ausgeschaltet. Ein Vorteil der staatlichen Versicherung kann in den niedrigeren Transaktionskosten liegen. Der staatliche Anbieter kann die Vertriebs- und Verwaltungskosten durch eine monopolistische, einheitliche Pflichtversicherung verringern.80 Zum anderen entfällt das versicherungstechnische Risiko z. B. in der Form des Insolvenzrisikos. Dieser Vorteil des staatlichen Anbieters offenbarte sich insbesondere dann, wenn er risikoabhängig kalkulieren würde. Der Versicherungsbeitrag würde sich dann der fairen Prämie annähern. Aber selbst bei einer Kalkulation nach dem Umlageverfahren können die geringeren Transaktionskosten zu niedrigeren Beiträgen als bei privaten Versicherern führen.

79 80

Vgl. Meyer / Wolff (1993), S. 1 – 9; Atkinson (1995), S. 205 – 219. Vgl. Diamond (1977), S. 296 – 297.

IV. Mögliche Finanzierungsformen

51

Dass durch die Anwendung des Umlageverfahrens die Beitragsgestaltung kaum noch der einer Versicherung entspricht, kann kritisch gesehen werden. Mit steigendem Einkommen erhöht sich der Beitrag; der Leistungsanspruch bleibt aber konstant. Die entrichteten Beiträge bestimmen nicht die absolute Höhe des Leistungsanspruchs, sondern nur die relative Anspruchsposition der versicherten Personen in der Versichertengemeinschaft.81 Das Prinzip des Umlageverfahrens bewirkt, dass das Leistungsniveau u. a. von der Entwicklung der Bevölkerung, der Zahl der Erwerbstätigen und der Höhe ihres Einkommens abhängt. Der Beitrag zu dieser Sozialversicherung wirkt ähnlich wie eine proportionale Steuer auf das Arbeitseinkommen. Die Bezeichnung Versicherung ist eigentlich nicht mehr angebracht. Das Ziel eines Versicherungsvertrags ist die Absicherung gegen ein Risiko, also gegen einen ungewissen Mittelbedarf. Friedman kritisiert dieses Verfahren, da es den Bürgern ein Versicherungssystem suggeriert, obwohl es in Wirklichkeit lediglich ein intransparentes Steuersystem zur Umverteilung von Einkommen darstellt.82 Da die Sozialversicherungsbeiträge als Steuer auf das Arbeitseinkommen wirken, tritt eine bedeutende Zusatzlast (excess burden)83 auf.84 Der Umfang des Wohlfahrtsverlusts ist vor allem von der Höhe des Beitragssatzes und von der Existenz einer Beitragsbemessungsgrenze abhängig. Wenn eine solche Trennlinie nicht vorhanden ist bzw. erst bei hohen Einkommen greift, treten erhebliche Allokationsstörungen auf. So besitzen besonders Menschen mit hohem Einkommen einen Anreiz, ihre Tätigkeit in die Schattenwirtschaft oder ins Ausland zu verlagern. Je nach der Elastizität des Arbeitsangebots werden die finanziellen Anreize zur Aufnahme sozialversicherungspflichtiger Tätigkeiten verringert.85 Es sinkt der Anreiz einen Bildungsweg einzuschlagen, der ein hohes Einkommen verspricht. Zudem werden bevorzugt Tätigkeiten gewählt, die in möglichst großem Umfang nicht zu versteuernde Vorteile erbringen. Durch die verschiedenen Allokationsstörungen kann der Wohlfahrtsverlust einer Sozialversicherung größer sein als der Nutzen, der sich aus der Risikoabsicherung ergibt. Ein weiterer Nachteil des umlagenfinanzierten Sozialversicherungssystems ist seine Anfälligkeit gegenüber demographischen Änderungen. Durch eine Erhöhung des Durchschnittsalters der Bevölkerung nimmt der Anteil der Personen zu, die Pflege benötigen, wodurch die Pflegeausgaben steigen. Im Gegensatz dazu sinkt der Anteil der Erwerbstätigen und damit der Beitragszahler. Damit verringern sich die Einnahmen der Sozialversicherung. Bei gleichbleibendem Leistungskatalog entsteht in einer alternden Gesellschaft eine zunehmende Diskrepanz zwischen den Ausgaben und den Einnahmen.

81 82 83 84 85

4*

Vgl. Schlenger (1998b), S. 8 – 9. Vgl. Friedman (1972). Vgl. Diamond / McFadden (1974), S. 3 – 21. Zur Zusatzlast der Besteuerung siehe auch Kapitel E.V.2. Eine Analyse dieser Wirkungen findet man bei Krieglmeier (1996), S. 70 – 96.

52

B. Das Risiko der Pflegebedürftigkeit

In theoretischen Arbeiten zeigten Samuelson und Aaron für den Fall einer kleinen offenen Volkswirtschaft, dass die Verzinsung der Beiträge im Umlageverfahren nur dann besser ist als im Kapitaldeckungsverfahren, wenn die Wachstumsrate der Bevölkerung und des Lohns pro Arbeiter höher ist als der Kapitalmarktzins. 86 Verschiedene Untersuchungen zeigten, dass eine solche Situation in der Realität selten ist. Dies wird besonders dann offensichtlich, wenn die Gesellschaft altert, die Wachstumsrate der Bevölkerung also negativ ist. Das Umlageverfahren erbringt in diesem Fall im Vergleich zum Kapitaldeckungsverfahren niedrigere Leistungen bei gleichem Beitrag. Vorteilhaft ist das Umlageverfahren für die älteste Einführungsgeneration. Die dieser Generation angehörenden Personen erhalten Sozialversicherungsleistungen ohne jemals Beiträge gezahlt zu haben. Um die Gesamtwirkung der Einführung eines Umlageverfahrens einzuschätzen, müsste demnach ein Vergleich zwischen den Vorteilen der ersten in den Genuss der Leistungen kommenden Generation und den Nachteilen der nachfolgenden Generationen durchgeführt werden. Ein solcher interpersoneller Nutzenvergleich ist jedoch unmöglich. Sozialpolitische Argumente Die Einkommensabhängigkeit der Beiträge bewirkt Umverteilungseffekte, die aus sozialpolitischer Sicht vielfach gutgeheißen werden. Die Sozialversicherung wird als eine Realisation des Solidargedankens in einer Gesellschaft gesehen, in der die „schwächeren“ Bevölkerungsteile von den „stärkeren“ unterstützt werden sollen. So zahlt eine Person mit hohem Einkommen erhebliche Sozialbeiträge, obwohl ihr Pflegerisiko möglicherweise niedrig ist. Im Gegensatz dazu müssen Menschen mit wenig Einkommen geringe Beiträge zahlen; sie erhalten aber den vollständigen Versicherungsschutz. Es erfolgt somit tendenziell eine Umverteilung von den Bürgern mit hohem Einkommen zu denen mit niedrigerem87. Diese Umverteilung ist umso größer, je höher der Leistungsumfang der Pflichtversicherung ist.88 Von dieser Konstruktion profitieren vorwiegend Menschen mit hohem Pflegerisiko und geringem Einkommen; diese hätten bei einer risikoabhängigen Versicherung wesentlich höhere Beiträge zu zahlen. Aus sozialpolitischer Sicht ist fragwürdig, weshalb bei diesem System bestimmte Gruppen der Gesellschaft – z. B. Selbstständige – außen vor bleiben. Eine Umverteilung über die Sozialversicherung ist nicht sachgerecht, wenn bestimmte Personen von der Umverteilung nicht tangiert werden. Eine solche Vorgehensweise lässt sich jedoch damit begründen, dass diese Art der verkappten Besteuerung bei Selbstständigen höhere Verzerrungen zur Folge hätte. Der Besteuerung würden hier auch Kapitaleinkommen und Risikoprämien unterliegen. 86 87 88

Vgl. Samuelson (1958), S. 467 – 482; Aaron (1966), S. 371 – 374. Vgl. Diamond (1977), S. 278 – 279. Vgl. Sievering (1996), S. 79.

IV. Mögliche Finanzierungsformen

53

Argumente der ökonomischen Theorie der Politik Die Umverteilungswirkungen führen dazu, dass die Einführung einer staatlichen Pflegeabsicherung politisch populär ist. Zum einen lässt sich die Unterstützung schwächerer Gruppen der Bevölkerung politisch sehr gut vermarkten. Welche politische Gruppierung würde es wagen, ihre Stimme dagegen zu erheben? Zum anderen sind die Verlierer einer solchen Umverteilung – die jungen oder gut Verdienenden – vielfach eine zu kleine bzw. zu heterogene Gruppe, um ein politisches Gegengewicht aufzubauen. Im Gegensatz zu den älteren Menschen werden sie durch keine bedeutende Interessengruppe vertreten. Den Benachteiligten mangelt es damit an der entsprechenden Lobby, die ihre Forderungen vorbringt. Hierzu ist zu beachten, dass die ältere Bevölkerungsschicht eine wesentliche Wählergruppe darstellt. Unterstützung erfährt die Sozialversicherung zudem durch die Gruppe der Angestellten in den öffentlichen Behörden. Nach der Ökonomischen Theorie der Bürokratie verfolgen diese das Ziel, ihr Prestige und ihre Macht zu erhöhen.89 Ein Ausbau der Sozialversicherung entspricht diesem Bestreben. Zum einen wird die Beschäftigtenzahl im öffentlichen Bereich vergrößert, wodurch auch neue Hierarchiestufen geschaffen werden. Zum anderen erhöht sich die Bedeutung der Sozialversicherung für die Bevölkerung. Eine vermehrte Absicherung über private Versicherungen würde die Machtposition der öffentlichen Behörden verringern. Damit wird eine Sozialversicherung auch von den Menschen unterstützt, die entweder bereits in der öffentlichen Verwaltung beschäftigt sind oder einen entsprechenden Arbeitsplatz anstreben. Für die Parteien ist es wählerstimmenmaximierend, ihre politischen Zielvorgaben auf die Wünsche der befürwortenden Menschen auszurichten. Empirische Untersuchungen in der BR Deutschland, den USA und Australien zeigten, dass eine Erhöhung des Anteils der Sozialversicherungsausgaben an den öffentlichen Ausgaben die Popularität der Regierung erhöht und damit ihre Wiederwahl fördert. Nach dieser Studie ist die entsprechende Wirkung in etwa mit dem Popularitätszuwachs zu vergleichen, der durch eine Verringerung der Arbeitslosigkeit erreicht wird.90 Ein Ausbau des Sozialversicherungssystems ist demnach eine gute Möglichkeit, die Chancen der Wiederwahl zu erhöhen. Leistungskürzungen und Reformen sind dagegen im Hinblick auf Wahlen risikoreich und werden somit häufig – zumindest kurz vor den Wahlterminen – unterlassen. Zu berücksichtigen ist auch, dass die Bereitschaft der Bevölkerung zur Umverteilung innerhalb einer Sozialversicherung größer ist als bei einem Steuer / Transfersystem.91 In einer Umfrage von Wissenschaftlern des Zentrums für Sozialpolitik in Bremen kritisierte keiner der Befragten die Umverteilungswirkungen eines Sozialversicherungssystems.92 Die Umverteilung wurde selbst von den Personen befürwortet, die Vgl. Niskanen (1975), S. 617 – 643. Vgl. Schneider (1986). 91 Vgl. Sievering (1996), S. 219. 92 Bei dieser Umfrage wurde die Akzeptanz der Umverteilungswirkungen in der Gesetzlichen Krankenversicherung der BR Deutschland untersucht. Vgl. Ulrich / Wemken / Walter (1994), 25. 89 90

54

B. Das Risiko der Pflegebedürftigkeit

wesentlich höhere Beiträge zahlen, als ihr Risiko eigentlich erfordert. Zu bedenken ist allerdings, dass hinter diesen Aussagen vielfach die Überlegung stehen dürfte, in späteren Lebensphasen selbst von dieser Umverteilung zu profitieren. Zudem durchschaut möglicherweise ein Großteil der Bevölkerung die Umverteilungswirkungen nicht. Ein Vergleich mit alternativen Absicherungsmöglichkeiten wird selten durchgeführt. Die Sozialversicherung gehört in den meisten Ländern zur politischen Tradition. Für Politiker ist die Etablierung einer Pflegeabsicherung als Sozialversicherung auch deshalb attraktiv, weil sie hiermit einen merklichen Aktivismus zeigen können. Im Umlageverfahren können Leistungen sofort bereitgestellt werden. Der Bevölkerung wird das Gefühl gegeben, dass Problem der Pflegeabsicherung sei erkannt.93 Die Finanzierung über Kapitaldeckungsverfahren zeigt dagegen erst auf mittlere bis lange Sicht ihre Vorteile. Für die aktuellen und kurz bevorstehenden Pflegefälle ergeben sich kaum Änderungen im Leistungsbezug. Bewertung Die Beitragsgestaltung in einer Sozialversicherung wird von Umverteilungsaspekten dominiert. Diskutabel ist, ob eine Versicherung für diesen sozialpolitischen Zweck instrumentalisiert werden soll. Verschiedene Wirtschaftswissenschaftler fordern eine Trennung der Allokations- von den Distributionsaufgaben. So sollten die Versicherungsbeiträge am individuellen Pflegerisiko ausgerichtet werden, wohingegen die Umverteilung des Einkommens über Steuer- und Transferzahlungen vorgenommen werden kann. Die Sozialversicherung weist eine Reihe von erheblichen Nachteilen auf. So verursacht dieses System durch die verkappte Besteuerung des Arbeitseinkommens im Vergleich zu einer Pflegepflichtversicherung erhebliche Wohlfahrtsverluste. Eine Verschärfung erfahren die Schwierigkeiten dieses Systems bei einer alternden Bevölkerung.

4. Finanzierung aus dem allgemeinen Steueraufkommen Das Grundmodell Bei diesem System werden die Pflegeleistungen über Steuerzahlungen finanziert. Es existieren keine Versicherungs- oder Sozialversicherungsbeiträge. Anspruch auf Pflegeunterstützung besitzt jede Person, unabhängig davon, in welcher Höhe Steuern entrichtet wurden. Ein Zusammenhang zwischen Finanzierungsbeitrag und Leistungsumfang bzw. Finanzierungsbeitrag und Pflegerisiko besteht demnach nicht. 93

Vgl. Breyer (1991), S. 99.

IV. Mögliche Finanzierungsformen

55

Ökonomische Argumente Das Modell der steuerfinanzierten Absicherung weist eine Reihe von Ähnlichkeiten mit dem Sozialversicherungssystem auf. Zum einen werden auch bei einer steuerfinanzierten Absicherung die anfallenden Leistungen aus den aktuellen Einnahmen bezahlt. Damit entspricht dieses System dem Umlageverfahren in der Sozialversicherung. Zum anderen hatte die Erörterung des Sozialversicherungsmodells im vorigen Abschnitt ergeben, dass die dort erhobenen Sozialbeiträge bei Erwerbstätigen zum überwiegenden Teil einer Steuer auf Arbeit entsprechen. Die Finanzierung aus Sozialversicherungsbeiträgen entspricht damit de facto einer Finanzierung über eine Arbeitseinkommensteuer. Damit konnte bereits das im vorigem Abschnitt vorgestellte Modell als eine Art steuerfinanziertes Modell bezeichnet werden. Ein Unterschied zum System in diesem Abschnitt liegt darin, dass hier die Finanzierung aus dem allgemeinen Steueraufkommen, also nicht nur aus einer Art von Arbeitseinkommensteuer erfolgt. Damit kann sich eine andersartige Verteilungswirkung als bei einer Sozialversicherung ergeben. Die Wirkungen sind davon abhängig, aus welchen Steuerarten sich das allgemeine Steuereinkommen zusammensetzt. Ein weiterer Unterschied zwischen einem Sozialversicherungsmodell und einem steuerfinanzierten Modell liegt darin, dass Sozialabgaben zweckgebunden erhoben werden, während einer Steuereinnahme keine direkte Verwendung gegenübersteht. Damit könnte der Staat im Steuermodell einen größeren Spielraum bei der Finanzierung von Leistungen erhalten. Es wäre ihm möglich, Ausgabensteigerungen im Sozialbereich durch Kürzungen bei anderen Haushaltsposten ausgleichen. Es ist aber nicht sicher, ob dieser Unterschied zwischen den beiden Systemen wirklich bedeutend ist. In der Realität werden auch im Falle einer Sozialversicherung Zuschüsse aus Steuermitteln gewährt. Diese können je nach Situation durch anderweitige Kürzungen erhöht werden. Je nach Steuerstruktur kann durch die steuerfinanzierte Absicherung ein bedeutender Wohlfahrtsverlust aufgrund der Zusatzlast auftreten. Wenn die wichtigste Einnahmequelle die Einkommensteuer darstellt, ist die Zusatzlast höher als bei der Finanzierung über Sozialversicherungsbeiträge. Da eine Einkommensteuer im Vergleich zu den meisten Sozialversicherungen keine Beitragsbemessungsgrenze aufweist, müssen Personen mit hohem Einkommen einen größeren Finanzierungsbeitrag leisten. Die Allokationsstörungen aufgrund von Ausweichreaktionen sind damit größer. Um den Umfang der Zusatzlast abschätzen zu können, ist aber eine nähere Analyse des jeweiligen Systems und der verschiedenen Steuerarten notwendig. Eine steuerfinanzierte Absicherung ist in der Grundanlage typischerweise mit einer universellen Leistungsvergabe verbunden. Das heißt, die Höhe der Leistungen ist nicht oder nur zu einem geringen Teil von einer Erwerbstätigkeit bzw. vom

56

B. Das Risiko der Pflegebedürftigkeit

Einkommen abhängig. Die Leistungen werden universell, also unabhängig von einer Beschäftigung, bereitgestellt. Für den Leistungsanspruch genügt nur die reine Anwesenheit im entsprechenden Land oder der Nachweis einer bestimmten Erwerbstätigenzeit, wobei die Art und der Umfang der Beschäftigung keine Rolle spielen. In einem universellen System besteht ein Anreiz, nur in einem solchen Umfang Arbeit anzubieten, dass man die Einrittskarte für die universellen Leistungen erhält. Eine bedeutendere Erwerbstätigkeit berechtigt bei diesem System zu keinen höheren Sozialleistungen. Sozialpolitische Argumente Eine Reihe der sozialpolitischen Argumente, die bei der Sozialversicherung vorgebracht wurden, gelten auch für die steuerfinanzierte Absicherung. Die Finanzierung wird auch hier in der Form vorgenommen, dass der Finanzierungsbeitrag risikounabhängig gestaltet ist. Umverteilungswirkungen sind von der Struktur des Steuersystems abhängig. Es ist aber davon auszugehen, dass in nicht eben wenigen Fällen Personen mit hohem Pflegerisiko einen positiven Nettotransfer erhalten. Aus sozialpolitischer Sicht wird zudem positiv bewertet, dass die gesamte Bevölkerung eines Landes einen Versicherungsschutz erhalten kann. Bei einer Sozialversicherung ist es dagegen möglich, dass eine Person keiner Erwerbstätigkeit nachgeht und dann auch keine Leistungen erhält. Insbesondere Selbstständige oder Personen ohne Erwerbstätigkeit werden aus einem Sozialversicherungssystem häufig ausgeschlossen oder erhalten geringere Leistungen. Um ein umfassendes soziales Sicherungsnetz aufzubauen, ist es in der Regel notwendig, zusätzlich zur Sozialversicherung eine steuerfinanzierte Grundsicherung oder / und eine private Pflegeversicherung einzurichten. Diese Schwierigkeit stellt sich bei ausschließlich steuerfinanzierten universellen Sozialleistungen nicht. Bewertung Da die Leistungshöhe in keinem Verhältnis zum Finanzierungsbeitrag (über die Steuerzahlungen) steht, erfolgt eine bedeutende Umverteilung innerhalb der Gesellschaft. Im Gegensatz zur Sozialversicherung tangiert die Umverteilung aber – sowohl auf der Finanzierungs- als auch auf der Leistungsseite – die gesamte Bevölkerung. Das Ziel, einen sozialen Schutz für die gesamte Bevölkerung bereitzustellen, wird durch eine steuerfinanzierte Absicherung besser erreicht als durch ein Sozialversicherungssystem. Der Wohlfahrtsverlust, den die Zusatzlast der Besteuerung hervorruft, ist abhängig von der Steuerstruktur. Er ist aber vermutlich größer als bei den alternativen Modellen.

IV. Mögliche Finanzierungsformen

57

5. Zusammenfassung In den letzten vier Abschnitten wurden Möglichkeiten der Absicherung des Pflegerisikos aufgezeigt. Die Vor- und Nachteile der einzelnen Varianten wurden erörtert. Bei der Pflegepflichtversicherung, der Sozialversicherung und der steuerfinanzierten Absicherung werden die Marktunvollkommenheiten und die Probleme aufgrund der meritorischen Eigenschaften des Guts Pflege ausgeschaltet. Die Sozialversicherung und die steuerfinanzierte Absicherung bewirken erhebliche Wohlfahrtsverluste. Der Wohlfahrtsverlust der steuerfinanzierten Absicherung kann je nach Steuersystem sogar noch höher sein als bei einer Sozialversicherung. Der umfassendste Schutz wird durch die Steuerfinanzierung geboten. Bei einer Sozialversicherung ist für die Absicherung der gesamten Bevölkerung im Regelfall zusätzlich eine steuerfinanzierte Unterstützung notwendig. Bedeutsam ist, dass das Versicherungsprinzip nur bei der Pflegepflichtversicherung eingehalten wird. Bei der Finanzierung aus dem allgemeinen Steueraufkommen und einer Sozialversicherung überwiegen die Umverteilungselemente, so dass kein Zusammenhang zwischen der Beitragshöhe und dem Versicherungsschutz erkennbar ist. Bei einer alternder Bevölkerung ergeben sich bedeutende Probleme bei Systemen, die auf einem Umlageverfahren basieren. Diese sind das Sozialversicherungssystem und die steuerfinanzierte Absicherung. Da die Finanzierungsbasis bei einer Sozialversicherung in größerem Umfang auf Erwerbstätige ausgerichtet ist, sind hier die entsprechenden Probleme vermutlich am größten. In Nordeuropa erfolgt die Absicherung des Pflegerisikos zum überwiegenden Teil über die Steuereinnahmen. In Schweden und Norwegen wird aber auch eine Reihe von Geldleistungen über eine Sozialversicherung bereitgestellt. Private Pflegeversicherungen sind im gesamten nordischen Raum praktisch inexistent94, was bei einer umfassenden staatlichen Absicherung verständlich ist.95 Im Rahmen der Untersuchung der Pflegeabsicherung in dieser Region wird im Folgenden eine detaillierte Analyse der dortigen Sicherungssysteme vorgenomVgl. Söderström (2002). Private Versicherungen existieren beispielsweise in Schweden in nennenswertem Umfang im Bereich der Rentenversicherung. Der Abschluss einer privaten Rentenversicherung ist besonders bei den Frauen populär. In der Altersgruppe der 45 bis 54-Jährigen besitzen 40 % der Frauen und 30 % der Männer trotz des ausgebauten staatlichen Systems eine private Rentenversicherung. Auch der Abschluss einer privaten Krankenversicherung erfreut sich zunehmender Popularität. Diese Versicherungen können aber nur ergänzend zur staatlichen Vorsorge abgeschlossen werden. Je nach Versicherungsvertrag erhält der Versicherungsnehmer z. B. im Krankheitsfall ein höheres Krankengeld oder er muss keine Selbstbeteiligungen tragen. Bedeutsam kann eine private Zusatzversicherung dadurch werden, dass durch sie eine schnellere Behandlung garantiert wird. Bei einer ausschließlich öffentlichen Krankenfürsorge können bei bestimmten Gesundheitsleistungen, insbesondere bei Operationen, erhebliche Wartezeiten auftreten. Durch die Verlängerung der Wartelisten in den letzten Jahren ist der Abschluss einer privaten Zusatzkrankenversicherung attraktiv geworden. Vgl. Schwedisches Institut (2000c), S. 2. 94 95

58

B. Das Risiko der Pflegebedürftigkeit

men. Bereits in den bisherigen Ausführungen zeigte sich, dass für die nähere Betrachtung von Wohlfahrts- und Verteilungswirkungen eine genauere Analyse erforderlich ist. Die Bewertung dieses Finanzierungssystems ist zudem auch davon abhängig, in welchem demographischen und ökonomischen Umfeld die Absicherung erfolgt. In den folgenden zwei Kapiteln wird deshalb die Situation in Skandinavien unter diesen Blickwinkeln erörtert.

C. Die demographische Situation in Skandinavien I. Überblick über die Entwicklung der Altersstruktur Die Länder Skandinaviens weisen eine vergleichsweise geringe Bevölkerungszahl auf. Schweden ist mit einer Einwohnerzahl von knapp 9 Mio. noch der bevölkerungsreichste Staat vor Dänemark (5,3 Mio.) und Norwegen (4,4 Mio.). Dafür zählen Schweden und Norwegen der Fläche her zu den größten Ländern in Europa. Eine größere geographische Dimension als Schweden weisen hier nur Rußland, die Ukraine, Spanien und Frankreich auf. Die Bevölkerungsdichte ist im Norden Europas damit sehr gering. Auf einem Quadratkilometer leben im Durchschnitt 22 (Schweden) bzw. 14 (Norwegen) Einwohner. Die Bevölkerungsverteilung ist allerdings sehr ungleich. Der überwiegende Teil der Einwohner lebt in der südlichen Hälfte (in Schweden 85 %). Dänemark ist wesentlich dichter bewohnt. Pro Quadratkilometer wohnen hier im Durchschnitt 125 Menschen.1 Tabelle C-1 Bevölkerungszahl, Bevölkerungsdichte und Fläche Land

Bevölkerungszahl 1998 Fläche 1996 Bevölkerungsdichte 1998 [in Mio.] [in Tausend km2] [in Bevölkerung / km2]

Dänemark

5,3

43

125

Norwegen

4,4

324

14

Schweden

8,9

450

22

BR Deutschland

82,1

357

235

Frankreich

58,8

552

107

Großbritannien

59,1

245

244

Italien

57,6

301

196

Niederlande

15,7

41

463

8,1

84

98

7,1

41

180

270,0

9 364

29

Österreich Schweiz USA

Quelle: Weltbank (2000), S. 230 – 231.

1

Vgl. Weltbank (2000), S. 230 – 231.

60

C. Die demographische Situation

Für die Finanzlage einer jeglichen Pflegeversicherung ist die Altersstruktur der Bevölkerung von Bedeutung. Änderungen in der Bevölkerungspyramide besitzen einen bedeutenden Einfluss auf die Nachfrage nach Leistungen. Zum einen besteht zwischen einer Reihe von Krankheiten, die einen Pflegebedarf auslösen, eine enge Korrelation zum Lebensalter. Damit ist zu erwarten, dass eine Erhöhung des Durchschnittsalters der Bevölkerung zu einer Nachfrageerhöhung bei Pflegegütern führt. Zum anderen ändert sich mit der Bevölkerungsstruktur auch das Zahlenverhältnis zwischen den Menschen, die pflegebedürftig sind, und denen, die einer Erwerbsbeschäftigung nachgehen. Bei fortschreitender Alterung der Bevölkerung bedeutet dies, dass für eine zunehmende Zahl von älteren Menschen immer weniger jüngere Familienmitglieder vorhanden sind, die die häusliche Betreuung übernehmen könnten. Damit steigt tendenziell die Nachfrage nach professioneller Pflege. Ein Problem kann sich zudem dann ergeben, wenn eine abnehmende Zahl von beschäftigten Personen für die Finanzierung der zunehmenden Zahl von Bedürftigen aufkommen muss. Wie bedeutend dieses Problem für die Pflegeabsicherung ist, hängt aber von der Art der Finanzierung ab. Demographisch anfällig ist eine Absicherung insbesondere dann, wenn die Kalkulation über das Umlageverfahren erfolgt. Ein Blick in die Bevölkerungsentwicklung zeigt, dass der Anteil der älteren Bevölkerung in den Industriestaaten bereits seit mehr als einem Jahrhundert steigt. Eine zunehmende Lebenserwartung und ein Rückgang der Geburtenquote führten damit bereits vor Jahrzehnten in vielen Ländern der Welt zu einer Bevölkerung, die als „alt“ bezeichnet wird. Diese Benennung wird definitionsgemäß dann verwendet, wenn mindestens 7 % der Gesamtbevölkerung eines Staates älter als 65 Jahre sind. Frankreich überschritt diese Trennlinie als erstes Land vor etwa 60 Jahren. Inzwischen wird dieser Wert von fast allen Industriestaaten übertroffen. Im nordischen Raum wies 1998 Schweden den größten Anteil an älterer Bevölkerung auf.2 17,4 % der Einwohner waren dort älter als 65 Jahre.3 Bis zum Jahre 2010 wird dieser Anteil laut Prognosen auf 18,6 % steigen.4 Die Zunahme dieses Anteils verläuft in Schweden damit etwas langsamer als in anderen Industrieländern.5 Bereits in der Vergangenheit vollzog sich die Alterung der Bevölkerung in Schweden vergleichsweise moderat.6 Für die Verdopplung des Anteils der über 65-Jährigen benötigte Schweden 80 Jahre. Die USA erreichten das gleiche „Ziel“ bereits nach 60, Japan sogar nach 25 Jahren.7

2 3 4 5 6 7

Die Bevölkerungsstruktur Skandinaviens wird im Anhang in Tabelle J-1 veranschaulicht. Vgl. Rostgaar / Holm / Jensen (1998), S. 15 – 21. Eine Darstellung der Bevölkerungsprognose nach Altersgruppen zeigt Tabelle J-2. Vgl. Lindh / Malmberg (2000), S. 72 – 90. Vgl. Bengtsson / Ohlsson (1994), S. 17 – 20. Vgl. Macfadyen (1990), S. 21.

I. Überblick über die Entwicklung der Altersstruktur

61

In Norwegen lag der Prozentsatz der älteren Menschen im Jahre 1998 bei 15,6 %, also niedriger als in Schweden. Dieser Prozentsatz wird sich in den nächsten Jahren nur wenig verändern. Damit altert die Bevölkerung noch langsamer als in Schweden. Bis 2010 wird nur ein geringer Anstieg auf 15,8 % erwartet. Dänemark wies 1998 mit 14,9 % zwar den niedrigsten Anteil an über 65-jährigen Menschen auf. Bis zum Jahre 2010 ist aber in diesem Land die größte Zunahme innerhalb der Gruppe der nordischen Länder prognostiziert. So soll der entsprechende Anteil 2010 bei 17,0 % liegen. Die dänische Bevölkerung, die 1998 noch als die jüngste im nordischen Raum bezeichnet werden konnte, wird 2010 einen höheren Anteil an Betagten aufweisen als die norwegische Einwohnerschaft. Die Zunahme der älteren Bevölkerung ist gemäß dieser Prognose aber selbst in Dänemark noch deutlich geringer als in den meisten anderen Industriestaaten. Wie sich die nordischen Länder im internationalen Maßstab darstellen, veranschaulicht die nachstehende Tabelle. Dabei wird auch verdeutlicht, dass Schweden über den nordischen Raum hinaus als ein Land mit einer alten Bevölkerung gilt. Tabelle C-2 Anteil der 65-Jährigen an der Gesamtbevölkerung Land

Anteil der 65-Jährigen [in % der Gesamtbevölkerung] 1998

2010 (Prognose)

Dänemark

14,9

17,0

Norwegen

15,6

15,8

Schweden

17,4

18,6

BR Deutschland

15,8

20,5

Frankreich

15,7

16,7

Großbritannien

15,7

16,5

Ialien

17,6

20,8

Japan

16,0

21,4

Österreich

15,4

18,2

Schweiz

14,9

18,0

5,7

7,2

12,9

13,2

Türkei USA

Quelle: Daten des U. S. Bureau of the Census (1999).

62

C. Die demographische Situation

II. Geburtenrate und Lebenserwartung Die Zunahme des Altersdurchschnitts in den nordischen Ländern wurde zwar im letzten Abschnitt veranschaulicht, auf zwei wichtige Größen, die diese Entwicklung entscheidend beeinflussen, ist aber noch nicht näher eingegangen worden. Dies sind die Geburtenrate (Fertilitätsrate), die die Anzahl der Kinder pro Frau angibt, und die Lebenserwartung der Menschen. Im Allgemeinen wird die Alterung der Bevölkerung durch eine Verringerung der Geburtenrate und eine Erhöhung der Lebenserwartung verursacht. Wenn die Geburtenrate unter dem Wert von 2,1 liegt, führt dies ceteris paribus zu einer Schrumpfung des Anteils der jüngeren Bevölkerung. In Schweden und Dänemark wurde diese Trennlinie bereits um das Jahr 1970 unterschritten. Damit gehören diese beiden Länder zu den ersten, die eine Fertilitätsrate unter 2,1 aufwiesen. Die meisten übrigen europäischen Länder folgten bis zu 10 Jahre später. Im Jahre 1998 lagen die Fertilitätsraten in Schweden und Norwegen bei 1,8. Dänemark wies einen Wert von 1,7 auf. Im Vergleich mit anderen Industriestaaten sind diese Zahlen aber noch relativ hoch. So weisen die BR Deutschland und Österreich Fertilitätsraten von 1,2 bzw. 1,4 auf. Die Lebenserwartung ist speziell in Schweden und Norwegen mit 79,2 bzw. 78,2 Jahren hoch. Dieses Lebensalter kann im Durchschnitt der Bevölkerung nur in wenigen Ländern der Welt erreicht werden. Der Anteil der älteren Menschen in der Gesellschaft ist damit allein schon deshalb sehr hoch ist, weil die Bevölkerung in diesen Ländern ein hohes Lebensalter erreicht. Dänemark fällt mit 76,3 Jahren gegenüber seinen nordischen Nachbarn etwas ab. Damit liegt dieses skandinavische Land im internationalen Maßstab auch unter den Werten der BR Deutschland (77,0), Großbritanniens (77,2) und Österreichs (77,3). Als Ursache für die geringere Lebenserwartung in Dänemark verweisen die dänischen Statistiker auf den wesentlich höheren Pro-Kopf-Konsum an Alkohol, Tabak und fetthaltigen Lebensmitteln. 8 Bei den dänischen Frauen wird derzeit mit einem Absinken der Lebenserwartung gerechnet. Ihr überdurchschnittlich hoher Tabakkonsum führt bereits zu einer drastischen Häufung von Lungenkrebs als Todesursache.9 Diese Situation ist der Öffentlichkeit in Dänemark durchaus bekannt. 8 Dänemark führt die skandinavische Tabelle beim jährlichen Alkoholkonsum pro Kopf mit 12,2 Litern ebenso deutlich an wie beim Tabakkonsum mit 2,91 Kilogramm und beim Verzehr von Schweinefleisch mit 64,7 Kilogramm. In Schweden werden demgegenüber pro Kopf nur etwa 6 Liter Alkohol im Jahr legal erworben. Auch wenn für die Berechnung des tatsächlichen Konsums noch ein unbekannter Teil Schwarzgebranntes hinzugerechnet werden muss, vermuten die nordischen Statistiker trotzdem, dass der Unterschied zu Dänemark noch beträchtlich bleibt. Vgl. Borchert (1998). 9 Im Jahre 1994 rauchten 37 % der dänischen Frauen. Dies ist ein Wert, der in keinem anderen EU-Land erreicht wird. Zum Vergleich: In Schweden beträgt der entsprechende Prozentsatz 24 %. Die dänischen Männer liegen im Übrigen mit 41 % ebenfalls über dem

II. Geburtenrate und Lebenserwartung

63

Die Dänen bemerken dazu gerne, dass dies der Preis für ein frohes Leben ohne Bevormundung sei. Bei der Vorstellung der neuen Daten im Nordischen Ministerrat hieß es in der entsprechenden Pressemitteilung: „Die Dänen leben offenbar heftig, aber dafür kurz“.10 Einen Überblick über die Daten zur Lebenserwartung und zur Geburtenrate in Skandinavien und einigen anderen Industriestaaten gibt die folgende Tabelle. Tabelle C-3 Lebenserwartung und Fertilitätsrate Land

Lebenserwartung 1999 [in Jahren]

Fertilitätsrate 1999 [ in Kinder / Frau]

Dänemark

76,3

1,7

Norwegen

78,2

1,8

Schweden

79,2

1,8

BR Deutschland

77,0

1,2

Frankreich

78,4

1,7

Großbritannien

77,2

1,7

Italien

78,4

1,2

Japan

80,0

1,5

Österreich

77,3

1,4

Schweiz

78,9

1,5

Türkei

72,8

2,5

USA

76,1

2,1

Quelle: Daten des U. S. Bureau of the Census (1999).

Das Altern der Bevölkerung ist kein Automatismus. Die genannten Prognosen zeigen Zahlenwerte, die sich nach Fortschreibung der derzeitigen Bevölkerungsentwicklung nach dem derzeitigen Wissenstand ergeben. Eine Beeinflussung der Bevölkerungsstrukturentwicklung ist möglich. So ist es politische Realität, dass die Erhöhung des Altersdurchschnitts in den meisten Ländern kritisch gesehen wird. In vielen Industriestaaten wird deshalb – soweit es die Haushaltslage zulässt – eine geburtenfördernde Sozialpolitik betrieben. Entsprechende Regelungen können ökonomisch vorwiegend damit begründet werden, dass die Menschen bei der Entscheidung über die Zahl der Kinder deren positive externe Effekte nicht berücksichtigen. Es werden damit ohne staatliche Unterstützung tendenziell zu weniEU-Durchschnitt. Die schwedischen Männer erreichen einen Wert von 22 %. Sie liegen damit unter dem Prozentsatz ihrer Frauen. Vgl. Borchert (1998); Sundhedsministeriet (1998). 10 Zitiert in Borchert (1998).

64

C. Die demographische Situation

ge Kinder geboren. Die Fertilitätsrate wird allerdings durch komplexe Einflüsse bestimmt, deren Wirkungszusammenhänge nicht immer eindeutig sind. Inwieweit die Bevölkerungspolitik ein befriedigendes Kosten-Nutzenverhältnis aufweist, bleibt in der Regel unklar. Einige wichtige Größen für den Einfluss auf den Altersdurchschnitt der Bevölkerung sind die Zahl und die Zusammensetzung der Einwanderungs- bzw. der Auswanderungsströme. Durch länderübergreifende Migration kann die Bevölkerungsstruktur erheblich beeinflusst werden. Im folgenden Unterkapitel werden die entsprechenden Auswirkungen und speziell die Wanderungsbewegungen in den nordischen Ländern erläutert.

III. Migration 1. Wirkungen internationaler Migration Die Veränderung der Altersstruktur durch die Migration hängt davon ab, inwieweit sich der Altersdurchschnitt der Ein- und Auswanderer von der im Land geborenen Bevölkerung unterscheidet. Wenn vorwiegend junge Menschen immigrieren, führt dies zu einer Verringerung des Durchschnittsalters der Bevölkerung. Zu beachten ist hierbei auch, dass die eingewanderte Bevölkerung möglicherweise eine höhere Geburtenrate aufweist, womit – praktisch als zweiter Effekt – der Altersdurchschnitt der Bevölkerung nochmals sinkt. Entscheidend ist allerdings auch die Altersstruktur der Auswanderer. Eine Emigration überwiegender junger Menschen bewirkt eine Erhöhung des Altersdurchschnitts. In der ersten Hälfte des Erwerbslebens weisen viele Menschen eine vergleichsweise hohe Wanderungsbereitschaft auf.11 Infolgedessen weisen sowohl die Aus- als auch die Einwanderer im Durchschnitt ein geringeres Durchschnittsalter als die Gesamtbevölkerung auf. Wie durch die Migration die Bevölkerungspyramide beeinflusst wird, ist somit in bedeutendem Umfang von der Zahl der Immigranten bzw. Emigranten abhängig. Ein Einwandererüberschuss verlangsamt tendenziell die Alterung der Bevölkerung und vice versa. Wenn Einwanderungen das Durchschnittsalter der Bevölkerung senken und eine solche Verringerung gewünscht wird, wäre es naheliegend, eine liberale Einwandererpolitik zu betreiben. Allerdings besteht bei einer hohen Zuwandererzahl eine latente Konfliktgefahr, vor allem wenn die inländische Bevölkerung ihre Besitzstände verteidigt. In der nordeuropäischen Region ist der Übergang zu einer multikulturellen Gesellschaft aufgrund der traditionellen Homogenität der Bevölkerung politisch durchaus nicht unproblematisch.12 Vgl. Lindh / Malmberg (2000), S. 42. Nähere Ausführungen zur Einwanderungspolitik Schwedens, den Hintergründen und Problemen legt Runblom (1998) dar. 11 12

III. Migration

65

Inwieweit Zuwanderer wirklich eine Entlastung für das Sozialsystem bringen, ist allerdings nicht nur an der durch sie bewirkten Verringerung des Durchschnittsalters festzumachen. Es sind noch weitere Effekte der Migration zu berücksichtigen. So könnten Immigranten die staatlichen Transfers an die Einheimischen verändern. Dies ist z. B. dann gegeben, wenn die Zuwanderer die Einheimischen vom Arbeitsmarkt verdrängen, so dass für letztere Arbeitslosengeld gezahlt werden muss. Andererseits können Immigranten dann eine Belastung für das Sozialsystem bzw. die gesamte Volkswirtschaft darstellen, wenn ihre Beschäftigungsrate gering ist.13 Besonders kritisch ist die Situation, wenn ein Großteil der Zuwanderer ohne Erwerbstätigkeit bleibt, die Auswanderer aber fähige Arbeitskräfte sind.14 Empirische Untersuchungen zeigten zwar, dass bei moderaten Zuwanderungszahlen kein direkter Verdrängungseffekt auftritt. So konnte langfristig kein Zusammenhang zwischen der Bevölkerungszahl und der Höhe der Arbeitslosenquote gefunden werden. Kurzfristig können aber durchaus Wirkungen auf den Arbeitsmarkt ausgelöst werden.15 Vogel weist darauf hin, dass eine Belastung für den öffentlichen Haushalt auch beim häufig genannten Königsweg, vorwiegend hochqualifizierte Arbeitskräfte als Zuwanderer zu akzeptieren, auftreten kann.16 Auf der einen Seite erzielen diese Personen zwar ein überdurchschnittliches Einkommen, wodurch sie einen bedeutenden Steuerbeitrag leisten, dafür muss aber irgendwann auch eine hohe Rente gezahlt werden. Wenn sie Kinder zeugen und aufziehen, die als Erwachsene in das Heimatland ihrer Eltern zurückkehren, profitieren diese vom Bildungs- und Gesundheitssystem ihres Geburtslandes ohne selbst je Steuern gezahlt zu haben. Diesem Argument ist allerdings zu entgegnen, dass zwischen den Beitragszahlungen zur Altersrente und der Rentenhöhe keine 100 %ige Äquivalenz besteht. Die Rentenhöhe differiert typischerweise zwischen den Einkommensgruppen weniger als der Umfang der eingezahlten Rentenbeiträge. Damit übersteigt der Finanzierungsbeitrag zur Rentenversicherung bei einer Person mit höherem Lohn tendenziell den Anspruch auf eigene Rente. Trotz dieses Einwands ist die Zuwanderung auch unter dem Gesichtspunkt der Rückkehrwahrscheinlichkeit und der Kinderzahl zu betrachten. Unter diesem Blickwinkel ist eine Einwanderungspolitik so zu gestalten, dass Zuwanderer gut in die Gesellschaft integriert werden. Ein Umfeld, dass Anreize zur Rückkehr setzt, ist nach dieser Argumentation unvorteilhaft.17

13 Eine näherer Erläuterung der Beziehung zwischen den Einwanderern und dem Pflegebedarf findet man z. B. in einer Untersuchung des schwedischen Sozialministeriums. Vgl. Socialdepartmentet (1997). 14 Vgl. Longva / Raaum (2000). 15 Vgl. Lundh / Ohlsson (1994), S. 103 – 105. 16 Vgl. Vogel (1996), S. 17. 17 Vgl. Vogel (1996), S. 17.

5 Wild

66

C. Die demographische Situation

2. Migration und Einwanderungspolitik in Skandinavien Innerhalb der Gruppe der nordischen Länder existieren beachtliche Wanderungsbewegungen. Ähnliche Kulturen, verwandte Sprachen und ein in vielen Bereichen aufeinander abgestimmtes Sozialsystem erleichtern die Mobilität der Skandinavier innerhalb ihrer Region. Die Mobilität der Arbeitskräfte wird zudem durch den gemeinsamem Arbeitsmarkt gefördert. Dieser verbindet die nordischen Länder bereits seit 1954.18 Im Verhältnis zu anderen Staaten differiert die Einwanderungspolitik. Von Bedeutung ist hierbei auch, dass Norwegen im Gegensatz zu Schweden und Dänemark kein Mitglied der Europäischen Union ist. In Schweden übersteigt die Anzahl der Immigranten die der Emigranten seit 1930 fast regelmäßig.19 Besonders hohe Einwandererzahlen wurden von 1965 bis 1970 und Anfang der 90er Jahre registriert. Im Zeitablauf nahmen tendenziell sowohl die Zahl der Einwanderer als auch die der Auswanderer zu, wobei seit den 70er Jahren insbesondere die Anzahl der immigrierten politischen Flüchtlinge steigt.20 Eine Untersuchung der Struktur der Einwanderungsströme in Schweden ergab, dass sich die Immigranten zum überwiegenden Teil im Erwerbsalter befinden. Während der Anteil der 0 bis 17-Jährigen in Schweden 23,3 % beträgt, liegt der entsprechende Anteil dieser Altersgruppe bei den Einwanderern bei 11,7 %. Dafür ist der Prozentsatz der über 65-Jährigen bei den gebürtigen Schweden mit 17,8 % größer als bei den Immigranten (13,6 %).21, 22 In Schweden gehen 45 % der ausländischen Zuwanderer einer Erwerbstätigkeit nach, im Vergleich zu 72 % der schwedischen Bürger.23 Dabei wurde die Beschäftigungsquote der Immigranten insbesondere durch die Zunahme von Kriegsflüchtlingen in den 90er Jahren Vgl. Pedersen (1996), S. 249 – 265; Mjøset (2000), S. 9 – 10. Vgl. Alestalo / Kuhnle (1987), S. 19. 20 Von 8,8 Millionen Einwohnern Schwedens wurden 971 000 – also etwa. 11 % – im Ausland geboren. Der Anteil der eingewanderten Bevölkerung ist in diesem Land damit der höchste in Nordeuropa. In der Provinz Stockholm wurde bereits jeder 6. Einwohner im Ausland geboren. Es gibt Vororte, in denen die Hälfte der Bevölkerung ausländischer Abstammung ist. Dass in Schweden ein Einwandererüberschuss verzeichnet werden kann, war im Übrigen nicht immer so. Von 1850 bis in den Anfang des letzten Jahrhunderts war dieser Staat ein Nettoauswanderungsland. So führten im 19. Jahrhundert soziale Unruhen, ausgelöst durch einem abnehmenden Bedarf an Arbeitskräften und verstärkt durch Missernten, Hungersnöte und eingeschränkter Religionsfreiheit, zu großen Auswanderungswellen. So standen beispielsweise im Jahre 1882 50 000 Auswanderern nur 3 500 Einwanderer gegenüber. Während dieser Zeit wanderten etwa 100 000 Schweden nach Nordamerika aus. Erst 1918 wurde zum ersten Mal – vorerst nur als kurze statistische Fußnote – eine positive Nettoimmigration verzeichnet. Vgl. Schwedisches Institut (1995a); Statistiska centralbyrån (1999a); Schwedisches Institut (1995a); Statistiska centralbyrån (1999c). 21 Eigene Berechnungen nach Daten des Statistiska centralbyrån (1999b). 22 Nur 1972 und 1973 gab es einen Emigrantenüberschuss. Im Jahre 1970 erreichte die Zahl der Immigranten den Rekordwert von 77 326. Dieser wurde erst 1994 wieder überboten. Vgl. Statistiska centralbyrån (1999b). 23 Vgl. Carling (1999), S. 2. 18 19

III. Migration

67

deutlich gedrückt. Dafür verlässt eine Reihe von Fachkräften – deren Humankapital im Hochsteuerland Schweden nicht ausreichend entlohnt werden kann – das Land.24 Seit den 60er Jahren wird eine Vielzahl von Integrationsprogrammen für Zuwanderer angeboten.25 Diese momentanen Ausgaben der öffentlichen Hand können langfristig eine Entlastung für den öffentlichen Haushalt erbringen. Mit diesen Maßnahmen ist z. B. eine Erhöhung der Erwerbsquote der Zuwanderer, eine Zunahme ihres Einkommens und eine Verringerung ihrer Rückkehrwahrscheinlichkeit erreichbar. Damit erscheint es möglich, dass Emigranten per saldo zu einer Entlastung des öffentlichen Hauhalts führen. Die Einwanderungspolitik in Dänemark gilt als vergleichsweise restriktiv. Eine merkliche Verschärfung des Reglements erfuhr sie im Jahre 2001. Während hochqualifizierte Arbeitskräfte als willkommen angesehen werden, wird die Zuwanderung anderer Einwanderer in Grenzen gehalten. Eine wichtige Bedingung für die Aufnahme in Dänemark ist eine umfassende Integration sowohl hinsichtlich der Sprache als auch des Beschäftigungsverhältnisses. Die dänische Einwanderungspolitik ist insbesondere im Ausland umstritten; innerhalb des Landes erhält sie aber eine deutliche Zustimmung.26 Im Jahre 1995 wurde bei 63 187 Einwanderern ein Immigrantenüberschuss von 28 557 Personen registriert. Die Zahl der Immigranten war dabei ebenso wie die Höhe des Überschusses ein Rekordwert für Dänemark.27 Während aber Norwegen und Schweden im Regelfall einen Einwandererüberschuss aufweisen, ist eine solche Situation in Dänemark auch in jüngster Zeit kein Alltag.28 1988 betrug der Einwandererüberschuss nur 507 Personen. Ende der 70er Jahre überwog in einigen Jahren sogar die Zahl der Auswanderer. Es bleibt abzuwarten, wie sich das veränderte Einwanderungsrecht auf den Migrationssaldo auswirken wird.

Vgl. Westgård-Nielsen (1996), S. 6. Einige Maßnahmen dieser Einwanderungspolitik: Seit 1965 wird ein unentgeltlicher Schwedischunterricht für Zuwanderer angeboten. Zusätzlich wurde ein Muttersprachenprogramm etabliert, mit dem es den Immigrantenschülern möglich ist, von der Vorschule bis zum Gymnasium zusätzlich Unterricht in ihrer Muttersprache zu erhalten. Dieses Programm wird in 60 Sprachen angeboten. Zuständig für dieses Angebot sind die Gemeinden. Sie sind ebenfalls für einen Dolmetscherservice verantwortlich, der von den 125 Einwanderungsbüros angeboten wird. Für die Bereitstellung dieser Angebote erhalten die Kommunen eine Finanzzuweisung des Zentralstaates. Seit 1976 wird allen Einwanderern, die seit mindestens drei Jahren in Schweden leben, ein aktives und passives Wahlrecht bei Gemeinderats- und Provinziallandtagswahlen gewährt. Über dieses Recht verfügen sie jedoch nicht bei der Wahl des Reichstags. 1986 wurde die Stelle eines Ombudsmannes gegen ethnische Diskriminierung eingerichtet. Weiterhin werden Bibliotheken beim Aufkauf ausländischer Literatur von staatlicher Seite unterstützt. Ferner senden Sveriges Radio und Sveriges Television Programme in mehreren Sprachen. Vgl. Schwedisches Institut (1998a). 26 Zur Ausländerpolitik der dänischen Regierung siehe Statsministeriet (2001) und Pedersen / Smith (2001), S. 8 – 18. 27 Vgl. Danmark statistik (1999). 28 Vgl. Pederse / Smith (2001), S. 3 – 8. 24 25

5*

68

C. Die demographische Situation

Die Einwanderungspolitik in Norwegen ist spürbar liberaler als die dänische. Dabei ist die Geschichte der norwegischen Ausländerpolitik kurz. Erst 1969 kam die erste größere außereuropäische Migrantengruppe nach Norwegen. Die Regelungen hinsichtlich der Zuwanderung von Gastarbeitern wurden dann zwar um 1975 ähnlich wie in anderen Ländern verschärft. Norwegen nahm seitdem allerdings eine merkliche Zahl politischer Flüchtlinge auf. Die Integration der Einwanderer ist auch hier, nicht zuletzt auf Grund fehlender Tradition, schwierig.29 Nach Daten des Statistikamts in Oslo lag das Durchschnittsalter der Gesamtbevölkerung Norwegens zum 1. Januar 2000 bei 37,7 Jahren.30 Die Einwanderer wiesen im Schnitt ein Alter von 32,9 Jahren auf.31 Der Wanderungssaldo wies 1997 einen Einwandererüberschuss von 10 700 Personen auf.32 Seit 1986 verdoppelte sich die Einwandererbevölkerung. Selbst dann, wenn die Zahl der Nettoimmigration null betrüge, wäre auf Grund der höheren Geburtenrate von Einwanderern aus Entwicklungsländern auch in naher Zukunft ein Anstieg dieser Bevölkerungsgruppe zu erwarten.33 Insgesamt zeigt sich, dass die Alterung der Bevölkerung in Nordeuropa durch Einwanderer zwar tendenziell beeinflusst wird; zu berücksichtigen ist indessen auch die Struktur der Wanderungsströme. Wenn produktive Arbeitskräfte den nordischen Raum aufgrund einer hohen Steuerbelastung verlassen und die Einwanderer eine geringere Produktivität aufwiesen bzw. ihre Integration nur mangelhaft gelingt, bewirkt ein Einwandererüberschuss zwar eine Senkung des Durchschnittsalters der Bevölkerung, eine Entlastung des Sozialsystems wird damit aber nicht erreicht.

IV. Auswirkungen der demographischen Entwicklung In den Abschnitten eins und zwei dieses Kapitels wurde gezeigt, dass das Durchschnittsalter der Bevölkerung in den nordischen Ländern steigt. In einer Reihe anderer Industrieländer wird jedoch eine noch größere Zunahme der älteren Bevölkerung prognostiziert. Zu beachten ist, dass insbesondere Schweden bereits in den 90er Jahren eine vergleichsweise alte Bevölkerung aufwies. Vgl. Eriksen (2000), S. 1 – 6; Longva / Raaum (2000). Einen Überblick über die Einwandererbevölkerung gibt Tabelle J-3. 31 Eigene Berechnungen nach Daten des Statistisk sentralbyrå (1999). 32 Die größte Zahl der Immigranten rekrutierte sich 1997 aus Europäern und hier vor allem aus Schweden. Die größte Einwanderergruppe über den gesamten Zeitablauf gesehen bleiben jedoch die Pakistani mit 20 900 Personen, knapp vor den Schweden (19 500) und den Dänen (18 400). Vgl. Sosial- og helsedepartementet (1999a); Statistisk sentralbyrå (1999). 33 In Norwegen wurden im Jahre 1998 244 700 Menschen – also nur 5,5 % der Gesamteinwohnerzahl – als Einwanderer bezeichnet. Dabei enthält diese Zahl auch 37 800 Personen, die als Kinder von Einwanderern geboren wurden und damit als Immigranten der 2. Generation gelten. Vgl. Statistisk sentralbyrå (1999). 29 30

IV. Auswirkungen der demographischen Entwicklung

69

Die Entwicklung der Altersstruktur ist für die Absicherung des Pflegerisikos von erheblicher Bedeutung, ist doch zu erwarten, dass mit zunehmendem Durchschnittsalter die Nachfrage nach Pflegeleistungen steigt. Die direkten Auswirkungen auf die Pflegebetreuung sind jedoch nur ein Aspekt. Auch eine Reihe anderer ökonomischer Bereiche wird durch die Alterung berührt.34 Dabei können Einflüsse auf die gesamtwirtschaftliche Wertschöpfung bzw. die öffentlichen Einnahmen und Ausgaben auch die Absicherung der Pflege tangieren. Es ist damit angebracht, im Folgenden einige der volkswirtschaftlichen Auswirkungen der Alterung zu betrachten.

1. Folgen für den Arbeitsmarkt und das Humankapital Veränderungen der Bevölkerungsstruktur können erhebliche Auswirkungen auf den Arbeitsmarkt ausüben. Durch die Zunahme des Anteils der Hochbetagten und die Verringerung derjenigen der jungen Bürger ist als erste Folge eine Verringerung der Arbeitskräfteanzahl zu erwarten. Für einzelne Branchen können Engpässe auf dem Arbeitsmarkt entstehen. Wenn der entsprechende Arbeitsmarkt nicht vollkommen reguliert wird, resultiert daraus ein Anstieg der Löhne.35 Für einen Arbeitgeber ist es ungünstig, aus wenigen Bewerbern seine Arbeitskräfte rekrutieren zu müssen. Möglicherweise ergibt sich durch die dann notwendige Einstellung von weniger qualifizierten Personen eine Verringerung der Produktivität.36 Im Weiteren ist anzunehmen, dass die Kreativität eines Menschen mit steigendem Alter abnimmt. Damit ist zu vermuten, dass eine überalterte Gesellschaft weniger Innovationen produziert als eine jüngere. Empirische Forschungen bestätigten eine signifikante Abhängigkeit der kreativen Leistungsfähigkeit vom Alter. Untersuchungen von Levin und Stephan ergaben, dass die Forschungsproduktivität eines Wissenschaftlers mit zunehmendem Alter sinkt.37 Auf die Industrie bezogen meint Sauvy, mit dem Anteil der älteren Menschen nehme auch der Anteil der älteren Maschinen zu.38 Teilweise wird das Argument vorgebracht, dass dafür mit zunehmender Beschäftigungszeit die Berufserfahrung wächst, welche die Abnahme der Kreativität kompensieren könnte. Nach Ansicht von Medoff und Abraham wird der Wert des on-the-job-trainings allerdings überschätzt.39 Ein Beschäftigter erhält mit zunehmender Arbeitserfahrung zwar einen höheren Lohn; seine Arbeitsproduktivität steigt allerdings nur wenig. Arbeitsproduktivität und Lohnentwicklung driften auseinander. Daraus folgern Medoff und Abraham, dass bei einem Un34 35 36 37 38 39

Vgl. Finansministeriet (1999a), S. 104 – 121; Pedersen / Smith (2001), S. 18 – 25. Vgl. Ferguson (1986), S. 901 – 913; Welch (1979), S. 65 – 97. Vgl. Lindh / Malmberg (2000), S. 41. Die Publikationszahl wird jedoch auch von vielen anderen Faktoren beeinflusst. Vgl. Sauvy (1948), S. 116. Vgl. Medoff / Abraham (1980), S. 703 – 736.

70

C. Die demographische Situation

ternehmen, das vorwiegend ältere Arbeitskräfte beschäftigt, einer hohe Lohnzahlung einer vergleichsweise niedrigen Arbeitsproduktivität gegenübersteht.40 Die Rekrutierung von jungen Beschäftigten kann dann erleichtert werden, wenn ein freier internationaler Arbeitsmarkt existiert. Für Nordeuropa ist der freie nordische Arbeitsmarkt aber insofern wenig hilfreich, als sich die Alterstrukturen in diesen Ländern ähneln. Aus den Wanderungsströmen könnte dann ein Nutzen gezogen werden, wenn die Engpässe auf dem Arbeitsmarkt unterschiedliche Sektoren betreffen würden.41 Dies ist aber nur partiell der Fall. So besteht in den Bereichen des Gesundheitswesens42 und der Informatik im gesamten skandinavischen Raum ein Mangel an Arbeitskräften.43 Inwieweit ein freier Arbeitsmarkt regionale Ungleichgewichte ausgleichen kann, ist zudem von der Mobilität der Arbeitsanbieter abhängig. 2. Wirkungen auf Konsum und Ersparnis Alterung der Bevölkerung führt zu Änderungen der Konsumnachfrage.44 Ältere Menschen konsumieren vermehrt Güter aus den Bereichen Tourismus, Gesundheit und Freizeit. Da es sich hierbei vorwiegend um arbeitsintensive Branchen mit geringem Produktivitätsanstieg handelt, ist mit einem Kostenanstieg bei diesen Dienstleistungen zu rechnen.45 Auswirkungen ergeben sich im Weiteren auf die Sparquote eines Landes.46 Da hiermit das gesamtwirtschaftliche Kapitalangebot beeinflusst wird, ist dies für die Wirtschaftsentwicklung von erheblicher Bedeutung. Um den Zusammenhang zwischen der Alterung der Gesellschaft und der Sparquote herzustellen, verwenden Ökonomen oft das Lebenszyklusmodell. Nach diesem Modell sparen Erwerbstätige einen Teil ihres Einkommens, um im Alter diese Ersparnisse aufzubrauchen.47 Damit ist es ihnen möglich, ihren Konsum über die Dauer ihres Lebens zu verteilen. In einer Volkswirtschaft mit einer alternden Bevölkerung nimmt die Anzahl der Menschen zu, die ihre Ersparnisse abbauen im Verhältnis zu den Personen, die Vermögen akkumulieren.48 Damit sinkt die Sparquote dieses Landes, das KapitalSiehe dazu auch Lindh / Malmberg (2000), S. 43. Vgl. Rosholm / Scott / Husted (2001). 42 Um den Engpaß bei den Ärzten zu verringern, rekrutieren die Nordeuropäer vermehrt Fachpersonal aus anderen Ländern. Während es beispielsweise in Norwegen 1994 kaum ausländische Ärzte gab, waren es zum 1.7. 2001 bereits 2 518. Dies entspricht einen Anteil an der gesamten Ärzteschaft von 16 %. Vgl. Preusker (2001a), S. 20. 43 Vgl. Arbeidsmarkedsetaten (1999) / Edholm (1999). 44 Vgl. Masson / Tyron (1990), S. 465 – 468; Sauvy (1948), S. 116. 45 Vgl. Siebert (2000), S. 57; Masson / Tyron (1990), S. 470 – 471. 46 Vgl. Cutler / Poterba / Sheine / Summers (1990), S. 38 – 53; Masson / Tyron (1990), S. 468 – 470. 47 Vgl. Lydall (1955), S. 131 – 150. 48 Vgl. Lindh / Malmberg (2000), S. 44, 97 – 100. 40 41

IV. Auswirkungen der demographischen Entwicklung

71

angebot geht zurück, die wirtschaftliche Entwicklung wird gehemmt. Es ist allerdings auch denkbar, dass die Sparquote kaum zurückgeht oder sogar steigt. Dies könnte dann eintreten, wenn der Staat die höhere Nachfrage nach öffentlichen Leistungen durch die ältere Bevölkerung nicht tragen kann und er deshalb sein Angebot auf eine Grundsicherung zurückführt. Damit könnte ein Teil der Bevölkerung die Altersvorsorge durch verstärktes privates Sparen absichern. Die private Sparquote würde steigen. Eindeutige Schlussfolgerungen sind also nicht möglich. Es überwiegen allerdings die Stimmen, die von einer Verknappung des Kapitalangebots ausgehen.49 3. Folgen für den Staatshaushalt Für die öffentlichen Haushalte folgen aus der Alterung der Gesellschaft vielfältige Wirkungen.50 Aus der Verringerung des Arbeitsangebots kann eine schwächere wirtschaftliche Entwicklung resultieren, wodurch das Wachstum der Steuereinnahmen zurückgeht. Da der Anteil der jüngeren Bevölkerung sinkt, verringert sich zudem sukzessive die Steuerbasis.51 Um dies zu verhindern, müssten die öffentlichen Einnahmen vermehrt auf die ältere Bevölkerung ausgerichtet werden; eine Fokussierung auf die Erwerbseinkommen erscheint ungünstig. Auf der Ausgabenseite steigen die Posten für die Alterssicherung und das Gesundheitswesen. Dabei steigt nicht nur die Nachfrage nach entsprechenden Leistungen, auch die Nachfrage nach einem Ausbau des sozialen Systems nimmt zu.52 Das dänische Finanzministerium rechnet beispielsweise für seinen Haushalt damit, dass durch den demographischen Einfluss Pflege- und Gesundheitsausgaben von 11,7 % im Jahre 1998 auf 14,7 % des BIP im Jahre 2035 zunehmen.53 Ein Rückgang der Ausgaben ist u. a. in den Bereichen Bildung und Verkehrsinfrastruktur möglich, sofern eine Redimensionierung erfolgt. Zu berücksichtigen ist, dass Politiker als Wählerstimmenmaximierer in zunehmendem Maße auf die Wünsche der älteren Menschen eingehen werden, woraus eine vermehrte Umverteilung von den Jüngeren zu den Älteren resultieren kann.54 Eine Schwierigkeit in der demographischen Änderung ergibt sich daraus, dass einige der Folgen durch die traditionellen Rechnungssysteme und Haushaltskennzahlen eher verdeckt als offengelegt werden. So tragen Beiträge zum Sozialversicherungssystem zwar zum jährlichen Haushalt bei; die sich aus diesen Zahlen ergebende Zahlungsverpflichtung im Rentenalter bleibt allerdings unkalkuliert. Vgl. Europäische Zentralbank (2000), S. 70. Vgl. Cutler / Poterba / Sheiner / Summers (1990), S. 45 – 53. 51 Vgl. Siebert (2000), S. 57. 52 Vgl. Sauvy (1948), S. 118 – 119; Falkingham (1989), S. 211 – 233; Binstock (1998), S. 422 – 447. 53 Vgl. Finansministeriet (1999a), S. 107. 54 Vgl. Torrey (1982), S. 309 – 313. 49 50

72

C. Die demographische Situation

Dieses System bewirkt, dass zukünftige Verpflichtungen in der Gegenwart unterschätzt werden. Damit besteht die Gefahr einer fehlerhaften Bewertung der Konsequenzen gegenwärtiger Finanzpolitik. In ihrem Monatsbericht vom Juni 2000 forderte die Europäische Zentralbank die Entscheidungsträger auf, sich für die Änderung der Erfassungsgrundlage von Kennzahlen der öffentlichen Hand einzusetzen. So sollte die Höhe der Staatsschuld Verbindlichkeiten gegenüber zukünftigen Rentenempfängern als Komponente der so genannten „impliziten Verschuldung“ umfassen.55 Damit liegt ein Problem der Alterung der Bevölkerung schon allein darin, dass die in Zukunft erhöhten Ausgaben haushaltstechnisch unzureichend erfasst werden und damit die Notwendigkeit einer Umgestaltung der Einnahmenund Ausgabenstruktur verdrängt wird.

4. Direkte Konsequenzen für die Absicherung des Pflegerisikos Durch den Anstieg des Durchschnittsalters ist zu erwarten, dass die Zahl der Pflegebedürftigen steigt. Die Folgen für die finanzielle Absicherung des Pflegerisikos sind vom Absicherungsmodell abhängig. Bei der Sozialversicherung kann die Alterung die größten Probleme hervorrufen, da parallel mit der Erhöhung der Leistungsnachfrage die Finanzierungsgrundlage schrumpft. Da die Alterung der Bevölkerung zu einer Verringerung der Erwerbstätigenzahl führt, sinkt die Zahl der Personen, die Beiträge entrichten. Dieses demographisch bedingte Problem wird in Nordeuropa – wie in der BR Deutschland auch – dadurch etwas gemildert, dass Sozialversicherungsbeiträge auch von Rentenbeziehern gezahlt werden müssen. Bei der steuerfinanzierten Pflegeabsicherung ist die demographische Stabilität von der Zusammensetzung des Steueraufkommens abhängig. Wenn das Steueraufkommen vorwiegend durch Einnahmen aus der Einkommensteuer resultiert, ergibt sich eine ähnliche Konstellation wie bei einer Sozialversicherung. Die Steuerbasis wird sich mit steigendem Durchschnittsalter der Bevölkerung ebenso verringern wie bei der Einkommensteuer. Die Schrumpfung der Finanzierungsgrundlage wird in Nordeuropa durch die Steuerpflicht der Renteneinkommen gedämpft. Da (ältere) Pflegebedürftige ein Renteneinkommen erhalten, tragen sie zur Finanzierung der Pflege bei. Eine Erhöhung des Anteils der Pflegebedürftigen bzw. der Rentenempfänger relativ zur Zahl der Erwerbstätigen verringert die Steuerbasis nur in dem Maße, wie das Renteneinkommen niedriger ist als das Erwerbseinkommen. Eine weitgehend unveränderte Steuerbasis kann dann erhalten werden, wenn die Besteuerung weniger durch die Einkommensteuer, sondern vermehrt über die Mehrwertsteuer erfolgt. Wenn angenommen wird, dass die älteren Menschen tendenziell Ersparnisse auflösen und damit der Konsum steigt, könnte sogar von einer Erhöhung der Steuerbasis ausgegangen werden. Zu bedenken ist allerdings, dass ältere Menschen überproportional Güter nachfragen, für die ermäßigte Mehrwertsteuersätze gelten. 55

Vgl. Europäische Zentralbank (2000), S. 67.

IV. Auswirkungen der demographischen Entwicklung

73

Sowohl bei der Sozialversicherung als auch bei den steuerfinanzierten Pflegeleistungen besteht die Gefahr, dass bei anhaltender Nachfragesteigerung die Leistungen vermindert werden müssen. Daraus kann eine Ungerechtigkeit zwischen den Generationen resultieren. So ist vorstellbar, dass eine Reihe von Personen jahrzehntelang einen hohen Beitrag für die umfassende Pflege der Älteren zahlt, dann aber im Pflegefall verringerte Leistungen erhält. Die Gefahr einer intergenerationellen Ungerechtigkeit ist also auch in Nordeuropa gegeben.

D. Die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen in Skandinavien Wenn die Pflegeabsicherung vorwiegend über ein Sozialprinzip finanziert wird, ist die Finanzierung der Leistungen der Verfügbarkeit öffentlicher Mittel unterworfen. Insbesondere dann, wenn die öffentlichen Ausgaben, die Steuerquote bzw. die öffentliche Verschuldung bereits hohe Zahlenwerte erreicht haben, ist eine Erweiterung der staatlichen Aktivitäten nur noch beschränkt möglich. Zusätzlich ergeben sich für den Pflegesektor konjunkturelle Herausforderungen. So können sinkende Steuereinnahmen in rezessiven Wirtschaftsphasen bereits die Aufrechterhaltung des Leistungsangebots problematisch werden lassen. Um die Stabilität der Absicherung der Menschen gegen die in Rede stehenden Risiken in Skandinavien zu betrachten, wird in diesem Kapitel auf einige wirtschaftliche Eckdaten von Norwegen, Schweden und Dänemark eingegangen. Dabei liegt der Schwerpunkt auf der Betrachtung des öffentlichen Sektors. Es wird dargestellt, inwieweit das Angebot an Pflegefürsorge in diesen Ländern durch ökonomische Restriktionen beeinflusst wird. Damit wird zum einen erkennbar, auf welchem wirtschaftlichen Fundament die Pflegebetreuung errichtet wurde, zum anderen wird ersichtlich, über welchen Manövrierraum die einzelnen Staaten verfügen, um das Pflegeangebot den demographischen Veränderungen anzupassen.

I. Die Wirtschaft Skandinaviens 1. Wirtschaftsstruktur und Wirtschaftsleistung Norwegen, Dänemark und Schweden wiesen 1998 mit kaufkraftbereinigten Bruttoinlandsprodukten (BIP) pro Kopf von 24 290, 23 830 und 19 480 US-$ einen hohen materiellen Wohlstand auf.1 Wie aus diesen Zahlenwerten erkennbar, erbringt Norwegen dabei in Nordeuropa die größte Wirtschaftsleistung pro Kopf. Selbst in Relation zu Nationen außerhalb Skandinaviens nimmt dieses Land einen Spitzenwert ein. Schweden fällt dagegen im Vergleich der nordischen Länder etwas ab. In Anbetracht ihrer geringen Bevölkerungszahlen gelten die skandinavischen Länder als kleine Volkswirtschaften. Das BIP ist absolut entsprechend deutlich kleiner als das der BR Deutschland oder beispielsweise Frankreichs.

1

Vgl. Weltbank (2001).

I. Die Wirtschaft Skandinaviens

75

Tabelle D-1 Bruttoinlandsprodukt und Bruttoinlandsprodukt pro Kopf Land

BIP 1998 [in Mrd. US-$]

BIP / Kopf 1998 [in US-$]

BIP / Kopf nach Kaufkraftparität 1998 [in US-$]

Dänemark

176,4

33 260

23 830

Norwegen

152,1

34 330

24 290

Schweden

226,9

25 260

19 480

BR Deutschland

2 122,7

25 850

20 810

Frankreich

1 466,2

24 940

22 320

Großbritannien

1 263,8

21 400

20 640

Italien

1 166,2

20 250

20 200

Niederlande

388,7

24 760

21 620

Österreich

217,2

26 850

22 740

Schweiz USA

284,8

40 080

26 620

7 921,3

29 340

29 340

Quelle: Weltbank (2000), S. 230 – 231.

Die schwedische Volkswirtschaft ist durch eine bemerkenswerte Diversifizierung gekennzeichnet. Neben traditionellen Industriezweigen, die sich vorwiegend auf Eisenerz und Holz stützen2, existiert eine Reihe von Unternehmen der hochtechnologischen Branchen. Einen Beitrag zum BIP liefern zu 49 % die privaten Dienstleistungen, zu 28 % die Industrie, zu 20 % der öffentliche Dienst sowie zu 3 % die Landwirtschaft und die Fischerei.3 Die Industrie spielt dabei in Schweden eine größere Rolle als es ihr Anteil am BIP vermuten lässt. Dabei weist die Wirtschaftslandschaft eine starke vertikale und horizontale Konzentration auf. In den verarbeitenden Branchen dominieren einige wenige Unternehmen.4 Ericsson, ABB, Electrolux, Volvo und Saab beschäftigen 60 % der Arbeitnehmer in der Industrie. Zudem beträgt ihr Anteil am Export von Industrieprodukten 80 %. Ein Drittel aller Beschäftigen Schwedens ist in Unternehmen mit mehr als 500 Arbeitskräften tätig.5 Die bedeutende Unternehmenskonzentration wird auch als eine Ursache dafür gesehen, dass die Forschungs- und Entwicklungsaktivitäten in 2 Schweden verfügt über eine große Palette von natürlichen Ressourcen, allerdings über kein Erdöl. Veränderungen des Weltmarktpreises von Erdöl führten jahrzehntelang zu schwankenden Importausgaben und einer sich damit verändernden Handelsbilanz. Aus diesem Grund wurde in der letzten Dekade die Energieerzeugung vermehrt auf andere Primärenergieträger umgestellt. 3 Vgl. Statistiska centralbyrån (2000), S. 303. 4 Vgl. Sheperd (2001). 5 Vgl. Schwedisches Institut (1998b, 1997).

76

D. Die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen

Schweden erheblich sind. In diesem Land ist der Ausgabenanteil der Unternehmen für die Forschung und Entwicklung einer der höchsten der Welt.6 In Norwegen wird die Wirtschaftsstruktur vorwiegend durch Kleinunternehmen geprägt.7 Diese konzentrieren sich vorwiegend auf die Verarbeitung von natürlichen Rohstoffen (Erdöl, Holz, Fisch, Eisenerz). Eine bedeutende Größe der norwegischen Ökonomie ist die Erdöl- und Erdgasförderung. Diese beiden Rohstoffe trugen 1997 zu etwa einem Drittel zum Export bei.8 Norwegen gilt als einer der größten Erdölexporteure der Welt. In den Küstengebieten Nord- und Westnorwegens ist die Fischerei noch immer fast der einzige Wirtschaftszweig. Norwegen zählt damit zu den größten Fischereinationen. 9 Im Gegensatz zu Dänemark und Schweden ist Norwegen kein Mitglied der EU. Damit befindet sich dieses Land nicht nur in geographischer, sondern auch in wirtschaftspolitischer Hinsicht in einer Randlage.10 Das BIP Dänemarks wird in einer ähnlichen Sektorenverteilung wie das schwedische BIP erwirtschaftet. Der gesamte Dienstleistungssektor einschließlich des öffentlichen Diensts trägt 76 % zum BIP bei. Der Anteil der Industrie ist mit 21 % der niedrigste in Nordeuropa. Die Landwirtschaft erwirtschaftet 2 % des BIP. Von den statistisch registrierten 325 000 Unternehmen in Dänemark werden zwar etwa 80 000 der Landwirtschaft zugeordnet; in einem durchschnittlichen landwirtschaftlichen Betrieb ist allerdings nur wenig mehr als eine Arbeitskraft beschäftigt. Von den insgesamt knapp 2,2 Mio. Vollzeit-Beschäftigten entfallen 812 000 – also knapp 30 % – auf den öffentlichen Sektor. Die Industrie beschäftigt etwa 411 000, die Handels- und Hotelbranche 346 000 Arbeitskräfte.11 Die dänischen Industrieunternehmen sind eher als klein- und mittelständisch zu bezeichnen. Die durchschnittliche Beschäftigtenzahl liegt bei 16 Personen.12 Die umsatzmäßig bedeutendste Branche ist die Nahrungs- und Genussmittelindustrie mit einem Anteil von 24 %. Damit erreicht dieser Industriesektor fast ein Viertel des Gesamtumsatzes der dänischen Industrie. Mit merklichem Abstand folgen Maschinenbau (13 %), Elektronikindustrie (12 %) und die chemische Industrie (11 %). Im Jahre 1993 lag der Prozentsatz der Nahrungs- und Genussmittelindustrie sogar bei über 30 %. In den letzten Jahren ist allerdings besonders die Bedeutung der elektronischen und der chemischen Industrie gewachsen.13

Vgl. Schwedisches Institut (1998b), S. 1; Preusker (2002b), S. 9 – 11. Vgl. Benito / Larimo / Narula / Pedersen (2001); Christiansen / Jørgensen / Smith (1996). 8 Vgl. Russwurm (1997). 9 Vgl. ebenda. 10 Bei der letzten Volksabstimmung im Jahre 1994 stimmten 52 % der Norweger gegen einen Beitritt zur EU. Vgl. The Economist (1999b). 11 Vgl. Danmark statistik (2001), S. 249, 255. 12 Vgl. Danmark statistik (2001), S. 250. 13 Vgl. Danmark statistik (2001), S. 309. 6 7

I. Die Wirtschaft Skandinaviens

77

Tabelle D-2 Struktur des Bruttoinlandsproduktes Land

Anteil der Landwirtschaft Anteil der Industrie Anteil der Dienstleistungen 1999 [in % des BIP] 1999 [in % des BIP] 1999 [in % des BIP]

Dänemark

2

21

76

Norwegen

2

31

67

Schweden*

3

28

69

BR Deutschland

1

28

71

Frankreich

3

23

74

Großbritannien

1

25

74

Italien

3

26

71

Niederlande

3

24

74

Österreich

3

25

72

Schweiz*

3

28

69

* Daten von 1990. Quelle: Weltbank (2001), S. 198 – 201.

2. Privatisierungen und Deregulierungen In den letzten Jahren wurden in Nordeuropa in einigen Sektoren Privatisierungen bzw. Deregulierungen vorgenommen. Dabei ist allerdings zu berücksichtigen, dass einige dieser Reformen durch EU-Richtlinien vorgegeben waren. In Dänemark wurden große Bereiche des Bankwesens und der Transportbranche privatisiert. Vollständig privatisiert wurde auch das Telekomunternehmen Tele Danmark. Einige öffentliche Großunternehmen wie der Flughafen von Kopenhagen, die Post und die Schifffahrtslinien wurden zu Rechtspersönlichkeiten des Privatrechts umgewandelt. Während die beiden letztgenannten bisher im Eigentum der öffentlichen Hand verblieben14, reduziert der Staat seinen Anteil an der Flughafengesellschaft Kopenhagen sukzessive auf derzeit 33,8 %.15 Ebenso wie in Dänemark wurden auch in Schweden eine Reihe von staatlichen Unternehmen nur formal privatisiert. Ein Rückzug des Staates als Eigentümer ist hier nur in wenigen Bereichen, wie dem Bank- und dem Telekommunikationssektor, zu verzeichnen.16 14 15 16

Vgl. European Industrial Relation Observatory (2001). Vgl. København Lufthavne (2002). Vgl. European Industrial Relation Observatory (2001).

78

D. Die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen

In Norwegen wurden Bereiche der Telekommunikation, der Post, der Eisenbahn und der Stromversorgung liberalisiert. Staatliche Unternehmen wurden hier in eigenständige Unternehmen umgewandelt und der Markt für Wettbewerber geöffnet. Teilprivatisierungen sind zudem in einigen Bereichen der Landwirtschaft und bei der Herstellung von pharmazeutischen Produkten zu beobachten.17 Insgesamt ist der Umfang der Privatisierungen deutlich geringer als in Schweden und Dänemark. Der öffentliche Sektor soll vorwiegend über eine Modernisierung, weniger über Privatisierung reformiert werden.18 Im Bank- und Finanzwesen ist der staatliche Einfluss größer als in den Nachbarländern; die Entwicklung des norwegischen Finanzmarkts wird dadurch deutlich gehemmt.19 Dies hat auch Auswirkungen auf den Umfang der Investitionen.20 Die Osloer Börse leidet unter einer „Insider-Kultur“.21 Ausländische Investoren spielen eine vergleichsweise geringe Rolle.22 Die größten Privatisierungserlöse wiesen im Zeitraum von 1990 bis 1998 Schweden und Dänemark auf. In Dänemark lagen diese bei 5,9 Mrd. und in Schweden bei 5,8 Mrd. US-Dollar. In Norwegen wurden im gleichen Zeitraum nur entsprechende Erlöse von 1,4 Mrd. US-Dollar erreicht. Zum Vergleich die Privatisierungserlöse in einigen anderen Industrieländern (jeweils in US-Dollar): Großbritannien 64 Mrd., Italien 63,4 Mrd., Frankreich 48,5 Mrd., Portugal 21,0 Mrd., BR Deutschland 15,7 Mrd., Niederlande 11,8 Mrd.23 Aus diesem Zahlenvergleich wird deutlich, dass selbst die schwedischen und dänischen Liberalisierungsmaßnahmen noch merklich hinter denen anderer Länder zurückbleiben. Bei diesen Zahlenwerten ist zwar zu berücksichtigen, dass beispielsweise Großbritannien, Italien und Frankreich aufgrund ihrer Bevölkerungszahl in eine andere Liga einzuordnen sind. Aber selbst im etwa gleich bevölkerten Portugal waren die Privatisierungserlöse fast viermal größer als in Schweden und Dänemark.

3. Der öffentliche Sektor a) Das Skandinavische Wohlfahrtsmodell Ein wesentliches Merkmal der nordischen Länder ist die umfassende Rolle, die der Staat in der Gesellschaft spielt.24 Im gesamten Sozial-, Gesundheits-, und BilVgl. European Industrial Relation Observatory (2001). Vgl. Naschold / Riegler (1997), S. 21. 19 Das staatliche Eigentum an den größten Banken des Landes ist eine Folge der nordischen Bankenkrise Anfang der 90er Jahre. Vgl. Körnert (2001). 20 Vgl. Christiansen / Jørgensen / Smith (1996); Sandven (1996). 21 Vgl. Ketels (2000), S. 48. 22 Zur Börsenkapitalisierung in Nordeuropa siehe Tabelle J-6. 23 Vgl. European Industrial Relation Observatory (2001). 24 Vgl. Lindh / Meyerson (1998), S. 23 – 45. 17 18

I. Die Wirtschaft Skandinaviens

79

dungsbereich ist ein ausgedehnter staatlicher Interventionismus erkennbar.25 So ist er z. B. in größerem Maße als in den meisten anderen Staaten an der Organisation und Finanzierung von Wohlfahrtsleistungen beteiligt. Das nordische Wohlfahrtssystem wird in der Literatur als „Schwedisches Modell“ oder auch als „Skandinavisches Modell“ bezeichnet.26 Die teilweise anzutreffende synonyme Verwendung dieser Begriffe rührt daher, dass unter internationalem Blickwinkel eine große Ähnlichkeit zwischen den nordischen Länder existiert.27 Es besteht darüber hinaus keine feste Definition der beiden Bezeichnungen. Zur Darstellung dieses Systems werden meist verschiedene Besonderheiten beschrieben. Esping-Andersen nennt zur Erläuterung des „Skandinavischen Modells“ drei Merkmale.28 Erstens betreiben die zugehörigen Staaten eine umfassende Sozialpolitik.29 Der Zuständigkeitsbereich der öffentlichen Hand ist weiter definiert als in anderen Ländern. Die Sozialpolitik tendiert dabei zu einer einheitlichen Absicherung von Risiken. Zweitens ist der Anspruch auf soziale Leistungen in hohem Grade gesetzlich verankert.30 Die Rechte auf Wohlfahrtsleistungen sind breit gefasst. Drittens werden die sozialen Leistungen zum größten Teil universal bereitgestellt. Jeder Bürger erhält nach dem „Skandinavischen Modell“ bei Bedarf annähernd die gleichen Leistungen. Im Grundaufbau dieses Systems besteht kein Zusammenhang zwischen der Leistungshöhe und einer früheren Erwerbstätigkeit. Esping-Andersen weist bei seiner Erläuterung darauf hin, dass aus intra-skandinavischer Sicht merkliche Unterschiede zwischen den nordischen Länder zu beachten sind.31 Aus den Zielen des skandinavischen Wohlfahrtssystems ergibt sich für die Wirtschafts- und Sozialpolitik das Bestreben, eine egalitaristische Gesellschaft zu schaffen.32 Es werden Nationen ohne Armut mit möglichst geringen Einkommensdifferenzen innerhalb der Bevölkerung angestrebt. Dazu wird eine weitgehende Umverteilung zwischen den Bevölkerungsschichten praktiziert.33 Empirische Evidenz für eine Angleichung der Einkommen ist für den gesamten nordischen Raum gegeben.34 Der Bevölkerungsteil der Einkommensschwächsten verfügt über einen merklich größeren Teil am Gesamteinkommen als in den meisten anderen Ländern. Der Anteil der einkommensstärksten Einwohner am Gesamteinkommen ist in Vgl. z. B. Plovsing (1994), S. 11 – 13. Vgl. Esping-Andersen / Korpi (1987), S. 41 – 42. 27 Vgl. Boje / Olsson Hort (1993). 28 Vgl. Esping-Andersen / Korpi (1987), S. 41 – 43. 29 Zum Begriff der Sozialpolitik siehe Plovsing (1994), S. 26 – 30. 30 Vgl. Mjøset (2000), S. 12. 31 Vgl. Esping-Andersen / Korpi (1987), S. 43. 32 Vgl. Hansen (1987), S. 109 – 110; Kosonen (1992), S. 187 – 196. 33 Zur Umverteilungspolitik in Dänemark vgl. Hansen (1987), S. 139 – 155. 34 Vgl. Stewart (1996), S. 127 – 138; Westgård-Nielsen (1996), S. 3 – 8; Atkinson (1995), S. 41 – 63. 25 26

80

D. Die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen

Skandinavien entsprechend geringer. Die geringsten Einkommensunterschiede in Nordeuropa wies im Jahre 1992 Dänemark auf. Der Gini-Koeffizient lag hier bei 24,7. Für Schweden wurde ein Wert von 25,0 und für Norwegen einer von 25,8 (Wert für 1995) berechnet. Die BR Deutschland wies einen Gini-Koeffizienten von 30,0 (1994), Frankreich einen von 32,7 (1995) auf. Die USA hatten einen solchen von 40,8 (1997) aufzuweisen.35 Tabelle D-3 Kennzahlen der Einkommensverteilung Land

Jahr der Datenerhebung

GiniEinkommen der 20 % Einkommen der 20 % Koeffizient einkommensschwächsten einkommensstärksten Personen [in % des Personen [in % des Gesamteinkommens der Gesamteinkommens Bevölkerung] der Bevölkerung]

Dänemark

1992

24,7

9,6

34,5

Norwegen

1995

25,8

9,7

35,8

Schweden

1992

25,0

9,6

34,5

BR Deutschland

1994

30,0

8,2

38,5

Frankreich

1995

32,7

7,2

40,2

Großbritannien

1991

36,1

6,6

43,0

Italien

1995

27,3

8,7

36,3

Niederlande

1994

32,6

7,3

40,1

Österreich

1987

23,1

10,4

33,3

Schweiz

1992

33,1

6,9

40,3

USA

1997

40,8

5,2

43,0

Quelle: Weltbank (2001), S. 70 – 73.

Dass Dänemark nach dieser Tabelle die ausgeprägteste Einkommensgleichheit aufweist, ist bemerkenswert. Studien aus 70er und 80er Jahren zeigten das größte Ausmaß an Egalitarismus noch in Schweden und Norwegen.36 In einem Aufsatz von 1987 schrieb Hanson unter Berücksichtigung dieser Untersuchungen noch, dass das Ziel der Einkommensangleichung im nordischen Raum mit größtem Nachdruck in Schweden verfolgt werde. Nach seiner Meinung führt in Dänemark ein vergleichsweise starkes Bürgertum und eine weniger homogene Arbeiterschaft zu einer größeren Ungleichheit.37 Dieses Bild scheint sich seitdem etwas geändert 35 36 37

Vgl. Weltbank (2001), S. 70 – 73. Vgl. Hansen (1987), S. 120. Vgl. Hansen (1987), S. 110.

I. Die Wirtschaft Skandinaviens

81

zu haben. Eine Ursache dieser Wandlung könnte in der veränderten Lohnpolitik liegen. Führungskräfte in größeren Unternehmen werden vermehrt gewinnabhängig – z. B. über Aktienoptionen – entlohnt. Eine solche Vergütungsform führt besonders dann zu größeren Lohndifferenzen zwischen Führungskräften und den Angestellten, wenn die Aktienkurse spürbar steigen. Tendenziell zunehmende Kurse an den Börsen bewirken somit eine vermehrte Lohnspreizung zwischen den Beschäftigten. Da Schweden im Vergleich zu Dänemark mehr durch international tätige Großunternehmen geprägt ist, ist zu vermuten, dass dort die Vergütung von Fachpersonal in deutlich stärkerem Maße über innovative Lohnsysteme vorgenommen wird. Es ergibt sich eine zunehmende Einkommensungleichheit. Der Egalitarismus in der schwedischen Gesellschaft hat seinen Höhepunkt wohl überschritten.

b) Die öffentlichen Ausgaben Skandinavien wird im Allgemeinen als eine Region angesehen, in der die Bevölkerung durch ein großzügiges soziales Netz abgesichert wird. Der bedeutende Interventionismus, der viele Bereiche des Lebens durchdringt, führt zwangsläufig zu hohen Staats- und Steuerquoten, die weltweit zu den höchsten zählen. Unter den entwickelten Industrieländern nimmt Nordeuropa eine Spitzenstellung ein. Der Umfang des Interventionismus ist aber nicht in allen drei Ländern in gleichem Maße ausgeprägt. So differieren die Staatsquoten zwischen den nordischen Ländern erheblich. Schweden wies im Jahre 1995 mit einer Staatsquote von 69,0 % den größten Wert auf; Dänemark folgte mit 62,5 %. Die Staatsquote Norwegens lag bei 55,0 %, also immerhin um 14 Prozentpunkte niedriger als in Schweden und 7,5 % unter dem dänischen Wert. Frankreich wies 1996 eine Staatsquote von 54,5 %, die BR Deutschland von 51,6 % auf. Einen deutlich niedrigeren Anteil zeigt die Statistik für Großbritannien (43,9 %) und die USA (33,5 %).38 Der Vergleich von Staatsquoten verschiedener Länder ist allerdings nicht ganz unproblematisch. Als Ausgaben gelten beispielsweise nicht die staatlichen Leistungen, die als Mindereinnahmen gebucht werden. Wenn in einem Land bevorzugt Steuervergünstigungen statt einer direkten Finanzhilfe gewährt werden, ist die Staatsquote niedriger.39 In Großbritannien werden beispielsweise seit längerem Krankengeld und Sozialbeiträge gegengerechnet. Für den Bezieher der Leistungen ist dies ein Äquivalent, für die Staatsquotenberechnung allerdings nicht. Die Reduzierung der Sozialbeiträge ist ein Mindereinkommen des Staates und wird damit im Gegensatz zum Krankengeld statistisch nicht als Staatsausgabe geführt.40 In Schweden, Dänemark, Norwegen und den Niederlanden sind Transferzahlungen 38 39 40

Vgl. OECD (2000b), S. 36 – 37. Vgl. Stern / Werner (1998), S. 6 – 7. Vgl. Eklund (1994b), S. 147.

6 Wild

82

D. Die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen 69,0

Schweden 62,5

Dänemark Niederlande

55,3

Norwegen

55,0

Frankreich

54,5

Italien

53,5

Österreich

52,7 51,6

BR Deutschland 43,9

Großbritannien 33,5

USA 0

10

20

30

40

50

60

70

80

90

100

Staatsausgaben 1995 [in % des BIP] Quelle: OECD (2000b), S. 36 – 37.

Abbildung D-1: Anteil der Staatsausgaben am BIP

zum überwiegendem Teil in vollem Umfang einkommensteuerpflichtig. Die Transfers – also z. B. die Altersrente oder das Arbeitslosengeld – werden ähnlich dem Arbeitseinkommen brutto ausgezahlt. Bei der Erfassung dieser Leistungen als Staatsausgaben wird damit ein vergleichsweise hoher Betrag angesetzt. Eigentlich zahlt der Staat hierbei an sich selbst Steuern; es handelt es also nur um einen „Rundlauf“, der die Staatsausgaben per saldo nicht erhöht. In den Ländern mit einem solchen Besteuerungssystem ist die Staatsquote vergleichsweise zu hoch ausgewiesen.41 Bei der Würdigung der obenaufgezeigten Zahlenwerte zu den Staatsausgaben ist weiter zu berücksichtigen, dass über verschiedene haushaltstechnische Verfahren die Staatsquote nach unten geschönt wird. Zudem wird die Subventionierung öffentlicher Unternehmen bei der Staatsquotenberechnung typischerweise nur unsystematisch und unvollständig erfasst, obwohl sie eine wichtige Untergruppe der öffentlichen Ausgaben darstellen kann.42

c) Die öffentlichen Einnahmen Ein hoher Staatsanteil steht in engem Zusammenhang mit einer hohen Steuerund Abgabenquote. Es verwundert nicht, dass auch hier Schweden (51,9 %) und Dänemark (49,5 %) die höchsten Werte aufweisen. In Norwegen ist die Steuerquote mit 42,6 % deutlich geringer. So verzeichnen auch Italien (44,4 %) und Öster41 42

Vgl. Eklund (1994b), S. 146. Vgl. Stern / Werner (1998), S. 6 – 7.

I. Die Wirtschaft Skandinaviens

83

reich (44,3 %) eine höhere Steuer- und Abgabenbelastung im Verhältnis zum BIP als Norwegen. Nach der OECD-Statistik weisen Großbritannien (35,4 %) und die USA (29,7 %) die niedrigsten Werte auf.43 118,0

Italien 91,2

Schweden 82,8

Niederlande 72,1

Dänemark

66,3

Frankreich

64,1

USA BR Deutschland

60,0

Österreich

59,2 56,4

Großbritannien

54,2

Norwegen 0

20

40

60

80

100

120

140

Staatsschuld 1995 [in % des BIP]

Quelle: OECD (2000b), S. 38 – 39.

Abbildung D-2: Steuern und Abgaben im Verhältnis zum BIP

Zu berücksichtigen ist, dass die tatsächliche Steuerbelastung noch höher ist, als die statistisch ausgewiesene. Die Steuerquote als Quotient aus Gesamtsteuerzahlung und BIP widerspiegelt die tatsächliche Einkommensbelastung unzureichend wieder. Das BIP umfasst den Bruttowert aller im Inland produzierten Waren und Dienstleistungen und damit auch den Teil des Produktionsprozesses, der zur Aufrechterhaltung des Anlagevermögens benötigt wird, die Abschreibungen. Dieser Teil der Wertschöpfung ist aber kein Einkommen im Sinne eines Vermögenszuwachses. Dieser Einwand ist auch unter dem Gesichtspunkt zu betrachten, dass aufgrund des technischen Fortschritts der Anteil der Abschreibungen am BIP in den letzten Jahren zunahm. Die tatsächliche Abgabenbelastung wird besser verdeutlicht, wenn als Nenner anstelle dem BIP das Nettosozialprodukt (NSP) zu Marktpreisen oder das Volkseinkommen verwendet wird. Da das Volkseinkommen etwa um ein Drittel geringer ist als das BIP, würde die ausgewiesene Steuer- und Abgabenquote in allen betrachteten Ländern deutlich zunehmen.44 Für die Bemessung 43 Bei der Berechnung der Steuerquote werden zum Teil unterschiedliche Zurechnungen und Abgrenzungen vorgenommen. Je nach Quellen können sich demnach für ein Land unterschiedliche Steuerquoten ergeben. So weicht die Steuerquote der OECD oftmals von der der nationalen Behörden ab. Vgl. Stern (2000), S. 20 – 25. 44 Vgl. Stern / Werner (1998), S. 8 – 11; Stern (2000), S. 20 – 29.

6*

84

D. Die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen

der Abgabenbelastung ist zudem zu berücksichtigen, dass Sonderabgaben ungeachtet ihres quasi-steuerlichen Charakters in der Finanzstatistik nicht als Steuereinnahmen ausgewiesen werden. Sie tragen aber trotz allem zur Gesamtbelastung bei.45 Die Struktur der öffentlichen Einnahmen wird insbesondere in Dänemark und in Schweden von der Einkommensbesteuerung natürlicher Personen dominiert. Der Anteil der entsprechenden Steuereinnahmen am Gesamtsteueraufkommen lag in Dänemark bei 52,4 % und in Schweden bei 35,0 %. In Schweden wird der Faktor Arbeit zudem durch Sozialversicherungsbeiträge steuerlich erheblich belastet (28,8 % Anteil am Gesamtsteueraufkommen).46 Ein wesentlicher Teil der Steuereinnahmen wird zudem über die Mehrwertsteuer und spezielle Verbrauchsteuern erzielt. In Norwegen ist der Anteil der Einkommensbesteuerung mit 25,7 % etwas niedriger. Dafür werden die Steuereinnahmen hier zu einem größeren Teil durch Verbrauchsteuern (37,0 % des Gesamtsteueraufkommens) aufgebracht. Auch die Einnahmen aus der Unternehmensbesteuerung sind in Norwegen mit einem Anteil von 12,2 % deutlich höher als in Schweden (6,1 %) und in Dänemark (5,2 %).47 Einen Gesamtüberblick dazu – auch im Vergleich mit anderen Ländern – vermittelt die nachstehende Tabelle auf Seite 85. d) Staatsschuld und Intergenerational Accounting Eine wesentliche Größe für die langfristige Stabilität der öffentlichen Ausgaben ist die Staatsverschuldung. Die folgende Abbildung auf Seite 86 zeigt die Schuld des Staatsektors in ausgewählten Ländern. Es ist allerdings zu bedenken, dass eine Reihe von staatlichen Verbindlichkeiten, insbesondere Versprechen über zukünftige Rentenzahlungen, in die offizielle Statistik nicht eingerechnet ist. Die Staatsverschuldung der nordischen Länder differiert untereinander deutlich. Norwegen wies im Jahre 1995 mit einem Wert von 54,2 % die niedrigste Staatsverschuldung in Nordeuropa auf. In Dänemark mit 72,1 % und erst recht in Schweden mit einer Verschuldung von 91,2 % des BIP liegen die Prozentsätze deutlich höher. Eine hohe Staatsverschuldung führt zu einer entsprechend hohen Zinsbelastung, womit Jahr für Jahr bereits vor den Budgetverhandlungen ein Teil der öffentlichen Einnahmen verbucht ist. Um diese Einschränkung nicht zu groß werden zu lassen, ist es angebracht, die staatliche Verschuldung in einem moderaten Rahmen zu belassen. Falls die zu niedrige oder eben zumeist negative öffentliche Ersparnis nicht durch vermehrtes privates Sparen kompensiert wird, schrumpft der Kapitalstock, der zu einem langsameren Wirtschaftswachstum führt.48 45 46 47 48

Vgl. Schemmel (2000), S. 28 – 29. Vgl. OECD (2000b), S. 38 – 39; Riksskatteverket (2000), S. 24 – 25. Vgl. Danmark statistik (2001), S. 413 – 414; OECD (2000b), S. 38 – 39. Vgl. Dalton (1955), S. 180 – 212; Diamond (1965), S. 1126 – 1150.

31,2

39,0

USA

Quelle: OECD (2000b), S. 38 – 39.

22,1

25,3

Italien

Schweiz

24,8

Großbritannien

Österreich

14,0

Frankreich

20,5

23,9

BR Deutschland

15,6

35,0

Schweden

Niederlande

25,7

Japan

52,4

Norwegen

9,4

5,9

4,7

10,5

15,0

9,5

12,1

5,8

4,0

6,1

12,2

5,2

Persönliche Einkommensteuer Einkommensteuer der Unternehmen

Dänemark

Land

10,4

11,9

14,2

26,5

14,4

6,6

7,5

12,2

18,1

5,0

7,7

2,5

12,5

11,3

16,8

6,2

18,8

23,5

9,6

25,2

20,9

23,8

13,3

0,7

Sozialversicherungsbeiträge Arbeitnehmer Arbeitgeber

16,7

18,3

28,2

28,0

16,5

25,9

35,0

27,8

27,7

22,3

37,0

33,0

Verbrauchsteuern

Steuereinnahmen einer Steuerart [in % der Gesamtsteuereinnahmen]

Struktur der Steuereinnahmen

Tabelle D-4

12,0

21,4

14,0

13,2

14,8

9,2

11,0

15,0

5,4

7,8

4,1

6,2

Andere Steuern I. Die Wirtschaft Skandinaviens 85

86

D. Die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen 118,0

Italien 91,2

Schweden Niederlande

82,8 72,1

Dänemark Frankreich

66,3 64,1

USA

60,0

BR Deutschland

59,2

Österreich

56,4

Großbritannien

54,2

Norwegen 0

20

40

60

80

100

120

140

Staatsschuld 1995 [in % des BIP]

Quelle: OECD (2000b), S. 78 – 81.

Abbildung D-3: Staatsschuld im Verhältnis zum BIP

Eine öffentliche Verschuldung ist als eine Kostenüberwälzung auf zukünftige Generationen zu betrachten.49 Eine ökonomische Rechtfertigung für eine solche Staatsverschuldung ist nur dann gegeben, wenn sich aus dem öffentlichen Mitteleinsatz auch ein erhöhtes Nutzenniveau für zukünftige Generationen ergibt.50 Ein solcher Fall ist z. B. dann gegeben, wenn diese Ausgaben für die Verbesserung der Infrastruktur verwendet werden. Dies erfordert allerdings eine intergenerationelle Zurechnung von Kosten und Nutzen. Eine solche Kalkulation erfolgt durch das Verfahren des „Intergenerational Accounting“.51 Bei dieser Methode wird der Gegenwartswert der Nettosteuern (Steuerzahlungen abzüglich Transferzuwendungen) berechnet, die eine Altersgruppe während der zukünftigen Lebenszeit – unter Beachtung der Staatsverschuldung und des öffentlichen Eigentums – zu entrichten hat. Dabei wird von einer Weiterführung der derzeitigen Fiskalpolitik des Landes ausgegangen. Besonders nützlich an diesem Verfahren ist, dass es eine Aussage darüber zulässt, inwieweit Lasten auf die zukünftigen Generationen überwälzt werden. So ergibt sich aus dem Zahlenwerk des „Intergenerational Accounting“ beispielsweise, ob und in welcher Höhe ein Ungleichgewicht zwischen der Steuerbelastung der jetzigen und der zukünftigen Generationen existiert. Von einem Ungleichgewicht wird dann gesprochen, wenn die heutigen Jahrgänge fiskalpolitisch auf Kosten zukünftiger Generationen wirtschaften. Durch das „Intergenerational Accounting“ können somit Aussagen darüber getroffen werden, in welchem Um49 50 51

Vgl. Tobin (1965), S. 679 – 682. Vgl. Barro (1974), S. 1095 – 1117. Vgl. dazu u. a. Kotlikoff (1992).

I. Die Wirtschaft Skandinaviens

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fang Steuererhöhungen bzw. Ausgabenkürzungen notwendig sind, um ein Gleichgewicht zu erreichen und das aktuelle System zu stabilisieren.52 Bei der Interpretation der Ergebnisse des „Intergenerational Accounting“ ist zu beachten, dass diese Berechnungen einige Probleme aufweisen.53 Zum einen erfolgt die Kalkulation auf der Grundlage einer Vielzahl von prognostizierten Daten, wie Produktivitätswachstum und Zinsentwicklung, denen naturgemäß eine hohe Unsicherheit anhaftet. Zum anderen werden Transfers innerhalb einer Familie nicht berücksichtigt. Es ist beispielsweise denkbar, dass eine ältere Person die Altersrente zwar statistisch erhält, sie aber zu einem Teil an ihre Kinder oder Enkel weitergibt. Auch dynamische Effekte von Steuer- oder Transferveränderungen auf das Arbeitsangebot oder die Sparquote bleiben unberücksichtigt. Trotz dieser Einschränkungen und der daraus resultierenden Unsicherheiten hinsichtlich der kalkulierten Größen ist eine Tendenz für jede Nation erkennbar. Für die Untersuchung des öffentlichen Haushalts unter langfristigen Aspekten ist diese Kalkulation deutlich besser geeignet als die traditionelle mittelfristige Finanzplanung. Untersuchungen des „Intergenerational Accounting“ in den nordischen Ländern ergaben, dass in Norwegen und Dänemark in bedeutendem Maße auf Kosten der zukünftigen Generationen Wirtschaftspolitik betrieben wird. Damit kann das gegenwärtige Niveau der öffentlichen Leistungen in der Zukunft nur durch Steuererhöhungen aufrecht erhalten werden. In Schweden ist es dagegen gelungen, ein solches Ungleichgewicht zu beseitigen.54 Dabei existierte in Schweden jahrelang ein erhebliches Ungleichgewicht zwischen den Generationen. Eine Berechnung von 1994 hatte noch ergeben, dass die zukünftigen Generationen eine 37 % höhere Steuerlast zu tragen haben als die gerade Geborenen. Aber insbesondere die Reformen der Altersrente bewirken eine spürbare Entlastung zukünftiger Generationen. Im Jahre 1994 schränkte die schwedische Regierung die Indexierung der Renten ein; 1995 / 96 wurde die Höhe der Altersrente gekürzt.55 Seit der Rentenreform 1999 wird das Rentenniveau auch unter Berücksichtigung eines demographischen Faktors, der vorwiegend die Änderung der Lebenserwartung berücksichtigt, indexiert.56 Zudem basiert das Altersrentensystem nicht mehr ausschließlich auf dem Umlageverfahren. Nunmehr ergänzen Elemente des Kapitaldeckungsverfahrens die traditionelle Kalkulation. Damit zeigt die aktuelle „Intergenerational Accounting“ Berechnung von Hagemann ein erheblich anderes Bild als die früheren Kalkulationen.57 Die neueste Berechnung unter Berücksichtigung der Finanzreformen, die Ende der 90er Jahre verabschiedet wurden, ergab eine niedrigere Steuerlast für Eine Diskussion dazu ist bei Williamson / Watts-Roy / Kingson (1999) zu finden. Vgl. Hagemann / John (1997), S. 5 – 6. 54 Vgl. Kotlikoff / Raffelhüschen (1999), S. 161 – 166; Olsson (1995), S. 5 – 76; Jensen / Raffelhüschen (1997a). 55 Vgl. Hagemann / John (1997), S. 400. 56 Vgl. Sundén (2000), S. 7; Settergren (2001). 57 Vgl. Hagemann / John (1997), S. 399 – 412. 52 53

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die zukünftige Generation als für die gerade Geborenen. Dies ist eine beeindruckende Entwicklung der öffentlichen Finanzen in diesem Land. Nach dieser Berechnung droht der zukünftigen Generation keine Erhöhung der Steuerlast. Sofern die Bürger Schwedens die Entwicklung der öffentlichen Einnahmen durchschauen, könnte sie diese Entlastung zu erhöhtem Arbeitsangebot bewegen, was sich positiv auf die Wirtschaftsentwicklung auswirkt. In Dänemark und Norwegen ist dagegen auch weiterhin ein Ungleichgewicht zuungunsten der zukünftigen Generationen zu verzeichnen. Um in Dänemark ein Gleichgewicht zwischen den Generationen zu erreichen, müssten hier entweder der Staatskonsum um 29,0 % gesenkt oder die Gesamtsteuereinnahmen um 4,0 % erhöht werden. Denkbar wäre in Dänemark auch eine Verringerung der Transfers um 4,5 % bzw. eine Anhebung der Einkommensteuereinnahmen um 9,7 %.58 Das Zahlenwerk der norwegischen Ökonomie zeigt ähnliche Werte wie in Dänemark. Ein Gleichgewicht wäre dann gegeben, wenn der Staatskonsum um 9,9 % verringert oder die Steuereinnahmen um 6,3 % erhöht werden. Auch eine Senkung der Transfers um 8,1 % oder ein Anstieg der Einnahmen aus der Einkommensteuer um 9,7 % würde ein Gleichgewicht herstellen. Ein Blick auf andere Industrieländer zeigt, dass auch in den meisten anderen Staaten auf Kosten der zukünftigen Generationen gelebt wird.59 Um dieses Ungleichgewicht zu beseitigen, ist eine Senkung der Staatsausgaben um etwa die Hälfte wie z. B. in Spanien notwendig. In Österreich und in Finnland müsste der Staatskonsum sogar um mehr als zwei Drittel verringert werden.

e) Nachteile der nordischen Wohlfahrtspolitik Die Wohlfahrtspolitik in Skandinavien weist eine Reihe von volkswirtschaftlichen Nachteilen auf. Die umfassenden Staatsaktivitäten bewirken, dass öffentliches Handeln auch Entscheidungen des privaten Sektors wesentlich beeinflusst. Es ist anzunehmen, dass bei einer Staatsquote wie in Schweden oder Dänemark der Staat indirekt die gesamte Wirtschaft überwacht. Es ist kaum ein individuelles Ziel zu erkennen, dass nicht vom staatlichen Handeln beeinflusst wird.60 Mit einer derart hohen Staatsquote wird dem Land die marktwirtschaftliche Grundlage entzogen. Eine hohe Staatsquote erzeugt den Eindruck, der Staat sorge für alles, Privatinitiative und Eigenverantwortung seien nicht notwendig. Wenn mehr als die Hälfte des Einkommens einer Person als Abgabe zu entrichten ist, ist dies ordnungs58 Eine Erörterung der dänischen Fiskalpolitik unter dem Aspekt des „Intergenerational Accounting“ nehmen auch Jensen / Raffelhüschen (1997a), S. 615 – 635 vor. Bei ihren Analysen berechnen sie u. a. auch die Belastung zukünftiger Generationen bei verschiedenen Wachstumsraten der Produktivität. Im Weiteren zeigen Sie, dass die (zukünftige) männliche Bevölkerung eine bedeutende höhere Steuerlast trägt als der weibliche Teil der Gesellschaft. 59 Vgl. dazu auch Raffelhüschen (1999), S. 167 – 170. 60 Vgl. Hayek (1994), S. 87 – 88.

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und staatspolitisch bedenklich. Unternehmen, aber auch private Haushalte versuchen über wohlfahrtsschädliche Ausweich- und Vermeidungsreaktionen die Steuerzahlungen zu minimieren. Durch den hohen Anreiz zu Schwarzarbeit und Schattenwirtschaft besteht die Gefahr einer Erosion des Rechtsbewusstseins und der Rechtsordnung. Die Unternehmen verwenden einen spürbaren Teil ihrer Ressourcen für Rent-Seeking-Aktivitäten bzw. erhalten einen größeren Anreiz, ihren Standort nach außerhalb der Landesgrenzen zu verlegen. Die Motivation für Ausweichreaktionen ist insbesondere für produktive Wirtschaftsteilnehmer hoch, müssen sie doch typischerweise einen überproportional großen Teil der Steuerbelastung tragen. Damit werden aber die Antriebskräfte der Volkswirtschaft bedeutend geschwächt.61 Selbst wenn der Staat einen merklichen Teil seiner Ausgaben dazu verwendet, eine intakte Infrastruktur bereitzustellen, ist es denkbar, dass die Rahmenbedingungen für Investitionen von den Unternehmen als ungünstig eingeschätzt werden. Mit Hilfe von niedrigen Unternehmenssteuern und verschiedenen Subventionsprogrammen versucht der Staat zwar häufig gegenzusteuern. Zum einen aber kann sich dieser Weg über die Ausbildung einer Subventionsmentalität schnell zu einer gefährlichen Sackgasse entwickeln, zum anderen konzentriert sich damit die Besteuerung zunehmend auf immobile Steuerobjekte, die damit überproportional zur Finanzierung der Staatsaktivitäten beitragen müssen. Auf dem Arbeitsmarkt wirkt eine hohe Steuerbelastung zunehmend demotivierend. Der Arbeitseinsatz ist niedriger als im Fall geringerer Grenzsteuersätze. Der Anreiz, Investitionen in das eigene Humankapital zu unternehmen, sinkt. Da der potenzielle Anstieg des NettoEinkommens durch Bildungsaufwendungen kaum spürbar ist, lohnt es kaum, Zeit, Geld und Energie in den Ausbau des Humankapitals zu investieren. Eine empirische Untersuchung von Edin, Fredriksson und Holmlund in Schweden unterstreicht diese Aussage. Sie zeigten, dass bei steigender Steuerbelastung der schwedischen Einkommen ab den 70er Jahren die Rendite (nach Steuer) von Humankapitalinvestitionen in diesem Land von 12 % Anfang der 70er Jahre auf 1 % bis 3 % Anfang der 80er Jahre sank.62 Ein Bürger, dessen eigener „Marktwert“ deutlich über den Einkommen (nach Steuern) liegt, handelt rational, wenn er einen Arbeitsplatz außerhalb des nordischen Raums sucht. Damit verliert diese Region jedoch ihre fähigsten Arbeitskräfte. Es verwundert nicht, dass im Bereich der hochqualifizierten Arbeitskräfte Rekrutierungsprobleme bestehen. Einen Mangel an entsprechend ausgebildeten Personen gibt es derzeit z. B. bei Lehrern, Ärzten, Ingenieuren und Informatikern.63 Eine hohe Staatsquote lähmt nicht nur die privaten Aktivitäten. Auch der staatliche Handlungsspielraum wird in nicht zu unterschätzendem Maße eingeschränkt. Insgesamt zeigen sich damit erhebliche negative Wirkungen der skandinavischen Wohlfahrtspolitik. 61 62 63

Vgl. Stern / Werner (1998), S. 15 – 24. Vgl. Lindbeck (1997), S. 1295. Vgl. Schwedisches Institut (2000a).

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II. Die Wirtschaft und die Fiskalpolitik Schwedens 1. Aufbau des Wohlfahrtsstaates Die Grundlage für den schwedischen Wohlfahrtsstaat wurde 1938 durch das Abkommen von Saltsjöbaden gelegt.64 Vertreter der Arbeitgeber, der Arbeitnehmer und der Regierung verständigten sich darauf, an der Entwicklung eines Sozialstaates – eines so genannten Volksheims – mitzuwirken. Indem die Regierung den Arbeitgebern versprach, keine Unternehmen zu verstaatlichen, wurde die Zustimmung dieser Gruppe zu den Zielen der Wohlfahrtspolitik erreicht. Die Gewerkschaften – als Vertreter der Arbeitnehmer65 – verpflichteten sich darauf, eine moderate Lohnpolitik zu vertreten.66 Dieses Tarifabkommen zwischen den Arbeitgeberverband und den Gewerkschaften wird auch als „Lohnpolitik der Solidarität“ bezeichnet.67 Damit sollte zum einen den Unternehmen entgegengekommen werden, die davon dann insbesondere im Exportbereich profitierten, zum anderen soll diese zurückhaltende Lohnpolitik helfen, das Ziel der Vollbeschäftigung zu erreichen. Für die Erreichung dieses Vorhabens verpflichtete sich die Regierung zudem, eine Arbeitsmarktpolitik zu betreiben. Die Gleichheit der Einkommen soll zum einen durch die „Lohnpolitik der Solidarität“, zum anderen durch beträchtliche Steuersätze für hohe Einkommen und großzügige Transferzahlungen für Menschen ohne Erwerbstätigkeit verwirklicht werden. Der schwedischen Ökonomie gelangen, aufbauend auf dem erläuterten Konsens zwischen Arbeitgebern, Arbeitnehmern und der Regierung, gestützt durch eine beachtliche Exportleistung der schwedischen Unternehmen bis in die 70er Jahre bedeutende Wachstumsraten.68 In den 50er und 60er Jahren wurde ein durchschnittliches Wirtschaftswachstum von jährlich 4 % erreicht.69 Den größten Beitrag lieferte dabei der Export mit einer Wachstumsrate im Schnitt von 7 % p. a. Im Jahre 1970 erreichte Schweden unter 25 OECD-Ländern den viertgrößten Wert des Bruttosozialprodukts (BSP) pro Kopf (kaufkraftbereinigt). 70

Vgl. Lindbeck (1997), S. 1276; Svenska Kommunförbundet (1997), S. 13 – 20. Der Organisationsgrad der schwedischen Gewerkschaften ist hoch. Etwa 80 % der Beschäftigten sind Mitglied eines Arbeitnehmerverbands. Vgl. Schwedisches Institut (1995b), S. 2. 66 Vgl. Vartiainen (1995), S. 1 – 26. 67 Vgl. Svenska Kommunförbundet (1997), S. 13. 68 Vgl. Kosonen (1992), S. 178 – 187; Pekkarinen (1992), S. 306 – 317. 69 Als Begründung für den Wirtschaftsaufschwung in diesem Zeitraum wird teilweise vorgebracht, dass Schweden vom Marshall-Plan profitierte. Da die schwedische Wirtschaft über eine qualifizierte Erwerbsbevölkerung sowie über funktionierende und nicht kriegsgeschädigte Industrieanlagen verfügte, konnte sie die Nachfrage des europäischen Wiederaufbaus zu hohen Wachstumsraten nutzen. Der dadurch ausgelöste Anstieg des Konsums wirkte im nächsten Schritt als ein weiterer Antrieb. Vgl. Köhler (1997), S. 28. 70 Vgl. Lindbeck (1997), S. 1285. 64 65

II. Die Wirtschaft und die Fiskalpolitik Schwedens

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Während die schwedische Regierung den privaten Unternehmen bis 1970 noch einen relativ großen Spielraum gegeben hatte, wuchs die staatliche Einflussnahme ab diesem Jahr deutlich an.71 Die Verwaltung betrieb Industriepolitik und der Arbeitsmarkt wurde zunehmend reguliert.72 Mit dem umfassenden Ausbau des öffentlichen Sektors in den 70er Jahren konnte zwar die Vollbeschäftigung aufrechterhalten werden, allerdings wiesen die geschaffenen Stellen eine geringe Wertschöpfung auf.73 Zudem mussten die Arbeitsplätze in diesem Sektor durch weitere Erhöhungen der Steuersätze finanziert werden, so dass sich die Steuerquote – die sich zuvor nur unwesentlich von der anderer Industrieländer unterschied – erhöhte. Bis Anfang der 80er Jahre errichtete der schwedische Staat einen ausgedehnten Behördenapparat auf Zentral-, Provinziallandtag- und Kommunalebene. Von 1960 bis 1993 stieg die Anzahl der Beschäftigten im öffentlichen Dienst um 800 000.74 Zu dieser Entwicklung ist zu bemerken, dass nach dem 2. Weltkrieg bis etwa 1970 auch außerhalb Nordeuropas ein bedeutender Ausbau des öffentlichen Sektors stattfand. Die deutliche Zunahme des Staatssektors in diesem Zeitraum ist kein skandinavischer Sonderfall. Auch in anderen Nationen waren die Stimmen in der Minderheit, die in erheblichen Grenzsteuersätzen und hohen Ausgabenniveaus negative volkswirtschaftliche Wirkungen erkannten.75

2. Krisen und Reformen Mit ansteigender Staatsquote zeigten sich ab den 70er Jahren erstmals die ungünstigen Effekte der umfassenden Wohlfahrtsleistungen. Die Wachstumsraten lagen ab diesem Zeitpunkt unter den Werten anderer Industriestaaten. Von 1970 bis 1996 wurde nur noch eine durchschnittliche Wachstumsrate des BIP von 1,6 % p. a. erreicht.76 Die Reformanstrengungen in Schweden waren aber im Vergleich zu anderen Ländern vorerst bescheiden. Erst im Jahre 1990 wurden als Reaktion auf den zunehmenden Verlust an Wettbewerbsfähigkeit im Weltmaßstab innerhalb der so genannten „Steuerreform des Jahrhunderts“ die gröbsten Verzerrungen des Steuersystems beseitigt. So wurde u. a. der Spitzensatz der Einkommensteuer von 72 % auf 50 % gesenkt, die Steuerbasis vereinfacht und der Körperschaftsteuersatz von 57 % auf 30 % reduziert. Die redistributiven Elemente wurden eingeschränkt, Vgl. Mjøset (2000), S. 4 – 6. Der Höhepunkt der Arbeitsmarktregulierung war die Einführung der Last in – First out Bestimmung in den 80er Jahren. Nach dieser Regelung muss ein Unternehmen die zuletzt eingestellten Arbeitskräfte als erstes entlassen. Eine solche Bestimmung erschwert Strukturanpassungen und stellt einen erheblichen Eingriff in die Personalpolitik der Unternehmen dar. Diese Regelung gilt, bis auf einige geringfügige Änderung, noch heute. Vgl. Fischer (2000), S. 9. 73 Vgl. Fischer (2000), S. 9. 74 Vgl. Schwedisches Institut (1995b), S. 1. 75 Vgl. Tanzi / Schuknecht (2000), S. 13. 76 Vgl. Köhler (1997), S. 28. 71 72

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D. Die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen

bezahlte Arbeit sollte sich wieder lohnen. Schweden wandte sich etwas von der traditionellen, progressiven Einkommensbesteuerung ab. Indirekten Steuerarten, wie die Verbrauchsteuern auf Energie bzw. auf Emissionen, erhielten ein stärkeres Gewicht.77 Zudem hatte Schweden bereits 1989 die Mehrwertsteuer auf 25 % erhöht.78 Dies konnte aber nicht verhindern, dass Schweden 1990 in eine dreijährige Rezession verfiel. Das BIP sank während dieses Zeitraums um 5 %, die öffentlichen Einnahmen verringerten sich spürbar. Im Gegenzug stiegen die Ausgaben für Transferzahlungen. Nachdem der staatliche Haushalt 1990 noch einen Überschuss von 5,4 % des BIP aufwies, wurde 1993 ein Defizit von beachtlichen 12,3 % des BIP ausgewiesen. Während noch 1989 Schweden den höchsten Haushaltsüberschuss innerhalb der OECD-Länder erzielen konnte, wies dieses Land 1993 aufgrund einer antizyklischen Konjunkturpolitik das größte Defizit in dieser Staatengruppe auf. Infolge des zunehmenden Vertrauensverlusts in die schwedische Ökonomie kam es 1992 zu einem Kursverlust der schwedischen Krone um 25 %.79 Anfang der 90er Jahre unterlagen zwar auch eine Reihe anderer Industrieländer einer Konjunkturdämpfung, in Schweden war allerdings der größte Rückgang zu verzeichnen.80 Durch einige Reformanstrengungen ging die Zahl der Angestellten im öffentlichen Dienst wieder auf den Stand von 1980 zurück. Selbst für den sozialen Bereich wurden Kürzungen verabschiedet. Wohngeld, Elternleistungen und Kindergeld wurden reduziert. In verschiedenen Bereichen des Gesundheitswesens und für den Besuch von Kindergärten führte der Gesetzgeber Selbstbeteiligungen ein.81 Die Sparprogramme von 1994 / 95 erbrachten insgesamt eine Ausgabendrosselung im Umfang von 126 Mrd. skr82. Die Staatsquote sank von 1993 bis 1998 von der Rekordhöhe von 71,0 % auf 59,8 %. Der Aufschwung der Wirtschaft nach 1993 konnte neben der Verringerung der Staatsquote vorwiegend durch zunehmende Exporte erreicht werden. Die schwedischen Unternehmen profitierten dabei von der Abwertung der schwedischen Krone.83 So wurde 1998 wieder ein BIP-Wachstum von 2,9 % p. a. erreicht, wobei sich dieses Wachstum fast ausschließlich auf den privaten Sektor beschränkte. Auch der öffentliche Haushalt weist seitdem wieder einen Überschuss auf. Im Jahre 1998 betrug er 3,2 % des BIP. Vgl. Michelsen (1997), S. 210; Harrison / Kriström (1999), S. 61. Vgl. Riegler / Schneider (1999), S. 218. 79 Um die Abwertungserwartungen zu dämpfen, hatte die schwedische Zentralbank die Schwedische Krone zuvor an den ECU gebunden. 80 Vgl. Schwedisches Institut (1995b), S. 2. 81 Vgl. Köhler (1997), S. 29. 82 Vgl. Institut der deutschen Wirtschaft (1999). 83 Bereits 1993 kurz nach der Abwertung der schwedischen Krone stiegen die Exporte um 8,8 %. Vgl. Schwedisches Institut (1995b), S. 3. 77 78

II. Die Wirtschaft und die Fiskalpolitik Schwedens

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3. Lage am Ende des 20. Jahrhunderts Die Hauptziele des „Schwedischen Modells“ Vollbeschäftigung und Egalitarismus werden derzeit erheblich verfehlt. Während der Wirtschaftskrise in Schweden von 1990 bis 1993 verminderte sich die Zahl der Erwerbstätigen um mehr als eine halbe Million. Die Arbeitslosenquote stieg auf 8,0 %. Dabei ist zu bedenken, dass eine größere Zahl der Menschen weiterhin in öffentliche Arbeitsbeschaffungsprogramme oder in kommunale Bildungsaktivitäten eingegliedert wurde.84 Wenn diese Personen als Arbeitslose mitgezählt worden wären, hätte die Arbeitslosenrate 1996 ca. 15 % betragen. Zum Jahre 1998 verringerte sich der Anteil der Menschen im erwerbsfähigen Alter, die arbeitslos waren oder sich in arbeitsmarktpolitischen Maßnahmen befanden, auf 10,6 %.85 Der konjunkturelle Aufschwung brachte insofern eine Verbesserung auf dem Arbeitsmarkt.86 Insbesondere seitens der Unternehmen mehren sich die Forderungen nach einer Senkung der Steuerbelastung. Schwedische Großunternehmen drohen in zunehmendem Maße ins Ausland abzuwandern.87 Diese Mahnungen können nicht ignoriert werden. Zum einen erhöht die Abwanderung die Arbeitslosenquote, das Ziel einer Vollbeschäftigung scheint immer schwerer erreichbar, zum anderen verringern sich auch die Steuereinnahmen. Während sich die Zahl der Beschäftigten in Tochtergesellschaften schwedischer Unternehmen im Ausland von 1980 bis 1991 um 180 000 erhöhte, sank die Erwerbstätigenzahl in der einheimischen Industrie 84 Die schwedische Arbeitsmarktpolitik ist auf dem Grundsatz „Investitionen in die Arbeit, nicht in die Arbeitslosigkeit“ ausgerichtet. Die entsprechenden Maßnahmen sind dabei vielfältig und kreativ. Zudem werden die Handlungen in einer engen Koordination zwischen Arbeitgebern, Arbeitnehmern, Arbeitsamt, Kommune und Regierung erstellt. Angesichts der hohen Arbeitslosigkeit in den 90er Jahren wurde allerdings auch zum Mittel der Frühpensionierung gegriffen. Dieser Schritt erfährt in Schweden Kritik, widerspricht er doch dem genannten Grundsatz der Arbeitsmarktpolitik. Vgl. Petersson (1998), S. 64 – 65; Bergeskog (1998). 85 Vgl. Schwedisches Institut (2000a); Björklund (1996), S. 186 – 189. 86 Zur Entwicklung der Arbeitslosenzahlen in Schweden siehe Björklund (1996), S. 157 – 200. 87 Durch Zusammenschlüsse mit ausländischen Unternehmen wurden in den 90er Jahren größere Teile von ehemals schwedischen Firmen in das Ausland verlegt. Hierzu seien einige Beispiele genannt. So wurde das Hauptquartier von Pharmacia nach der Fusion im Jahre 1995 mit dem Konkurrenten Upjohn in der USA errichtet. Nach der Vereinigung der schwedischen Nordbanken mit der finnischen Merita-Bank 1997 wurde der gemeinsame Firmensitz in Helsinki bezogen. Der Papierkonzern Stora wanderte 1998 nach der Fusion mit dem finnischen Forstunternehmen Enso nach Finnland ab. Der Pharmakonzern Astra erwägt nach der Koalition mit der britischen Firma Zeneca eine Verlegung des Hauptsitzes nach London. Der Volvo-Personenwagenbereich wurde vom Ford-Konzern erworben, wodurch die strategischen Entscheidungen nunmehr in Detroit gefällt werden. Für die schwedische Wirtschaft ist besonders schmerzhaft, dass dabei die besonders wertschöpfungsintensiven Arbeitsplätze mit hochqualifiziertem Personal in das Ausland verlegt werden. Es zeigt sich damit wiederholt, dass in einem Hochsteuerland wie Schweden die Rekrutierung von Spezialisten ausgesprochen schwierig ist. Vgl. Aiolfi (1999b), S. 11.

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D. Die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen

um 50 000. Im Jahre 1995 beschäftigten die internationalen Industriekonzerne Schwedens mehr als die Hälfte ihrer Arbeitskräfte im Ausland.88 Die zunehmende Kritik der Unternehmer an der schwedischen Wirtschaftspolitik ist für die regierenden Sozialdemokraten besonders bitter, bestand doch über Jahrzehnte hinweg eine sehr enge Verbindung zur Arbeitgeberseite.89 Das Konsensmodell wird damit zusehends brüchiger. Dies zeigt sich auch daran, dass die ehemals friedlichen Verhandlungen über die Lohnpolitik zwischen den Arbeitgebern und den Arbeitnehmern in der letzten Dekade in einigen Arbeitskämpfen mündeten.90 Die Reform des „Schwedischen Modells“ bewirkte keine Änderung an der umfassenden Rolle des Staates. Auch das Ziel der gleichmäßigen Einkommensverteilung und die Tradition der Sozialpartnerschaft wird aufrechterhalten. 91 Die schwedischen Regierungen der 90er Jahre verfolgten das Anliegen, über eine Politik mit vermehrten Bildungsanstrengungen, einem stabilen makroökonomischen Umfeld und einer geringeren Steuerbelastung für Unternehmen eine größere Stabilität des Systems zu erreichen.92 An eine grundsätzliche Reform des Steuersystems ist jedoch nicht gedacht. Die Zukunft Schwedens wird selbst von Rudolf Meidner, einem der Schöpfer des „Schwedischen Modells“, pessimistisch eingeschätzt. Er gesteht ein, dass das „Schwedische Modell“ nicht zur internationalen Verallgemeinerung taugt. Es wurde für eine nationale Ökonomie entwickelt, in welcher der Staat die abschließenden Entscheidungen über Stabilität und Umverteilung übernimmt. In einem internationalen Wirtschaftsumfeld muss ein kleines Land wie Schweden jedoch eigene Sonderwünsche zurückstellen. Rudolf Meidner prophezeit schmerzvolle Dekaden, in denen der schwedische Wohlfahrtsstaat neuen Gegebenheiten angepasst werden muss. Bereits 1986 erkannte Meidner, dass die Arbeitslosigkeit die größte Gefahr für den Wohlfahrtsstaat Schweden darstellt. Die damals registrierte Arbeitslosenquote von 3 % schätzte er bereits als zu hoch ein.93 Den langsamen relativen Niedergang der schwedischen Wirtschaft im Weltmaßstab zeigt auch die Statistik der OECD. Nachdem Schweden mit seinem BSP (kaufkraftbereinigt) pro Kopf unter 25 OECD Ländern im Jahre 1970 noch Platz vier belegte, rangierte es 1990 nur noch auf Platz 9 und 1995 sogar nur noch auf Platz 16.94

Vgl. Schwedisches Institut (1995b), S. 2. Vgl. The Economist (1999c). 90 Die ausschließlich zentralen Tarifverhandlungen werden seit 1983 auf Initiative der Arbeitgeber sukzessive zurückgefahren. Vgl. Schwedisches Institut (1995b), S. 2. 91 Vgl. Swedish Tax Administration (2000), S. 3. 92 Vgl. Fischer (2000), S. 9. 93 Vgl. Meidner (1986). 94 Vgl. Lindbeck (1997), S. 1285. 88 89

III. Die Wirtschaft und die Fiskalpolitik Norwegens

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III. Die Wirtschaft und die Fiskalpolitik Norwegens 1. Ein Überblick Die Grundlagen der norwegischen Wirtschaft liegen traditionell in der Rohstoffbasis des Landes. So waren über viele Jahrhunderte hinweg Wasser-, Wald- und Fischressourcen strukturbildend für die dortige Ökonomie. Nachdem im 19. und Anfang des 20. Jahrhunderts erste Industriezweige entstanden waren, wurde ein Großteil der entsprechenden Anlagen während des 2. Weltkriegs zerstört. In den Nachkriegsjahren wuchs die norwegische Wirtschaft schneller als von vielen erwartet. Dabei profitierte sie allerdings auch vom Hilfsprogramm des MarshallPlans.95 Gegen Ende der 60er Jahre wurde im norwegischen Festlandsockel Erdöl gefunden, wodurch die Wirtschaftsentwicklung einen bedeutenden Wachstumsimpuls erhielt.96 Nachdem die Erdölförderung 1970 begonnen hatte, nahm ihr Umfang ständig zu, so dass Norwegen im Jahre 1997 nach Saudi-Arabien der zweitgrößte Erdölexporteur der Welt geworden war.97 Die Netto-Haushaltseinnahmen aus Erdöl- und Erdgasaktivitäten betrugen im Jahre 2000 92,6 Mrd. nkr.98 Aufbauend auf den erheblichen Erdöleinnahmen wurde der öffentliche Sektor seit den 70er Jahren deutlich vergrößert. Nachdem in den 80er Jahren strukturelle Probleme und ein niedriger Erdölpreis zu Rezession und höherer Arbeitslosigkeit geführt hatten, betrieb der norwegische Staat aktive Wirtschaftspolitik.99 Die entsprechenden Ausgaben besaßen auch Anfang der 90er Jahre noch einen solchen Umfang, dass Norwegen trotz bedeutender Erdöleinnahmen ein Budgetdefizit aufwies.100 Kritiker meinen, dass die Mehrzahl der norwegischen Betriebe eine Kultur der Mittelmäßigkeit pflegt.101 Die Anreize für Manager, den Wert ihrer Unternehmen Vgl. Mjøset (2000), S. 4 – 6; Nærings- og handelsdepartementet (1995). Vgl. Torp (1996), S. 119 – 122; Helle (1995); Pekkarinen (1992), S. 317 – 322. 97 Vgl. Christiansen / Gren (1999), S. 17. 98 Staatliche Einnahmen aus den Erdölvorkommen werden auf verschiedene Weise generiert. Zum einen werden die Gewinne der Erdölunternehmen einer hohen Besteuerung unterworfen. Zum anderen ist der Staat direkter Eigentümer eines großen Teils der Erdölreserven. Diese sind im State Direct Financial Interest (SDFI) zusammengefasst. Sie werden von Statoil, dem größten norwegischen Erdölunternehmen, verwaltet und ausgeschöpft. Der entsprechende cash flow fließt direkt in das Staatsbudget. Da Statoil zu 100 % im Staatsbesitz ist, wird hierdurch de facto nur eine Aufspaltung der Geldflusses zwischen Statoil und SDFI vorgenommen. Da SDFI die Möglichkeit besitzt, die besten Lagerstätten für sich zu reservieren und außerdem keine eigene Unternehmensverwaltung benötigt, verwundert es nicht, dass die Rendite von SDFI 1997 (vor Steuern) bei 22 % lag. (Vergleich: Statoil 17 %, Norsk Hydro 11,4 %, Saga 13 %) Um eine stärkere Position auf dem Weltmarkt zu erhalten, ist derzeit eine Überschreibung der Reserven von SDFI zu Statoil in der Diskussion. Dagegen wehrt sich vorwiegend die Nr. 2 Norwegens, Norsk Hydro. Dieses Unternehmen fordert eine Versteigerung der Erdölreserven. Vgl. Matter (1999), S. 14. 99 Vgl. Nærings- og handelsdepartementet (1998). 100 Vgl. Rønning / Grund / Hatland (1995), S. 25 – 26. 101 Vgl. Ketels (2000), S. 50. 95 96

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D. Die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen

zu erhöhen, sind vergleichsweise niedrig. Ihr Grundgehalt ist deutlich geringer als in anderen Industrieländern. Leistungsbezogene Zuschläge werden steuerlich benachteiligt. Trotz dieser Probleme und dem bedeutenden Einflusses des Staates ist die norwegische Wirtschaft in den letzten Jahren erheblich gewachsen. In der Rangliste von 25 OECD Ländern nach der Höhe des kaufkraftbereinigten BSP lag Norwegen im Jahre 1970 noch auf Platz 15; bis 1995 war dieses Land bis auf Rang vier aufgestiegen. Seit 1988 gilt Norwegen als das wohlhabendste Land in Skandinavien.102

2. Erdölressourcen und Erdölfonds Der wirtschaftliche Aufschwung Norwegens seit den 70er Jahren wird meist der Erdöl- und Erdgasförderung zugeschrieben.103 Eine Volkswirtschaft, die sich vorwiegend auf die Vorkommen eines Rohstoffs stützt, weist jedoch auch Schattenseiten auf. Zum einen ergibt sich im Falle Norwegens eine erhebliche Abhängigkeit von der Entwicklung des Weltmarktpreises für Erdöl, so dass die Wachstumsrate des BIP erheblichen Schwankungen ausgesetzt ist, zum anderen besteht die Gefahr, dass der Aufbau anderer Wirtschaftssektoren vernachlässigt wird. Ein Problem hierbei ist, dass ein Großteil von Arbeitskräften von den prosperierenden Erdölunternehmen angezogen wird. Diese können höhere Löhne als die meisten anderen Unternehmen zahlen, wodurch die gebotenen Arbeitsplätze sehr lukrativ sind. Das Erölunternehmen kann sich die produktivsten Fachleute aussuchen; für den Rest der Wirtschaft verbleiben die weniger produktiven Arbeitskräfte.104 Die Erdölvorkommen können so zu einer Wachstumsverlangsamung des exportorientierten Industriesektors führen. Ein solches Phänomen wird in der Makroökonomie „Holländische Krankheit“ genannt. Die heimische Währung wird durch die Rohstoffexporte aufgewertet, wodurch die Industriegüter auf dem Weltmarkt teuerer werden. Durch die hohen Löhne in den Erdölunternehmen steigt die inländische Konsumnachfrage, wodurch – aufgrund des hohen Wechselkurses – überwiegend die Importe zunehmen.105 Empirische Studien belegen dann auch, dass rohstoffreiche Länder auf lange Sicht im Durchschnitt niedrigere Wachstumsraten aufweisen. Geologische Untersuchungen zeigten, dass die Erdölvorkommen Norwegens etwa im Jahre 2040 erschöpft sein werden.106 Da die lukrativsten Lagerstätten bald ausgebeutet sind, verheißen Prognosen eine Halbierung der Gewinnung bis zum Jahre 2010. Die Optimisten hoffen auf einen Ausbau der Erdgasaktivitäten.107 102 103 104 105 106

Vgl. Lindbeck (1997), S. 1285; Vogel (1994), S. 139. Vgl. Pekkarinen (1992), S. 317 – 322. Vgl. Torp (1996), S. 121 – 122. Vgl. Ketels (2000), S. 47. Vgl. Olje- og energidepartementet (1999).

III. Die Wirtschaft und die Fiskalpolitik Norwegens

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Das Szenario der versiegenden Erdölquellen ist den Norwegern durchaus bewusst. Im Jahre 1990 wurde deshalb ein staatlicher Erdölfonds per Gesetz etabliert, in den überschüssige Einnahmen aus dem Erdölsektor eingezahlt werden. Ziel ist es, auch zukünftige Generationen an den Erdöleinnahmen zu beteiligen.108 Zu beachten ist, dass nur bei einem Haushaltsüberschuss Mittel in den Fonds überwiesen werden können. Steigum und Gjersem vertreten die Auffassung, dass es mittelfristig eher selten gelingen wird, einen Haushaltsüberschuss zu erzielen.109 Zum einen verringern sich die Erdölreserven und damit die Einnahmen aus diesem Sektor, zum anderen führt die demographische Entwicklung zu einem Anstieg der öffentlichen Ausgaben. Auch wenn der Erdölfonds Ende der 90er Jahre deutlich gewachsen ist: für die nächsten Dekaden erwarten die genannten Ökonomen ein deutlich verringertes Wachstum bzw. sogar eine Aufzehrung des gebildeten Fonds. Sie sehen den Vorteil dieses Fonds darin, dass er die Verwendung der Erdöleinnahmen transparenter gestaltet. Hinsichtlich einer Abfederung zukünftiger Herausforderungen sollten damit allerdings nach Steigum und Gjersem nicht zu viele Hoffnungen verbunden werden.110 Im Jahre 1995 wurden zum ersten Mal monetäre Mittel in den Fonds überwiesen. Bis zum 30. Juni 1999 waren 183 Mrd. nkr in den Fond eingezahlt worden. Für das Jahr 2000 wurde mit einem Beitrag von 290 Mrd. nkr kalkuliert. Dies entspricht etwa einer jährlichen Einzahlung in Höhe von 5 % des BIP. Der Fonds erreichte damit im Jahre 2000 einen Umfang von knapp 24 % des BIP. Die Verwaltung dieses Fonds obliegt der norwegischen Zentralbank (Norges Bank). Die Richtlinien werden durch das Finanzministerium (Finanzdepartementet) festgelegt.111 Die Mittel des Erdölfonds werden in Aktien und Obligationen in 21 Ländern angelegt, wobei der Anteil der Aktien satzungsgemäß zwischen 30 und 50 % liegen muss. 112

Vgl. Aiolfi (1999a), S. 9. Vgl. Finans- og Tolldepartementet (1999b). 109 Vgl. Steigum, Gjersem (1999), S. 376 – 377. 110 Vgl. Steigum, Gjersem (1999), S. 377. 111 Vgl. Finans- og Tolldepartementet (1999b) und Lov om Statens petroleumsfond. 112 Fondsmittel werden vorwiegend in Ländern platziert, mit denen Norwegen gute wirtschaftliche Beziehungen unterhält. So werden 40 – 60 % in Europa (Belgien, Dänemark, Finnland, Frankreich, Irland, Italien, Niederlande, Portugal, Spanien, Großbritannien, Schweiz, Schweden, BR Deutschland, Österreich), 20 – 40 % in Nordamerika (USA, Kanada) und 10 – 30 % in Asien und Ozeanien (Australien, Japan, Neuseeland, Singapur, Hongkong) angelegt. Ab dem 1. Januar 2000 sollten sich die Anlagemöglichkeiten um Brasilien, Mexiko, Südkorea, Taiwan, Thailand und Griechenland erweitern. Bis zu 2 % des Erdölfonds können dann in Aktien dieser Länder investiert werden. Vgl. Finans- og Tolldepartementet (1999b). 107 108

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D. Die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen

3. Reformbedarf und Reformansätze Um die Abhängigkeit von den natürlichen Ressourcen zu verringern, wurden in den letzten Jahren erhebliche Anstrengungen unternommen. Mit Hilfe staatlicher Förderung wuchs der Dienstleistungssektor, so dass dieser Wirtschaftszweig bereits deutlich mehr als die Hälfte des BIP erwirtschaftet.113 Eine bedeutende Einnahmequelle stellt z. B. der Tourismus dar. Im Jahre 1998 wurden 3,3 Mio. Besucher gezählt; nach Berechnungen des Wirtschaftsministeriums ergaben sich daraus Einnahmen von 50 Mrd. nkr114. Zudem werden vermehrt Anstrengungen getätigt, die Wirtschaft von der Grundstoffindustrie hin zur verarbeitenden Industrie weiterzuentwickeln. Trotz dieser Bemühungen ist die industrielle Basis in Norwegen weniger entwickelt als in den anderen skandinavischen Staaten. Im Vergleich zu Schweden wird zudem wenig Kapital in Forschung und Entwicklungsaktivitäten investiert.115 Die entsprechenden Mittel belaufen sich auf etwa 1,3 % des BIP.116 In Schweden liegt der Vergleichswert bei 4,4 %, in der BR Deutschland bei 2,0 %.117 Ein wichtiger Akzent für die norwegische Fiskalpolitik liegt in ihrem Stabilitätsauftrag. Er gründet sich auf die 1992 vereinbarte „Solidaritätsalternative“. Darin wurde festgelegt, dass Arbeitnehmer und Arbeitgebervertreter für die Lohnentwicklung, die Zentralbank (Norges Bank) für den Wechselkurs und die Regierung, speziell das Finanzministerium, für die Teuerungsentwicklung zuständig sind.118 Die Solidaritätsalternative wird jedoch erheblich durch die zunehmend dezentrale Lohnbildung erschwert. So erhöht sich durch die Vergrößerung des Dienstleistungssektors der Anteil der nichtgewerkschaftlich organisierten Arbeitnehmer.119 In naher Zukunft ist somit zumindest eine Modifizierung der Solidaritätsalternative zu erwarten. Reformanstrengungen zum Umbau des Wohlfahrtsstaates sind in Norwegen weniger zu beobachten als in Dänemark oder Schweden. Eine der wenigen Maßnahme, die in den letzen Jahren durchgesetzt wurde, ist die Verlängerung der Lebensarbeitszeit. Wie Finanzminister Gudmund Restad in seiner Rede im Parlament (Stortinget) betonte, soll hierzu der Trend zur Frühpensionierung (Tidligpensjonering) gestoppt werden. Dazu will man die entsprechenden Pensionssätze kürzen. Während 1980 noch 50 % der 64 bis 66-Jährigen erwerbstätig waren, waren es 1998 nur noch 30 %.120 Vgl. Russwurm (1997). Vgl. Nærings- og handelsdepartementet (1999). 115 Vgl. The Economist (1999a); Christiansen / Jørgensen / Smith (1996); Sandven (1996). 116 Die Ausgaben für Forschung und Entwicklung in Nordeuropa von 1985 bis 1997 zeigt Tabelle J-7. 117 Vgl. Ketels (2000), S. 48. 118 Vgl. OECD (1999a); Torp (1996), S. 122 – 123. 119 Vgl. OECD (2000a). 113 114

IV. Die Wirtschaft und die Fiskalpolitik Dänemarks

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Mit den verschärften Regeln zur Frühpensionierung möchten die Norweger die Stabilität der Altersvorsorge sichern.121 In einer Reihe von anderen Ländern wird die Frühpensionierung – also de facto die Herabsetzung des Rentenalters – als ein Instrument gegen die Arbeitslosigkeit eingesetzt.122 Dies ist jedoch ein recht teueres Mittel, wird es doch mit zunehmenden Ausgaben für die Altersvorsorge erkauft.123 Im Vergleich zu Dänemark oder Schweden wird die Möglichkeit der Frühpensionierung in Norwegen jedoch bereits restriktiver gehandhabt.124 Eine weitere Maßnahme der norwegischen Regierung sind bedeutende Investitionen in den Bildungssektor. Verschiedene Studien ergaben, dass die Arbeitsproduktivität in diesem Land in den letzten Jahrzehnten langsamer als in anderen Industrieländern wuchs. Von 1980 bis 1996 stieg die Produktivität in Norwegen um 8 %. In der BR Deutschland war dagegen in diesem Zeitraum ein Anstieg von 28 % zu verzeichnen.125

IV. Die Wirtschaft und die Fiskalpolitik Dänemarks 1. Strukturwandel und Ausdehnung öffentlicher Leistungen Die Produktion und die Beschäftigung der dänischen Ökonomie wurden noch bis in die 50er Jahre durch einen relativ hohen Anteil der Landwirtschaft geprägt.126 Ein großer Prozentsatz der Agrarproduktion war dabei für den Export bestimmt.127 Erst ab den 60er Jahren kam es zu bedeutenden strukturellen Veränderungen, in deren Folge auch viele ländliche Regionen industrialisiert wurden. Vgl. Finans- og Tolldepartementet (1999a). Eine Zurückdrängung des Trends der Frühpensionierung ist auch dadurch möglich, dass Arbeitseinkommen niedriger besteuert wird. Wie eine Studie von Boskin ergab, stellt die Höhe der Besteuerung ein bedeutendes Moment bei der Entscheidung hinsichtlich einer Frührente dar. Vgl. Boskin (1977), S. 1 – 25. 122 Zum Ausbau des Frührentensystems in Nordeuropa siehe Hedström (1987), S. 208 – 219. 123 Frühpensionierungen bringen für eine Volkswirtschaft vielfältige Nachteile: 1. Die Ausgaben für Frühpensionen sind meist höher als das Arbeitslosengeld; zur Finanzierung muss die Steuerquote erhöht werden, womit die Arbeitslosenquote wieder steigt, 2. Großzügige Regeln zur Frühpensionierung können bei besserer Konjunkturlage und niedriger Arbeitslosenzahl schwierig wieder beseitigt werden, 3. Junge Arbeitskräfte sind kein vollständiges Substitut für Ältere (so fehlt ihnen z. B. die Berufserfahrung). 4. In der Anlernphase ist die Produktivität der jüngeren Erwerbstätigen anfangs geringer, 5. Der politische Druck zur Reform des Arbeitsmarkts sinkt; notwendige Veränderung werden hinausgeschoben. Vgl. Weltbank (1994), S. 125; Hedström (1987), S. 208 – 219; Brinch / Hernæs / Strøm (2001). 124 Vgl. Torp (1996), S. 124; Wadensjö (1996), S. 9 – 24. 125 Vgl. Ketels (2000), S. 48. 126 Vgl. Alestalo / Kuhnle (1987), S. 17. 127 Vgl. Mjøset (2000), S. 10. 120 121

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D. Die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen

Als eine der Hauptursache für diese Veränderungen werden die verminderten Exportmöglichkeiten der dänischen Landwirte aufgrund der zunehmenden Agrar(Subventions-) politik der EG-Länder gesehen.128 In der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts vollzog sich in Dänemark ein erheblicher Strukturwandel. Nachdem 1960 noch ein Drittel der Arbeitskräfte in der Landwirtschaft oder Fischerei beschäftigt waren, lag der entsprechende Anteil im Jahr 2000 nur noch bei einem Zwanzigstel. Im gleichen Zeitraum verringerte sich allerdings auch der Prozentsatz der Arbeitskräfte in der Industrie von einem Drittel auf ein Viertel. Ein erhebliches Wachstum verzeichnete der Dienstleistungssektor. Sein Anteil lag 1960 noch deutlich unter 50 %. Im Jahre 2000 erreicht er 70 %. Unter diesen Wert fallen auch die zahlreichen Arbeitskräfte im öffentlichen Sektor.129 Ab den 60er Jahren wurde der öffentliche Dienst erheblich ausgebaut. In den Bereichen Bildung, Gesundheit und Soziales wurden die öffentlichen Ausgaben deutlich erhöht, so dass Dänemark ab den 70er Jahren zusammen mit Schweden in diesem Bereich Spitzenwerte aufwies.130 Von 1960 bis 1970 verdreifachte sich die Zahl der Kinderkrippen und Kindergärten. Der Ausbau des Sozialstaates zeigt sich auch daran, dass sich von 1970 bis 1993 die Anzahl der Personen, die zumindest einmal im Jahr Sozialleistungen erhalten, verdreifachte.131 Noch 1960 betrugen die öffentlichen Ausgaben 25 % des BIP; im Jahre 1970 waren es bereits 43 %, 1980 dann 57 %.132 Der Anteil der Staatsausgaben verdoppelte sich innerhalb von 12 Jahren.133

2. Krisen und Reformen In den 70er Jahren wurde auch die dänische Wirtschaft von der weltweiten Rezession durch die steigenden Erdölpreise erfasst. Die Produktion des Industriesektors sank. Trotz der Rezession wurde der öffentliche Sektor aber weiter ausgebaut, wodurch sich die Haushaltssituation entsprechend verschlechterte.134 Im Jahre 1979 musste die Dänische Krone zweimal abgewertet werden. Die Wirtschaft erholte sich trotzdem kaum. Anfang der 80er Jahre stieg das Zinsniveau auf 20 % und die Staatsverschuldung wuchs auf das damalig Rekordniveau von 40 % des BIP. In der Folge wurde die sozialdemokratische Regierung von einer VierparteienRegierung unter Führung der Konservativen abgelöst. Diese verfügte eine Einschränkung der öffentlichen Ausgaben, eine straffere Lohnpolitik und eine Politik 128 129 130 131 132 133 134

Vgl. Johanson (2000). Vgl. Danmark statistik (2001), S. 307, 249. Vgl. Plovsing (1994), S. 11 – 13. Vgl. Köhler (1997), S. 26, Mjøset (2000), S. 14. Vgl. Etwil (2000). Vgl. Hjulsager / Pedersen (2000); Plovsing (1994), S. 50 – 67. Vgl. Hjulsager / Pedersen (2000).

IV. Die Wirtschaft und die Fiskalpolitik Dänemarks

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der festen Wechselkurse. Zusammen mit der Liberalisierung des Kapitalverkehrs führte dies zu einem Sinken des Zinsniveaus. Das Wirtschaftswachstum nahm zu, die Arbeitslosenzahl sank. Im Jahre 1987 überstiegen im Staatshaushalt zum ersten Mal seit 1975 die Einnahmen wieder die Ausgaben. Die Leistungsbilanz erreichte 1990 erstmals seit 27 Jahren wieder einen Überschuss, so dass die Auslandsverschuldung – die mittlerweile 320 Mrd. dkr betrug – abgebaut werden konnte.135 Anfang der 90er Jahre wurde Dänemark aber erneut von einer Rezession betroffen. Ursache waren zum einen der Konjunktureinbruch bei zwei der wichtigsten Handelspartner – Schweden und Großbritannien, zum anderen belasteten die weiterhin hohe Abgabenquote und die verbreitete Transfermentalität die Wirtschaft. Im Jahre 1991 erhielt etwa die Hälfte der Bevölkerung öffentliche Geldleistungen.136 Zu einem „unerlässlichen“ Anspruch für alle Arbeitnehmer hatte sich im Besonderen die Frühpensionierung entwickelt. Diese war Ende der 70er Jahre als Mittel gegen die Arbeitslosigkeit eingeführt worden, wies aber eine zunehmend generöse Ausgestaltung auf. Ab dem Jahre 1993 stellte wieder die sozialdemokratische Partei die Regierung. Diese führte eine Reihe von Reformen durch. Zu den Maßnahmen zählten u. a. eine Neuordnung der Transferleistungen und Aktivierungsangebote auf dem Arbeitsmarkt.137 Außerdem wurden für Studenten und Auszubildende Anreize geschaffen, um diese zu einem raschen Einstieg in das Erwerbsleben zu animieren.138 Die Notwendigkeit zur Schaffung solcher Anreize verweist auf den Reformbedarf am dänischen Arbeitsmarkt. Würden Bildungsinvestitionen für den Studenten eine spürbare Rendite erbringen, hätte er nach der Humankapitaltheorie bereits genügend Anreiz, seine Ausbildung möglichst schnell abzuschließen. Einen Schritt in Richtung Ausgabenkürzung geht Dänemark auch damit, dass – ähnlich wie in Norwegen – eine restriktivere Handhabung bei den Frühpensionierungen (Efterløn) durchgesetzt wird.139 Die ersten Maßnahmen zur Einschränkung dieser Leistung wurden 1998 beschlossen. Dabei soll die Attraktivität der Frühpensionierung durch eine geringere Auszahlung des Efterløns entscheidend verringert werden. Im Weiteren wird dem Arbeitnehmer eine Steuervergünstigung offeriert, wenn er sich bereit erklärt, vollständig auf die Frühpensionierung zu verzichten. Die neue Regelung sieht zwar zudem eine Senkung des Pensionsalters von 67 auf 65 Jahre vor; diese neue Grenze soll nunmehr aber auch tatsächlich als Renteneintrittsalter fungieren. Die OECD meint allerdings, dass es für viele Dänen immer noch rational ist, von der Arbeitslosigkeit direkt in die Frühpensionierung überzuwechseln.140 Hier besteht somit noch Reformbedarf. Vgl. Hjulsager / Pedersen (2000). Vgl. Köhler (1997), S. 26. 137 Vgl. Köhler (1997), S. 26; Hansen (1990), S. 694; Jensen (1996), S. 45 – 53. 138 Vgl. Bjørn / Eriksson / Hernæs (1996), S. 12 – 13. 139 Zur Entwicklung der Frühpensionen in Dänemark siehe Pedersen / Smith (1996), S. 33 – 68. 135 136

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D. Die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen

3. Die Lage am Ende des 20. Jahrhunderts Sowohl die Staatsausgaben als auch die Staatsverschuldung wurden Mitte der 90er Jahre durch verschiedene Reformmaßnahmen verringert. Von 1993 bis 1998 sank die Staatsquote von 60,6 % auf 55,0 %. Die Staatsverschuldung konnte im gleichen Zeitraum von 80 % auf 60 % des BIP reduziert werden.141 Damit wurde 1997 erstmals seit 10 Jahren wieder ein positiver Haushaltssaldo erreicht. Die dänische Wirtschaft wies im Weiteren Ende der 90er Jahre mit einer Arbeitslosenquote von 6 % einen der niedrigsten Werte in Europa auf.142 Für Dänemark selbst ist dieser Prozentsatz der niedrigste seit 1980.143 Die Entwicklung der dänischen Wirtschaft in den letzten 30 Jahren zeigt auch die BSP-Statistik der 25 OECD Länder. Lag Dänemark 1970 noch auf Platz 5, knapp hinter Schweden, wurde 1990 nur noch Platz 11 belegt, ebenfalls knapp hinter Schweden (9). Im Jahre 1995 wurde in der erwähnten Statistik bereits wieder Platz 5 erreicht, diesmal deutlich vor Schweden (16) und nur knapp hinter Norwegen (4). Der europäischen Währungsunion bleibt Dänemark ebenso wie Schweden und Norwegen vorerst fern.144 Die Dänische Krone wird derzeit aber gegenüber dem Euro innerhalb eines Wechselkursbands gehalten. Die Geldpolitik Dänemarks verfolgt damit das Hauptziel, den Kurs der dänischen Krone stabil zu halten. Ähnlich wie in Norwegen besitzt die Fiskalpolitik die Aufgabe, die Preisentwicklung zu dämpfen. Bei dem Versuch die Steuerquote zu verringern, ergibt sich die Schwierigkeit, dass ein Großteil der Steuern und öffentlichen Ausgaben von lokalen Behörden festgesetzt wird. Entgegen dem Regierungswunsch erhöhten die Kommunen in den letzten Jahren ihre Ausgaben, woraus steigende Gemeindesteuern resultierten. Verschiedene staatliche Richtlinien mit dem Ziel, dieses kommunale Handeln zu beschränken und auf eine sinkende Gesamtsteuerbelastung hinzuwirken, blieben bisher erfolglos. Ein 1999 eingeführtes Abkommen versucht u. a. mit verschiedenen Bonusprogrammen niedrigere Steuern zu erwirken. Es bleibt abzuwarten, ob dieses Programm Erfolg bringt. In der Vergangenheit fiel es der dänischen Regierung sehr schwer, ihren Kommunen genügende Anreize zu setzen, ihre Ausgaben und damit auch die Steuerquote zu reduzieren.145 Bemerkenswert daran ist, dass der Druck aus der Bevölkerung nicht ausreicht, um die Kommunen zu disziplinieren. Ähnlich wie in Schweden scheinen Ausgabenkürzungen – zumindest auf Gemeindeebene – keine ausreichende Anzahl von Befürwortern zu finden. Vgl. OECD (1999b). Vgl. OECD (1999b). 142 Zum Arbeitsmarkt in Dänemark vgl. Jensen (1996), S. 21 – 64. 143 Vgl. Danmark Nationalbank (1999), S. 25. 144 Während sich Schweden und Dänemark in einer Abwartehaltung befinden, ist Norwegen nicht Mitglied der EU und damit auch mittelfristig kein Teilnehmer der Währungsunion. 145 Vgl. OECD (1999b). 140 141

V. Pflegesystem und Wirtschaft

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Es ist zu vermuten, dass die Mehrzahl der Bevölkerung meint, durch eine Steuersenkung profitieren vorwiegend die Vermögenden, während eine Erhöhung der Ausgaben die Ärmeren besser stellt. Da sich die Mehrheit der Bürger zu den weniger wohlhabenden zählt, wird von dieser eine Ausgabensteigerung präferiert. Die verschiedenen Wirkungsmechanismen, über die Steuersenkungen zu einem Wohlfahrtsanstieg in der gesamten Volkswirtschaft führen können, werden nicht erkannt. Den Vermögenden sollte es bei einer kommunalen Einkommensteuer, die nach dem Wohnortprinzip erhoben wird, relativ leicht gelingen, der Besteuerung zu entgehen. Sie üben damit zwar durch die „Abstimmung mit den Füßen“ einen indirekten Einfluss auf eine Senkung der Steuersätze aus; direkt, innerhalb der politischen Meinungsbildung der Gemeinde, fehlt ihre Stimme jedoch.

V. Pflegesystem und Wirtschaft 1. Stabilität und Dynamik der Pflegevorsorge Wenn ein System der Pflegeabsicherung analysiert werden soll, ist es nicht ausreichend nur die derzeitige Situation zu betrachten. Es ist notwendig zu prüfen, inwieweit das wirtschaftliche und demographische Umfeld eine gewisse Stabilität des Pflegesektors garantieren. Ein System der sozialen Fürsorge beeinflusst die langfristige Planung der Menschen bedeutend. Es sollte deshalb für die Bevölkerung zum einen vorhersehbar und zum anderen beständig sein. Die Beständigkeit schließt dabei selbstverständlich nicht aus, dass durch Reformen Veränderungen vorgenommen werden. Zu vermeiden sind zum ersten starke und unerwartete Schwankungen des Leistungsniveaus. Eine höhere Varianz des Pflegeangebots verringert den Erwartungsnutzen des Versicherungsnehmers. Zum zweiten ist auch eine schleichende Entwertung des Leistungsniveaus für die Bevölkerung ungünstig. Dies gilt vorwiegend dann, wenn größere Teile der Gesellschaft eine solche Entwicklung nicht oder zu spät bemerken. In beiden Fällen verließen sich die Bürger eines Landes auf das Absicherungssystem, so dass eine dann doch eintretende Leistungsentwertung zu bedeutenden gesellschaftlichen Verwerfungen führen kann. Von Stabilität des Pflegesystems ist somit zu reden, wenn das derzeitige Angebot und Niveau der Betreuung in einer Weise dynamisiert werden, dass auch in einigen Jahrzehnten Pflegeleistungen offeriert werden, die mit dem jetzigen Angebot vergleichbar sind. Bei etwa nicht aufzuhaltender zukünftiger Verschlechterung des Pflegeangebots (entweder quantitativ oder qualitativ) wären die derzeitigen Erwerbsbeschäftigen benachteiligt. Eine Verringerung der Leistungen würde eine intergenerationelle Ungleichbehandlung bedeuten. Wie in einem früheren Kapitel bereits gezeigt, ist die Absicherung nach dem Sozialprinzip in dieser Hinsicht besonders anfällig.

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D. Die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen

2. Zur Frage der mittel- und langfristigen Stabilität der Pflege in Nordeuropa Es ist schwierig zu beantworten, ob die Stabilität des – nach dem Sozialprinzip aufgebauten – nordischen Pflegesystems gewährleistet werden kann. Prognosen sind naturgemäß mit hohen Unsicherheitsfaktoren versehen. Dies gilt erst recht dann, wenn Vorhersagen gefragt sind, die über einen relativ kurzen Zeithorizont hinausreichen. Nachdem in Kapitel C. die Pflegeabsicherung unter demographischen Aspekten unter dem Gesichtspunkt ihrer Stabilität untersucht wurde, soll jetzt eine Prognose hinsichtlich der ökonomischen Konstellation versucht werden. Der „Manövrierraum“ zukünftiger Generationen zur Erhaltung des Pflegesystems wird dabei zum einen durch die Staatsverschuldung und zum anderen durch die Steuer- und Abgabenquote bestimmt. Entsprechende hohe Quotenwerte, wie sie besonders Schweden und Dänemark verzeichnen, können die Erhaltung des Pflegeniveaus in Frage stellen. Bei der Organisation der Sozialsysteme bleibt vielfach unbeachtet, dass schon diese Unsicherheit in puncto zukünftiger Finanzierung den Nutzen des Systems für die Bürger verringert. Dies kann nicht im Sinne eines Wohlfahrtsstaates sein. Eines der Hauptprobleme der nordischen Länder liegt im ordnungspolitischen Bereich.146 Die bedeutende Rolle des Staates als Eigentümer in vielen Branchen der Wirtschaften zehrt bereits jetzt einen Teil der Früchte der an sich beachtlichen Wirtschaftsleistung dieser Länder auf. Norwegen besitzt durch die – im Vergleich zu Schweden und Dänemark – etwas niedrigere Steuerquote und die niedrigere Staatsverschuldung einen noch relativ größeren Spielraum in der Fiskalpolitik. In Schweden sollen verschiedene Reformmaßnahmen, so die 1999 durchgeführte Rentenreform, die Fiskalpolitik langfristig auf eine sichere Grundlage bringen. Die OECD meint in ihrem Länderbericht dazu, dass diese Reform ein richtiger Schritt hin zu mehr Sicherheit in Bezug auf die ökonomischen Unsicherheiten und demographische Herausforderungen bedeutet.147 In der Tat zeigte die neuste „Intergenerational Accounting“ Berechnung von Hagemann, dass diese Maßnahmen eine spürbare Entlastung für zukünftige Generationen bringt.148 Auch in Dänemark zeigen einige Schritte zur Umgestaltung des Wohlfahrtsstaates bereits die ersten Erfolge.149 Der öffentliche Haushalt erzielt einen Überschuss, die Staatsausgaben und die Steuerquote wurden verringert. Es besteht jedoch die Gefahr, dass die günstige Wirtschaftslage die Dänen in der Hoffnung wiegt, die Sanierung der Finanzen wäre abgeschlossen, den zukünftigen Herausforderungen könne mit Gelassenheit entgegengesehen werden. Dies ist jedoch nicht der Fall. So fordert auch der Ökonomische Rat Dänemarks – eine Art Rat der Weisen – weitere Reform146 147 148 149

Vgl. Ketels (2000), S. 50. Vgl. OECD (1999c). Vgl. Hagemann / John (1997), S. 1 – 12. Vgl. Abrahamson (1995), S. 346 – 355.

V. Pflegesystem und Wirtschaft

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schritte, um eine dauerhafte Stabilisierung zu erzielen.150 In der jüngeren Vergangenheit wuchsen in Dänemark die öffentlichen Ausgaben insbesondere in den Sektoren, in denen Dienste unentgeltlich oder bei einer niedrigen Selbstbeteiligung geleistet wurden. Dies betrifft die Bereiche der Bildung, des Gesundheitswesens und der Kinderbetreuung. Da es sich hierbei jeweils um arbeitsintensive Sektoren handelt, führt eine Nachfrageerhöhung auch zu einem spürbaren Anstieg der Zahl der im öffentlichen Sektor Beschäftigten, woraus eine Zunahme der Steuerquote resultieren könnte. Nach einer Prognose des IMF könnte dies bis zum Jahre 2035 eine Anhebung der Steuerquote um 5 % erfordern. Um eine solche Entwicklung abzuwenden, empfiehlt der IMF zur Nachfragesteuerung die Einführung merklicher Selbstbeteiligungen. Zu berücksichtigen ist zudem, dass die Alterung der Bevölkerung ohnedies einen Anstieg der öffentlichen Ausgaben in den Bereichen Rente und Gesundheitswesen erwarten lässt.151 Für Norwegen ergeben sich Schwierigkeiten aus der erheblichen Abhängigkeit von einem Rohstoff. Zum einen droht die erdölorientierte Industrie zu einer Erosion der produktiven Basis zu führen, zum anderen wirken sich Veränderungen der Rohölpreise in größerem Maße auf das Haushaltbudget aus. Eine Verringerung der Erdölnotierungen um 1$ / Barrel reduziert die Steuereinnahmen um 7 bis 10 Mrd. nkr.152 Mit Hilfe des Erdölfonds sollen diese Probleme abgemildert werden. Es bleibt aber fraglich, ob dies mittel- bis langfristig gelingen wird. Die „Intergenerational Accounting“ Rechnung ergab, dass auch Norwegen auf Kosten der zukünftigen Generation lebt. Bei dieser Kalkulation wird von deutlich zurückgehenden Erdöleinnahmen ausgegangen. Etwa ab dem Jahre 2010 wird ein spürbares Sinken der entsprechenden Nettoeinnahmen und eine deutliche Steigerung der Ausgaben für die Alters- und Pflegevorsorge erwartet.153 Einige Ökonomen meinen deshalb, dass die aktuellen Haushaltsüberschüsse und der Aufbau eines Erdölfonds eine trügerische Sicherheit ergeben.154 Es besteht die Gefahr, dass das Angebot der Pflegeversorgung auf ein mittel- bis langfristig nicht zu haltendes Niveau ausgebaut wird.155 Hinsichtlich der langfristigen Fiskalpolitik sollte danach eher den warnenden Prognosen des „Intergenerational Accounting“ vertraut werden. Damit ist auch dem norwegischen Zentralbankchef Svein Gjedrem zuzustimmen, der meinte, dass auf Grund der abnehmenden Erdölvorkommen die wohlfahrtsstaatlichen Einrichtungen kritisch zu überprüfen seien.156

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Vgl. Økonomiske Råd (1999). Vgl. IMF (1999), S. 21 – 22. Vgl. Aiolfi (1999a), S. 9. Vgl. Steigum / Gjersem (1999), S. 372 – 374. Vgl. Steigum / Gjersem (1999), S. 390 – 391. Vgl. Antolin / Suyker (2001). Vgl. Aiolfi (1999a), S. 9.

E. Die Finanzierung der Pflege in Skandinavien I. Das System der sozialen Sicherung 1. Ein Überblick über die soziale Absicherung In Schweden und Norwegen wird eine Vielzahl von Risiken durch die Sozialversicherung abgesichert. So umfasst der Sozialversicherungsschutz in diesen Ländern große Teile der Bereiche Krankheit, Rente und Arbeitslosigkeit.1 Zudem wird auch die Kindererziehung unterstützt. Im Bereich der Krankenversorgung übernimmt die Sozialversicherung nur eine Reihe spezifischer Geldleistungen, wie die Zahlung von Krankengeld und die Leistung von Zuschüssen bei Zahnarztbehandlungen oder Rehabilitationsmaßnahmen. Für die gesamten Behandlungsaufwendungen im ambulanten und stationären Bereich bzw. die Arzneikosten sind die Gebietskörperschaften zuständig. Sie sind auch für die Finanzierung der medizinischen Infrastruktur verantwortlich. So waren in Schweden die Ausgaben der Kommunen und der Provinzen im Gesundheitsbereich im Jahre 1999 etwa dreimal höher als die Krankenleistungen der Sozialversicherungen.2 Für den Krankenhaussektor tragen in Schweden die Provinziallandtage die Verantwortung. In Norwegen liegt die Trägerschaft für die Krankenhäuser seit dem 1. Januar 2002 beim Zentralstaat.3 Zuvor waren auch hier die Gebietskörperschaften der 2. Verwaltungsebene, also die Provinzen, für die entsprechende Versorgung zuständig. Für den Pflegebereich sind in beiden Ländern die Kommunen verantwortlich. Die Finanzierung der Ausgaben der Gemeinden wird vorwiegend über die kommunale Einkommensteuer sichergestellt. Einige Leistungen im Falle der Pflegebedürftigkeit werden aber auch durch die Sozialversicherung bereitgestellt. In Dänemark wird der größte Teil der Leistungen aus dem Staatshaushalt, also aus dem allgemeinen Steueraufkommen, finanziert. Damit erfolgt auch die finanzielle Absicherung des Alters- und des Krankheitsrisikos im Wesentlichen über Steuermittel. Sozialversicherungsleistungen spielen in Dänemark nur eine geringfügige Rolle. Ebenso wie in Schweden und Norwegen sind auch in Dänemark die Kommunen für Pflegeversorgung zuständig. Einige Geldleistungen im Pflegebereich werden hier vom Zentralstaat aus dem allgemeinen Steueraufkommen bereitgestellt. 1 Vgl. Riksförsäkringsverket (2000), S. 3 – 10; Sosial- og Helsedepartementet (2001a), S. 2. 2 Vgl. Lißner / Wöss (1999), S. 146. 3 Vgl. Preusker (2002b), S. 14 – 18.

I. Das System der sozialen Sicherung

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Die sozialen Absicherungssysteme in Skandinavien werden vielfach als universelle Sozialsysteme bezeichnet.4 Bei der Verwendung dieses Begriffs ist aber zu beachten, dass zwischen der Universalität des erfassten Personenkreises und der Universalität der Leistungen zu differenzieren ist.5 In Schweden und Norwegen wird das erste Prinzip erfüllt, da die gesamte Bevölkerung Anspruch auf die entsprechenden Leistungen besitzt.6 Anspruchsberechtigt sind im Wesentlichen alle Personen, die dauerhaft in den jeweiligen Staaten arbeiten oder wohnen.7 Personen ohne Erwerbstätigkeit – wie Studenten oder Hausfrauen – erhalten einen uneingeschränkten Anspruch auf Leistungen, obwohl sie keine Beiträge zahlen. Der Sozialversicherungsschutz umfasst auch Selbstständige. Dafür müssen diese auch einen Sozialversicherungsbeitrag leisten. Das zweite Prinzip trifft allerdings nicht zu. Der Umfang der Leistungen ist vielfach vom (früheren) Erwerbseinkommen abhängig.8 Universelle Leistungen, also Leistungen, die für alle Personen den gleichen Umfang aufweisen, stellen hier die Ausnahme dar. Von einem universellen Sozialsystem kann somit nur unter gewissen Einschränkungen gesprochen werden. Allerdings unterscheidet sich das Sozialversicherungssystem in Schweden und Norwegen vom – in Mitteleuropa verbreiteten – Bismarckschen Modell. Dort werden Selbstständige und zum Teil auch Höherverdienende von der Sozialversicherung nicht erfasst. Die Sozialversicherung in Schweden und Norwegen weist somit eine größere Ähnlichkeit mit einem steuerfinanzierten Sicherungssystem auf. In Dänemark ist das Universalitätsprinzip sowohl hinsichtlich des einbezogenen Personenkreises als auch bezüglich der Leistungen weitgehend erfüllt. Im Vergleich zu den Sozialversicherungssystemen in Schweden und Norwegen bestimmt sich der Umfang der Sozialleistungen nur in begrenztem Maße nach der früheren Erwerbstätigkeit. Viele Leistungen werden einkommensunabhängig gewährt. Ausnahmen gibt es allerdings auch hier, beispielsweise im Falle der Zusatzrente (ATP).

2. Die Sozialversicherung in Schweden und Norwegen In der schwedischen Sozialversicherung fallen die Fragen des Budgets und der Gesetzgebung überwiegend in den Zuständigkeitsbereich des Ministeriums für Gesundheit und soziale Angelegenheiten. Die Arbeitslosenversicherung liegt in der Hauptverantwortung des Ministeriums für Wirtschaft. Getragen wird die Sozialversicherung von den Allgemeinen Versicherungskassen (Allmän försäkringskassan). Die Verwaltung erfolgt regional. Jeder Provinziallandtag als zweite Verwaltungs4 5 6 7 8

Vgl. Kosonen (1992), S. 187 – 196. Vgl. Edvartsen (1996), S. 2. Vgl. Schwedisches Institut (2001c), S. 1. Vgl. Preusker (1996), S. 163 – 168. Vgl. Schwedisches Institut (2001c), S. 1.

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E. Die Finanzierung der Pflege

ebene verfügt über eine Versicherungskasse mit örtlichen Zweigstellen, wobei aber die einzelnen regionalen Kassen über keine eigenen finanziellen Mittel verfügen. Die zentrale Aufsicht unterliegt dem staatlichen Reichsversicherungssamt (Riksförsäkringsverket).9 Dieses kann im Bereich der Sozialgesetze auch Regelungen und Empfehlungen beschließen. Die Prinzipien werden durch das Zentralamt für Gesundheits- und Sozialwesen (Socialstyrelsen) beschlossen. Durch das Selbstbestimmungsrecht der Kommunen und Provinziallandtage ist die Bedeutung dieser Behörde aber erheblich eingeschränkt.10 In Norwegen ist die staatliche Sozialversicherung (Folketrygden) eine selbstständige Abteilung innerhalb des Ministeriums für Soziales und Gesundheit. Für die Organisation unterhält sie landesweit 445 Geschäftsstellen.11 Die Sozialversicherung ist in beiden Nationen nach dem Umlageverfahren konstruiert. Die Beiträge sind abhängig vom Arbeitseinkommen und werden vom Arbeitgeber an die Versicherungskassen überwiesen. Die Sozialbeiträge werden dabei formal in einen Arbeitgeber- und einen Arbeitnehmerbeitrag unterteilt. Neben den Beiträgen erfolgt die Finanzierung der Sozialversicherung zudem noch über einen Zuschuss aus dem allgemeinen Steueraufkommen. Im Jahre 1996 wurden in Schweden ca. 21 % des Finanzierungsbedarfs der Sozialversicherung aus diesen Mitteln gedeckt.12 In Norwegen betrug der Staatszuschuss 1999 27 %.13 In Norwegen lag der Arbeitnehmerbeitrag im Jahre 1999 bei 7,8 % des Arbeitseinkommens. Für Personen unter dem 17. und über dem 69. Lebensjahr gilt ein Beitragssatz von 3,0 %. Auf Altersrente ist ebenfalls ein Sozialbeitrag von 3,0 % zu zahlen.14 Die Höhe des Arbeitgeberbeitrags differiert innerhalb des Landes. Je nach dem Standort des Unternehmens können die entsprechenden Beitragssätze bei 14,1 %, 10,6 %, 6,4 %, 5,1 % oder 0 % liegen.15 Diese Aufteilung Norwegens in fünf Zonen wird nach der Wirtschaftskraft der jeweiligen Region vorgenommen. Damit ist z. B. der Arbeitgeberbeitrag im Norden Norwegens niedriger als in Oslo.16 Für den überwiegenden Teil der erwerbstätigen Norweger (73,9 %) gilt aber der höchste Arbeitgeberbeitrag. Ein Satz von 0 % gilt nur für 2,2 % der Beschäftigten.17 Regional gestaffelte Arbeitgeberbeiträge dürften weltweit einmalig sein. Sie sind ein Element der norwegischen Strukturpolitik zur Förderung wirtschaftsschwacher Gebiete. Der Gerichtshof der EFTA (Europäische Freihandelszone) entschied 1998, dass diese Beitragsdifferenzierung nicht mit den EFTA-Regeln überVgl. Eklund (1994a). Vgl. Schwedisches Institut (2001c), S. 2. 11 Vgl. Preusker (1996), S. 169 – 173; Sosial- og Helsedepartementet (2001b). 12 Vgl. Riksförsäkringsverket (1997), S. 12. 13 Vgl. Sosial- og Helsedepartementet (2001c). 14 Vgl. Rikstrygdverket (1999); Rikstrygdverket (2000). 15 Vgl. Finans-og Tolldepartementet (1999a), S. 31. 16 Vgl. Stjernø (1992). 17 Vgl. Sosial- og Helsedepartementet (1999b), S. 2. 9

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I. Das System der sozialen Sicherung

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einstimmt. Dies stelle eine nicht den Regeln entsprechende Unternehmenssubvention dar. Im Mai 1999 beseitigte Norwegen die Differenzierung für einzelne Industriezweige, wie die Stahlproduktion und den Schiffbau.18 In Schweden lag die Beitragshöhe im Jahre 1998 bei insgesamt 39,98 % des Arbeitseinkommens.19 Davon waren 33,03 % als Arbeitgeberbeitrag und 6,95 % als Arbeitnehmerbeitrag deklariert.20 Für die Steuerbelastung des Arbeitseinkommens ist die Unterteilung in Arbeitgeber- und Arbeitnehmerbeitrag unerheblich. Eine Splittung führt nur dem Anschein nach zu einer Kostenaufteilung. Tatsächlich muss auch der Arbeitgeberanteil durch die Wertschöpfung des Beschäftigen erbracht werden. Die Aufteilung in Arbeitgeber- und Arbeitnehmerbeitrag ist hinsichtlich der steuerlichen Belastung äquivalent zu der Situation, wenn der Unternehmer den Arbeitgeberbeitrag als Lohn mit auszahlen und der Beschäftigte dann den gesamten Beitrag selbst abführen würde.21 Eine Splittung der Beiträge führt zu einer geringeren Transparenz des Systems, da die Höhe der Steuerzahlungen verschleiert wird. Es besteht die Gefahr, dass der Großteil der Beschäftigten nur die Differenz zwischen Brutto- und Nettolohn als Abgabenlast einstuft. Der Unterschiedsbetrag ist bei einem System mit überwiegenden Arbeitgeberbeiträgen gering. Die Intransparenz der Sozialversicherungsbeiträge ist besonders in Schweden ausgeprägt. Eine Beitragsbemessungsgrenze existiert in Schweden nur bei den Arbeitnehmerbeiträgen. Dazu wird in Abhängigkeit von der Inflationsrate ein jährlicher Basisbetrag festgesetzt. Keine Beitragszahlungen sind dann für den Teil des Einkommens zu entrichten, der das 7,5fache dieses Basisbetrags übersteigt. Im Jahre 1998 lag die Beitragsbemessungsgrenze bei 278 000 skr.22 Da bei Arbeitgeberbeiträgen keine solche Trennlinie existiert, führt ein hohes Arbeitseinkommen zu einer bedeutenden Beitragszahlung. Von einem Versicherungsbeitrag kann daher kaum noch gesprochen werden. Es handelt es sich überwiegend um eine (zusätzliche) Besteuerung des Arbeitseinkommens. Die Zusatzlast ist entsprechend sehr hoch.23 In Norwegen existiert für die Zahlung der Sozialversicherungsbeiträge ein Grundfreibetrag von 21 400 nkr (1999). Wenn eine Person ein niedrigeres JahresVgl. van den Noord (2000), S. 23. Die einzelnen Zweige der Sozialversicherung erhalten dabei einen festgesetzten Betrag der Gesamteinnahmen zugeordnet. Der Sozialversicherungsbeitrag von 39,98 % untergliedert sich so z. B. in 7,9 % Krankenversicherungs- und 6,83 % Grundrentenbeitrag (Folkpension). 20 Ein Arbeitnehmerbeitrag wird im Übrigen erst seit 1995 erhoben; bis zu diesem Zeitpunkt galt ein reines Arbeitgeberbeitragsprinzip. Der Arbeitnehmerbeitrag von 6,95 % (1998) gilt als allgemeine Pensionsabgabe. Er lag bei der Einführung 1995 noch bei 1 %. Vgl. Riksförsäkringsverket (2001b), S. 27; Lißner / Wöss (1999), S. 24. 21 Vgl. Schlenger (1998a), S. 35. 22 Vgl. Lißner / Wöss (1999), S. 20. 23 Zur Zusatzlast der Besteuerung siehe auch Kapitel E.V.2. 18 19

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E. Die Finanzierung der Pflege

arbeitseinkommen aufweist, sind also keine Sozialbeiträge zu zahlen. Der Umfang der Beitragszahlungen darf zudem nicht höher als 25 % des Betrags sein, der diesen Grundfreibetrag übersteigt.24 Es existiert damit eine Beitragsbemessungsgrenze, die sich mit zunehmendem Einkommen nach oben verschiebt. Im Gegensatz zu Schweden wird in Norwegen auf diese Weise eine gewisse Kappung der Beitragszahlungen vorgenommen. Die Zusatzlast der Besteuerung fällt unter diesem Gesichtspunkt etwas geringer aus. Selbstständige müssen in Norwegen 10,7 % (Stand: 1999) ihres Einkommens aus selbstständiger Tätigkeit als Sozialabgabe begleichen.25 In Schweden betrug der entsprechende Sozialbeitrag im Jahre 2001 31,01 %.26 Dass die Sozialbeiträge somit auch für Selbstständige gelten, hat nicht triviale Auswirkungen auf die Allokationseffizienz. Die hierbei angesetzten Einkünfte aus selbstständiger Tätigkeit umfassen auch Kapitaleinkommen. Da Kapital deutlich elastischer als Arbeit reagiert, ist die Zusatzlast noch höher als bei der Beitragserhebung von Arbeitern und Angestellten.27 Die höhere Zusatzlast bei der Besteuerung des Einkommens aus selbstständiger Arbeit erfährt eine gewisse Berücksichtigung dadurch, dass der Sozialversicherungsbeitrag etwas niedriger ist als bei der Mehrzahl der Beschäftigten. Es bleibt fraglich, ob die Zusatzlast damit wesentlich verringert werden kann. Sozialleistungen sind sowohl in Schweden als auch in Norwegen bis auf wenige Ausnahmen steuerpflichtig. Die staatliche Unterstützung für Familien mit Kleinkindern muss in beiden Ländern nicht versteuert werden.28 Zudem gelten jeweils für ältere bzw. behinderte Personen mit niedrigem Einkommen Sonderregelungen.29, 30

3. Die soziale Absicherung in Dänemark Die Zuständigkeitsverteilung im sozialen Bereich ist in Dänemark im Wesentlichen in der Form gestaltet, dass die Gesetzgebungshoheit beim Zentralstaat und die Verwaltung bei den Gemeinden liegt. Die Kommunen sind für die Bürger auch bei einer Reihe von Einkommensersatzleistungen, wie Renten, Krankengeld und Vgl. Rikstrygdeverket (1999), 2 – 6. Vgl. Sosial- og Helsedepartementet (1999b), S. 2. 26 Vgl. Schwedisches Institut (2001b), S. 3. 27 Vgl. Samuelson (1986), S. 137 – 143. 28 Vgl. Sosial- og Helsedepartementet (2001a), S. 16. 29 Vgl. Lißner / Wöss (1999), S. 271. 30 In Schweden gibt es beispielsweise für die Bezieher von Altersrente einen Grundfreibetrag. Dieser lag 1997 bei Alleinstehenden bei 53 800 skr und bei Verheirateten bei 47 600 skr pro Person. Bürger mit niedrigem Rentenanspruch müssen demnach ihre Altersrente nicht versteuern. Für einen Rentner mit einer durchschnittlichen Altersrente ergibt sich etwa eine Steuerbelastung von 24 %. Sozialversicherungsbeiträge sind von Pensionären nicht zu zahlen. Vgl. Lißner / Wöss (1999), S. 64. 24 25

II. Die Absicherung des Pflegerisikos über die Sozialversicherung

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Arbeitslosengeld, der erste Ansprechpartner. Die Zuständigkeit für die Krankenhäuser obliegt den Kreisen; die Arbeitslosenkassen sind für die Arbeitslosengelder und die Berufsgenossenschaften für die Arbeitsunfälle zuständig.31 Formal müssen Arbeitnehmer seit 1994 und Arbeitgeber seit 1997 für bestimmte Zwecke Sozialversicherungsbeiträge entrichten.32 De facto handelt es sich bei diesen Beiträgen nur um eine zusätzliche Finanzierungsquelle zur sonst überwiegenden Finanzierung aus dem allgemeinen Steueraufkommen. Der gesamte Sozialversicherungsbeitrag lag 1998 bei 8 % des Arbeitseinkommens. Bei der Einführung 1994 betrug der Beitrag noch 4 %. Die Einnahmen werden zur Finanzierung von Tagegeldern im Krankheits- bzw. Mutterschaftsfall, zur Beihilfe bei Arbeitslosigkeit und im Vorruhestand und zur Förderung von Umschulungs- und Ausbildungsmaßnahmen verwendet.33 Arbeitnehmer- und Arbeitgeberbeiträge sind im Weiteren im Bereich der Zusatzrente (ATP) zu entrichten. Die Zusatzrente stellt neben der universellen, steuerfinanzierten Volksrente (Folkspension) eine beitragsabhängige Altersvorsorge dar.34 Die Absicherung der Arbeitslosigkeit in Dänemark ist freiwillig. Wenn eine entsprechende Versicherung abgeschlossen wird, liegt der Anspruch auf Tagegeld bei einem Achtel des Arbeitnehmerbeitrags. Damit besteht eine gewisse Äquivalenz zwischen dem Einzahlungsbeitrag und dem Leistungsanspruch. Der Arbeitgeber leistet zudem einen Pauschalbeitrag, der vom Umfang der Mehrwertsteuerschuld und der Lohnsumme abhängt.35 Leistungen im Falle der Pflegebedürftigkeit werden in Dänemark nicht im Rahmen einer Sozialversicherung angeboten. Bezüge einer Behindertenrente werden ebenso wie z. B. Betreuungszulage und Pflegezulage im Rahmen des steuerfinanzierten Rentensystems gewährt.

II. Die Absicherung des Pflegerisikos über die Sozialversicherung Die Sozialversicherungen in Schweden und Norwegen bieten eine Reihe von Leistungen im Pflegefall an. Hierbei handelt es sich ausschließlich um GeldleisVgl. Torpe (2000). Vgl. Europäische Kommission (2001). 33 Vgl. ebenda. 34 Die Höhe der Beiträge ist allerdings für alle Personen gleich. Die Rentenhöhe der Zusatzrente richtet sich ausschließlich nach der Dauer der Versicherungszeit. Zusätzlich existieren im Übrigen noch weitere vielfältige Formen der betrieblichen Altersvorsorge. Ein dänischer Bürger der 1995 das Rentenalter von 67 Jahren erreicht hatte, erhielt dementsprechend monatlich eine Grundrente von 3 709 dkr, gegebenenfalls eine Zusatzrente von 1 629 dkr sowie Leistungen der betrieblichen Vorsorge. Vgl. Europäische Kommission (2001). 35 Vgl. Europäische Kommission (2001). 31 32

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E. Die Finanzierung der Pflege

tungen auf die im Wesentlichen nur dann Anspruch besteht, wenn der Betroffene das Rentenalter noch nicht erreicht hat. Einige Leistungen der Sozialversicherung werden aber auch nach der Überschreitung dieser Altersgrenze – teilweise gekürzt – weiter gezahlt, wenn der Anspruch bereits vorher bestand. Im Allgemeinen werden im Rentenalter die Geldleistungen durch die Altersrente bereitgestellt. Die Angebote der Sozialversicherung im Falle von Behinderungen bzw. Pflegebedürftigkeit wurden dabei seit den 70er Jahren deutlich ausgebaut. Sie sind in Anbetracht ihrer großzügigen Ausgestaltung und einem damit verbundenen, nicht zu vernachlässigenden Missbrauchspotenzial in Skandinavien allgemein und dabei insbesondere in Schweden einer intensiven Diskussion ausgesetzt.36

1. Die Absicherung über die Sozialversicherung in Schweden Die Sozialversicherung in Schweden weist im Falle von Behinderungen ein vielfältiges Angebot auf. Zum einen wird Bedürftigen eine Behindertenrente, die im schwedischen Förtidspension – Frührente – heißt, gezahlt. Bedürftige können zudem, sofern sie das 16. Lebensjahr erreicht haben, einen Behindertenzuschlag (Handikappersättning) beziehen. Die Eltern pflegebedürftiger Kinder erhalten bei häuslicher Fürsorge einen Pflegezuschuss (Vårdbidrag). Alle Pflegebedürftigen bis zum 65. Lebensjahr können einen so genannten Assistentenzuschuss (Assistansersättning) beziehen, mit dessen Mitteln sie einen oder mehrere Betreuungspersonen entlohnen können. Dieser Transfer ist die großzügigste, pro Person teuerste und ökonomisch umstrittenste Leistung der Sozialversicherung in Schweden im Pflegebereich. Der Umfang der Fürsorge wird bei allen Zuschüssen von der Versicherungskasse nach einer Bedarfsprüfung festgesetzt.37 Im folgenden werden die verschiedenen Angebote detailliert vorgestellt.

a) Die Frührente (Förtidspension) In Schweden kann eine Person im Alter von 16 bis 65 Jahren, die über einen längeren Zeitraum krank bzw. behindert ist, durch die Sozialversicherung eine Frührente erhalten. Grundlage für einen Anspruch ist eine Einschränkung der Arbeitsfähigkeit um mindestens ein Viertel.38 Die Höhe der Frührente bestimmt sich aus der Höhe der Altersrente, die bei regulärem Verlauf des Erwerbslebens erreicht worden wäre. Sie setzt sich damit – wie die Altersrente – aus einer Grundrente (Folkpension) und einer Zusatzrente (ATP) zusammen. Je nach Arbeitsunfähigkeitsgrad erhält der Betroffene die Frührente zu 100 %, 75 %, 50 % oder 25 %. Vgl. Hedström (1987), S. 208 – 219. Vgl. Försäkringskassan (2001 f.), S. 4 – 7. 38 Wenn die Arbeitsunfähigkeit nicht auf Dauer eingeschränkt ist, ist es möglich, eine so genannte Krankenbeihilfe (Sjukbidrag) zu erhalten. Vgl. Försäkringskassan (2001b), S. 22. 36 37

II. Die Absicherung des Pflegerisikos über die Sozialversicherung

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Die Höhe der Grundrente berechnet sich nach der Anzahl der Jahre, die eine Person in Schweden wohnhaft ist bzw. nach der Dauer der Erwerbsbeschäftigung. Die vollständige Grundrente kann ein Bürger im Rentenfall dann erhalten, wenn er mindestens 40 Jahre in Schweden im Zeitraum seines 16. bis 64. Lebensjahres wohnte oder mindestens 30 Jahre ATP-Punkte sammelte.39 ATP-Punkte kann eine Person in einem Jahr dann erhalten, wenn das Arbeitseinkommen einen jährlich vom Staat festgesetzten Schwellenwert überschreitet. Dieser Schwellenwert, auch Basisbetrag40 genannt, lag 1998 bei 37 100 skr. Die Zahl der ATP-Punkte bestimmt den Umfang der Zusatzrente, so dass die Rente zum Teil einkommensabhängig ist. Für Altersrentner ist die ATP-Rente etwa zwei- bis dreimal höher als die Grundrente.41 Die Berechnung der Zusatzrente orientierte sich bis 1999 an den ATPPunkten der besten 15 Einkommensjahre. Seit der Rentenreform von 2000 wird die gesamte Beschäftigungszeit berücksichtigt, womit eine engere Anbindung an das Lebenseinkommen erfolgt. Wenn die Personen betrachtet werden, die eine Zusatzrente bei der Frührente erhalten, ergibt sich eine durchschnittliche Auszahlung der gesamten Frührente von etwa 4 520 skr im Monat.42 Wurden keine oder nur wenige ATP-Punkte gesammelt, wird ein Rentenzuschuss (Pensionstillskott) gezahlt. Dieser liegt bei den Beziehern im Durchschnitt bei monatlich 1860 skr. Zudem besteht möglicherweise Anspruch auf einen Mietzuschuss (Bostadstilläg) oder einen Kinderzuschuss (Barntilläg).43 Es wird deutlich, dass die Gefahr gering ist, aufgrund von Bedürftigkeit in Armut leben zu müssen. Im Jahre 1998 erhielten insgesamt 421 624 Personen eine Frührente. Davon bezogen 417 404 Bürger eine Grundrente, 371 834 eine Zusatzrente und 106 823 einen Rentenzuschuss. Des Weiteren erhielten 108 678 Behinderte Wohngeld und 2 891 einen Kinderzuschuss. Der Leistungsbezug im Falle des Renten-, Wohn- und Kinderzuschusses ist nicht an eine Behinderung gebunden, sondern wird einkommensabhängig gewährt. Diese Transfers werden dementsprechend über die genannten Zahlen hinaus noch von einer bedeutenden Zahl Nicht-Behinderter bezogen.44

39 Vgl. Riksförsäkringsverket (2001b), S. 21; Försäkringskassan (2001a), S. 7 – 12; Försäkringskassan (2001b), S. 22. 40 Der Basisbetrag wird für eine Reihe von Sozialleistungen als Berechnungsgröße verwendet. Seine Höhe wird jährlich durch einen Beschluss des schwedischen Parlaments festgelegt. 41 Vgl. Lißner / Wöss (1999), S. 23, 61. 42 Vgl. Försäkringskassan (2001a), S. 7 – 12.; Försäkringskassan (2001b), S. 22. 43 Vgl. Försäkringskassan (2001a), S. 7 – 12.; Försäkringskassan (2001b), S. 22; Lißner / Wöss (1999), S. 23. 44 Im Jahre 1998 erhielten insgesamt 438 273 Personen einen Pensionszuschuss, 490 604 einen Wohnungszuschuss und 2 959 einen Kinderzuschuss. Vgl. Statistiska centralbyrån (2000), S. 390.

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E. Die Finanzierung der Pflege

Etwa 71 % der Personen, die 1999 eine Frührente bezogen, waren zwischen 50 und 64 Jahren alt.45 Circa 25 % der Frührentner befanden sich zwischen dem 30. und dem 49. Lebensjahr, die übrigen 4 % (16 008 Personen) waren jünger als 30 Jahre. Der Anteil der Frauen lag insgesamt bei 55 %. Etwa 75 % der Betroffenen erhielten die Frühpension im Umfang von 100 %.46 Dies ist ein bemerkenswerter Anteil. Die Leistungen der Frührente einschließlich der verschiedenen Zuschüsse erreichten 1998 pro Person im Durchschnitt etwa 7 600 skr monatlich.47 Nach einer schwedischen Studie gelten sie als großzügig. Der Großteil der Empfänger erhält damit ein verfügbares Einkommen zwischen 80 % und 90 % von dem, das er vor dem Rentenbezug erhalten hatte; der Durchschnitt liegt bei 84 %. Im Vergleich mit anderen Ländern ist dies ein Spitzenwert. In Dänemark liegt die Ersatzquote bei 77 %, in den Niederlanden bei 74 % und in Großbritannien sogar nur bei 43 %. Einen höheren Prozentsatz als Schweden weisen Spanien (111 %) und Italien (88 %) auf.48 Die Gesamtausgaben der Frührente in Schweden lagen im Jahre 1999 bei 38,7 Mrd. skr.49

b) Der Behindertenzuschlag (Handikappersättning) Wenn ein erhöhter Betreuungsbedarf vorliegt bzw. die Behinderung erhebliche Mehrkosten verursacht, kann die betroffene Person einen Behindertenzuschlag erhalten. Voraussetzung für den Leistungsbezug ist, dass eine zeitaufwendige Hilfe durch eine andere Person notwendig ist bzw. die Bedürftigkeit erhebliche Mehrkosten – z. B. durch Hilfsmittel, Medikamente oder Krankengymnastik – verursacht. Die Bedürftigkeit muss mindestens ein Jahr lang bestanden haben. Den Behindertenzuschlag können Personen zwischen dem 16. und dem 65. Lebensjahr erhalten. Er wird auch über das 65. Lebensjahr hinaus weiter gezahlt, wenn die Bedürftigkeit vor dieser Altersgrenze bestanden hat. In diesem Fall kann aber eine Kürzung der Leistungen erfolgen. Der Behindertenzuschlag wird auch an Personen gezahlt, die einer Erwerbstätigkeit nachgehen. Der Umfang des Behindertenzuschlags beträgt 36 %, 53 % oder 69 % des Basisbetrags, je nach Mehrkosten und Behinderungsgrad. Daraus ergeben sich Leistungen zwischen 1 107 skr und 2 122 skr im Monat (Werte für 2001).50 Damit die Mobilität des Bedürftigen aufrechtDie Alterstruktur der Rentenempfänger in Skandinavien zeigt Tabelle J-12. Vgl. Statistiska centralbyrån (2000), S. 392. 47 Die Werte zu den durchschnittlichen Bezügen sind eigene Berechnungen nach Daten des Statistisk Årsbok. Vgl. Statistiska centralbyrån (2000), S. 390 – 392. 48 Die Zahlenwerte beziehen sich auf das Einkommen nach Steuern für eine alleinstehende Person mit lückenlosem Lebenseinkommen und 100 % Frührente. Vgl. Eklind / Eriksson / Holmberg (1997), S. 11, 59 – 66, 79 – 86. 49 Vgl. Statistiska centralbyrån (2000), S. 391. 50 Vgl. Försäkringskassan (2001e), S. 3 – 8; Försäkringskassan (2001b), S. 16. 45 46

II. Die Absicherung des Pflegerisikos über die Sozialversicherung

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erhalten wird, kann er unter bestimmten Voraussetzungen zudem einen Zuschuss für den Kauf eines Autos erhalten.51 Die Kosten einer stationären Betreuung – also in einem Alten- oder Pflegeheim bzw. einem Krankenhaus – werden durch diesen Zuschuss aber nicht übernommen.52 Die Zahlung der Behindertenzulage wird eingestellt, wenn der Bedürftige länger als sechs Monate stationär versorgt wird. Die Behindertenzulage ist eine der wenigen Sozialversicherungsleistungen, die einkommensteuerfrei ist.53 Im Jahre 1998 erhielten 44 370 Personen einen Behindertenzuschlag zusammen mit einer Rentenzahlung. Zudem wurde diese Leistung aber auch an 11 898 Personen ausgezahlt, die weder eine Alters- noch eine Frührente bezogen. Die Gesamtzahl der Leistungsbezieher stieg von 1992 (51 379) bis 1998 (56 268) um etwa 10 %.54 Für die Behindertenzulage betrugen die Ausgaben 1998 in Schweden insgesamt 956 Mio. skr.55 c) Der Pflegezuschuss (Vårdbidrag) Für die häusliche Pflege eines behinderten bzw. kranken Kindes können die Eltern56 einen Pflegezuschuss erhalten. Voraussetzung für diese Leistung ist, dass der Pflegebedarf mindestens sechs Monate besteht und die Fürsorge höhere Aufwendungen erfordert. Wenn das bedürftige Kind in einem Krankenhaus oder Pflegeheim versorgt wird, wird der Pflegezuschuss noch bis zu sechs Monaten weiter gezahlt. Bei schwerer Bedürftigkeit erfolgt eine abermalige Zahlungsverlängerung um sechs Monate.57 Im Falle des Todes des Kindes wird der Pflegezuschuss noch acht Monate im Umfang vermindert gezahlt.58 Der Pflegezuschuss kann von der Geburt des Kindes an bis zum 16. Lebensjahr gewährt werden. Danach kann das Kind einen Behindertenzuschlag anfordern. Die Höhe des Pflegezuschusses ist abhängig vom Pflegebedürftigkeitsgrad und liegt zwischen 1 922 skr und 7 688 skr im Monat (Werte für 2001). Der Pflegezuschuss ist einkommensteuerpflichtig. Zudem wird er bei der Berechnung der Rentenhöhe berücksichtigt.59 Obwohl diese Unterstützungszahlung laut den gesetzlichen Regelungen auch zwischen den Elternteilen aufgegliedert werden kann, sind es vorwiegend die Mütter, die die entsprechenden Leistungen erhalten. Ihr Anteil beträgt 91 %.60 Während 1992 noch 51 52 53 54 55 56 57 58 59 60

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Vgl. Försäkringskassan (2001e), S. 9 – 10; Försäkringskassan (2001d), S. 13. Vgl. Försäkringskassan (2001a), S. 12. Vgl. Försäkringskassan (2001d), S. 8. Vgl. Statistiska centralbyrån (2000), S. 389 – 390. Vgl. Statistiska centralbyrån (2000), S. 391. Als Eltern gelten auch die Adoptiveltern. Vgl. Försäkringskassan (2001b), S. 15. Vgl. Försäkringskassan (2001c), S. 7. Vgl. Försäkringskassan (2001d), S. 3 – 14. Vgl. Statistiska centralbyrån (2000), S. 390.

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E. Die Finanzierung der Pflege

18 084 Personen einen Pflegezuschuss erhielten, waren es im Jahre 1998 insgesamt 26 668 Menschen.61 Diese Steigerung um 47 % begründet die schwedische Sozialversicherung mit der zunehmenden Zahl von Kindern, die mit psychischen Krankheiten – wie Autismus und MCD (Minimale zerebrale Dysfunktion) – geboren werden. Der Anteil der Kinder, deren Eltern einen Pflegezuschuss erhielten, an der Gesamtkinderzahl wuchs von 1995 bis 1999 von 1,3 % auf 1,6 %.62 Die Gesamtausgaben für den Pflegezuschuss beliefen sich 1998 auf 1,47 Mrd. skr.63

d) Der Assistentenzuschuss (Assistansersättning) Einen Assistentenzuschuss erhält ein schwedischer Bürger, wenn er eine schwere Funktionsstörung aufweist und für sein tägliches Leben eine Hilfskraft benötigt. Alle Personen bis zum 65. Lebensjahr haben einen Anspruch auf diese Leistung, sofern deren wöchentlicher Bedarf an Betreuung – z. B. im Bereich der persönlichen Hygiene, des Essens oder des An- und Auskleidens – mehr als 20 Stunden beträgt. Seit 2001 werden bestehende Leistungen auch nach dem 65. Lebensjahr weiter gezahlt.64 Bei stationärer Versorgung besteht kein Anspruch auf einen Assistentenzuschuss. Mit Hilfe des Assistentenzuschusses soll der Bedürftige eine oder mehrere Betreuungspersonen entlohnen. Kinder können grundsätzlich ebenfalls diesen Zuschuss erhalten. Wenn sie einen Kindergarten oder eine Schule besuchen, wird allerdings im Regelfall keine Leistung mehr gezahlt. Bei schwerster Behinderung erhalten aber auch diese Kinder einen oder mehrere Assistenten, die sie überall hin begleiten können, also auch in die Schule. Die Anzahl der Assistenzpersonen kann vom Bedürftigen selbst ausgewählt werden. Er kann zudem jede Person wählen, also z. B. auch ein Familienmitglied oder eine Betreuungsperson eines privaten Pflegeunternehmens. Der Pflegebedürftige besitzt die Möglichkeit, Mitglied einer Genossenschaft (Kooperativ) zu werden, die für alle ihre Genossen Assistenten anstellt. Die Assistententätigkeit kann auch vollständig der Gemeinde und damit den kommunalen Pflegekräften überlassen werden.65 Bei mehreren Assistenten können diese verschiedenen Varianten auch kombiniert werden. Wenn sich der Betroffene für ein Familienmitglied entscheidet, wird diese Person im Regelfall von der Kommune für ihn angestellt.66 Diese Pflegeperson gilt dann als erwerbsbeschäftigt und als kommunale Arbeitskraft. Durch eine solche Regelung wird sowohl der Beschäftigungsgrad als auch die Zahl der Arbeitskräfte in den Gemeinden statistisch erhöht. 61 62 63 64 65 66

Vgl. Statistiska centralbyrån (2000), S. 389 – 390. Vgl. Försäkringskassan (2001a), S. 16. Vgl. Statistiska centralbyrån (2000), S. 391. Vgl. Försäkringskassan (2001g), S. 4. Vgl. Försäkringskassan (2001 f.), S. 3 – 4. Vgl. Försäkringskassan (2001g), S. 5.

II. Die Absicherung des Pflegerisikos über die Sozialversicherung

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Es ist daher nicht verwunderlich, dass gemäß Statistik, die Mehrzahl der Bedürftigen (68 %) von kommunalen Angestellten versorgt wird. Genossenschaftliche Vereinigungen übernehmen in 15 % und private Pflegeunternehmen in 14 % der Fälle die Assistententätigkeit. In den restlichen 3 % stellten die Bedürftigen selbst ihre Betreuungsperson ein. Empirische Untersuchungen ergaben, dass die Wahl der Betreuungspersonen oft vom sozialen Netzwerk der Betroffenen abhängt.67 Besonders der Anteil der privaten Pflegeanbieter variiert regional, da diese ihr Angebot landesweit unterschiedlich ausgebaut haben. Während sie in Malmö / Erikslut und in Malmö / Triangeln mit 67 % bzw. 56 % einen bedeutenden Anteil an der Assistententätigkeit aufweisen, sind sie in Nässjö praktisch inexistent (1 %).68 Der Assistentenzuschuss beträgt pro Betreuungsstunde 184 skr, bei schwerster Bedürftigkeit 206 skr (Wert für 2001). Eine große Schwierigkeit bei der Bedarfsprüfung ergibt sich aus der Festsetzung der wöchentlichen Betreuungsstunden.69 Wenn zusätzliche Sozialversicherungsleistungen gewährt werden, wie der Behindertenzuschlag oder ein Pflegezuschuss, kann der Assistentenzuschuss auch verringert werden. Nach einer Untersuchung von Grönvik und Sundberg erhalten von den über 16-jährigen Personen, die einen Assistentenzuschlag beziehen, 50 % einen Behindertenzuschlag. Den Pflegezuschuss – den nur Personen bis zum 16. Lebensjahr erhalten können – erhielten von der entsprechenden Altersgruppe zusätzlich zum Assistentenzuschuss 74 %.70 Der Assistentenzuschuss wurde 1994 eingeführt und wird seitdem auch von Behindertenverbänden außerhalb des nordischen Raums als vorbildlich angesehen.71 Gelobt wird neben dem Leistungsbezug an sich die Wahlfreiheit der Bedürftigen hinsichtlich ihrer Assistenten. Bereits die Bezeichnung dieser Leistung wird als Errungenschaft herausgestellt. So weist ein schwedischer Behindertenverband darauf hin, dass im Gegensatz zum Begriff „Pflege“, der die Bedürftigen als Objekt betrachtet, der Begriff „Assistent“ den Betreuten eine Chefrolle zuweist.72 Es sollte nicht verkannt werden, dass der Assistentenzuschuss eine sehr teuere Leistung darstellt. Die Kosten sind in den letzten Jahren sogar noch weiter gestiegen. Während die Ausgaben 1995 noch bei 3,7 Mio. skr lagen, erreichten sie 1999 bereits 6,0 Mrd. skr. Dies ist ein Anstieg in diesem Zeitraum um 62 %. Im Dezember 1999 bezogen 8 400 Personen einen Assistentenzuschuss.73 Im Durchschnitt benötigten sie 84 Stunden in der Woche Assistentenbetreuung, wobei auch hier seit Vgl. Bengtsson / Gynnerstedt (2001), S. 26. Vgl. Bengtsson / Gynnerstedt (2001), S. 22. 69 Vgl. Bengtsson / Gynnerstedt (2001), S. 26 – 28. 70 Vgl. Grönvik / Sundberg (2001), S. 44. 71 Vgl. Ratzka (1996), S. 1 – 4. 72 Vgl. Ratzka (1996), S. 2. 73 Davon waren 1 340 Kinder bis zum 15. Lebensjahr. Vgl. Riksförsäkringsverket (2001b), S. 11. 67 68

118

E. Die Finanzierung der Pflege

1994 ein deutlicher Anstieg zu verzeichnen ist.74 Die durchschnittliche Betreuungszeit pro Woche und Person lag damals noch bei knapp 66 Stunden.75 Der Anstieg der Zahl der Betreuungsstunden wird von schwedischen Ökonomen zum einem damit begründet, dass für betreute Personen ein zunehmendes Angebot an Hilfsmitteln und Rehabilitationsmöglichkeiten besteht. Zum anderen erkennen immer mehr Bedürftige (und ihre Angehörigen) die Möglichkeit, durch den Assistentenzuschuss eine großzügige Unterstützung zu erhalten. Personen, die bereits Leistungen empfangen, dehnen ihre Nachfrage nach mehr Betreuung aus.76 Aus den genannten Zahlenwerten folgt, dass die Kosten pro Person und pro Monat bei fast 60 000 skr liegen. Infolge der hohen Zahl an Betreuungsstunden benötigt eine Reihe von Personen mindestens zwei Assistenten. Wie aufwendig diese Leistung ist, zeigt sich insbesondere dann, wenn bedacht wird, dass die Kommune dann extra zwei Personen (zu einen Stundenlohn von 92 skr) einstellt, um einen Pflegebedürftigen zu versorgen. Ein solches Verhältnis von Betreuenden zu Bedürftigen von 2:1 dürfte weltweit einmalig sein. So sehr auch Behindertenverbände eine solche Quote loben, die Frage nach ihrer ökonomischen Vertretbarkeit drängt sich gerade zu auf. Zum Vergleich: Bei der ambulanten Pflegebetreuung in der BR Deutschland betreut im Durchschnitt eine Person 3,5 Pflegebedürftige. Bei Vollzeitbeschäftigten liegt das Verhältnis bei 1:7.77 Als ein wesentlicher Grund für den Kostenanstieg werden Fehler in der institutionellen Organisation und Finanzierung gesehen. Hierbei ist zu beachten, dass sich eine bedürftige Person für die Unterstützung im Pflegefall an die Kommune wendet. Diese stellt dann einen Antrag bei der zuständigen Versicherungskasse.78 Für die Gemeinde ergibt sich daraus die Möglichkeit, die Nachfrage nach dem Assistentenzuschuss zu intensivieren. Eine solche Forcierung drängt sich für die Kommune auf, da die Finanzierung des Assistentenzuschusses aus Sozialversicherungsbeiträgen, nicht aus den Steuermitteln der Gemeinde, erfolgt. Die Alternative wäre eine ambulante oder stationäre Versorgung in kommunalen Einrichtungen mit entsprechender Kostenbelastung bei der Gemeinde. Auf diese ungünstige Anreizsituation reagierte der Gesetzgeber. Seit November 1997 erfolgt die Finanzierung nur noch zum Teil durch die Sozialversicherung. Durch die Kommune sind seitdem die ersten 20 Betreuungsstunden pro Person und Woche zu entrichten. Im Jahre 1999 waren dies insgesamt 1,5 Mrd. skr, also 25 % der Gesamtausgaben. Trotz dieser Finanzierungsreform erhöhten sich die Ausgaben für den Assistentenzuschuss weiter. Problematisch ist nunmehr, dass die doppelte Zuständigkeit von Sozialversicherung und Kommune in der Verwaltung 74 75 76 77 78

Vgl. Krantz (2001), S. 64 – 78. Vgl. Riksförsäkringsverket (2001a), S. 4. Vgl. Bengtsson / Gynnerstedt (2001), S. 33. Vgl. Bundesministerium für Gesundheit (2001), S. 237 – 238. Vgl. Riksförsäkringsverket (2001a), S. 6; Bengtsson / Gynnerstedt (2001), S. 37.

II. Die Absicherung des Pflegerisikos über die Sozialversicherung

119

zu erhöhtem Bürokratieaufwand führt. Bengtsson und Gynnerstedt weisen darauf hin, dass die Zusammenarbeit zwischen Kommune und Sozialversicherung oft mangelhaft ausfällt und damit kostensteigernd wirkt.79 Zudem werden die Anreize für die Kommunen, die Vergabe von Assistentenzuschüssen zu fördern, nur bedingt verringert. Zu empfehlen ist eher eine solche Konstruktion, bei der die Sozialversicherung für die ersten (beispielsweise 20) Betreuungsstunden aufkommt und die Kommune den Mehrbedarf trägt. Für die nächsten Jahre erwartet die schwedische Sozialversicherung einen weiteren Anstieg der Kosten. Begründet wird diese Entwicklung zum einen mit einer Zunahme der Zahl der Bedürftigen, zum anderen erfordert die Personalsituation eine Erhöhung des Lohnniveaus.80 Die schwedische Regierung zeigt sich von der Kostenentwicklung überrascht. Bei der Einführung dieser Leistung war mit weniger Ausgaben gerechnet worden. Der Kostenkalkulation waren 40 Wochenstunden pro Person (in Wirklichkeit sind es über 80) und weniger Anträge zu Grunde gelegt worden. Insbesondere die Zahl der bedürftigen Kinder wurde unterschätzt.81 Derzeit wird eine Einschränkung der Leistungen diskutiert.82 e) Zusammenfassung Die Sozialversicherungsleistungen für Pflegebedürftige bzw. Behinderte in Schweden gelten als großzügig. Der größte Ausgabenposten mit 38,7 Mrd. skr entfällt auf die Frührente; dabei ist aber der Kreis der Bezugspersonen mit über 420 000 Personen auch erheblich. Für die Berechnung des Umfangs der Frührente ziehen die Behörden zwar frühere Erwerbseinkommen heran. Menschen mit niedrigem Einkommen erhalten durch vielfältige Zuschüsse aber ebenfalls eine hohen Transferleistung. Die großzügigste Leistung pro Bedürftigen ist der Assistentenzuschuss; die Ausgaben von 6 Mrd. skr verteilen sich hier auf 8 400 Pflegepersonen. Wie gezeigt wurde, resultieren die hohen Kosten auch aus einer ungünstigen Organisation der Finanzierung. Auch neuere Reformen haben hier keine Abhilfe geschaffen. Die folgende Tabelle auf Seite 120 fasst die Sozialversicherungsleistungen in Schweden zusammen.

79 80 81 82

Vgl. Bengtsson / Gynnerstedt (2001), S. 29. Vgl. Försäkringskassan (2001a), S. 20. Vgl. Bengtsson / Gynnerstedt (2001), S. 32. Vgl. Riksförsäkringsverket (2002), S. 1 – 15.

120

E. Die Finanzierung der Pflege Tabelle E-1 Sozialversicherungsleistungen in Schweden für Pflegebedürftige bzw. Behinderte

Leistung

Alter Umfang der monatl. Anzahl der Bezugs- Kosten [in [in Jahren] Leistung [in skr] 2001 personen 1998 Mio. skr] 1999

Frührente

16 – 65

Ø 7 600**

421 624

Behindertenzuschlag

16 – 65*

1 107 bis 2 122

56 268

956**

Pflegezuschuss

0 – 16

1 922 bis 7 688

26 668

1 470**

Assistentenzuschuss

0 – 65*

184 bis 206 pro Std.

8 400***

38 700

6 000

* Leistungen werden auch nach dem 65. Lebensjahr gezahlt, wenn vorher ein Anspruch bestand. ** Daten von 1998. *** Daten von 1999. Quelle: Eigene Zusammenstellung nach Daten von Försäkringskassan (2001a), S. 7 – 12; Försäkringskassan (2001b), S. 16, 22; Försäkringskassan (2001d), S. 3 – 14; Försäkringskassan (2001e), S. 3 – 8; Statistiska centralbyrån (2000), S. 389 – 392; Riksförsäkringsverket (2001a), S. 11.

2. Die Absicherung über die Sozialversicherung in Norwegen Die Sozialversicherungsleistungen in Norwegen für Behinderte und Pflegebedürftige enthalten neben der Behindertenrente (Uførepensjon) eine Grundunterstützung (Grunnstønad) und eine Unterstützungshilfe (Hjelpstønad). Der Umfang der Leistungen ist geringer als bei den schwedischen Geldleistungen. Im letzten Jahrzehnt wurde aber insbesondere bei der Unterstützungshilfe eine Ausweitung des Leistungskatalogs vorgenommen. Unterstützungszahlungen der Sozialversicherung im Fall der Behinderung bzw. Pflegebedürftigkeit gewährt man in Norwegen im Allgemeinen Personen bis zum 67. Lebensjahr, dem norwegischen Rentenalter. Sie werden aber auch über dieses Alter hinaus gezahlt, wenn der Leistungsanspruch bereits vorher existierte.83 Allerdings erfolgt dann eine Reduzierung der Leistungen in Abhängigkeit von der Höhe der Altersrente.84 a) Die Behindertenrente (Uførepensjon) Die fiskalisch bedeutendste Leistung der Sozialversicherung im untersuchten Bereich ist die Behindertenrente. Diese können die Personen zwischen dem 18. und dem 67. Lebensjahr erhalten, deren Erwerbsfähigkeit durch Krankheit um mindestens 50 % eingeschränkt ist. Voraussetzung ist hier, dass die Mitgliedschaft in der Sozialversicherung bereits drei Jahre vor dem Eintreten des Versicherungsfalls bestand. Ein Grundsatz der norwegischen Sozialversicherung sieht vor, dass die Behindertenrente zur Sicherung des Einkommens beiträgt. Dieser Leitlinie wird durch 83 84

Vgl. Edvartsen (1996), S. 25. Vgl. Sosial- og Helsedepartementet (2001a), S. 8.

II. Die Absicherung des Pflegerisikos über die Sozialversicherung

121

die einkommensabhängige Leistungsvergabe Rechnung getragen. Eine weitere Zielsetzung ist allerdings auch, dass die Höhe der Leistungen keine negativen Arbeitsanreize setzen soll. Die Leistungen sollen derart gestaltet sein, dass – solange es die Behinderung noch zulässt – zumindest eine Teilzeit-Beschäftigung aufgenommen wird.85 Die Behindertenrente besteht aus einer Grundrente (Grunnpensjon) und einer Zusatzrente (Tilleggspensjon) und / oder einem Sonderzuschlag (Særtillegg). Die Höhe der Leistungen ist vom früheren Einkommen abhängig. Für Bedürftige, die das 26. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, gelten Sonderregelungen. Wenn die Betreuung durch den Ehepartner erfolgt, kann ein Ehepartnerzuschlag (Ektefelletillegg) von 50 % der Grundrente gewährt werden. Bei der Versorgung von Kindern unter 18 Jahren wird ein Kinderzuschlag (Barnetillegg) von 30 % der Grundrente gezahlt. Die durchschnittliche Behindertenrente lag im Jahre 2000 bei Männern bei 45 % und bei Frauen bei 33 % des entsprechenden Durchschnittslohns. Die Behindertenrente trug im Schnitt mit 2 / 3 zu dem Bruttoeinkommens eines entsprechenden Renten-Beziehers bei.86 Im Jahre 2000 bezogen insgesamt 279 573 Personen eine Behindertenrente. Im Verhältnis zur Gesamtbevölkerung sind dies 9,9 %. Unter den Leistungsbeziehern waren 57 % Männer.87 81 % hatten das 45. Lebensjahr überschritten. Das durchschnittliche Zugangsalter lag im Jahr 2000 bei 60,7 Jahren.88 In den letzten Jahrzehnten nahm die Zahl der Empfänger von Behindertenrente deutlich zu. Im Jahre 1964 erhielten nur etwa 80 000 Personen entsprechende Leistungen. Auch in neuerer Zeit umfasst die Behindertenrente einen immer größer werdenden Personenkreis. So nahm von 1996 bis 2000 die Zahl der Leistungsbezieher um bemerkenswerte 16,8 % zu.89 Der durchschnittliche Erwerbsunfähigkeitsgrad sank aber von 1995 bis zum Jahr 2000 interessanterweise nur von 91,8 auf 91,5 %.90 Die Gesamtausgaben der Sozialversicherung für die Behindertenrente lagen im Jahr 2000 bei 30,4 Mrd. nkr.91 b) Die Grundunterstützung (Grunnstønad) Eine weitere Leistung, die in Norwegen behinderte Personen durch die Sozialversicherung erhalten können, ist die so genannte Grundunterstützung (Grunnstønad). Diese Geldleistungen sollen dabei so bemessen sein, dass die zusätzlichen 85 86 87 88 89 90 91

Vgl. Rikstrygdeverket (2001), S. 78. Vgl. Rikstrygdeverket (2001), S. 99 – 101. Vgl. Dahl / Nilsen / Vaage (2002). Vgl. Trygeetaten (2001); Rikstrygdeverket (2001), S. 103. Vgl. Rikstrygdeverket (2001), S. 80 – 81. Vgl. Rikstrygdeverket (2001), S. 96. Vgl. Trygeetaten (2001); Rikstrygdeverket (2001), S. 79.

122

E. Die Finanzierung der Pflege

Ausgaben, die durch die Behinderung entstehen, gedeckt werden können. Sie sollen beispielsweise eine Kompensation für Hilfsmittelausgaben, Transportaufwendungen oder für Prothesenkosten darstellen.92 Der Leistungsumfang bemisst sich nach dem Grad der Behinderung. Dazu wird eine Eingliederung in eine von sechs Stufen vorgenommen. Der Umfang der entsprechenden Leistungen wird jährlich durch das Parlament angepasst. Er variierte im Jahre 2001 zwischen 6 276 nkr (Stufe 1) und 31 392 nkr (Stufe 6) jährlich.93 Der durchschnittlich ausgezahlte Jahresbetrag lag im Jahre 2000 bei 9 962 nkr. Der überwiegende Teil (etwa 60,6 %) der Leistungsempfänger wurde in die Behinderungsklasse eins eingestuft. In Klasse zwei gruppieren sich 8,5 %, in Klasse drei 17,4 %, in Klasse vier 11,1 % und in die Klassen fünf und sechs 1,9 % bzw. 0,5 %. Zum 31.12. des Jahres 2000 bezogen insgesamt 131 213 Personen eine Grundunterstützung. Seit 1996 ist die Zahl der Leistungsempfänger damit um fast 10 000 Personen zurückgegangen. Wesentliche Ursache dafür sind die 1996 eingeführten, etwas restriktiveren Zugangsvoraussetzungen. Die Grundunterstützung ist dabei keineswegs nur eine Leistung für ältere Menschen. Nur 47,5 % der Leistungsempfänger sind älter als 50 Jahre; immerhin 21,54 % sind jünger als 30 Jahre.94 Die Gesamtausgaben für die Grundunterstützung lagen im Jahre 2000 bei 1,3 Mrd. nkr.95 c) Die Unterstützungshilfe (Hjelpstønad) Bei bedeutendem Pflegebedarf besteht Anspruch auf Unterstützungshilfe. Diese Geldleistung soll, ebenso wie die Grundunterstützung, den Bedürftigen helfen, die Mehrausgaben zu decken. Die Unterstützungszahlungen lagen im Jahr 2001 pro Person bei 11 232 nkr im Jahr. Bedürftige Kinder und Jugendliche unter 18 Jahren können eine erhöhte Unterstützungshilfe (Forhøyet Hjelpstønad) erhalten. Dazu erfolgt eine Einstufung in drei Pflegestufen. Die Leistungen liegen dann bei jährlich 22 476 nkr, 44 940 nkr oder 67 416 nkr.96 Seit 1992 ist der Zugang zu Leistungen für pflegebedürftige Personen, die das 70. Lebensjahr erreicht haben und in ihrer eigenen Wohnung umfassend versorgt werden müssen, einfacher möglich. Im Jahre 1997 wurde für diese Menschen sogar eine eigene Pflegestufe, die Pflegestufe 0, eingeführt. Die entsprechende jährliche Geldleistung bei dieser Personengruppe lag im Jahre 2001 bei 10 452 nkr.97 Mit der Einführung dieser Unterstützungskategorie soll die häusliche, informelle Versorgung gefördert werden. 92 93 94 95 96 97

Vgl. Trygdeetaten (2001); Rikstrygdeverket (2001), S. 109. Vgl. Rikstrygdeverket (2001), S. 113. Vgl. Trygdeetaten (2001); Rikstrygdeverket (2001), S. 113 – 117. Vgl. Rikstrygdeverket (2001), S. 113 – 117. Vgl. Sosial- og Helsedepartementet (2001a), S. 7 – 8. Vgl. Trygdeetaten (2001); Rikstrygdeverket (2001), S. 120 – 124.

II. Die Absicherung des Pflegerisikos über die Sozialversicherung

123

Zum 31.12. des Jahre 2000 bezogen insgesamt 89 538 Personen Leistungen der Unterstützungshilfe. Davon waren 32,8 % älter als 67 Jahre bzw. 50,3 % älter als 50 Jahre. Der Anteil der Leistungsempfänger, die eine erhöhte Unterstützungshilfe erhielten, liegt bei nur 0,2 %. Die Gesamtzahl der Leistungsbezieher stieg 1992 nach der Ausweitung deutlich an, blieb aber in den letzten fünf Jahren relativ konstant. Die Sozialversicherungsausgaben für die Unterstützungshilfe lagen im Jahre 2000 bei insgesamt 1,37 Mrd. nkr.98

d) Zusammenfassung Die größten Sozialversicherungsausgaben im untersuchten Bereich entfallen mit 30,4 Mrd. nkr auf die Behindertenrente. Im Wesentlichen ist der Umfang der Leistungen vom früheren Einkommen abhängig, für einzelne Personengruppen existieren jedoch Sonderregelungen. Ebenso wie in den anderen nordischen Ländern ist bei diesem Transfer auch in Norwegen ein Anstieg der Zahl der Bezugspersonen zu verzeichnen, wobei der Erwerbsunfähigkeitsgrad pro Person im Durchschnitt sank. Die Ursache für diese Entwicklung kann zum einen in der Alterung der Bevölkerung zu finden sein, möglicherweise wurde aber auch bei der Bedarfsprüfung in den letzten Jahren großzügiger verfahren. Die weiteren Sozialversicherungsleistungen im Falle von Behinderungen sollen eine finanzielle Unterstützung für die Mehrkosten der Bedürftigkeit darstellen. Bei diesen Leistungen ist der Kreis der Bezugspersonen zwar vergleichsweise groß; da aber die Mehrheit einen geringen Pflegebedürftigkeitsgrad aufweist, sind die Gesamtkosten eher gering. Einen Überblick über die vorgestellten Leistungen gibt die nachstehende Tabelle. Tabelle E-2 Sozialversicherungsleistungen für Pflegebedürftige bzw. Behinderte in Norwegen Leistung Behindertenrente

Alter Umfang der monatl. Anzahl der Bezugs- Kosten [in Mio. [in Jahren] Leistung [in nkr] 2001 personen 2000 nkr] 2000 18 – 67

Ø 9 061*

279 573

30 400

Grundunterstützung

o. A.

6 276 bis 31 392 jährl.

131 213

1 300

Pflegezuschuss

o. A.

11 232 bis 67 416 jährl.

89 538

1 370

o. A.: ohne Altersbeschränkung. * Daten von 2000. Quelle: Eigene Zusammenstellung nach Daten von Rikstrygdeverket (2001), S. 79, 103, 113 – 117, 120 – 127; Trygeetaten (2001), Sosial- og Helsedepartementet (2001a), S. 7 – 8.

98

Vgl. Rikstrygdeverket (2001), S. 123 – 127.

124

E. Die Finanzierung der Pflege

III. Die Absicherung durch den Zentralstaat in Dänemark Die Geldleistungen für Pflegebedürftige in Dänemark werden innerhalb des steuerfinanzierten Rentensystems bereitgestellt. Behinderte bzw. Pflegebedürftige können neben einer Frührente eine Betreuungszulage und einen Pflegezuschlag erhalten. Die steuerfinanzierte Absicherung führt dazu, dass die Anspruchsvoraussetzung nicht in der Mitgliedschaft einer Sozialversicherung liegt. Grundlage für den Bezug von Leistungen ist nur ein entsprechender Wohnort in Dänemark. Ausländische Staatsangehörige haben, nachdem sie mehr als drei Jahre in Dänemark wohnhaft sind, die gleichen Ansprüche wie dänische Bürger.99 Der größte Teil der Leistungen ist einkommensunabhängig. Darin widerspiegelt sich das universelle soziale System Dänemarks.

1. Die Frührente (Førtidspension) Die Frührente wird an Personen ausgezahlt, deren Erwerbsfähigkeit aus gesundheitlichen Gründen mindestens um die Hälfte gemindert ist. Für Personen zwischen dem 50. und dem 67. Lebensjahr ist ein Leistungsbezug auch aus sozialen Gründen möglich. Die Frührente ist damit keine ausschließliche Behindertenrente. Die allgemeine Frührente (Almindelig Førtidspension) kann an Personen im Alter von 18 bis 66 Jahren gezahlt werden. Sie besteht aus einem Grundbetrag und einem Pensionszuschuss. Der Grundbetrag betrug 2001 4 262 dkr im Monat, wobei ab einem Jahreseinkommen von 217 300 dkr (Verheiratete: 147 400 dkr) eine Kürzung erfolgte.100 Der Umfang des Pensionszuschusses lag im Jahre 2001 bei monatlich 4 290 dkr. Auch hier ist eine Einkommensgrenze vorhanden. Der Grundbetrag und der Pensionszuschuss sind einkommensteuerpflichtig.101 Die volle Leistungshöhe wird nur dann gewährt, wenn diese Person mindestens 80 % der Zeit zwischen dem 15. Lebensjahr und dem Zeitpunkt der Frühverrentung in Dänemark wohnhaft war. Bedürftige Personen, die das 60. Lebensjahr noch nicht erreicht haben, können zusätzlich einen Frührentenzuschlag von monatlich 1 084 dkr beziehen.102 Sie erhalten damit zusammen mit dem Grundbetrag und dem Pensionszuschuss eine so genannte erhöhte allgemeine Frührente (Forhøjet Almindelig Førtidspension) im Gesamtumfang von maximal 9 636 dkr. Der Frührentenzuschuss ist im Übrigen steuerfrei. Vgl. Edvartsen (1996), S. 9. Vgl. København-Kommune (2001). 101 Vgl. Weatherall (2001), S. 13 – 15. 102 Bei Personen zwischen dem 50. und dem 59. Lebensjahr kann anstatt des Gesundheitszustands auch das soziale Umfeld berücksichtigt werden. 99

100

III. Die Absicherung durch den Zentralstaat in Dänemark

125

Personen zwischen dem 18. und dem 60. Lebensjahr erhalten eine so genannte mittlere Frührente (Mellemste Førtidspension), wenn die Erwerbsfähigkeit um mindestens 2 / 3 eingeschränkt ist. Für Menschen zwischen dem 60. und 67. Lebensjahr gelten Sonderregelungen. Die mittlere Frühpension besteht aus dem Grundbetrag und dem Pensionszuschuss und einem Invaliditätsbeitrag. 103 Der Invaliditätsbeitrag (Invaliditetsbeløb) ist steuerfrei und einkommensunabhängig. Er lag im Jahre 2001 bei 2 073 dkr im Monat104. Der Gesamtbetrag der mittleren Frührente erreicht damit monatlich 10 625 dkr.105 Die höchste Frührente (Højeste Førtidspension) gibt es für Personen zwischen dem 18. und dem 60. Lebensjahr bei Vollinvalidität. Diese Leistung besteht aus dem Grundbetrag, dem Pensionszuschuss, dem Invaliditätsbetrag und einem Erwerbsunfähigkeitsbetrag. Die Gesamtleistung erreichte 13 487 dkr pro Person (Wert für 2001). Der Erwerbsunfähigkeitsbetrag (Erhvervsudygtighedsbeløb) lag bei 2 862 dkr.106 Zu beachten ist107, dass dieser Zusatzbetrag steuerpflichtig ist.108 Wenn die Erwerbsfähigkeit einer Person um mehr als 2 / 3 eingeschränkt ist, ist in bestimmten Fällen zur Deckung zusätzlicher Ausgaben noch die Zahlung eines Invaliditätszuschusses möglich.109 Einen Überblick über das Leistungssystem der Frührente verdeutlicht die folgende Tabelle auf Seite 126. Leistungen der Frührente bezogen im Jahr 2000 insgesamt 266 383 Personen (56 % Frauen). Im Verhältnis zur Gesamtbevölkerung entspricht dies einen Anteil von etwa 8 %. Seit 1990 nahm die Gesamtzahl um 13 % zu. Das Durchschnittsalter der Menschen, die erstmals einen Antrag stellten, lag im Jahr 2000 bei 47 Jahren. Im Jahre 1990 betrug es noch 52 Jahre. Infolge des Absinkens des Eintrittsalters in die Frührente wurde die Prüfung allfälliger Anträge bereits verschärft. Seit dem 1. Juli 1998 werden erst dann Frührentenleistungen gewährt, wenn verschiedene Aktivierungs- und Rehabilitierungsversuche wenig Besserung erbrachten. Dies führte dazu, dass im Jahre 1999 nur noch 12 975 neue Frührenten-Anträge genehmigt wurden. Im Jahre 1997 waren es noch 21 919 Anträge gewesen.110 Die Gesamtausgaben für die Frührente lagen im Jahre 2000 bei 28,5 Mrd. dkr.111 Vgl. Weatherall (2001), S. 13 – 15. Eine Kürzung des Invaliditätsbeitrags erfolgt, wenn der Ehegatte ebenfalls bestimmte Leistungen der Frührente erhält. 105 Vgl. København-Kommune (2001). 106 Der Erwerbsunfähigkeitsbetrag wird etwas vermindert, wenn beide Ehegatten die Bedingungen für diese Leistung erfüllen. 107 Eine offensichtliche Systematik hinsichtlich der Steuerpflicht von Leistungen der Frührente ist nicht erkennbar. 108 Vgl. København-Kommune (2001). 109 Vgl. Weatherall (2001), S. 13 – 15. 110 Vgl. Sundhedsministeriet (2000), S. 1 – 6. 111 Vgl. ebenda. 103 104

126

E. Die Finanzierung der Pflege Tabelle E-3 Leistungsbausteine der Frührente in Dänemark Leistungsbausteine und deren monatlicher Umfang 2001 [in dkr]

Art der Frührente

Alter [in Jahren]

GB

PZ

FRZ

IB

EUB

4 262

4 290

1 084

2 073

2 862

Allgemeine Frührente

18 – 67

x

x

Erhöhte allgemeine Frührente

18 – 60

x

x

Mittlere Frührente

18 – 60*

x

x

x

Höchste Frührente

18 – 60

x

x

x

GB: PZ: FRZ: IB: EUB:

Summe [in dkr]

8 552 x

9 636 10 625 x

13 487

Grundbetrag Pensionszuschuss Frührentenzuschuss Invaliditätsbeitrag Erwerbsunfähigkeitsbetrag

* Leistungen werden in Sonderfällen auch nach dem 60. Lebensjahr gezahlt. Quelle: Eigene Zusammenstellung nach Daten von Sundhedsministeriet (2000), S. 1 – 6; Weatherall (2001), S. 13 – 15; København-Kommune (2001).

2. Die Betreuungszulage (Bistandstillæg) und die Pflegezulage (Plejetillæg) Ein Bedürftiger kann ferner eine Betreuungszulage (Bistandstillæg) oder eine Pflegezulage (Plejetillæg) beziehen. Die Betreuungszulage wird dann gezahlt, wenn die Pflegebedürftigkeit einer Person dazu führt, dass sie persönliche Fürsorge benötigt. Bei notwendiger permanenter Pflege, z. B. aufgrund von Bettlägerigkeit, wird anstatt der Betreuungszulage die höhere Pflegezulage gezahlt. Wenn der Antrag auf die Betreuungs- bzw. Pflegezulage bis zum 67. Lebensjahr gestellt wurde, werden die entsprechenden Leistungen auch darüber hinaus bereitgestellt. 112 Zum 1. Januar 2001 lagen diese Zuschläge bei monatlich 2 166 dkr (Betreuungszulage) und 4 322 dkr (Pflegezulage), steuerfrei und einkommensunabhängig.113 Diese Leistungen weisen zwar eine gewisse Verwandtschaft zum Assistentenzuschuss in Schweden auf, der Umfang des Zuschusses wird aber zum einen pauschal – also nicht in Abhängigkeit von der Betreuungszeit wie in Schweden – gezahlt, zum anderen ist auch der Betrag der dänischen Leistungen deutlich geringer.

112 113

Vgl. Köhler (1996), S. 8. Vgl. København-Kommune (2001).

IV. Die Absicherung des Pflegerisikos durch die Kommunen

127

3. Zusammenfassung Im Gegensatz zu den Sozialversicherungssystemen in Schweden und Norwegen werden in Dänemark die Transfers der Frührente sowie die Geldleistungen im Falle der Behinderungen aus den allgemeinen Steueraufkommen finanziert. Ein wesentlicher Unterschied ist zudem, dass die Leistungshöhe weitgehend unabhängig vom früheren Einkommen festgesetzt wird. Der Umfang der Transfers ist überwiegend vom Erwerbsunfähigkeits- bzw. Pflegebedürftigkeitsgrad abhängig. Durch eine Verschärfung der Bedarfsprüfung wurde in den letzten Jahren der Trend zur Zunahme der Bezugspersonenzahl gestoppt. Die folgende Tabelle veranschaulicht die dänischen Leistungen. Tabelle E-4 Geldleistungen des Zentralstaates im Falle von Pflegebedürftigkeit bzw. Behinderung in Dänemark Leistung Frührente

Alter [in Jahren] 18 – 67

Umfang der monatl. Leistung [in dkr] Ø 8 916

Anzahl der Bezugs- Kosten 2000 [in personen 2000 Mrd. dkr] 266 383

28,5

Betreuungszulage

0 – 67*

2 166

...

...

Pflegezulage

0 – 67*

4 322

...

...

* Leistungen werden auch nach dem 67. Lebensjahr gezahlt, wenn vorher ein Anspruch bestand. Quelle: Eigene Zusammenstellung nach Daten von Sundhedsministeriet (2000), S. 1 – 6; Weatherall (2001), S. 13 – 15; København-Kommune (2001).

IV. Die Absicherung des Pflegerisikos durch die Kommunen Die Verantwortung für den überwiegenden Teil der Pflegeleistungen liegt in Skandinavien innerhalb der kommunalen Selbstverwaltung bei den Gemeinden. Diese können auch entscheiden, inwieweit sie entsprechende Leistungen selbst erbringen. Sie besitzen somit auch die Möglichkeit, Aufgaben an private Unternehmen weiterzugeben.114 Der Zentralstaat ist für die Gesetzgebung und die übergreifende Planung der Pflegebetreuung zuständig. Er legt auch die grundlegenden Ziele fest. Die kommunale Selbstverwaltung besitzt in den nordischen Ländern eine Tradition, die bis in die Zeit der Wikinger-Stämme zurückreicht. Eine gesetzliche Verankerung erhielt sie in Norwegen 1837.115 In Dänemark wurde das Recht der 114 115

Vgl. Statens forvaltningstjeneste (2001). Vgl. Hansen (1999).

128

E. Die Finanzierung der Pflege

Kommunen auf eine gewisse Eigenständigkeit in der ersten demokratischen Verfassung von 1849 im Artikel 82 niedergeschrieben.116 In Schweden gelten die Gemeindeordnungen von 1862 als erste Gesetzgebung in diesem Bereich.117 Im nachstehenden Abschnitt wird die Zuständigkeit der Kommunen näher erläutert. Dabei wird im ersten Teil die Rolle der Gemeinden in den nordischen Staaten im Allgemeinen dargestellt. Im zweiten Teil folgt dann die Erörterung der kommunalen Einnahmen und im Speziellen der kommunalen Einkommensteuer als der wichtigsten Finanzierungsquelle für die Bereitstellung von Pflegeleistungen. Dabei werden auch die Probleme der Finanzierung kommunaler Leistungserstellung in Nordeuropa dargelegt.

1. Kommunale Struktur und kommunale Selbstverwaltung Schweden Der schwedische Staat ist in 18 Provinziallandtage (Landstings) und 289 Gemeinden untergliedert (Stand 1999).118 Zudem werden noch zwei Regionen und eine so genannte provinziallandtagfreie Gemeinde Gotland unterschieden. Diese Einteilung ist das Ergebnis verschiedener Verwaltungsreformen. Von 1862 bis 1952 gab es noch 2 500 Gemeinden. Durch verschiedene zentralstaatliche Initiativen wurde von 1952 bis 1962 die Gemeindezahl auf 1 037 und bis 1974 auf 280 reduziert. Ziel dieser Reformen war es, über die Nutzung von Größenvorteilen eine bessere Wirtschaftlichkeit der Kommunen zu erreichen. Die schwedische Regierung musste bei diesen Verwaltungsreformen gegen einen erheblichen Widerstand der Kommunen ankämpfen. Einige Gemeinden initiierten sogar lokale Referenden, als deren Folge einige Kommunen wieder geteilt wurden, so dass die Zahl der Gemeinden seit 1974 wieder etwas zunahm (1999: 289).119 Der größte Teil der schwedischen Kommunen (42 %) besitzt zwischen 10 000 und 25 000 Einwohnern. Knapp 25 % der Gemeinden verfügen allerdings über eine Bevölkerung von weniger als 10 000 Menschen. Die größte Gemeinde ist Stockholm mit 743 703 Einwohner, die kleinste Bjurholm mit einer Bevölkerung von 2 746 Menschen. Die Flächengröße differiert zwischen den schwedischen Gemeinden deutlich. Die größte Kommune ist Kiruna mit 19 447 km2, die kleinste Sundbyberg mit 9 km2.120

Vgl. Kommunernes Landesforening (2000a). Vgl. Schwedisches Institut (2000b), S. 1. 118 Einen tabellarischen Überblick über die Verwaltungs- und Finanzstruktur der Gebietskörperschaften gibt Tabelle J-10. 119 Vgl. OECD (1997), S. 403 – 404. 120 Vgl. Svenska Kommunförbundet (2001). 116 117

IV. Die Absicherung des Pflegerisikos durch die Kommunen

129

Die wichtigsten Aufgaben der Gemeinden sind das Schulwesen (28 % der Ausgaben), die Altenpflege (27 %) und die Kinderbetreuung (13 %). Die Provinziallandtage sind überwiegend für das Gesundheitswesen, also z. B. für die Krankenhäuser, zuständig.121 Zum Teil fällt auch die Krankenpflege (Hemsjukvård) als häusliche medizinische Pflegeversorgung unter ihre Zuständigkeit. Die entsprechende Betreuung wird vielfach von so genannten Bezirkskrankenschwestern (Distrikssköterskor) übernommen. In speziellen pflegegerechten122 Wohnungen wird die Versorgung allerdings von den Kommunen bereitgestellt. 123 In Abstimmung mit den Provinziallandtagen können die Gemeinden die Krankenpflege auch in gewöhnlichen Wohnungen anbieten. Im Jahre 1999 wurde diese Möglichkeit von 199 der 289 Gemeinden in Anspruch genommen.124 Damit wird auch der überwiegende Teil der Krankenpflege von den Kommunen offeriert. Die Zuständigkeitsverteilung im Bereich der Krankenpflege ist in Schweden im Gegensatz zu den beiden anderen Ländern bzw. zu den Regelungen bei anderen Pflegeformen unscharf. Tabelle E-5 Anteile der Aufgabenfelder der Kommunen und Provinziallandtage in Schweden Kommunen Bereich

Provinziallandtage

Anteil 1998 [in % der Gesamtausgaben]

Bereich

Anteil 1992 [in % der Gesamtausgaben]

Bildungswesen

28

Gesundheitswesen

Alten- und Behindertenversorgung

27

Angebote für geistig Behinderte

Vorschulwesen

13

Bildung und Kultur

5

8

Sonstige Ausgaben

17

Individual- und Familienversorgung Geschäftstätigkeiten

7

Sonstige Ausgaben

11

75 9

Quelle: Eigene Zusammenstellung nach Daten von Schwedisches Institut (2000b); Svenska Kommunförbundet (2001); OECD (1997), S. 411.

Insgesamt 635 000 Arbeitskräfte125 waren im Jahre 2000 Angestellte der Kommunen. Dies sind 22 % aller Erwerbstätigen Schwedens.126 Die Provinziallandtage beschäftigten 1998 ca. 230 000 und der Zentralstaat 215 000 Menschen. Diese 121 122 123 124 125 126

9 Wild

Vgl. Schwedisches Institut (2000b); Svenska Kommunförbundet (2001). Zu den verschiedenen Pflegeformen siehe die Kapitel H.III. und H.IV. Vgl. Äldreprojektet (1998). Vgl. Socialstyrelsen (2001), S. 10. Davon sind 548 000 Ganztages-Beschäftigte. Vgl. Norberg / Ribacke (2001), S. 8. Vgl. Arnek (2000), S. 9; Svenska Kommunförbundet (2001).

130

E. Die Finanzierung der Pflege

Zahlen entsprechen 6 % bzw. 5 % der Erwerbstätigen in diesem Land.127 Insgesamt beschäftigt die öffentliche Hand damit 1,08 Mio. Menschen, also 33 % aller Arbeitskräfte Schwedens. Von den gesamten Angestellten im öffentlichen Sektor arbeiten knapp 59 % bei den Kommunen. Die Rolle der Kommunen zeigt sich auch darin, dass eine Vielzahl der Gemeinden in ihrer Region als der größte Arbeitgeber gilt. Hierbei ist auch zu bedenken, dass die meisten kommunalen Tätigkeiten arbeitsintensiv sind. Etwa 70 % der Produktionskosten der Gemeinden sind Lohnkosten.128 Unter den Arbeitskräften der Gemeinden sind die Frauen deutlich in der Mehrheit. Nur knapp 20 % der Arbeitskräfte sind Männer.129 Dies führt dazu, dass 37 % der Frauen, die in Schweden einer Erwerbstätigkeit nachgehen, von einer Gemeinde angestellt sind. Da in den Provinziallandtagen ebenfalls ein erhöhter Frauenanteil zu verzeichnen ist, ergibt sich zusammen mit den Beschäftigten beim Zentralstaat, dass 52 % der arbeitenden Frauen im öffentlichen Sektor tätig sind. Die entsprechende Quote für Männer liegt nur bei 17 %.130 Besonders groß ist der Frauenanteil im Vorschulbereich (94 %) und in der Pflege (91 %). Nur im technischen Sektor gibt es einen Männerüberschuss. 223 200 Arbeitskräfte der Gemeinde, also 36 % der kommunalen Beschäftigten, sind für die Betreuung Pflegebedürftiger zuständig. Nach der Zahl der Angestellten folgt dann das Schulwesen mit 146 200 und das Vorschulwesen mit 106 000 Arbeitskräften. In der Verwaltung arbeiten 53 500 Menschen.131 Im Durchschnitt beschäftigen die Kommunen auf 1 000 Einwohner 66 Arbeitskräfte. Dieses Verhältnis differiert zwischen 41 und 98 Angestellten auf 1 000 Menschen. Für diese Unterschiede sind mehrere Ursachen denkbar.132 Sie können zum einen in der verschiedenartigen sozialen Struktur und der Alterszusammensetzung der Gemeinden zu finden sein, zum anderen differieren auch die Vorstellungen der kommunalen Entscheidungsträger. In einigen Gemeinden werden Privatisierungen forciert, in anderen wird das kommunale Tätigkeitsfeld ausgebaut. Möglicherweise ist das differierende Beschäftigtenverhältnis auch ein Zeichen für eine unterschiedliche Effektivität der Gemeinden. Dänemark Dänemark ist verwaltungsmäßig in 14 Kreise (Amter oder Amtskommuner) und 275 Kommunen eingeteilt. Kopenhagen und Frederiksberg besitzen sowohl den 127 128 129 130 131 132

Vgl. Arnek (2000), S. 9; Statistiska centralbyrå (2000), S. 229. Vgl. Svenska Kommunförbundet (1997), S. 21. Vgl. Norberg, Ribacke (2001), S. 10. Vgl. Arnek (2000), S. 10. Vgl. Norberg / Ribacke (2001), S. 10. Vgl. Norberg / Ribacke (2001), S. 11.

IV. Die Absicherung des Pflegerisikos durch die Kommunen

131

Status einer Kommune als auch den eines Kreises. Ähnlich wie in Schweden ist diese Einteilung auch in Dänemark in den letzten Jahrzehnten deutlich gestrafft worden. Die jetzige Konstellation wurde Anfang der 70er Jahre geschaffen. Zuvor war Dänemark in 25 Kreise und in über 1 300 Kommunen eingeteilt gewesen.133 Durch die Kommunalreform 1970 wurden die Kompetenzen der Gemeinden erhöht. In Dänemark wird seitdem eine Dezentralisierungspolitik betrieben, als deren Folge die Mehrzahl der öffentlichen Serviceleistungen von den Kreisen oder Kommunen erbracht wird. Auf diese Verwaltungsebenen entfällt mittlerweile etwa die Hälfte der Staatsausgaben.134 Knapp 74 % der nunmehr 275 Gemeinden wiesen im Jahre 2000 eine Bevölkerungszahl zwischen 5 000 und 20 000 auf. In 16 Kommunen, dies sind etwa 6 % der Gesamtzahl, leben weniger als 5 000 Menschen. Zum 1. Januar 1998 war die größte Gemeinde (ohne Berücksichtigung von Kopenhagen) Århus mit 280 000 Menschen, die kleinste die Insel Læsø mit 2 400 Einwohnern. Die Bevölkerungszahlen der dänischen Kreise zeigen, dass in der Mehrzahl (8 von 14) zwischen 200 000 und 400 000 leben. In fünf Kreisen wohnen mehr als 400 000 Menschen, in einem weniger als 100 000.135 Die Zuständigkeitsverteilung ist ähnlich organisiert wie in Schweden. Die Kreise, als die Gebietskörperschaften der 2. Verwaltungsebene, besitzen die Verantwortung für den Teil der öffentlichen Leistungen, bei dem Größenvorteile von Bedeutung sind. Sie sind damit zuständig für einen Großteil des Gesundheitswesens. So betreiben sie beispielsweise die öffentlichen Krankenhäuser. Zudem liegt ihre Zuständigkeit in den Bereichen des Verkehrs, des Umweltschutzes und der Kultur. Den Kommunen obliegen die Leistungen, bei denen ein enger Kontakt zur Bevölkerung als wünschenswert angesehen wird und Größenvorteile eine geringe Bedeutung aufweisen. Ihre Leistungen erstrecken sich damit vorwiegend auf den Pflegebereich (21 % der Ausgaben), das Schulwesen der 6 bis 16-jährigen (19,5 %) und die Kinderbetreuung (18,7 %).136 Zudem sind sie auch für die Eingliederung von Zuwanderern und einige Bereiche des Umweltschutzes und des Verkehrs verantwortlich. Die Verwaltungskosten nehmen einen Anteil von 16 % der Gesamtausgaben ein.137 Das dänische System ist in der Form organisiert, dass ein Bürger bei allen sozialen Fragen die Gemeinde als ersten Ansprechpartner sucht. Selbst wenn er Leistungen des Zentralstaates, wie eine Frührente, nachfragt, wendet er sich an seine Kommune. Vgl. Kommunernes Landesforening (2000a). Vgl. Indenrigsministeriet (1998), S. 18 – 22. 135 Vgl. Kommunernes Landesforening (2000a). 136 Die kommunale Betreuung von Kindern in Kindergärten erfreut sich im Übrigen in Dänemark ebenso wie Schweden einer erheblichen Popularität. 137 Vgl. Kommunernes Landesforening (2000a). 133 134

9*

132

E. Die Finanzierung der Pflege Tabelle E-6 Anteile der Aufgabenfelder der Kommunen und Kreise in Dänemark Kommunen

Bereich

Kreise Anteil 1998 [in % der Gesamtausgaben]

Bereich

Anteil 1994 [in % der Gesamtausgaben]

Alten- und Pflegeversorgung

21,0

Krankenhäuser

48,1

Bildungswesen

19,5

Gesundheitspflege

16,0

Kinder- und Jugendbetreuung

18,7

Bildungswesen

13,1

Verwaltung

16,0

Verwaltung

Sonstiges

24,8

Sonstiges

5,1 17,7

Quelle: Eigene Zusammenstellung nach Daten von Kommunernes Landesforening (2000a); OECD (1997), S. 172.

Die dänischen Kommunen beschäftigen in Vollzeitstellen 317 000 Menschen.138 Dies sind 14,4 % aller Arbeitskräfte Dänemarks. Der Anteil der Gemeinden an der Gesamtbeschäftigtenzahl ist damit in Dänemark substanziell kleiner als in Schweden (22 %).139 Im gesamten öffentlichen Dienst arbeiten 812 000 Menschen; der Anteil der Menschen, der davon in den Gemeinden tätig ist, liegt damit bei 39 %. Auch dies ist deutlich weniger als in Schweden. Dort liegt der zugehörige Prozentsatz bei fast 59 %.140 Norwegen Der norwegische Staat wird verwaltungstechnisch in 435 Kommunen und 19 Provinzen (Fylke) unterteilt. Oslo besitzt sowohl den Status einer Kommune als auch den einer Provinz. Die Bevölkerungszahl der Provinzen liegt zwischen 80 000 und 510 000.141 Die Fläche und die Bevölkerungszahl der Kommunen sind sehr unterschiedlich. Die bevölkerungsmäßig kleinste Kommune ist Utsira, eine Insel an der Südwest-Küste mit 250 Einwohnern. Die größte Einwohnerzahl weist die Gemeinde Oslo mit 510 000 Menschen auf. Die Kommune Finnmark ist von der Fläche die größte; hier leben aber nur 75 000 Einwohner. In 250 Gemeinden – also in über 50 % der Gesamtzahl – wohnen weniger als 5 000 Menschen. Die norwegischen Kommunen sind damit von der Bevölkerungszahl deutlich kleiner als die schwedischen oder dänischen. Im Gegensatz zu diesen beiden Ländern wurden hier Verwaltungsreformen in der Vergangenheit nur halbherzig durchgeführt. Die 138 139 140 141

Vgl. Kommunernes Landesforening (2000a). Vgl. Danmark statistik (2001), S. 249, 255. Vgl. Arnek (2000), S. 9; Statistiska centralbyrån (2000), S. 229. Vgl. Westgaard (1994).

IV. Die Absicherung des Pflegerisikos durch die Kommunen

133

letzten Gebietsreformen wurden in den 50er und 60er Jahren verwirklicht. Damals wurde die Zahl der Kommunen von 750 auf die jetzige Zahl von 435 reduziert. Geplant war allerdings eine weitere Verringerung der Kommunenzahl. Keine Gemeinde sollte weniger als 5 000 Einwohner besitzen. Dies ist bis heute nicht realisiert worden.142 Im Mittelpunkt der neueren Debatte um eine Verwaltungsreform steht die Reduzierung der Anzahl oder sogar die Abschaffung der Provinzen.143 Trotz der bevölkerungsmäßig kleineren Verwaltungseinheiten ähnelt die Zuständigkeit der in anderen nordischen Staaten. Der Verantwortungsbereich der Provinzen umfasst im Wesentlichen die Bereiche der Bildung (weiterführende Schulen) und der Infrastruktur (Kreisstraßen). Der größte Ausgabenteil entfiel jahrzehntelang auf das Gesundheitswesen. Nach den Zahlenwerten von 1994 erreichte der entsprechende Anteil 58 % der Gesamtausgaben der Provinzen. 24 % entfielen auf die Bildung und 10 % auf den Verkehr.144 Von 1969 bis 2001 waren die Provinzen für den Krankenhaussektor verantwortlich. Durch die Krankenhausreform 2002 wurde die Trägerschaft für die Krankenhäuser dem Zentralstaat übergeben.145 Die Bedeutung der Provinzen wurde damit wesentlich verringert. Dies kann als ein erstes Ergebnis der Diskussion um eine Verwaltungsreform in Norwegen angesehen werden. Die Hauptaufgaben der Kommunen liegen in den Bereichen der Altenpflege, der Schulbildung (bis zur 9. Klasse), der Kindergärten, des Kultur- und Freizeitsektors und der Infrastruktur (Gemeindestraßen).146 Selbst die kleinste Kommune Utsira betreibt einen eigenen Kindergarten und eine Grundschule mit derzeit insgesamt 31 Kindern. Sie unterhält zudem ein Gebäude, in dem neben der Verwaltung eine Bibliothek, die Musikschule, eine Sport- und Schwimmhalle und auch sechs Pflegeheimplätze untergebracht sind.147

Vgl. Hansen (1999). Bei den Debatten zur Aufgabenverteilung der Gebietskörperschaften differieren die Vorstellungen zwischen den Menschen im Osten und Norden des Landes oft deutlich von den Wünschen der Bevölkerung im Gebiet um Oslo. Vgl. Hansen (1999). 144 Vgl. Westgaard (1994). 145 Durch die einheitliche Verantwortung einer Behörde für den gesamten Krankenhaussektor wird eine Verbesserung der Gesundheitsversorgung sowohl hinsichtlich der Kosten als auch der Qualität erhofft. In den letzten Jahren waren in diesem Bereich trotz steigender finanzieller Mittel längere Wartelisten und weniger Fachkräfte zu verzeichnen. Die Zuständigkeit der Provinzen führte häufig zu mangelhafter Flexibilität bei der Zuordnung vorhandener Kapazitäten. Für eine näherer Darstellung der Krankenhausreform 2002 in Norwegen siehe Preusker (2002b), S. 14 – 18. 146 Vgl. Westgaard (1994). 147 Vgl. Utsira-Kommune (2001). 142 143

134

E. Die Finanzierung der Pflege Tabelle E-7 Anteile der Aufgabenfelder der Kommunen und Provinzen in Norwegen Kommunen

Provinzen

Anteil Anteil [in % der Gesamtausgaben] [in % der Gesamtausgaben]

Bereich Gesundheits- und Sozialdienste

42

58

Bildungswesen

28

24

Infrastruktur

3

10

Technischer Bereich

9

0

Verwaltung

7

3

11

5

Sonstiges

Quelle: Eigene Zusammenstellung nach Daten von Westgaard (1994).

Insgesamt entfielen im Jahr 2000 etwa 60 % der öffentlichen Ausgaben auf die Provinzen und Kommunen. Die Gemeinden beschäftigten dabei 420 000 Arbeitskräfte. Dies entspricht 20 % der Gesamtbeschäftigten des Landes. Damit gelten sie als größter Arbeitgeber des Landes.148 Im Gegensatz zu Schweden und Dänemark ist die kommunale Verwaltung in Norwegen nicht durch die Verfassung, sondern nur durch ein Gesetz geregelt. Sie kann damit vom Parlament (Storting) vergleichsweise leicht geändert werden.149 Die lokale Selbstverwaltung ist dabei traditionell negativ definiert, d. h. ein bestimmtes Angebot muss die Kommune bereitstellen. Darüber hinaus kann sie aber auch weitere Aufgaben übernehmen, sofern dies nicht explizit verboten ist.

2. Die Finanzierung kommunaler Aufgaben a) Die Finanzierungsstruktur Aus der Darlegung der kommunalen Aufgaben wurde deutlich, dass die Gemeinden innerhalb der kommunalen Selbstverwaltung für eine Reihe von sozialen Aufgaben zuständig sind. Der Anteil der kommunalen Ausgaben an den gesamten öffentlichen Ausgaben ist entsprechend hoch.150 Den größten Prozentsatz weist dabei Dänemark mit 54 % auf. In Schweden und Norwegen wird ein Anteil von 32 % bzw. 31 % erreicht. Zum Vergleich: In der BR Deutschland liegt der Prozentsatz 148 149 150

Vgl. Statens forvaltningstjeneste (2001). Vgl. Hansen (1999). Vgl. Tabellen J-10, J-11.

IV. Die Absicherung des Pflegerisikos durch die Kommunen

135

der kommunalen Ausgaben an den Staatsausgaben nur bei 13 %. Die Schweiz erreicht einen Wert von 21 %, Frankreich von 16 %.151 Die Finanzierung ihrer Ausgaben stellen die Kommunen in Nordeuropa zum überwiegenden Teil durch eigene Steuereinnahmen sicher. Der Anteil der kommunalen Steuern am gesamten Steueraufkommen Skandinaviens ist damit erheblich. Der Prozentsatz der Steuereinnahmen von Kommunen und Provinzen am gesamten Steueraufkommen betrug 1996 in Schweden 32 %, in Dänemark 31 %. In Norwegen liegt der entsprechende Wert mit 18 % deutlich niedriger. Die Schweiz wies 1996 einen entsprechenden Wert von 20 %, Österreich und Frankreich von etwa 10 % auf.152 Zur Finanzierung ihrer Ausgaben erhalten die Gemeinden auch staatliche Finanzzuweisungen und erheben Selbstbeteiligungen von Personen, die öffentliche Einrichtungen nutzen. Zu beachten ist auch, dass in allen betrachteten Ländern ein Finanzausgleich zwischen den Kommunen installiert wurde. In Schweden finanzierten sich die Gemeinden 1998 im Durchschnitt zu 56 % aus eigenen Steuereinnahmen. Der Umfang der Selbstbeteiligungen lag bei 12 %. Die Finanzzuweisungen des Zentralstaates trugen 22 % zu den kommunalen Einnahmen bei, wobei 77 % dieser Zuweisungen in der Ausgestaltung den deutschen Schlüsselzuweisung verwandt sind, während 23 % zweckgebunden wurden.153, 154 In Dänemark ergibt sich ein ähnliches Bild. Im Jahre 1999 trugen die eigenen Steuereinnahmen zu 57,8 % zur Finanzierung kommunaler Aufgaben bei. Betriebseinnahmen erreichten 23,4 %, Selbstbeteiligungen 12,1 % und sonstige Einnahmen 0,3 %. Die Finanzzuweisungen des Zentralstaates sind mit durchschnittlich 6,4 % die niedrigsten in Skandinavien. Bei diesen Finanzzuweisungen handelt es sich zum überwiegenden Teil um Schlüsselzuweisungen aus den Einnahmen der Mehrwertsteuer.155 In Norwegen finanzieren sich die Gemeinden im Durchschnitt zu 45,3 % über eigene Steuereinnahmen (Stand 1995). Weitere Einnahmequellen der Gemeinden sind Finanzzuweisungen des Zentralstaates mit einem Anteil von 40,1 %, zu 11,8 % Selbstbeteiligungen und zu 2,8 % Zinserträge und sonstige Einnahmen.156 63,3 % der Zuweisungen in Norwegen werden innerhalb einer so genannten „Rahmenfinanzierung“ – also ohne näheren Verwendungszweck – und 36,7 % als zweckgebundene Zuweisung gewährt.157 Hierbei sind mehr als 100 unterschiedliche Zweckzuweisungen des Zentralstaates zu unterscheiden.158 Vgl. Kommunernes Landesforening (2000a). Vgl. ebenda. 153 Im Jahre 1992 wurde in Schweden eine Reform der Finanzzuweisungen des Zentralstaates durchgeführt. Dabei wurde der Anteil der Schlüsselzuweisungen zuungunsten der zweckgebundenen erhöht. Vgl. Fölster (1998), S. 92. 154 Vgl. Svenska Kommunförbundet (2001). 155 Vgl. Kommunernes Landesforening (2000a). 156 Vgl, Finans- og tolldepartementet (1999a). 157 Vgl. ebenda. 151 152

136

E. Die Finanzierung der Pflege Tabelle E-8 Struktur der kommunalen Einnahmen in Nordeuropa Dänemark 1999 [in % der Gesamteinnahmen]

Norwegen 1995 [in % der Gesamteinnahmen]

Schweden 1998 [in % der Gesamteinnahmen]

57,8

45,3

56,0

Schlüsselzuweisungen

6,4

25,4

16,9

Zweckgebundene Zuweisungen



14,7

5,1

Gebühren und Selbstbeteiligungen

12,1

11,8

12,0

Sonstiges

23,7

2,8

10,0

Einnahmenart Kommunale Steuer

Quelle: Eigene Zusammenstellung nach Daten von Kommunernes Landesforening (2000a); Finans- og tolldepartementet (1999a); Svenska Kommunförbundet (2001).

Die in der Tabelle genannten Werte sind Durchschnittswerte. Innerhalb der Gruppe der nordischen Länder weisen die Gemeindeeinnahmen beträchtliche Strukturunterschiede auf. Die größte Variationsbreite bei der Zusammensetzung der Einnahmen ist in Norwegen zu finden. Der Anteil der kommunalen Steuereinnahmen schwankt hier zwischen 15 und 85 %. Bei niedrigem eigenen Steuerertrag sind die staatlichen Zuweisungen entsprechend größer.159 Die Mittel, die den Kommunen über die Finanzausgleichssysteme bereitgestellt werden, werden zusammen mit der Finanzzuweisung des Zentralstaates als ein Betrag überwiesen. Sie sind statistisch damit unter diesem Posten erfasst.160 Um die Kreditaufnahme der Kommunen zu begrenzen, wurde ein umfangreiches Regelwerk geschaffen. In Dänemark darf beispielsweise der Umfang der jährlichen Kreditaufnahme nicht mehr als 25 % der Nettoanlageinvestitionen betragen. Für die Errichtung von altersgerechten Wohnungen und den Neubau und die Renovierung von Fährhäfen gelten Sonderregelungen. In Ausnahmefällen kann das Innenministerium auch eine Ausweitung der Kreditaufnahme genehmigen. Die Nettokreditaufnahme aller Kommunen lag 1996 bei etwa 1,6 Mrd. dkr.161 Die Gesamtverschuldung betrug im gleichen Jahr 48,7 Mrd. dkr.162 Dies ist nicht sonderlich bedeutsam, betrugen die Gesamteinnahmen der dänischen Kommunen 1999 doch immerhin 202,6 Mrd. dkr.163 158 159 160 161 162 163

Vgl. OECD (1997), S. 368 – 369. Vgl. Kalseth / Rattsø (1998), S. 63 – 83. Vgl. Indenrigsministeriet (1998), S. 37. Vgl. Indenrigsministeriet (1999), S. 43. Vgl. Indenrigsministeriet (1998), S. 34. Vgl. Indenrigsministeriet (1999), S. 14.

IV. Die Absicherung des Pflegerisikos durch die Kommunen

137

b) Steuerautonomie vs. Finanzausgleich Die nordischen Kommunen besitzen zwar das Recht, eine Einkommensteuer zu erheben, ihre Steuerautonomie ist aber begrenzt. Die größten Einschränkungen sind in Norwegen zu verzeichnen. In diesem Land werden praktisch alle steuerlich relevanten Größen vom Zentralstaat vorgegeben. Von der kommunalen Steuerautonomie ist insoweit nichts übriggeblieben. Das norwegische Parlament (Storting) setzt jährlich Mindest- und Höchstsätze fest und verabschiedet Regeln über die Besteuerungsgrundlage und die Abschreibungssätze.164 Zudem wird ein horizontaler Finanzausgleich zwischen den Kommunen bzw. Provinzen vorgenommen. Dabei sollen Unterschiede sowohl in der Einnahmen- als auch in der Ausgabenstruktur ausgeglichen werden.165 Die OECD weist in einem Bericht darauf hin, dass eine derartige Kombination von lokaler Steuererhebung und fehlender Steuerautonomie innerhalb der OECD-Länder fast einmalig ist. Die OECD erwähnt, dass nur die ungarischen Steuerregelungen mit dieser norwegischen Besonderheit vergleichbar sind.166 Im Vergleich zu Schweden und Dänemark ist der Anteil der Finanzzuweisungen in Norwegen am größten. Mit einem Anteil von 40,1 % erreicht dieses Land einen deutlichen höheren Prozentsatz als Schweden (22 %) oder Dänemark (6,4 %). Die Zuweisungen sollen dazu beitragen, dass das Angebot an öffentlichen Leistungen innerhalb des Landes nicht zu sehr differiert.167 Der Höhe der Zuweisung wird dabei anhand des Pro-Kopf-Einkommens der Einwohner der Kommune und unter Berücksichtigung von demographischen Faktoren berechnet.168 In Schweden und Dänemark ist die zentralstaatliche Einflussnahme auf die kommunale Steuererhebung geringer. Umfassende horizontale Finanzausgleiche wurden aber auch hier zwischen den Kommunen eingerichtet. Zudem interveniert der Zentralstaat auf vielfältige Weise je nach finanzieller Lage. So erließ der schwedische Staat von 1991 bis 1994 eine Regelung, nach der die kommunalen und provinziellen Steuersätze eingefroren wurden.169 Als 1995 und 1996 diese Vorgabe nicht mehr galt, erhöhte eine Reihe von Gemeinden sofort ihre Steuersätze. Als Vergeltungsmaßnahme für diese Steuererhöhung verringerte der schwedische Staat diesen Kommunen in den Jahren 1997 bis 1999 die Finanzzuweisungen des Zentralstaates um die Hälfte dessen, was die Steuererhöhung eingebracht hatte.170 Derzeit orientiert sich der schwedische Gemeindefinanzausgleich an den unterschiedlichen strukturellen Bedingungen innerhalb des Landes. Beachtet werden 164 165 166 167 168 169 170

Vgl. Westgaard (1994). Vgl. OECD (1997), S. 369. Vgl. van den Noord (2000), S. 23. Zu den Wirkungen von Zuweisungen siehe Dalton (1955), S. 146 – 169. Vgl. van den Noord (2000), S. 24. Vgl. Pettersson-Lidbolm / Wiklund (2002), S. 118. Vgl. Schwedisches Institut (2000b); OECD (1997), S. 411.

138

E. Die Finanzierung der Pflege

dabei beispielsweise demographische und geographische Faktoren. Gebiete mit besonders ungünstigen Bedingungen erhalten zudem zusätzlich Finanzzuweisungen des Zentralstaates, während Gemeinden mit günstiger bewerteten Strukturen Zahlungen zu entrichten haben.171 In Dänemark überwiegt, im Vergleich zu Norwegen, der horizontale Finanzausgleich deutlich gegenüber dem vertikalen. Das System des Gemeindefinanzausgleichs besteht dabei aus zwei Mechanismen.172 Mit einem wird die Steuerkraft ausgeglichen; der zweite berücksichtigt die Unterschiede hinsichtlich der Bedürfnisse der Bevölkerung. Bei letztgenannten sollen vor allem die verschiedenartigen demographischen und sozialen Strukturen beachtet werden. Der dänische Finanzausgleich berücksichtigt all diese Faktoren, z. B. über demographische Profile, Wohnstandards und dem Beschäftigungsgrad. Dänische Ökonomen verweisen darauf, dass der Unterschied zwischen der Kommune mit den niedrigsten ProKopf-Ausgaben und der Kommune mit den entsprechend höchsten Ausgaben 1997 bei 9 100 dkr lag.173 Beim Mechanismus zum Ausgleich der Steuerkraft wird im ersten Schritt die Steuerbasis pro Kopf ermittelt um diese im zweiten Schritt mit dem entsprechenden Durchschnittswert des Landes zu vergleichen.174 Die Differenz zwischen diesen Zahlen ist dann die Grundlage für den Finanzausgleich, wobei der Nivellierungsumfang vom Parlament bestimmt wird. Die Abgaben bzw. die Zuweisungen innerhalb der Gemeindefinanzen wurden in der Vergangenheit in der Form kalkuliert, dass zwischen 45 und 85 % des Unterschiedsbetrages ausgeglichen werden.175 Der Finanzausgleich soll nicht dafür verwendet werden, budgetäre Fehlplanungen der Kommunen zu reparieren. Die gesetzlichen Regeln sehen vor, dass die Gemeinden zum Ausgleich von Defiziten in erster Linie ihre Ausgaben bzw. ihre Steuersätze anpassen sollten. Nur in extremen Situationen darf der Zentralstaat als Rettungsanker fungieren. Konsequenterweise benötigen die Gemeinden für die Verabschiedung ihres Budgets keine zentralstaatliche Zustimmung. Zur Kontrolle der Einhaltung bestimmter Reglements ist allerdings die Vorlage bei einem externen Prüfer gesetzlich vorgeschrieben.176

3. Die kommunale Einkommensteuer Die Finanzierung der Pflege erfolgt in Nordeuropa zum überwiegenden Teil durch die Steuereinnahmen der Gemeinden. Die weitaus bedeutendste kommunale Steuer ist die kommunale Einkommensteuer. Andere Steuerarten spielen nur eine 171 172 173 174 175 176

Vgl. OECD (1997), S. 409 – 410. Vgl. Pedersen (2002), S. 95. Vgl. Indenrigsministeriet (1998), S. 38 – 44. Vgl. OECD (1997), S. 170 – 174. Vgl. Pedersen (2002), S. 95. Vgl. Pedersen (2002), S. 95.

IV. Die Absicherung des Pflegerisikos durch die Kommunen

139

marginale Rolle. Die kommunale Einkommensteuer weist in allen drei betrachteten Staaten über einen Grundfreibetrag hinaus einen Steuersatz auf. Es handelt sich damit um eine „flat rate tax“ mit Grundfreibetrag. Da der Durchschnittssteuersatz mit zunehmenden Einkommen steigt, ist der Steuertarif progressiv ausgeprägt. In Norwegen und in Schweden erheben zusätzlich die Provinzen zur Finanzierung ihrer Aufgaben eine eigene Einkommensteuer. Darüber hinaus existiert in allen drei Ländern auf zentralstaatlicher Ebene eine ebenfalls progressiv gestaltete Einkommensteuer. Besteuert werden neben dem Arbeitseinkommen auch die meisten Transfereinkommen, z. B. die Altersrenten.177 In Dänemark unterliegen der kommunalen Einkommensteuer auch die Unternehmen. In Norwegen wurde die kommunale Körperschaftsteuer 1998 abgeschafft.178 Damit bleiben hier, ebenso wie in Schweden, die Gewinne von körperschaftlich organisierten Unternehmen von der kommunalen Besteuerung unberührt. Sie werden bei den Steuern des Zentralstaates erfasst. In Dänemark beträgt der Anteil der kommunalen Einkommensteuer am Steueraufkommen der Gemeinde fast 95 %. Der Steuersatz der Einkommensteuer lag 2001 in Dänemark im Durchschnitt bei 32,5 %. Er differierte zwischen 27,1 % und 35,2 %.179 In den letzten Jahren ist ein Anstieg der kommunalen Einkommensteuersätze zu verzeichnen.180 Die schwedischen Kommunen erheben als Steuern praktisch nur die kommunale Einkommensteuer.181 Der Einkommensteuersatz der Kommunen in diesem Land lag im Durchschnitt im Jahre 2000 bei 18,35 %.182 Für die Einkommensteuerpflichtigen addiert sich dazu noch die Einkommensteuer der Provinziallandtage. Wenn beide Steuersätze zusammen gerechnet werden, ergibt sich im Durchschnitt ein Steuersatz von 28,67 %.183 Das zu versteuernde Einkommen wird aus dem Arbeitseinkommen abzüglich von Freibeträgen ermittelt. Die Freibeträge umfassen den Grundfreibetrag und die Beiträge zur allgemeinen Rentenversicherung. Die Freibeträge nehmen mit zunehmenden Arbeitseinkommen etwas zu, bleiben aber dann bei höheren Bezügen (ab 300 000 skr) konstant. Diese Gestaltung ist äquivalent zu einem Stufentarif. Durch diese Struktur sollen mittlere und niedrigere Arbeitseinkommen steuerlich etwas entlastet werden. Der Grundfreibetrag für niedrige Einkommen beträgt 8 700 skr.184 Trotz der im vorigen Unterkapitel 177 Die Renten werden in Nordeuropa nachgelagert besteuert, d. h. die Rentenzahlungen sind einkommensteuerpflichtig, während die Beiträge unversteuert bleiben. 178 Vgl. van den Noord (2000), S. 9. 179 Vgl. Dänisches Steuerministerium (2001). 180 Vgl. Finansministeriet (1998), S. 23 und 45. 181 Bis zu ihrer Abschaffung im Jahre 2000 wurde noch eine Kirchensteuer bzw. Begräbnisgebühr (begravningsavgift) erhoben. Vgl. Schwedisches Institut (2001b), S. 8. 182 Vgl. Södertalje-Kommune (2000). 183 Vgl. ebenda. 184 Vgl. Riksskatteverket (2000), S. 51, 254.

140

E. Die Finanzierung der Pflege

geschilderten staatlichen Restriktionen ist eine bedeutende Streuung im Vergleich zwischen den Kommunen zu beobachten. Die höchsten Steuersätze verzeichnen ländliche Gemeinden im Norden Schwedens sowie Kommunen mit schwacher Industrielandschaft. Die niedrigsten Sätze weisen Gemeinden in Vororten von größeren Städten auf. Im Jahre 2000 lag der höchste Steuersatz von Gemeinde und Provinziallandtag zusammen bei 33,12 % in Ragunda in Nordschweden. Den niedrigsten Steuersatz verzeichnete Danderyd, ein Vorort von Stockholm, mit 26,50 %.185 In den norwegischen Kommunen ist die Einkommensteuer ebenfalls die dominierende Steuer der Gemeinde. Zudem erhebt die Kommune noch eine Vermögensteuer bzw. eine Grundsteuer für gewerbliche Immobilien sowie auf Wohnungen in dichtbebauten Gebieten.186 Die Variation der Einkommensteuersätze ist deutlich geringer als in Schweden. So liegen die Steuersätze der Gemeinden in der Nähe des Satzes, der vom Zentralstaat als Obergrenze festgesetzt wird. Im Jahre 2000 lagen die Steuersätze damit etwa bei 11,2 %.

4. Die Probleme der Finanzierung der kommunalen Leistungserstellung Die Finanzierung der Pflege erfolgt in Nordeuropa vorwiegend über die kommunale Einkommensteuer und staatliche Finanzzuweisungen an die Gemeinden. Da es sich bei den zentralstaatlichen Überweisungen an die Kommunen ebenfalls um Steuermittel handelt, ergibt sich, dass die Absicherung des Pflegerisikos grosso modo über ein steuerfinanziertes Modell erfolgt. Auffallend ist die Kombination von lokaler Selbstverwaltung und zentralstaatlichen Vorgaben. Einerseits wird stolz auf die Vorzüge eines kommunalen Systems, z. B. durch die Bürgernähe bei Entscheidungen und bei der Leistungsbereitstellung, verwiesen, andererseits ist eine Eigenständigkeit nur begrenzt erkennbar. Insbesondere von einer Steuerautonomie kann kaum – in Norwegen überhaupt nicht – gesprochen werden. Es wird das Ziel verfolgt, einen landesweit überwiegend gleichen Lebensstandard zu garantieren. Auch in entlegenen, dünnbesiedelten Regionen sollen die Kommunen ansprechende soziale Leistungen bereitstellen können. Es ist aber zu bedenken, dass soziale Unterschiede auch in den differierenden Präferenzen der Einwohner der einzelnen Kommunen liegen können. Damit bleibt das Vorhaben widersprüchlich, die sozialen Unterschiede auszugleichen und dabei die verschiedenartigen Präferenzen zu berücksichtigen. Durch den bedeutenden Anteil an Finanzzuweisungen des Zentralstaates werden kommunale Aufgaben zudem zum Teil dual finanziert, woraus bedeutende Schwierigkeiten entstehen können.187 Bei Mischfinanzierungen ist der Anreiz der 185 186 187

Vgl. Skatteförvaltningen (1998); Svenska Kommunförbundet (2001). Vgl. Westgaard (1994). Vgl. Finans- og tolldepartementet (1999a); Werner (2001), S. 21 – 46.

IV. Die Absicherung des Pflegerisikos durch die Kommunen

141

Kommune groß, Ausgaben zu tätigen, die bei alleiniger Finanzierung unterlassen worden wären. Um Zuweisungen nicht verfallen zu lassen, werden gegebenenfalls auch Schulden aufgenommen. Der Anreiz, Einsparungen anzustreben, ist geringer. Im Weiteren werden Folgekosten ungenügend berücksichtigt, was dazu führt, dass unter dem Gesichtspunkt der Unterhaltung tendenziell zu viele und zu große öffentliche Einrichtungen errichtet werden. Eine duale Finanzierung bewirkt überdies eine Erhöhung der Bürokratieaufwendungen, da beispielsweise ein Vorgang mehrfach behandelt und geprüft wird. Erfahrungen aus der BR Deutschland zeigten, dass Mischfinanzierungen tendenziell ausgabensteigernd wirken. Eine Reihe von Ökonomen fordert hier schon seit längerem, die Finanzierungszuständigkeit konsequent mit der Verwaltungszuständigkeit zusammenzuführen.188 Der merkliche Anteil von Finanzzuweisungen des Zentralstaates in Nordeuropa zeigt, dass dies auch in dieser Region nicht bedacht wird. Wie die Ausführungen zeigten, liegt zum einen die Steuergesetzgebung in Skandinavien im Wesentlichen in der Hand des Zentralstaates. Zum anderen verteilt dieser die Einnahmen der Kommunen in einem zweiten Schritt noch um. Es ist nicht klar, warum die Gemeinden über eine Steuerhoheit verfügen sollen, wenn ihnen ausgabenseitig von zentraler Seite infolge einer Vielzahl zwingender Vorgaben kaum Entscheidungsspielräume verbleiben. Die Möglichkeit eines temporären Stopps von Steuersatzveränderungen wie im schwedischen Fall könnte die Kommunen zudem animieren, ihre Steuern gewissermaßen vorbeugend zu erhöhen, sobald sich die Möglichkeit dazu bietet. Ein solches Verhalten verursacht erhebliche volkswirtschaftliche Kosten.189 Ein Finanzausgleich birgt die Gefahr, dass wirtschaftlich sinnvolles Handeln der Kommunen bestraft wird, während ineffiziente Gemeinden Zuweisungen erhalten. Nicht zuletzt aufgrund von spill-overs ist ein Finanzausgleich nicht grundsätzlich abzulehnen. Ab einem bestimmten Ausmaß ist er allerdings nicht anreizverträglich hinsichtlich einer effizienten Bereitstellung von Leistungen. In diesem Fall kann kaum von einem Steuer- und damit Standortwettbewerb zwischen den Kommunen gesprochen werden. Es wird dann substanziell innerhalb des Landes umverteilt, sowohl horizontal durch Finanzausgleiche als auch vertikal über Finanzzuweisungen des Zentralstaates. Ein weiteres Problem ergibt sich aus der Zuständigkeitsverteilung für die öffentlichen Aufgaben. Die Erörterung der Aufgabenverteilung in den nordischen Ländern zeigte, dass in Schweden und Dänemark die mittlere Verwaltungsebene (Provinziallandtage, Kreise) und in Norwegen der Zentralstaat für das Gesundheitswesen und damit für die Betreibung der Krankenhäuser, die Kommunen aber für die Versorgung Pflegebedürftiger zuständig sind. Daraus können Fehlallokationen erwachsen.190 Für die Gemeinden ergibt sich ein Anreiz, bei finanziellen Engpäs188 189 190

Vgl. Stern / Werner (1998), S. 46 – 48. Vgl. Pettersson-Lidbolm / Wiklund (2002), S. 118 – 121. Vgl. Alber / Schölkopf (1999), S. 259.

142

E. Die Finanzierung der Pflege

sen Pflegekosten auf die Provinzen bzw. den Zentralstaat zu überwälzen. Wenn die Kommunen eine zu geringe Kapazität für die Versorgung von Pflegepersonen bereitstellen, müssen Bedürftige eine längere Zeit in den Krankenhäusern verweilen. Es gilt als undenkbar sie zu entlassen, ohne dass die weitere Betreuung gewährleistet ist. Der Anstieg der Verweildauer in den Krankenhäusern führt zu Mehrausgaben bei den betroffenen Provinzen bzw. dem Zentralstaat. 191 Die nordischen Länder liefern damit ein Beispiel dafür, wie verschiedene Gebietskörperschaften durch Verschiebung der Zuständigkeiten ihre finanziellen Interessen durchsetzen, ohne die gesamtwirtschaftlichen Ausgaben zu beachten. Vielfach in der Diskussion steht zudem die optimale Größe der Kommunen. In den betrachteten Ländern wurde in der Vergangenheit zwar eine Reihe von Verwaltungsreformen durchgeführt, trotzdem gibt es noch deutliche Stimmen, die eine weitere Zusammenlegung von Gemeinden fordern. Gegner verweisen jedoch darauf, dass hiermit die Distanz zwischen den Bürgern und den Entscheidungsträgern zunimmt. Dass durch die Zusammenlegung erhebliche Größenvorteile genutzt werden können, ist aber weitgehend unbestritten. Hierzu sei noch eine dänische Studie von Mouritzen zitiert.192 Danach liegen die Verwaltungskosten pro Person bei einer Gemeinde mit 50 000 Einwohnern 30 % unter den Kosten einer Kommune mit 4 000 Bewohnern. Wenn über Zusammenlegungen nur noch Kommunen mit 50 000 Einwohnern in Dänemark bestehen würden, ergäben sich damit allein im Verwaltungssektor Einsparungen von 700 Mio. dkr. Bei den übrigen kommunalen Ausgaben ist nach einer Studie von Houlberg in der Summe mit Einsparungen in ähnlicher Größenordnung zu rechnen.193 Hinsichtlich des Vorzeichens mögen diese Studien recht haben, bezüglich des Ausmaßes gilt es skeptisch zu sein. Bei der errechneten Einsparung bleibt unberücksichtigt, dass den Bürgern bei einer Zusammenlegung von Kommunen höhere Kosten bei Behördengängen entstehen.

V. Gesamtwirtschaftliche Wirkungen einer steuerfinanzierten Pflege Die gesamtwirtschaftlichen Wirkungen der Absicherung des Pflegerisikos über Steuermittel sind vielfältig. So könnten sich Wirkungen auf den Arbeitsmarkt, auf die Sparquote bzw. auf das Wirtschaftswachstum ergeben.194 Die wesentlichen Wirkungen resultieren aus der beträchtliche Steuerquote, die sich aus den umfassenden öffentlichen Ausgaben ergibt. Wie im Kapitel zur wirtschaftlichen Konstellation gezeigt wurde, gehört die Steuerquote in den nordischen Ländern zu der höchsten der Welt. Einer hohen Besteuerung ist dabei nicht nur das Einkommen 191 192 193 194

Vgl. Plovsing (1994), S. 109. Vgl. Mouritzen (1999). Vgl. Mouritzen (1999), S. 17 – 18. Vgl. u. a. Dalton (1955), S. 72 – 122.

V. Gesamtwirtschaftliche Wirkungen einer steuerfinanzierten Pflege

143

unterworfen, auch die allgemeine und die spezielle Verbrauchbesteuerung sind beträchtlich. Aus der insgesamt hohen Steuerquote können sich erhebliche Wohlfahrtsverluste ergeben. Besonders zu beachten ist hierbei die Zusatzlast der Besteuerung. Die Wohlfahrtsverluste können den Wohlfahrtsgewinn der Bereitstellung von öffentlichen Leistungen übersteigen. Für die Untersuchung der gesamtwirtschaftlichen Wirkungen ist nicht nur die kommunale Steuer zu betrachten. Da ein erheblicher Teil der Finanzierung über Finanzzuweisungen des Zentralstaates erfolgt, ist auch die Besteuerung durch den Zentralstaates zu berücksichtigen. Im folgenden wird deshalb das Steuersystem der nordischen Länder vorgestellt, bevor im Anschluss die Zusatzlast der Besteuerung in Skandinavien diskutiert wird. Im Weiteren wird die Zusatzlast der kommunalen Einkommensteuer mit der Zusatzlast einer Sozialversicherungslösung verglichen. Zum Schluss dieses Abschnitts werden noch einige weitere gesamtwirtschaftliche Auswirkungen einer steuerfinanzierten Pflege erörtert.

1. Das Steuersystem der nordischen Länder a) Die Besteuerung des Einkommens Arbeitseinkommensteuer Die Besteuerung der Arbeitseinkommen ist in den nordischen Ländern ähnlich gestaltet. Auf kommunaler und provinzieller Ebene erfolgt eine Besteuerung mit einem einheitlichen Steuersatz und einem Grundfreibetrag. Zudem besteuert zusätzlich der Zentralstaat jeweils das Arbeitseinkommen progressiv. In Norwegen wird das Arbeitseinkommen nach der Einkommensteuer der Kommunen (etwa 11,2 % Steuersatz) noch durch die Einkommensteuern der Provinz und des Zentralstaates besteuert. Der Einkommensteuersatz der Provinz (fylke) liegt bei etwa 6,45 % und der des Zentralstaates bei 10,35 %. Da für alle drei Steuersätze die gleiche Steuerbasis herangezogen wird, beträgt der Gesamtsteuersatz etwa 28 %. Ab bestimmten Einkommensgrenzen werden auf zentralstaatlicher Ebene so genannte Steueraufschläge von 13,5 % bzw. 19,5 % des Einkommens erhoben.195 Das zu besteuernde Einkommen wird gewöhnliches Einkommen genannt. Es schließt auch realisierte Kapitalgewinne und kalkulatorische Mieteinkommen aus selbstbewohnten Häusern mit ein. Verschiedene Absetzungsmöglichkeiten sind anwendbar. So gibt es z. B einen Pauschalbetrag pro Person, eine Familienzulage und die Möglichkeit, Kreditzinsen abzusetzen. Wenn das Arbeits- oder Renteneinkommen unter 34 900 nkr (Wert für 1999) liegt, kann dieses zudem um 21 % abgeschrieben werden.196 195

Daten für das Jahr 2000. Vgl. van den Noord (2000), S. 9.

144

E. Die Finanzierung der Pflege

Kriterium dafür, ob ein Steueraufschlag, also eine Progression angesetzt werden soll, ist die Höhe des so genannten „persönlichen Einkommens“. Das persönliche Einkommen wird aus Arbeits- und Renteneinkommen berechnet, wobei hier keine Abzugsmöglichkeiten bestehen. Wenn dieses persönliche Einkommen einen bestimmten Betrag überschreitet, ist für den Betrag, der über dieser Trennlinie liegt, eine zusätzliche Steuer von 13,5 % zu zahlen. Auf zentralstaatlicher Ebene ergibt sich für das entsprechende Einkommen ein Steuersatz von 26,35 %. Für einen Alleinverdiener lag die Einkommensgrenze für diese Progressionsstufe 2000 bei 277 800 nkr. Die 2. Trennlinie, ab der ein weiterer Steueraufschlag von 6 % gezahlt werden muss, wurde erst im Jahre 2000 eingeführt und bei 762 700 nkr festgesetzt.197 Das persönliche Einkommen enthält kein Kapitaleinkommen. Die separate Besteuerung von Arbeits- und Kapitaleinkommen ist das Kernelement der dualen Einkommensbesteuerung. Arbeitseinkommen wird ab einem bestimmten Einkommen progressiv, Kapitaleinkommen aber nur proportional besteuert.198 Der Faktor Arbeit wird zusätzlich noch durch die im Unterkapitel E. I.2. vorgestellten Sozialversicherungsbeiträge belastet. Der Arbeitnehmerbeitrag beträgt derzeit 7,8 % und der Arbeitgeberbeitrag differiert je nach Region zwischen 14,1 und 0 %.199 Der marginale Spitzensteuersatz auf Arbeitseinkommen liegt in Norwegen damit bei 55,3 %.200 In Schweden wird Arbeitseinkommen durch die Einkommensteuer der Provinzen und Gemeinden besteuert (im Durchschnitt der Gemeinden zu 28,67 %). Wenn das zu versteuernde Arbeitseinkommen im Jahr mehr als 232 200 skr beträgt, muss für den übersteigenden Betrag zusätzlich noch eine staatliche Einkommensteuer von 20 % entrichtet werden. Ab einem zu versteuernden Arbeitseinkommen von 374 000 skr beträgt dieser Satz 25 %.201 Damit wird auf zentralstaatlicher Ebene, wie in Norwegen, eine progressive Arbeitseinkommensbesteuerung vorgenommen. Im Jahre 1998 betrug das durchschnittliche Einkommen eines Mannes 238 000 skr, eine Frau erhielt im Schnitt 198 000 skr. Nach Aussage der schwedischen Steuerverwaltung müssen von den über 20-Jährigen etwa 19 % der Erwerbstätigen und 38 % der Vollzeitbeschäftigen eine staatliche Einkommensteuer zahlen.202

Vgl. van den Noord (2000), S. 35. Vgl. van den Noord (2000), S. 9 – 10. 198 Vgl. Cnossen (1999), S. 20. 199 Vgl. van den Noord (2000), S. 9. 200 Zu beachten ist hierbei, dass in Norwegen erst 1992 eine Steuerreform durchgeführt wurde, bei der der marginale Spitzensteuersatz von 57,8 % auf 48,8 % gesenkt wurde. Durch die Einführung des zweiten Steueraufschlags zum 1. Januar 2000 von 19,5 % ab einem Einkommen von 762 700 nkr (Wert für das Jahr 2000) erreicht der Grenzsteuersatz schon fast wieder den Wert von 1991. 201 Die genannten Einkommensgrenzen galten im Jahre 2000. 202 Vgl. Riksskatteverket (2000), S. 253 – 254. 196 197

V. Gesamtwirtschaftliche Wirkungen einer steuerfinanzierten Pflege

145

Die Trennlinien zur progressiven Besteuerung werden jährlich erhöht. Nach den durch die Steuerreform 1991 verabschiedete Prinzipen sollen die Einkommensgrenzen für die progressive Besteuerung pro Jahr um die Inflationsrate plus 2 % steigen.203 Der Wert von 2 % ist damit das unterstellte Produktivitätswachstum. Ein Anstieg des realen Einkommens soll nicht durch eine höhere marginale Steuer belastet, eine kalte Progression verhindert werden. Der Spitzengrenzsteuersatz lag im Jahre 2000 bei 53,67 % und galt ab einem zu versteuernden Einkommen von 374 000 skr.204 Zu den Steuerzahlungen addieren sich noch Beiträge zur Sozialversicherung (Arbeitnehmerbeitrag: 6,95 %, Arbeitgeberbeitrag: 33,03 %.205 Um die Steuer auf Arbeit zu verdeutlichen sei eine Beispielrechnung genannt.206 Eine Person mit einem Bruttoeinkommen von 250 000 skr weist nach Abzügen von Freibeträgen ein zu versteuerndes Einkommen von 228 100 skr auf. Darauf wird die kommunale Einkommensteuer berechnet bei einem Steuersatz von beispielsweise 30,38 % sind dies 69 296 skr. Zentralstaatliche Arbeitseinkommensteuer ist noch nicht zu entrichten, da bei diesem Einkommen die 1. Progressionsgrenze von 232 600 skr noch nicht erreicht wurde. Zu zahlen ist aber im Weiteren der Arbeitnehmerbeitrag (6,95 %) zur Sozialversicherung. Er bemisst sich als Prozentsatz des Bruttoeinkommens. Dies sind hier 17 375 skr. Unter Berücksichtigung einiger weiterer, hier nicht näher vorgestellter, Freibeträge ergibt sich für den Arbeitnehmer mit einem Arbeitseinkommen von 250 000 skr eine direkte Steuerbelastung von 82 696 skr. Als Belastung des Faktors Arbeit addiert sich dazu der Arbeitgeberbeitrag (32,92 % des Bruttoeinkommens) dies sind hier 82 300 skr, woraus sich eine Gesamtzahlung an Steuern und Sozialbeiträgen von 164 996 skr ergibt. Die Kosten eines Beschäftigten mit einem Einkommen von 250 000 skr liegen bei insgesamt 332 300 skr (Bruttolohn + Arbeitgeberbeitrag). Davon erhalten staatliche Institutionen (Kommune, Sozialversicherung) 164 996 skr und der Arbeitnehmer als Nettolohn 167 304 skr. Dies ist eine erhebliche steuerliche Belastung des Faktors Arbeit, obwohl das zu versteuernde Arbeitseinkommen in diesem Beispiel noch unter einer der beiden Progressionsstufen liegt. Dies verdeutlicht, dass bereits mittlere Einkommen beträchtlich besteuert werden.207 In Dänemark ergibt sich die gesamte Steuerbelastung des Arbeitseinkommens zum einen aus der Einkommensteuer der Kommunen und Kreise (im Durchschnitt 32,5 % im Jahre 2001). Daneben erhebt der Zentralstaat eine progressive EinkomVgl. Riksskatteverket (2000), S. 254. Hierbei wurde der durchschnittlichen Steuersatz in den Kommunen von 28,67 % angesetzt. In den Gemeinden mit höheren kommunalen Einkommensteuern liegt der Spitzengrenzsteuersatz höher. 205 Die einzelnen Zweige der Sozialversicherung erhalten einen festgesetzten Betrag der Gesamteinnahmen zugeordnet. Der Sozialversicherungsbeitrag von 39,98 % untergliedert sich so z. B. in 7,9 % Krankenversicherungs- und 6,83 % Grundrentebeitrag (Folkpension). Die Werte sind aus dem Jahre 1998. 206 Vgl. Riksskatteverket (2000), S. 50. 207 Vgl. ebenda. 203 204

10 Wild

146

E. Die Finanzierung der Pflege

mensteuer. Diese ist wie folgt aufgebaut.208 Von einem Grundfreibetrag von 33 400 dkr bis zu einem steuerpflichtigen Einkommen von 177 900 dkr wird der Basissteuersatz (Bundskat) von 6,25 % angesetzt. Auf denjenigen Teil des Einkommens, welcher die Grenze von 177 900 dkr übersteigt, wird zusätzlich ein Steuersatz von 6 % angewendet. Bei dieser Steuer (Mellemskat) werden auch Kapitalerträge berücksichtigt. Wenn das Einkommen (einschließlich Kapitaleinkommen) mehr als 276 900 dkr erreicht, wird für den Teil, der diese Grenze übersteigt, der Höchststeuersatz (Topskat) von 15 % angesetzt.209 Der Versteuerung unterliegen auch die Gewinne von Unternehmen.210 Im Weiteren wird das Arbeitseinkommen noch mit der kommunalen Kirchensteuer (im Durchschnitt 0,7 %), einer Arbeitsmarktabgabe von 8 % und einem speziellen Rentenbeitrag von 1 % belastet. Der Arbeitsmarktbeitrag und der spezielle Rentenbeitrag sind steuerabzugsberechtigt. Der Gesetzgeber legt eine Steuerobergrenze fest, die garantieren soll, dass die gesamte Einkommensteuer nicht mehr als 59 % (Jahr 2000) beträgt. Der Arbeitsmarktbeitrag, die Kirchensteuer und der spezielle Rentenbeitrag werden hierbei allerdings nicht berücksichtigt. Für das Jahr 2001 ergab die Addition des durchschnittlichen Steuersatzes der Kommunen und Kreise (32,5 %) und der drei Progressionsstufen des Zentralstaates einen Steuersatz von 59,75 %. Das heißt, in einer Gemeinde mit dem durchschnittlichen Steuersatz von 32,5 % erfolgt für Personen mit hohem Einkommen eine Reduktion des zentralstaatlichen Steuersatzes um 0,75 %. Bei Kommunen mit höherem Steuersatz fällt die Reduzierung entsprechend stärker aus.211 Der marginale Steuersatz für ein Arbeitseinkommen von über 276 900 dkr berechnet sich damit wie folgt. Vom Arbeitseinkommen, beispielsweise 300 000 dkr, werden zuerst der Arbeitsmarktbeitrag (8 %) und der spezielle Rentenbeitrag (1 %) berechnet. Dies sind 27 000 dkr. Um das zu versteuernde Einkommen zu berechnen, wird dieser Betrag von Gesamteinkommen abgezogen, da der Arbeitsmarktbeitrag und der spezielle Rentenbeitrag steuerabzugsberechtigt sind. Das zu versteuernde Einkommen, in diesem Fall dann 273 000 dkr, wird dann mit maximal 59 % besteuert. Als Einkommensteuerzahlung ergeben sich damit 161 070 dkr. Dazu addieren sich dann noch die 27 000 dkr des Arbeitsmarkt- und des speziellen Rentenbeitrags. Die gesamte Steuer- und Abgabenbelastung in diesem Beispiel bei einem Einkommen von 300 000 dkr beträgt 175 566 dkr. Der marginale Steuersatz beträgt somit also knapp 62,7 %.212

208 209 210 211 212

Werte des Jahres 2000. Vgl. Dänisches Steuerministerium (2001). Vgl. Dänisches Steuerministerium (2001). Vgl. ebenda. Vgl. ebenda. Vgl. Finansministeriet (1999b).

V. Gesamtwirtschaftliche Wirkungen einer steuerfinanzierten Pflege

147

Das dänische Finanzministerium rechnet für 2002 damit, dass 42 % der vollzeitbeschäftigten Einkommensteuerpflichtigen den Spitzengrenzsteuersatz zahlen müssen. 1986 lag der entsprechende Anteil nur bei 14 %. 213 Damit weist Dänemark nicht nur eine beträchtliche Progression auf; der Spitzengrenzsteuersatz gilt auch für fast die Hälfte der Vollbeschäftigten. Die Lohnkosten, die sich aus der Einkommensteuerzahlung in Skandinavien ergeben, gehören zu den höchsten der Welt. Dies wird auch als wichtiger Grund für die Schwierigkeiten der nordischen Unternehmen im internationalen Wettbewerb gesehen. Zudem besteht die Gefahr einer Lohn-Steuer-Spirale. Da die hohen Lohnkosten vorwiegend bei arbeitsintensiven Tätigkeiten zu Buche schlagen, ergibt sich Druck auf die Beschäftigtenzahl. Die Zahl der Arbeitslosen soll durch erhebliche Einstellungen im öffentlichen Sektor trotz allem vergleichsweise niedrig gehalten. Die daraus resultierenden hohen öffentlichen Ausgaben erfordern jedoch wieder eine hohe Steuerquote. Die folgende Tabelle veranschaulicht die Besteuerung des Faktors Arbeit in Skandinavien. Tabelle E-9 Besteuerung des Arbeitseinkommens in Skandinavien Steuer / Abgabe

Norwegen

Schweden

Kommunale ESt

Ø 11,20 %

Ø 18,35 %

ESt auf der 2. Verwaltungsebene (Fylke, Provinziallandtage, Kreise)

Ø 6,45 %

Ø 10,32 %

Dänemark

Ø 32,50 %

ESt des Zentralstaates bis 277 800 nkr: 10,35 % ab 277 800 nkr: 23,85 % ab 762 700 nkr: 29,85 %

ab 232 200 skr: 20 % ab 374 000 skr: 25 %

Arbeitnehmerbeitrag zur Sozialversicherung

7,80 %

6,95 %

Arbeitgeberbeitrag zur Sozialversicherung

0 bis 14,1 %

33,03 %

bis 177 900 dkr: 06,25 % ab 177 900 dkr: 12,25 % ab 276 900 dkr: 27,25 % 9,00 %* Pauschalbeitrag**

* Arbeitsmarktbeitrag und spezieller Rentenbeitrag. ** In Abhängigkeit von Lohnsumme und Mehrwertsteuerschuld. Die Daten beziehen sich für Norwegen auf das Jahr 2000, ebenfalls die für Schweden mit Ausnahme der Sozialversicherungsbeiträge [1998]. Die dänischen Werte gelten für das Jahr 2001. Quelle: Eigene Zusammenstellung nach Daten von van den Noord (2000), S. 9 – 10, 35; Riksskatteverket (2000), S. 50, 253 – 254; Dänisches Steuerministerium (2001).

213

10*

Vgl. Finansministeriet (1999b).

148

E. Die Finanzierung der Pflege

Kapitaleinkommensteuer Die Kapitaleinkommensbesteuerung erfolgt innerhalb Nordeuropas auf unterschiedliche Weise. In Schweden und Norwegen wird – wie oben bereits erwähnt – ein duales System der Einkommensbesteuerung angewendet. Damit soll die hohe Mobilität von Kapital berücksichtigt werden. Da Kapital elastischer auf eine Steuererhebung reagiert als Arbeit,214 wird Kapitaleinkommen proportional zu einem vergleichsweise niedrigen Steuersatz besteuert, während Arbeitseinkommen dem bereits geschilderten progressiven Tarif unterworfen sind. Die Vorteile dieses Systems liegen in den schwächeren Ausweichreaktionen des Kapitals. Es wird eine höhere Sparquote erwartet.215 Außer in den betrachteten Ländern existiert ein solches duales System innerhalb der OECD noch in Finnland und in den Niederlanden. Zu beachten ist allerdings, dass die einzelnen Systeme in nicht wesentlichen Punkten etwas differieren.216 In Norwegen wurde dieses duale System 1992 eingeführt. Seitdem gilt für Kapitaleinkommen ein Steuersatz von 28 %. Für Selbstständige ergibt sich daraus die Konsequenz, dass ihr Einkommen aus selbstständiger Tätigkeit in eine Arbeit- und in eine Kapitalkomponente aufgeteilt werden muss. Sowohl bei ausgeschütteten als auch bei nicht ausgeschütteten Unternehmensgewinnen gibt es keine Doppelbesteuerung.217 In Schweden wird die Form der dualen Einkommensbesteuerung seit 1991 praktiziert, wobei der proportionale Steuersatz für Kapitaleinkommen 30 % beträgt.218 Dividenden werden in Schweden im Gegensatz zu Norwegen doppelt besteuert. Zum einen erfolgt die Besteuerung bei der Einkommensteuer der Unternehmen, mit einem Steuersatz von 28 %, zum anderen sind sie als Kapitaleinkommen von den Anteilseignern zum Steuersatz von 30 % zu versteuern.219 In Dänemark gelten die Tarife der Einkommensteuer der Kommunen und Ämter, die Kirchensteuer sowie die Progression der zentralstaatlichen Einkommensteuer auch für Kapitaleinkommen. Der marginale Steuersatz auf Kapital liegt damit je nach dem Gesamteinkommen des Steuerpflichtigen und in Abhängigkeit von der Kommune ungefähr zwischen 36 % und 59 %. Bis auf einige Ausnahmen sind Zinsausgaben voll abzugsfähig.220 Für Unternehmen gilt ein Körperschaftsteuersatz von 32 %. Die duale Einkommensbesteuerung hat ihre Ursprünge in Dänemark. So wurden entsprechende Regelungen bereits 1987 verabschiedet. Das Ausmaß der Umsetzung dieses Systems ist allerdings, wie hier dokumentiert wurde, 214 215 216 217 218 219 220

Vgl. Samuelson (1986), S. 137 – 143. Vgl. van den Noord (2000), S. 10 – 11; Cnossen (1999), S. 24 – 28. Vgl. van den Noord (2000), S. 6. Vgl. Cnossen (1999), S. 22. Vgl. Riksskatteverket (2000), S. 83. Vgl. Cnossen (1999), S. 23. Für einzelne Arten des Kapitals existieren Sonderreglungen. Vgl. Sheltons (2001).

V. Gesamtwirtschaftliche Wirkungen einer steuerfinanzierten Pflege

149

deutlich geringer als in Schweden und Norwegen.221 Eine erkennbar duale Versteuerung gibt es in Dänemark nur bei Einkommen aus selbstständiger Tätigkeit. Hier wird eine getrennte Besteuerung von Arbeits- und Kapitaleinkommen vorgenommen.222

b) Allgemeine und spezielle Verbrauchbesteuerung Die Mehrwertsteuersätze in Nordeuropa gelten weltweit als die höchsten. In Schweden und Dänemark liegt der entsprechende Steuersatz bei 25 % und in Norwegen bei 23 %. Beim Konsum von Gütern wird damit das nach einer hohen Einkommensbesteuerung verbliebene Nettoeinkommen zu einem weiteren erheblichen Teil als Steuerzahlung entrichtet. An dieser erheblichen Steuerbelastung ändern auch einige Mehrwertsteuerbefreiungen nichts Grundsätzliches. So existieren in Schweden noch zwei reduzierte Steuersätze von 12 % (Nahrungsmittel, Hotelübernachtungen und öffentlicher Nahverkehr) und 6 % (Kultur, Sport, Zeitungen).223 In Norwegen und Dänemark gibt es zwar keinen reduzierten Mehrwertsteuersatz, im Vergleich zu anderen Industrieländern sind allerdings – insbesondere in Norwegen – viele Dienstleistungen mehrwertsteuerbefreit. Dazu gehören u. a. kulturelle Angebote, Finanzdienstleistungen, Postdienste, Hotelübernachtungen, Sportveranstaltungen oder der öffentliche Nahverkehr. Ein Mehrwertsteuersatz von 0 % gilt für Bücher, Zeitschriften und Elektrizität – als etwas kuriose Regelung – nur im Norden Norwegens. In der politischen Diskussion wird derzeit eine weitere Ausdehnung der Ausnahmeregelungen debattiert.224 Die hohen Mehrwertsteuersätze führen dazu, dass einige Käufe außerhalb der Landesgrenzen getätigt werden. Dabei sind auch Substitutionseffekte innerhalb Skandinaviens zu beobachten. Da z. B. für Nahrungsmittel in Schweden ein reduzierter Steuersatz gilt, besitzen Norweger, die in der Grenzregion leben, einen Anreiz, in diesem Nachbarland einzukaufen. Zusätzlich zur allgemeinen Verbrauchsbesteuerung wird zudem in erheblichem Maße noch der Erwerb bestimmter Güter besteuert. So legen Norwegen und Schweden beträchtliche Steuersätze auf Alkohol und Tabak auf.

c) Sonstige Steuerarten Die nordischen Länder gelten als Vorreiter der Umweltsteuer. Schweden, Dänemark und Norwegen gehören neben Finnland und den Niederlanden zu den fünf 221 222 223 224

Vgl. Cnossen (1999), S. 23 – 24. Vgl. Cnossen (1999), S. 23, 31 – 45. Vgl. Riksskatteverket (2000), S. 103. Vgl. van den Noord (2000), S. 22.

150

E. Die Finanzierung der Pflege

Ländern, in denen Anfang der 90er Jahre erstmals eine Verbrauchsteuer auf Kohlendioxidemissionen eingeführt wurde.225 Der Anteil der Energie- und Umweltsteuern am BIP in Nordeuropa ist höher als in anderen Industrieländern. Die größte Bedeutung weisen die Energie- und Umweltsteuern in Norwegen auf. Im Jahre 1995 betrugen die entsprechenden Einnahmen 50,8 Mrd. nkr. Dies entspricht 6 % des BIP und 15 % der gesamten Steuereinnahmen.226 In Schweden bezifferten sich die Einnahmen aus Energie- und Umweltsteuern im Jahre 1994 auf 47 Mrd. skr, was 6 % der gesamten Steuereinnahmen und 3 % des BIP entspricht.227 Zum Vergleich: Der OECD-Durchschnittswert liegt bei 2,5 % des BIP.228 Im gesamten nordischen Raum existieren allerdings für Unternehmen der energieintensiven Branchen erhebliche Ausnahmeregelungen.229 Vergleichsweise niedrig werden in Skandinavien Grundbesitz und Vermögen besteuert. In Schweden ist für ein Vermögen von über 900 000 skr eine Vermögensteuer von 1,5 % zu zahlen.230 Für Eigenheime, Mietshäuser, landwirtschaftliche Betriebe und gewerblich genutzte Gebäude ist zudem eine staatliche Grundsteuer zu entrichten. Sie beträgt je nach Nutzung zwischen 0,5 % (für Gewerbe) und 1,2 % (Eigenheime) des so genannten Einheitswerts. Der Einheitswert soll etwa 75 % des Marktwerts entsprechen.231 Als Besonderheit weist Norwegen eine Investitionsteuer von 7 % auf den Kauf von Kapitalgütern auf. In Anbetracht der hohen volkswirtschaftlichen Kosten dieser Steuer wird derzeit deren Abschaffung diskutiert.232

2. Die Zusatzlast der Besteuerung Die Analyse der Wirkungen einer steuerfinanzierten öffentlichen Produktion erhält ihre theoretische Grundlage durch die Theorie der optimalen Besteuerung. Im Rahmen der einschlägigen Forschungsarbeiten werden dabei die vielfältigen Wohlfahrtsverluste einer Besteuerung analysiert und Leitlinien für den Aufbau eines Steuersystems erstellt.233 Die bedeutendste volkswirtschaftliche Wirkung einer 225 Vgl. Harrison / Kriström (1999), S. 59; Mortensen / Hauch (1999), S. 4; Christiansen / Gren (1999), S. 16. 226 Vgl. Christiansen / Gren (1999), S. 16 – 17. 227 Vgl. Harrison / Kriström (1999), S. 63. 228 Vgl. van den Noord (2000), S. 22. 229 In Schweden galten 1993 für ungefähr 100 Unternehmen Sonderklauseln. Vgl. Harrison / Kriström (1999), S. 61. 230 Vgl. Schwedisches Institut (2000c), S. 1. 231 Vgl. Schwedisches Institut (2001b), S. 2. 232 Vgl. van den Noord (2000), S. 22. 233 Vgl. Samuelson (1986), S. 137 – 143; Diamond / Mireless (1971), S. 8 – 27, 261 – 278; Mireless (1971), S. 175 – 208; Atkinson / Stiglitz (1976), S. 55 – 75; Feldstein (1976), S. 77 – 104.

V. Gesamtwirtschaftliche Wirkungen einer steuerfinanzierten Pflege

151

Finanzierung der Pflegeleistungen über Steuermittel ist die Zusatzlast der Besteuerung („excess burden“ oder „deadweight loss“).234 Diese Zusatzlast ergibt sich aus der Veränderung der Allokations- und Dispositionsentscheidungen in der Volkswirtschaft. Die Individuen entscheiden sich bei Beauflagung mit Steuerlast beispielsweise für andere Investitionsmöglichkeiten oder für einen anderen Wohnort. Die gewählte Güterkombination nach Steuern weicht durch diese Anpassungsund Ausweichreaktionen von der nutzenoptimalen vor Steuern ab. Es entsteht ein Wohlfahrtsverlust. Der Nutzen von bereitgestellten öffentlichen Gütern steht ab einem bestimmten Steuersatz in keinem zu rechtfertigenden Verhältnis zu den Kosten der Einnahmenerzielung des Staates. Die absolute Grenze der Besteuerung ist zwar erst dann erreicht, wenn ein erhöhter Steuersatz zu einer Verringerung der Steuereinnahmen führt, der Steuersatz sich also auf dem abfallenden Ast der Laffer-Kurve befindet. Aber selbst wenn ein Anstieg des Steuersatzes noch zu einer Zunahme der Steuereinnahmen führt, kann die Zusatzlast der Besteuerung hohe volkswirtschaftliche Kosten verursachen, die den Nutzen der daraus finanzierten öffentlichen Güter übersteigen.235 Die Höhe der Zusatzlast ist im Wesentlichen vom Umfang der Ausweichreaktionen abhängig. Eine exakte Berechnung der Höhe des excess burden bzw. des Standorts auf der Laffer-Kurve ist schwierig, müssten doch hierzu u. a. auch genaue Elastizitätswerte bekannt sein. Die Zusatzlast ist aber insbesondere dann erheblich, wenn die besteuerte Aktivität eine hohe Elastizität aufweist.236 Damit ist bei gleichem Steuersatz der excess burden bei der Kapitalbesteuerung typischerweise höher als bei der Besteuerung von Arbeitseinkommen. Eine Untersuchung von Ballard, Shoven und Whalley zeigte, dass der Umfang des excess burden substanziell sein kann.237 Unter realistischen Elastizitätsannahmen berechneten sie für die USA, dass eine Erhöhung der Steuerquote um 1 % einen Wohlfahrtsverlust zwischen 17 und 56 Cents pro Dollar an Steuereinnahmen erbringt. Diese hohen Wohlfahrtsverluste in den USA lassen vermuten, dass in den nordischen Ländern mit deutlich höheren Steuersätzen beträchtlichere Zusatzlasten der Besteuerung auftreten. Verschiedene Analysen des schwedischen Steuersystems von 1979 durch Hansson ergaben, dass sich Schweden zu diesem Zeitpunkt in der Nähe des Gipfelpunkts der Laffer-Kurve befand.238 Unter bestimmten Modell-Annahmen sieht Hansson Schweden sogar auf dem absteigenden Ast der Laffer-Kur234 Vgl. Due / Friedländer (1973), S. 230 – 233; Buchanan / Brennan (1980), S. 33 – 53; Diamond / McFadden (1974), S. 3 – 21; Corlett / Hague (1953), S. 21 – 30. 235 Vgl. Hansson (1984), S. 115; Kay (1980), S. 111 – 119; Browning (1987), S. 11 – 23; Atkinson (1983), S. 295 – 314. 236 Vgl. Samuelson (1986), S. 137 – 143. 237 Vgl. Ballard / Shoven / Whalley (1985), S. 128 – 140. Ähnliche Ergebnisse resultieren aus einer Untersuchung von Stuart (1984), S. 352 – 362. 238 Vgl. Hansson / Stuart (1985), S. 331 – 353.

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E. Die Finanzierung der Pflege

ve. Feige und McGee erhielten ein ähnliches Ergebnis. Nach ihrer Untersuchung lag Schweden 1979 unter realistischen Elastizitätsannahmen mit einem durchschnittlichen effektiven Steuersatz von 62 % tatsächlich bereits im Bereich der negativen Grenzeinnahmen. In ihrer Studie machen die beiden Ökonomen deutlich, dass bei einem durchschnittlichen effektiven Steuersatz von 54 % der öffentliche Haushalt Schwedens die gleichen Steuereinnahmen erzielt hätte. Nach ihrer Berechnung hätte diese Steuersenkung allerdings substanzielle Wohlfahrtsgewinne von mindestens 57,4 Mrd. skr erbracht, was etwa 16 % des BIP entsprochen hätte.239 Eine Erhöhung des Steuersatzes führte damit in diesem Land zu einer Verringerung der Steuereinnahmen.240

3. Die Zusatzlast der kommunalen Einkommensteuer und der Sozialversicherungsbeiträge Um die Wohlfahrtswirkungen der Pflegefinanzierung in Nordeuropa zu betrachten, ist der Umfang des excess burden bei der kommunalen Einkommensbesteuerung zu untersuchen. Um die entsprechende gesamtwirtschaftliche Wirkung zu verdeutlichen, ist es angebracht, die Zusatzlast der kommunalen Einkommensteuer mit der Zusatzlast einer Absicherung über eine Sozialversicherung zu vergleichen. Da es sich bei einem Sozialversicherungsbeitrag quasi ebenfalls um eine Besteuerung des Einkommens handelt, tritt ein Großteil der Zusatzlast bei beiden Absicherungsformen auf.241 Die Besteuerung des Arbeitseinkommens führt bei beiden Varianten dazu, dass der Anreiz sinkt, einer steuerpflichtigen Tätigkeit nachzugehen. Mit zunehmendem Steuersatz bzw. Sozialversicherungsbeitrag nimmt die Motivation der Bürger zu, in die Schattenwirtschaft abzuwandern. Der Umfang der Ausweichreaktionen ist dabei von der Elastizität des Arbeitsangebots abhängig. Empirische Untersuchungen zeigten, dass Frauen deutlich elastischer auf Lohnsteuererhöhungen reagieren als Männer.242 Insbesondere Personen mit hohem Einkommen weisen eine hohe Mobilität auf, so dass sie bei Steuererhöhungen überproportional häufig ihren Wohnort wechseln. Der Arbeitgeber kann diese Ausweichreaktionen etwas dämpfen, indem er seinen hochqualifizierten Arbeitnehmern bestimmte (steuerfreie) Vergünstigung (fringe benefits) anbietet. Ein Teil der Zusatzlast der kommunalen Einkommensteuer und des Sozialversicherungsbeitrags besteht zudem darin, dass die Berufswahl beeinflusst wird. Bei einer hohen Steuerlast für hohe Einkommen sinkt der Anreiz, eine höhere Bildung anzustreben oder sich weiterzubilden. Die Humankapitalbildung fällt mangelhaft aus. Zudem werden Arbeiten vorgezogen, die steuerlich schwierig zu erfassen sind, die steuerfreie Annehmlichkeiten mit sich bringen und die sich gut mit Schwarzarbeit verbinden lassen. 239 240 241 242

Vgl. Feige / McGee (1983), S. 499 – 519. Vgl. Hansson (1984), S. 125, 128. Vgl. Gordon (1983), S. 16 – 22. Vgl. Eklind / Eriksson / Holmberg (1997), S. 67.

V. Gesamtwirtschaftliche Wirkungen einer steuerfinanzierten Pflege

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Ein zunehmendes Arbeitsangebot in diesen damit attraktiv gewordenen Beschäftigungsbereichen führt dort aber – bei einem nicht völlig regulierten Arbeitsmarkt – zu einem Sinken der Löhne. Berufe, deren Vorzüge weitgehend der Steuer unterworfen sind, verzeichnen dagegen einen Rückgang des Arbeitsangebots und damit steigende Löhne. Es entwickelt sich eine Einkommensungleichheit zwischen den steuerlich attraktiven und den steuerlich weniger attraktiven Berufen. Die Zusatzlast ist generell zum einen dann sehr hoch, wenn die Steuersätze beträchtlich sind. Als einfache Faustregel gilt dabei, dass die Höhe des excess burden mit dem Quadrat des Steuersatzes wächst. Zum anderen hängt die Zusatzlast vom Verlauf des Steuertarifs ab. Bei einer progressiven Steuer ergibt sich ein deutlich höherer excess burden als bei einer „flat rate“. So werden bei einem progressiven Tarif vorzugsweise Tätigkeiten gewählt, bei denen das Jahreseinkommen nicht zu sehr schwankt. Hohe Einkommensschwankungen führen hier bei gleichem Lebenseinkommen zu einer höheren Steuerbelastung. Der progressive Tarif verringert damit die Attraktivität einer Selbstständigentätigkeit und erhöht die einer Beschäftigung im öffentlichen Dienst. Die kommunale Einkommensteuer und die Sozialversicherungsbeiträge weisen eine „flat rate“ Struktur auf. Der Tarifverlauf führt damit zu keinen verschiedenartigen Zusatzlasten. Der excess burden ist allerdings bei der Absicherungsvariante mit dem höheren einheitlichen Steuersatz größer. Eine unterschiedliche Zusatzlast im Vergleich der beiden Absicherungsformen resultiert daraus, dass die Höhe der kommunalen Einkommensteuer zwischen den Gemeinden differiert, während bei einer Sozialversicherung die Beiträge typischerweise in einem Land einheitlich festgesetzt sind. Bei einer kommunalen Einkommensteuer wird durch die unterschiedlichen Steuersätze eine Beeinflussung der Wohnortwahl ausgelöst. Bei einer Sozialversicherung tritt diese negative Wohlfahrtswirkung nicht auf. Eine gewisse Verzerrung ergibt sich hierbei nur dadurch, dass einige Personen ins Ausland abwandern. Diese Wirkung ist aber auch bei der kommunalen Einkommensteuer anzutreffen. Das Differential der Zusatzlast zwischen der kommunalen Einkommensteuer und dem Sozialversicherungsbeitrag wäre noch größer, wenn jede Kommune einen eigenen progressiven Steuertarif festlegen könnte. Aus Wohlfahrtsgründen ist es günstig, die Progression auf die zentralstaatliche Ebene zu verlagern. Ein weiterer Unterschied in der Zusatzlast ergibt sich aus der Existenz einer Beitragsbemessungsgrenze bei der Sozialversicherung. Die Steuerschuld von gut verdienenden Personen wird durch dieses Konstruktionsmerkmal nicht auf ihr gesamtes Einkommen, sondern maximal nur auf den Betrag in Höhe der Beitragsbemessungsgrundlage festgesetzt. Bei der kommunalen Einkommensteuer existiert eine solche Trennlinie nicht. Bei Personen mit hohem Einkommen richtet sich die Steuerzahlung nach dem Gesamteinkommen. Da gut verdienende Personen elastischer auf Steuerzahlungen reagieren, ist bei der kommunalen Einkommensteuer mit bedeutenden Ausweichreaktionen zu rechnen. Der excess burden ist damit hier höher als bei einer Sozialversicherung.

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E. Die Finanzierung der Pflege

Ein weiterer wesentlicher Unterschied in der Zusatzlast der beiden Absicherungsformen kann sich dann ergeben, wenn die kommunale Einkommensteuer auch Kapitaleinkommen erfasst. Sozialversicherungsbeiträge sind typischerweise nicht auf Kapitaleinkommen zu zahlen. Da Kapitaleinkommen wesentlich elastischer auf eine Steuererhebung reagiert als Arbeitseinkommen, wären in diesem Fall die Ausweichreaktionen und damit die Allokationsverzerrungen einer kommunalen Einkommensteuer deutlich größer als bei einer Sozialversicherung. Das einzige der hier betrachteten Länder, bei denen die kommunale Einkommensteuer auch Kapitaleinkommen umfasst, ist Dänemark. In diesem Land ist die Zusatzlast der kommunalen Einkommensteuer damit nicht nur höher als bei einer Sozialversicherungslösung, sie ist unter diesem Gesichtspunkt auch größer als bei der kommunalen Einkommensteuer in Schweden und Norwegen. Insgesamt zeigt sich, dass die Finanzierung der Pflege über eine kommunale Einkommensteuer zu einer erheblichen Zusatzlast und damit einem bedeutenden Wohlfahrtsverlust führt. Unter dem Gesichtspunkt der Zusatzlast weist die steuerfinanzierte Pflegeabsicherung zudem höhere volkswirtschaftlichen Kosten als eine Absicherung über eine Sozialversicherung auf.

4. Moral hazard Verhalten im System der Pflegeabsicherung Eine Wohlfahrtseinbuße kann durch Moral hazard Verhalten hervorgerufen werden.243 Unter der Bezeichnung Moral hazard (moralisches Risiko) wird in der Versicherungsökonomie eine Verhaltensänderung einer Person verstanden, die durch die Existenz einer Versicherung ausgelöst wird. Ein Moral hazard Verhalten wäre im Bereich der Pflegeabsicherung dann zu beobachten, wenn eine Person Pflegebedürftigkeit vortäuscht, um Leistungen zu erhalten. Die Einkommensteuerschuld dieser Person verringerte sich, stattdessen erhielte sie öffentliche Leistungen. Ihr Verhalten führte tendenziell zu einem Defizit in ihrem Steuer-Transfer-Saldo. Diese Person würde sich nicht mehr an der volkswirtschaftlichen Wertschöpfung beteiligen und weniger oder keine Einkommensteuer zahlen. Die Einführung der Pflegefürsorge führt dann zu einer geringeren Wertschöpfung und einer Verschlechterung der Situation des öffentlichen Haushalts. Es ist aber unklar, ob eine solche Wirkungskette real eintritt. Im Allgemeinen wird davon ausgegangen, dass im Pflegebereich ein eher geringer Anreiz für ein solches Verhalten besteht.244 Zum einen ist das Vortäuschen einer Pflegebedürftigkeit komplizierter und aufwendiger als bei anderen Versicherungsrisiken, zum anderen folgt aus der Pflegebedürftigkeit auch eine bedeutende Nutzeneinbuße, die meist in keinem Verhältnis zum Nutzen der Vortäuschung stehen dürfte. Zudem werden Pflegeleistungen häufig als Sachleistungen gewährt, so dass sie nur bedingt 243 244

Zum Begriff „Moral hazard“ vgl. Pauly (1968), S. 531 – 537. Vgl. Thiede (1990).

VI. Analyse von distributiven Aspekten

155

als Lohnersatzleistungen empfunden werden. In dieser Form ist ein Moral hazard Verhalten deshalb eher unwahrscheinlich. Vorstellbar ist allerdings, dass eine bereits pflegebedürftige Person höheren Pflegebedarf vortäuscht, um vermehrte Leistungen zu erhalten. Moral hazard Verhalten ist zudem in Bezug auf Einrichtungen bzw. Wohnungen, die zur Versorgung von Personen mit niedrigem Pflegebedarf vorgesehen sind, zu erwarten. Hier sind die Bedarfsprüfungen in der Regel wenig trennscharf bzw. durch Vortäuschung leicht zu umgehen. Moral hazard Verhalten ist damit insbesondere bei den in Nordeuropa sehr verbreiteten altersgerechten Wohnungen bzw. Servicewohnungen zu erwarten. Auch im Bereich der Hilfe bei häuslichen Tätigkeiten besteht ein erheblicher Anreiz, Bedarf zu simulieren. Da insbesondere ältere Menschen häufig vielfältige Leiden aufweisen, ist die Vortäuschung eines entsprechenden Bedarfs unkompliziert. Manche Ökonomen meinen, dass die Erbringung von Pflegeleistungen dazu führt, dass Bedürftige einen größeren Anreiz besitzen, eine Verlängerung ihres Lebens anzustreben.245 Eine solche Verhaltensänderung, die durch die Pflegefürsorge ausgelöst werden kann, tangiert den öffentlichen Haushalt. Inwieweit die Bereitstellung von Pflegeleistungen aber auch in der Realität zu einem solchen Verhalten führt, konnte empirisch noch nicht hinreichend festgestellt werden. Eine Unterdrückung solchen Moral hazard Verhaltens wäre auch schwierig zu realisieren. Denkbar wäre, dass der Bedürftige durch die Pflegeversicherung nur eine Einmalzahlung für die Pflegefürsorge erhält, die sich an seiner Lebenserwartung und am Pflegeverlauf orientiert. Da über den zukünftigen Lebensverlauf aber nur grobe Schätzungen möglich sind, ist dieses Verfahren sehr fehleranfällig. Aber selbst bei perfekter Information wäre eine Einmalzahlung nicht praktikabel. Wenn der Bedürftige diese Leistung aufgebraucht hat, aber weiter Bedarf besteht, müssten ihm in einem Sozialstaat weitere Pflegeleistungen zugestanden werden. Ein rational handelnder Bedürftiger würde dies antizipieren und möglichst schnell seine einmalig empfangene Leistung ausgeben und danach weitere Pflegeleistungen beanspruchen. Insgesamt ist Moral hazard bei der Pflegeabsicherung zumindest nicht völlig zu vernachlässigen. Ein solches Verhalten ist aber in erheblichem Umfang von der Ausgestaltung der Verträge und von der Kontrolle durch den Leistungserbringer abhängig. Hier können Vorkehrungen getroffen werden, um entsprechendes Verhalten zu begrenzen.

VI. Analyse von distributiven Aspekten Mit der Finanzierung der Pflege nach dem Sozialprinzip werden auch verteilungspolitische Ziele verfolgt. Eine Bewertung von Verteilungsfragen ist generell nicht unproblematisch, da hierbei Werturteile kaum umgangen werden können. 245

Vgl. Diamond (1977), S. 279 – 281.

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E. Die Finanzierung der Pflege

Fraglich ist bereits, ob der Staat die Pflegeabsicherung als Instrument zur Einkommensumverteilung einsetzen sollte. Umverteilungswirkungen ergeben sich in der steuerfinanzierten Pflege dadurch, dass jeder Steuerpflichtige an der Bereitstellung der Pflegefürsorge im Umfang seiner Steuerzahlungen beteiligt ist und die Höhe dieses Beitrags in keinem Zusammenhang zum Leistungsanspruch steht. Eine Person mit hoher Steuerbelastung besitzt den gleichen Anspruch auf Pflegeleistungen wie eine Person, die nur wenige Steuern zahlt. Auch eine Beziehung zwischen der Höhe des Risikos und dem Umfang der entrichteten Steuern besteht nicht. Im Folgenden werden die sich daraus ergebenden Distributionswirkungen analysiert.

1. Interpersonelle Umverteilung Die Beziehung zwischen dem Einkommen und der Steuerzahlung ist in einem steuerfinanzierten System von der Steuerart abhängig. In Nordeuropa erfolgt die Finanzierung der Pflege vorwiegend über die kommunale Einkommensteuer. Bei dieser Steuer steigt die Steuerschuld mit steigendem Einkommen. Damit besteht eine positive Korrelation zwischen dem Einkommen und der zu zahlenden Steuer. Da zwischen dem Einkommen und dem Pflegerisiko kein offensichtlicher Zusammenhang besteht, tragen Personen mit hohem Einkommen mehr zur Finanzierung der Pflege bei als Personen mit niedrigem Einkommen, obwohl beide den gleichen Leistungsanspruch besitzen. Es erfolgt damit eine Umverteilung von den gut verdienenden Bürgern zu denen mit niedrigerem Einkommen. Personen mit hoher Steuerzahlung subventionieren diejenigen Personen, die einer geringen Steuerbelastung unterliegen. Da die Pflegewahrscheinlichkeit in keinem Zusammenhang zum Finanzierungsbeitrag steht, profitieren von einem solchen System tendenziell Bürger mit hohem Pflegerisiko während Personen mit niedrigem benachteiligt werden. Eine weitere interpersonelle Umverteilung wird zwischen den Geschlechtern vorgenommen. Da Frauen tendenziell ein niedrigeres Erwerbseinkommen erzielen als Männer, zahlen sie während der Zeit der Berufstätigkeit eine geringere Einkommensteuer. Zudem legen sie im Zusammenhang mit Schwangerschaften und Erziehungsurlauben eine geringere Lebensarbeitszeit zurück, wodurch ihre Einkommensteuerschuld um weitere Punkte niedriger ist. Die zu erwartenden Pflegekosten von Frauen sind – durch deren höhere Lebenserwartung bedingt – aber höher als die von Männern. Damit ergibt sich die Situation, dass Frauen im Vergleich zu Männern tendenziell mehr Pflegeleistungen beziehen, aber weniger zur Finanzierung der Pflegevorsorge beitragen. Im Ergebnis führt die steuerfinanzierte Pflege zu einer deutlichen Umverteilung zwischen den Geschlechtern. Männer subventionieren mit ihren Finanzierungsbeitrag Frauen.

VI. Analyse von distributiven Aspekten

157

Im Vergleich mit einer Pflegeabsicherung, die über private, nach dem Kapitaldeckungsverfahren kalkulierende Versicherungsunternehmen vorgenommen wird, erfolgt damit eine erhebliche interpersonelle Umverteilung innerhalb der Bevölkerung. Da von der Umverteilung Personen mit niedrigem Einkommen profitieren, kommt es hierdurch zu einer Glättung der Einkommensunterschiede. Nach einer Studie von Fritzell, der allerdings nicht nur die Pflege, sondern sämtliche öffentliche Ausgaben betrachtet, sinkt durch die interpersonellen Umverteilungseffekte in Schweden der Gini-Koeffizient der Einkommensverteilung um ungefähr 40 % von 0,519 auf 0,313.246 Einschränkend ist anzumerken, dass Fritzell die Möglichkeit der Überwälzung von Steuern und Transfers im Wesentlichen per Annahme ausschließt.

2. Intertemporale Umverteilung Eine zweite Umverteilung ergibt sich bei einem steuerfinanzierten Pflegesystem zwischen den verschiedenen Altersgruppen. Da das Pflegerisiko in enger Korrelation zum Alter eines Menschen steht, erhalten Hochbetagte häufiger Pflegeleistungen als jüngere Personen. Die Höhe der Steuerzahlungen ist bei älteren Pflegebedürftigen aber tendenziell geringer als bei jüngeren, erwerbstätigen Menschen. Damit ergibt sich eine Umverteilung vom jüngeren zum älteren Teil der Bevölkerung. Da angenommen wird, dass das Einkommen im Alter sinkt, soll via Umverteilung eine Aufrechterhaltung des Lebensstandards möglich werden. Durch eine steuerfinanzierte Pflege wird eine gleichmäßige Verteilung des Einkommens über das Leben eines Menschen angestrebt. Der Hintergrund dieses staatlichen Eingriffs liegt in der Ansicht begründet, dass Personen zukünftige Bedürfnisse unterschätzen. Sie treffen nicht selbst eine entsprechende Vorsorge, um die Höhe des verfügbaren Einkommens zu glätten. Diese meritorische Sichtweise wurde bereits in Kapitel B. näher erläutert. Ein Großteil der Umverteilung erfolgt innerhalb des Lebenszyklus eines Menschen.247 Die Umverteilung zwischen Jung und Alt kann damit nur zum Teil als interpersonelle Umverteilung angesehen werden. So leistet eine 55-jährige Person zwar höhere Steuerzahlungen als sie in diesem Alter an Pflegeleistungen zurückerhält; einige Jahre später, wenn sie selbst pflegebedürftig wird, kann sie allerdings auf die Unterstützung der jüngeren Generation hoffen und von diesem System profitieren. Eine Umgestaltung des Sozialsystems kann jedoch zu einer Ungleichbehandlung verschiedener Generationen, also zu intergenerationeller Ungerechtigkeit, führen. Es ist möglich, dass eine Person während des Erwerbslebens hohe Steuerzahlungen tätigt und darauf vertraut, im Pflegefall einen angemessenen Anspruch auf Leistungen zu besitzen, im Schadenfall dann aber von Kürzungen im 246 247

Vgl. Fritzell (1994), S. 38 – 42. Vgl. Plovsing (1994), S. 42 – 43.

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E. Die Finanzierung der Pflege

Pflegeangebot betroffen wird. Diese Person hätte damit zwar jahrzehntelang auf der Geberseite der intertemporalen Umverteilung gestanden, im Pflegefall würde sie aber nur unzureichend von der jüngeren Bevölkerungsgruppe unterstützt. Die Wahrscheinlichkeit, dass eine solche Situation eintritt, ist besonders bei den Bürgern hoch, die zu geburtenstarken Jahrgängen gehören. Wenn eine solche Generation in einen höheren Altersbereich hineinwächst, ist zu erwarten, dass die erhöhte Nachfrage nach Pflegeleistungen nicht ausreichend gedeckt wird bzw. die Pflegequalität sinkt.

3. Intertemporale und interpersonelle Umverteilung im Vergleich Der Umfang der intertemporalen in Relation zur interpersonellen Umverteilung ist schwierig zu beziffern. Das schwedische Finanzministerium hat trotzdem versucht, mit Hilfe von Paneldaten und einer Simulation verschiedener Lebensläufe zu einem einigermaßen aussagekräftigen Ergebnis zu gelangen.248 Dabei wurde ermittelt249, dass ca. 50 % aller Transfers und sonstiger Sozialleistungen nur eine Glättung des Einkommens des Steuerpflichtigen über den eigenen Lebenszyklus hinweg bewirken, d. h. die relativ hohen Steuern seiner Erwerbsphase fließen gewissermaßen an den Steuerbürger zurück so als hätte er dem Staat nur ein Darlehen gewährt. Weitere 25 % sind gar nur ein „Rundlauf“ innerhalb eines Jahres. Dass nicht weniger als 75 % der Sozialleistungen keinerlei interpersonelle Umverteilung bewirken und gewissermaßen nur ein Substitut für Ersparnisbildung und private Versicherung darstellen, mag erstaunen – der Grund für diese sehr hohe Quote ist aber auch, dass die meisten Transferleistungen einkommensteuerpflichtig sind. Nur die restlichen 25 % sind eine Umverteilung zwischen verschiedenen Personen, wobei von gut verdienenden zu Personen mit niedrigerem Einkommen umverteilt wird. Damit überwiegt in Schweden der intertemporale gegenüber dem interpersonellen Transfer. Die Absicherung erfolgt damit vorwiegend über einen Einkommenstransfer aus der Erwerbs- in die Altersphase. Um die schwedischen Daten bewerten zu können, seien zum Vergleich die Umverteilungswirkungen des Sozialsystems in Großbritannien genannt. In diesem Land werden über den Lebenszyklus 45 % (Swd: 50 %), zwischen den Personen 38 % (Swd: 25 %) und als jährlicher Rundlauf bei einer Person 17 % (Swd: 25 %) umverteilt.250 Das britische Sozialund Steuersystem weist damit eine anteilmäßig größere interpersonelle Umverteilung als das des schwedischen Wohlfahrtsstaates auf. Diese bemerkenswerte Feststellung wird von den schwedischen Ökonomen mit dem höheren Rentenniveau in ihrem Land begründet. Damit erhält ein größerer Teil der Menschen innerhalb seines Lebens etwa das zurück, was er früher als Steuern zahlte. Ergänzend kann dazu 248 Zum Aufbau des Simulationsmodells und den Berechnungsmethoden siehe Eklund (1994b), S. 67 – 109. 249 Vgl. Eklund (1994b), S. 39 – 48. 250 Vgl. Eklund (1994b), S. 48 – 50.

VI. Analyse von distributiven Aspekten

159

gesagt werden, dass eine ähnliche Rolle auch die beträchtlichen Pflegeleistungen in Schweden spielen dürften. Der größere Teil des jährlichen „Rundlaufes“ in Schweden im Vergleich zu Großbritannien ergibt sich vorwiegend daraus, dass in Großbritannien eine Reihe von Transferleistungen steuerfrei sind.251 Die Ergebnisse dieser Studien können allerdings nur eine grobe Annäherung an die tatsächlichen Verteilungsprozesse sein. Um diese genauer berechnen zu können, müssten Informationen vorliegen, wie sich der Umfang der Steuerbelastung bzw. die Höhe der Leistungen im Zeitablauf ändern werden.

4. Bewertung der Umverteilung Eine Umverteilung zugunsten gering verdienender Personen ist vom Gesetzgeber beabsichtigt. Als ein Grundelement eines Wohlfahrtsstaates wird die Solidarität innerhalb der Gesellschaft angesehen. Finanziell bessergestellte Personen sollen die weniger Vermögenden unterstützen. Dahinter verbirgt sich das Werturteil, dass eine Gleichheit aller Menschen erstrebenswert ist. Obwohl diese Ansicht bereits im Ansatz Schwierigkeiten bereitet (Was ist Gleichheit und ist die Herbeiführung einer wie auch immer definierten Gleichheit ein Gebot der Gerechtigkeit? Lässt sich ein solches Postulat rational begründen?),252 prägt diese Grundidee die Sozialpolitik nicht nur in Skandinavien. Eine wesentliche Ursache für das Vorhandensein von Umverteilungselementen in den Sozialsystemen nennt die ökonomische Theorie der Politik.253 Der Politiker orientiert sich bei seinem Ziel der Wählerstimmenmaximierung am Medianwähler und versucht dessen Stimme zu gewinnen. Die Politiker werden sich damit für ein Sozialsystem einsetzen, das für den Medianwähler Nettoerträge erbringt. Da das Einkommen des Medianwählers kleiner ist als das Durchschnittseinkommen der Bevölkerung, wünscht dieser eine Umverteilung. Dabei ist aber zu beachten, dass sich in der Realität der Verteilungskampf innerhalb der Bevölkerung vorwiegend innerhalb der mittleren Einkommensbereiche abspielt. Die Bevölkerungsschicht mit hohen Einkommen ist in der Regel zu klein und in ihren Reaktionen zu flexibel, um die größere Gruppe der Personen mit niedrigen Einkommen durch Umverteilung merklich besserzustellen. Als Folge ist es möglich, dass die Last der Umverteilung im überwiegendem Maße von den mittleren Einkommen getragen wird. Die Verflechtung der finanziellen Absicherungssysteme mit Umverteilungselementen birgt aber noch weitere Schwierigkeiten. Ein erheblicher Teil der Steuerpflichtigen könnte die fehlende Äquivalenz zwischen Steuerzahlung und Leistungsanspruch erkennen und sich einer höheren Besteuerung durch Abwanderung in die Schwarzarbeit entziehen. Damit wäre zu erwarten, dass durch solche Aus251 252 253

Vgl. Eklund (1994b), S. 39 – 51. Vgl. Sen (1992), S. 12 – 30, 117 – 128; Rawls (1975); Hayek (1988), S. 127 – 129. Vgl. Sen (1979), S. 161 – 172; Atkinson (1983), S. 93 – 105.

160

E. Die Finanzierung der Pflege

weichreaktionen der tatsächliche Umverteilungseffekt oft wesentlich hinter der gewünschten Wirkung zurückbleibt. Es können aber auch Umverteilungswirkungen auftreten, die in der Form nicht vorgesehen waren. So ist zu berücksichtigen, dass die Möglichkeit zur Schwarzarbeit in den einzelnen Branchen unterschiedlich ausgeprägt ist. Damit führt eine Umverteilung zu einer Bevorzugung der Berufsgruppen mit erheblichen Schwarzarbeitpotenzial. Es ist es denkbar, dass die gesamte Bevölkerung durch den dann unvermeidlichen Rückgang der Steuereinnahmen schlechtergestellt wird als vor bzw. ohne der Umverteilung.254 Dass der Empfänger einen geringeren Betrag erhält als der Geber verliert, ist aus der Sicht derjenigen Ökonomen, die einen interpersonellen Nutzenvergleich vornehmen zu können glauben oder die Existenz einer so genannten sozialen Wohlfahrtsfunktion unterstellen, allerdings noch kein Hinweis auf einen Wohlfahrtsverlust. Entscheidend ist für sie, wie die Personen die jeweiligen Beträge wichten, also welchen Nutzen sie ihnen stiften bzw. welche Nutzeneinbuße sie empfinden.255 Die Bewertung der Nutzenänderungen ist zudem von der unterstellten sozialen Wohlfahrtsfunktion abhängig.256

VII. Selbstbeteiligungen der Pflegebedürftigen in Nordeuropa 1. Der Umfang der Selbstbeteiligungen a) Ein Überblick Die Gemeinden verfügen in Skandinavien über das Recht, für Leistungen der stationären und teilstationären Betreuung sowie für einen Teil der ambulanten Fürsorge Selbstbeteiligungen zu erheben. Auch bei der Ausgestaltung der Selbstbeteiligungssätze besitzen sie gewisse Entscheidungsspielräume. Selbstbeteiligungen stoßen dabei selten auf nennenswerten Widerstand. Sie werden als selbstverständlich angesehen.257 Die Eigenbeteiligungen 258 werden dabei überwiegend einkommensabhängig erhoben.259 Der Anteil der Eigenbeiträge an der Finanzierung der Pflege differiert etwas zwischen den nordischen Ländern.260 Dänemark weist den geringsten Anteil an Selbstbeteiligungen auf. In diesem Land werden etwa 4 % der Pflege auf diese Vgl. Bénabou (2000), S. 317 – 339. Vgl. Bird (1993). 256 Vgl. Sen (1979), S. 131 – 151. 257 Vgl. Preusker (2001a), S. 11. 258 Die Begriffe Selbstbeteiligung, Eigenbeiträge, Eigenbeteiligung und Zuzahlung werden synonym verwendet. 259 Vgl. Szebehely (2000), S. 200. 260 Die Werte stammen aus den Jahren 1992 bis 1995. Vgl. ESO (1999), S. 145. 254 255

VII. Selbstbeteiligungen der Pflegebedürftigen in Nordeuropa

161

Weise finanziert, wobei solche Eigenbeteiligungen in nennenswertem Umfang nur in der stationären Betreuung zu bezahlen sind. In Schweden wird die stationäre Fürsorge zu 12 % über Eigenbeteiligungen finanziert. Im ambulanten Bereich ist der Prozentsatz niedriger. So liegt der Anteil der Zuzahlungen im Bereich des Heimdiensts (hemtjänst) bei 5 %. In Norwegen ist der Umfang der Selbstbeteiligungen – insbesondere im stationären Bereich – am höchsten. Die Finanzierung der Alten- und Pflegeheime wird hier zu 15 % durch Selbstbeteiligungen realisiert. In der ambulanten Betreuung beträgt der Anteil 5 %. Da der Anteil der Eigenbeteiligungen zwischen den Kommunen etwas differiert, sind die genannten Werte in allen Ländern als Durchschnittsgrößen zu verstehen. Im Vergleich mit Ländern außerhalb des nordischen Raums sind diese Anteile eher niedrig. In den Niederlanden wird die Betreuung in den Pflegeheimen zu 38 % und im ambulanten Sektor zu 14 % über Selbstbeteiligungen finanziert. In Großbritannien liegt der Anteil der Eigenbeiträge bei der stationären Fürsorge bei 30 % und in der häuslichen Versorgung bei 9 %.261

b) Der ambulante Sektor Im ambulanten Bereich wird zwischen der häuslichen Hilfe und der Krankenpflege unterschieden. Die häusliche Hilfe unterstützt die Bedürftigen vorwiegend im Haushalt, die Krankenpflege leistet medizinische Fürsorge.262 Für letztere ist in allen betrachteten Ländern keine Selbstbeteiligung zu bezahlen. Die häusliche Hilfe ist in Schweden und in Norwegen zuzahlungspflichtig. Für die Gesamthöhe der Eigenbeiträge ist eine Obergrenze pro Pflegebedürftigen definiert; wenn diese innerhalb eines Jahres erreicht wurde, ist für jede weitere Betreuung keine Zahlung mehr zu entrichten.263 Die Höhe der Selbstbeteiligung beträgt z. B. in der schwedischen Kommune Helsingborg sowohl für den Wohnservice als auch für den häuslichen Heimdienst maximal 1 600 skr im Monat. Für Hilfen bei der persönlichen Hygiene wird noch eine weitere Beteiligung von 100 skr pro Monat verlangt.264 In Dänemark ist die dauerhafte häusliche Hilfe seit 1989 unentgeltlich.265 Nur für die so genannte mittelfristige Hilfe sind Zuzahlungen zu leisten. Für bestimmte kommunale Servicedienste der häuslichen Hilfe, wie Schneeräumen oder Gartenarbeiten, müssen allerdings auch die dänischen Bürger, die langfristig versorgt werden, eine Eigenbeteiligung tragen. In der Kommune Aalborg beträgt diese beispielsweise für die Gartenarbeit bei einem Grundstück bis 500m2 250 dkr im Jahr, bei einer Fläche von 500 bis 1000m2 500 dkr im Jahr und bei einem Grundstück 261 262 263 264 265

Vgl. ESO (1999), S. 145. Ein ausführliche Vorstellung der Pflegearten folgt in Kapitel H. Vgl. Schwedisches Institut (1996), S. 11. Vgl. Helsingborg-Kommune (2000). Vgl. Serviceloven § 82.

11 Wild

162

E. Die Finanzierung der Pflege

über 1000m2 750 dkr im Jahr. Für den Schneeräumungsdienst sind pro Winter 250 dkr zu bezahlen. Um diese Leistungen zu erhalten, gelten je nach Gemeinde etwas andere Voraussetzungen. In Aalborg wird dieser Dienst z. B. nur für Rentenempfänger und je nach der Verfügbarkeit von Arbeitskräften angeboten.266 In einigen Kommunen bestehen zudem Wartelisten. So muss ein Bedürftiger in Vejle für das Schneeräumen mit einer Wartezeit von 2,5 Jahren, für die Gartenarbeit von bis zu vier Jahren rechnen.267 c) Der stationäre Sektor Die stationären Einrichtungen werden ebenso wie die ambulanten Leistungen aus den Mitteln der Kommune und aus Selbstbeteiligungen finanziert. Für die Errichtung entsprechender Gebäude werden zudem bedeutende Zuweisungen aus Steuermitteln des Zentralstaates gewährt.268 Die Bezeichnung „stationäre Versorgung“ wird in Nordeuropa weit ausgelegt. In der Regel werden auch altengerechte Wohnungen, in denen Pflegebedürftige betreut werden, zur stationären Fürsorge gezählt. Die Selbstbeteiligungen im stationären Sektor sind grundsätzlich in der Form gestaltet, dass die Pflegebedürftigen für die Unterbringung in einem Pflegeheim oder einer Altenwohnung eine Art Miete zahlen. Zusätzlich müssen sie Zuzahlungen für die Essensversorgung und bestimmte Leistungen entrichten. Zum Teil ist die Höhe der Selbstbeteiligungen einkommensabhängig. In Norwegen ist für die Kosten der Unterbringung bei einem Jahreseinkommen bis zu 35 000 nkr eine Eigenbeteiligung bis maximal 75 % des Einkommens zu übernehmen. Vom Einkommen über 35 000 nkr wird eine Selbstbeteiligung bis zu 85 % gefordert. Die Eigenbeteiligung darf allerdings nicht die anfallenden Kosten übersteigen. Für die Berechnung der Einkommensgrenze wird das gesamte Einkommen (einschließlich des Kapitaleinkommens) nach Steuern unter Abzug von Schuldzinsen sowie eines Freibetrags von 6 000 nkr herangezogen.269 Auch in Schweden muss der Pflegebedürftige in der stationären Betreuung für die Kosten der Unterkunft und der Verpflegung aufkommen. Zusätzlich ist eine Selbstbeteiligung für die Pflege zu zahlen. Diese beträgt derzeit beispielsweise in Göteborg in einem Kranken- oder Altenheim zwischen 104 skr und 812 skr im Monat. Den niedrigsten Betrag müssen Bedürftige bis zu einem jährlichen Einkommen von 55 099 skr zahlen (Einkommensgruppe 1). Die höchste Beteiligung gilt für Personen mit einem Einkommen über 191 500 skr (Einkommensgruppe 8).270 Vgl. Aalborg-Kommune (2000). Vgl. Vejle-Kommune (2000). 268 Aus dieser dualen Finanzierung ergeben sich eine Reihe von Problemen, die unter E.IV.4. erörtert wurden. 269 Vgl. Edvartsen (1996). 266 267

VII. Selbstbeteiligungen der Pflegebedürftigen in Nordeuropa

163

In Dänemark sind vom Pflegebedürftigen die Wohnungsmiete des Heims sowie Strom- und Heizungskosten zu übernehmen. Darüber hinaus sind für einzelne Pflegeleistungen ebenfalls Selbstbeteiligungen zu tragen, wobei sich deren Umfang an den Regelungen der ambulanten Fürsorge orientiert.271 Bei einer teilstationären Betreuung ist die Nutzung der entsprechenden Einrichtungen unentgeltlich. Die Aufwendungen für Pflege- und Hilfsmittel sowie für Mahlzeiten müssen jedoch vom Pflegebedürftigen getragen werden.272 Rechtlich gesehen gelten im Übrigen nur die Bedürftigen in altersgerechten Wohnungen als Mieter. Damit werden auch nur ihre Zahlungen als Miete bezeichnet. Die Zahlungen der Bedürftigen in Pflegeheimen werden als eine Art Leistungsentgelt angesehen. Diese Differenzierung ist Gegenstand von Reformvorschlägen.273

d) Selbstbeteiligungen und Wohngeld Bei der Betrachtung der Ausgaben, die für einen Pflegebedürftigen regelmäßig anfallen, ist zu beachten, dass für einen Bürger die Möglichkeit besteht, einen Zuschuss zu den Kosten des Wohnens zu erhalten. Die Zahlung von Selbstbeteiligungen kann damit zu einem beträchtlichen Teil durch den Bezug von Wohngeld aufgefangen werden. Die Gewährung von Wohngeld an Pflegebedürftige stellt im Grunde eine Subventionierung der kommunalen Pflege durch den Zentralstaat dar. In Norwegen können Pflegebedürftige, Personen über dem 60. Lebensjahr und sozial besonders schlecht gestellte Menschen Wohngeld erhalten.274 In Schweden und Dänemark besteht dann Anspruch auf Wohngeld, wenn der Betroffene Rentenempfänger ist. Die Art der Rente ist unerheblich. So gelten neben der Altersrente auch Behindertenrenten als Zugangskriterium. In Dänemark können nur die Personen Wohngeld erhalten, die rechtlich als Mieter gelten. Pflegeheimbewohner bleiben von diesen Leistungen ausgeschlossen.275 Die Höhe des Transfers ist von den Einkommens- und Vermögensverhältnissen abhängig. Für ältere Personen bzw. Bedürftige, die privates Wohnungseigentum erworben haben, ist es in allen drei nordischen Ländern möglich, günstige kommunale Kredite zu beziehen. Auch für Renovierungsarbeiten können Leistungen bezogen werden. In Dänemark wurde das Wohngeld (boligydelse) mit dem Ziel etabliert, dass Rentnerhaushalte nur maximal 15 % ihres Einkommens – ab einer bestimmten Grenze 25 % des Einkommens – für die Miete einer Wohnung ausgeben müs270 271 272 273 274 275

11*

Vgl. Göteborgs Stad (2000). Vgl. Edvartsen (1996), S. 14. Vgl. Edvartsen (1996), S. 15. Vgl. Jensen / Gottschalk (1999), S. 223, 226. Vgl. Tromsø-Kommune (2000b). Vgl. Jensen / Gottschalk (1999), S. 223.

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E. Die Finanzierung der Pflege

sen.276 In der Diskussion ist eine Erweiterung dieser Leistungen. Es ist eine Reduzierung der entsprechenden Prozentsätze auf 10 % bzw. 20 % vorgesehen.277 Aber auch ohne diese Leistungsausdehnung erhält ein dänischer Rentner ein sehr großzügig zu nennendes Wohngeld.278 Die genaue Berechnung des Wohngelds erfolgt nach komplizierten Formeln, bei denen die Wohnausgaben, das Haushaltseinkommen, die Größe des Haushalts und die Wohnungsgröße berücksichtigt werden. Um den Umfang dieser Leistung zu illustrieren, sei ein Beispiel genannt279: Eine Person, die als Einkommen nur die gesetzliche Grundrente (1996: 3 798 dkr)280 erhält, wohnt in einer altengerechten Wohnung mit 65m2 Fläche, bei einer Kaltmiete von 3 500 dkr. Die Wohnleistung beträgt in diesem Fall 2 883 dkr. Das heißt für den Betroffenen bleiben 617 dkr als monatliche Wohnungskosten. Dazu addieren sich aber noch Heiz- und Wasserkosten. In Schweden kann das Wohngeld (Bostadstilläg) bis zu 3 510 skr im Monat, also 42 120 skr im Jahr, betragen. Dabei sind die Regelungen in der Form gestaltet, dass Personen mit geringem Einkommen, die Wohnkosten bis zu 4 000 skr zu tragen haben, bis zu 90 % dieser Aufwendungen als Wohngeld erstattet bekommen können. Für Personen, die in besonderen Altenwohnungen (Särskild Boendeform) leben, ist der Höchstbetrag geringer; hier sind maximal 2 000 skr im Monat möglich. In Schweden beziehen etwa 30 % der älteren Menschen Wohngeld.281 Die Verwaltung obliegt den Versicherungskassen.282

e) Determinanten des Selbstbeteiligungsumfanges Da die Gemeinden die Höhe der Selbstbeteiligungen innerhalb eines vorgegebenen Rahmens selbst festlegen können283, ist es interessant, zu untersuchen, welche Einflussfaktoren die Höhe der Eigenbeteiligungen bestimmen. Es ist zu betrachten, inwieweit die Finanzsituation, die politischen Verhältnisse und die Altersstruktur der Kommunen einen Einfluss auf die Zuzahlungen ausüben. Dass Unterschiede in den Eigenbeiträgen bestehen, ergab beispielsweise eine Zählung von Horverak und Åsland in Norwegen im Jahre 1989.284 Danach existierten allein in den Kommunen Drammen, Skien, Kristiansand, Sandnes und Stavanger 62 verschiedene Selbstbeteiligungsordnungen. 276 277 278 279 280 281 282 283 284

Vgl. Plovsing (1994), S. 78; Knust-Potter / Potter (1991), S. 81. Vgl. Köhler (1996), S. 18. Vgl. Torpe (2000). Vgl. Aarhus-Kommune (2000). Vgl. Köhler (1996), S. 7. Vgl. Schwedisches Institut (2001a). Für nähere Informationen siehe z. B. Försäkringskassan (2001h). Vgl. Edvartsen (1996), S. 32. Vgl. Statens Forvaltingstjeneste (1997).

VII. Selbstbeteiligungen der Pflegebedürftigen in Nordeuropa

165

Für die Beziehung zwischen der Finanzlage der Kommunen und dem Umfang der Selbstbeteiligungen sind zwei Möglichkeiten denkbar. Zum einen könnte eine gute Finanzsituation in der Gemeinde zu einem Ausbau der Pflegeleistungen führen. Durch das erhöhte Angebot an Diensten stiege dann tendenziell auch die Anzahl der Leistungen, bei denen eine Eigenbeteiligung gezahlt werden muss. Dies würde insgesamt zu einem Anstieg der Selbstbeteiligungen führen. Zum anderen könnte die gute Finanzlage aber auch bewirken, dass die Kommune ihr Pflegeangebot beibehält, dafür aber die Beteiligungssätze kürzt. Um zu klären, welcher dieser Effekte überwiegt, untersuchte eine norwegische Studie von Borge im Jahre 1995 den entsprechenden Zusammenhang.285 Die Untersuchung ergab, dass der erste Effekt dominiert.286 Eine gute Finanzlage führt damit zu einer Erweiterung des Pflegeangebots und damit zu einer Erhöhung der Summe von Selbstbeteiligungen. Eine weitere Untersuchung aus Norwegen befasste sich mit der Relation zwischen der Höhe von Selbstbeteiligungen und den politischen Verhältnissen in der jeweiligen Kommune.287 Es wurde gezeigt, dass – wie zu vermuten war – die sozialistisch bzw. sozialdemokratisch geführten Kommunen höhere öffentliche Ausgaben und ein höheres Steuerniveau aufweisen. Die Untersuchung ergab, dass in diesen Gemeinden ein erhöhtes Angebot an Pflegediensten bereitgestellt wird, wodurch tendenziell auch die Gesamteinnahmen aus den Selbstbeteiligungen steigen. Dies führt zu dem Ergebnis, dass eher sozialistisch geprägte Kommunen absolut höhere Einnahmen aus Eigenbeteiligungen aufweisen, als konservativ geführte Gemeinden. Im Durchschnitt bewirkt eine Erhöhung des Wahlanteils von sozialdemokratischen Parteien um 20 % eine Erhöhung der Gesamteinnahmen aus Eigenbeteiligungen um etwa 5 %. Da eine Zunahme der Einnahmen aus Selbstbeteiligungen eine logische Folge eines größeren Pflegeangebots darstellt, ist das Ergebnis dieser Studie nicht überraschend. Die erwähnten Studien zeigen jedoch nicht, welche Auswirkungen die Finanzlage und die politischen Verhältnisse auf die Selbstbeteiligungssätze ausüben. Die Zuzahlungssätze werden in einer Studie zum Einfluss der Altersstruktur berücksichtigt. Der Zusammenhang zwischen Altersstruktur und Selbstbeteiligungssätzen ist dabei auf den ersten Blick nicht offensichtlich. Einerseits ist die Finanzierung aus der Einkommensteuer aus der Sicht einer bedürftigen Person die vorzuziehende Variante. Hohe Selbstbeteiligungssätze erscheinen aus dieser Sicht wenig attraktiv. In einer Kommune mit hohem Altersdurchschnitt wird das Wahlvolk damit tendenziell niedrigere Eigenbeiträge fordern. Da in Skandinavien allerdings auch (die relativ hohen) Renten einkommensteuerpflichtig sind, können die älteren Menschen damit nur teilweise ihren Finanzierungsanteil verringern. Trotz dieser Vgl. Statens Forvaltingstjeneste (1997). Vgl. ebenda. 287 Diese empirischen Untersuchungen wurden 1988 und 1996 von Sørensen unternommen. Vgl. Statens Forvaltingstjeneste (1997). 285 286

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E. Die Finanzierung der Pflege

Einschränkung müsste nach dieser Argumentation ein höherer Altersdurchschnitt in einer Gemeinde mit niedrigeren Selbstbeteiligungssätzen einhergehen. Andererseits bestimmt die Altersstruktur in der Kommune sowohl die Nachfrage nach kommunalen Leistungen als auch die Höhe der lokalen Steuereinnahmen. Die Einnahmen der kommunalen Einkommensteuer sinken zwar wegen der Besteuerung der Renten möglicherweise nur wenig, durch den überdurchschnittlich hohen Anteil an über 65-Jährigen tätigen diese Gemeinde aber hohe Pflegeausgaben. Um diese Differenz zwischen Ausgaben und Einnahmen zu verringern, ist die Einführung einer Selbstbeteiligung ein logisches Mittel. Unter diesem Blickwinkel müsste demnach eine Erhöhung des Durchschnittsalters der Bevölkerung positiv mit einer Zunahme der Zuzahlungen korrelieren. Welcher der beiden Effekte überwiegt, untersuchte eine norwegische Studie. Diese dort gewonnen Daten verdeutlichen, dass der letztgenannte Zusammenhang dominiert. Ein Anstieg des Anteils der älteren Bevölkerung in einer Kommune um 1 % führte zu einer Erhöhung der Selbstbeteiligungssätze um 6,5 %.288 Die Auswirkungen auf dem Gemeindehaushalt dominieren das erwartete Wählerverhalten. Die Selbstbeteiligungssätze sind damit tendenziell in den Kommunen höher, in denen auch der Altersdurchschnitt höher liegt. Aus dieser Studie kann damit die Hypothese abgeleitet werden, dass eine Zunahme der Alterung der Bevölkerung zu einer Zunahme der Selbstbeteiligungen führt.

2. Die Wirkungen von Selbstbeteiligungen a) Verteilungswirkungen Wie im letzten Unterkapitel gezeigt, wird ein Teil der Pflegeleistungen in Skandinavien durch Selbstbeteiligungen finanziert. Der Begriff der Selbstbeteiligung sollte aber nicht zu der Assoziation führen, dass nur dieser Teil der Leistung von den Betroffenen getragen wird. Über Steuerzahlungen nimmt der Bedürftige auch an der Finanzierung des übrigen Teils der Pflegeleistungen teil. Als eine Selbstbeteiligung ist damit exakterweise der Finanzierungsanteil zu bezeichnen, den ein Betroffener im Pflegefall direkt zu übernehmen hat.289 Damit wird das Pflegerisiko nicht vollständig über Steuerzahlungen abgedeckt. Ein gewisser Teil des Risikos verbleibt bei der einzelnen Person. Eine Finanzierung über Selbstbeteiligungen führt damit zu Verteilungseffekten. So werden durch die Einführung von Zuzahlungen Pflegeleistungen vermehrt von Pflegebedürftigen bezahlt. Da die Etablierung einer Selbstbeteiligung zu einer Entlastung der Steuerzahler, insbesondere der Einkommensteuerzahler, führt, profitieren davon vorwiegend Bürger mit höherem Erwerbseinkommen. In Anbetracht der Altersabhängigkeit der Pflegebedürftigkeit bzw. der Erwerbstätigkeit kann vereinfacht davon gesprochen werden, dass die 288 289

Vgl. Statens Forvaltingstjeneste (1997). Zur Definition der Selbstbeteiligung vgl. Schulenburg (1987), S. 13 – 14, 28.

VII. Selbstbeteiligungen der Pflegebedürftigen in Nordeuropa

167

Einführung einer Selbstbeteiligung einen Verteilungseffekt zugunsten der Personen mittleren und jüngeren Alters und zuungunsten der älteren Menschen hervorruft.290 Da der Anteil von Frauen unter den Pflegebedürftigen vergleichsweise hoch ist, wird durch eine Selbstbeteiligung zudem eine stärke finanzielle Belastung der Frauen ausgelöst. Insgesamt ergibt sich eine Korrektur der durch die Steuerfinanzierung bewirkten Umverteilung von Jung nach Alt bzw. von Mann zu Frau. Als Reaktion auf diese Kostenbeteiligung könnte die Nachfrage nach einer zusätzlichen Pflegeabsicherung zunehmen.291 Insbesondere risikoaverse Personen könnten den Teil des Risikos, den sie durch die Selbstbeteiligung selbst tragen müssen, über Zusatzversicherungen absichern. Damit würde die Etablierung von Eigenbeteiligung sukzessive zum Entstehen eines Markts für Pflegeversicherungen beitragen. Dass aber auch hier eher mit einer begrenzten Reaktion der Menschen zu rechnen ist, zeigte die Erörterung des Marktversagens im Kapitel B. dieser Arbeit. Dort wurde gezeigt, dass selbst in einer Situation, in der keine oder nur eine sehr begrenzte Pflegeabsicherung besteht (die Selbstbeteiligung damit in der Nähe von 100 % liegt), ein Großteil der Menschen keine Pflegeversicherung nachfragt.

b) Finanzierungswirkung und allgemeine Steuerungseffekte Von der Einführung einer Selbstbeteiligung als Preiskomponente erwartet der Gesetzgeber im Wesentlichen zwei Wirkungen: eine Entlastung der öffentlichen Einnahmen aus der Selbstbeteiligung und eine weitere Entlastung durch einen Nachfragerückgang nach Pflegeleistungen.292 Er erhofft sich von den Zuzahlungen also sowohl eine Finanzierungs- als auch eine Steuerungswirkung. Der Nachfragerückgang könnte erheblich sein, da Bedürftige nur dann Leistungen nachfragen, wenn ihr Grenznutzen den Nutzenentgang aufgrund der Zahlung des Eigenbeitrags übersteigt. Wenn für öffentliche Leistungen ein Entgelt gezahlt werden muss, das entweder den zurechenbaren Kosten oder dem empfangenen Vorteil entspricht, wird die entsprechende Leistung tendenziell nur im erforderlichem Maße nachgefragt. Es werden Inanspruchnahmen vermieden, bei denen der Grenznutzen sehr gering ist.293 Ohne Selbstbeteiligung werden Leistungen solange in Anspruch genommen bis der Grenznutzen nur noch marginal über null liegt.294 Damit kann die Selbstbeteiligung einen erheblichen Vorteil gegenüber der Steuerfinanzierung erbringen. Es ist dabei insbesondere zu berücksichtigen, dass Menschen mit nied290 Eine theoretische Darstellung zu den Verteilungswirkungen einer Selbstbeteiligung vgl. Schulenburg (1987), S. 122 – 147. 291 Vgl. Schulenburg (1987), S. 118 – 121. 292 Zur Theorie der Selbstbeteiligungen siehe Pauly (1986), S. 629 – 675. 293 Vgl. Schemmel (2000), S. 25. 294 Vgl. u. a. auch Manning / Newhouse / Duan (1987), S. 251 – 277; Ehrlich / Becker (1972), S. 623 – 648.

168

E. Die Finanzierung der Pflege

rigem Einkommen in überdurchschnittlichem Maße Gesundheitsgüter nachfragen, obwohl ihr Gesundheitszustand dies eigentlich nicht erfordert. Eine Dämpfung dieser „Übernachfrage“ könnte durch die Einführung einer Selbstbeteiligung beseitigt werden. Dass eine solche Nachfrageänderung erwartet werden kann, zeigte eine amerikanische Untersuchung.295 Diese ergab, dass je nach Umfang der Selbstbeteiligung bei Gesundheitsgütern mit einem durchschnittlichen Nachfragerückgang um 7 % zu rechnen ist. Personen mit geringerem Einkommen senkten – wie erwartet ihre Nachfrage – in größerem Umfang, und zwar um 18 %. Obwohl das Zurückdrängen einer Nachfrage, die nur geringen Grenznutzen erbringt, positiv bewertet werden müsste, sieht eine Reihe von Sozialpolitikern auch die Gefahr, dass die entsprechenden Gesundheitsangebote nur noch von Personen mit höherem Erwerbseinkommen nachgefragt werden. Dies würde den Vorstellungen eines Sozialstaates entgegenlaufen. Die Höhe der Selbstbeteiligungen wird damit häufig – so auch in Nordeuropa – einkommensabhängig festgelegt. Inwieweit ein Nachfragerückgang auch bei Pflegeleistungen erwartet werden kann, ist aber fraglich. So ist zu vermuten, dass bei Pflegegütern mit einer geringeren Preiselastizität zu rechnen ist, d. h. ein Anstieg der Zuzahlungen führt nur zu einem geringen Rückgang der Nachfrage nach Pflegeleistungen. Im Gegensatz zur Nachfrage nach bestimmten Gesundheitsgütern ist kaum mit einer Vortäuschung von Bedürftigkeit zu rechnen. Es ist zu vermuten, dass der Umfang der Nachfrage nach Pflegeleistungen wesentlich von einer Reihe anderer Faktoren beeinflusst wird. Zu nennen sind hier beispielsweise der Familienstand und damit das Potenzial für die informelle Fürsorge sowie die Nähe zum Betreuungsdienst. Eine Untersuchung von Acton in den USA zeigte296, dass die Nachfrage nach Gesundheitsleistungen durch eine Reihe nicht-monetärer Faktoren bestimmt wird.297 Ein Rückgang der Nachfrage nach Pflegeleistungen kann auch dann ausbleiben, wenn die Pflegeanbieter die Möglichkeit besitzen, selbst Nachfrage zu induzieren.298 Ein solches Verhalten ist vorwiegend bei privaten Pflegeanbietern denkbar. Sie könnten zur Auslastung ihrer Kapazitäten versuchen, (potenzielle) Bedürftige anzuwerben. Bei kommunalen Pflegeanbietern wäre ein solches Verhalten dann denkbar, wenn die Kosten der Pflege zu einem spürbaren Teil von einem anderen Kostenträger übernommen werden, beispielsweise vom Zentralstaat über Zuweisungen. In diesem Fall bestünde für die Gemeinde ein Anreiz, das Pflegeangebot für eine kommunalen Beschäftigungspolitik zu verwenden. Eine induzierte Nachfragesteigerung, veranlasst durch die Kommunen, ist dann möglich. Es ist allerdings zu bedenken, dass die Gemeinde die Höhe der Selbstbeteiligungen zum gewissen Teil selbst bestimmen kann. Wenn die Finanzzuweisung des Zentralstaates ausreichend und die kommunale Beschäftigungspolitik dominierend wären, würde die Kom295 296 297 298

Vgl. Manning / Newhouse / Duan (1987), S. 251 – 277. Vgl. Acton (1985), S. 595 – 614. Vgl. auch Evans (1974), S. 162 – 173. Vgl. Schulenburg (1987), S. 65 – 96.

VII. Selbstbeteiligungen der Pflegebedürftigen in Nordeuropa

169

mune tendenziell auf Selbstbeteiligungen verzichten bzw. niedrige Zuzahlungen erheben. Die Einführung von Eigenbeiträgen ließe jedenfalls vermuten, dass eine Ausgabenreduzierung angestrebt wird. Eine Induzierung von Nachfrage würde diesem Ziel zuwiderlaufen. Teilweise wird auch erwartet, dass die Existenz von Eigenbeteiligungen zu einem stärkeren Bewusstsein hinsichtlich des Pflegerisikos führt. Dadurch, dass das Pflegerisiko nicht vollständig über Steuermitteln abgesichert wird, könnten die Personen zu einem Überdenken ihres Lebensstils bewogen werden.299 Es wäre möglich, dass sie beispielsweise über Risikovermeidung bzw. Risikominderung versuchen, ihr Pflegerisiko zu reduzieren. Denkbar wäre z. B. eine Einstellungswandlung gegenüber sportlichen Aktivitäten oder eine Veränderung des Ernährungsverhaltens. Sollten die Selbstbeteiligungen einen solchen Prozess auslösen und würden diese Aktivitäten auch zu einer Verringerung des Pflegerisikos führen, könnte durch die Selbstbeteiligung langfristig eine Verringerung der Nachfrage nach Pflegeleistungen ausgelöst werden. Inwieweit eine solche Wirkungskette erzeugt werden kann, ist aber zumindest zweifelhaft. Eine vergleichsweise elastische Nachfrage ist bei der häuslichen Hilfe zu erwarten. Die Vortäuschung eines Bedarfs ist weniger schwierig, da ein geringer Pflegebedürftigkeitsgrad für den Leistungsbezug ausreicht. Der Anreiz zur Täuschung ist groß, handelt es sich doch bei den offerierten Leistungen, wie z. B. der Erledigung von verschiedenen Arbeiten im Haushalt, um Dienste, die viele gern entgegennehmen. Bei der häuslichen Hilfe kann die Existenz von merklichen Selbstbeteiligungen Steuerungswirkungen ausüben. Durch Zuzahlungen kann hier eine Verringerung der Ausgaben erreicht werden. Im Bereich der stationären Betreuung bzw. der ambulanten Krankenpflege ist dagegen zu vermuten, dass eine Selbstbeteiligung nur begrenzt auf die Pflegenachfrage wirkt. Die hier vorherrschende unelastische Nachfrage lässt kaum eine Steuerungswirkung erwarten.300 Die kommunale Steuer kann damit nur im Maße der Finanzierungswirkung der Zuzahlungen verringert werden. Die Gesamtkosten für die Pflege werden in diesem Bereich bei gleichbleibendem Angebot kaum reduziert.

c) Intersektorale Wirkungen Die Nachfrage nach Pflegegütern kann zwar grundsätzlich als eher unelastisch bezeichnet werden; eine gewisse Steuerungswirkung zwischen den Pflegesektoren Vgl. Schulenburg (1987), S. 110 – 121. Im Falle einer elastischen Nachfrage würde sich durch die Selbstbeteiligungen das Nachfragevolumen soweit verringern, dass die kommunalen Steuersätze gesenkt werden können. Als Gesamteffekt ergebe sich zum einen eine Neuverteilung der Träger der Finanzierungskosten. Zum anderen könnten durch den bedeutenden Nachfragerückgang die gesamten Kosten sinken. 299 300

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E. Die Finanzierung der Pflege

kann durch die Selbstbeteiligungen allerdings ausgelöst werden. So ist eine bestimmte Umsteuerung der Nachfrage zwischen dem stationären und dem ambulanten Bereich denkbar. Da die Fürsorge in einem Pflegeheim für die öffentliche Hand wesentlich teuerer ist als eine häusliche Pflege, kann durch eine höhere Selbstbeteiligung im stationären Sektor ein Teil der Pflegebedürftigen dazu animiert werden, im ambulanten Bereich zu verbleiben. Dies könnte erklären, weshalb in Nordeuropa die Beteiligungssätze im stationären Bereich höher sind als im ambulanten Sektor. Zur Erinnerung: In Norwegen betrugen 1998 die Sätze bei der institutionellen Fürsorge im Durchschnitt 15,0 %; bei der häuslichen Pflege lagen die entsprechenden Beiträge bei 5,0 %.301 Eine Begründung für diese Differenzierung könnte aber auch sein, dass die Preiselastizität im stationären Sektor geringer ist als im ambulanten Bereich. In diesem Fall verhielte sich der Staat einnahmenmaximierend, wenn er die höheren Selbstbeteiligungssätze im unelastischeren Bereich einfordert.

d) Wirkungen im stationären Sektor Im stationären Pflegesektor wird in Schweden und Norwegen zwischen Altenheimen und Pflegeheimen unterschieden. Die Pflegeheime sind für die Betreuung von Bedürftigen mit höherem Pflegebedürftigkeitsgrad verantwortlich. Die Pflegeheime wurden in Schweden und Norwegen bis 1991 nur zu etwa 4 % durch eine Eigenbeteiligung der Bedürftigen finanziert. Damit waren die Beteiligungssätze niedriger als in den Altenheimen. Seitdem sind für den Aufenthalt höhere Beteiligungssätze zu zahlen.302 Die Ursache für diesen jahrelang geringeren Prozentsatz könnte darin zu finden sein, dass der Gesetzgeber keinen Bedarf an einer Nachfragesteuerung sah. Dies war eine verständliche Ansicht, ist doch die Gefahr der Vortäuschung von Pflegebedarf, um in ein Pflegeheim einziehen zu dürfen, noch geringer als in Bezug auf Altenheime. Die Anhebung der Selbstbeteiligungssätze in den Pflegeheimen wurde dann vom Gesetzgeber mit einer Angleichung der Eigenbeiträge bei den verschiedenen Betreuungsarten begründet.303 Erstaunlich ist nur, dass die Annäherung in der Form geschah, dass in den Bereichen mit niedrigen Sätzen eine Anhebung der Eigenbeiträge beschlossen wurde, während die hohen Sätze in den Altenheimen beibehalten wurden. Der Anteil der Finanzierung durch Selbstbeteiligungen stieg damit. Wie weiter oben erwähnt, liegen die Eigenbeitragssätze in den Pflegeheimen in Schweden nunmehr bei 12 % und in Norwegen bei 15 %. Damit ist auch hier von einem einnahmenmaximierenden Verhalten der Gemeinden auszugehen.

301 302 303

Vgl. ESO (1999), S. 145. Vgl. Socialstyrelsen (1996), S. 27. Vgl. ebenda.

VII. Selbstbeteiligungen der Pflegebedürftigen in Nordeuropa

171

e) Wirkungen im ambulanten Sektor Wie im vorigen Abschnitt gezeigt, werden Selbstbeteiligungen in den meisten Bereichen der Pflegefürsorge verlangt. Die bedeutendste Ausnahme ist die Krankenpflege. Sie kann im gesamten skandinavischen Raum ohne Eigenbeteiligung bezogen werden. Die Gefahr, dass einige Personen Bedarf vortäuschen, um Leistungen zu beziehen, wird bei dieser Form der Betreuung als geringer angesehen denn bei der häuslichen Hilfe. Die Gefahr einer „Übernachfrage“ besteht im Bereich der häuslichen Hilfe. In Schweden und Norwegen ist für diesen Bereich auch ein Eigenbeitrag durch die Bedürftigen zu zahlen. In Dänemark ist dagegen für die langfristige häusliche Hilfe keine Selbstbeteiligungen zu entrichten. Dies bedeutet für die Kommunen eine beträchtliche wirtschaftliche Belastung. Zum einen entfällt ein wichtiges Steuerungsinstrument für die Nachfrage nach häuslicher Fürsorge, zum anderen fehlt die Selbstbeteiligung als zusätzliche Finanzierungsquelle. Um eine Ausweitung des ambulanten Diensts auf Grund der Unentgeltlichkeit der Leistungen einzuschränken, können von den dänischen Kommunen zwei „Bremsen“ eingesetzt werden. Erstens können die Gemeinden eine Prioritätenliste erstellen. Danach werden bei knappen finanziellen oder personellen Ressourcen bestimmte Angebote reduziert. Auf der obersten Stufe dieser Liste stehen Leistungen, die in jedem Fall offeriert werden sollen; dies sind vorwiegend Hilfen bei der persönlichen Hygiene. Zweitens sind die Pflegenden angewiesen, den Pflegebedürftigen vorwiegend Hilfe zur Selbsthilfe zu gewähren. Der Bedürftige soll lernen, seinen Alltag wieder selbst zu beherrschen.304 Da aber der Pflegebedürftigkeitsgrad tendenziell mit zunehmendem Alter steigt, ist es fraglich, ob der Hilfeumfang für einen auf Betreuung angewiesenen Menschen irgendwann wieder sinken wird. Eine solche Hoffnung ist realistischerweise nur bei jüngeren Pflegebedürftigen gerechtfertigt, die z. B. nach einem Unfall Hilfe benötigen. Allerdings könnte diese Unterstützung bei älteren Menschen dazu beitragen, dass die Zunahme des Pflegebedürftigkeitsgrads verhindert oder zumindest verzögert wird. Während bei einer Selbstbeteiligung nicht sicher ist, ob die Nachfrage deutlich zurückgeht, bewirkt eine Prioritätenliste in jedem Fall eine Kappung des Leistungsbezugs. Allerdings werden in Dänemark Bedürftige – solange die Prioritätsliste nicht angewendet wird – wegen der unentgeltlichen Bereitstellung Leistungen auch dann nachfragen, wenn der erwartete Grenznutzen nur marginal über Null liegt. Wenn die Nachfrage wenigstens eine geringe Elastizität aufweist, ist in einem solchen Fall die Gesamtnachfrage größer als in einer Situation mit Selbstbeteiligungen. Wenn die Kommune auf Grund eines Engpasses die Prioritätenliste anwendet, können dagegen auch Personen, die sich einen hohen Nutzen von der Pflege erhoffen und somit eine hohe Zahlungsbereitschaft aufweisen, die gewünschten Leistungen nicht mehr erhalten. Sämtliche Leute in der Warteschlange müssen auf den Konsum dieses Guts verzichten, unabhängig von ihrem Nutzenge304

Vgl. Serviceloven § 71 – 75.

172

E. Die Finanzierung der Pflege

winn. In Schweden und Norwegen wurde durch die Selbstbeteiligung wenigstens teilweise ein Preismechanismus eingeführt, so dass Bedürftige, die eine hohe Zahlungsbereitschaft besitzen bzw. einen beträchtlichen Nutzen aus der häuslichen Hilfe erwarten, Leistungen erhalten. Bei einer Prioritätenliste bleibt die Zahlungsbereitschaft dagegen völlig unberücksichtigt. Selbstbeteiligungen sind damit als zweckmäßiger einzustufen. Bei der kurzzeitigen Betreuung sind die Beteiligungssätze in der Regel höher als bei einer längeren Fürsorge. Dies kann u. a. damit begründet werden, dass die Kosten einer Kurzzeitpflege pro Pflegetag höher sind. So wirken sich administrative und bürokratische Aufwendungen überdurchschnittlich auf die Gesamtkosten aus. Im Übrigen wird eine kurzfristige ambulante Pflege vorwiegend dann nachgefragt, wenn die eigentlichen Betreuungspersonen, also meist Familienangehörige, in den Urlaub reisen möchten. Da sie von dieser Reise eine große Nutzensteigerung erwarten, ist zu vermuten, dass sie eine erhöhte Zahlungsbereitschaft für Selbstbeteiligungen an den Tag legen. Damit erweist sich auch hier der Staat als Einnahmenmaximierer.

VIII. Vereinheitlichung vs. individuelle Freiheit Bei der Forderung nach einer für alle gleichen Pflegeabsicherung wird häufig übersehen, dass eine solche Form der Sozialpolitik noch eine weitere Art von Wohlfahrtsverlust hervorbringt, die bislang noch nicht erörtert wurde. Nach Hayek ist staatliches Handeln zwar dann verhältnismäßig unproblematisch, wenn es sich auf Gebiete beschränkt, auf denen Einigkeit zwischen den Menschen besteht. Wenn diese Übereinstimmung aber nicht existiert, wird dem einzelnen Bürger durch eine für alle verbindliche Entscheidung des Staates die Möglichkeit genommen, nach eigenen Wertvorstellungen und Neigungen zu leben.305 Selbst wenn Einigkeit über eine staatliche Absicherung des Pflegerisikos bestehen sollte, werden über den nötigen Umfang der Leistungen Unstimmigkeiten auftreten. So ist zu erwarten, dass ein hohes Niveau der Fürsorge nicht von jedem Bürger des Landes gewünscht wird. Einige Personen schätzen den Wert von Pflegeleistungen geringer ein als andere.306 Diese Menschen verfügen damit über eine niedrigere Zahlungsbereitschaft für Pflegegüter. Sie würden ihre finanziellen Mittel gern für den Konsum anderer Güter verwenden. Bei einem einheitlich hohen Pflegestandard müssten sie dieses verordnete Niveau akzeptieren und mit einem größeren Betrag zur Finanzierung von Pflegeleistungen beitragen, als ihnen diese eigentlich wert sind. Damit entsteht ein Wohlfahrtsverlust. Weshalb aber sollten die Wünsche pflegebedürftiger Menschen nicht ebenso heterogen sein wie die von Vgl. Hayek (1994), S. 82 – 100. Zur unterschiedlichen Zahlungsbereitschaft der Menschen vgl. Marshall (1947), S. 117 – 137. 305 306

VIII. Vereinheitlichung vs. individuelle Freiheit

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jüngeren Personen?307 Der dadurch auftretende Wohlfahrtsverlust bei einer Person ist umso größer, je höher das Pflegeniveau festgesetzt wurde und je niedriger die Zahlungsbereitschaft dieses Bürgers für die Pflege bemessen ist. Volkswirtschaftlich ist der Wohlfahrtsverlust zudem umso bedeutender, je größer der Teil der Bevölkerung ist, der ein niedrigeres Pflegeniveau wünscht. Der Wohlfahrtsverlust könnte durch eine stärkere Differenzierung des Pflegeangebots verringert werden. Der Finanzierungsbeitrag jeder Person würde nach den gewünschten Pflegeumfang bemessen. Eine solche Konstruktion könnte durch eine Versicherung gewährleistet werden, bei der eine Person je nach dem gewünschten Pflegedeckungsumfang einen Versicherungsbeitrag entrichtet. Um verschiedene Probleme des Marktversagens auszuschalten, wäre es sinnvoll, den Abschluss einer solchen Versicherung obligatorisch zu machen und eine Mindestdeckungssumme vorzugeben. Über diese Deckungssumme hinaus könnte aber jeder Bürger eine Ausweitung des Versicherungsschutzes vereinbaren. Die Finanzierung von Pflegeleistungen in Skandinavien aus Steuermitteln lässt eine solche Differenzierung nicht zu. Jede Person trägt zur Absicherung des Pflegerisikos im Umfang ihrer Steuerzahlungen bei. Diese Steuerzahlungen stehen freilich in keinem Verhältnis zu ihrer Zahlungsbereitschaft gegenüber Pflegegütern. Teilweise wird das Argument vorgebracht, dass die unterschiedlichen Wünsche der Bedürftigen in Nordeuropa durch das vielfältige Pflegeangebot berücksichtigt würden. Jede Person könne nach eigenen Präferenzen ihre Betreuungsart wählen.308 Aus der Schaffung eines breitgefächerten Angebots würde eine positive Wohlfahrtswirkung erwachsen. Eine solche Erklärung übersieht allerdings, dass eine Person dann einen Verlust erleidet, wenn sie sich für eine fiskalisch kostengünstigere Pflege entscheidet. Als Einwohner des jeweiligen Landes besitzt sie einen Anspruch auf teuere Fürsorge. Bei einer steuerfinanzierten Pflege könnte der Wohlfahrtsverlust dann vermindert werden, wenn der Pflegestandard einer Grundsicherung entspräche und die Bürger durch private Versicherungen den Umfang der Pflegeansprüche erweitern könnten. Eine solche Differenzierung des Pflegeangebots in Abhängigkeit von der Zahlungsbereitschaft wäre auch dann gegeben, wenn über die Grundsicherung hinaus weitere Leistungen durch erhöhte Selbstbeteiligungen nachgefragt werden könnten. In Nordeuropa ist das Pflegesystem zwar durch eine Reihe von Selbstbeteiligungen gekennzeichnet, allerdings sind diese für fast alle Arten von Leistungen zu entrichten. Zudem geht das Pflegeangebot über das einer Grundsicherung hinaus, so dass zusätzliche Versicherungen praktisch nicht existieren. Bei den Forderungen nach einem höheren Qualitätsstandard sollte damit nicht übersehen werden, dass im Falle ihrer Verwirklichung auch der Wohlfahrtsverlust zunimmt. 307 Eine Befragung von Wehrli-Schindler in der Schweiz bestätigte, dass die Bedürfnisse der älteren Menschen keineswegs homogen sind. Vgl. Wehrli-Schindler (1997). 308 Vgl. Daatland / Høyland (1999), S. 261.

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E. Die Finanzierung der Pflege

Darüber hinaus zeigen sich die Wirkungen einer hohen Pflegequalität dann, wenn sie mit einer hohen Wohnqualität in den Pflegeeinrichtungen verbunden ist. Es besteht die Gefahr von Wohlfahrtsverlusten aufgrund von Moral hazard Verhalten. Personen, deren eigene Wohnung einen vergleichsweise niedrigen Standard aufweist, könnten Anreiz erhalten, in eine Pflegeeinrichtung umzuziehen, obwohl ihr Bedürftigkeitsgrad dies eigentlich nicht rechtfertigt. Daatland und Høyland bemerken, dass ein solches Verhalten in Norwegen in den 50er und 60er Jahren in größerem Stile zu beobachten war.309 Die Wohnqualität in den Pflegeeinrichtungen war damals zwar noch deutlich vom heutigen Niveau entfernt; aufgrund von Wohnungsmangel und fehlenden Mitteln zur Verbesserung der privaten Wohnsituation zogen aber trotzdem viele ältere Menschen – mit geringem Pflegebedürftigkeitsgrad – in eine Pflegeeinrichtung um. Auch aufgrund dieses Verhaltens wurde Anfang der 70er Jahre das Komfortniveau der privaten Wohnungen durch umfangreiche Förderprogramme erheblich verbessert. In der Folge verringerte sich die Umzugsneigung der älteren Menschen. Ordnungspolitisch problematisch wird die Folge hoher Wohnqualität in den Pflegeheimen dann, wenn – wie in Skandinavien – die altersgerechten Wohnungen grundsätzlich durch die Kommunen bereitgestellt werden. Indem sie einen Ausbau dieser Pflegeformen bzw. die Durchsetzung einer einheitlich hohen Qualität forcieren, verdrängen sie auf Kosten von Steuereinnahmen private Wohnungsanbieter. Damit zeigt sich auch hier, dass die Forderungen nach einer hohen Pflege- und Wohnqualität in den Pflegeeinrichtungen differenziert zu betrachten sind.

309

Vgl. Daatland / Høyland (1999), S. 252; Daatland / Sundström (1984), S. 52 – 54.

F. Die Ökonomie der Pflegeleistungserstellung Nachdem im vorangegangenen Kapitel die finanzielle Absicherung der Pflegeversorgung in Nordeuropa analysiert wurde, gilt es in den nachfolgenden Kapiteln F. bis H. die Angebotsseite bei Pflegegütern zu erörtern. Zu Beginn wird die Frage diskutiert, unter welcher Eigentümerform Pflegeleistungen bereitgestellt werden sollten. Kann die Betreuung bedürftiger Menschen dem Markt überlassen werden oder ist eine staatliche Bereitstellung vorzuziehen? Als dritte Möglichkeit ist denkbar, dass private Unternehmen Leistungen anbieten, während die öffentliche Hand als Regulierungsbehörde auftritt. Daneben sind mehrere Mischformen der Einflussnahme des Gesetzgebers möglich.1 Es stellt sich zuerst grundsätzlich die Frage, ob Pflege als öffentliches Gut zu betrachten sind bzw. inwieweit ein staatlicher Einfluss vertretbar ist. Dieser Frage wird im Folgenden nachgegangen. Die theoretische Untersuchung zur Angebotsstruktur wird danach im Kapitel G. auf den nordischen Raum angewendet. Im Kapitel H. wird die Art der Pflegeleistungen in Skandinavien erörtert.

I. Private vs. öffentliche Produktion Der erste Hauptsatz der Wohlfahrtstheorie besagt, dass einzelwirtschaftliche Optimierung bei vollkommenen Wettbewerb zum Paretooptimum führt. Daraus folgt, dass ein staatlicher Eingriff unter idealen Marktbedingungen nicht zu rechtfertigen ist, da hierdurch allokationsverzerrende Wirkungen ausgelöst werden, die zu Wohlfahrtsverlusten führen. Öffentliche Trägerschaft ist explizit zu begründen. Im Bezug auf die wirtschaftliche Kompetenz arbeiteten Ökonomen eine Reihe von Gründen heraus, nach denen private Unternehmen meist effizienter2 und produktiver als öffentliche Anbieter einzuschätzen sind.3

1. Vergleich bezüglich der Arbeitsanreize Der erste bedeutende Unterschied zwischen den öffentlichen und den privaten Unternehmen liegt in ihren unterschiedlichen Anreizmechanismen. In öffentlichen Vgl. Barr (1997), S. 77 – 78, 93 – 102. Zum Begriff der Effizienz siehe Leibenstein (1966), S. 392 – 415. 3 Vgl. Bös (1989), S. 69 – 75; Recktenwald (1980), S. 157 – 171; Withfield (1992), S. 23 – 25; Bös (1992), S. 7 – 15; Rowthorn / Chang (1993), S. 54 – 69. 1 2

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F. Die Ökonomie der Pflegeleistungserstellung

Unternehmen sind die Anreize, effizient zu arbeiten, typischerweise geringer als in privaten4, denn für ein öffentliches Unternehmen besteht keine Konkursgefahr.5 Selbst bei einer ineffizienten Produktion kann deren Weiterführung durch Zuweisungen aus dem Staatshaushalt garantiert werden. Die Mobilisierung von neuem Kapital ist fast immer möglich.6 Bei privaten Unternehmen müssen sich die Manager wenigstens soweit bemühen, dass ein Konkurs abgewendet werden kann. Zudem benutzen Politiker die öffentlichen Unternehmen häufig dazu, ihre Chancen auf Wiederwahl zu erhöhen.7 So können sie z. B. über die Einstellung von neuen Arbeitskräften verfügen. Diese Maßnahmen werden auch dann durchgeführt, wenn dies der Wirtschaftlichkeit des Unternehmens abträglich ist. Eine weitere Begründung für die niedrigere Produktivität von öffentlichen Unternehmen liegt in der Entlohnung der Angestellten. In privaten Unternehmen kann das Lohnsystem in der Form gestaltet sein, dass sich eine vermehrte Leistung auszahlt.8 Den Angestellten kann ein höherer Lohn bzw. eine Aufstiegsmöglichkeit in Aussicht gestellt werden. Im öffentlichen Sektor ist das Gehalt vielfach vom Alter und von den Dienstjahren abhängig. Wenn das Gehalt jedoch fest vorgegeben ist, kann eine Maximierung des Einkommens nur dadurch erfolgen, dass der Stundenlohn maximiert wird. Das heißt, der Angestellte wird versuchen, seine Freizeit zu erhöhen. Die geringere Wirtschaftlichkeit von öffentlichen Unternehmen wird somit in einem zweiten Schritt dadurch ausgelöst, dass sich für diese Tätigkeiten vorwiegend diejenigen Menschen interessieren, die ihr Einkommen vorwiegend durch bloße Anwesenheit bzw. durch Ausharren erzielen wollen. Beispielsweise werden Anfragen von Bürgern mit dem Ziel bearbeitet, möglichst schnell und risikolos zur Arbeitsruhe zurückzufinden. Die Übernahme von Verantwortung bzw. das selbstständige Übernehmen von Zusatzaufgaben unterbleibt. Im Weiteren sind diese Tätigkeiten für die Personen attraktiv, die bestimmte Ämter anstreben oder politische Ziele verfolgen. Diese Zielvorstellungen laufen aber dem Streben nach hoher Wirtschaftlichkeit entgegen. Menschen mit hoher Arbeitsproduktivität werden eine Tätigkeit anstreben, bei der sie auch nach dieser Produktivität entlohnt werden. Sie wählen damit bevorzugt einen privaten Arbeitgeber. Dieser Selbstauswahlprozess wird durch die Vorgehensweise bei der Auswahl der Arbeitskräfte verstärkt. Private Anteilseigner werden vorwiegend Manager einstellen, die über ökonomische Kompetenz verfügen. Manager, die die Unternehmensziele nicht erreichen, werden ihre Positionen verlieren. Es findet ein Auswahlprozess statt, nach welchem ein kompetenter Entscheidungsträger zunehmend mehr Verantwortung erhält und damit mehr Kapital verwalten kann. In öffentlichen Vgl. Recktenwald (1980), S. 157 – 165; Holcombe (1995), S. 18 – 22. Vgl. Bös (1992), S. 7 – 10, 33 – 49. 6 Auf die schwache Budgetbeschränkung bei öffentlichen Unternehmen im Vergleich zu Privaten verweisen insbesondere Kornai (1979), S. 801 – 819; Kornai (1990), S. 131 – 148. 7 Vgl. Estrin (1998), S. 11 – 21. 8 Vgl. Alchian / Demsetz (1972), S. 777 – 795. 4 5

I. Private vs. öffentliche Produktion

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Unternehmen werden die Führungskräfte nach anderen Kriterien ausgewählt. So arbeitete Pelikan heraus,9 dass öffentliche Eigentümer im Bereich der ökonomischen Kompetenz unterlegen sind. Ihre Entscheidungsträger können weniger gut einschätzen, ob die Leitung eines öffentlichen Unternehmens in guten Händen liegt. Den Eigentümern fällt es typischerweise schwer, ökonomische Vorgänge zu beurteilen und die Arbeit der zuständigen Führungskräfte einzuschätzen. Zu dieser Argumentation müssen aber zwei Einschränkungen gemacht werden. Zum einen wird die Arbeitsplatzwahl – öffentlich oder privat – auch von vielen anderen Faktoren, zum Beispiel der Risikoaversion, beeinflusst. So ist anzunehmen, dass eine Person die ausgeprägt risikoscheu ist, eher die öffentliche Hand als Arbeitgeber wählen wird. Dort sind Arbeitsplatzsicherheit und ein festes Gehalt eher garantiert. Weniger risikoaverse Personen werden sich tendenziell bei privaten Unternehmen bewerben. Es ist damit durchaus vorstellbar, dass auch in öffentlichen Unternehmen produktive Arbeitskräfte tätig werden, sofern sie ausgesprochen risikoavers sind. Zum anderen muss in den öffentlichen Unternehmen nicht notwendigerweise die geschilderte Lohnstruktur angewendet werden. Es ist durchaus denkbar, dass auch im öffentlichen Bereich leistungsabhängige Löhne gezahlt werden. In einer Reihe von Tätigkeitsfeldern ist allerdings die Messbarkeit der Leistung eingeschränkt, was die leistungsabhängige Entlohnung erschwert.

2. Auswirkungen der unterschiedlichen Eigentumsrechte Ein weiterer Ansatzpunkt der Kritik gegenüber den öffentlichen Unternehmen liegt in den Eigentumsrechten.10 Als eigentlicher Eigentümer der staatlichen Betriebe kann man die Steuerbürger des jeweiligen Landes betrachten. Die Auswirkungen einer unwirtschaftlichen öffentlichen Produktion betreffen somit eine große Zahl von Menschen. Die einzelnen Bürger besitzen aber nach der Argumentation der Property-Rights-Theorie wenig Anreiz, das Handeln der Politiker zu kontrollieren. Wenn sich ein Bürger für eine höhere Effizienz in der öffentlichen Produktion einsetzen würde, erhöhte sich sein Einkommen nach Steuern nur in einem so geringen Maße, dass sich der Aufwand der Intervention nicht lohnt. Der „Anteil“ eines einzelnen Steuerzahlers am Eigentum ist zu gering. Zur Entschärfung dieses Problems wird mitunter vorgeschlagen, öffentliche Aufgaben zu dezentralisieren. Es wird argumentiert, dass öffentliche Unternehmen eher kontrolliert werden können, wenn sie von einer einzelnen Gemeinde betrieben würden und diese zur Finanzierung kommunale Steuern erhebt. Der „Anteil“ des einzelnen Steuerbürgers am kommunalen Eigentum sei damit größer und eine Kontrolle durch ihn lohne sich mehr.11 In diesem Fall würde sich die WirtschaftVgl. Pelikan (1989), S. 279 – 303. Vgl. Alchian (1977); Alessi (1980), S. 1 – 47. 11 Vgl. Tabellini (2000), S. 6. 9

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lichkeit öffentlicher Unternehmen nur wenig von der Privater unterscheiden. Ein öffentlicher Anbieter müsse danach nicht deutlich ineffizienter als ein privates Unternehmen sein, dessen Aktien sich ausschließlich im Besitz von Kleinaktionären oder Kapitalanlagegesellschaften befindet.12 Eine derartige Argumentation könnte die Bereitstellung von Pflegeleistungen auf dezentraler Ebene durch die öffentliche Hand eventuell rechtfertigen. Es bliebe allerdings trotzdem die Frage offen, weshalb bei – im besten Falle – gleicher Effizienz die öffentliche Hand und nicht ein privater Anbieter die Leistungen erbringen sollte. Gleichzeitig bleibt zweifelhaft, ob der einzelne Bürger die Arbeit eines kommunalen Anbieters einschätzen und bewerten kann. Zum einen sind für eine faire Bewertung die Bürger des Orts auf Insider-Information angewiesen, über die – zumindest der größte Teil der Gemeindebevölkerung – häufig nicht verfügt, zum anderen fehlen ihnen im Regelfall gute Vergleichsmöglichkeiten. Über die Leistungen anderer kommunaler Anbieter kann kaum geurteilt werden. Selbst wenn dies möglich wäre, bestünde immer noch die Gefahr, Schlendrian mit Schlendrian gegeneinander abzuwägen. Tabellini weist darauf hin, dass in einem dezentralisierten System Politiker in lokalen Ämtern einer deutlich weniger prestigeträchtigen und einflussreichen Tätigkeit nachgehen, als wenn sie in einem Zentralstaat eine Führungsposition einnehmen. Der Anreiz, auf eine Wiederwahl hinzuarbeiten, könnte damit geringer sein. Daraus würde dann auf lokaler Ebene eine ineffiziente Verwendung von Steuermitteln resultieren.13 Eine dezentrale Bereitstellung von Leistungen kann zudem dann eine mangelhafte Produktion zur Folge haben, wenn Nachbargemeinden ihre Güter separat produzieren und es versäumt wird, Größenvorteile auszunutzen. Die mindestoptimale Betriebsgröße wird möglicherweise aufgrund von politischen Grenzen nicht erreicht. Verwaltungseinheiten werden häufig nach politischen und weniger nach ökonomischen Kriterien gebildet. Gemeinden weisen auch in Nordeuropa eine sehr unterschiedliche Größe und Einwohnerzahl auf. Es ist zudem anzunehmen, dass für die Produktion der angebotenen Leistungen verschiedenartige optimale Unternehmensgrößen existieren. Die Größe der Verwaltungseinheiten kann somit nur einen Kompromiss darstellen. Eine umfassende lokale Bereitstellung von öffentlichen Gütern führt im Weiteren dazu, dass sich die Kommunen zu einem überdiversifizierten Unternehmen entwickeln. Für einen privaten Pflegeanbieter zählt die Betreuung Bedürftiger dagegen zu seinen Kernkompetenzen. Damit ist hier zumindest die Voraussetzung für eine höhere Produktivität als bei öfentlicher Bereitstellung gegeben.

12 Zu den Wirkungen von Dezentralisierung auf die Effizienz der öffentlichen Leistungen siehe Oates (1994), S. 130. 13 Vgl. Tabellini (2000), S. 6.

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3. Die Wirkungen von Wettbewerb Einige Ökonomen meinen, dass öffentliche Unternehmen besonders deshalb ineffizient agieren, weil sie meist keinem Wettbewerb14 ausgesetzt sind.15 In diesem Zusammenhang werden Studien präsentiert, die zeigen, dass öffentliche Unternehmen – die sich im Wettbewerb befinden – ebenso wirtschaftlich arbeiten wie private.16 Diese Untersuchungen sind jedoch mit Vorsicht zu beurteilen, könnte sich dahinter doch ein statistischer Trugschluss verbergen.17 Es ist anzunehmen, dass öffentliche Unternehmen nur dann einen Wettbewerb mit privaten Anbietern riskieren, wenn sie eine ähnliche Wirtschaftlichkeit aufweisen. Im anderen Fall kann der Gesetzgeber entweder Regelungen beschließen, damit der Markt für private Unternehmen geschlossen wird – oder die öffentlichen Unternehmen verzichten auf die Teilnahme am Wettbewerb. Eine statistische Untersuchung muss damit zwangsläufig zu dem Ergebnis kommen, dass unter Wettbewerbsbedingungen private und öffentliche Unternehmen die gleiche Effizienz aufweisen.

4. Zielfunktion öffentlicher Unternehmen Nach Auffassung einiger Wirtschaftswissenschaftler ist ein Effizienzvergleich zwischen privaten und öffentlichen Unternehmen ungerecht.18 Ihr Argument zielt darauf ab, dass öffentliche Anbieter keine Effizienzrechtfertigung benötigen, da ihre Daseinsberechtigung aufgrund andere Ziele gegeben ist. Öffentliche Unternehmen sollen beispielsweise zur Beschäftigungs- und Wettbewerbspolitik sowie zur Struktur-, Sozial- und Wachstumspolitik beitragen.19 Das Wirtschaftlichkeitsziel sei dann zweitrangig. Darüber hinaus wird dargelegt, dass bei einem hohen Wohlstandsniveau Ziele wie eine hohe Effizienz und hohe Produktivität bei öffentlichen Unternehmen zugunsten anderer Ziele zurücktreten können. Wenn dieser Darlegung gefolgt wird, sind eine Reihe von Theorien, wie die Property-RightsTheorie für öffentliche Unternehmen, nur bedingt anwendbar. So verweist Noll darauf, dass eine effizienzorientierte Herangehensweise wie bei der Property-RightsTheorie die Problematik der öffentlichen Anbieter insgesamt nicht erfassen kann.20 Eine solche Erklärung übersieht allerdings zwei wichtige Dinge. Erstens ist zu berücksichtigen, dass die Kosten der verringerten Effizienz der öffentlichen Unter14 Zur Rolle des Wettbewerbs siehe u. a. Lavoie (1985), S. 48 – 77; Hayek (1949), S. 92 – 106. 15 Vgl. Bös (1989), S. 73 – 74. 16 Vgl. Caves / Christensen (1980), S. 958 – 976. 17 Vgl. Fölster (1996), S. 139. 18 Vgl. Noll (1992), S. 45 – 55. 19 Vgl. Whitfield (1992), S. 18 – 22. 20 Vgl. Noll (1992), S. 45 – 55.

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nehmen durch Steuereinnahmen finanziert werden müssen. Die daraus folgenden Kosten der Besteuerung – Stichwort: excess burden – können den Nutzen, den öffentliche Unternehmen durch die Verfolgung anderer Ziele stiften, durchaus übersteigen. Erst recht problematisch wird es dann, wenn die Ziele der öffentlichen Unternehmen an sich zweifelhaft und ihr gesellschaftlicher Nutzen fraglich ist. Aber selbst bei Einigkeit über die Vorteilhaftigkeit dieser Ziele ist keineswegs sicher, ob sie mit öffentlichen Produzenten auch durchgehalten werden kann. Zweitens entspringt die Auffassung, dass ein hohes Wohlstandsniveau eine Abkehr vom Effizienzziel rechtfertigt, der Vorstellung, das Wirtschafts- und Wohlfahrtswachstum werde sich gewissermaßen automatisch fortsetzen. Wie die Wirtschaftsgeschichte zeigt, ist das Ausruhen auf einem Niveau der erste Schritt zur Verringerung der Wirtschaftskraft. Auch wenn die anderen Ziele der öffentlichen Unternehmen nicht vollkommen vernachlässigt werden dürfen; die Wirtschaftlichkeit ist zu berücksichtigen.

II. Marktversagen bei der Produktion von Pflege Trotz der meist geringeren Effizienz von öffentlichen Unternehmen existieren Situationen, in denen eine öffentliche Produktion durchaus gerechtfertigt sein kann. Der Staat kann beispielsweise dann als Akteur auf dem Markt erscheinen, wenn die Bedingungen eines „bestreitbaren“ („contestible“) Markts nicht erfüllt sind. Die Theorie des Marktversagens benennt ferner eine Reihe von Gründen, bei denen ein staatliches Eingreifen in den Marktprozess sinnvoll ist. Genannt werden hierbei insbesondere Externalitäten und Informationsmängel hinsichtlich der Qualität des Guts. Zudem bildet sich dann kein funktionstüchtiger Markt, wenn es sich um die Produktion eines öffentlichen Guts handelt bzw. wenn ein natürliches Monopol existiert. Im Folgenden ist zu prüfen, inwieweit Formen des Marktversagens bei der Erstellung von Pflegeleistungen auftreten. In der anschließenden Schlussfolgerung ist dann zu bewerten, ob sich daraus die Berechtigung einer öffentlichen Produktion ableiten lässt oder ob eine Regulierung ausreicht.

1. Pflege als öffentliches Gut Eine staatliche Produktion von Pflegegütern kann dann gerechtfertigt werden, wenn es sich bei der Pflege um ein öffentliches Gut handelt. In diesem Fall würde sich bei einer Bereitstellung von Pflegegütern durch Private kein funktionierender Markt bilden. Nach der auf Samuelson zurückgehenden Klassifizierung zeichnen sich öffentliche Güter dadurch aus, dass erstens ein Ausschluss vom Konsum nicht möglich ist. Zweitens herrscht Nichtrivalität im Konsum.21 Bei einem privaten Gut 21

Vgl. Samuelson (1954), S. 387 – 389.

II. Marktversagen bei der Produktion von Pflege

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ist der Konsum durch Rivalität gekennzeichnet. Zudem ist ein Ausschluss möglich. Menschen mit unzureichender Zahlungsbereitschaft können vom Erwerb des Guts ferngehalten werden. Bei Pflegegütern ist Rivalität im Konsum eindeutig gegeben. Die Platzzahlen in den Pflegeeinrichtungen sind ebenso begrenzt wie die Angebote der ambulanten Dienste. Einer privaten Leistungserstellung steht nach diesem Kriterium nichts entgegen. Anders verhält es sich mit dem Ausschlussprinzip. Bei Pflegegütern stellt es zwar technisch kein Problem dar, einzelne Personen vom Bezug der Leistungen fernzuhalten, unter der politischen Zielsetzung des Ausbaus von Wohlfahrtsstaaten ist der Ausschluss von Bedürftigen aber schwerlich möglich. Es ist zu bedenken, dass die Einwohner eines Landes über Einzahlungen in das Sozialsystem einen rechtlichen Anspruch auf eine Betreuung erworben haben. Zudem ist es in einem Sozialstaat gesellschaftlich nicht erwünscht, einzelne Bedürftige von Leistungsangeboten auszugrenzen. Das Ausschlussprinzip ist damit realistischerweise nicht anwendbar. Die Einstufung des Guts Pflege als öffentliches resp. privates Gut kann damit nicht eindeutig vorgenommen werden. Die Betreuung Bedürftiger ist daher als unreines öffentliches Gut zu bezeichnen. Eine Rechtfertigung für eine öffentliche Produktion kann daraus jedoch nicht abschließend abgeleitet werden.

2. Externe Effekte Eine Korrektur des Markts durch den Staat kann auch dann als begründet gelten, wenn der gesellschaftliche Nutzen aus der Produktion des Guts nicht mit den Einnahmen, die ein Privater aus dem Verkauf erzielen kann, übereinstimmt.22 So führt ein positiver externer Effekt dazu, dass das Angebot an Gütern auf dem entsprechenden Markt tendenziell zu gering ausfällt. Private Unternehmer haben in diesem Fall nicht die Möglichkeit, den zusätzlichen Nutzen monetär abzuschöpfen. Bei negativen externen Effekten fällt das Angebot auf dem Markt zu groß aus. Hier trägt das Unternehmen nicht die gesamten Kosten seines Handelns. Zu fragen ist, inwieweit die Bereitstellung von Pflegeleistungen Externalitäten verursacht. Wenn dies der Fall wäre, müsste staatliches Eingreifen zur Korrektur dieser Effekte als angebracht zu gelten haben. Bei der Beantwortung dieser Frage lässt sich feststellen, dass eine professionelle Pflegebetreuung nicht nur dem Bedürftigen selbst, sondern auch seinen Angehörigen hilft. Die Familienmitglieder werden sowohl bei einer ambulanten als auch bei einer stationären Versorgung in der Fürsorge unterstützt bzw. entlastet. Es ist deshalb zu vermuten, dass die Pflege positive externe Effekte erbringt. Eine Einschränkung dieser Argumentation kann sich dann ergeben, wenn eine Pflegeversorgung durch Betreuungsdienste nicht als einer familiären Fürsorge gleichwertig empfunden wird. Insbesondere beim Übergang zu einer stationären Fürsorge kann 22

Vgl. Fölster (1996), S. 137.

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bei den Angehörigen ein Schuldgefühl ausgelöst werden und damit eine Nutzenminderung auftreten.23 In diesem Falle könnte die Pflegeversorgung keinen positiven externen Effekt erbringen. Es ist aber zu bezweifeln, ob dieser (ausbleibende) Effekt bedeutend ist. Zumindest auf mittlere und lange Sicht ist zu erwarten, dass der positive Effekt durch die Entlastung der Pflegenden den negativen übersteigt. Die Pflege erbringt dann per saldo positive externe Effekte. Eine staatliche Förderung der Schaffung und Erhaltung eines angemessenen Pflegesektors erscheint somit sinnvoll. Eine Notwendigkeit zur öffentlichen Produktion ergibt sich daraus aber nicht. 3. Qualitätssicherung als Rechtfertigung für eine öffentliche Produktion Eine weitere Form des Marktversagens tritt auf, wenn aufgrund von Informationsmängeln eine minderwertige Produktqualität auf dem entsprechenden Markt zu erwarten ist. Wenn die Selbstregulierungsfähigkeit des Markts hinsichtlich der Qualität eingeschränkt ist, kann staatliches Handeln begründet werden. Dieses Argument ist für die Erstellung von Pflegeleistungen von besonderer Bedeutung. Die öffentliche Produktion von Pflege wird vielfach mit diesem Argument begründet. Es wird die Aussage vorgebracht, dass eine ausreichende Qualitätssicherung am effizientesten dann garantiert werden kann, wenn die öffentliche Hand die Leistungen selbst bereitstellt.24 Bei der Untersuchung der Stichhaltigkeit dieser Erklärung, ist zu fragen, ob die Pflegebetreuung durch private Unternehmen wirklich zu negativen Konsequenzen hinsichtlich der Betreuungsqualität führt?25 Besitzen Pflegegüter Merkmale, die dazu führen, dass private Unternehmen nur einen geringen Anreiz haben, gute Qualität anzubieten? Wenn dies der Fall wäre, müsste weiter untersucht werden, ob privatrechtliche Lösungen denkbar wären.26 Der Grundansatz Es kann durchaus ein Vorteil sein, dass ein öffentliches Unternehmen keine Gewinnmaximierung anstrebt. Es ist dann möglicherweise nicht versucht, die Unwissenheit seiner Kunden auszubeuten. Einem privaten Unternehmen könnte vorgeworfen werden, zur Kosteneinsparung schlechte Qualität anzubieten. Wenn die niedrige Qualität keinen bedeutenden Einfluss auf die Menge der Nachfrage ausübt, läuft ein solches Handeln dem Ziel Gewinnmaximierung nicht entgegen. Eine solche Strategie ist nicht rational, wenn das Unternehmen Güter anbietet, bei denen der Kunde vor dem Kauf die Qualität bewerten kann, es sich also um so genannte 23 24 25 26

Vgl. Aebischer (2000), S. 139. Vgl. Bös (1992), S. 10; Withfield (1992), S. 253 – 261. Vgl. Fölster (1998), S. 93; Fölster (1996), S. 138. Vgl. Holcombe (1995), S. 94 – 106.

II. Marktversagen bei der Produktion von Pflege

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Suchgüter handelt.27 Schlechte Qualität wird dann einen Nachfragerückgang bewirken, wenn die Konsumenten die Möglichkeit besitzen, einen anderen Anbieter zu wählen. Da es sich bei einer Reihe von Gütern um Suchgüter handelt und zudem häufig eine Wettbewerbssituation vorhanden ist, funktioniert auf vielen Märkten die Qualitätskontrolle ohne staatlichen Eingriff. Anbieter, die schlechte Qualität anbieten, finden nur wenige Nachfrager und verschwinden vom Markt. Bei einer anderen Art von Gütern – den Erfahrungsgütern – kann der Kunde die Qualität vor dem Kauf zwar nicht einschätzen, nach dem Erwerb wird ihm diese allerdings bewusst. Bei schlechter Qualität wird er auf einen Wiederholungskauf verzichten. Die Anbieter dieses Guts werden damit sukzessive ebenfalls vom Markt verschwinden. Schwierigkeiten zeigen sich allerdings dann, wenn es nur zu wenigen oder gar keinen Wiederholungskäufen kommt. Dies ist z. B. bei Gütern der Fall, die vorwiegend durch Laufkundschaft nachgefragt werden.28 Weiterhin ist eine solche Situation dann gegeben, wenn eine gewisse Bindung mit dem Anbieter eingegangen wurde und ein Wechsel mit (zu) hohen Kosten verbunden ist. Der Anbieter erreicht durch den Vertragsabschluss de facto eine Unterbindung von Wiederholungskäufen. In diesem Fall besteht die Gefahr, dass auch Güter mit schlechter Qualität auf dem Markt verbleiben. Die Qualitätskontrolle durch Wiederholungskäufe wirkt hier nicht. Die Anbieter können allerdings die Informationsasymmetrie über die Qualität eines Guts dadurch verringern, dass sie eine Gewährleistung für die Einhaltung bestimmter Qualitätsparameter übernehmen. Wenn sich nach dem Erwerb die schlechte Qualität des Produkts offenbaren sollte, kann der Käufer Nachbesserungen fordern bzw. vom Kaufvertrag zurücktreten. Unternehmen, die schlechte Qualität liefern, werden dann hohe Reklamationskosten verbuchen oder eine Vielzahl von Gütern zurückerhalten. Damit verlieren diese Unternehmen tendenziell Marktanteile bzw. verschwinden in der Endkonsequenz vom Markt. Garantieverpflichtungen sind damit ein wirkungsvolles privatwirtschaftliches Instrument, um eine gewisse Qualität der Produkte auf dem Markt zu sichern. Für die Klärung des Problems, ob der Staat auf dem Pflegemarkt eingreifen soll, ist hier Verschiedenes zu hinterfragen: – Erstens: Wann kann der Käufer von Pflegeleistungen, also der Bedürftige, die Qualität bewerten? (1) – Zweitens: Inwieweit ist mit Wiederholungskäufen zu rechnen? (2)

Wenn sich herausstellen sollte, dass für private Anbieter ein Anreiz besteht, schlechte Qualität zu liefern, ist noch eine Frage zu untersuchen. – Drittens: Können die Anbieter sich auf Qualitätsstandards verpflichten? (3)

Vgl. Holcombe (1995), S. 93 – 95. So tendieren Restaurants an Plätzen, die vorwiegend durch Tagestouristen aufgesucht werden, zu einer schlechten Speisequalität. Da die Kundschaft täglich wechselt, Wiederholungskäufe demnach selten sind, besteht wenig Anreiz, gute Qualität zu liefern. 27 28

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Wenn diese Frage ebenfalls negativ beantwortet werden muss, ist ein staatlicher Eingriff gerechtfertigt. Bei der nachfolgenden Beantwortung wird zwischen der ambulanten und der stationären Betreuung unterschieden. Die ambulante Versorgung (1) Vor dem Abschluss eines Pflegevertrags ist es für den Bedürftigen schwierig, das Qualitätsniveau eines Pflegediensts einzuschätzen. Erst wenn er die Leistungen erhält, ist ihm eine Bewertung ihrer Qualität möglich. Es ist zudem zu beachten, dass Personen, die ambulante Pflege beziehen, einen geringen Pflegebedürftigkeitsgrad aufweisen. So ist hier Altersdemenz selten oder nur in einem niedrigen Stadium vertreten. Zudem werden auch Angehörige von der Betreuung tangiert, so dass auch diese Einblick in puncto Pflegequalität haben. Bei der ambulanten Versorgung handelt es sich damit um die Erzeugung eines Erfahrungsgut. (2) In der ambulanten Versorgung sind Wiederholungskäufe die Regel. Sofern andere Anbieter vorhanden sind, ist es denkbar, dass eine Person, die mit den Leistungen eines Pflegediensts nicht einverstanden ist, zu einem anderen Anbieter wechselt. Schlechte Qualität wird somit durch das Nachfragerverhalten bestraft. Sofern eine Wettbewerbssituation besteht, werden private Pflegedienste eine gute Qualität anbieten. Die stationäre Versorgung (1) Wie bei der ambulanten Versorgung ist es auch bei der stationären Betreuung für die Bedürftigen vor dem Leistungsbezug schwer möglich, das Niveau der Betreuung einzuschätzen. Die äußere Fassade, die Zimmer sowie das kulturelle Angebot können zwar eingesehen werden, die Pflegeheime können sich aber auf diese Art der Bewertung einstellen und vorwiegend in Bereiche investieren, die ihr äußeres Erscheinungsbild verbessern. Neben verschiedenen Marketingaktionen könnte dazu die Errichtung eines Cafés oder einer schönen Außenanlage gehören. Außenstehende können aber schwer feststellen, ob die direkte Betreuung in diesem Heim mangelhaft ist. Die Befragung von Bewohnern ist aufgrund des hohen Pflegebedürftigkeitsgrads der Heiminsassen auch nur bedingt hilfreich. Personen, die im Heim wohnen, werden zudem voraussichtlich eine nicht repräsentative Meinung von der Einrichtung haben. Die am meisten Unzufriedenen sind bereits ausgezogen. Insgesamt bleibt die Qualität der Pflege im engeren Sinne den Bedürftigen vor dem Einzug im Wesentlichen verborgen. Nach dem Einzug in das Pflegeheim ist die Qualitätsbewertung theoretisch möglich, es ergibt sich jedoch auch hier das Problem der mangelnden Fähigkeit zur Auskunftserteilung (vor dem Hintergrund des hohen Pflegebedürftigkeitsgrads). So leidet ein großer Teil der Bedürftigen an Altersdemenz. Diesen Menschen fällt es immer schwerer, ihre Umwelt geistig zu verarbeiten oder zu bewerten. Eine

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Qualitätskontrolle durch diese kann nicht erwartet werden. Da weniger stark pflegebedürftige Personen zu einem größeren Teil ambulant betreut werden, ist der Pflegebedürftigkeitsgrad in den letzten Jahren in den Heimen im Durchschnitt gestiegen ist. Es kann somit von zunehmend weniger Bedürftigen eine realistische Qualitätskontrolle erhofft werden. Es wäre zwar denkbar, dass ihre Angehörigen die Qualität der Pflege bewerten, eine Beurteilung der Pflegebedingungen von außen ist allerdings – wie bereits erwähnt – schwierig. Den Qualitätsstandard eines Heims kann – wenn überhaupt – meist erst nach dem Einzug eingeschätzt werden. (2) In der stationären Versorgung ist sporadisch zu beobachten, dass eine Person mehrmals im Leben einen Pflegeheimplatz nachfragt. Im Regelfall verbleiben die Bedürftigen nach dem Einzug aber bei ihrer ersten Wahl. Selbst wenn die Qualität des Heims im Nachhinein nicht ihren Erwartungen entspricht, wird daraus selten eine Konsequenz gezogen. Die Kosten eines Wechsels der Einrichtung bewerten die Bedürftigen bzw. die Angehörigen als zu hoch. Nur bei bedeutenden Qualitätsmängeln kommt es zu einem Umzug. Das Pflegeheim besitzt damit den Anreiz, das Qualitätsniveau auf einer Stufe zu halten, die gerade ausreicht, um diesen Auszug zu verhindern. Dieses Niveau kann jedoch niedriger sein, als es der Pflegebedürftige vor dem Einzug gewünscht hat. Wiederholungskäufe passieren damit im Wesentlichen nur im Bereich der kurzfristigen stationären Pflege. Sie wird vorwiegend von Menschen nachgefragt, die die meiste Zeit des Jahres durch Angehörige versorgt werden, für einige Wochen aber – z. B. durch eine Urlaubsreise der Betreuenden bedingt – Heimpflege benötigen. Die Bezieher von kurzfristiger stationärer Fürsorge tätigen Wiederholungskäufe, können also Anbieter schlechter Qualität bestrafen. Für den stationären Sektor könnten sich damit auch Wirkungen für die langfristige Heimpflege ergeben, wird doch ein Teil der Menschen, die kurzfristige stationäre Betreuung in Anspruch genommen haben, mit substanzieller Wahrscheinlichkeit irgendwann einmal endgültig in eine Pflegeeinrichtung einziehen. Diese Personen können zudem auch Qualitätseindrücke an andere Menschen weitergeben. Eine Qualitätskontrolle der Heime würde damit durch die Menschen erfolgen, die mehrmals kurzfristige stationäre Pflege benötigen. Das Pflegeheim besitzt in diesem Fall die Motivation, im Bereich der kurzfristigen stationären Fürsorge besonders hohe Qualität zu leisten, während bei der langfristigen Betreuung eine eher schlechtere Versorgung angeboten wird. So werden die kurzfristigen Bewohner die schöneren Zimmer und eine eben auch sonst bessere Versorgung erhalten. Insgesamt sind in der stationären Fürsorge – mit Ausnahme der kurzfristigen Betreuung – Wiederholungskäufe jedoch eher selten. Eine schlechte Qualität des Angebots wird daher nicht ausreichend bestraft. Zusammenfassend lässt sich zur Beantwortung der Fragen eins und zwei sagen, dass in der stationären Versorgung für die entsprechende Einrichtung schlechte Qualität mit geringen Konsequenzen verbunden ist. Der Anreiz, gute Qualität zu erbringen, ist gering. Zum einen kann das Serviceniveau erst nach dem Einzug

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bewertet werden. Zweitens hat der Anbieter selten mit Wiederholungskäufen zu rechnen. Damit ist die Frage drei zu erörtern, inwieweit eine Qualitätskontrolle durch die privaten Anbieter etabliert werden kann. (3) Da die Gefahr des Angebots von schlechter Qualität im Bereich der stationären Pflege besteht, könnte die Vergabe von Garantien eine Lösungsmöglichkeit darstellen. Pflege-Unternehmen, die gute Qualität anbieten, könnten Servicegarantien, z. B. über Qualitätssiegel, abgeben. Anbieter, die schlechte Qualität liefern, müssten, um auf dem Markt zu bestehen, ihr Qualitätsniveau anheben und ebenfalls solche Garantien offerieren. Die Ausgestaltung könnte dabei z. B. so vorgenommen werden, dass bei Nichtereichen eines Qualitätsniveaus Strafzahlungen des entsprechenden Anbieters an die Bewohner fällig werden. Ein errungenes Qualitätssiegel würde dieses Heim zudem wieder verlieren. Wenn es dann in Ermangelung eines Qualitätssiegels keine ausreichende Nachfrage mehr findet, müsste es den Markt verlassen. Es ist jedoch schwierig zu sagen, ob die Einführung von Garantien eine gute Lösung des Qualitätsproblems auf dem Pflegesektor darstellt. Es steht zu bedenken, dass viele Tätigkeiten in einem Heim qualitätsmäßig nicht einfach zu erfassen sind. Freundlichkeit und Entgegenkommen gegenüber den Bedürftigen sind quantitativ schwer messbar. Umfragen sind zwar ein praktiziertes Verfahren, ihre Aussagekraft sollte aber nicht überbewertet werden, weist doch ein Großteil der Bedürftigen geistige Beeinträchtigungen auf. Ein besseres Qualitätsmerkmal sind geeignete Kennzahlen, z. B. das Zahlenverhältnis Pflegepersonen zu Pflegebedürftigen. Allerdings ist ein hoher Quotient nicht zwangsläufig ein Zeichen für gute Qualität. Schwierigkeiten ergeben sich auch dadurch, dass feste Kriterien für die Vergabe von Siegeln definiert werden müssten. Wird dies unterlassen, verkommt die Verleihung zu einem Willkürakt. Die Festlegung und die Gewichtung von mehreren Kennzahlen leidet aber unter dem Problem der komplizierten Definition von Qualität. Während manche Personen vorwiegend Wert auf freundliche Pflegekräfte legen, ist anderen eine komfortable Unterkunft und wieder anderen ein zugehöriger Park mit Café am wichtigsten. Bei der Formulierung einer Qualitätskennzahl müssen daher Kompromisse eingegangen werden. Es ist weiterhin zu erwarten, dass die Pflegeanbieter die Gewichtung der Kennzahlen bei der Leistungserstellung berücksichtigen. Sollte ein Park mit einem niedrigen Anteil in die Qualitätsbewertung eingehen, werden Heime tendenziell weniger Parks anbieten. Bedürftige, die Einrichtungen mit Parks wünschen, könnten Schwierigkeiten bekommen, eine solche zu finden. Trotz dieser Vorbehalte sind Qualitätssiegel grundsätzlich ein annehmbares Instrument der Qualitätskontrolle. Voraussetzung ist, dass schlechte Qualität auch durch den Entzug dieses Qualitätssiegels konsequent geahndet wird.

II. Marktversagen bei der Produktion von Pflege

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Zusammenfassung Die Analyse des Pflegeangebots ergab, dass ein privater Markt für Pflegeleistungen durchaus auch unter dem Qualitätsaspekt funktionieren kann. Die meisten dagegen vorgebrachten Einwände wurden für den stationären Bereich gefunden. Durch die Vergabe von Qualitätsgarantien und eine Kontrolle der kurzfristigen stationären Versorgung kann aber auch hier eine gewisse Qualitätssicherung erreicht werden. Im ambulanten Bereich sind die Probleme durch eine größere Zahl von Wiederholungskäufen geringer.

4. Pflegeversorgung auf dem Markt eines natürlichen Monopols Die Existenz einer genügend großen Anzahl an verschiedenen Anbietern ist eine Voraussetzung dafür, dass ein privater Markt funktionieren kann. Nur in diesem Fall ist ein Wechsel des Anbieters bei schlechter Qualität möglich. Ein Monopolanbieter kann von den Nachfragern bei Nichtgefallen nicht abgewählt werden. Eine Rechtfertigung für eine öffentliche Produktion kann die ökonomische Theorie dann geben, wenn eine solche Angebotsstruktur im Wesen der Produktion liegt, d. h. wenn von einem natürlichen Monopol gesprochen werden kann. Ein natürliches Monopol ergibt sich dann, wenn die Produktion sinkende Durchschnittskosten bzw. steigende Skalenerträge aufweist. Eine solche Situation ist typischerweise in Netzwerken, wie in solchen der Wasser-, Strom- oder Gasversorgung, anzutreffen. Zu fragen ist, ob auch bei der Pflegeversorgung von einem natürlichen Monopol gesprochen werden kann. Birnbaum, Bishop, Lee und Jensen konnten bei einer Untersuchung im Jahre 1981 in amerikanischen Nursing homes keine Skalenerträge ermitteln.29 Die Durchschnittskosten sanken zwar bis zu einer Bettenzahl von 40, bei einer weiteren Kapazitätssteigerung war jedoch kein Zusammenhang mehr zwischen der Größe der Pflegeeinrichtungen und den Durchschnittskosten zu ermitteln. McKay kritisierte in einer Studie von 1988 diese Untersuchung.30 Nach seiner Auffassung müsste als Output nicht die Anzahl der Betten, sondern die Anzahl der Pflegebedürftigen-Tage p. a. verwendet werden. McKay’s Studie ergab, dass bei einer Zunahme der Zahl der Pflegebedürftigen-Tage p. a. eine Verringerung der Durchschnittskosten auftritt. Zunehmenden Skalenerträge würden auf ein natürliches Monopol hindeuten. Zweifel weist jedoch darauf hin, dass die Studie von McKay selbst eine Reihe von Unzulänglichkeiten aufweist.31 Zum einen berücksichtige McKay nur unzureichend die Nachfrageseite. Die meisten älteren Menschen bevorzugen Einrichtun29 30 31

Vgl. Birnbaum / Bishop / Lee / Jensen (1981), S. 1097. Vgl. McKay (1988), S. 58 – 75. Vgl. Zweifel (1996b), S. 4 – 5.

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F. Die Ökonomie der Pflegeleistungserstellung

gen in der Nähe ihrer Angehörigen, so dass sich in Regionen mit geringer Bevölkerungsdichte keine sehr großen Einrichtungen entwickeln können. Im Weiteren wird der staatliche Einfluss vernachlässigt. So verfolgt der Gesetzgeber häufig eine Pflegepolitik, bei der die seiner Ansicht nach wohnlicheren, kleineren Pflegeeinrichtungen bevorzugt werden. Auch dies erschwere die Etablierung von sehr großen Pflegeheimen. Nach der Aussage von Zweifel kann damit kaum von einem natürlichen Monopol in der Pflegebetreuung ausgegangen werden. Es ist nicht sicher, ob sich diese Argumentation auch auf Regionen beziehen lässt, die eine niedrige Bevölkerungsdichte aufweisen. Bei einer geringen Zahl von Nachfragern bewegt sich der Output wahrscheinlich noch in einem Bereich, für den selbst die Forschergruppe von Birnbaum sinkende Durchschnittskosten ermittelte. Es ist somit zu erwarten, dass sich in solchen Regionen nur wenige private Anbieter niederlassen werden. Die Bildung von natürlichen Monopolen im stationären Sektor ist wahrscheinlich. Für den ambulanten Bereich liegen dem Verfasser keine entsprechenden Untersuchungen vor. Da die Fixkosten hier aber deutlich niedriger sind, ist die Ausbildung eines natürlichen Monopols kaum zu erwarten.

5. Schlussfolgerung In den obigen Ausführungen wurde gezeigt, dass einige Formen von Marktversagen bei der Produktion der Pflege auftreten. Die Existenz von Externalitäten ist für eine Leistungserstellung durch die öffentliche Hand jedoch ebenso wenig ein ausreichendes Argument wie die Eigenschaft der Pflege, ein unreines öffentliches Gut zu sein. Externalitäten können auch mit Hilfe des Steuersystems, durch Subventionen oder mit Hilfe sonstiger Regulierungen gelöst werden. Privaten Anbietern könnte auch ein staatlicher Zuschuss gezahlt werden, der den positiven externen Effekten entspricht. Die Einstufung als unreines öffentliches Gut ergab sich aus der Nichtanwendbarkeit des Ausschlussprinzips. Auch dieser Schwierigkeit kann bereits ausreichend durch Regulierungsmaßnahmen begegnet werden. Um den rechtlichen Anspruch auf Pflegeleistungen durchzusetzen, könnte beispielsweise über die privaten Pflegeanbieter von gesetzgeberischer Seite ein Kontrahierungszwang verhängt werden oder die öffentliche Hand könnte Belegungsrechte erwerben. Damit wäre es möglich, den Bedarf an Pflegeleistungen auch durch private Unternehmen zudecken. Etwas problematischer ist die Diskussion hinsichtlich der Qualitätsaspekte und der Existenz von natürlichen Monopolen. Qualitätsprobleme sind, wie gezeigt, besonderes im stationären Sektor wahrscheinlich. Um eine ansprechende Qualität zu sichern, müsste eine funktionierende Qualitätskontrolle implementiert werden. Schwierigkeiten ergeben sich, wenn ein natürliches Monopol existiert. Der Entzug eines Qualitätssiegels kann in diesem Fall aus Mangel an Alternativen nicht zu einem Abwandern von Bedürftigen führen. Eine unzureichende Bestrafung für das

II. Marktversagen bei der Produktion von Pflege

189

Anbieten niedriger Qualität kann bedeuten, dass die Anbieter wenig Anreiz besitzen, gute Qualität bereitzustellen. Die Funktion eines privaten Pflegemarkts ist somit zum einen wesentlich von der Wirksamkeit privatwirtschaftlicher Qualitätskontrollen abhängig, zum anderen ist von Bedeutung, inwieweit ein natürliches Monopol wirklich existiert. Im ambulanten Bereich dürfte die Wahrscheinlichkeit, dass ein privater Markt funktioniert, wesentlich höher sein als im stationären Sektor. Selbst bei skeptischer Sichtweise hinsichtlich einer privaten Produktion ergibt sich aber nicht automatisch, dass staatliche Intervention zu einem besseren Resultat führen muss. Es ist zu fragen, ob eine staatliche Qualitätskontrolle die genannten Probleme beheben kann bzw. inwieweit eine öffentliche Produktion vorzuziehen ist. Im folgenden Kapitel wird dies für den Fall des Pflegeangebots in Nordeuropa erörtert.

G. Die Angebotsstruktur in Skandinavien I. Ein Überblick In Skandinavien sind die Gemeinden sowohl für die ambulante als auch für die stationäre Betreuung pflegebedürftiger Menschen verantwortlich. Damit wird der überwiegende Teil der Pflegeleistungen durch die Kommunen bereitgestellt. Der zugehörige Marktanteil liegt bei bemerkenswerten 90 %.1 Die öffentliche Hand ist damit der dominierende Pflegeanbieter. Doch in den letzen Jahren sind in zunehmendem Maße private Pflegeunternehmen im Alten- und Behindertenbereich tätig. Zudem werden Bedürftige von Stiftungen, kirchlichen Organisationen und Genossenschaften betreut.2 Die Stiftungen sind dabei insbesondere in Kleinstädten tätig, wo sie eine Reihe von altengerechten Wohnungen unterhalten. Genossenschaften sind dagegen vorwiegend in größeren Orten zu finden, in Schweden beispielsweise in Stockholm, in Göteborg und in Malmö. In 20 schwedischen Kommunen gründeten sich Genossenschaften des Personals. In 13 Gemeinden schlossen sich sogar Bedürftige zu einer Genossenschaft zusammen. Die Organisation obliegt dabei vorzugsweise den jüngeren Behinderten.3 Die theoretische Argumentation im vorigen Kapitel zeigte keine hinreichende Begründung dafür, dass die öffentliche Hand selbst als Anbieter auftreten sollte. Im stationären Sektor könnte zur Qualitätssicherung eine staatliche Qualitätskontrolle eingerichtet werden. Im ambulanten Sektor erfolgt möglicherweise bereits über den Markt eine entsprechende Qualitätsprüfung. Unter diesem Gesichtspunkt widerspricht die nordische Pflegeabsicherung den gewonnen Erkenntnissen der Theorie. Die dortige Konstellation wirft somit zwei Fragekomplexe auf. Erstens: Weshalb übernimmt der Staat in Nordeuropa selbst diese Produktion? Die Erklärung, dass sozialdemokratisch dominierte Länder im Besonderen eine bedeutende Rolle des Staates in der Sozialpolitik fordern, ist dabei allein unbefriedigend. Auch der Hinweis auf die historische Rolle der Kommunen als Anbieter von Pflegegütern kann nicht als ausreichende Antwort gelten.4 Zweitens: Was ergaben Studien über die Effizienz und die Produktivität der Pflegeanbieter? Weisen öffentliche Unternehmen tatsächlich die theoretisch vor1 2 3 4

Vgl. Carema AB (1999), S. 7; Rostgaard / Holm / Jensen (1998), S. 229. Vgl. Szebehely (2000), S. 204 – 205. Vgl. Loord-Gyne / Mann (1995), S. 50. Die Geschichte der Pflegeversorgung in Skandinavien folgt in Kapitel H.I.

II. Öffentliche Produktion von Pflegegütern

191

hergesagten Wirtschaftlichkeitsprobleme auf? Wie ist die Leistungserstellung von öffentlichen im Vergleich mit privaten Anbietern zu bewerten? Im Folgenden gilt es, diese Fragen zu erörtern.

II. Öffentliche Produktion von Pflegegütern Eine wichtige Voraussetzung für eine effiziente und qualitätsmäßig befriedigende Bereitstellung von Pflegegütern liegt im Vorhandensein einer Wettbewerbssituation. Wenn ein Anbieterwechsel nicht möglich ist, besitzt der einzige Anbieter, wie im vorigen Kapitel erläutert, keinen Anreiz, gute Qualität bereitzustellen. Bei einer Betrachtung der Bevölkerungsverteilung in Skandinavien – insbesondere in Schweden und Norwegen –, liegt die Prognose nahe, dass bei vielen Gemeinden nicht mit mehreren Anbietern zu rechnen sein kann, da die meisten Regionen dünn besiedelt sind. Vermutlich würde in den meisten Landstrichen nur ein privater Anbieter die Bevölkerung versorgen. Dies kann Auswirkungen auf die Pflegequalität haben. Um dieses Problem zu lösen, ist es ökonomisch zu rechtfertigen, dass der Gesetzgeber Richtlinien vorgibt, kontrolliert und private Anbieter, die schlechte Qualität bereitstellen, sanktioniert. In Nordeuropa wird diese Variante jedoch skeptisch gesehen. Nach der herrschenden Auffassung sei die Qualitätssicherung am günstigsten durch eine öffentliche Produktion und interne Kontrollen zu gewährleisten. In den folgenden Unterkapiteln werden diese beiden Alternativen analysiert.

1. Staatliche Qualitätskontrolle bei privater Produktion Bestimmte Formen der Regulierung und Qualitätssicherung von privaten Pflegeanbietern durch den Staat sind in allen EU-Ländern zu finden. In den letzten Jahrzehnten wurde jedoch vermehrt erkannt, dass diese Qualitätskontrollen mangelhaft ausgestaltet sind. Die entsprechenden Gesetze beschränken sich vielfach auf Zulassungs- und Überwachungsnormen. Genaue Qualitätsstandards werden nicht definiert. Die Heimaufsicht nimmt typischerweise keine hierarchische Kontrolle vor, sondern besitzt eher informellen Charakter. Die vergleichsweise lockeren Richtlinien führen teilweise zu niedriger Pflegequalität in den Einrichtungen.5 Eine Qualitätskontrolle wird zum Teil über eine regelmäßige Gegenüberstellung von Einrichtungen erhofft. So vergleicht das Federal Government in den USA in einem so genannten Quality Indicator Report, Pflegeheime und versucht dabei Qualitätsdefizite zu erkennen.6

5 6

Vgl. Alber / Schölkopf (1999), S. 271. Vgl. Kaplan (2002), 21 – 24.

192

G. Die Angebotsstruktur

Problematisch ist, dass die Setzung eines Qualitätsniveaus für einen privaten Pflegemarkt kompliziert ist. Bereits die Definition der „Pflegequalität“ bereitet Schwierigkeiten. Eine Fassung des Qualitätsbegriffs ist aufgrund schwer festzumachender Komponenten diffizil. Zudem ist auch die Einhaltung dieser Regeln schwierig durchzusetzen. Inwieweit eine staatliche Qualitätskontrolle tauglich ist, kann in den nordischen Ländern beobachtet werden. Durch die zunehmende Zahl von privaten Pflegeanbietern ist die öffentliche Hand gefordert, Pflegequalität zu kontrollieren. In untersuchten Privatisierungsfällen zeigten sich dabei merkliche Kosten der Qualitätskontrolle.7 Norwegische Studien ergaben, dass diese etwa 20 % der Vertragssumme bei einem Privatisierungsvorgang ausmachen.8 Eine dänische Studie der Kommunernes Landesforening (KL) zeigte zudem, dass 40 % der Gemeinden die Formulierung der Qualitätsforderungen als die größte Schwierigkeit bei der Privatisierung sehen. Insgesamt zeigt die Realität, dass die Kommunen erhebliche Schwierigkeiten bekunden, die Qualität der Leistungen für die Ausschreibung an Private festzusetzen und diese nach der Vergabe zu kontrollieren. So meinen insgesamt etwa 75 % der dänischen Kommunen, dass die Vertragsgestaltung bzw. die Festsetzung von Auswahlkriterien für das Vergabeverfahren die größte Herausforderung bei der Privatisierung für sie darstellte.9 Aus diesen negativen Erfahrungen ist aber keine sofortige Ablehnung dieser Variante abzuleiten. Für Schweden stellt Fölster beispielsweise fest, dass die meisten Probleme in der Unerfahrenheit der Kommunen begründet sind.10 Die Ausschreibungsverfahren waren seiner Untersuchung nach häufig unakzeptabel und die Verträge wiesen erhebliche Mängel auf. Eine Kontrolle der Pflegequalität konnte somit nur ungenügend vorgenommen werden. Fölster bemerkt auch, dass ein Großteil dieser Schwierigkeiten in neuerer Zeit behoben wurde. Es ist zu vermuten, dass ein wesentlicher Teil der Kontrollkosten auf die Anfangsschwierigkeiten der Kommunen bei der Privatisierung zurückzuführen ist. Auf längere Sicht können somit niedrigere Transaktionskosten erwartet werden. Es ist zudem zu erwarten, dass die Transaktionskosten Skalenerträge aufweisen. Mit steigendem Privatisierungsvolumen werden sie damit ein unterproportionales Wachstum aufweisen. Somit können ab einem bestimmten Privatisierungsvolumen Nettovorteile erwartet werden. Die erheblichen Kosten der Qualitätskontrollen sind in somit erheblichem Maße dadurch zu erklären, dass der Privatisierungsumfang noch gering ist. Eine empirische Evidenz gegen private Pflegeanbieter kann nicht abgeleitet werden. Wenn jedoch ein Mindestmaß an Privatisierungen nicht erreicht wird, können die Transaktionskosten durchaus die sonstigen Vorteile einer Privatisierung aufzehren. Zu weiteren Kosten der Privatisierungen siehe Withfield (1992), S. 170 – 198. Vgl. Norsk Kommuneforbund (2000a), S. 9. 9 Vgl. Kommunernes Landesforening (2000b). 10 Vgl. Fölster (1998), S. 96 – 98. 7 8

II. Öffentliche Produktion von Pflegegütern

193

2. Qualitätssicherung bei öffentlicher Produktion Nach den Vorstellungen nordischer Entscheidungsträger ist die gewünschte Qualität am kostengünstigsten erreichbar, wenn der Staat die Betreuung selbst übernimmt. Unter der Berücksichtigung von Transaktionskosten wird die öffentliche Produktion als die geeignetste Bereitstellungsform gesehen.11 In dieser Behauptung werden sie von der theoretischen Argumentation von Sappington und Stiglitz unterstützt.12 Danach sind die Transaktionskosten eines staatlichen Eingriffs niedriger, wenn die Tätigkeiten durch die öffentliche Hand selbst geleistet werden. Die Kontrolle von privaten Unternehmen sei mit höheren Kosten verbunden. Die Realität zeigt allerdings, dass auch bei einer Bereitstellung durch die öffentliche Hand die Setzung von Qualitätsmaßstäben und deren Kontrolle keine einfache Aufgabe ist.13 Im Gegenteil, der Bereich der Pflegequalität bereitet den nordischen Ländern eine Reihe von Schwierigkeiten.14 Hier ergibt sich sogar ein Problem daraus, dass die Pflege von den Kommunen bereitgestellt wird, denn das Angebot, der Umfang und die Qualität der Betreuung sind in großem Maße von der jeweiligen Gemeinde abhängig. Die Schaffung eines einheitlichen Qualitätsniveaus ist kompliziert, würde dann doch die kommunale Autonomie im Bereich der Pflege eingeschränkt. Qualitätskontrollen von zentralstaatlicher Seite sind schwierig, wehren sich die Gemeinden doch gegen jede Einschränkung ihrer Selbstständigkeit.15 Gesetzliche Regelungen können daher nur als eine grobe Richtlinie aufgestellt werden. Der Gesetzgeber befindet sich in einem trade off zwischen der verstärkten Autonomie der Kommunen und dem Ziel, eine übergreifende Qualitätskontrolle festzusetzen. Die nordischen Erfahrungen mit der staatlichen Qualitätssetzung sind, wie bereits angedeutet, wenig erfreulich. In einem Artikel des schwedischen Instituts wird darauf hingewiesen, dass die Ministerien in Schweden recht klein sind und die praktische Gestaltung der Pflege nicht kontrollieren können.16 Die Kontrolle wurde stattdessen dem Zentralamt für Gesundheits- und Sozialwesen (Socialstyrelsen) übertragen. Diese Behörde kann jedoch trotz Regionalbüros die Pflegestandards nur grob überprüfen. Die Bürger besitzen zwar die Möglichkeit, einfach und unentgeltlich bei den Verwaltungsgerichten Beschwerde einzureichen, doch erstens wird davon wenig Gebrauch gemacht, und zweitens werden eventuelle Einwände von den Gemeinden häufig nur mangelhaft berücksichtigt. Insgesamt gelingt die Qualitätssicherung nur unzureichend. Es ergibt sich ähnlich wie bei der Kontrolle 11 Zum Thema Transaktionskosten und Organisationsform siehe u. a. Williamson (1996), S. 219 – 249. 12 Vgl. Sappington / Stiglitz (1987), S. 567 – 582. 13 Vgl. Montin (1996), S. 51. 14 Vgl. Daatland (1997b), S. 42 – 44. 15 Vgl. Ericsson / Ericsson (1996). 16 Vgl. Schwedisches Institut (2001a).

13 Wild

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G. Die Angebotsstruktur

von privaten Anbietern die Schwierigkeit, dass die Qualitätsmaßstäbe ungenau ausformuliert sind. Auch verschiedene Interessenverbände der älteren Menschen weisen darauf hin, dass die Schaffung eines einheitlichen Pflegestandards noch nicht gelungen ist. Dieser wären aber allein schon deshalb notwendig, um eine verstärkte Rechtssicherheit hinsichtlich der Pflegequalität für die Betroffenen zu erreichen.17 So befinden sich viele Bedürftige in einer vergleichsweise schwachen Position gegenüber den kommunalen Anbietern. Sie sind meist darauf angewiesen, den Umfang und die Qualität der Leistungen der zuständigen Gemeinde zu akzeptieren.18 Ihnen fehlt eine Grundlage, die sie für gerichtliche Klagen verwenden könnten, falls die Gemeinden ihren öffentlichen Aufgaben nicht nachkommen. Das Interesse der Gemeinden an einer Formulierung von Qualitätsstandards ist gering. Viele Kommunen sehen diese Regelungen als eine Einschränkung ihrer Autonomie in der Altenpflege. Sollte das einheitliche Qualitätsniveau einen hohen Standard vorschreiben, könnten die Gemeinden in wirtschaftlich schwierigen Zeiten gezwungen sein, finanzielle Mittel aus anderen Bereichen abzuziehen. Eine Anpassung der angebotenen Betreuungsqualität an die Haushaltslage wäre nicht mehr möglich. Zudem ist zu erwarten, dass die Einführung von engen Qualitätsrichtlinien zu einem Anstieg der Pflegekosten führt. Die Gemeinden müssten beispielsweise Maßnahmen treffen, um sich gegen Klagen von Bewohnern abzusichern. Die Interessenverbände der älteren Menschen sehen in der Zurückhaltung der Kommunen mangelnden politischen Willen, die Leistungen für Pflegebedürftige transparenter zu gestalten.19 Die Rechtfertigung öffentlicher Pflegeproduktion aufgrund kostengünstigerer Qualitätssicherung bereitet besonders in dem dichter bevölkerten Dänemark Schwierigkeiten. In allen Landesteilen lässt der Markt die Präsenz von mehreren Pflegeunternehmen zu. Fehlender Wettbewerb zwischen Anbietern kann hier nicht als Rechtfertigung für ein staatliches Pflegeangebot gelten. Zumindest im ambuVgl. Ældre Sagen (2000a). Vgl. Ældre Sagen (2000a). 19 In Dänemark wurde als Folge dieser Forderungen Ende der 90er Jahre ein Projekt zur Etablierung eines neuen Qualitätsstandards gestartet. Die Kommunen waren aufgerufen, bis zum 1. Januar 1999 entsprechende Vorschläge und Ideen herauszuarbeiten. Nach Auffassung von dänischen Sozialwissenschaftlern sollte der Qualitätsstandard eine präzise Beschreibung des Leistungsniveaus darstellen. Es galt aufzuzeigen, welche Leistungen in welchem Umfang zum Grundangebot zu zählen sind. Im Weiteren wurde darum gebeten, deutlicher als bisher herauszustellen, welche Personen Anspruch auf Leistungen besitzen und in welchem Umfang sie Leistungen erhalten können. Ein entsprechender Ideenkatalog wurde 1998 vom Sozialministerium zur Diskussion herausgegeben. Um die Autonomie der Kommunen im Pflegebereich möglichst wenig zu beschränken, waren allerdings viele Forderungen und Regelungen sehr allgemein beschrieben, so dass der Unterschied zur damaligen Praxis minimal war. Zum 1. Januar 1999 wurde dieser Katalog zum Qualitätsstandard in der Altenpflege von 221 Kommunen – wenigstens zum Teil – übernommen. Während 31 Kommunen die neuen Regelungen grundsätzlich in Frage stellen und von einer Übernahme bisher absahen, möchten 27 Gemeinden erst das Ende der andauernden politischen Debatte abwarten. Vgl. Ældre Sagen (2000b). 17 18

III. Private Pflegeunternehmen

195

lanten Sektor kann mangelhafte Qualität durch einen Wechsel des Anbieters bestraft werden. Die Informationsprobleme hinsichtlich der Qualität im stationären Sektor existieren aber trotz allem. In Norwegen und Schweden sind indessen gewisse Vorbehalte gegen einen privaten Pflegemarkt verständlich. Es zeigt sich aber, dass die Kontrolle der Qualität auch bei staatlicher Bereitstellung mit erheblichen Kosten und Problemen verbunden ist. Die Aussage, dass eine hohe Pflegequalität am besten durch öffentliche Anbieter gewährleistet werden kann, ist schwerlich zu halten und empirisch nicht belegbar.

III. Private Pflegeunternehmen 1. Entwicklung und Wirkungsradius der privaten Pflegeunternehmen Wie wir im bisherigen Teil der Arbeit gezeigt, wird der Pflegebereich in den skandinavischen Ländern durch den Staat dominiert. Über die öffentliche Hand erfolgt zum einen die finanzielle Absicherung des Pflegerisikos und zum anderen tritt sie als Anbieter von Fürsorgeleistungen auf. Der Marktanteil von privaten Pflegeunternehmen lag in Nordeuropa Ende der 90er Jahre nur bei etwa 10 %.20 Im Folgenden wird die Bedeutung der privaten Pflegeanbieter dargestellt. Als privates Pflegeunternehmen ist dabei ein gewinnorientiertes, in privater Regie betriebenes Unternehmen zu verstehen, dessen Finanzierung aus öffentlichen Mitteln erfolgt. Es existieren auch einige wenige Institutionen, die sich so gut wie ausschließlich aus privaten Mitteln finanzieren.21 Diese werden aufgrund ihrer geringen Bedeutung nicht betrachtet.

a) Private Pflegeleistungen in Schweden Der Anteil der Pflege, der von privaten Anbietern erbracht wird, ist im nordischen Vergleich in Schweden am größten. Das Marktvolumen für private Pflegedienste erhöhte sich hier in den 90er Jahren – von einem allerdings sehr tiefen Ausgangsniveau – um etwa 20 % bis 30 % pro Jahr. Dies entspricht etwa einem jährlichen Zuwachs von durchschnittlich zwei bis vier Mrd. skr. Der Anteil der privaten Pflegeanbieter lag im Jahre 1999 bei 8,6 %, nachdem er sich 1997 noch auf erst 6,0 % bezifferte.22 Im Jahre 1995 hatten 17 % der schwedischen Kommunen zumindest erste Erfahrungen mit der Privatisierung von Pflegeleistungen gesammelt. Von den traditionellen kommunalen Aufgaben der Kinderbetreuung, des 20 21 22

13*

Vgl. Suzuki (2001), S. 4; Fölster (2001), S. 15. Vgl. Schwedisches Institut (2001a). Vgl. Fölster (2001), S. 15; Suzuki (2001), S. 4.

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G. Die Angebotsstruktur

Grundschulwesens und der Altenpflege ist die Pflegeversorgung der Bereich mit den größten Privatisierungsanstrengungen seitens der Gemeinden.23 Der Anteil der ehemals kommunalen Dienste, der von den Privaten erbracht wurde, lag 1999 bei 6,4 %.24 Eine Privatisierung ist in Schweden vorwiegend in urbanen Gebieten zu beobachten. Weiterhin wird deutlich, dass der Prozentsatz der Pflegekräfte bei privaten Anbietern in bevölkerungsreichen Kommunen deutlich größer ist als in kleineren Gemeinden. Der Anteil der bei privaten Pflegeunternehmen beschäftigen Personen im Verhältnis zu den kommunalen Pflegekräften lag im Jahre 1994 in den größeren Städten bei 15 %, in den ländlichen Gemeinden jedoch bei weniger als 1 %. In Kleinstädten betrug ihr Anteil knapp 4 %.25 Dieser Zusammenhang zwischen Privatisierung und Gemeindetyp zeigt sich auch, wenn nicht nur die Pflegeversorgung, sondern auch andere kommunale Leistungen betrachtet werden. Im Jahre 1993 hatten sich 80 % der größeren Städte für eine Überführung von einzelnen Tätigkeitsbereichen an Private entschieden. In den ländlichen Regionen lag der Anteil deutlich niedriger, bei etwa 40 %.26 Die Privatisierungsbemühungen der schwedischen Kommunen dürfen indessen nicht überbewertet werden.27 Naschold äußerte Kritik dahingehend, dass die Ergebnissteuerung beibehalten wurde und nur durch eine Reihe von Wettbewerbselementen eine Ergänzung erhalten hat.28 Seiner Meinung nach handelt es sich um eine Strukturverschiebung bzw. -erweiterung, aber um keinen radikalen Kurswechsel. Ein solcher wäre angesichts der Wohlfahrtstradition und der dominierenden Arbeiterparteien auch nicht zu erwarten. Aus seiner Sicht kann die bedeutende Position der Sozialdemokraten nur zu einem pragmatisch-experimentierenden und evaluierenden Politikstil führen, aber zu keiner thatcheristischen Vorgehensweise mit massiver Privatisierung und Deregulierung.29

b) Private Pflegeleistungen in Norwegen und Dänemark In Norwegen und Dänemark lagen die Wachstumsraten der privaten Pflegeunternehmen mit jährlich 10 % bis 20 % etwas niedriger als in Schweden. Eine Tendenz 23 Vgl. Fölster (1998), S. 94; Arbeidsgruppe fra den Nordiske Konkurransemynigheter (1998), S. 26. 24 Vgl. Fölster (2001), S. 3. 25 Vgl. Loord-Gynne / Mann (1995), S. 55 – 56. 26 Vgl. Riegler (1996), S. 7. 27 Die Phasen der Reformen im lokalen Sektor in Schweden beschreibt Naschold (1995b), S. 148. 28 Zum Begriff und zur Vorgehensweise bei der Ergebnissteuerung in Schweden siehe Barkman (1996), S. 181 – 196 und Philgren / Svensson (1996), S. 37 – 41. 29 Vgl. Naschold (1995a). S. 61; Naschold / Riegler (1997), S. 18.

III. Private Pflegeunternehmen

197

zur Privatisierung ist aber auch hier zu erkennen.30 In Dänemark handelt es sich bei den privatisierten Betreuungsdiensten in der überwiegenden Zahl um Leistungen der häuslichen Hilfe und weniger um die pflegerische Fürsorge.31 Die dänischen Reformen des kommunalen Sektors überzeugen dann auch weniger durch ihre Tiefe, als durch die Breite ihres Ansatzes.32 Im Zusammenspiel mit weiteren kommunalen Reformen – wie der Einführung des neuen Lohnsystems im öffentlichen Dienst33 – ergibt sich aber eine auffallende Veränderung. Eine detaillierte Darstellung zur Privatisierung der kommunalen Leistungen in Dänemark liefert eine Studie des dortigen Kommunalen Landesverbands (Kommunernes Landesforening [KL]). Danach wurden in Dänemark von 1994 bis 1999 in insgesamt 1 800 Fällen Leistungen an Private vergeben.34 71 % dieser Outsourcingvorhaben wurden zum ersten Mal an Private ausgeschrieben, was darauf hinweist, dass die Privatisierung von öffentlichen Leistungen zunimmt. Nach Meinung von KL hat der dabei aufgezeigte Trend des Outsourcing noch nicht seinen Gipfelpunkt erreicht. Typische Aufgaben, die private Unternehmen leisten, sind die Zubereitung und die Auslieferung von Mahlzeiten, Reinigungsaufgaben, Transport- oder Winterdienste. Die sozialen Kernaufgaben werden jedoch fast ausschließlich noch von den Kommunen übernommen. Während von 1994 bis 1999 in 138 Fällen Reinigungsarbeiten und in 127 Fällen Transportdienste an Private vergeben wurden, geschah dies nur 13-mal für Leistungen der persönlichen Pflege. KL rechnet im Weiteren jedoch auch bei den direkten Betreuungsdiensten mit einer Zunahme.35 In fast allen Privatisierungsfällen werden die verschiedenen Teilleistungen einzeln ausgeschrieben und damit möglicherweise an verschiedene Unternehmen vergeben. Dass das gesamte Angebot an häuslicher Pflege an einen einzigen Privaten vergeben wird, ist die Ausnahme. Bis zum Februar des Jahres 2000 gab es in Dänemark nur eine Gemeinde, die Gemeinde Græsted-Gilleleje, die diesen Weg gegangen ist.36 Sie vergab 1996 ein Drittel der häuslichen Versorgung an die schwedische Firma Curatus.37 Die meisten norwegischen Kommunen haben bisher nur einen sehr geringen Teil ihrer Fürsorgeleistungen an Private vergeben. Im Jahre 1998 gab es nur zwei Gemeinden, in denen mehr als 10 % der Pflegeleistungen von privaten Unternehmen Vgl. Eikås / Selle (2000), S. 1 – 23. Vgl. Jarden / Jarden (2000). 32 Vgl. Naschold (1995a), S. 59. 33 Eine Darstellung des neuen Lohnsystems für Beschäftigte im öffentlichen Dienst in Dänemark folgt in Abschnitt H.VII. 34 Vgl. Kommunernes Landesforening (2000b). Eine weitere Darstellung der kommunalen Privatisierung im Bereich der Altenbetreuung findet man bei Den sociale Database (2000). 35 Vgl. Kommunernes Landesforening (2000b), S. 5. 36 Vgl. Den sociale Database (2000), S. 20. 37 Vgl. Arbeidsgruppe fra den Nordiske Konkurransemynigheter (1998), S. 103. 30 31

198

G. Die Angebotsstruktur

geleistet wurden.38 Allerdings hat die überwiegende Zahl der Kommunen zumindest einen kleinen Teil an Private ausgegliedert. Hierbei handelt es sich aber – noch stärker als in Dänemark – überwiegend um häusliche Dienste. Ein sehr niedriger Anteil an Privaten ist bei der persönlichen Pflegebetreuung und bei der Betreibung von stationären Einrichtungen zu verzeichnen. Die Reform des kommunalen Sektors setzt in Norwegen damit fast ausschließlich auf eine Erhöhung der Effektivität des öffentlichen Sektors durch Budgetierung oder öffentliche Kooperation. Eine Einbeziehung von Wettbewerbselementen bzw. von Privatisierungen geschieht nur zaghaft.39 Hinsichtlich des Umfangs der Privatisierungen konnte – ähnlich wie in Schweden – ein Zusammenhang zwischen der Einwohnerzahl und der Privatisierungsquote ermittelt werden. Nach einer Untersuchung des Norwegischen Kommunalverbands nahm der Anteil der Gemeinden, die zumindest einen Bereich der Betreuung an private Unternehmen vergeben mit wachsender Bevölkerungszahl zu. Der entsprechende Prozentsatz beträgt z. B. bei Kommunen mit weniger als 5 000 Einwohnern 83 %, mit mehr als 30 000 Einwohnern aber 95 %.40

c) Ursachen der zunehmenden Bedeutung von privaten Anbietern Die verzeichnete Zunahme von privaten Unternehmen im Pflegebereich in Nordeuropa hat ihre Hauptursache vermutlich in wirtschaftlichen Krisen, die zu einer Verringerung der öffentlichen Einnahmen bei steigenden Ausgaben führten. Auf der Suche nach Einsparmöglichkeiten wurde die Privatisierung von Leistungen als Teil einer möglichen Lösung angesehen.41 Während zuvor überwiegend die Meinung vertreten wurde, dass eine öffentliche Bereitstellung am günstigsten sei, nahmen nunmehr die Stimmen zu, die in einer privaten Leistungserstellung Vorteile erkannten. In Schweden liegt der Ausgangspunkt von Reformmaßnahmen im langsamen Niedergang der Wirtschaft seit den 70er Jahren, insbesondere während der Rezession von 1991 bis 1993. Im Rahmen der Gemeindereform von 1992 erhielten die Kommunen größere Freiheiten bei der Organisation ihrer Aufgaben. Die Gemeinden wurden ermuntert, unter Beibehaltung ihrer Verantwortung für soziale Dienste, alternative Wege zu gehen.42 In Dänemark führte der Verlust der internationalen Wettbewerbsfähigkeit in den 70er und 80er Jahren zu Reformbemühungen. Norwegen verfügt dagegen aufgrund der Erdöleinnahmen über eine in regelmäßigen Abständen sprudelnde Finanzquelle, womit der politische Druck Vgl. Norsk Kommuneforbund (2000a), S. 9. Vgl. Naschold (1995a), S. 62. 40 In Norwegen gibt es im Übrigen 213 Kommunen mit weniger als 5 000 Einwohner. Eine Bevölkerung von mehr als 30 000 weisen 22 Gemeinden auf. Vgl. Norsk Kommuneforbund (2000b), S. 8. 41 Zu weiteren Zielen einer Privatisierung siehe u. a. Jenkinson (1998), S. 87 – 94. 42 Vgl. Szebehely (2000), S. 171 – 172. 38 39

III. Private Pflegeunternehmen

199

fehlt, neue Wege zu gehen. Die Privatisierungsanstrengungen sind damit hier auch etwas hinter denen der Nachbarländer zurückgeblieben. Reformbemühungen werden insbesondere auf kommunaler Ebene forciert. Da die wichtigste Finanzquelle der Kommunen die Einkommensteuer darstellt, steigen die Einnahmen der Gemeinden bei gutem Wirtschaftsverlauf nur wenig an.43 Durch die zunehmende Alterung der Bevölkerung sind auf der anderen Seite aber steigende kommunalen Ausgaben zu verzeichnen. Die Gemeinden leiden unter dem Problem, dass auf der einen Seite ihre Ausgaben zunehmen, sie aber auf der anderen Seite nur wenig an höheren Wachstumsraten der Wirtschaft partizipieren. Sie sind dadurch seit mehreren Jahren auf der Suche nach Einsparmöglichkeiten. Ein grundsätzlicher Umbau der skandinavischen Wohlfahrtsstaaten steht in keinem der betrachteten Länder zur Diskussion. In manchen kleinen Schritten zeigt sich jedoch ein vorsichtiges, pragmatisches Vorgehen bei der Gestaltung der Sozialpolitik. Die Zahl der jeweiligen Entscheidungsträger nimmt zu, die in einer stärkeren Rolle der Privaten nicht unbedingt eine Verschlechterung der sozialen Bedingungen sehen.

2. Die privaten Pflegeanbieter Der private Pflegemarkt in Nordeuropa wird vorwiegend durch schwedische Firmen dominiert. Darüber hinaus sind auch einige nicht-skandinavische Anbieter präsent. Die dänischen und norwegischen Unternehmen sind meist relativ klein und damit regional orientiert.44 Die wichtigsten privaten Pflegeanbieter in Skandinavien sind die Unternehmen Carema Vård och Omsorg AB, Capio, Attendo Care, ISS Care sowie Praktikertjänst. Sie sind zum Teil in Geschäftsfeldern tätig, die über das der Altenpflege hinausgehen. Einige Anbieter sind in erheblichem Maße im medizinischen Sektor, z. B. als Betreiber von Krankenhäusern, tätig. Unter Einbeziehung der Aktivitäten im Gesundheitssektor ist Capio AB aus Göteborg der größte private Anbieter von Versorgungsleistungen.45 Den überwiegenden Teil des Umsatzes (74 %) erzielt Capio in der Gesundheits- und Krankenpflege. Im Bereich der Altenpflege wurde im Jahr 2000 ein Umsatz von knapp 250 Mio. skr, das entspricht etwa 7 % des Gesamtumsatzes, erreicht. Capio ist vorwiegend auf dem schwedischen Markt tätig, 72 % des Umsatzes werden hier erwirtschaftet, in Norwegen sind es 15 % in Dänemark 2,5 %. Insgesamt werden 4 480 43 Eine bedeutende Erhöhung der Steuereinnahmen bei gutem Konjunkturverlauf ist vor allem bei einem progressiven Steuerverlauf gegeben. Wie in Kapitel E.V. dargestellt, werden in Schweden nur auf zentralstaatlicher Ebene ab einem bestimmten Einkommen höhere Steuersätze angesetzt. Damit profitiert bei einem guten Wirtschaftsverlauf vorwiegend der Zentralstaat. 44 Vgl. Arbeidsgruppe fra den Nordiske Konkurransemynigheter (1998), S. 105. 45 Vgl. Capio AB (2001).

200

G. Die Angebotsstruktur

Arbeitskräfte beschäftigt. Der Capio Konzern ist Eigentümer einer Reihe von nordischen Krankenhäusern, z. B. auch des vergleichsweise bekannten St. Göran Krankenhauses in Stockholm. Die Altenpflegeunternehmen Bure Helse AS aus Oslo sowie Managed Care AB und Acticva Omsorg AB aus Göteborg sind ebenfalls Tochtergesellschaften von Capio.46 Tabelle G-1 Die größten privaten Pflegeunternehmen in Nordeuropa 2001 Unternehmen Umsatz in Nordeuropa 2001 [in Mio. skr]

Tätigkeitsfelder

Capio

3 500

Krankenhäuser (für die Akut- und Grundversorgung), Altenpflege, Psychiatrie

Praktikertjänst

3 500*

Altenpflege, Krankenhäuser (für die Spezial- und Grundversorgung), Rehabilitation, Psychiatrie

Carema

2 400

Altenpflege, Krankenhäuser (für die Spezial- und Grundversorgung), Rehabilitation, Psychiatrie

ISS Care

1 700

Altenpflege, Krankenhäuser (für die Grundversorgung)

Attendo Care

800

Altenpflege

* Zusätzlich erzielt Praktikertjänst noch einen Umsatz von 3 000 Mio. skr in den Bereichen Zahnmedizin und Schulwesen. Quelle: Eigene Zusammenstellung nach Daten von Carema AB (2002), S. 15.

Auch der Zweitplatzierte der obigen Tabelle, das Unternehmen Praktikertjänst, erwirtschaftet den größten Teil seines Umsatzes im medizinischen Sektor. Eine bedeutende Position nimmt diese Firma bei der Betreibung von Rehabilitationszentren ein.47 Ein bedeutender Anbieter von Pflegeleistungen in Schweden ist die Firma Carema Vård och Omsorg AB aus Solna. Der Umsatz im Bereich der Altenpflege lag im Jahre 2001 bei mehr als 1 200 Mio. skr, dies sind über die Hälfte des Gesamtumsatzes und in diesem Geschäftsfeld deutlich mehr als Capio und Praktikertjänst vorweisen können.48 Für die Altenpflege beschäftigt die Carema AB in Schweden 3 200 Arbeitskräfte für die Betreuung von etwa 7 000 Bedürftigen.49 Dafür betreibt sie 50 Altenheime.50 Seit wenigen Jahren agiert die Carema AB auch als Anbieter 46 47 48 49 50

Vgl. Capio AB (2000), S. 12 – 19. Vgl. Praktikertjänst (2000). Vgl. Carema AB (2002), S. 8. Vgl. ebenda. Vgl. Tjernshaugen (2000).

III. Private Pflegeunternehmen

201

in Norwegen und Finnland. Zum 1. Oktober 2000 übernahm die Tochtergesellschaft der Carema AB, die NOR (Norsk Omsorg og Rehabilitering) A / S, das Hoveseter-Pflegeheim in Oslo mit 184 Bewohnern. Damit wurde dieses Unternehmen auch gleich einer der größten privaten Anbieter von Pflegeleistungen in Norwegen.51 Im Juli 2002 begann die NOR die Bauarbeiten in Vinderen bei Oslo für die Errichtung von Servicewohnungen zur Betreuung Pflegebedürftiger. Nach Aussage des Geschäftsberichts der Carema AB soll dies der Anfang einer Expansion in Norwegen darstellen. Für dieses Land werden mittel- bis langfristig ähnliche Umsätze wie in Schweden erhofft.52 Im Gegensatz zu den bisher genannten Unternehmen erwirtschaftet die Firma Attendo Senior Care den überwiegenden Teil ihres Umsatzes im Altenpflegesektor. Attendo Senior Care ist das Ergebnis einer Fusion von Telealarm Care, dem Anbieter von Sicherheitstelefonen, und dem Pflegeanbieter Partena Care im Jahre 2000. In Schweden ist Attendo in etwa 30 Kommunen tätig, in größeren Umfang dabei in Stockholm und Malmö. In Dänemark ist die Präsenz mit zwei Zentren wesentlich geringer; Pflegeleistungen werden hier in der Græsted-Gilleleje-Kommune angeboten. Die Beschäftigtenzahl liegt insgesamt bei 3 000. Attendo ist im Übrigen auch außerhalb von Skandinavien, z. B. in Großbritannien, der BR Deutschland, den Niederlanden und der Schweiz tätig.53 Als letzter privater Pflegeanbieter sei noch die ISS Care vorgestellt. Im Bereich der Altenpflege sind hier 1 300 Arbeitnehmer beschäftigt, die in 25 Einrichtungen 1 600 Bedürftige versorgen. Die ISS Care ist eine schwedische Tochtergesellschaft der ISS (Internationale Service System) A / S Kopenhagen. Der ISS Konzern ist in 39 Ländern tätig und verfügt über insgesamt 265 000 Arbeitskräfte.54 In Norwegen und Dänemark leistet der Konzern durch seine Tochtergesellschaften ISS Norge und ISS Danmark in größerem Umfang unterstützende Dienste. Dazu zählt die Essensversorgung oder die Hilfe in der Hauswirtschaft. In Norwegen ist die ISS mit 9 000 Arbeitskräften der zehntgrößte Arbeitgeber des Landes, vom Umsatz, der 1999 bei 2,6 Mrd. nkr lag, entfallen z. B. 50 % auf Reinigungsdienste und 16 % auf die Essensversorgung aber nur 1,5 % auf die persönliche Pflege. Mit Filialen in 60 Orten des Landes verfügt die ISS in Norwegen über ein umfassendes Netzwerk, womit sie beim Ausbau ihres Angebots anderen privaten Konkurrenten überlegen sein dürfte.55

51 52 53 54 55

Vgl. Tjernshaugen (2000). Vgl. Carema AB (2002), S. 10. Vgl. Attendo Care Sverige (2002); Attendo Care Danmark (2002). Vgl. ISS Danmark (2000); ISS Norge (2000); ISS Sverige (2000). Vgl. Tjernshaugen (2000).

202

G. Die Angebotsstruktur

3. Formen der Privatisierung a) Das Ausschreibungsmodell Für die Vergabe von öffentlichen Tätigkeiten an Private sind verschiedene Möglichkeiten vorstellbar.56 Das häufigste Verfahren in den nordischen Ländern ist das Ausschreibungs-Modell. Dabei werden kommunale Leistungen an interessierte Unternehmen über eine Auktion vergeben. Die Wahlfreiheit liegt bei der Kommunalverwaltung, da sie die Entscheidung für einen Leistungsanbieter fällt. Das heißt, die Gemeinde bestimmt weiterhin das Serviceniveau; die Wahlfreiheit der Bürger bleibt jedoch eingeschränkt. Eine pflegebedürftige Person besitzt somit nicht die Möglichkeit, zwischen verschiedenen Anbietern zu wählen; die Qualität der Fürsorge ist ebenfalls vorgegeben. Bei unterstützenden Diensten (Reinigen der Wohnung, Wäsche der Kleidung u. ä.) wird im skandinavischen Raum die Ausschreibung von Leistungen schon länger praktiziert. Die Vergabe von so genannten Kernkompetenzen, zu denen auch Pflegeleistungen gezählt werden, ist aber neueren Datums. In Schweden begannen die Gemeinden damit im Jahre 1990.57 Im Allgemeinen beginnt die Ausschreibung mit einer Annonce in der Tagespresse. Interessierte Akteure können daraufhin Angebotsunterlagen anfordern. Bei der Entscheidung für einen Pflegeanbieter werden mehrere Kriterien berücksichtigt. Von Bedeutung sind neben den Kosten insbesondere die bisherigen Erfahrungen im Pflegebereich und die zu erwartende Betreuungsqualität. Der exakte Ablauf der Vergabe kann zwischen den Gemeinden etwas variieren. Unter den Bewerbern befindet sich auch immer ein kommunaler Anbieter. Es ist also denkbar, dass trotz Ausschreibung die Pflegeleistungen weiter in der Regie der Gemeinde verbleiben. Eine Studie aus dem Jahre 1996 für Stockholm zeigt, dass die kommunalen Anbieter durchaus häufig bis in die Endrunde der Ausschreibung vordrangen. In anderen Fällen schieden sie allerdings bereits in einem frühen Stadium aus.58 Die Ausschreibung von Leistungen kann damit schon allein deshalb vorteilhaft sein, da die kommunalen Anbieter dann einem Vergleich beispielsweise hinsichtlich Effizienz und Qualität ausgesetzt sind.59 Sie werden ermutigt, ihre Leistungserstellung in der Form zu gestalten, dass sie eine realistische Chance besitzen, selbst die Ausschreibung zu gewinnen. Diese Vorgehensweise erbringt damit auch einen Anreiz für interne Reformen im kommunalen Sektor. Zu bedenken ist aber, dass die Gemeinden bei Ausschreibungen vielfach sich allein schon deshalb in einer vorteilhaften Position befinden, da sie eine Reihe von Pflegeinputs zu einem niedrigeren Preis auf dem Markt erwerben als die privaten Konkurrenten.60 Unter diesem Ge56 Vgl. Estrin (1998), S. 24 – 27; Jenkinson (1998); S. 95 – 110; Sappington / Stiglitz (1987). 57 Vgl. Fölster (1998), S. 92. 58 Vgl. Högberg (1996), S. 4, 7. 59 Vgl. Fölster (1998), S. 90. 60 Vgl. Arbeidsgruppe fra den Nordiske Konkurransemynigheter (1998), S. 48.

III. Private Pflegeunternehmen

203

sichtspunkt ist erst recht erstaunlich, dass die Auktion in der überwiegenden Mehrzahl von Privaten gewonnen wird. Der Median der Anzahl der Bewerber lag nach schwedischen Daten aus dem Jahre 1996 in Stockholm bei 7. Die Bewerberzahl – einschließlich des kommunalen Anbieters – differierte dabei zwischen 3 und 16. Dies sind ordentliche Werte. Der Autor dieser Untersuchung Högberg meint, dass in den meisten Fällen eine erhebliche Konkurrenz unter den Bewerbern herrschte. b) Das Auftraggeber-Auftragnehmer-Modell Dem Ausschreibungsmodell sehr ähnlich ist das Auftraggeber-AuftragnehmerModell. Es wird teilweise auch Besteller-Ausführer-Modell genannt.61 Die Produktion und der Einkauf von kommunalen Leistungen werden im Unterschied zum Ausschreibungsmodell hierbei innerhalb der Gemeindeorganisation getrennt. Es wird de facto ein Besteller-Ausschuss gebildet, der über die Vergabe von Leistungen bestimmt. Dieser Ausschuss entscheidet, welche Leistung von welchem Anbieter erbracht werden soll. Der Besteller-Ausschuss ist vorwiegend mit Bürokraten besetzt. Es werden jedoch vielfach auch Fachexperten hinzugezogen. In einzelnen Fällen kann der Besteller auch eine Institution, z. B. die Sozialversicherungskasse sein. Dem einzelnen Bürger wird auch bei diesem Modell keine Wahlfreiheit der Leistungen zugebilligt.62 Ihm wird aufgrund unterstellter asymmetrischer Information keine rationale Wahl zugetraut. Daher wird er durch den Besteller-Ausschuss als Verbraucherrepräsentant vertreten.63 Das Auftraggeber-Auftragnehmer-Modell war besonders Anfang der 90er Jahre in Schweden vergleichsweise populär. Auch größere Kommunen wie Linköping und Norrköping sind damals auf diese Organisationsform umgestiegen. Doch auch die Probleme des Auftraggeber-Auftragnehmer-Modells sind vielfältig. Nach Auffassung Montins gebe dieses Verfahren Bürokraten Macht ohne Verantwortung und Politikern Verantwortung ohne Macht. Ein solches System könne somit kaum funktionieren. Kompetenzstreit und Flucht aus der Verantwortung scheinen vorprogrammiert. Daneben ist häufig von erhöhtem Bürokratieaufwand auszugehen, da sich auch die Gemeindeverwaltung in der Regel den Problemen der Leistungsvergabe nicht verschließen kann.64 Auf eine weitere Schwierigkeit weist Fölster Vgl. Nilsson (2000), S. 232. Eine Unterart des Auftraggeber-Auftragnehmer-Modells ist das Stockholmer Modell, das 1991 von einer bürgerlichen Mehrheit in Stockholm eingeführt wurde. Hierbei wird ergänzend zum oben geschilderten System den Bürgern eine größere Wahlfreiheit gewährt. Dieses Modell wird vorwiegend im Gesundheitswesen angewandt und soll deshalb hier nicht näher erläutert werden. 63 Vgl. Ståhlberg (1996), S. 96 – 97. 64 Vgl. Montin (1993), S. 45 – 56; Ståhlberg (1996), S. 104 – 105. 61 62

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G. Die Angebotsstruktur

hin.65 Danach besitzen Gemeinden den Anreiz, eine eigene Produktionskapazität aufrechtzuerhalten, um die Angebote privater Unternehmen einschätzen zu können. Dieses Bedürfnis kann zum Anlass genommen werden, den kommunalen Anbieter als Produzenten zu wählen, obwohl ein Privater günstiger gewesen wäre. Auf der anderen Seite ist der Besteller-Ausschuss meist auch an der Etablierung neuer privater Unternehmen interessiert, um einen Anbieterwettbewerb anzuregen. Dies kann wiederum dazu führen, dass junge Unternehmen trotz eines schlechteren Angebots den Zuschlag erhalten. Diskutierbar bleibt, ob eine solche Markteintrittsunterstützung gewährt werden soll. Eine Modifikation der geschilderten Systeme wird zudem durch eine so genannte Ablegerpolitik vorgenommen. Die Kommunen ermuntern hierbei ihr Personal, eigene Unternehmen zu bilden, mit denen dann Verträge abgeschlossen werden. Diese produzieren danach die gleichen Leistungen wie vorher als Gemeindeangestellte.66 Hier wird zugleich eine Reduzierung der Zahl der öffentlich Beschäftigten unter möglichst geringen Folgekosten angestrebt.

c) Das Voucher- oder Konsumtionsmodell In einzelnen Kommunen werden einige weitere Privatisierungsverfahren in der Leistungserstellung erprobt. So wird seit 1989 in Schweden im Bereich der Schulbildung und der Kindertagesstätten mit Dienstleistungsschecks experimentiert.67 Dieses Modell wird auch als Voucher- oder Konsumtionsmodell bezeichnet. Die Bürger können hierbei zwischen verschiedenen Leistungsanbietern wählen. Die Kommune bezahlt dem jeweiligen Produzenten danach die entsprechende Leistung. Ein konkreter Gutschein wird zwar nicht ausgestellt, durch die Wahlmöglichkeit der Bürger wird allerdings ein Wettbewerb zwischen den Anbietern ausgelöst, der effizienz- und qualitätssteigernd wirken soll. Die Wahlfreiheit ist bei diesem Modell somit deutlich stärker ausgeprägt als bei den vorher dargestellten Varianten. Eine Einschränkung ergibt sich nur dadurch, dass die Gemeinde weiterhin bestimmt, welche Bedürfnisse aus öffentlichen Mitteln vergütet werden. Ein Umtausch der Gutscheine in Geld, d. h. de facto eine Verringerung der Steuerzahlung, ist nicht möglich.68 Trotz dieser Einschränkung ist ein Gutschein-System als eine sinnvolle Alternative zu betrachten. In Schweden wird das Vouchersystem von zentralstaatlicher Seite skeptisch gesehen. So lehnen die seit 1994 wieder regierenden sozialdemokratischen Politiker dieses Verfahren weitgehend ab.69 Auf der anderen Seite zeigen die Kommunen 65 66 67 68 69

Vgl. Fölster (1996), S. 125 – 134; Ståhlberg (1996), S. 106 – 107. Vgl. Riegler (1996), S. 7. Vgl. Söderström (2002), S. 66 – 68. Vgl. Ståhlberg (1996), S. 97. Vgl. Riegler (1996).

III. Private Pflegeunternehmen

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seit Mitte der 90er Jahre ein steigendes Interesse an diesem Modell. Wahlfreiheit wird in zunehmendem Maße als eigenständiger Wert aufgefasst.70 Es muss jedoch angemerkt werden, dass das Vouchersystem den Bereich des Experimentierstadiums noch nicht verlassen hat. Die Anwendung bleibt auf Einzelfälle beschränkt. So führte die Kommune Vaxholm, etwas außerhalb von Stockholm gelegen, das Vouchersystem zwar 1993 in der Altenpflege ein, aber im Jahre 1997 wurde dieses Modell bereits wieder eingestellt. Die Gemeinde begründet dessen Beendigung mit der geringen Nachfrage der Bedürftigen. Nur 10 % der potenziellen Pflegepersonen zeigten Interesse an diesem System. Auch die Erfahrungen in anderen Gemeinden offenbarten, dass ein Großteil der Betroffenen nicht in der Lage ist, eine aktive Wahl des Pflegediensts vorzunehmen.71 In Dänemark wurde das Voucher- oder Konsumtionsmodell Anfang der 90er Jahre intensiv diskutiert. Der Modernisierungsbericht der dänischen Regierung im Jahre 1992 stellte dieses Verfahren als neues Modell für den öffentlichen Sektor vor.72 Seitdem wurde dieses System von einigen Kommunen im Bereich der häuslichen Hilfe eingeführt, d. h. die Bedürftigen können bei verschiedenen Diensten wie der Reinigung oder bei der Hilfe zum Einkaufen zwischen verschiedenen Anbietern wählen. Wenn der Betroffene ein privates Unternehmen bestimmt, übernimmt die Kommune die Kosten zu 60 % bis 85 %, bei der Wahl eines Gemeindediensts ist zumeist keine Eigenbeteiligung zu entrichten. Durch diese Modifikation des reinen Konsumtionsmodells wird der kommunale Anbieter deutlich bevorteilt. Trotz dieser Wettbewerbsverzerrung erhoffen sich die dänischen Verantwortlichen positive Auswirkungen auf die Pflegebetreuung. Sie sprechen davon, dass nunmehr Effektivität und Produktivität der kommunalen Unternehmen am Markt getestet werden.73

d) Privatisierungsformen und kommunale Verantwortung Ein grundsätzliches Problem aller angewendeten Vorgehensweisen, liegt darin, dass die Verantwortung für die Pflege weiterhin bei der Kommune verbleibt. Ein vollständiger Risikoübergang zu den Privaten findet nicht statt. Probleme in der Pflegeerstellung können auf die Kommune zurückfallen. Wenn der private Anbieter Schwierigkeiten bei der Leistungserstellung bekundet, wird die Gemeinde einschreiten müssen. Insbesondere privatisierungsfreundliche Gemeinden sind am Gelingen mindestens genauso interessiert wie die privaten Unternehmen selbst. Wenn der Private jedoch damit rechnen kann, dass ihn die Kommune bei Problemen unterstützt, wird sein Anreiz, wirtschaftlich zu handeln, von Anfang an gerin70 71 72 73

Vgl. Ståhlberg (1996), S. 98. Vgl. Arbeidsgruppe fra den Nordiske Konkurransemynigheter (1998), S. 36. Vgl. Ståhlberg (1996), S. 99. Vgl. Arbeidsgruppe fra den Nordiske Konkurransemynigheter (1998), S. 102.

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G. Die Angebotsstruktur

ger sein. Aufgrund des unvollständigen Risikoübergangs könnte es also dazu kommen, dass mögliche Effizienzgewinne nicht ausgeschöpft werden. Einschränkend zu dieser Argumentation ist aber zu berücksichtigen, dass ein privates Unternehmen damit rechnen muss, bei weiteren Ausschreibungen in eine schlechtere Ausgangsposition zu gelangen. Andere Gemeinden werden bei der Vergabe diejenigen Unternehmen bevorzugen, die in der Vergangenheit keine derartigen wirtschaftlichen Schwierigkeiten zu Protokoll gaben. Wenn der Private diese Konsequenzen bedenkt, sollte er trotz der unvollständigen Risikoübertragung wirtschaftlich handeln. Um sich diese Wirkungen zukünftiger Versteigerungen zunutze zu machen, gilt es für die Gemeinden, häufiger Auktionen anzusetzen bzw. die Dauer der Vergabe an ein Unternehmen eher kurz zu gestalten. Damit würde der private Anbieter besonderes schnell die Folgen unwirtschaftlicher Produktion spüren. Der Zeitraum, in dem der Private seine Leistungen erbringen darf, sollte jedoch nicht zu kurz sein, da es sich für diesen sonst nicht lohnt insbesondere spezifische Investitionen zu tätigen. Im Zwiespalt dieser gegensätzlichen Anreize ist ein mittlerer Vergabezeitraum zu präferieren.

4. Privatisierung und Gesellschaft Die politische Verantwortung für die Bereitstellung und die Qualität der Pflegeleistungen liegt bei den Gemeinden. Diese Zuständigkeit führt dazu, dass der Umfang der Privatisierung innerhalb der jeweiligen Länder erheblich differiert. Insbesondere kleine bzw. ländliche Kommunen lehnen sie ab.74 Diese Widerstände sind nicht überraschend gilt doch die kommunale Aufgabe der Altenpflege als ein bedeutendes Element des Wohlfahrtstaates. Tradition und Wertvorstellungen führen zu merklichen Barrieren. Innerhalb der Bevölkerung wird die Privatisierung sehr unterschiedlich bewertet. In Dänemark befürwortet nach einer Studie der Zeitschrift Børsen vom Juli 2000 zwar eine zunehmende Zahl der Dänen einen weiteren Ausbau privater Tätigkeiten,75 die Meinungen sind aber innerhalb der Gesellschaft geteilt. In Dänemark ist der Gewerkschaftsverband (Landsorganisationen i Danmark [LO]) überwiegend gegen eine Privatisierung eingestellt.76 Er sieht darin eine dramatische Veränderung des dänischen Sozialstaates. Eine skeptische Meinung vertritt auch die Vereinigung der kommunalen Beschäftigten (Det Kommunale Kartel [DKK]) als Vertretung der 400 000 Arbeitskräfte im Gemeindesektor. In Norwegen wird die Vergabe von kommunalen Leistungen an Private sogar noch skeptischer gesehen als in seinen Nachbarländern. In einer Umfrage aus dem Jahr 1996 äußerten 60 % der Bevölkerung den Wunsch, dass die Kommunen weiterhin die gleichen Dienste anbieten wie bisher. Besonders positiv wird das kom74 75 76

Vgl. Kommunernes Landesforening (2000b). Vgl. Jørgensen (2000). Vgl. ebenda.

III. Private Pflegeunternehmen

207

munale Angebot von der Bevölkerungsschicht mit niedrigem Einkommen, von den jungen Menschen und von den Bürgern über 60 Jahren bewertet. Verstärkte Privatisierungen wünschen sich dagegen vorwiegend Menschen mit einem Einkommen von über 400 000 nkr im Jahr. Bei allen Bevölkerungsgruppen herrschen allerdings erhebliche Unsicherheiten über die Konsequenzen einer Privatisierung. Bei Umfragen zu den Qualitäts- oder Arbeitsverhältnissen nach einer Privatisierung erklärt sich ein Großteil der Befragten für meinungslos.77 In der Opposition stehen weiterhin z. B. der Norwegische Kommunalverband (Norsk Kommuneforbund), der Gewerkschaftsverband LO, die Arbeiterpartei (AP), die sozialistische Linkspartei (SV), die Zentrumspartei (Senterpartiet [SP]) sowie eine Reihe von Fachverbänden, wie der Krankenpflegerverband.78 Diese Aufzählung soll aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass auch innerhalb der einzelnen Interessenverbände unterschiedliche Meinungen existieren. Insbesondere in der Arbeiterpartei (AP) gibt es eine merkliche Zahl von Mitgliedern, die die Privatisierung nicht grundsätzlich ablehnen.79 Aus dieser Darstellung wird trotzdem deutlich, dass die Ideologie eine bedeutende Rolle spielt.80 Eine Studie des norwegischen Kommunalverbands ergab eine deutliche Korrelation zwischen der politischen Zusammensetzung der Kommunalverwaltung und dem Umfang der Privatisierung.81 Von 1991 bis 1999 wurde in 25 % der Gemeinden in denen eine Mehrheit aus AP (Den norske Arbeiderpartie [Die norwegische Arbeiterpartei]), SV (Sosialistisk Venstreparti [Sozialistische Linkspartei]) und RV (Rød Valgalliance [Rote Wahlallianz]) regierte, keine neuen Privatisierungen vorgenommen. In den Kommunen mit anderer politischer Führung wurde nur in 11 % bis 13 % kein öffentlicher Dienst privatisiert.82 Eine schwedische Untersuchung zeigte wiederum, dass in Kommunen, in denen konservative und liberale Politiker dominieren, häufiger Privatisierungsprojekte im Gesundheitswesen scheitern. Auch die Verringerung der Kosten gelingt nur in weniger Fällen als bei sozialdemokratisch geführten Kommunen. Dies wird in der Studie damit begründet, dass bürgerliche Politiker zu großzügig gegenüber privaten Unternehmen verhandeln.83 So zeigte sich auch, dass in sozialdemokratisch geführten Kommunen in größerem Maße alternative Kostenberechnungen durchgeführt und konkurrierende Angebote eingeholt wurden.84 Rein ideologisch durchgeführte Ausgliederungen führten überdurchschnittlich oft zu höheren Ausgaben. Vgl. Norsk Kommuneforbund (2000a), S. 5. Zur Meinung des Krankenpflegeverbands vgl. u. a. Hafstad (1998). 79 Vgl. Hegtun (2000). 80 Zur Rolle der Ideologie siehe Bös (1992), S. 2 – 6. 81 Dass auch in Schweden ein enger Zusammenhang zwischen Ideologie und Privatisierungsumfang besteht, zeigt Suzuki (2001), S. 5 – 8; 12 – 26. 82 Vgl. Norsk Kommuneforbund (2000a), S. 9. 83 Vgl. Fölster / Riegler (1997). 84 Vgl. Ståhlberg (1996), S. 94. 77 78

208

G. Die Angebotsstruktur

Es ist aber eine zu oberflächliche Behauptung, dass bürgerliche Politiker undurchdachte Privatisierungen durchführen. Das Ergebnis dieser Studie dürfte vorwiegend daher rühren, dass sozialdemokratische Kommunen nur dann eine Privatisierung durchführen, wenn eine bedeutende Einsparung zu erwarten ist. Die Ideologieabhängigkeit des Privatisierungsumfangs kann zu Differenzen zwischen dem Zentralstaat und den Kommunen führen. In einer Region, in der jahrzehntelang eine staatliche Planung für das ganze Land bestimmend war, sind Diskussionen über die Vorgehensweise häufig zu beobachten. Der publikumswirksamste Konflikt spielt sich dabei bereits seit Jahren zwischen dem bürgerlich regierten Stockholm und der sozialdemokratisch dominierten Zentralregierung ab.85

IV. Die Träger der Pflegeleistungen im empirischen Vergleich In der theoretischen Betrachtung wurde vorgebracht, dass eine Reihe von Gründen eine geringere Effizienz und Produktivität von öffentlichen Unternehmen erwarten lässt. Es bleibt zu fragen, ob die Erfahrungen im Pflegesektor Skandinaviens diese Argumentation bestätigen können. Eine exakte Bewertung der Leistungserstellung ist allerdings kompliziert. Die meisten Privatisierungen wurden erst in den letzten Jahren vorgenommen, so dass längere Datenreihen noch nicht aufgebaut werden konnten. Eine Schwierigkeit ergibt sich auch durch die beschränkte Messbarkeit von Wirkungen. Zudem ist erst in neuerer Zeit ein Effizienzvergleich zwischen unterschiedlichen Trägern möglich.

1. Gegenüberstellung von Kosten, Effizienz und Produktivität Zur Effizienz der Bereitstellung von Pflegeleistungen existiert im nordischen Raum eine Reihe von Untersuchungen. Diese Studien vergleichen allerdings meist die Gemeinden untereinander. Solche Aufsätze zur Effizienzbetrachtung innerhalb des kommunalen Sektors zeigen, dass bereits die Leistungserstellung zwischen den Gemeinden merklich differiert.86 Von Bedeutung ist hierbei insbesondere die unterschiedliche Bevölkerungszahl der Gemeinden. Da der Aufbau eines Pflegeangebots mit bedeutenden Fixkosten verbunden ist, ergeben sich häufig in Kommunen mit geringer Einwohnerzahl hohe Pro-Kopf-Ausgaben. Für sie ist es nicht möglich, Größenvorteile zu generieren. Zu den Ergebnissen der Privatisierung an sich liefern die nordischen Studien kein einheitliches Bild. Untersuchungen in Dänemark ergaben, dass bei 50 % der 85 86

Vgl. Schaffner (2001), S. 11. Vgl. Erlandsen / Førsund (1999).

IV. Die Träger der Pflegeleistungen im empirischen Vergleich

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Privatisierungen Kosteneinsparungen erreicht werden konnten, obwohl der Umfang der Leistungen nicht gekürzt wurde.87 Die größten Einsparungen wurden bei Reinigungs- und Renovierungsarbeiten verzeichnet. Untersuchungen ergaben hier um 20 % niedrigere Kosten.88 In anderen Sektoren sind die Kosten durch die Privatisierung nur gering gesunken. Dies betrifft vor allem die Bereiche Fahrdienste, Essenzubereitung und Winterdienste. Auch in den wenigen Fällen, in denen die persönliche Pflege von Privaten geleistet wird, ist die Kosteneinsparung bisher noch gering.89 Die Gemeinde Græsted-Gilleleje die als erste Kommune ein Komplettpaket an häuslicher Versorgung versteigerte, entrichtet an den privaten Anbieter der Firma Curatus 26 Mio. dkr im Jahr. Für die Gemeinde ergibt sich gegenüber der Eigenerstellung eine Kostenersparnis von 18 %.90 Die Ergebnisse der Studien aus Schweden differieren etwas gegenüber den dänischen. Besonders in der Kranken- und Altenpflege konnten bedeutende Effektivitätsgewinne ermittelt werden.91 Eine Untersuchung in Stockholm ergab, dass bei der Ausschreibung von Pflegeleistungen die Kosten des privaten Ausschreibungsgewinners im Durchschnitt um 9,4 % unter dem des kommunalen Anbieters lagen. Selbst unter Berücksichtigung von erhöhten Transaktionskosten ergab sich eine Einsparung von 4 % bis 5 %. Im Durchschnitt konnten niedrigere Kosten bei gleichbleibender Qualität festgestellt werden.92 Der Unterschied in den Effizienzergebnissen zwischen Dänemark und Schweden gründet sich möglicherweise darin, dass die öffentlichen Unternehmen in Schweden eine besonders große Ineffizienz aufweisen. Dies ist jedenfalls die Meinung einiger norwegischer Privatisierungskritiker. Diese lehnen die Idee einer Übertragbarkeit der schwedischen Effizienzgewinne auf Norwegen ab. Sie verweisen darauf, dass die Kommunen in Schweden eine deutlich niedrigere Effektivität aufweisen als die norwegischen Gemeinden. Das Einsparpotenzial sei damit in Schweden besonders groß. Auf 10 kommunale Angestellte in Norwegen kamen Ende der 80er Jahre 15 Schwedische. Die administrative Effektivität soll nach einem Zitat der Zeitung Dagens Nyheter in Oslo doppelt so hoch gewesen sein wie in Göteborg.93 Aussagen zur Qualität liefern diese Studien freilich nicht. Vgl. Arbeidsgruppe fra den Nordiske Konkurransemynigheter (1998), S. 103. 89 Vgl. Kommunernes Landesforening (2000b), S. 14 – 15. 90 Zu beachten ist, dass der Vertrag zwischen Græsted-Gilleleje und Curatus einige Besonderheiten aufweist. Curatus erhielt nur für das erste Jahr eine Monopolstellung. Danach trat eine kommunale Ordnung in Kraft, nach der die Bedürftigen die Möglichkeit erhalten, im Bereich der häuslichen Versorgung auch andere private Pflegedienste zu bestimmen. Bei der persönlichen Pflege kann der Betroffene zwischen Curatus und dem kommunalen Pflegedienst wählen. Vgl. Arbeidsgruppe fra den Nordiske Konkurransemynigheter (1998), S. 103. 91 Vgl. Riegler (1996), S. 11; Fölster (1998), S. 97 – 98; Suzuki (2001), S. 9 – 11. 92 Vgl. Högberg (1996), S. 7, 13; Arbeidsgruppe fra den Nordiske Konkurransemynigheter (1998), S. 37. 93 Zitiert in Norsk Kommuneforbund (2000a), S. 6. 87 88

14 Wild

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G. Die Angebotsstruktur

Kosteneinsparungen möchten die Privaten mit Hilfe einer höheren Effizienz gegenüber den öffentlichen Anbietern erreichen. Die niedrigeren Kosten sollen zudem durch eine bessere Organisation und eine verkleinerte Administration erreicht werden. Inwieweit diese Ziele erreicht werden können, lässt sich noch nicht „abschließend“ beurteilen. Da Privatisierungen erst seit den 90er Jahren von Bedeutung sind, ist das vorhandene Datenmaterial bezüglich Produktivität und Effizienz noch zu wenig aussagekräftig. Dass ein bedeutendes Einsparpotenzial bei den öffentlichen Anbietern hinsichtlich der Effizienz besteht, ist aber auch im nordischen Raum weitgehend unbestritten. Von den Gegnern der Privatisierung wird ebenso häufig das Argument vorgebracht, dass durch einen solchen Schritt Leistungen reduziert würden und damit ein Abbau des Sozialstaates stattfände. Sie ignorieren dabei, dass eine Privatisierung per se nur einen Wechsel des Trägers bedeutet. Eine Veränderung des Leistungsumfangs muss damit nicht verbunden sein. Solches geschieht nur dann, wenn das Outsourcing dazu genutzt wird, das Angebot an sich zu verändern. Ein solcher Vorgang ist dann aber eine eigenständige Maßnahme und sollte als solche bewertet werden. In Dänemark blieb in 73 % der Outsourcing-Vorgänge der Umfang der Leistungen unverändert, in 18 % der Fälle wurde sogar ein Ausbau erreicht. Nur zu 9 % wurde die Privatisierung auch zu einer Kürzung des Serviceniveaus genutzt. Im Bereich der persönlichen Pflege kam es jedoch in keinem Fall zu einer Verringerung der Leistungen.94 Einschränkend muss allerdings beachtet werden, dass nur wenige Gemeinden ein Outsourcing von direkten Betreuungsmaßnahmen vornahmen. Die Kommunen, welche diesen politisch heiklen Schritt wagten, konnten sich keine Reduzierung der Fürsorge leisten. Wie die bisherigen Untersuchungen vermuten lassen, liegt die Pflegequalität der privaten Anbieter, sofern sie messbar und vergleichbar ist, nicht unter der der kommunalen Leistungsersteller.95 Im Gegenteil, häufig ist zu beobachten, dass die privaten Unternehmen versuchen, trotz geringerer finanzieller Mittel ein höheres Serviceniveau zu erreichen. Da die Augen der Öffentlichkeit einen wachsamen Blick auf die Aktivitäten der Privaten legen und die Gesellschaft zum Teil skeptisch gegenüber Privatisierungen eingestellt ist, kann meist keine Verringerung der Qualität riskiert werden.96 Zum Abschluss dieses Unterkapitels seien noch zwei Fallbeispiele genannt. Im Jahre 1997 übernahm die ISS in Norwegen zum ersten Mal eine Pflegeeinrichtung. Dieses Pflegeheim mit etwa 100 bedürftigen Bewohnern befindet sich in der Kommune Asker etwas außerhalb von Oslo. Die ISS erhält von der Gemeinde Asker dafür pro Einrichtungsplatz 342 000 nkr pro Jahr. Die Preiskalkulation der Kommune bei eigener Leistungserstellung lag 100 000 nkr höher, so dass eine erhebliche Einsparung erzielt werden konnte. Diese beeindruckenden Zahlen überzeugen 94 95 96

Vgl. Kommunernes Landesforening (2000b), S. 12. Vgl. Suzuki (2001), S. 9 – 11. Vgl. Morstøl (1998).

IV. Die Träger der Pflegeleistungen im empirischen Vergleich

211

Privatisierungskritiker jedoch nicht. Sie verweisen darauf, dass der Landesdurchschnittspreis für ein Pflegebett zwischen 300 000 und 320 000 nkr liegt. Damit wäre es ihrer Meinung nach der Kommune selbst möglich gewesen, mit Hilfe von internen Reformen einen Preis unter dem ISS-Wert zu erreichen.97 Ein solcher Vergleich mit anderen Gemeinden ist aber nicht sachgerecht. Entscheidend ist, dass der kommunale Pflegeanbieter in diesem Ort deutlich höhere Kosten aufwies. Wenn er in der Lage gewesen wäre, über interne Reformen deutliche Einsparungen erzielen zu können, hätte er solche längst durchführen sollen. Es ist im Übrigen zu bedenken, dass Morten Strand, der Sprecher der ISS, einräumte, dass bei der Vergabe dieser Pflegeeinrichtung keine echte private Konkurrenz zu seiner Gesellschaft bestand.98 Damit ist zu vermuten, dass bei mehr Bewerbern die Ausschreibung sogar noch deutlich niedrigere Betreiberpreise erbracht hätte. Einen Hinweis darauf liefert auch die Vergabe des Hoveseter-Pflegeheims in Oslo. Obwohl die Beschäftigtenzahl nach der Übernahme durch das Unternehmen NOR AB um 15 Personen verringert wurde, liegt der Finanzierungsbetrag, den die Kommune überweist, nur 400 000 nkr im Jahr unter den Kosten des kommunalen Anbieters.99 Daraus könnte sich durchaus eine ansprechende Gewinnmarge ergeben.100

2. Vergleich der Arbeitsverhältnisse Beim Vergleich der unterschiedlichen Träger von Pflegeeinrichtungen wird in den nordischen Ländern ein Schwerpunkt auf die Arbeitsverhältnisse der Pflegekräfte gelegt. Da die Beschäftigten im kommunalen Sektor durch bedeutende Interessenverbände vertreten werden, ist ein solcher Vergleich für die politische Umsetzung von Privatisierungen bedeutsam. Ein Unterschied zwischen den privaten und den öffentlichen Pflegediensten liegt dabei in der Lohnbildung. In den privaten Unternehmen ist diese flexibler gestaltet. Zudem ist derzeit das Lohnniveau bei den Privaten etwas höher als in den kommunalen Pflegeheimen.101 In einer schwedischen Studie wurden Pflegerinnen und Krankenschwestern zu ihren Erfahrungen bei unterschiedlichen Anbietern befragt.102 Im Mittelpunkt der Untersuchungen standen dabei die Unterschiede zwischen den privaten und den öffentlichen Trägern. Die in dieser Studie befragten Personen waren ausschließlich in privaten Pflegeunternehmen angestellt. Sie arbeiteten aber vorher zu 90 % bei kommunalen Betreuungsdiensten, so dass sie die Unterschiede zwischen den Anbietern gut bewerten konnten. Als grundsätzliches Ergebnis dieser Studie ergab Vgl. Norsk Kommuneforbund (2000a), S. 19. Vgl. Norsk Kommuneforbund (2000a), S. 24. 99 Vgl. ebenda. 100 Vgl. Norsk Kommuneforbund (2000b). 101 Vgl. Arbeidsgruppe fra den Nordiske Konkurransemynigheter (1998), S. 37. 102 Vgl. Orbe (1998); Fölster (1998), S. 99. 97 98

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G. Die Angebotsstruktur

sich eine deutlich positivere Einstellung gegenüber den privaten Trägern. Im Bereich der Arbeitssituation und des Angestelltenverhältnisses wurde z. B. vorgebracht, dass bei den privaten Anbietern gute Karrieremöglichkeiten bestehen und Eigeninitiative eher möglich ist. Die Rolle des Chefs wurde besonders positiv bewertet. Nach dieser Umfrage verfügt dieser bei privaten Unternehmen über die höhere Kompetenz und die besseren Führungsqualitäten. Im Bereich der Organisation wurden die kurzen Wege der Entscheidungsfindung gelobt. Als Pluspunkte der öffentlichen Unternehmen wurden z. B. ihre größeren finanziellen Ressourcen, eine höhere Sicherheit der Angestelltenverhältnisse und die eingespielte Organisation genannt. Durch die größere Zahl von Pflegekräften pro Bedürftigen ist bei den kommunalen Anbietern zudem der Arbeitsstress geringer, was ebenfalls positiv bewertet wurde. Hinsichtlich der Bewertung der Pflegequalität ist aus der zitierten Umfrage leider keine eindeutige Schlussfolgerung möglich. Die überwiegend vorteilhafte Beurteilung der privaten Pflegeunternehmen in dieser Studie ist allerdings mit etwas Vorsicht zu behandeln. Bei den Befragten handelt es sich zum überwiegenden Teil um Personen, die ihren kommunalen Arbeitgeber verließen und nunmehr bei privaten Anbietern angestellt sind. Damit ist zu vermuten, dass ein Großteil dieser Menschen generell positiv gegenüber diesen Trägern eingestellt ist.

H. Historische und gegenwärtige Entwicklung des Pflegesektors in Skandinavien I. Die historische Entwicklung der Pflegeversorgung Die Pflegebetreuung in Nordeuropa unterlag in der Vergangenheit erheblichen Veränderungen. Nachdem Pflege jahrhundertelang überwiegend innerhalb der Familie gewährleistet wurde, gilt sie heute als ein Bestandteil des Wohlfahrtsstaates. Im Zeitablauf verschoben sich die Auffassungen über die stationäre bzw. die ambulante Fürsorge. Neue Formen der Betreuung Pflegebedürftiger, vermehrte Wahlmöglichkeiten und eine bessere Mitbestimmung der Älteren wurden etabliert. Die aktuelle Pflegepolitik steht unter dem Grundsatz, dass jede pflegebedürftige Person ein möglichst normales, selbstbestimmtes Leben führen soll, ohne dabei ökonomische Einbußen erleiden zu müssen.1 In den beiden nachstehenden Kapiteln wird ein geschichtlicher Abriss über die Pflegeversorgung in Nordeuropa gegeben. Nachdem die Entwicklung des Pflegesektors bis 1950 dargestellt wird, folgt für die Zeit nach 1950 eine separate Erörterung des ambulanten und des stationären Sektors. In einem Unterkapitel wird die Veränderung der Pflegequalität seit 1970 näher dargelegt. Bei allen Darstellungen werden auch mögliche Ursachen von Neuregelungen diskutiert.

1. Die Pflege- und Altenfürsorge bis 1950 Über Jahrhunderte hinweg war die Betreuung innerhalb der Familie die mit Abstand bedeutendste Fürsorgemöglichkeit für Pflegefälle. Wenn eine Unterstützung durch Verwandte oder Freunde nicht möglich war bzw. nicht ausreichte, mussten die Bedürftigen Leistungen innerhalb von Armenhäusern beziehen.2 Fehlte die familiäre Hilfe, boten auch kirchliche Institutionen Beistand an. Die Unterstützung durch die weltlichen und kirchlichen Einrichtungen erfolgte unabhängig vom Anlass der Armut. Spezielle Leistungen für pflegebedürftige bzw. ältere Menschen gab es nicht. In Skandinavien erfolgte die Finanzierung der Armenhäuser vorwiegend aus den Mitteln der jeweiligen Kommune. Die Nachfrage nach Diensten dieser Einrichtungen war beachtlich. Zum einen lebte ein größerer Teil der Menschen – besonders im Alter – in Armut, zum anderen fehlte in vielen Fällen die familiäre 1 Zu den Zielen der Pflegeversorgung in Schweden und Dänemark siehe Rostgaard / Holm / Jensen (1998), S. 28. 2 Vgl. Paulsson (1999), S. 193.

214

H. Historische und gegenwärtige Entwicklung des Pflegesektors

Hilfe. So war der Anteil der Verheirateten in Nordeuropa niedriger als in anderen Teilen Europas. In Schweden und Norwegen erschwerten zudem die großen Entfernungen zwischen den Gemeinden und die lockere Bebauung innerhalb der Ortschaften eine Unterstützung durch nahe Verwandte.3 In Dänemark bekam 1708 die Armenhilfe eine organisierte Form. Die Gemeinden wurden dazu verpflichtet, Lebensmittel für die erwerbsunfähigen Armen bereitzustellen. Während die Armenhäuser bis zum Ende des 18. Jahrhunderts für alle Bedürftigen gleichermaßen zuständig waren, begann danach eine Differenzierung. Für die einzelnen Bedürftigengruppen wurden eigene Einrichtungen oder zumindest eigene selbstständige Abteilungen eingerichtet. Personen, die aufgrund einer Behinderung im Armenhaus versorgt wurden, konnten nunmehr separat betreut werden. Zudem wurden erstmals psychisch Kranke von körperlich Behinderten getrennt.4 Anfang des 19. Jahrhunderts (z B. in Dänemark 1803) wurden Armensteuern zur Deckung dieser kommunalen Ausgaben eingeführt. Hinsichtlich der bürgerlichen Rechte wurden die Pflegebedürftigen, die Armenhilfe erhielten, weiterhin diskriminiert. So erhielten alle Bezieher entsprechender Leistungen in Dänemark bei der Einführung der freiheitlichen Verfassung 1849 kein Stimmrecht. Auch Eheschließungen waren ihnen verboten. Um aber zu verhindern, dass zu viele Menschen ihre bürgerlichen Rechte verlieren, wurde hier im Jahre 1856 eine Armenkasse aus privaten Spenden – vorwiegend aus Kirchenkollekten – etabliert. Mit diesen Mitteln wurde vorbeugend bereits dann Hilfe geleistet, wenn noch keine Armenfürsorge notwendig war.5 Zur Linderung der Altersarmut wurde später in den nordischen Staaten, wie in einigen anderen Industrieländern auch, ein gesetzliches Rentensystem eingeführt. Dänemark war 1891 das erste Land in Nordeuropa, das diese Leistungen anbot. Es folgten Schweden 1913 und Norwegen 1937. In Norwegen hatten einzelne Kommunen allerdings bereits vor 1937 eigenständige Pensionssysteme eingerichtet. 6 Die Rentenleistungen waren jedoch in allen drei Ländern bescheiden. Die Höhe der Auszahlungen differierte in Abhängigkeit vom Bedürftigkeitsgrad der Betroffenen. Trotzdem war die Einführung einer Rentenversicherung in mehrfacher Hinsicht beachtenswürdig. Zum einen flossen erstmals Mittel des Zentralstaates an Notleidende und zum anderen wurden die älteren Menschen als eigene bedürftige Gruppe anerkannt.7 Durch die Einführung dieser Rentenversicherung sanken die Aufwendungen der Kommunen für die Armenhäuser. Den neuen Finanzspielraum nutzten sie zur Verbesserung ihrer sozialen Dienste. Der teilweise bereits im 18. Jahrhundert begonnene Umbau von Armenhäusern in Alten- und Pflegeheime 3 4 5 6 7

Vgl. Ramsøy (1987), S. 75 – 105. Vgl. Paulsson (1999), S. 194. Vgl. Torpe (2000). Vgl. Daatland (1997b), S. 14. Vgl. Torpe (2000).

I. Die historische Entwicklung der Pflegeversorgung

215

wurde forciert. In Schweden wurden die Kommunen 1918 sogar durch ein Gesetz aufgefordert, Pflegeheime zu errichten.8 Die jahrhundertelange Zuständigkeit der Gemeinden für die Armenhäuser wurde beibehalten, so dass die Kommunen nunmehr die Verantwortung für die Pflegeheime trugen. Die Einrichtungen dieser Zeit wiesen in der Regel Mehrbettzimmer auf. Waschräume waren separat auf den Stockwerken untergebracht. In dieser Zeit verloren öffentliche Sozialleistungen zunehmend das Stigma einer reinen Armenfürsorge. Durch verschiedene Gesetze wurden nach und nach alle Beschränkungen der bürgerlichen Rechte für Bedürftige aufgehoben. In Schweden erhielten 1945 die Personen, die in Pflegeeinrichtungen versorgt wurden, erstmals das Recht, bei politischen Wahlen zu wählen. Im Jahre 1947 wurden hier die Altenheime formal aus der Armenpflege ausgegliedert.9 Zudem wurde in Schweden im Jahre 1956 das Armenfürsorgegesetz abgeschafft und durch eine Sozialgesetzgebung ersetzt. Zugleich folgte u. a. die Aufhebung der Unterhaltspflicht der Kinder gegenüber ihren Eltern.10 In Norwegen erfolgte eine vergleichbare Gesetzesänderung 1964.11 In den zehn Jahren nach dem 2. Weltkrieg wurde die Altersrente der nordischen Länder zum universellen System ohne Bedarfsprüfung umgebaut. Seitdem haben alle Bürger dieser Region Anspruch auf eine Altersrente, unabhängig davon, über welches Vermögen oder Einkommen sie verfügen und unabhängig von ihrer früheren Erwerbstätigkeit. Eine Äquivalenz zwischen Einzahlungen und Leistungen wurde mit einer Zusatzrentenversicherung eingeführt. Dies geschah 1961 zuerst in Schweden. Norwegen folgte 1967, in Dänemark wurde 1964 ein Zusatzrentensystem etabliert.12 Die Höhe der Leistungen wird in Dänemark jedoch nach der Anzahl der Arbeitsjahre, nicht nach dem Einkommen berechnet. Die möglichen Zahlungen der Zusatzversicherung sind bescheidener als in Schweden und Norwegen. Als Folge dieser unterschiedlichen Entwicklung ist der Anteil der privaten Vorsorge in Dänemark größer als in den beiden anderen Staaten.13

2. Geschichte des stationären Sektors seit 1950 a) Ein allgemeiner Überblick über die Entwicklung Bis in die 50er Jahre konnte noch nicht von einem skandinavischen Wohlfahrtssystem gesprochen werden. Die Rentenzahlungen und das Angebot an sozialen Vgl. Paulsson (1999), S. 195. Vgl. ebenda. 10 Vgl. Schwedisches Institut (2001a). 11 Vgl. Rønning / Grund / Hatland (1995), S. 68. 12 Vgl. Daatland (1997b), S. 15. 13 Vgl. Kangas / Palme (1989). 8 9

216

H. Historische und gegenwärtige Entwicklung des Pflegesektors

Leistungen waren gering. Die öffentliche Hand spielte eine untergeordnete Rolle. Die staatlichen Ausgaben für die Sozialpolitik lagen in dieser Zeit in Nordeuropa zwischen 6 % und 10 % des BIP. Länder wie Frankreich, England und die BR Deutschland kamen auf Werte zwischen 10 % und 15 %.14 Eine bedeutende Rolle bei der Alters- und Pflegefürsorge spielten in dieser Zeit die Wohlfahrtsverbände.15 Deren Einrichtungen waren allerdings vollständig in das öffentliche System integriert und finanzierten sich weitgehend über öffentliche Zuschüsse. In den 50er und 60er Jahren gewannen die Stimmen deutlich an Gewicht, die einen Ausbau der Pflegeinfrastruktur forderten. Insgesamt verfügte Dänemark Mitte der 60er Jahre über 28 000 Pflegeheimplätze. In Norwegen und Schweden waren es ca. 25 000 bzw. 70 000.16 Mit der Entwicklung des Wohlfahrtsstaates in Nordeuropa kam es ab den 60er Jahren zu einem bedeutenden Ausbau der Pflegeeinrichtungen.17 Dabei wurde vorwiegend die stationäre Betreuung gefördert, da diese Form als die beste Art der Fürsorge angesehen wurde. Die Gesamtzahl der Pflegeplätze erhöhte sich von 1965 bis 1976 in Dänemark um 65 %, in Schweden und Norwegen um jeweils etwa 40 %. Der Leistungsanteil der Wohlfahrtsverbände reduzierte sich in diesem Zeitraum sukzessive. Während sie in den 60er Jahren noch als Träger etwa der Hälfte der Pflegeeinrichtungen fungierten, spielen sie in neuerer Zeit als Produzent von Leistungen nur noch eine sehr geringe Rolle.18 Sie agieren heute überwiegend als Interessenverbände.19 Von 1975 bis 1983 wurden in Dänemark und Schweden nur noch wenige Altenheimplätze errichtet. In Norwegen erhöhte sich die Zahl dagegen nochmals um 10 600. Dies entspricht einer Zunahme von 30 %. Seit den 80er Jahren wurden die Plätze für die stationäre Betreuung in allen drei Ländern reduziert. In Schweden und Dänemark verringerten sie sich ab 1983 insgesamt um 20 % bis 25 %. In Norwegen wird seit 1988 ein Rückgang um 10 % verzeichnet. Die höchste Anzahl von Pflegeplätzen wurde damit in Schweden und Dänemark mit 102 000 bzw. 50 000 um das Jahr 1983 erreicht. In Norwegen war der Höhepunkt 1988 mit 48 000 Plätzen erreicht. Im Folgenden wird diese Entwicklung grafisch verdeutlicht.20

Vgl. Daatland (1997a), S. 21. Vgl. Szebehely (2000), S. 204; Daatland (1997b), S. 27. 16 Vgl. Daatland (1997a), S. 175 – 184. 17 Vgl. Daatland / Sundström (1984), S. 21 – 34. 18 Vgl. Daatland (1997a), S. 175 – 184. 19 Im Gegensatz zur Situation in anderen Ländern (wie den USA) sind diese Interessengruppen allerdings nicht als Lobby-Instrument von privaten Personen zu verstehen. Sie treten eher als Teil der öffentlichen Hand auf. Vgl. James (1989), S. 39; Glendinning / McLaughlin (1993), S. 126 – 127. 20 Vgl. auch J-13 bis J-15. 14 15

I. Die historische Entwicklung der Pflegeversorgung

217

120000 100000 80000 Schweden

60000

Norwegen 40000 20000 0 1967

1970

1973

1976

1979

1982

1985

1988

1991

1994

Quelle: Daatland (1997a), S. 34.

Abbildung H-1: Anzahl der Plätze für die stationäre Betreuung in Schweden, Dänemark und Norwegen von 1967 bis 1995

In den 60er und 70er Jahren fungierten stationäre Einrichtungen für viele ältere Menschen als eine Art Seniorenheim. Erst in den letzten 30 Jahren hat der Pflegebedürftigkeitsgrad in der stationären Versorgung deutlich zugenommen. In Norwegen benötigten 1973 61 % der Heimbewohner eine tägliche Betreuung. 1993 waren es 90 %.21 Die Altersstruktur der Menschen in den Heimen veränderte sich. Dies wird durch die folgende Tabelle veranschaulicht. Tabelle H-1 Über 80-Jährige in der stationären Pflege Jahr

Anteil der über 80-Jährigen in stationärer Pflege [in % der gesamten Betreuten] Dänemark

Norwegen

Schweden

1960

...

52

...

1965

53

54

...

1970

...

56

...

1975

60

60

61

1980

63

64

65

1985

66

68

66

1990

69

72

72

1994

70

73

74

Quelle: Daatland (1997a), S. 45. 21

Vgl. Daatland (1997a).

218

H. Historische und gegenwärtige Entwicklung des Pflegesektors

Im Jahre 1965 waren in Dänemark und Norwegen nur 53 % bzw. 54 % der Bewohner älter als 80 Jahre. Im Jahre 1994 betrug ihre Zahl bereits 70 % bzw. 73 %.

b) Die Entwicklung der Pflegeheime Ab den 60er Jahren entwickelte sich in Schweden und Norwegen neben dem traditionellen Bereich der kommunalen Altenheime eine eher medizinisch ausgerichtete Einrichtungsform: Das Pflegeheim (Norwegen: Sykehjem, Schweden: Sjukhem). Diese Institution wurde auf die Pflege von Personen mit schwerster Pflegebedürftigkeit ausgerichtet. Ursprünglich für die aktive Pflege und Behandlung gedacht, war diese Einrichtungsart anfangs ein Ort der Langzeitpflege bei niedriger Wohnqualität. Die Ausgestaltung ähnelte der von Krankenhäusern. So waren die Pflegeheime mit Ein- und Mehrbettzimmern eingerichtet. Toilette und Duschraum befanden sich auf den Korridoren.22 In Norwegen fielen 1970 die Pflegeheime unter das Krankenhausgesetz (Sykehusloven) und die administrative und finanzielle Zuständigkeit wurde den Provinzen (Fylke) übertragen.23 Eine ähnliche Entwicklung war in Schweden zu beobachten. Hier übernahmen die Provinziallandtage (Landsting) die Zuständigkeit für die Pflegeheime. Zuvor waren in beiden Ländern die Kommunen für diese Einrichtungen verantwortlich. Als Begründung für die Übertragung der Zuständigkeit auf die höhere Verwaltungsebene wurde vorgebracht, dass hiermit Größenvorteile ausgenutzt werden könnten. Die Errichtung und Erhaltung der Pflegeheime sei für größere Regionen wirtschaftlicher. Da die Kommunen allerdings weiterhin für die traditionellen Altenheime und die ambulante Betreuung verantwortlich waren, ergaben sich vielfältige Probleme. Neben Schwierigkeiten in der Koordination lag das Hauptproblem darin, dass Provinzen und Kommunen jeweils versuchten, bestimmte Kosten in den Verantwortungsbereich des anderen zu transferieren. Die Gemeinden verzögerten den Ausbau ihrer Einrichtungen, wodurch ein zunehmender Teil der Pflegebedürftigen in die Pflegeheime umziehen bzw. dort länger verweilen musste.24 Da die Pflege in den Pflegeheimen jedoch die höheren fiskalischen Kosten aufweist, führte dieses Verhalten zu einem Anstieg der Gesamtpflegekosten. Aufgrund dieser Schwierigkeiten wurde die Verantwortung für die Pflegeheime im Jahre 1988 in Norwegen und 1992 in Schweden (Ädel-Reform) wieder auf die Kommunen übertragen.25 Durch die Ädel-Reform wurde zudem ein Problem gelöst, das bei der Übernahme von Bedürftigen in den Pflegesektor nach deren Behandlung in Krankenhäusern auftrat. Obwohl die medizinische Versorgung abgeschlossen war, mussten Be22 23 24 25

Vgl. Paulsson (1999), S. 198; Daatland / Høyland (1999), S. 256 – 257. Vgl. Daatland / Høyland (1999), S. 256. Vgl. Rønning / Grund / Hatland (1995), S. 69. Vgl. Lundberg (2000), S. 108 – 115; Szebehely (2000), S. 172; OECD (1996), S. 166.

I. Die historische Entwicklung der Pflegeversorgung

219

dürftige bis 1992 vielfach noch eine Zeitlang im Krankenhaus verbleiben, da die Kommunen die Aufnahme in den Pflegebereich schleppend bearbeiteten. Durch diese Hinhaltetaktik wurde der Wechsel der finanziellen Zuständigkeit hinausgeschoben, die Kommune reduzierte ihre Ausgaben auf Kosten der Provinziallandtage. Durch die höheren Kosten des Krankenhausaufenthalts wurden die volkswirtschaftlichen Gesamtausgaben erhöht. Die Ädel-Reform übertrug die Kosten von Pflegebedürftigen, die aus medizinischen Gründen eigentlich nicht mehr im Krankenhaus verbleiben müssten, auf die Gemeinden. Die Provinziallandtage, die für die Krankenhäuser zuständig sind, wurden finanziell entlastet. Ein Indiz für den Erfolg der Reform ist die verringerte Verweildauer in den Krankenhäusern. Für die Gemeinden ist es nunmehr rational, für Bedürftige möglichst schnell Pflegeleistungen bereitzustellen. Schwierigkeiten ergeben sich allerdings bei der Kostenzurechnung von Rehabilitationsmaßnahmen. 26 Die Pflegeheime entwickelten sich sowohl in Norwegen als auch in Schweden bis in die heutige Zeit zu einer bedeutenden stationären Pflegeform. In Norwegen übersteigt seit 1973 die Anzahl der Plätze in den Pflegeheimen die in den Altenheimen. Bis zur Mitte der 90er Jahre nahm die Anzahl der Betten in den Pflegeheimen soweit zu, dass 75 % der stationären Plätze dieser Einrichtungsform zugeordnet wurden. Die nachfolgende Abbildung veranschaulicht diese Entwicklung grafisch.27 50000 40000 Gesamt

30000

Altenheim 20000

Pflegeheim

10000 0 1966

1972

1975

1978

1981

1984

1987

1990

1993

Quelle: Daatland (1997a), S. 32.

Abbildung H-2: Anzahl der Plätze für die stationäre Betreuung nach Art der Institution in Norwegen von 1966 bis 1995

In Schweden übersteigt die Zahl der Plätze in den Pflegeheimen seit 1985 die der Altenheime. Während die Altenheimplätze nur bis 1974 zunahmen, stieg die Zahl der Pflegeheimplätze bis 1985. Danach ist jedoch auch hier eine Verringerung zu registrieren. Vgl. Schwedisches Institut (2001a). Bei der Beurteilung der Abbildungen ist zu beachten, dass die untersuchten Länder unterschiedliche Einwohnerzahlen aufweisen. 26 27

220

H. Historische und gegenwärtige Entwicklung des Pflegesektors

120000 100000 80000

Gesamt Altenheim

60000

Pflegeheim 40000 20000 0 1965

1968

1971

1974

1977

1980

1983

1986

1989

Quelle: Daatland (1997a), S. 33.

Abbildung H-3: Anzahl der Plätze für die stationäre Betreuung nach Art der Institution in Schweden von 1965 bis 1995

In Pflegeheimen wird die institutionelle Pflege auf Menschen mit erheblicher Pflegebedürftigkeit konzentriert. Personen mit geringerem Pflegebedürftigkeitsgrad erhalten überwiegend eine häusliche Versorgung. In Dänemark wurden ab dem Jahre 1973 Pflegeheime erbaut, welche vorwiegend auf Menschen mit hohem Pflegebedürftigkeitsgrad ausgerichtet sind. Für den Umbau und die Errichtung erhielten die Kommunen bedeutende zentralstaatliche Subventionen. Dafür wurden die Zuschüsse für den Bau von gewöhnlichen Altenheimen abgeschafft.28 Die Heimversorgung wird damit heute ausschließlich in Pflegeheimen vorgenommen.29 c) Entwicklung des Versorgungsgrads Im vorhergehenden Abschnitt wurde dargelegt, dass die Anzahl der Plätze in der stationären Fürsorge bis Mitte der 70er Jahre deutlich zunahm, danach stabil blieb und seit Anfang der 80er Jahre zurückgeht. Für die Bewertung dieser Entwicklung gilt es, die Entwicklung der Betreuung zur Veränderung der Altersstruktur ins Verhältnis zu setzen. Untersucht wird in diesem Kapitel die Gruppe der über 65-Jährigen. Mit Hilfe des Versorgungsgrads ist es auch möglich, die stationäre Versorgung innerhalb Skandinaviens quantitativ zu vergleichen. Der berechnete Versorgungsgrad bezieht sich hierbei auf die Pflegeplätze in den Altenheimen und in den Pflegeheimen. Die Plätze in altersgerechten Wohnungen werden nicht berücksichtigt. Die folgende Abbildung veranschaulicht die Entwicklung des Versorgungsgrads. Vgl. Holstein (1991), S. 38 – 39. Die Entwicklung der Pflegeplätze in der stationären Versorgung in Dänemark war in Abbildung H.I. erkennbar. 28 29

I. Die historische Entwicklung der Pflegeversorgung

221

9% 8% 7% 6% 5%

Schweden

4%

Norwegen

3% 2% 1% 0% 1967

1970

1973

1976

1979

1982

1985

1988

1991

1994

Versorgungsgrad der stationären Pflege: Anzahl der über 65-Jährigen, in Altenheimen und Pflegeheimen im Verhältnis zu den über 65-Jährigen. Quelle: Eigene Berechnung nach Daten von Daatland (1997a), S. 175 – 184.

Abbildung H-4: Versorgungsgrad der stationären Pflege in Dänemark, Norwegen und Schweden von 1967 bis 1994

Es zeigt sich, dass der Versorgungsgrad der stationären Pflege in Schweden und Dänemark im dargestellten Zeitraum einen deutlichen Rückgang zu verzeichnen hat. In Norwegen ist dagegen ein stabiler und sogar leicht steigender Wert zu erkennen. Bis zum Jahr 1984 wies Schweden damit den höchsten Versorgungsgrad in der stationären Versorgung auf. Der höchste Wert wurde 1970 mit 8,17 % erreicht. Im Jahre 1991 betrug der Versorgungsgrad jedoch nur noch 5,2 %. In Dänemark ist ein ähnlicher Verlauf zu beobachten. Lag der Versorgungsgrad der stationären Betreuung 1976 noch bei 6,9 % erreichte er 1993 nur noch 4,7 %. Damit wies Dänemark in den 90er Jahren den niedrigsten Wert auf. In Norwegen wurde im Jahre 1994 mit 6,25 % der gleiche Anteil wie 1970 erreicht. Seit 1985 ist der Versorgungsgrad in Norwegen der höchste in Skandinavien. Für die dargestellte Entwicklung sind mehrere Ursachen zu nennen. Zum einen kann der Rückgang des Versorgungsgrads in Schweden und Dänemark damit erklärt werden, dass die Anhebung des Wohnstandards in den Pflegeeinrichtungen eine Vergrößerung der Wohnfläche pro Bedürftigen und damit eine Reduzierung der Zahl der Pflegeplätze mit sich brachte.30 In Schweden bewohnte noch 1960 jeder Heimbewohner ein Zimmer von etwa 12 m2. Im Jahre 1997 betrug der minimale Standard 35m2.31 Der Umbau überwog gegenüber dem Neubau. Hierzu kam in den 70er Jahren ein Umdenken in der Pflegebetreuung.32 Es setzte sich die Auffassung durch, dass zu viele Heimbewohner ein passives Leben, entfernt von den nahen Angehörigen, führen müssen, obwohl sie die umfassende Betreuung eines 30 31 32

Vgl. Jensen / Gottschalk (1999), S. 227. Vgl. Jensen / Gottschalk (1999), S. 225 – 226; Paulsson (1999), S. 200 – 203. Vgl. Daatland / Høyland (1999), S. 256.

222

H. Historische und gegenwärtige Entwicklung des Pflegesektors

Heims (noch) nicht benötigen. Als Folge dieser Debatte wurde die ambulante Versorgung ausgebaut, wodurch die stationäre Betreuung reduziert werden konnte. Die stationäre Versorgung wurde überdies verstärkt auf die Versorgung in altersgerechten Wohnungen ausgerichtet. Während die Plätze in Altenheimen in Schweden reduziert wurden, nahm die Zahl der altersgerechten Wohnungen zu. Die entsprechende Anzahl erhöhte sich von 1991 bis 1997 um etwa 30 000.33 Diese Umgestaltung wurde auch aufgrund zunehmender ökonomischer Engpässe forciert. Da die Heimunterbringung deutlich höhere fiskalische Ausgaben als die ambulante Versorgung verursacht, wurde hier ein Einsparpotenzial erkannt.34 Es ist aber nicht eindeutig, ob die gesamten Kosten im ambulanten Sektor wirklich geringer sind als im stationären Bereich. Um einen Kostenvergleich zwischen beiden Formen vorzunehmen, müssten auch die Externalitäten der häuslichen Fürsorge bewertet werden. Zu vermuten ist, dass die fiskalischen Ausgaben auf Kosten der privaten Aufwendungen reduziert wurden.

3. Geschichte des ambulanten Sektors seit 1950 a) Ein Überblick über die Entwicklung In einzelnen Orten offerierten bis Anfang der 50er Jahre humanitäre Organisationen ambulante Hilfsdienste für Pflegebedürftige. Zudem boten einige Gemeinden in Eigeninitiative Leistungen an. Erst zu Beginn der 60er Jahre erging von staatlicher Seite die Forderung an die Kommunen, die ambulante Pflegeversorgung auszubauen.35 In der Folge übernahmen die Gemeinden die ambulante Betreuung sukzessive in die eigene Verantwortung.36 In Dänemark beispielsweise wurden die Gemeinden 1963 durch ein Gesetz dazu verpflichtet, innerhalb von fünf Jahren einen ambulanten Pflegedienst einzurichten. Der Zentralstaat beteiligte sich anfangs zu 70 % und ab 1970 zu 50% an den Kosten.37 In der Folge kam es zu einem raschen Ausbau der Pflegedienste.38 Auch heute ist noch eine Zunahme zu beobachten, obwohl im Jahre 1987 die Subventionszahlungen für die ambulante Pflegebetreuung der Gemeinden eingestellt wurden.39 In Norwegen ist nach einem Wachstum des ambulanten Sektors seit dem Ende der 80er Jahre ein verhaltener Rückgang zu verzeichnen. In Schweden wurde nach einem erheblichen Ausbau in den 70er Jahren im Jahre 1978 der Höchststand erreicht. Seitdem ist eine deutliche Verkleinerung des ambulanten Sektors zu beobachten. Die Anzahl der Betreuten 33 34 35 36 37 38 39

Vgl. Paulsson (1999), S. 203. Vgl. Paulsson (1999), S. 200. Vgl. Holstein (1991), S. 38 – 39; Daatland / Sundström (1984), S. 58 – 68. Vgl. Daatland, Høyland (1999), S. 251. Vgl. Shenk / Christiansen (1993), S. 172 – 174. Vgl. Daatland / Sundström (1984), S. 58 – 68. Vgl. OECD (1996), S. 121.

I. Die historische Entwicklung der Pflegeversorgung

223

sank bis Mitte der 90er Jahre wieder auf das Niveau von 1968. Dies ist ein bemerkenswerter Rückgang. Die nachstehende Abbildung verdeutlicht diese Entwicklungen.40 400000 350000 300000 250000 200000

Schweden

150000

Norwegen

100000 50000 0 1967

1970

1973

1976

1979

1982

1985

1988

1991

1994

Quelle: Daatland (1997a), S. 60 – 61. 41

Abbildung H-5: Anzahl der Personen, die häusliche Hilfe erhalten, in Dänemark, Norwegen und Schweden von 1967 bis 1994

Außer bei der Zahl der Pflegedienste ergaben sich im Zeitablauf auch deutliche Änderungen im Umfang der Betreuung. Einen zunehmenden Stellenwert erhielt die Bereitstellung von 24-Stunden-Diensten bzw. die Nacht- und Abendpflege.42 In Dänemark wurde eine Abendpflege im Jahre 1983 nur in 39 Kommunen angeboten, im Jahre 1995 bereits in 269 von 275 Gemeinden.43

b) Entwicklung des Versorgungsgrads Ebenso wie in der stationären Pflege ist auch im ambulanten Sektor die Ermittlung eines Versorgungsgrads zur besseren Bewertung der Daten sinnvoll. Somit kann auch hier die Zahl der Pflegeplätze unter Berücksichtigung der Altersstruktur betrachtet werden. Zudem wird ein quantitativer Vergleich der nordischen Länder untereinander ermöglicht. Im folgenden wird der entsprechende Verlauf veranschaulicht.

40 41 42 43

Vgl. auch die Tabellen J-17 bis J-19. Für Dänemark liegt für die Zeit vor 1976 kein entsprechendes statistisches Material vor. Vgl. Daatland (1997b), S. 28. Vgl. Jensen / Gottschalk (1999), S. 225.

224

H. Historische und gegenwärtige Entwicklung des Pflegesektors

30% 25% 20% Schweden

15%

Norwegen

10% 5% 0% 1967

1970

1973

1976

1979

1982

1985

1988

1991

1994

Versorgungsgrad der häuslichen Pflege: Anzahl der über 65-Jährigen, die häusliche Hilfe nachfragen, im Verhältnis zur Gesamtheit der über 65-Jährigen. Quelle: Daatland (1997a), S. 64.

Abbildung H-6: Versorgungsgrad der häuslichen Pflege in Dänemark, Norwegen und Schweden von 1967 bis 1995

In Dänemark und Norwegen nimmt der Versorgungsgrad der häuslichen Pflege kontinuierlich zu. Seit 1988 ist Dänemark die hierbei führende Nation in Skandinavien. Norwegen wies bis 1993 den niedrigsten Versorgungsgrad in den untersuchten Ländern auf. Schweden verzeichnet einen außergewöhnlichen Verlauf. Nachdem dieses Land bis gegen Ende der 80er Jahre über den mit Abstand höchsten Versorgungsgrad in Nordeuropa verfügte, liegt es seit 1993 auf dem letzten Platz unter den hier betrachteten Staaten. In Schweden zeigt sich damit seit der Mitte der 70er Jahre ebenso wie in der stationären Versorgung eine deutliche Verringerung des Pflegeangebots. Der Versorgungsgrad der ambulanten Pflege vermindert sich hier schon fast dramatisch. Um dies zu verdeutlichen: Von 1980 bis 1997 nahm die Zahl der über 80-Jährigen Menschen, die ambulant versorgt wurden, um 100 000 ab, obwohl die Anzahl der über 80-Jährigen um 170 000 zunahm.44 Diese Veränderung kann nicht mit einer besseren Gesundheit der älteren Menschen erklärt werden. Eine mögliche Ursache könnte dagegen im „Überkonsum“ von Pflegeleistungen in den 70er Jahren zu finden sein. In der Tat zeigte eine Untersuchung von Fried in Stockholm, dass gegen Ende der 70er Jahre ein merklicher Teil der Menschen, die ambulante Pflege erhielten, auch gut allein zurechtgekommen wäre.45 Der Rückgang der Zahl der Pflegeplätze ist damit als eine notwendige Redimensionierung anzusehen. Als Folge fiskalischer Restriktionen bestand das Erfordernis, ambulante Leistungen selektiver zu vergeben.46 44 45 46

Vgl. Szebehely (2000), S. 180. Vgl. Szebehely (2000), S. 182. Vgl. Szebehely (2000), S. 197.

I. Die historische Entwicklung der Pflegeversorgung

225

4. Entwicklung der Pflegequalität seit 1970 In den 70er Jahren begann in Nordeuropa eine bedeutende Diskussion über die Qualität der Fürsorge. Der Auslöser dieser Debatten war die zunehmende Rationalisierung und Standardisierung von Leistungen. In der Kritik standen vor allem die Pflegeheime. Aus ökonomischen Erwägungen waren sie meist große, unpersönliche Gebäude. Die Wünsche der Bewohner wurden nur wenig berücksichtigt. Auf diese Debatte aufbauend, wurde eine Reihe von Gesetzen und Richtlinien zur Verbesserung der Pflegequalität verabschiedet. Durch Finanzzuweisungen des Zentralstaates wurde den Kommunen zudem finanzielle Unterstützung gewährt. Eine Erhöhung der Wohnqualität von Pflegebedürftigen konnte seitdem durch die Etablierung von neuen Wohnformen und durch einen Umbau der existierenden Heime erreicht werden. Es wurden verschiedene Arten von altengerechten Wohnungen geschaffen, in denen Bedürftige ein eigenständiges Leben führen können und dabei umfassend durch einen Pflegedienst betreut werden. Auch die Errichtung von Wohngemeinschaften älterer Menschen wurde von staatlicher Seite gefördert. Mit diesen Einrichtungen soll verhindert werden, dass Bedürftige vereinsamen und kaum noch Zugang zum gesellschaftlichen Leben finden. Für Personen mit erheblichem Pflegebedürftigkeitsgrad sind diese Wohngemeinschaften jedoch nicht geeignet.47 Insgesamt sank die Bedeutung der traditionellen stationären Pflege. In Dänemark wurde während der Debatten über die Pflegequalität eine Nationale Kommission für die Alterung gegründet.48 Im Jahre 1982 verabschiedete dieses Gremium Prinzipien, die für die Pflegebetreuung im Wesentlichen auch heute noch Bestand haben.49 Nach diesen Grundsätzen ist die Pflege in der Form zu gestalten, dass die Betreuung keine abrupte Änderung im Leben des Betroffenen darstellt. Dies ist ein anspruchsvolles Ziel, ist doch anzunehmen, dass das Eintreten der Pflegebedürftigkeit für die meisten Menschen mit erheblichen Änderungen im Leben verbunden ist. Nach einem weiteren Grundsatz sollen die Pflegepersonen so lange wie möglich in ihrer eigenen Wohnung leben können. Die Fürsorge soll als Hilfe zur Selbsthilfe ausgestaltet sein.50 Des Weiteren wird die Förderung der Selbstbestimmung der älteren Menschen als ein wichtiges Ziel formuliert.51 So weit es möglich ist, sollen sie selbst darüber befinden, welche Leistungen sie in Anspruch nehmen wollen.52 Seit Ende der 80er Jahre offerieren die Pflegeheime den Bedürftigen deshalb in zunehmendem Umfang statt eines generellen Leistungspakets flexible Angebote.53 Darüber hinaus wurde den Heimbewohnern in einigen Kom47 48 49 50 51 52

Vgl. Korpi (1995), S. 265. Vgl. Shenk / Christiansen (1993), S. 172 – 173; Jensen / Gottschalk (1999), S. 224. Vgl. OECD (1996). Vgl. Shenk / Christiansen (1993), S. 174. Vgl. Knust-Potter / Potter (1991), S. 96. Vgl. Baltes (1996), S. 11.

15 Wild

226

H. Historische und gegenwärtige Entwicklung des Pflegesektors

munen ab dem Jahre 1989 – vorerst als Versuchsprojekt – die Altersrente überwiesen und für die jeweiligen Pflegeleistungen eine Rechnung erstellt. Seit dem 1. Januar 1996 ist diese Vorgehensweise für alle Gemeinden obligatorisch.54 Damit sollen das Selbstbewusstsein und die Selbstständigkeit der Menschen gefördert werden. Bis zur Einführung dieses Systems wurde die Rente vom Heim gleich einbehalten. Die Bewohner erhielten nur ein „Taschengeld“.55 Im Jahre 1989 betrug dieses „Taschengeld“ bei einem Grundrenten-Empfänger etwa 691 dkr.56 Die vermehrte Betonung der Selbstständigkeit von Bedürftigen offenbart einen eklatanten Mangel am früheren System. Es wurde wenig berücksichtigt, dass auch ein pflegebedürftiger Bürger das Recht besitzen sollte, selbst über sein Leben zu entscheiden. Erst ab Ende der 80er Jahre setzt sich langsam die Ansicht durch, dass Pflegebedürftigkeit in vielen Fällen nicht mit der Unfähigkeit zum selbstständigen Entscheiden einhergehen muss. Der vielfach vorherrschende Paternalismus wurde danach etwas zurückgedrängt. Eine weitere Reform in Dänemark wurde 1988 verabschiedet. Seitdem dürfen keine herkömmlichen Heime mehr gebaut werden.57 Es werden nur noch Wohneinheiten mit einer Bruttowohnfläche von 67m2 und einer Mindestausstattung von zwei Zimmern mit Küche und Bad errichtet. Daraus ergibt sich ein bemerkenswert hoher Wohnstandard. Die damals existierenden stationären Pflegeeinrichtungen mussten umgestaltet werden, damit sie diese Anforderungen erfüllen konnten. Dass dies keine einfache Aufgabe war, zeigt sich schon daran, dass den Bedürftigen bis 1988 in der Regel nur ein Zimmer von etwa 16m2 ohne Küche und Bad zur Verfügung stand.58 Auch in Schweden wurden nach 1975 wohnlichere Einrichtungen mit einer besseren Ausstattung und größeren Zimmern erbaut.59 Im Vergleich zum durchschnittlichen Wohnungsstandard blieb die Wohnqualität allerdings weiterhin bescheiden. Nur 25 % der Zimmer waren mit einer eigenen Toilette und nur 16 % mit einer eigenen Dusche ausgestattet. Ab Mitte der 80er Jahre verfügten indessen fast alle Pflegeheimbewohner über ein Einzelzimmer. Zum Vergleich: In der BR Deutschland lebten im Jahre 1999 nur knapp 45 % der Pflegeheimbewohner in einem Einzelzimmer. 48 % bewohnen ein Zweibettzimmer.60 Gegen Ende der 80er Jahre bewirkte die zunehmend schwierigere wirtschaftliche Situation der Kommunen in Schweden eine vermehrte Rationalisierung in der Pflegebetreuung. Die Diskussion über die Pflegequalität flammte Anfang der 90er Jahre wieder auf, als die Medien 53 54 55 56 57 58 59 60

Vgl. Evers / Leichsenring / Pruckner (1993), S. 135. Vgl. Jensen / Gottschalk (1999), S. 227 – 228. Vgl. Knust-Potter / Potter (1991), S. 82; Plovsing (1994), S. 79. Vgl. Evers / Leichsenring / Pruckner (1993), S. 136. Vgl. Knust-Potter / Potter (1991), S. 82; Jensen / Gottschalk (1999), S. 220 – 221. Vgl. Knust-Potter / Potter (1991), S. 82. Vgl. Ericsson / Ericsson (1997). Vgl. Bundesministerium für Gesundheit (2001), S. 314.

I. Die historische Entwicklung der Pflegeversorgung

227

Fälle von miserablen Pflegebedingungen aufgedeckt hatten. Als Folge einer intensiven Debatte wurden die Wohnbedingungen in einer Reihe von Einrichtungen spürbar verbessert. Der Anteil der Pflegebedürftigen, die über ein eigenes Bad bzw. eine eigene Dusche verfügen, stieg von 1992 bis 1997 von 47 auf 67 %. In den Pflegeheimen erhöhte sich der Anteil der Menschen, die in einem Einzelzimmer leben im Zeitraum von 1991 bis 1998 von 40 % auf 60 %.61 Damit nahm auch hier die Wohnqualität spürbar zu. Allerdings bleiben die Wohnbedingungen in den Pflegeheimen weiterhin deutlich hinter denen der Altenheime zurück. Nicht unerwähnt bleiben darf weiterhin, dass mit der Verbesserung der Wohnqualität auch die Kostenbeteiligung in Form der Miete zunahm.62 In Norwegen wurde die Debatte über die Qualität der Altenpflege nur in geringem Maße geführt. Eine bedeutende Qualitätsverbesserung in der Betreuung konnte hier erst in den letzten Jahren verzeichnet werden. Alternative Wohnformen und eine ambulante Versorgung sind hier aber nach wie vor deutlich weniger entwickelt als in Schweden und Dänemark. Als Priorität der norwegischen Regierung im stationären Bereich gilt der Umbau der Mehrbett-Zimmer zu einer größeren Anzahl von Einzelzimmern.63 Als Hauptregel gilt nunmehr, dass jeder Pflegebedürftige zumindest über ein eigenes Schlafzimmer verfügen soll. Von dieser Vorschrift kann dann abgewichen werden, wenn die Betroffenen eine solche Veränderung ablehnen. So können Verheiratete selbstverständlich weiterhin ein gemeinsames Schlafzimmer nutzen. Der Grundsatz, dass pflegebedürftige Menschen so lange wie möglich in ihrer eigenen Wohnung versorgt werden sollen, gilt in Norwegen erst seit 1998. Dieser Leitsatz ist Bestandteil eines Handlungsplans zur Älterenversorgung (Handlingsplan for eldreomsorgen).64 Von gesetzgeberischer Seite gefördert wird in Norwegen zudem die Schaffung eines 24-Stunden-Diensts an sieben Tagen der Woche.65 In Schweden und Dänemark ist diese Rundumversorgung für die Betreuung bereits seit längerem verbreitet. Um die Gemeinden zu einem ansprechenden Pflegeangebot zu bewegen, bietet der Zentralstaat den Kommunen erhebliche Zuschüsse für die Verbesserung der Pflegeinfrastruktur an.

61 62 63 64 65

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Vgl. Szebehely (2000), S. 184 – 185. Vgl. Szebehely (2000), S. 185. Vgl. Solberg / Hernes (1997). Vgl. Daatland / Høyland (1999), S. 260; Antolin / Suyker (2001), S. 22. Vgl. Solberg / Hernes (1997).

228

H. Historische und gegenwärtige Entwicklung des Pflegesektors

II. Ein Überblick über das gegenwärtige Pflegeangebot 1. Pflegeausgaben und Versorgungsgrad Das Pflegeangebot in Skandinavien gilt als vielgestaltig und umfangreich. Im Allgemeinen wird der Pflege zudem eine hohe Qualität bescheinigt. Um die Dimension des Pflegeangebots abzubilden, werden typischerweise zwei Kennzahlen verwendet. Zum einen wird das Verhältnis der Pflegeausgaben zum BIP betrachtet, zum anderen wird wiederum der Versorgungsgrad der Pflege ermittelt. Er ergibt sich als Quotient aus der Zahl der betreuten Pflegebedürftigen und der Zahl der Menschen einer bestimmten Altersgruppe. Der Versorgungsgrad kann sowohl für den gesamten Bereich der Fürsorge als auch für einzelne Teilbereiche gebildet werden. Die größten Pflegeausgaben im Verhältnis zum BIP weist in Skandinavien Schweden auf. Im Jahre 1999 erreichten hier die Pflegeaufwendungen zur Versorgung älterer Menschen 55,5 Mrd. skr. (ca. 6,6 Mrd. A). Dies entspricht einem Anteil am BIP von etwa 3,2 %. Die norwegischen Ausgaben lagen im gleichen Jahr bei 27,1 Mrd. nkr (3,3 Mrd. A), also bei etwa 2,4 % des BIP.66 Dänemark wies mit 21,6 Mrd. dkr. (2,9 Mrd. A) und damit 2,0 % des BIP die vergleichsweise niedrigsten Ausgaben auf. Der Versorgungsgrad der gesamten Pflegeversorgung ist in Dänemark am höchsten. Bei den 65-Jährigen lag er im Jahre 1998 bei 28 %. In Norwegen wurden ein Wert von 24 % ermittelt. In Schweden lag der Versorgungsgrad mit 17 % am niedrigsten, 11 %-Punkte hinter Dänemark. Außerhalb Skandinaviens werden diese Werte nur von wenigen Ländern erreicht. Die Niederlande wiesen 1998 mit einem Versorgungsgrad von 17 % den gleichen Prozentsatz wie Schweden auf. In Großbritannien lag der Versorgungsgrad der Pflegeversorgung 1998 ebenso wie in Frankreich bei 14 %.67 Bemerkenswert an diesen Zahlen ist, dass Schweden den niedrigsten Versorgungsgrad in Nordeuropa aufweist, obwohl hier die Pflegeausgaben im Verhältnis zum BIP den größten Wert einnehmen. Dies kann ein Indiz für eine größere Ineffizienz und eine niedrigere Produktivität der schwedischen Pflege sein. Es sind aber auch andere Ursachen denkbar. So sind auch die unterschiedliche Ausrichtung der Pflege und die verschiedenartige Bedarfsprüfung zu berücksichtigen. Diese beiden Aspekte werden in den folgenden Unterkapiteln erörtert. Danach wird die Frage nach der Ursache für die Zahlen in Schweden und Dänemark noch einmal aufgegriffen. Es darf jedoch nicht unerwähnt bleiben, dass ein Vergleich der Werte verschiedener Länder problematisch ist. Die Hauptschwierigkeit ergibt sich durch die na66 Vgl. Nordic Social-Statistical-Committee (2001), S. 151; Nordic Council of Ministers (2001), S. 188, 194; Fall / Morin / Wallen (2001), S. 9. 67 Vgl. ESO (1999), S. 138.

II. Ein Überblick über das gegenwärtige Pflegeangebot

229

tional unterschiedliche Definition der Pflegeausgaben und die verschiedenartige Abgrenzung zwischen Gesundheits-, Pflege-, und Sozialausgaben. In Schweden werden beispielsweise seit 1985 einige Ausgaben für geistig Behinderte unter den Bereichen Erziehung und soziale Sicherheit gebucht. In Dänemark wird im Gegensatz zu anderen Nationen der Helikopterflug zur Überführung von Patienten unter dem Posten Transport im Verteidigungshaushalt angesetzt. In den meisten Ländern werden große Teile der Pflegeausgaben zu den Gesundheitsausgaben gerechnet. Die nordische Statistik erfasst diese Ausgaben unter dem Sozialen Ressort.68 In Nordeuropa werden zudem die Kosten von altengerechten Wohnungen den Pflegeausgaben zugerechnet. Da altengerechte Wohnungen insbesondere in Schweden und Dänemark sehr verbreitet sind, ergibt sich damit eine erhebliche Auswirkung auf den Zahlenvergleich. Insgesamt zeigt sich, dass die Daten mit Vorsicht zu interpretieren sind. In dieser Arbeit werden die Kosten altersgerechter, für Pflegebedürftige bestimmte Wohnungen, der nordischen Statistik folgend, zu den Pflegekosten gezählt.69 Auf Ausnahmen wird hingewiesen.

2. Die Ausrichtung der Pflegeversorgung In Skandinavien wird im formellen Pflegebereich typischerweise zwischen dem ambulanten und dem stationären Sektor differenziert. Die Ausrichtung der Pflege innerhalb der Region ist jedoch sehr unterschiedlich. Während in Norwegen die stationäre Betreuung dominiert, weist dieser Sektor in Dänemark und Schweden einen deutlich geringeren Anteil auf. In Norwegen erreichten die Kosten der stationären Fürsorge im Jahre 1993 77,2 % der Pflegeausgaben, in Schweden waren es 58,5 % und in Dänemark 43,3 %.70 Die ambulante Versorgung besitzt in Dänemark mit einem Anteil von 28,6% (im Jahre 1993) an den Gesamtpflegekosten die größte Bedeutung. Während in Schweden der entsprechende Anteil mit 23,2 % nur etwas geringer ist, fließen in Norwegen nur 4,3 % der Pflegeausgaben in den ambulanten Sektor. Die übrigen Pflegeausgaben werden dort den sonstigen ServiceDiensten zugerechnet. In Dänemark flossen mit 28,5 % der Pflegeausgaben prozentual am meisten Mittel in diesen statistischen Posten. Dies könnte darauf verweisen, dass hier ein besonders vielfältiges Pflegeangebot vorhanden ist. Die Werte für Norwegen und Schweden lagen bei 18,5 % bzw. 18,3 %.71 Einige nordische Sozialwissenschaftler sind der Meinung, dass Norwegen mit seiner Ausrichtung der Pflege auf die stationäre Betreuung etwa ein Jahrzehnt hinter seinen Nachbarn zurück liegt. Damit wird die Auffassung vertreten, dass eine 68 69 70 71

Vgl. Koch (1999); Sundhedsministeriet (1999); Michelsen (1998), S. 105. Vgl. ESO (1999), S. 131 – 132. Vgl. Högberg (1996), S. 3. Vgl. Jakobsson (1998), S. 41.

230

H. Historische und gegenwärtige Entwicklung des Pflegesektors

überwiegend institutionelle Fürsorge nicht mehr zeitgemäß ist. Die neuere Entwicklung in Norwegen zeigt auch, dass erhebliche finanzielle Mittel in den Ausbau des ambulanten Sektors investiert werden.72

3. Bedarfsprüfung bei der Pflegefürsorge Die Bedarfsprüfung zur Pflegefürsorge wird von den jeweiligen Gemeinden vorgenommen. So wird beispielsweise für den Umzug einer bedürftigen Person in eine stationäre Einrichtung die Zustimmung der Kommunen benötigt. Deren Gesundheits- und Sozialausschüsse entscheiden weitgehend nach eigenen Grundsätzen, welche Person eine Pflegebetreuung erhält. Einheitliche Kriterien für die Einstufung in Pflegeklassen existieren nicht, sondern jede Gemeinde entscheidet im Einzelfall und in Abhängigkeit von ihren Ressourcen. Innerhalb der jeweiligen Länder kommt es infolgedessen zur Anlegung unterschiedlicher Aufnahmekriterien. Eine vergleichsweise restriktive Bedarfsprüfung wird in den schwedischen Kommunen angewandt. Hier wird die Fürsorge auf Menschen mit mittlerem und höherem Pflegebedarf konzentriert. Damit wird eine für nordische Verhältnisse auffällige Selektion vorgenommen. Zudem erfolgt eine gewisse Steuerung der Nachfrage über Selbstbeteiligungen. Eine Art Gegenpol dazu ist Dänemark. Hier ist die Regulierung deutlich schwächer ausgeprägt und Bedarfsprüfungen spielen eine vergleichsweise untergeordnete Rolle.73 Der Umfang der Selbstbeteiligungen ist geringer, wie in Unterkapitel E.VII. aufgezeigt wurde. Allerdings ist es häufig notwendig, sich in eine Warteliste einzutragen.74 In Kopenhagen z. B. beträgt die Wartezeit für eine altengerechte Wohnung bis zu zwei Jahre, für einen Pflegeheimplatz etwa zwei Monate.75 Die schwedischen Bedarfsprüfungsverfahren werden in der Literatur unterschiedlich bewertet. Eine Studie von Socialstyrelsen kam 1998 zu dem Ergebnis, dass eine Konzentration auf Personen mit höherem Pflegebedürftigkeitsgrad kaum Einsparungen erbringt. Die Betreuung von Menschen mit niedrigem Pflegebedarf verbraucht demnach vergleichsweise wenige finanzielle Ressourcen.76 Es werden Zahlen präsentiert, nach denen auf die 36 % der Pflegebedürftigen, die weniger als 10 Stunden im Monat ambulante Fürsorge erhalten, nur 5 % der ambulanten Pflegekosten entfallen. Die Autoren der Studie folgern daraus, dass eine Konzentration auf schwere Pflegefälle kaum Kostenersparnisse, dafür aber langfristig negative Konsequenzen mit sich bringt. Durch die unterlassene Versorgung von gering Pfle72 73 74 75 76

Vgl. Daatland (1997a), S. 141. Vgl. Szebehely (2000), S. 212. Zum Umfang und zu den Problemen der Warteschlangen siehe Unterkapitel H.V.2. Vgl. Københavens-Kommune (2000). Vgl. Szebehely (2000), S. 213.

III. Die Pflege im ambulanten Sektor

231

gebedürftigen würden diese in kurzer Zeit zu schwereren Pflegefällen, weshalb die Kosten insgesamt steigen. Sie vertreten die Meinung, dass bei einer Betreuung von Menschen mit niedrigem Pflegebedarf, vorbeugende Pflege zu niedrigen Kosten bereitgestellt werden kann und sollte. Langfristig höhere Pflegekosten würden somit verhindert. Eine solche Forderung ist jedoch kritisch zu betrachten. Fraglich ist, ob eine vorbeugende Pflege überhaupt möglich ist. Die Erhöhung des Pflegebedürftigkeitsgrads ist in den meisten Fällen eine Folge der Alterung. Durch Hilfe bei der Erledigung häuslicher Aufgaben wird sich dieser Prozess kaum aufhalten lassen. Zudem wird den Personen mit geringem Pflegebedarf die Möglichkeit gegeben, nach dem Zutritt zur ambulanten Betreuung, eine sukzessive Leistungsausdehnung in Anspruch zu nehmen, was kostensteigernd wirkt. 4. Pflegeausrichtung und Pflegekosten – ein Erklärungsversuch Im ersten Teil dieses Kapitels wurde die Frage aufgeworfen, weshalb Schweden im Vergleich mit Dänemark höhere Pflegeausgaben, aber einen niedrigeren Versorgungsgrad aufweist. Eine Erklärung könnte in der geschilderten Ausrichtung der Pflege liegen. In Dänemark werden Pflegeleistungen vergleichsweise bereitwillig bereitgestellt. Hier werden somit auch Nachfrager mit geringem Pflegebedarf versorgt. Daraus resultiert ein hoher Versorgungsgrad. In Schweden wird dagegen eine strengere Bedarfsprüfung vorgenommen; der Versorgungsgrad ist entsprechend geringer. Die niedrigeren Pflegekosten in Dänemark können sich daraus ergeben, dass viele Bedürftige nur ein geringes Betreuungsvolumen zu entsprechend niedrigen Kosten erhalten. Zudem wird mit Hilfe von Warteschlangen eine Rationierung vorgenommen. Damit beziehen hier zwar vergleichsweise viele Personen Hilfeleistungen, der Betreuungsumfang pro Person ist aber eher gering. In Schweden werden zwar weniger Menschen betreut, diesen gilt aber ein größerer Fürsorgeaufwand. Insbesondere die medizinisch ausgerichtete und damit teuere Versorgung in den Pflegeheimen könnte für die höheren Pflegekosten verantwortlich sein. Die unterschiedlichen Ausgaben können zudem durch Effizienz- und Produktivitätsunterschiede sowie durch unterschiedliche Lohnkosten beeinflusst werden. Zum anderen ist zu bedenken, dass auch die nicht-fiskalischen Kosten berücksichtigt werden müssen. Aus den Warteschlangen in Dänemark ergeben sich zusätzlich nicht zu vernachlässigende Wohlfahrtsverluste.

III. Die Pflege im ambulanten Sektor 1. Ein Überblick über das Angebot an ambulanten Leistungen Es wurde bereits dargelegt, dass die ambulante Betreuung in den nordischen Ländern seit Mitte der 70er Jahre einen hohen Stellenwert besitzt. Seit dieser Zeit

232

H. Historische und gegenwärtige Entwicklung des Pflegesektors

wird sie als die geeignetste Form der Fürsorge gesehen. Ein wichtiges Ziel ist, dass der bedürftige Mensch so lange wie möglich in der eigenen Wohnung verbleiben kann. Die häusliche Pflege wird als menschlicher und auch als kostengünstiger gesehen. Meinungsumfragen belegen, dass die Mehrheit der bedürftigen Personen die ambulante Versorgung einer stationären Vorsorge vorzieht. Es existiert aber keine empirische Evidenz, ob die Kosten unter Berücksichtigung der externen Effekten auf andere Personen tatsächlich geringer sind.77 Der Ausbau des ambulanten Sektors ist auch in anderen Ländern zu beobachten. Eine Umorientierung in Richtung häuslicher Versorgung fand beispielsweise auch in Belgien, in den Niederlanden, in Irland und in Italien statt.78 Die Entwicklung von der stationären hin zu einer ambulanten Versorgung geht in diesen Staaten aber nur langsam voran. Meist dominiert noch die stationäre Altenpflege.79 Selbst in Norwegen, wo die stationäre Versorgung noch eine vergleichsweise große Bedeutung hat, ist der ambulante Bereich deutlich umfassender ausgeprägt als in Staaten außerhalb des nordischen Raums. Norwegen und Dänemark organisieren die ambulante Pflege über zwei unterschiedliche Dienste, die häusliche Hilfe (Nor: Hjemmehjelp, DK: Hjemmehælp) und die Krankenpflege (Nor: Hjemmesykepleie, DK: Hjemmesygepleje). Die Abgrenzung der zwei Formen wird in Norwegen in größerem Maße als in Dänemark vorgenommen. Die häusliche Hilfe wird vorwiegend von Hausfrauen auf der Basis von Teilzeitarbeit durchgeführt, wofür hier eine besondere Tradition existiert.80 In Dänemark werden dagegen auch in der häuslichen Hilfe ausgebildete Pflegekräfte eingesetzt, die bei Bedarf auch die medizinische Versorgung betreiben. Um eine Koordination zwischen der häuslichen Hilfe und der Krankenpflege zu gewährleisten, wurde in den meisten Gemeinden Norwegens und Dänemarks eine gemeinsame Verwaltung für beide Dienste eingerichtet.81 In Schweden offerieren die Kommunen einen häuslichen Dienst (Hemtjänst). Die Verantwortung dafür folgt dem Sozialdienstgesetz (Socialtjänstlagen). Zudem sind die Gemeinden für die Gesundheits- und Krankenpflege in besonderen Wohnformen (särskilda boendeformer) und in Tageszentren zuständig. In Abstimmung mit den Provinziallandtagen und der Zentralregierung haben sie auch die Möglichkeit, Krankenpflege (Hemsjukvården) in gewöhnlichen Wohnungen anzubieten.82 Im Jahre 2000 wurde diese Option von der Hälfte aller Kommunen in Anspruch genommen.83 Innerhalb der ambulanten Versorgung können Bedürftige zudem 77 78 79 80 81 82 83

Vgl. Alber / Schölkopf (1999), S. 264. Vgl. Alber / Schölkopf (1999), S. 263 – 264. Vgl. Leichsenring / Pruckner (1993), S. 297. Vgl. Daatland (1997a), S. 58. Vgl. Edvartsen (1996), S. 5. Vgl. Äldreprojektet (1998). Vgl. Socialstyrelsen (2001), S. 4 – 10.

III. Die Pflege im ambulanten Sektor

233

einen so genannten Fahrdienst (Färdtjänst) nutzen. Eine pflegebedürftige Person kann hierbei ein Taxi zum Preis eines öffentlichen Verkehrsmittels anfordern. Auch landesweite Touren sind möglich. Die Zahl der Fahrten ist im Regelfall allerdings begrenzt.84 Ziel des Fahrdiensts ist eine Erhöhung der Mobilität von Pflegebedürftigen. Ähnliche Angebote werden mittlerweile auch von einer großen Zahl von Gemeinden in Dänemark und Norwegen offeriert. Die Aufgabenteilung bei der ambulanten Versorgung in Schweden ist das Ergebnis neuerer Entwicklung. Während die häusliche Hilfe traditionell ein Angebot der Kommunen ist, gehörte die Krankenpflege bis 1992 zum Aufgabenbereich der Provinziallandtage. Dass zwei Service-Dienste für einen Bedürftigen zuständig waren und dabei keine Zusammenarbeit zwischen den Anbietern existierte, war allerdings unwirtschaftlich. Diese ungünstige Verteilung der Zuständigkeiten wurde deshalb im Rahmen der so genannten Ädel-Reform, verändert.85 Zusätzlich zu den beschriebenen Formen der ambulanten Betreuung offerieren die Kommunen in Skandinavien weitere Dienste für Pflegebedürftige. Zu diesen Angeboten zählen beispielsweise das „Essen auf Rädern“, ein Wäscheservice und die Physiotherapie. Damit Bedürftige bei akutem Pflegebedarf Hilfe anfordern können, bieten die meisten Kommunen außerdem einen Alarmdienst an.86

2. Häusliche Hilfe und häuslicher Dienst Die häusliche Hilfe leistet vielfältige Unterstützung bei der Körperpflege und bei hauswirtschaftlichen Tätigkeiten. Die angebotenen Leistungen reichen von der Hausreinigung, über das Wäsche waschen, Einkaufen und Kochen bis zu hin zur Erledigung von Gartenarbeiten.87 Diese Angebote richten sich an alle Bedürftigen, sie werden jedoch von älteren Menschen am häufigsten genutzt.88 Die Leistungen des häuslichen Diensts in Schweden umfassen vorwiegend praktische Hilfe im Haushalt. Zum Teil wird auch eine medizinische Versorgung angeboten.89 Im Gegensatz zu den beiden anderen Ländern wird in Dänemark die häusliche Hilfe weiter strukturiert. Es wird zwischen einer dauerhaften (Varig hjemmehjælp) und einer mittelfristigen Hilfe (Midlertidig hjemmehjælp) unterschieden. Die mittelfristige Hilfe ist vor allem für Menschen gedacht, die gerade aus dem Kranken84 85 86 87

Vgl. Schwedisches Institut (2001a). Vgl. Lundberg (2000), S. 108; Szebehely (2000), S. 172. Vgl. Berggren / Collénn / Engellau (1992), S. 20. Vgl. Berggren / Collénn / Engellau (1992), S. 19; Jensen / Gottschalk (1999), S. 220 –

221. 88 Die Betreuungsdienste, die die häusliche Hilfe in Norwegen umfassen soll, werden dort in § 4 – 2 des Sozialdienstgesetzes (Lov om sosiale tjenester) genannt. Vgl. Lov om sosiale tjenester. 89 Vgl. Socialstyrelsen (2001), S. 4; Daatland (1997a), S. 59.

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H. Historische und gegenwärtige Entwicklung des Pflegesektors

haus entlassen wurden. Diese Betreuungsform soll dazu dienen, die Aufenthaltsdauer in den Krankenhäusern zu verringern und damit die Gesundheitskosten zu senken. Sie leistet vorwiegend Unterstützung bei der persönlichen Hygiene. Die dauerhafte Hilfe wird dagegen Menschen mit einem ständigem Pflegebedarf gewährt. Die Leistungen sind damit umfassender.90 Die dauerhafte Hilfe wird konstant von etwa 95 % der Bedürftigen in Anspruch genommen. Nur etwa 5 % der Betroffenen erhalten eine mittelfristige Betreuung. Von den Personen, die dauerhaft Pflege benötigen, erhalten 86 % nur an den Wochentagen ambulante Fürsorge. An den Wochenenden wird die Betreuung oft durch nahe Verwandte übernommen.91 In Dänemark erhielten 1994 183 117 Personen häusliche Hilfe. Das entspricht einem Versorgungsgrad bezogen zur Bevölkerung der über 65-Jährigen, von 22,7 %. In Schweden wird in den meisten Statistiken keine Unterteilung zwischen häuslicher Hilfe und Krankenpflege vorgenommen.92 Insgesamt wurden hier 1995 242 000 Menschen häuslich versorgt. Der Versorgungsgrad liegt damit trotz der aggregierten Zahlen der beiden Pflegedienste niedriger: bei 18,7 %. Nur auf die Leistungen der häuslichen Hilfe bezogen, wäre der Versorgungsgrad noch niedriger als der dänische. In Norwegen erhielten 1994 118 340 Menschen eine häusliche Hilfe. Damit lag der Versorgungsgrad bei 17,5 %. Länder außerhalb Nordeuropas weisen noch deutlich geringere Werte auf. In den Niederlanden erhielten z. B. 1991 13 % der über 65-Jährigen häusliche Hilfe, in Großbritannien 8 % und in Frankreich 7 %.93 Die erhebliche Differenz zu den nordischen Versorgungsgraden unterstreicht die Bedeutung der ambulanten Fürsorge in Skandinavien. Wie bereits erläutert, ist die eingeschränkte Vergleichbarkeit der Zahlen zu beachten.

3. Krankenpflege Die Krankenpflege umfasst den medizinischen Bedarf, wie die Pflege von Wunden oder das Setzen von Injektionen. Zudem wird eine Beratungsfunktion wahrgenommen, indem den betreuenden Personen z. B. Hilfestellung bei der Beantragung von Pflegeplätzen gewährt wird. Die Krankenpflege wird in der Regel von ausgebildeten Pflegekräften geleistet und zum überwiegende Teil älteren Bürgern gewährt. In Dänemark sind etwa 70 % der Betreuten mindestens 65 Jahre alt. Jüngere Menschen fragen insbesondere vor oder nach Krankenhausaufenthalten die angebotenen Leistungen nach. Die meisten Gemeinden organisieren Heimpflege und Krankenpflege innerhalb eines 24-Stunden-Diensts. In Dänemark wurden im Bereich der Krankenpflege 1991 191 558 Menschen betreut. Im Vergleich zur Zahl der über 65-Jährigen entspricht dies 23,8 %. In Nor90 91 92 93

Vgl. Frederiksberg-Kommune (2000). Vgl. Holstein (1991), S. 43. Vgl. Daatland (1997a), S. 59. Vgl. Korpi (1995), S. 254; Daatland (1997a), S. 174 – 184.

IV. Pflege im stationären Sektor

235

wegen liegt der entsprechende Versorgungsgrad deutlich niedriger bei 10,8 %. Zu beachten ist, dass es sich bei Bedürftigen, die häusliche Hilfe nachfragen und bei denen, die Krankenpflege erhalten, häufig um die gleichen Personen handelt. Eine Addition der Werte, um den gesamten ambulanten Sektor abzubilden, ist damit nicht möglich.

IV. Pflege im stationären Sektor 1. Das Angebot an stationären Leistungen Im Bereich der stationären Fürsorge existieren in Nordeuropa – wie weiter oben bereits erwähnt – verschiedene Institutionen. Im Pflegesystem von Norwegen und Schweden finden sich zwei Formen von traditionellen stationären Einrichtungen, die Altenheime (Nor: Aldershjem, Swd: Ålderdomshem) und die Pflegeheime (Nor: Sykehjem, Swd: Sjukhem / Långvårdsavdelingar). In den Pflegeheimen werden Menschen mit einem hohem Pflegebedarf betreut. Die Fürsorge ist bei diesen Bedürftigen damit überwiegend medizinisch ausgerichtet. In den Altenheimen dagegen ist der Pflegebedürftigkeitsgrad geringer.94 Altenheime sind im Vergleich zu Pflegeheimen meist kleinere Gebäude. In Norwegen werden pro Altenheim etwa zwischen 23 und 32 Menschen betreut. In Pflegeheimen sind es durchschnittlich 53.95 In Dänemark existiert für die Betreuung Pflegebedürftiger nur das Pflegeheim (Plejehjem).96 Diese Einrichtung ist vorwiegend für Menschen mit höherer Pflegebedürftigkeit vorgesehen. Weniger pflegebedürftige Menschen sollen nach Möglichkeit in der eigenen Wohnung verbleiben und dort mit ambulanten Leistungen versorgt werden. Zusätzlich zu diesen Pflegeeinrichtungen existieren in Skandinavien noch weitere Pflegeformen, die statistisch meist unter den stationären Sektor subsumiert werden. Dazu zählen verschiedene Formen spezieller Wohnungen. Bei diesen Einrichtungen handelt es um eine Mischform zwischen einer stationären Institution und einer gewöhnlichen Wohnung. Sie werden verschiedenartig bezeichnet. In Dänemark werden die Begriffe „beschützte Wohnungen“ (Beskyttede boliger), Kollektivwohnungen (Lette kollektivboliger) und Alten- oder Pflegewohnungen (Ældreboliger / Plejeboliger) verwendet.97 Die unterschiedlichen Bezeichnungen verweisen auf die gesetzlichen Regelungen, nach denen sie errichtet wurden. Die „beschützten Wohnungen“ existieren seit 1975; sie haben ihren Ursprung in einem früheren Beistandsgesetz (Bistandslov). Sie bestehen in zwei Drittel der Fälle aus 94 95 96 97

Vgl. Berggren / Collénn / Engellau (1992), S. 19 – 21. Werte von 1988 Vgl. Rønning / Grund / Hatland (1995), S. 68. Vgl. Jensen / Gottschalk (1999), S. 220 – 221. Vgl. Jensen / Gottschalk (1999), S. 221 – 222.

236

H. Historische und gegenwärtige Entwicklung des Pflegesektors

zwei Zimmern und sind fast ausschließlich mit eigener Küche und Bad eingerichtet. Kollektivwohnungen wurden von 1978 bis 1987 errichtet. Seitdem werden sie als Altenwohnungen geführt. Diese Wohnungen weisen den höchsten Wohnstandard auf.98 Der Anteil der Wohnungen, die über zwei Zimmer verfügen, liegt bei 90 %.99 Die Alten- oder Pflegewohnungen werden seit 1988 erbaut. Hierfür ist das Altenwohngesetz (Ældreboligloven) bzw. das Gesetz für das allgemeine Wohnen (Lov om almene boliger) zuständig.100 In Schweden und Norwegen nennt man Wohnungen, bei denen eine altengerechte Einrichtung mit einem Pflegedienst verknüpft wird, Servicewohnungen (Serviceboliger / Serviceboende).101 In Schweden hat sich in neuster Zeit der Begriff der „besonderen Wohnung“ (Särskild boende) eingebürgert. In Norwegen ist zusätzlich die Bezeichnung „Wohnungen für die ganztägige Betreuung und Pflege“ (Boliger for heldøgns omsorg og pleie) zu finden. Zusätzlich finden wir in den nordischen Ländern altersgerechte Wohnungen (in Norwegen: Pensjonistboliger, Trygdeboliger oder Eldreegnede boliger), bei denen keine direkte Integration mit einem Betreuungsdienst existiert.102 Hierbei handelt es sich meist um gewöhnliche Wohnungen, in denen die Bewohner je nach Bedarf durch den ambulanten Dienst versorgt werden. Eine Abgrenzung zwischen den „beschützten Wohnungen“ und den altersgerechten Wohnungen kann aber nicht immer vorgenommen werden. Die Grenzen sind hier fließend.103 Die altersgerechten Wohnungen existieren bereits etwas länger als die Servicewohnungen bzw. die Betreuungswohnungen. Sie gelten deshalb als Alten- und Bedürftigenwohnungen der ersten Generation. In Norwegen wurden die ersten Einrichtungen dieser Art bereits in den 50er Jahren errichtet, während die ersten Servicewohnungen erst in den 80er Jahren bezogen wurden.104 Seit 1987 gibt es zudem in Schweden so genannte Gruppenwohnungen (Gruppboende / Gruppbostäder). In diesen Einrichtungen leben die Bedürftigen in einer Art Wohngemeinschaft bei einer intensiven Pflegebetreuung. Das Verhältnis zwischen Bedürftigen und Pflegenden liegt hier etwa bei eins zu eins. Die Gruppenwohnungen sind vorwiegend zur Betreuung von Menschen mit Altersdemenz gedacht.105 Das Angebot an Pflegeinrichtungen variiert in allen betrachteten nordischen Ländern erheblich zwischen den Gemeinden. Während einige Kommunen vorwieVgl. Gottschalk (1987), S. 51 – 61. Vgl. Jensen / Gottschalk (1999), S. 222. 100 Vgl. Aarhus-Kommune (2000); Daatland (1997a), S. 175. 101 Vgl. Lauvli (1992), S. 1 – 17. 102 Vgl. Danielsen / Platz (1987), S. 154 – 155. 103 Vgl. Berggren / Collénn / Engellau (1992), S. 19 – 21. 104 Vgl. Daatland / Høyland (1999), S. 248 – 250. 105 Eine ausführliche Darstellung der Gruppenwohnungen findet man bei Socialstyrelsen (1991), S. 7 – 73. 98 99

IV. Pflege im stationären Sektor

237

gend altersgerechte Wohnungen anbieten, überwiegt in anderen Gemeinden die Versorgung in den Altenheimen. In Schweden schwankte 1997 der Anteil der über 80-Jährigen, die in einer Servicewohnung lebten, je nach Gemeinde zwischen 15 % und 40 %.106 Neben der ambulanten und der stationären Versorgung wird von den Kommunen auch eine teilstationäre Fürsorge angeboten. Zudem werden vielfältige Leistungen durch Tageszentren (Dk: Aktivitetscentre, Dagcentre; Nor: Dagsenter, Swd: Dagcentraler, Dagvård) offeriert. Die größte Bedeutung erreichen diese Einrichtungen in Dänemark, während ihr Anteil in Norwegen am geringsten ist. Die Bedeutung der Tageszentren zeigt sich daran, dass in Dänemark 85 % aller Kommunen über eine solche Einrichtung verfügen. Das Angebot der Tageszentren reicht von Mahlzeiten über gemeinsame Unternehmungen bis zu Vorträgen und Ausflügen. Ältere Menschen können sich dort zudem zu gymnastischen Betätigungen treffen. Trotzdem sind die Tageszentren nicht nur für Betagte bestimmt. Im Gegenteil, sie stehen allen Altersgruppen offen und sollen somit auch als Begegnungsstätte der Generationen dienen. Mit ihrer Hilfe wird versucht, mögliche Barrieren zwischen Alt und Jung abzubauen.107 Ein Großteil der Einrichtungen ist darüber hinaus auf die Teilzeit-Betreuung von Personen ausgerichtet, die an Demenz erkrankten. Damit sollen die nahen Verwandten bei der Fürsorge für diese Menschen soweit unterstützt werden, dass sie die häuslichen Pflege weiterhin übernehmen. Zum Angebot der Tageszentren, die insbesondere diese Bedürftigen betreuen, gehören neben verschiedenen Aktivierungsprogrammen auch pflegerische Maßnahmen. Außerhalb Skandinaviens sind Tageszentren selten zu finden. Eine merkliche Zahl entsprechender Einrichtungen existiert nur in den Niederlanden und mit Einschränkungen in Frankreich und Großbritannien. In der BR Deutschland befinden sich Tageszentren noch im Versuchsstadium.108

2. Die Bedeutung der stationären Pflegeformen Die größte Anzahl an stationären Pflegeplätzen im Verhältnis zur Population der über 65-Jährigen verzeichnet in Skandinavien Norwegen. Der Versorgungsgrad lag hier 1998 bei 7,5 %. Dänemark erreichte einen Wert von 5,5 %. Schweden wies den geringsten Umfang der stationären Pflege mit einem Versorgungsgrad von 4,5 % auf. Diese Werte bewegen sich im internationalen Durchschnitt. In den Niederlanden lag der entsprechende Wert 1998 sogar bei 9 %. In Frankreich wurde ein Versorgungsgrad von 6 %, in Großbritannien von 4,5 % und in der BR Deutschland ein solcher von 2,3 % ermittelt.109, 110 Um international vergleichbare Werte zu 106 107 108 109

Vgl. Szebehely (2000), S. 196. Vgl. Knust-Potter / Potter (1991), S. 87. Vgl. Alber / Schölkopf (1999), S. 272. Vgl. ESO (1999), S. 132.

238

H. Historische und gegenwärtige Entwicklung des Pflegesektors

erreichen, wurde bei diesen Zahlen nur die Heimunterbringung zum stationären Sektor gerechnet. Die skandinavischen Statistiker wenden, wie bereits erwähnt, eine umfassendere Definition an. Ländervergleichen anhand statistischer Daten ist – wie mehrfach erwähnt – mit etwas Vorsicht zu begegnen. Bei unterschiedlichen Begriffsabgrenzungen können leicht fehlerhafte Schlussfolgerungen gezogen werden. Die folgenden Tabellen zeigen die Anzahl der Plätze in den einzelnen stationären Institutionen bzw. Wohnungen. Zur besseren Einordnung der Größen ist auch die Anzahl der Hochbetagten in den betroffenen Alterskategorien dargestellt. Der Versorgungsgrad wurde in dieser Tabelle aus dem Verhältnis der Plätze in den jeweiligen Wohn- bzw. Betreuungsformen zur Zahl der über 80-Jährigen berechnet. Die stationäre Betreuung im engeren Sinne – also die Heimbetreuung – wird im Folgenden als institutionelle Pflegeform bezeichnet. Im Gegensatz dazu werden die vielfältigen Formen des altersgerechten Wohnens als nicht-institutionelle Art der Betreuung definiert. Tabelle H-2 Pflegeplätze in der stationären Betreuung und in altersgerechten Wohnungen in Dänemark Anzahl 1994

Anteil 1994 Versorgungs[in % der gesamten grad 1994 stationären Betreuung]

Bevölkerung der über 65-Jährigen

798 657

Bevölkerung der über 80-Jährigen

204 919

Bevölkerung der über 90-Jährigen

26 300

Pflegeheimplätze

36 832

35,5 %

18,0 %

Gesamte institutionelle Betreuung

36 832

35,5 %

18,0 %

„beschützte Wohnungen“ Altenwohnungen / Kollektivwohnungen

5 108

4,9 %

2,5 %

21 006

20,2 %

10,3 %

Plätze in Tageszentren

4 000

3,9 %

19,5 %

Andere Wohnungen111

36 791

35,5 %

18,0 %

Gesamte nicht-institutionelle Betreuung

66 905

64,5 %

50,3 %

Versorgungsgrad: Anzahl der Plätze in der jeweiligen Einrichtung im Verhältnis zu der Anzahl der über 80-Jährigen. Quelle: Daatland (1997a), S. 174, 175.

Siehe Unterkapitel H.I. Unter diese Position werden Wohnungen subsumiert, die reine kommunale Wohnangebote für ältere Menschen darstellen, aber nicht als „beschützte Wohnungen“ oder Altenwohnungen geführt werden. 110 111

IV. Pflege im stationären Sektor

239

In Dänemark gab es im Jahre 1994 36 832 Pflegeheimplätze und 66 905 altengerechte Wohnungen. Der Versorgungsgrad bei den Heimplätzen betrug damit im Verhältnis zur Zahl der über 80-Jährigen 18 %. Bei den untersuchten Wohnformen lag der Versorgungsgrad bei 50,3 %. Tabelle H-3 Pflegeplätze in der stationären Betreuung und in altersgerechten Wohnungen in Norwegen Anzahl 1995 Bevölkerung über 65-Jährigen

694 409

Bevölkerung über 80-Jährigen

176 503

Bevölkerung über 90-Jährigen

22 470

Anteil 1995[ in % der gesamten stationären Betreuung]

Versorgungsgrad 1995

12,7 %

5,5 %

Altenheimplätze

9 785

Pflegeheimplätze

32 715

42,6 %

18,5 %

Gesamte institutionelle Betreuung

42 500

55,3 %

24,1 %

2 211

2,9 %

1,3 %

Servicewohnungen Sonstige Altenwohnungen

32 106

41,8 %

18,2 %

Gesamte nicht-institutionelle Betreuung

34 317

44,7 %

19,5 %

Quelle: Daatland (1997a), S. 178, 179.

In Norwegen war der Versorgungsgrad der Heimversorgung mit 24,1 % höher als in Dänemark (18 %). Von den insgesamt 42 500 Plätzen in der institutionellen Betreuung befanden sich 9 785 in Altenheimen und 32 715 in Pflegeheimen. Dagegen waren altersgerechte Wohnungen in Norwegen weniger verbreitet als in Dänemark. Mit 34 317 Wohnungen wurde nur ein Versorgungsgrad von 19,5 % (Dänemark: 50,3 %) erreicht. In Schweden gab es 1991 79 606 Plätze in Altenheimen bzw. Pflegeheimen. Der Versorgungsgrad lag bei 21,0 % und damit zwischen dem dänischen (18,0 %) und dem norwegischen Wert (24,1 %). Bei den verschiedenen altengerechten Wohnungen erreichte Schweden 1991 mit 57,4 % den höchsten Versorgungsgrad in Skandinavien (Dänemark: 50,3 %, Norwegen: 19,5 %). Insgesamt gab es in Schweden 180 047 spezielle Wohnungen für Pflegebedürftige.

240

H. Historische und gegenwärtige Entwicklung des Pflegesektors Tabelle H-4 Pflegeplätze in der stationären Betreuung und in altersgerechten Wohnungen in Schweden Anzahl 1991

Bevölkerungszahl der über 65-Jährigen

1 531 125

Bevölkerungszahl der über 80-Jährigen

378 998

VersorgungsAnteil 1991 [in % der gesamten grad 1991 stationären Betreuung]

Altenheimplätze

34 515

13,3 %

9,1 %

Pflegeheimplätze

45 091

17,4 %

11,9 %

Gesamte institutionelle Betreuung

79 606

30,7 %

21,0 %

Servicewohnungen

52 488

20,2 %

13,8 %

Gruppenwohnungen

5 105

2,0 %

1,3 %

„besondere“ Wohnungen

122 454

47,2 %

32,3 %

Gesamte nicht-institutionelle Betreuung

180 047

69,3 %

57,4 %

Quelle: Daatland (1997a), S. 183, 184.

V. Das Qualitätsniveau der Pflegeversorgung in Nordeuropa Eine Reihe von Sozialpolitikern außerhalb des nordeuropäischen Raums bewertet die Pflegequalität in Skandinavien als vorbildlich. Die Qualität der Betreuung gilt weltweit als die höchste. Insbesondere die umfassende Versorgung der Bedürftigen und das vielfältige Pflegeangebot finden Annerkennung.112 Diese Einschätzung mag einen wahren Kern besitzen. Unter Berücksichtigung des hohen Qualitätsanspruchs in der Altenpflege in Skandinavien und der erheblichen finanziellen Kosten dieses Systems zeigen sich allerdings merkliche Probleme, auf die in den folgenden Kapiteln eingegangen wird.

1. Kennzahlen der Pflegequalität Eine Beurteilung der Pflegequalität ist bereits aufgrund der Begriffsdefinition mit Schwierigkeiten verbunden. Damit ist auch ihre Messbarkeit erheblich eingeschränkt. Es stellt sich vielfach das Problem, dass Außenstehende die inneren Abläufe der Betreuung kaum einsehen können. Wie in Unterkapitel F.II.3. bereits 112

Vgl. Ratzka (1996), S. 1 – 4.

V. Das Qualitätsniveau der Pflegeversorgung in Nordeuropa

241

erörtert, ist eine Bewertung insbesondere in der stationären Fürsorge schwierig. Um die Pflegequalität im Zeitablauf und zwischen verschiedenen Trägern bzw. Ländern vergleichen zu können, finden verschiedene Indikatoren Anwendung. So werden als Vergleichsmaßstäbe beispielsweise die Ausstattung der Wohnräume oder der Anteil der Einzelzimmer herangezogen. Auch die Angebotsvielfalt fungiert vielfach als Merkmal von Qualität, obwohl anhand dieser nicht zwangsläufig auf die Qualität geschlossen werden kann. Die am häufigsten verwendete Kennzahl für die Pflegequalität ist das Verhältnis zwischen der Anzahl der Pflegekräfte und der Zahl der Bedürftigen. Es wird unterstellt, dass die Pflegequalität umso höher ist, je mehr Pflegekräfte für die Betreuung zur Verfügung stehen. Diesen Ansatz gilt es jedoch differenziert zu betrachten. So ist vorstellbar, dass ab einer bestimmten Beschäftigtenzahl die Abstimmung zwischen den Pflegekräften Probleme bereitet. Zudem nimmt die Wahrscheinlichkeit zu, dass Verantwortung und Zuständigkeiten zwischen den Pflegekräften umhergeschoben werden. Daneben wird bei dieser Kennzahl der Ausbildungsstand der Pflegekräfte vernachlässigt. Wenn aber in erheblichem Maße Nicht-Fachkräfte beschäftigt werden, kann dies einen spürbaren Einfluss auf die Pflegequalität ausüben. Da der Anteil der Fachkräfte von Land zu Land variiert, ist ein Vergleich dieser Kennzahl problematisch. Die Bewertung der Pflegequalität gestaltet sich weiterhin unter Berücksichtigung des Kostenaspekts kompliziert. In einem KostenNutzen-Vergleich ist davon auszugehen, dass die Grenzproduktivität der Pflegekräfte mit zunehmender Beschäftigtenzahl abnimmt. Möglicherweise wird sie sogar negativ. Da die Lohnkosten der Pflegekräfte proportional wachsen, wird ab einer bestimmten Zahl von Beschäftigten die Grenzproduktivität der Kräfte niedriger sein als die zugehörigen Grenzkosten. Ab diesem Punkt mutiert die Einstellung von weiterem Personal zu einer vorwiegend beschäftigungspolitischen Aktion. Eine ökonomische Rechtfertigung ist dann nicht mehr gegeben, da die Zusatzkosten den erbrachten Zusatznutzen übersteigen. Dann kann ein zahlenmäßig hohes Verhältnis von Pflegekräften zu Bedürftigen nicht mehr als vorbildlich gesehen werden. Wenn trotz dieser Einschränkungen ein Vergleich der Kennzahl Beschäftigtenzu Bedürftigenzahl zwischen den verschiedenen Ländern vorgenommen wird, zeigt sich, dass die nordeuropäischen Länder insbesondere in der stationären Pflege Spitzenwerte aufweisen. In der ambulanten Versorgung waren für 100 Pflegebedürftige in Dänemark 21 Vollzeitangestellte beschäftigt. In Schweden waren es mit 12 deutlich weniger. Schweden liegt damit etwa in der Nähe von Großbritannien (13) und der BR Deutschland (14).113 Einen höheren Wert als Dänemark weisen die Niederlande auf (28).114 Auch wenn Dänemark nicht die

113 In der BR Deutschland versorgen 10 820 ambulante Pflegedienste 411 160 Bedürftige. In den Pflegediensten sind 183 782 Beschäftigte tätig. Für die Grundpflege sind insgesamt 119 388 Pflegekräfte angestellt. Vgl. Bundesministerium für Gesundheit (2001), S. 237 – 238.

16 Wild

242

H. Historische und gegenwärtige Entwicklung des Pflegesektors

dortige Rekordkennzahl erreicht, ist hier die Anzahl der vollzeitbeschäftigten Pflegekräfte vergleichsweise hoch. In der stationären Versorgung betreuten in Dänemark 1992 im Durchschnitt 131 Vollzeitbeschäftigte 100 Heimbewohner. In Schweden liegt die entsprechende Beschäftigtenzahl bei 125, also auf einem ähnlichen Niveau.115 Um diese außergewöhnliche Relation zu verdeutlichen: In der BR Deutschland waren 1999 nur knapp 37 vollbeschäftigte Pflegekräfte für 100 Heimbewohner zuständig. Selbst wenn Teilzeit-Pflegekräfte, Zivildienstleistende, Auszubildende, Praktikanten und Helfer im sozialen Jahr hinzugerechnet werden, ergibt sich hier nur ein Verhältnis von 76 zu 100.116 Die Qualitätsbetrachtung aufgrund dieser Kennzahl verweist damit unter den genannten Vorbehalten auf ein hohes Pflegeniveau in Skandinavien. Insbesondere hinsichtlich des erläuterten Kosten-Nutzen-Vergleichs ist jedoch ein kritischer Blick angebracht. Die nordischen Länder scheinen bereits den Punkt überschritten zu haben, ab dem die Grenzkosten den Grenznutzen übersteigen.

2. Das Problem der Warteschlangen In Skandinavien spielen Wartelisten im gesamten Gesundheitsbereich eine erhebliche Rolle.117 Besonders für die stationäre Versorgung sind Wartezeiten von mehreren Monaten die Regel. Statt des Begriffs der Rationierung verwenden die Nordeuropäer die Bezeichnung Priorisierung.118 Bei der Führung von Wartelisten wird jedoch auf hohe Transparenz geachtet. Es besteht die Überzeugung, dass Wartelisten nicht im Verborgenen geführt werden sollten. Die Menschen können unkompliziert erfahren, in welchen Bereichen welche Wartelisten vorliegen und wer Anspruch erheben kann. Damit soll auch eine Diskussion über die Handhabung von Wartelisten möglich werden.119 Am Ende der 80er und zu Beginn der 90er Jahre wurden Wartezeitgarantien eingeführt. Im Pflegebereich etablierte der Gesetzgeber in Dänemark in über 225 Kommunen Regelungen für maximale Wartezeiten. Während diese in 206 Kommunen für die praktische häusliche Hilfe eingeführt wurden, sind Regeln über ma114 Die Zahlenwerte entstammen unterschiedlichen Jahren (Dänemark 1992, Schweden 1989, Großbritannien 1996, Niederlande 1995, BR Deutschland 1999). Vgl. Rostgaard / Holm / Jensen (1998), S. 229. 115 Der dänische Wert stammt aus dem Jahre 1992, der schwedische von 1989. Vgl. Rostgaard / Holm / Jensen (1998), S. 229. 116 In der BR Deutschland werden in 8 859 stationären Pflegeeinrichtungen knapp 576 000 Personen betreut. Die Heime beschäftigen dazu insgesamt 440 940 Personen, von denen 48 % Vollbeschäftigte sind. 117 Vgl. Preusker (2001b), S. 19 – 20. 118 Einige Ökonomen differenzieren auch im englischen und im deutschen Sprachraum zwischen den Begriffen Rationierung und Priorisierung. Vgl. Raspe (2001), S. 31 – 38. 119 Vgl. Preusker (1999), S. 62 – 66.

V. Das Qualitätsniveau der Pflegeversorgung in Nordeuropa

243

ximale Wartezeiten für die Unterbringung in Pflegeheimen bzw. altengerechten Wohnungen nur in 79 Gemeinden realisiert worden. Da sie vorwiegend in bevölkerungsreichen Kommunen eingeführt wurden, ist der Anteil der Menschen, die davon betroffen sind, höher, als es die Anzahl der Kommunen vermuten lässt. Im ambulanten Bereich erhalten etwa 80 % der Menschen über 75 Jahre eine Orientierung an Wartezeitgarantien. Im stationären Bereich sind es dagegen knapp 50 %. Die durchschnittliche maximale Wartezeit, die von den Gemeinden vereinbart wurde, liegt im Bereich der häuslichen Hilfe bei neun Tagen, wobei allerdings viele Kommunen bereits Leistungen nach wenigen Tagen bereitstellen können. In 66 Gemeinden liegt die maximale Wartezeit bei zwei Wochen, in einigen wenigen Kommunen ist sie höher. Bei der stationären Versorgung liegt die maximale Wartezeit in den dänischen Kommunen bei durchschnittlich 66 Tagen.120 Bei diesen Zahlen ist zu beachten, dass die erwähnten Zeiten nur aus denjenigen Gemeinden resultieren können, die eine maximale Wartezeit vereinbart haben. Daher ist zu erwarten, dass in den übrigen Kommunen – besonders im stationären Bereich – höhere Werte erreicht werden. Die Festlegung von maximalen Wartezeiten führt zu einer besseren Transparenz gegenüber den Pflegebedürftigen, zudem wird damit ein Kontrollmechanismus eingeführt. Die Kommune muss bestrebt sein, diese Regelung einzuhalten. Dass sich damit allerdings die Qualität der Altenpflege erhöht, ist keine zwangsläufige Folge. So könnte eine Gemeinde z. B. im ambulanten Bereich, um die maximale Wartezeit einzuhalten, die häuslichen Leistungen reduzieren. Weitere Kontrollmechanismen sind notwendig, um eine Verringerung der Qualität der Leistungserbringung zu verhindern. Die Existenz einer Warteschlange ist ein Zeichen dafür, dass andere Steuerungsinstrumente der Nachfrage – wie der Preismechanismus – nicht in genügendem Maße etabliert worden sind. Was sich für den Bedürftigen als Qualitätsproblem zeigt, ist damit ein Wohlfahrtsproblem, denn Warteschlangen führen zu erheblichen Wohlfahrtsverlusten.121 Angehörige müssen möglicherweise über einen länger als gewünschten Zeitraum ihre Beschäftigung reduzieren, was für sie mit einer Lohneinbuße einhergeht. Für den Pflegesektor sind auch die erheblichen Wartezeiten im Gesundheitswesen von Bedeutung. Eine verzögerte Behandlung kann dazu führen, dass ursprünglich heilbare Patienten zum Pflegefall werden. Resultierende Pflegeaufwendungen hätten in diesem Fall bei einer schnelleren medizinischen Versorgung vermieden werden können. In diesem Zusammenhang sind die Ergebnisse einer finnischen Studie der Universität Kuopio interessant.122 Hier konnte erstmals für dieses Land gezeigt werden, dass im Gesundheitswesen Warten häufig deutlich

120 121 122

16*

Vgl. Den Sociale Database (2000). Vgl. Cullis / Jones (1985), S. 119 – 135. Vgl. Preusker (2002a), S. 7.

244

H. Historische und gegenwärtige Entwicklung des Pflegesektors

mehr kostet als die Behandlung selbst. U. a. ergab diese Untersuchung, dass eine erhöhte Wartezeit zu bedeutend höheren Rehabilitationsaufwendungen führt. Die genannten Wartezeiten in Nordeuropa scheinen für den außenstehenden Beobachter nicht sehr bedeutsam und die entsprechenden Wohlfahrtsverluste möglicherweise nicht wesentlich. Auch die OECD meint in einer Untersuchung der schwedischen Wirtschaft im Jahre 2002, dass die Wartelisten in diesem Land nicht überbewertet werden sollten.123 Die Nordeuropäer sehen darin jedoch eine Schwäche ihres Wohlfahrtssystems. Das Thema Wartelisten beherrscht bereits seit einigen Jahren einen erheblichen Teil der öffentlichen Diskussion. 3. Sonstige Qualitätsprobleme In allen drei skandinavischen Ländern bekunden die Gemeinden Probleme bei der Koordination der verschiedenartigen Pflegeangebote. Als Schwierigkeit erweist sich, dass sich der Pflegebedürftigkeitsgrad und damit der Pflegebedarf bei vielen Personen schnell ändert. In diesem Fall ist ein zügiger Wechsel des Betroffenen von einer Pflegeeinrichtung zu einer anderen notwendig. Dies erfordert flexibles Handeln durch die entsprechenden Institutionen, womit diese aber häufig überfordert sind.124 Verbesserungsfähig ist im Weiteren die Versorgung der Menschen in den altengerechten Wohnungen. Eine besondere Herausforderung für die Kommunen stellen die verschiedenen Arten der altengerechten Wohnungen dar. Da die Pflegebedürftigen in diesen Einrichtungen verschiedene Pflegebedürftigkeitsgrade aufweisen, ergeben sich Unterschiede im Umfang der Fürsorge. Eine effiziente Betreuung durch die Pflegedienste in einer Gemeinde ist damit organisatorisch anspruchsvoll. Insbesondere in Norwegen ist den Kommunen deutlich anzumerken, dass die ambulante Versorgung nicht die Tradition wie in Dänemark oder Schweden aufweist. Sie befinden sich noch am Anfang ihrer Lernkurve. Im ambulanten Sektor ist eine zunehmende Rationalisierung deutlich zu erkennen. Noch zu Beginn der 80er Jahre erhielt jeder Bedürftige eine kommunale Pflegekraft, die ihn zu vereinbarten Zeiten vergleichsweise individuell versorgte. Heute bilden sich kaum noch persönliche Beziehungen zwischen der Pflegekraft und den Pflegebedürftigen heraus. In der Regel wird die Fürsorge sogar durch eine Gruppe von Pflegekräften erbracht. Der Zeitpunkt der Betreuung variiert dazu von Tag zu Tag. Er ist weniger vom Wunsch des Betroffenen abhängig, sondern überwiegend von der aktuellen Personalsituation des Pflegediensts. Der ambulante Dienst wurde deutlich standardisiert und einer detaillierten Planung unterworfen125 Dies wird von vielen Bedürftigen als eine erhebliche Qualitätseinbuße erachtet. 123 124 125

Vgl. OECD (2002), S. 5. Vgl. Korpi (1995), S. 271. Vgl. Szebehely (2000), S. 187 – 188.

V. Das Qualitätsniveau der Pflegeversorgung in Nordeuropa

245

Zudem konnten einige Probleme älterer Menschen trotz professioneller Fürsorge noch nicht zur vollen Zufriedenheit gelöst werden. Dänische Studien ergaben, dass viele bedürftige Menschen unter sozialer Isolation, Inaktivität im Alter und Einsamkeit leiden.126 Die Tageszentren, die eine solche Grundstimmung verhindern sollten, sind überwiegend medizinisch orientiert und bieten in erster Linie Rehabilitationsmaßnahmen oder die Versorgung von Dementen an. Menschen geringen Pflegebedürftigkeitsgrads finden nur zum Teil ein Betreuungsangebot. Durch die professionellen Hilfeleistungen erhalten die Bedürftigen zwar regelmäßigen Kontakt zu den Pflegenden, viele ältere Menschen beziehen allerdings nur wenige Stunden in der Woche solche Leistungen. Sie wünschen sie über die Pflege eine festere soziale Einbindung.127 Ein bedeutender Teil fragt aus diesem Grund möglicherweise vorzeitig mehr Leistungen nach, als es seiner Pflegebedürftigkeit eigentlich entspricht. Es ist allerdings fragwürdig, ob dies zum Aufgabenbereich der Pflege gezählt werden sollte. Die steuerfinanzierte Pflegebetreuung war ursprünglich im Wesentlichen eingeführt worden, um Armut aufgrund hoher Ausgaben für benötigte Pflegeausgaben zu verhindern. Eine Berücksichtigung des in Rede stehenden Qualitätswunschs würde eine Ausdehnung des Pflegeziels auf die Verhinderung von Alterseinsamkeit bedeuten. Eine Verbesserung der Pflegequalität sollte vor allem durch eine bessere Koordination der verschiedenen Akteure des Pflegesektors erreicht werden. Für die einzelnen Formen der Betreuung sollten jeweils die Pflegepersonen eingesetzt werden, die die größte Kompetenz aufweisen. In Nordeuropa, insbesondere in Schweden, ist vielfach zu beobachten, dass das gleiche Personal sowohl für die Innenarbeiten (z. B. die Verwaltung) als auch für die Außentätigkeiten (die Pflegefürsorge) zuständig ist.128 In der Vergangenheit leisteten zudem medizinisch ausgebildete Fachkräfte Tätigkeiten im Bereich der häuslichen Hilfe, während ihr Fachwissen im Krankenpflege-Sektor fehlte. Verschiedene Probleme in diesem Bereich führten auch bereits mehrfach zu kritischen Äußerungen von Pflegebedürftigen und deren Angehörigen.129 Zukünftig sollen ausgebildete Krankenpfleger dort eingesetzt werden, wo Krankenpflege-Kompetenz benötigt wird. Andere Formen der Betreuung, z. B. die Unterstützung bei häuslichen Tätigkeiten, sollen dagegen an weniger qualifizierte Arbeitskräfte delegiert werden.130 Eine bessere Abstimmung wird durch den verstärkten Einsatz von Informationstechnik erhofft. In Schweden erwarten die Verantwortlichen eine Lösung dieser Probleme auch durch institutionelle Veränderungen. Zur Verbesserung des Zusammenspiels der verschiedenen Akteure wurde bereits in der Vergangenheit eine Reihe von Reformen – z. B. die Ädel-Reform und eine Psychiatrie-Reform – durch126 127 128 129 130

Vgl. Jamieson / Illsley (1990), S. 13. Vgl. Hansen / Platz (1996). Vgl. Schwedisches Institut (2001a). Vgl. Socialstyrelsen (1999). Vgl. Kleppa (1999).

246

H. Historische und gegenwärtige Entwicklung des Pflegesektors

geführt.131 Um die Qualität der Altenpflege zu verbessern, soll zudem eine verstärkte Integration von Ärzten die medizinische Kompetenz in der Pflege erhöhen. Im Weiteren ist vorgesehen, mehr finanzielle Mittel für die Pflegeausbildung und die geriatrische Forschung bereitzustellen. 132

VI. Die informelle Pflege Als informelle Pflege wird die Betreuung Bedürftiger durch Freunde bzw. Verwandte bezeichnet.133 Die informelle134 Pflege gilt neben der Betreuung durch öffentliche bzw. private Pflegeanbieter als ein wichtiges Element des sozialen Netzwerks.135 In den meisten Staaten der Welt ist sie die bedeutendste Betreuungsform. Insbesondere in Ländern ohne entwickeltes Sozialsystem ist die informelle Fürsorge häufig die einzige Möglichkeit der Pflege.136 Sie war auch in den heutigen Industrieländern über viele Jahrhunderte hinweg mit Abstand die bedeutendste Form der Pflegebetreuung.137 Eine gewisse formelle Unterstützung wurde nur innerhalb von Armenhäusern oder durch kirchliche Einrichtungen angeboten.138 Wie sich in diesem Kapitel zeigen wird, spielt die informelle Pflege aber auch in entwickelten Wohlfahrtsstaaten noch eine merkliche Rolle. Im Folgenden wird zuerst die Frage erörtert, welche Beweggründe hinter der Übernahme einer Pflegebetreuung durch Angehörige stehen könnten. Da die informelle Fürsorge eine erhebliche Belastung für die betreuenden Personen darstellt, ist diese Frage keineswegs trivial. Danach wird erörtert, welche Bedeutung diese Pflegeform in Nordeuropa einnimmt und inwieweit eine Unterstützung durch die öffentliche Hand gegeben wird.

1. Die ökonomische Theorie der informellen Pflege Im Laufe dieser Arbeit wurde bereits darauf verwiesen, dass die Übernahme der Fürsorge für die Pflegenden meist mit psychischen und physischen Belastungen Vgl. Åström (2000), S. 247 – 262. Vgl. Wallström (2000). 133 Zur Definition und Abgrenzung der informellen Pflege siehe Blomberg (1993), S. 3 – 7; Szebehely (1999), S. 386 – 389. 134 Seine Rechtfertigung erhält das Attribut „informell“ in Anbetracht der unzureichenden Berücksichtigung dieser Fürsorgeart bei der Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung. 135 Zu den Formen des sozialen Netzwerks siehe Wenger (1995), S. 41 – 58. 136 Einen kurzen Überblick über die informelle Pflege in Asien, Lateinamerika und Afrika findet man bei Weltbank (1994), S. 55. 137 Für eine nähere Darstellung der Geschichte der informellen Pflege in Schweden siehe Andersson (1992), S. 271 – 283. 138 Vgl. Abschnitt H.I.1. 131 132

VI. Die informelle Pflege

247

einhergeht. Es wurde gezeigt, dass die informelle Pflege für die Betreuenden mit bedeutenden Opportunitätskosten verbunden ist.139 Trotz dieser Nachteile nimmt eine solche Versorgung eine beachtliche Rolle bei der Pflegebetreuung ein. Vielfach wird sie als eine selbstverständliche Unterstützung innerhalb des Familienverbunds betrachtet, die geprägt ist durch gesellschaftliche bzw. ethische Wertvorstellungen. Neben der dahinterstehenden Altruismusprämisse lassen sich aber auch durchaus eigennützige Beweggründe finden. Bei letztgenannter Herangehensweise vergleicht die betreuende Person Kosten und Nutzen der Pflege und ermittelt damit die Bereitwilligkeit zur Übernahme der Betreuung. Im Folgenden werden die beiden Grundeinstellungen zur Motivation der Fürsorge näher erläutert. Die möglichen Beweggründe können dabei hinsichtlich ihrer Dominanz nicht bewertet werden.

a) Altruistische Beweggründe für die informelle Betreuung Bei Unterstellung altruistischer Motive wird nach den Beweggründen für selbstloses Handeln der Familienangehörigen gefragt. Deren Tun richtet sich gemäß diesem Ansatz nach den Wünschen des Bedürftigen.140 Der eigene Nutzen für den Betreuenden spielt dabei keine oder zumindest keine dominierende Rolle.141 Wenn die betroffene pflegebedürftige Person ihren Lebensabend gern zu Hause bzw. bei den Angehörigen verbringen möchte, wird ihr dieser Wunsch nach Möglichkeit erfüllt. Die Altruismusprämisse kann eine bedeutende Rolle bei der Entscheidung für eine informelle Versorgung spielen. Die Grundvoraussetzung, das Bedürfnis des Betroffenen nach einer Versorgung durch die eigene Familie, dürfte vielfach gegeben sein. Es ist anzunehmen, dass die Pflegebedürftigen den Umzug in ein Pflegeheim nur als nachrangige Lösung ansehen.142 Es ist auch vorstellbar, dass eine ethische Norm die Übernahme der Pflegebetreuung verlangt. Eine Reihe von Personen könnte die Pflege als eine Verpflichtung den Eltern gegenüber ansehen. Die informelle Betreuung ist dann auch als Dank für die jahrelange Fürsorge und Erziehung durch die Eltern zu anzusehen.143

Vgl. Unterkapitel B.III.3.a). Eine Reihe dieser Theorien stellt Johansson dar. Vgl. Johansson (1991), S. 16 – 18. 141 Vgl. Biesecker (1997), S. 14 – 24. 142 Empirische Untersuchungen lassen vermuten, dass die Unterstellung einer solchen Präferenz realistisch ist. Vgl. Börsch-Supan / Kotlikoff / Morris (1991), S. 114 – 135. 143 Vgl. Jochimsen (2001), S. 8 – 9. 139 140

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H. Historische und gegenwärtige Entwicklung des Pflegesektors

b) Informelle Pflege als eigennütziges Verhalten Bei diesem Ansatz übernehmen Familienangehörige die Fürsorge, da sich hierdurch ihr eigener Nutzen erhöht. Dass eine solche Motivation auftreten kann, ist auf den ersten Blick erstaunlich. Eigentlich wäre zu erwarten, dass ein eigennützig handelnder Mensch aufgrund der Schwere der Pflegearbeit und der hohen Opportunitätskosten eine Betreuung verweigert. Er könnte annehmen, dass die Pflege nur eine Verringerung seines Nutzenniveaus mit sich bringt. Dies ist aber eine oberflächliche Sichtweise. Es gibt eine Reihe von Momenten bei der Pflegeübernahme, die auch für den Pflegenden nutzbringend sein können. Die erste mögliche Rechtfertigung dieses Ansatzes setzt daran an, dass die Freude der Bedürftigen über die informelle Fürsorge ein Teil der Nutzenfunktion der betreuenden Person ist. Das heißt, die betreuende Person erfreut sich daran, dass die pflegebedürftige Person zufrieden ist, zu Hause versorgt zu werden. Die Nutzensteigerung beim Bedürftigen geht einher mit einer Nutzensteigerung beim Pflegenden. Eine Verweigerung der Pflegeübernahme würde dagegen zu einem schlechten Gewissen bei den Angehörigen führen, wodurch sich deren Nutzen verringert. Deshalb wird die Pflege möglichst übernommen. Eigennütziges Verhalten beweist die pflegende Person auch dann, wenn die Betreuung der Eltern als ein Teil der Erziehung der eigenen Kinder betrachtet wird. Durch die Fürsorge erhoffen sich die Pflegenden eine Vorbildwirkung für den eigenen Nachwuchs. Sie hoffen, dass dieser ebenfalls irgendwann seine Eltern versorgen wird. Eine Nutzensteigerung erfährt der Pflegende zudem dann, wenn durch die Übernahme der Pflegetätigkeit sein Ansehen bei den übrigen Verwandten bzw. anderen bekannten Personen steigt. Diese werden der betreuenden Person möglicherweise häufig Anerkennung zollen. Wenn der daraus folgende Anstieg des Nutzens eine ausreichende Kompensation für die Nutzeneinbußen durch die Pflegetätigkeit darstellt, wird die informelle Fürsorge gern übernommen. Eine solche Motivation wird als extrinsische Motivation bezeichnet. Eine weitere mögliche Begründung dieses Eigennutz unterstellenden Ansatzes ist, dass sich die pflegende Person durch die Betreuung einen Vorteil bei der Zuteilung des Nachlasses erhofft. Wenn sie meint, dass durch die Übernahme der Pflegetätigkeit ihr zukünftiges Erbe entscheidend zugewinnen wird, wird sie die Fürsorge übernehmen. Wenn die pflegebedürftige Person über ein entsprechendes Vermögen bzw. Einkommen verfügt, wird sie ihre Pflegeperson im Übrigen meist schon während der Betreuung entlohnen. Auch dies kann ein ausreichender Anreiz für die Fürsorge sein. Auf ein anderes mögliches Motiv weisen Nocera und Zweifel hin.144 Sie betrachten das Verhältnis zwischen der pflegebedürftigen Person und ihrem Betreuer 144

Vgl. Nocera / Zweifel (1996), S. 54 – 59.

VI. Die informelle Pflege

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als ein Austauschverhältnis. Nocera und Zweifel zeigen, dass selbst dann, wenn die Produktivität des Bedürftigen bei allen Tätigkeiten niedriger ist als bei den übrigen Familienmitgliedern, dieser trotzdem eine Entlastung für den Haushalt erbringen kann. Der Pflegebedürftige benötigt zwar für alle Beschäftigungen länger als andere Haushaltsmitglieder, dieser absolute Produktivitätsnachteil ist aber uninteressant. Von Bedeutung ist, dass zumindest eine Tätigkeit existiert, bei der der relative Produktivitätsnachteil geringer ausfällt. Wenn sich der Bedürftige auf diese Tätigkeit spezialisiert, entsteht ein Entlastungseffekt für den gesamten Haushalt. Damit kann auch ein Pflegebedürftiger einen Beitrag zur Haushaltsproduktion leisten. Unter Beachtung dieser Gegenleistung des Bedürftigen kann es rational sein, die informelle Pflege zu übernehmen. Eine weitere Erklärung liefern auch Beobachtungen der Sozialpsychologie. Danach führen viele Menschen Tätigkeiten einfach aus sich selbst heraus durch.145 Einige Handlungen können nach diesen Studien dadurch erklärt werden, dass die Tätigkeit an sich Freude bereitet.146 Der Nutzen der betreuenden Person steigt allein aufgrund der Übernahme der Pflege. Ein solcher Beweggrund wird auch als intrinsische Motivation bezeichnet. Es ist aber fraglich, ob diese Motivation die Schwere der Pflegeaufgaben einigermaßen aufwiegt. Die verschiedenen Begründungen demonstrieren, warum trotz der vielfältigen Belastung bzw. der Opportunitätskosten die informelle Pflege eine so bedeutende Rolle spielt. Sie zeigen, dass diese Betreuungsoption auch für die Pflegenden mit einen Zugewinn an Nutzen verbunden sein kann. Es ist aber nicht sicher, in welchem Umfang die informelle Pflege durch eigennützige Motive bzw. durch altruistische Grundeinstellung bestimmt wird.

2. Die Bedeutung der informellen Pflege in Nordeuropa a) Überblick über den Umfang der informellen Fürsorge Die informelle Pflege ist weltweit die häufigste Pflegeform. Die Bedeutung dieser Betreuungsart nimmt durch den Ausbau des staatlichen Sozialnetzes allerdings tendenziell ab. Der Anteil der Menschen, die durch Familienangehörige betreut werden, ist insbesondere in Wohlfahrtsstaaten in den letzten Jahrzehnten erheblich gesunken. Diese Entwicklung ist auch in Nordeuropa deutlich zu erkennen. Allerdings wird hier trotz des ausgebauten formellen Pflegesektors weiterhin ein Großteil der Fürsorge durch Verwandte oder Freunde erbracht.147 In den meisten anderen europäischen Nationen ist die Bedeutung dieser Pflegeform jedoch größer. Der Anteil der informellen Betreuung an der gesamten Fürsorge liegt in Dänemark bei 145 146 147

Vgl. Wright (1991), S. 56. Vgl. Frey (2001), S. 11. Vgl. Gerald (1993), S. 78; Lingsom (1987), S. 196 – 220.

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H. Historische und gegenwärtige Entwicklung des Pflegesektors

etwa 44 % und in Schweden bei etwa 52 %. Nach einem Ländervergleich von Andersson beträgt der entsprechende Anteil in Frankreich 58 % und in Großbritannien 66 %. Die Niederlande weisen mit einem Wert von etwa 43 % einen ähnlichen Prozentsatz wie die nordischen Länder auf.148 Die Zahlenwerte über die Rolle der informellen Pflege in Nordeuropa – insbesondere auch die Ländervergleiche – sind mit etwas Vorsicht zu behandeln. Zum einen ist die informelle Betreuung von Natur aus schwierig zu messen, zum anderen treten institutionelle Verzerrungen auf. In Norwegen und zum Teil auch in Schweden ist es häufige Praxis, dass Personen offiziell durch den ambulanten Dienst angestellt werden, um dann die eigenen Angehörigen zu betreuen.149 Diese Tätigkeit wird statistisch nicht als informelle Pflege gezählt. Durch eine solche Vorgehensweise werden aber die Zahlenwerte über den Umfang der informellen und formelle Pflege verzerrt. Zudem wird dadurch der Beschäftigungsgrad der Gesamtbevölkerung im Allgemeinen und der Frauen als Hauptpflegepersonen150 im Speziellen zu hoch ausgewiesen. Die Erwerbsquote (der Frauen) ist höher, als wenn die Angehörigen für die informelle Pflege Geldleistungen erhielten, aber nicht als Beschäftigte geführt würden. In Absehung von diesen statistischen Verzerrungen kann von einem durchaus beachtenswerten Umfang an informeller Pflege in Nordeuropa ausgegangen werden. In der Literatur wird aber meist trotz allem darauf verwiesen, dass der informellen Pflege im nordischen Raum eine etwas geringere Bedeutung als in anderen Ländern zukommt.151 Insbesondere der vergleichsweise niedrige Anteil an informeller Pflege in Dänemark ist auch mit den genannten statistischen Schwierigkeiten nicht zu begründen. In neuerer Zeit wird auf der Suche nach Möglichkeiten, die Ausgaben im öffentlichen Sektor zu stabilisieren oder zu verringern, eine Diskussion über die Förderung der informellen Pflege geführt. Familienangehörige sollen in die Betreuung mehr eingebunden werden. Es gibt die Vorstellung, dass eine gut organisierte Zusammenarbeit zwischen professioneller Fürsorge und informeller Betreuung zwei positive Resultate erbringt. Zum einen würden die öffentlichen Ausgaben sinken, zum anderen wird eine Verbesserung der Lebensbedingungen für die Bedürftigen erwartet.152 Hierbei wird unterstellt, dass für den Bedürftigen die Pflege durch Vgl. ESO (1999), S. 157; Tornstam (1992). Vgl. ESO (1999), S. 164; Glendinning / McLaughlin (1993), S. 132 – 133. 150 Nach schwedischen Studien wird die informelle Pflege in diesem Land zu zwei Dritteln durch Frauen übernommen, wobei sie den überwiegenden Teil der persönlichen Versorgung erbringen. Männer leisten vorwiegend Hilfe bei der Arbeit an der Wohnung bzw. am Haus. Die Verantwortung für die Betreuung liegt oft nur bei einer Person, in den meisten Fällen bei der Ehefrau. In einer Rangliste der Personen, die die informelle Fürsorge übernehmen, folgen danach die Kinder des Bedürftigen, die Schwiegertöchter und dann die übrigen Verwandten. Nachbarn oder Freunde leisten nur selten die Pflegeversorgung. Vgl. Johansson (1991), S. 18 – 19; Wærness / Ringen (1987), S. 161 – 173. 151 Vgl. ESO (1999), S. 156; Szebehely (1999), S. 390 – 392. 152 Vgl. Swane (1998). 148 149

VI. Die informelle Pflege

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nahe Angehörige einen größeren Nutzen stiftet als die Betreuung durch einen „fremden“ Pflegedienst. Es ist allerdings unklar, ob ein zunehmender Anteil an informeller Pflege die Gesamtkosten der Betreuung verringert. Eine Förderung der informellen Betreuung könnte eine Erhöhung der Geldleistungen an die Pflegenden erfordern.153 Damit sinken zwar die öffentlichen Ausgaben durch die in geringerem Maße dann notwendige ambulante Betreuung, sie steigen aber durch die erhöhten Zahlungen an die Angehörigen. Eine Einsparung könnte erreicht werden, wenn die Betreuenden keine oder nur geringe Geldleistungen erhielten. Die pflegenden Personen würden dann keine Kompensation für die Opportunitätskosten der Pflege bzw. der Pflegearbeit erhalten. In diesem Fall verringerten sich zwar die staatlichen Ausgaben, dafür würden aber die Kosten bei den privaten Haushalten steigen. Eine solche Politik verringerte zwar die fiskalischen Kosten; durch den Anstieg der privaten Aufwendungen können aber die Gesamtkosten der Pflege sogar zunehmen. Eine umfassende Substitution formeller Pflege durch informelle Betreuung gehört nicht zur politischen Agenda. Bei der Diskussion hinsichtlich der Förderung der informellen Pflege in Skandinavien wird vorwiegend auf eine ergänzende Rolle der Betreuung durch Familienangehörige hingezielt. 154 Es wird auch darauf hingewiesen, dass viele Betreuungsaufgaben durch nahe Verwandte (Insider) einfacher zu handhaben sind als durch Outsider. Das wichtigste Beispiel hierfür ist die Hilfe bei der persönlichen Hygiene. Ziel ist der Aufbau eines Netzwerks, bei dem informelle und formelle Pflege verknüpft werden.155 Die oben geschilderte Anstellung von Personen im ambulanten Dienst zur Betreuung der Angehörigen ist einer dieser Schritte. Es wird durch die informelle Pflege eine bessere Einbindung in das gesellschaftliche Leben erhofft. Als positiv wird zudem angesehen, dass die Betreuung im Wesentlichen dann in der Hand einer Person läge. Diese kennt die Besonderheiten des Bedürftigen und kann damit eine individuelle Versorgung gewährleisten.156 Bei ambulanter Versorgung kann dies nicht garantiert werden.157 Dass die Versorgung und damit auch die Verantwortung für die informelle Fürsorge auf eine Pflegeperson konzentriert ist, wird auch von den Bedürftigen meist als angenehm empfunden. Ein weiterer Vorteil dieser Pflegeform ist, dass hiermit auf vergleichsweise einfache Weise Arbeitskräfte für den Pflegebereich rekrutiert wer153 Neueste Untersuchungen ergaben allerdings, dass Menschen, die bei ihren Tätigkeiten vorwiegend durch intrinsische Motive geleitet werden, bei monetären Anreizen ihr Handeln einschränken. Dieser Verdrängungseffekt wird mit dem psychologischen Prozess der verminderten Selbstbestimmung begründet. Vgl. Frey (2001), S. 11 Es besteht noch Forschungsbedarf in der Frage, ob dieses Verhalten auch für den Pflegebereich von Bedeutung ist. Wenn sich aber diese Argumentation bestätigt, würden einige Menschen bei der Zahlung von Geldleistungen in der Tat weniger informelle Pflege anbieten. 154 Vgl. Blomberg (1993), S. 26 – 31. 155 Vgl. Swane (1998). 156 Vgl. Gerald (1993), S. 77. 157 Vgl. Blomberg (1993), S. 21 – 23.

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H. Historische und gegenwärtige Entwicklung des Pflegesektors

den. Pflegedienste besitzen dagegen häufig erhebliche Probleme, Arbeitskräfte zu finden. Der wichtigste Nachteil der informellen Fürsorge liegt im Bereich der Pflegequalität.158 Zum einen handelt es sich bei den betreuenden Familienangehörigen um keine ausgebildeten Pflegekräfte, zum anderen sind Qualitätskontrollen, die bereits im formellen Sektor Schwierigkeiten bereiten, schwierig. Es wird teilweise kritisiert, dass nicht einzusehen sei, weshalb in der ambulanten und stationären Versorgung hohe Pflegestandards gefordert werden, während im informellen Bereich Qualitätsrichtlinien kaum angewendet werden können. Dem muss aber entgegnet werden, dass eine Qualitätskontrolle von familiären Tätigkeiten einen erheblichen Paternalismus des Staates bedeuten würde. Es bleibt abzuwarten, inwieweit die informelle Pflege in Nordeuropa die Hoffnungen, die mit ihr verbunden sind, erfüllen kann.159 Bei aller Qualitätsdiskussion lässt sich nicht der Eindruck verbergen, dass ein Ausbau des informellen Sektors vorwiegend mit dem Ziel verfolgt wird, eine Verminderung der öffentlichen Ausgaben zu erreichen.

b) Ursachen für die geringere Bedeutung der informellen Pflege Die informelle Fürsorge spielt in Nordeuropa eine zwar durchaus bedeutende Rolle, im Vergleich zu anderen Ländern ist ihr Anteil aber etwas geringer. Dies kann nicht ausschließlich mit statistischen Ursachen erklärt werden. Es ist noch eine Reihe anderer Gründe für diese Konstellation denkbar. Diese Ursachenaufdeckung könnte auch Argumente für eine Förderung der informellen Pflege liefern. Formelle Pflege als Substitut für informelle Pflege Die erste Ursache scheint naheliegend zu sein. Es ist zu vermuten, dass ein ausgebauter formeller Pflegesektor die Bedeutung der informellen Betreuung reduziert. Insbesondere ein entwickelter ambulanter Sektor könnte zu einer Verringerung der informellen Fürsorge führen. Empirische Daten zu dieser Mutmaßung zeigen die von Andersson ermittelten Zahlenwerte. Der Anteil der informellen Pflege war – wie oben geschildert – in Nordeuropa (DK: 44 %, Swd: 52 %) geringer als in Frankreich (58 %) bzw. Großbritannien (66 %). Dafür übernimmt in Dänemark und Schweden die ambulante Fürsorge zu 47 % bzw. 40 % die Versorgung der älteren Menschen. In Frankreich und Großbritannien lagen die Anteile der ambulanten Pflege dagegen nur bei etwa 15 bzw. 18 %. Damit könnte ein ausgebauter Vgl. Gerald (1993), S. 77 – 78. Zu den Determinanten der Entwicklung von informeller Pflege siehe Blomberg (1993), S. 35 – 40. 158 159

VI. Die informelle Pflege

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ambulanter Sektor mit einer Verringerung der informellen Pflege verbunden sein. Wie die Zahlenwerte zeigen, ist der Umfang der informellen Pflege in Nordeuropa aber keineswegs in dem Maße niedriger, wie eigentlich zu vermuten wäre. Es scheinen sich damit auch in Nordeuropa die Ergebnisse amerikanische Studien zu bestätigen160, nach denen die informelle Betreuung kein Substitut, sondern zum überwiegenden Teil ein Supplement zur formellen Fürsorge darstellt.161 Es ist von einem sich gegenseitigen Ergänzen auszugehen.162 Wærness und Ringen weisen darauf hin, dass die informelle Pflege auch in einem umfassenden Wohlfahrtsstaat eine bedeutende Rolle spielt. Bedürftige, die ambulante Hilfe nachfragen, werden häufig zusätzlich durch Familienangehörige versorgt.163 Mit Unterstützung des ambulanten Sektors können viele Bedürftige, die sonst stationär betreut werden müssten, häuslich versorgt werden. Es wird auf diese Weise vielfach erst die Grundlage für eine zusätzliche informelle Versorgung gelegt. Manche Familienangehörigen würden ohne die Unterstützung durch einen entwickelten ambulanten Sektor die Pflegeversorgung nicht übernehmen. Ein Ausbau der ambulanten Pflegedienste wirkt zwar als Substitut für stationäre Versorgung, aber nur zum Teil für informelle Pflege. Ein entwickelter ambulanter Sektor ist somit nur eine Teilerklärung für den relativ geringen Stellenwert der informellen Pflege. Opportunitätskosten in Form von entgangenem Erwerbseinkommen Die Opportunitätskosten der Pflege sind ein wesentlicher Einflussfaktor für die informelle Betreuung. Wenn die Opportunitätskosten größer ausfallen als der Nutzen der Pflegeübernahme, wird die Pflege höchstens aus altruistischen Gründen übernommen. Tendenziell ist bei hohen Opportunitätskosten von einem geringeren Engagement in der informellen Pflege auszugehen. Da im Laufe des letzten Jahrhunderts die Kosten der Zeit markant gestiegen sind, nahmen auch die Opportunitätskosten zu. Zu berücksichtigen ist auch, dass die Möglichkeiten der Freizeitgestaltung vielfältiger geworden sind. Informelle Pflege ist für die Pflegepersonen teuerer geworden.164 Der wichtigste Anteil der Opportunitätskosten der Pflege betrifft das entgangene Erwerbseinkommen. Die Übernahme der Betreuung durch ein Familienmitglied, hängt somit wesentlich davon ab, ob die potenzielle Pflegeperson einer Erwerbstätigkeit nachgeht. Generell gilt: Je höher der Beschäftigungsgrad in einer VolkswirtVgl. Habib / Sundstrom / Windmiller (1993), S. 188. Dass eine öffentliche Unterstützung die private Fürsorge durchaus auch zu einem Teil verdrängen kann, lässt sich dann erkennen, wenn sich ein Sozialsystem innerhalb kurzer Zeit deutlich verändert. Untersuchungen aus Entwicklungsländern sind hier deshalb sehr ergiebig. Für eine kurze Vorstellung zweier Studien aus Peru und den Philippinen siehe Weltbank (1994), S. 67. 162 Vgl. Wærness / Ringen (1987), S. 170. 163 Vgl. Wærness / Ringen (1987), S. 167. 164 Vgl. Wright (1991), S. 55, 62 – 65. 160 161

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H. Historische und gegenwärtige Entwicklung des Pflegesektors

schaft, umso weniger Menschen besitzen ausreichende Motivation, eine Betreuung zu übernehmen. Die informelle Pflege ist im Speziellen vom Beschäftigungsgrad der Frauen abhängig. Diese übernehmen traditionell in überwiegendem Umfang die Pflege. Von besonderem Interesse ist der Grad der Erwerbstätigkeit bei den 45 bis 54-jährigen Frauen. In diesem Altersbereich dürfte häufig bei den zugehörigen Eltern oder Schwiegereltern Pflegebedarf auftreten. Je nach der Erwerbsrate der 45 bis 54-jährigen Frauen resultiert daraus ein entsprechendes Pflegepotenzial. In den nordischen Ländern liegt der Beschäftigungsgrad der 45 bis 54-jährigen Frauen außergewöhnlich hoch.165 Den höchsten Wert weist Schweden auf. In diesem Land waren im Jahre 1990 etwa 90 % aller Frauen zwischen dem 45. und dem 54. Lebensjahr erwerbstätig. In Norwegen und Dänemark liegt der Beschäftigungsgrad der Frauen dieser Altersgruppe mit 80 % bzw. 78 % zwar etwas niedriger, im Vergleich mit anderen Industrieländern sind dies aber trotz allem Spitzenwerte. In Frankreich waren 1990 von den 45 – 54-jährigen Frauen 65 % und in der BR Deutschland sogar nur 56 % beschäftigt.166 Bei den statistischen Daten über die Erwerbsbeschäftigung ist besonders in Schweden und Norwegen die Verzerrung über die Kategorie der kommunalen Angestellten zu berücksichtigen. Zudem ist zu beachten, dass diese Zahlenwerte keine Aussage darüber zulassen, inwieweit die Frauen ganztägig oder teilzeitbeschäftigt sind.167 Trotz dieser Einschränkungen kann von einem hohen Beschäftigungsgrad der Frauen in Nordeuropa ausgegangen werden. Im Zusammenspiel mit einem ausgebauten ambulanten Pflegesektor ist es für die meisten Frauen kostengünstiger, die eigenen Familienmitglieder mit professioneller Pflege versorgen zu lassen, als die Betreuung selbst zu übernehmen und dafür die Erwerbstätigkeit aufzugeben. Eine mögliche Begründung für den etwas geringen Anteil der informellen Pflege in Nordeuropa könnte damit in der hohen Arbeitsmarktpartizipation der Frauen zu finden sein. Die Erklärungen für den hohen Beschäftigungsgrad der Frauen in Skandinavien sind im Übrigen vielfältig. Es soll hier nur kurz beispielhaft erwähnt werden, dass Frauen in Schweden nur dann einen staatlich unterstützten Elternurlaub und einen kostengünstigen Zugang zu Kindergärten erhalten, wenn sie einer Beschäftigung nachgehen.168 Besonderheiten der Haushaltsstruktur Ein weiterer Grund für die etwas geringere Rolle der informellen Pflege in Nordeuropa ist die vergleichsweise hohe Fluktuation der Bevölkerung und die damit einhergehende Zunahme des Anteils der Einpersonen-Haushalte. Eine Reihe von jungen Menschen in Nordeuropa verlässt die ländlichen Regionen, um in den 165 166 167 168

Vgl. Jonung / Persson (1994), S. 37 – 64. Vgl. ESO (1999), S. 161. Vgl. Hansen (1990), S. 693 – 699. Vgl. Schaffner (2001), S. 57.

VI. Die informelle Pflege

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größeren Städten einen Arbeitsplatz zu finden. Es ist für sie damit meist schwer möglich, die Pflegebetreuung ihrer Eltern oder Großeltern zu übernehmen.169 In Dänemark leben 53 % der über 65-jährigen Personen allein. In Schweden und Norwegen liegt der entsprechende Prozentsatz bei 41 % bzw. 37 %. Zum Vergleich Werte anderer Länder: BR Deutschland 47 %, Großbritannien 36 %, Frankreich 28 %.170 Der Anteil der über 65-jährigen Menschen, der in seiner Wohnung ohne Angehörige lebt, ist in den nordischen Ländern damit relativ hoch.171 In Dänemark leben nur 4 % der über 65-Jährigen mit zumindest einem Kind zusammen, in Schweden liegt der Anteil bei 5 %. Dies sind sehr niedrige Werte. In Norwegen leben mit 11 % deutlich mehr ältere Menschen bei einem ihrer Kinder. Im Vergleich mit Ländern außerhalb Skandinaviens ist dies aber trotzdem noch ein geringer Wert. In Frankreich wohnen 17 % gemeinsam mit ihren Kindern. In Großbritannien sind es 16 % und in der BR Deutschland 14 %.172 In den nordischen Ländern fehlt damit allein auf Grund der Haushaltsstruktur das Potenzial für eine umfassende informelle Betreuung. Gesellschaftliche Aspekte Auf der Suche nach Ursachen für den geringeren Anteil der informellen Pflege sind noch einige gesellschaftliche Aspekte zu berücksichtigen. So wird oft die Frage vorgebracht, ob moderne nordische Familien von der Mentalität her weniger gewillt sind, Fürsorgeaufgaben zu übernehmen und inwieweit die Nordeuropäer besonders herzlos agieren, indem sie ihre Familienangehörigen vorwiegend der staatlichen Versorgung überlassen? Diese soziologisch orientierten Fragen sind schwierig zu beantworten. Die Bedeutung der Frage des Wohlergehens älterer Menschen ist daran zu erkennen, dass politische Maßnahmen zur Verbesserung der Pflege die (Wieder)Wahlchancen eines Politikers verbessern. Regelungen zum weiteren Ausbau des Sozialstaates sind in größeren Teilen der Bevölkerung populär. Es ist jedoch nicht klar, ob sich dahinter wirklich der Wunsch verbirgt, den bedürftigen Menschen ein möglichst sorgenfreies Leben zu sichern. Denkbar ist auch, dass ein Teil der Gesellschaft diese Politik deshalb unterstützt, um selbst aus der Pflegeverantwortung genommen zu werden und eine größere Freiheit in der Lebensgestaltung zu gewinnen. Zudem ist es möglich, dass einige Personen in Betracht ziehen, selbst irgendwann pflegebedürftig zu werden. Sie unterstützen einen Ausbau des Pflegesektors dann aus diesem eigennützigen Grund. Inwieweit das letztgenannte Argument auf die Mehrheit der Bevölkerung angewendet werden kann, erscheint aber fraglich, ist doch von einer ausgeprägten Gegenwartsvorliebe173 auszugehen. 169 170 171 172

Vgl. Blomberg (1993), S. 18 – 19. Vgl. ESO (1999), S. 159. Vgl. Rostgaard / Holm / Jensen (1998), S. 18. Vgl. ESO (1999).

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H. Historische und gegenwärtige Entwicklung des Pflegesektors

Es ist allerdings zu vermuten, dass großzügige Pflegeleistungen zu einer niedrigeren Hemmschwelle führen, die nahen Angehörigen einer professionellen Betreuung zu überlassen. Mit Blick auf das gute Niveau der stationären Betreuung wird die Überweisung in ein Pflegeheim auch weniger als eine Abschiebung der älteren Menschen angesehen. Untersuchungen aus Dänemark zeigten, dass die Übernahme der Fürsorge durch Pflegedienste nicht als Stigma angesehen wird.174 In einer Reihe von Ländern sind Kinder die wichtigste Investition in die Altersvorsorge. Dies führt dazu, dass Familienmitglieder, die die Pflege ablehnen, mit sozialen Sanktionen zu rechnen haben.175 Eine solche Folge ist in den meisten nordischen Familien nicht zu erwarten. Studien aus Nordeuropa ergaben, dass viele ältere Menschen Verständnis dafür aufbringen, wenn für die eigenen Verwandten die Kosten der Pflegebetreuung hoch sind. Sie akzeptieren die Betreuung durch Pflegedienste.176 Unter den Bedürftigen ist eine hohe Akzeptanz des formellen Pflegeangebots zu beobachten. Umfragen in Dänemark ergaben, dass viele es als ihr gutes Recht ansehen, die öffentlichen Leistungen auch zu nutzen. Sie verstehen nicht, weshalb Familienangehörige die Pflegelast tragen sollen.177 Unter diesem Gesichtspunkt ist verständlich, weshalb die informelle Betreuung eine geringere Bedeutung als in anderen Ländern aufweist.

3. Öffentliche Geldleistungen für informelle Betreuungstätigkeit Jahrhundertelang spielten staatliche Geldleistungen an pflegende Familienangehörige keine Rolle. Dass ein Familienmitglied für eine innerfamiliäre Leistung finanzielle Unterstützung durch den Staat erhält, galt als undenkbar.178 Um die zunehmende Nachfrage nach professionellen Pflegeleistungen in den Industrieländern fiskalisch zu bewältigen, wird die informelle Pflege erst in neuerer Zeit staatlich unterstützt. So wird beispielsweise die informelle Pflege in der BR Deutschland erst seit der Einführung der Pflegeversicherung 1994 / 95 gefördert. In den nordischen Ländern werden Geldleistungen vorwiegend über die Sozialversicherung (Schweden / Norwegen) bzw. den Zentralstaat (Dänemark) bereitgestellt. Die verschiedenen Formen der Unterstützungszahlungen wurden in Kapitel E. erörtert. Die kommunalen Leistungen werden zum überwiegenden Teil in Form von Sachleistungen angeboten. Geldleistungen durch die Gemeinden zur Unterstützung der informellen Fürsorge spielen eine geringere Rolle. In Schweden werden kommunale Zahlungen je nach Pflegebedarf geleistet. Der Umfang ist im 173 174 175 176 177 178

Vgl. Böhm-Bawerk (1961), S. 318 – 361. Vgl. Jamieson / Illsley (1990), S. 12. Vgl. Weltbank (1994), S. 49, 56. Vgl. Swane (1998). Vgl. Shenk / Christiansen (1993), S. 182 – 183. Vgl. Gerald (1993), S. 76 – 77.

VI. Die informelle Pflege

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Wesentlichen von den Kosten abhängig, die für eine kommunale Betreuung angefallen wären.179 Ein Anspruch auf Geldleistungen besteht jedoch erst ab einem Mindestpflegebedarf von 20 Stunden pro Woche. Die Leistungen differieren zwischen den Gemeinden. Sie liegen je nach Pflegebedürftigkeitsgrad in etwa bei 1 200 bis 5 800 skr pro Monat. Die Nachfrage ist aber eher gering. Während 1984 in Schweden noch etwa 21 000 Menschen Geldleistungen erhielten, hatte sich diese Zahl bis Anfang der 90er Jahre auf 6 000 Personen verringert.180 In Norwegen leisten die Kommunen nur bei besonders schwerer Pflegearbeit Unterstützungszahlungen (Omsorgslønn). Der entsprechende Bedarf wird von den Gemeinden in jedem einzelnen Fall geprüft und nach den finanziellen Möglichkeiten der Kommune gewährt.181 In Dänemark werden ab dem 67. Lebensjahr dann Geldleistungen ausgezahlt, wenn die zuständige Gemeinde nicht in der Lage ist, die notwendige ambulante Hilfe bereitzustellen. Dies kann dann der Fall sein, wenn die personelle Ausstattung nicht ausreicht.182 Dann soll der ausgezahlte Betrag eine Unterstützung für die betreuenden Angehörigen darstellen. Zudem existiert eine Sonderregel für die Betreuung von älteren Menschen, die im Sterben liegen. Wenn diese den Wunsch äußern, zu Hause sterben zu wollen, können sie von einer ihnen nahestehenden Personen betreut werden (Pasning af døende). In diesem Fall erhält die versorgende Person eine Geldleistung, die dem Lohn einer professionellen Pflegekraft entspricht.183 Diese Leistung wurde im Jahre 1992 von 1 037 Personen genutzt.184 Wie bereits erwähnt, wird in Schweden und Norwegen die informelle Pflege durch eine kommunale Anstellung der familiären Betreuer unterstützt. Die auf diese Art gewährten Geldleistungen besitzt einen größeren Umfang als die beschriebenen direkten Transfers. In den letzten Jahrzehnten nahm deren Bedeutung allerdings ab. Im Jahre 1970 waren in Schweden 18 517 Personen als „informelle“ Pfleger durch die Gemeinde angestellt, 1980 betrug deren Zahl 10 587, im Jahre 1992 nur noch 6 500. Im Durchschnitt der Kommunen wurden im Jahre 1989 etwa 2 % der Bedürftigen auf diese Weise betreut, wobei Abweichungen zwischen den Gemeinden von 0 bis 10 % zu verzeichnen waren.185 Der Lohn entspricht der Entlohnung von regulären kommunalen Pflegekräften. Er wird direkt an die Pflegeperson gezahlt und ist von dieser auch als gewöhnliches Arbeitseinkommen zu versteuern. Eine Beschäftigung als Teilzeitkraft ist ebenfalls möglich; auf diese Weise kann eine Kombination mit einer anderen Erwerbstätigkeit gelingen. Daten aus Südschweden zeigen, dass im Jahre 1992 43 % der kommunal angestellten familiä179 180 181 182 183 184 185

Vgl. Glendinning / McLaughlin (1993), S. 132. Vgl. Johansson / Sundström (1994). Vgl. Flekkefjord-Kommune (2000a); Tromsø-Kommune (2000a). Vgl. Serviceloven § 76. Vgl. Lov om social service §§ 104, 105, 106. Vgl. Köhler (1996), S. 15. Vgl. Glendinning / McLaughin (1993), S. 133.

17 Wild

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H. Historische und gegenwärtige Entwicklung des Pflegesektors

ren Betreuer davon Gebrauch machten. Die Studie ergab auch, dass 83 % der Pflegepersonen Frauen sind, wobei sich die meisten zwischen dem 50. und dem 64. Lebensjahr befinden. Einige haben das Rentenalter bereits überschritten. 75 % üben diese Tätigkeit bereits mindestens zwei Jahre aus, zwei Drittel leben mit der bedürftigen Person in einem Haushalt.186 Eine weitere bedeutende Unterstützung erhalten die informellen Pfleger durch das Angebot an Tageszentren. Darüber hinaus besteht die Möglichkeit einer kurzfristigen Versorgung durch den ambulanten Pflegedienst im Falle von Krankheit oder Urlaub. Zudem bieten die Gemeinden den Betroffenen häufig ein umfangreiches Unterstützungsprogramm an. Schweden gilt als das Land, das weltweit die vielfältigsten Angebote in dieser Richtung offeriert.187 Hier werden u. a. Weiterbildungskurse angeboten, in denen pflegende Familienangehörige Techniken erlernen bzw. Hinweise erhalten können, die eine bessere Betreuung sichern.

VII. Der Arbeitsmarkt für Pflegekräfte Die Bereitstellung von Pflegeleistungen ist auch von der Verfügbarkeit ausgebildeter Pflegekräfte abhängig. Ein Mangel an Pflegepersonal kann zu verringerter Pflegequalität und zu einem verminderten Betreuungsangebot führen. Bei einem über das Sozialprinzip finanzierten Pflegesystem wie in Nordeuropa würde hierdurch eine intergenerationelle Ungleichheit ausgelöst. Sofern der Lohnsatz flexibel reagieren kann, gleichen sich Angebot und Nachfrage aus. Eine Mangelsituation dürfte danach nicht auftreten. Wenn beispielsweise die Nachfrage nach Pflegepersonal steigt, müsste sich der Lohnsatz erhöhen, womit auch das Angebot an Arbeitskräften in diesem Sektor zunehmen würde. In der Realität ist der Lohn allerdings nicht sehr flexibel. In manchen Branchen führt dies zur einem Angebotsüberschuss – der Arbeitslosigkeit, in anderen Wirtschaftsbereichen ist ein Mangel an Beschäftigten die Folge. Ökonomen haben für diese Ungleichgewichte verschiedene Gründe herausgearbeitet. Diverse Ursachen sollen erklären, weshalb der Lohn inflexibel reagiert und somit kein Gleichgewicht entsteht. Gründe für einen Angebotsüberschuss auf dem Arbeitsmarkt werden beispielsweise in der Sozialpolitik, z. B. in Mindestlöhnen bzw. Lohnersatzleistungen,188 oder in der Existenz von Gewerkschaften189 gesehen. Ein Ungleichgewicht Vgl. Johansson / Sundström (1994). Vgl. Gerald (1993), S. 79. 188 So stellen Lohnersatzleistungen – wie die Zahlungen der Arbeitslosenversicherung – und Mindestlöhne eine Lohnuntergrenze dar, so dass der Lohn nach unten starr ist. 189 Empirische Untersuchungen ergaben, dass Lohnforderungen der Gewerkschaften besonders dann hoch ausfallen, wenn die Gewerkschaften eine mittlere Größe aufweisen. In diesem Fall liegt der Reallohn meist über dem Gleichgewichtslohn, woraus Arbeitslosigkeit resultiert. Bei vielen kleineren Gewerkschaften, die dezentral Löhne verhandeln, verhindern 186 187

VII. Der Arbeitsmarkt für Pflegekräfte

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auf dem Arbeitsmarkt ist aber selbst in einer Volkswirtschaft ohne Gewerkschaften und ohne Sozialpolitik möglich. Erklärungen dazu geben vor allem die Effizienzlohntheorie und die Insider-Outsider-Theorie.190 Im Bereich der Altenpflege ist selten ein Angebotsüberschuss anzutreffen. In den meisten Industrieländern ist ein erheblicher Mangel an Pflegekräften – also ein Nachfrageüberschuss zu verzeichnen.191 Eine solche Situation ist für den Gesundheits- und Pflegesektor nicht neu. Im letzten Jahrzehnt ist das Ungleichgewicht aber tendenziell gewachsen. Alarmierend ist dies insbesondere mit Blick auf die erwartete Zunahme der Pflegenachfrage. Die wesentliche Ursache für einen Nachfrageüberschuss ist ein zu geringer Lohn. Die offerierte Entlohnung liegt unter dem Gleichgewichtslohn. Zu wenige Personen sind bereit, zu diesem Lohnsatz im Pflegesektor zu arbeiten. Nachstehend werden verschiedene mögliche Erklärungen diskutiert, weshalb der Lohn zu niedrig ist. Im Anschluss erfolgt eine nähere Darstellung der Arbeitsmarktsituation für Pflegekräfte in Nordeuropa. Durch die Anwendung der Lohntheorien wird eine Erklärung für die Lage in Skandinavien gesucht. Zum Abschluss dieses Unterkapitels werden nordische Lösungsversuche erörtert.

1. Ungleichgewicht aufgrund der Marktstruktur Eine in der ökonomischen Literatur vielfach vorgebrachte Erklärung für einen zu niedrigen Lohn betrachtet die Marktstruktur.192 Wenn der Lohn unter dem Gleichgewichtslohn liegt, der sich bei vollkommenen Wettbewerb bildet, verweist dies auf ein Monopson, also darauf, dass einem Nachfrager viele Anbieter gegenüberstehen. Der Monopsonist übt seine Marktmacht generell dadurch aus, dass er den Preis über die Wahl der Menge bestimmt.193 Auf den Arbeitsmarkt bezogen heißt dies, dass der Monopsonist die Kosten dadurch minimiert, dass er einen den Gleichgewichtslohn unterschreitenden Lohn festsetzt. Als Folge werden die Beschäftigten unter der Grenzproduktivität der Arbeit entlohnt. Zudem existieren offene Stellen (Vakanzen). Der Lohn, den ein Beschäftigter erhält, ist niedriger als sein Beitrag zum Output. Pigou nannte diese Differenz „Rate of Exploitation“, also die Ausbeutungsrate.194 In theoretischen Arbeiten wurde gezeigt, dass diese Rate, ausgedrückt als Prozentsatz des Lohnes, gleich der reziproken Elastizität des ArWettbewerbskräfte übermäßige Forderungen. Bei zentralen, die gesamte Volkswirtschaft übergreifenden Verhandlungen werden die gesamtwirtschaftlichen Folgen der Lohnsetzung berücksichtigt, wodurch Lohnsteigerungen meist moderat ausfallen. 190 Vgl. Yellen (1984), S. 200 – 250; Solow (1980), S. 1 – 11; Lucas (1978), S. 353 – 370. 191 Vgl. Hirsch, Schumacher (1995). 192 Vgl. Lane / Gohmann (1995), S. 645 – 646; Hirsch / Schumacher (1995), S. 2 – 5. 193 Vgl. Hirsch / Schumacher (1995), S. 2 – 5. 194 Vgl. Pigou (1962), S. 556 – 571, 813 – 814. 17*

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H. Historische und gegenwärtige Entwicklung des Pflegesektors

beitsangebots entspricht.195 Je kleiner die Elastizität des Arbeitsangebots, umso größer die „Rate of Exploitation“. Wenn eine Lohnerhöhung um 1 % zu einer Verringerung der Beschäftigtenzahl um 5 % führt, die Angebotselastizität also 5 ist, liegt die Ausbeutungsrate bei einem Fünftel bzw. bei 20 %.196 Auf dem Arbeitsmarkt für Pflegekräfte existiert dann ein Monopson, wenn zum einen die öffentliche Hand als dominierender Nachfrager von Arbeitskräften auftritt und zum anderen die Lohnsätze weitgehend einheitlich festgesetzt werden. Zudem könnte ein Monopson aber auch bei privaten Pflegeanbietern mit unabhängiger Lohnpolitik gegeben sein, sofern diese Unternehmen in ihrer Region die einzigen Nachfrager von Pflegekräften sind. Voraussetzung ist hier eine eingeschränkte Mobilität der Arbeitsplatzsuchenden. Bei ausgeprägter Mobilität, kann das Ungleichgewicht durch Wanderungsbewegungen ausgeglichen werden. Es ist aber zu bedenken, dass Frauen – die den überwiegenden Teil der Pflegekräfte stellen – tendenziell eine deutlich geringere Mobilität aufweisen als Männer, so dass eine solche Migration kaum erwartet werden kann. Wenn öffentliche Unternehmen als Monopsonist agieren, werden sie Lohnerhöhungen aufgrund der finanziellen Engpässe im Gesundheits- und Pflegesektor vermeiden oder nur zögerlich vornehmen. Der Pflegebedarf wird bevorzugt mit Überstunden des bestehenden Personals oder durch Nicht-Fachkräfte, die niedrigere Lohnkosten verursachen, gedeckt. Private Pflegeunternehmen mit regionaler Marktmacht zeigen ein ähnliches Verhalten. Im Unterschied zu den öffentlichen Anbietern möchten sie dadurch aber ihren Gewinn maximieren. Problematisch an der Lohnpolitik des Monopsonisten ist, dass der Pflegeberuf durch das Überhandnehmen von Überstunden weiter an Attraktivität einbüßt. Im Zeitablauf wird somit eine gefährliche Spirale ausgelöst. Es ist insbesondere zu fragen, weshalb sich die öffentliche Hand auf eine solche Entwicklung einlässt? Es scheint auf dem ersten Blick unklar, weshalb sie in anderen Bereichen zum Teil Beschäftigungspolitik betreibt, aber bei der Suche nach Pflegekräften zu niedrige Löhne offeriert und damit offene Stellen produziert.

2. Die Spezifik der Lohnbildung der öffentlichen Hand Dass die Löhne der öffentlichen Unternehmen zu niedrig sind, muss nicht in der Ausübung von Monopsonmacht liegen. Denkbar ist auch, dass diese Unangemessenheit nur die Inflexibilität der öffentlichen Hand offenbart. Inflexibilität ist vielfach sowohl in regionaler als auch in berufsspezifischer Hinsicht erkennbar. Die Entlohnung durch die öffentliche Hand berücksichtigt typischerweise die speziellen Gegebenheiten einer Region bzw. eines Berufsbilds unzureichend. Berufsspezifische Inflexibilität ist dann gegeben, wenn sich die Entlohnung im Pflegebereich 195 196

Vgl. Boal / Ransom (2002). Vgl. ebenda.

VII. Der Arbeitsmarkt für Pflegekräfte

261

schematisch-formal eng an die übrige Tarifstruktur im öffentlichen Dienst anlehnt und dabei die Schwere des Pflegeberufs vernachlässigt. Der Mangel an Arbeitssuchenden lässt erkennen, dass einer überdurchschnittlich anstrengenden Arbeit keine ausreichende Entlohnung gegenübersteht.197 Während sich der Lohn in anderen Bereichen des öffentlichen Diensts möglicherweise in der Nähe des Gleichgewichtslohns befindet, liegt er im Pflegesektor spürbar darunter. Regionale Inflexibilität ergibt sich dann, wenn durch zentrale Lohnverhandlungen und weitgehend vorgegebene Tarife lokale Arbeitsmarktsituationen mangelhaft berücksichtigt werden. Ein Indiz dafür ist, dass in strukturschwachen Regionen im Vergleich zu Wirtschaftszentren ein deutlich geringerer Nachfrageüberschuss oder sogar ein Angebotsüberschuss auf dem Pflegemarkt auftritt. Die Mobilität der Arbeitssuchenden ist, wie weiter oben bereits ausgeführt, dort eher gering. Eine Auflösung der Ungleichgewichte könnte durch eine flexiblere Lohnbildung der öffentlichen Hand erreicht werden.

3. Begründung durch die Suchtheorie Eine Ursache für den zu geringen Lohn könnte auch im Suchverhalten der Unternehmen liegen. Nach der Suchtheorie198 ist der Lohnsatz eines Arbeitsplatzes von den Kosten der offenen Stellen, der Zeitpräferenzrate des Unternehmens, der Produktivität des Arbeitsplatzes und der Produktivitätsstreuung der potenziellen Arbeitskräfte abhängig.199 Erstens ergibt sich somit ein niedriger Lohn, wenn die Kosten der offenen Stellen vom Unternehmen als gering eingeschätzt werden. Die Höhe der Kosten ergibt sich aus der Differenz des Grenzwertprodukts und der Grenzkosten. Zweitens ist der Lohn bei niedriger Produktivität des Arbeitsplatzes und bei einer geringen Streuung der Produktivität der Bewerber gering. Auf dem Arbeitsmarkt für Pflegekräfte sind all diese Determinanten für ein geringes Lohnniveau präsent. Die Kosten der Vakanzen werden von den Pflegeunternehmen als vergleichsweise niedrig bewertet. Zum einen besteht die Auffassung, dass durch Mehrarbeit der Beschäftigten eine kostengünstige Alternative zur Besetzung der Stellen gegeben ist. Zum anderen ist bei öffentlichen Pflegeunternehmen zu berücksichtigen, dass die Lohnfestsetzung auch unter dem Gesichtspunkt der Gesamtpflegeausgaben vorgenommen wird. Da sich die Ausgaben am einfachsten dadurch begrenzen lassen, dass einige Stellen nicht besetzt werden, könnten die Kosten der Vakanzen aus der Sicht der öffentlichen Hand sogar negativ sein. Wenn die Kosten der offenen Stellen aber sehr gering sind, besteht keine VerVgl. Sauvy (1948), S. 117. Im Unterschied zum neoklassischen Grundmodell des Arbeitsmarkts besitzen die Akteure bei der Suchtheorie keine vollkommene Information. Zudem wird die Annahme der homogenen Arbeitsplätze fallen gelassen. Vgl. Sesselmeier / Blauermel (1997), S. 80; Wagner / Jahn (1997), S. 64. 199 Vgl. Sesselmeier / Blauermel (1997), S. 91 – 92. 197 198

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H. Historische und gegenwärtige Entwicklung des Pflegesektors

anlassung den Lohn zu erhöhen. Hinsichtlich der Produktivitätsverteilung ist anzunehmen, dass diese im Pflegesektor im Vergleich mit einer Reihe andere Berufszweige nicht sehr variiert. Für bestimmte Arbeiten ist es sogar möglich, Personen zu beschäftigen, die keine oder nur eine kurze Ausbildung im Pflegeberuf besitzen. Besonders für Tätigkeiten in der häuslichen Hilfe werden keine speziellen Kenntnisse benötigt. Nach der Suchtheorie besitzt das Pflegeunternehmen damit auch unter diesem Gesichtspunkt keine Notwendigkeit, einen hohen Lohn zu offerieren. Auch mit hohen Lohnangeboten ist es kaum möglich, deutlich produktivere Arbeitskräfte zu rekrutieren.200 Nicht unerwähnt bleiben darf, dass allerdings auch im Pflegebereich eine Reihe von Tätigkeiten existieren, die eine höhere Ausbildung voraussetzen. Für diese Stellen müsste der Pflegeanbieter deutlich höherer Löhne offerieren. Wenn dies unterbleibt, können diese Stellen nicht besetzt werden. Insgesamt zeigt sich eine Reihe von Gründen für den vielfach zu beobachtenden Nachfrageüberschuss bei Pflegekräften. Aufgrund der Monopsonmacht und der inflexiblen Lohnstruktur tritt ein entsprechende Ungleichgewicht insbesondere bei einem dominierenden öffentlichen Anbieter auf. Private Pflegeunternehmen werden zu niedrige Löhne bei Existenz eines regionalen Monopsons aufweisen. Die Argumente der Suchtheorie gelten unabhängig von der Trägerschaft und der Marktstruktur.

4. Der Arbeitsmarkt für Pflegekräfte in Nordeuropa a) Ein Überblick Ähnlich wie in anderen Industrieländern ist auch auf dem Arbeitsmarkt für Pflegekräfte in Skandinavien ein Nachfrageüberschuss zu verzeichnen. Den Pflegeanbietern fällt es schwer, Arbeitskräfte zu rekrutieren. Im Jahre 1999 bekundeten in Dänemark 66 Kommunen Schwierigkeiten, Pflegepersonal zu finden.201 Die Autoren einer dänischen Sozialstudie202 meinen, dass sich diese Situation in den nächsten Jahren wahrscheinlich weiter verschlechtern wird. Eine dänische Hochrechnung ergab, dass in den nächsten Jahren bei gleichbleibendem Qualitätsstand die Anzahl des Pflegepersonals um jährlich 1,5 % zunehmen müsste.203 67 Kommunen in Dänemark rechnen damit, dass sie in den nächsten Jahren verstärkt Pfle200 Zu einer entsprechenden Untersuchung aus Großbritannien siehe Nickell / Quintini (2002), S. 107 – 118. 201 Vgl. Den Sociale Database (2000). 202 Vgl. ebenda. 203 Durch den Ausbau des Pflegesektors ist in der Vergangenheit eine etwas größere Wachstumsrate des Bestands an Pflegekräften zu verzeichnen gewesen. So wuchs die Beschäftigtenzahl in den 90er Jahren jährlich um zwischen 2 % und 4 %. Vgl. Kommunernes Landsforening (1998).

VII. Der Arbeitsmarkt für Pflegekräfte

263

gekräfte einstellen müssen.204 Die Probleme bei der Rekrutierung von Personal werden noch durch die Altersstruktur der Arbeitskräfte verschärft. In Dänemark ist ein Viertel der Beschäftigen im kommunalen Sektor über 50 Jahre alt. Das Durchschnittsalter beträgt 41 Jahre. Zum Vergleich: Im privaten Sektor liegt das Durchschnittsalter der Beschäftigten bei 35,7 Jahren.205 Nach entsprechenden Prognosen verlassen in den nächsten 10 Jahren etwa 18 000 Arbeitskräfte der häuslichen Hilfe und 12 000 Fachkräfte der Krankenpflege den kommunalen Arbeitsmarkt. Dies bedeutet, dass in einer durchschnittlichen dänischen Gemeinde jährlich 10 % bis 12 % der Beschäftigten in der häuslichen Hilfe in Pension gehen werden. Bei den Pflegenden in der Krankenbetreuung liegt der entsprechende Prozentsatz zwischen 7 % und 9 %.206 Somit sind in den kommenden Jahren zusätzlich zur Schaffung von neuen Stellen in erheblichem Umfang Wiederbesetzungen in den Gemeinden in Rechnung zu stellen. In Norwegen zeigt sich eine ähnliche Personalsituation wie in Dänemark. Das Interesse von Schulabgängern, im Pflegebereich zu arbeiten, ist hier in den letzten Jahren weiter abgesunken. Von 1994 bis 1998 halbierte sich die Zahl der Auszubildenden in den Pflegeberufen.207 In Schweden verschwanden die Rekrutierungsschwierigkeiten durch den bedeutenden Anstieg der Arbeitslosenzahlen infolge der Rezession im Jahre 1992 fast vollständig.208 Auch gegen Ende der 90er Jahre war die Erwerbslosenzahl noch auf einem so hohen Niveau, dass noch kein Engpass auf dem Arbeitsmarkt für Pflegekräfte zu beobachten war. Ein Großteil der Beschäftigen im Pflegesektor hatte aber keine fachspezifische Ausbildung vorzuweisen.209 Zu Beginn des 21. Jahrhunderts treten auch in Schweden erhebliche Rekrutierungsprobleme auf.210 Dem jährlichen Bedarf an 18 000 Pflegekräften stehen nur ca. 7 000 Absolventen von Ausbildungs- und Weiterbildungseinrichtungen gegenüber.211 Das Durchschnittsalter der kommunalen Beschäftigten ist auch in Schweden mit 44 Jahren vergleichsweise hoch. 37 % haben das 50. Lebensjahr bereits überschritten. Nur 12 % der kommunalen Arbeitskräfte sind jünger als 30.212 Diese Altersstruktur erfordert in den nächsten Jahren ebenso wie in Dänemark in zunehmendem Maße Neueinstellungen. Einige mögliche Ursachen für den Nachfrageüberschuss wurden im letzten Unterkapitel genannt. In Nordeuropa reiben sich gravierende regionale Unterschiede 204 Eine nähere Darstellung der Probleme des kommunalen Arbeitsmarkts findet man z. B. bei Beskæftigelses Ministeriet (1999); Finansministeriet (2000). 205 Vgl. Institut for Fremtidsforskning (2000). 206 Vgl. Kommunernes Landsforening (1998). 207 Vgl. Strøm (1994). 208 Vgl. Korpi (1995), S. 271. 209 Vgl. Schwedisches Institut (2001a). 210 Vgl. Statistiska centralbyrån (2002). 211 Vgl. Landstingsförbundet (2002). 212 Vgl. Norberg / Ribacke (2001), S. 10 – 11.

264

H. Historische und gegenwärtige Entwicklung des Pflegesektors

mit der erwähnten Inflexibilität der Lohnbildung der öffentlichen Hand.213 Dies könnte die Hauptursache für die Ungleichgewichtigkeiten sein. So vermelden die Gemeinden in Regionen mit entwickelter Industrielandschaft die größten Schwierigkeiten bei der Einstellung von Arbeitskräften.214 Die Kommunen in eher strukturschwachen Regionen haben geringere Probleme. b) Die Lohnbildung der Kommunen Die Gemeinden sind der größte Arbeitgeber für Pflegepersonal in Nordeuropa. Die Entlohnung der meisten Pflegekräfte ist somit von der kommunalen Lohnbildung abhängig. Die Lohnbildung in den Gemeinden ist über Jahrzehnte hinweg mehreren Veränderungen unterworfen worden. Von dezentralen Lohnverhandlungen über enge zentralstaatliche Vorgaben bis zu einer wieder zunehmenden Stärkung der Bewegungsfreiheit hat die Lohnbildung der Kommunen allein im 20. Jahrhundert eine abwechslungsreiche Geschichte erfahren. In Schweden wurden um 1920 die Gemeindelöhne noch in lokalen Verhandlungen zwischen den Kommunen und den Fachorganisationen der kommunalen Beschäftigen ausgehandelt. Die zunehmende Zentralisierung der Lohnverhandlungen fand dann zwischen 1965 und 1970 ihren Höhepunkt. In diesem Zeitraum wurden Lohnerhöhungen und Anstellungsverhältnisse vollständig zentral festgesetzt. Im Jahre 1970 wurden den schwedischen Kommunen u. a. Vorschriften erteilt, welche Stellen zu besetzten seien und welcher Lohn dafür gezahlt werden müsse.215 Bereits in den 70er Jahren zeigten sich dann in Teilbereichen Bemühungen in Richtung einer Dezentralisierung.216 Derzeit können Löhne in Schweden innerhalb eines zentralstaatlich vorgegebenen Rahmens autonom festgesetzt werden.217 Sie sind damit ein Element der Lokalpolitik geworden.218 In Norwegen wird die Lohnbildung in den Kommunen derzeit stärker als in Schweden reguliert. Die Löhne der kommunalen Beschäftigten werden hier traditionell zentral in Verhandlungen zwischen den verschiedenen Gewerkschaften auf der Arbeitnehmerseite219 und dem Verband der Kommunen (Kommunernes Sentralforbund) auf der Arbeitgeberseite festgesetzt.220 Alle Gemeinden verwenden Vgl. Pohjola (1992), S. 44 – 81. Vgl. Institut for Fremtidsforskning (2000). 215 Vgl. Svenska Kommunförbundet (1997), S. 64. 216 In den 70er Jahren wurde allerdings in Schweden eine Reihe von Gesetzen verabschiedet, die die Rechte der Arbeitnehmer stärkten. Dazu gehören das Mitbestimmungsrecht (Medbestämmanddelagen) und das Gesetz zum Kündigungsschutz (Lagen om anställningsskydd). Vgl. Svenska Kommunförbundet (1997), S. 65. 217 Vgl. Vartiainen (1995), S. 23 – 24. 218 Vgl. Svenska Kommunförbundet (1997), S. 36 – 37. 219 Die größte Gewerkschaft im kommunalen Bereich ist die Organisation der kommunal Beschäftigten (Norsk Kommuneforbund). 220 Vgl. Strøm (1994), S. 10; Torp (1996), S. 122 – 123. 213 214

VII. Der Arbeitsmarkt für Pflegekräfte

265

die gleiche Lohntabelle. Ein Krankenpfleger im Norden Norwegens erhält den gleichen Lohn wie sein Pendant in Oslo. Eine Möglichkeit zur Variation der Gehälter besitzen die Kommunen dahingehend, dass sie bei der Einstufung der Beschäftigten Spielraum erhalten. Sie können beispielsweise entscheiden, ob eine Arbeitskraft als einfacher Krankenpfleger oder als Krankenpfleger mit speziellen Fähigkeiten eingestellt wird. Außerordentliche Gehaltserhöhungen können durch eine neue Klassifizierung durchgesetzt werden. Mit Hilfe dieser Möglichkeit können Unterschiede auf den lokalen Arbeitsmärkten zum Teil ausgeglichen werden.221 In Dänemark waren die Beschäftigungsverhältnisse der Kommunen jahrzehntelang ebenso wie in Schweden und Norwegen durch einengende zentralstaatliche Vorgaben fixiert. Im Jahre 1998 wurde in einigen Kommunen ein neues Lohn- und Gehaltssystem etabliert, dass im nächsten Unterkapitel dargestellt wird. Anders als in vielen Staaten außerhalb Nordeuropas sind die Saläre in den Kommunen über Jahrzehnte im Durchschnitt nur wenig niedriger gewesen als in den privaten Unternehmen. Dies ist auf den ersten Blick erstaunlich, sind doch die Produktivitätsfortschritte in den Gemeinden bei den dort vorwiegend arbeitsintensiven Tätigkeiten geringer als in privaten Unternehmen. Die Löhne dürften demnach in den Gemeinden weniger zunehmen. Die dennoch ähnlichen Lohnsteigerungen werden in der Arbeitsmarkttheorie damit begründet, dass die Arbeitskräfte bei der Berufswahl nur dann den öffentlichen Sektor wählen, wenn dort die Lohnentwicklung ähnlich der in der privaten Wirtschaft ist. In Anbetracht der größeren Arbeitsplatzsicherheit im öffentlichen Sektor bildet sich ein Arbeitsmarktgleichgewicht dort allerdings bereits dann heraus, wenn das Lohnniveau auch etwas niedriger ist. Zudem ist zu bedenken, dass hohe Einkommensteuersätze Lohnerhöhungen sowieso relativ unattraktiv erscheinen lassen. Auch private Unternehmen können mit Hilfe höherer Bruttolöhne nur bedingt ein größeres Arbeitsangebot attrahieren.222 Diesen Erklärungen sind noch zwei nordeuropa-spezifische Gründe hinzuzufügen.223 Erstens wird der Arbeitsmarkt in Skandinavien grundsätzlich durch eine gemäßigte, auf Konsens orientierte Lohnpolitik bestimmt.224 Erinnert sei hier an die im Kapitel D.II. dargestellte Lohnpolitik der Solidarität in Schweden. Diese impliziert u. a. eine Lohnzurückhaltung bei privaten Unternehmen. Zweitens ist zu berücksichtigen, dass durch eine Erhöhung der Arbeitseinkommen der Gemeindebeschäftigen die kommunalen Steuereinnahmen zunehmen. Eine Lohnerhöhung von 100 skr kostet beispielsweise die schwedischen Gemeinden bei einem lokalen Steuersatz von 20 % nur 80 skr. Eine Studie des schwedischen Kommunalverbands ergab, dass eine Erhöhung der Löhne von Gemeindebeschäftigten um 1 % die Steuereinnahmen der Kommunen um 1,4 Mrd. skr erhöht.225 221 222 223 224 225

Vgl. Strøm (1994), S. 3. Vgl. Westgård-Nielsen (1996), S. 6. Vgl. Strøm (1991), S. 27. Vgl. Strøm (1991), S. 27; Vartiainen (1995), S. 1 – 26. Vgl. Svenska Kommunförbundet (1997), S. 25.

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H. Historische und gegenwärtige Entwicklung des Pflegesektors

Insgesamt zeigt sich, dass trotz einer zunehmenden Dezentralisierung immer noch im großen Maße eine einheitliche Lohnpolitik betrieben wird. Den wenigsten Spielraum besitzen die Kommunen in Norwegen. Aber auch in Schweden und Dänemark könnte die inflexible Lohnpolitik der öffentlichen Hand eine wesentliche Ursache für das permanente Arbeitsmarktungleichgewicht darstellen.

5. Lösungs- und Reformversuche Um die Probleme auf dem Arbeitsmarkt für Pflegekräfte zu beseitigen oder wenigstens zu lindern, wurde in den letzten Jahren eine Reihe von Maßnahmen veranlasst. Häufig blieb die Umsetzung jedoch hinter den Diskussionen zurück.226 Die Schwierigkeit besteht auch darin, die Personalprobleme unter dem Aspekt der Qualitätssicherung zu lösen. Die Lohnstrukturen als wesentlichen Auslöser von Ungleichgewichten werden nur in kleinen Schritten reformiert. Bevorzugt werden Änderungen in der Koordination und Organisation. In Schweden wird angestrebt, Fachkräfte aus angrenzenden Bereichen für den Pflegebereich zu gewinnen. Gedacht ist beispielsweise an Krankengymnasten, Sozialpädagogen und Psychologen. Zudem sollen ausgebildete Pflegekräfte von Verwaltungsaufgaben entbunden werden. Diese Arbeiten sollen von Verwaltungskräften übernommen werden. Eine Verbesserung des Arbeitsangebots soll auch dadurch erreicht werden, dass jungen Menschen der Bedarf an Arbeitskräften in der Pflege besser vermittelt wird.227 Darüber hinaus sollen die Löhne durch die langsame Dezentralisierung der kommunalen Lohnbildung stärker dem lokalen Angebot an Arbeitskräften angepasst werden. Der zunehmende Einfluss der Gemeinden auf die Lohnsätze ist aber für viele noch ungewohnt. Einige zögern in der Umsetzung. Es zeigt sich deutlich, dass keine Tradition dafür besteht, Löhne als Steuerungsinstrumente einzusetzen.228 Dänemark realisierte in den 90er Jahren die bedeutendsten Arbeitsmarktreformen in Nordeuropa. Seit 1994 nahm durch vielfältige Maßnahmen die Flexibilität auf dem Arbeitsmarkt zu, wobei auch die Anreize für die Arbeitsaufnahme erhöht wurden. Umgestaltungen gab es z. B. im Bereich der Arbeitslosenversicherung.229 Seit 1998 ist es den Gemeinden möglich, ein neues Lohn- und Gehaltssystem (Ny Løn) anzuwenden.230 Mit dessen Hilfe soll auch im öffentlichen Dienst ein stärkerer Zusammenhang zwischen den Arbeitsleistungen, den Qualifikationen und der Höhe des Lohns hergestellt werden. Eine wichtige Neuerung ist, dass die einzelnen Kommunen einen größeren Einfluss bei der Lohnbildung besitzen. Es ist den Ge226 227 228 229 230

Vgl. Naschold / Riegler (1996), S. 21. Vgl. Landstingsförbundet (2002). Vgl. Svenska Kommunförbundet (1997), S. 47. Vgl. IMF (1999), S. 25 – 26. Vgl. Pedersen (2000).

VII. Der Arbeitsmarkt für Pflegekräfte

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meinden nach dem neuen Lohnsystem möglich, für jeden Arbeitsplatz einen speziellen Lohn festzusetzen. Damit verfügt die Kommune bei Verhandlungen mit potenziellen Arbeitskräften über einen Verhandlungsspielraum. Im Weiteren soll den Beschäftigen auch ein stärkerer Anreiz zur Weiterbildung gegeben werden.231 Mit diesem neuen Lohnsystem ist es möglich, das Arbeitsangebot zu erhöhen und Personen mit Fachkenntnissen zu rekrutieren. Zudem können die Unterschiede auf den lokalen Arbeitsmärkten berücksichtigt werden. Neben der Etablierung des neuen Lohnsystems werden auch verstärkt Anstrengungen getätigt, die Anzahl der Auszubildenden in Pflegeberufen zu erhöhen.232 Ein Teil des Arbeitskräftemangels soll darüber hinaus durch Umschulungen abgefedert werden. Allerdings werden damit vorwiegend ältere Personen zur Pflegekraft ausgebildet; der Altersdurchschnitt der Erwerbstätigen in diesem Sektor ist aber bereits überdurchschnittlich hoch. Durch diese Maßnahme kann er kaum gesenkt werden. Weiterhin wurde eine Reihe von Stellen für Teilzeitarbeit ausgeschrieben.233 Die 66 dänischen Gemeinden, die von Rekrutierungsschwierigkeiten betroffen sind, zeigen unterschiedliche Vorgehensweisen bei der Lösung dieser Probleme. Viele Kommunen schlugen auch mehrere Wege ein. Wie eine dänische Studie ergab, betrauten 47 Kommunen private Unternehmen bzw. Wohlfahrtsverbände mit einem Teil der Fürsorge. In 33 Gemeinden wurden Personen mit andersartigen Qualifikationen eingestellt. 13 Kommune beschlossen organisatorische Änderungen. Das neue Lohnsystem wurde nur in 11 der betroffenen 66 Gemeinden etabliert. In Norwegen versucht das Sozialministerium, durch eine Erhöhung der Zuweisungen den Personalproblemen erfolgreich zu begegnen. Im Jahre 2000 wurden zusätzliche Mittel im Umfang von 402 Mio. nkr bereitgestellt. Einen Teil davon erhielten die Kommunen für die Einstellung von Personal. Ein anderer Teil wird zur Förderung der Ausbildung an höheren Schulen im Gesundheits- und Sozialbereich verwendet. Da finanzielle Mittel des Zentralstaates im Vergleich zu Schweden und Dänemark reichlich vorhanden sind, ist dieser Weg in Norwegen gangbar. Allerdings fehlt den norwegischen Maßnahmen der Tiefgang, um eine grundlegende Wende am Arbeitsmarkt für Pflegekräfte herbeizuführen. Die Lohnbildung der Kommunen bleibt weiterhin inflexibel. Die Attraktivität des Pflegeberufs konnte in entwickelten Industriegebieten trotz Bereitstellung zusätzlicher Mittel nicht wesentlich erhöht werden. Teile der Bevölkerung äußern Unverständnis über die zurückhaltende Verwendung der Erdöleinnahmen. Norwegens Sozialpolitik befindet sich noch mehr als die der anderen betrachteten Länder in der Situation, die Wünsche der heutigen und der zukünftigen Generation sorgfältiger abwägen zu müssen.

231 232 233

Vgl. HK / Kommunal (2000). Vgl. ebenda. Vgl. Kleppa (1999).

I. Zusammenfassung Die Arbeit widmete sich der Untersuchung des Pflegerisikos in Schweden, Norwegen und Dänemark. Hierbei wurden sowohl das Problem der finanziellen Absicherung als auch die Angebotsseite der Pflege analysiert. Als eine zentrale Frage wurde diskutiert, in welchem Umfang staatlicher Einfluss hinsichtlich der beiden Aspekte gerechtfertigt ist. Der Schwerpunkt lag zudem auf der Untersuchung von distributiven und allokativen Aspekten. Neben der theoretischen Analyse des Pflegerisikos und ihrer Anwendung auf das Pflegesystem in Skandinavien wurden weitere Probleme der nordeuropäischen Pflegepraxis erörtert. Berücksichtigung fand auch das demographische und wirtschaftliche Umfeld, so dass Prognosen hinsichtlich der zukünftigen Entwicklung aufgestellt werden konnten. Bei der Darstellung der Methoden der finanziellen Absicherung des Pflegerisikos war davon auszugehen, dass eine unterlassene bzw. ungenügende Vorsorge im Schadensfall zu erheblichen Zusatzkosten führen kann. Das eigene Einkommen und Vermögen reichen dann im Regelfall nicht aus, die anfallenden Aufwendungen zu tragen. Es besteht die Gefahr einer Verelendung, einer Armut im Alter. Eine solche Entwicklung kann aus gesellschaftlicher Sicht nicht wünschenswert sein. Die Verarmung einer Person verursacht negative externe Effekte bei anderen Bürgern. Beispielsweise müssen die fiskalischen Kosten einer sozialen Grundsicherung dann von den Steuerzahlern getragen werden. Um das finanzielle Risiko der Pflegebedürftigkeit zu mindern, ist eine Absicherung der gesamten Bevölkerung sinnvoll. Es wurde gezeigt, dass auf einem unregulierten Markt eine geringe Nachfrage nach Pflegeversicherungen zu verzeichnen ist. Zur Verhinderung von Marktversagen ist ein staatlicher Eingriff in Form einer Versicherungspflicht zu rechtfertigen. Als Anbieter von Versicherungen können private Unternehmen agieren. Tritt der Staat selbst als Anbieter auf, möchte dieser die Risikoabsicherung mit anderen sozialpolitischen Zielen verknüpfen. So bevorzugt er die Implementierung von Umverteilungselementen. Es bleibt fraglich, ob diese Verbindung von Distributionsund Allokationsaufgaben angebracht ist. Eine überzeugende Rechtfertigung konnte dafür nicht gefunden werden. In den nordischen Länder ist die staatliche Einflussnahme auf die finanzielle Pflegeabsicherung erheblich. Ein Großteil der Leistungen wird von den Kommunen bereitgestellt. Die Finanzierung erfolgt mehrheitlich über die kommunalen Einnahmen und dabei vorwiegend über die kommunale Einkommensteuer. Einige

I. Zusammenfassung

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Geldleistungen werden in Schweden und Norwegen aber auch über eine Sozialversicherung, in Dänemark über das allgemeine Steueraufkommen des Zentralstaates bereitgestellt. Bei der Untersuchung der Sozialsysteme zeigte sich, dass die gesamte Bevölkerung umfassend abgesichert wird. In Dänemark werden die Leistungen zudem weitgehend einkommensunabhängig bereitgestellt, so dass die Charakterisierung als „universelles Sozialsystem“ hier in vollem Umfang zutrifft. Die schwedischen und norwegischen Lösungen werden zwar vielfach auch als „universelle Systeme“ bezeichnet, allerdings sind hier die meisten Sozialleistungen einkommensabhängig. Die Untersuchung zur Absicherung des Pflegerisikos über die Gemeinden erbrachte, dass die finanzielle Eigenständigkeit der Kommunen erheblich eingeschränkt ist. So sollen über zentralstaatliche Regeln bzw. vertikale und horizontale Finanzausgleiche allzu große Unterschiede zwischen den Gemeinden verhindert werden. Neben einer mangelhaften Anreizverträglichkeit hinsichtlich effizienten Handelns ergeben sich damit auch die typischen Probleme der Mischfinanzierung. Die Betrachtung der Wohlfahrtskosten der kommunalen Pflegeabsicherung ergab, dass diese erheblich sind. Eine beträchtliche Größenordnung nimmt dabei die Zusatzlast der Einkommensbesteuerung ein. Es ist zu bedenken, dass einerseits keine Beitragsbemessungsgrenze existiert und andererseits die Steuersätze innerhalb des jeweiligen Landes etwas differieren. Eine Wohlfahrtseinbuße ergibt sich zudem durch den einheitlich hohen Deckungsumfang der Absicherung, der keine individuelle Differenzierung nach der Zahlungsbereitschaft vorsieht. Da der Finanzierungsbeitrag einkommens- und nicht risikoabhängig erhoben wird, sind zudem die Umverteilungswirkungen erheblich. Menschen mit hohem Einkommen subentionieren die Pflegeabsicherung von Bürgern mit niedrigem Einkommen. Durch die Großzügigkeit der Leistungen im Alter ist aber auch die intertemporale Umverteilung bedeutend. Demographische und wirtschaftliche Entwicklungen könnten zu einer Einschränkung des Pflegeangebots in naher Zukunft führen, wodurch eine intergenerationelle Ungleichbehandlung ausgelöst würde. Die derzeitigen Erwerbsbeschäftigen finanzieren umfassende Pflegeleistungen der derzeitig Bedürftigen. Wenn sie selbst zum Pflegefall werden, erhalten sie möglicherweise geminderte Leistungen. Bei der Darstellung der Pflegeabsicherung wurde deutlich, dass in Skandinavien für ähnliche Risiken unterschiedliche Zuständigkeiten bestehen. So sind die Kommunen überwiegend für die Pflegesachleistungen und die Sozialversicherung (Schweden / Norwegen) bzw. der Zentralstaat (Dänemark) für die Pflegegeldleistungen verantwortlich. Die sachverwandten Leistungen des Gesundheitswesens fallen jedoch unter das Ressort der zweiten Verwaltungsebene (Schweden / Dänemark) bzw. des Zentralstaates (Norwegen). Es bestehen somit vielfältige Möglichkeiten, Kosten in die jeweils anderen Zuständigkeitsbereiche zu verschieben. Daraus können Fehlallokationen entstehen.

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I. Zusammenfassung

Die Betrachtung der Verteilungswirkungen von Selbstbeteiligungen ergab, dass im Gegensatz zur Steuerfinanzierung hierbei eine ausgeprägte Äquivalenz zwischen Beitragshöhe und erhaltener Leistung auftritt. Wenn der Finanzierungsanteil der Selbstbeteiligungen steigt, nimmt die interpersonelle Umverteilung durch die Steuerfinanzierung ab. Neben den Verteilungswirkungen sind aber auch die Finanzierungs- bzw. Steuerungswirkung der Selbstbeteiligungen zu berücksichtigen. Hierbei zeigte die Analyse, dass durch die weitgehend unelastische Nachfrage die Finanzierungswirkung die Steuerungswirkung dominiert. Eine gewisse Umsteuerungswirkung ist zwischen ambulanter und stationärer Pflege sowie häuslicher Hilfe zu erwarten. In Nordeuropa können die Gemeinden die Höhe der Selbstbeteiligungen innerhalb eines Rahmens selbst festlegen. In Schweden und Norwegen werden Selbstbeteiligungen für die häusliche Hilfe erhoben (im Gegensatz zur Krankenpflege). Wie die theoretische Erörterung offenbarte, wirken Selbstbeteiligungen in der häuslichen Hilfe regulierend. In Dänemark erfolgt die Nachfragesteuerung über Prioritätenlisten. Da keine einschlägigen Informationen über die Nachfragelastizität vorliegen, ist die Kappung der Nachfrage mit Hilfe solcher Listen zwar einfacher, die Zahlungsbereitschaft und damit auch der Grenznutzen bleiben aber unberücksichtigt. Bei der Erörterung des Pflegeangebots wurde untersucht, ob Leistungen auch durch private Anbieter bereitgestellt werden können bzw. inwieweit staatliche Einflussnahme erfolgen sollte. Die theoretische Analyse ergab, dass sowohl in der ambulanten als auch in der stationären Versorgung kein grundsätzliches Argument gegen eine private Trägerschaft spricht. Problematisch kann die Erbringung von privaten Pflegeleistungen zwar werden, wenn kein ausreichender Wettbewerb zwischen verschiedenen Anbietern existiert. In einem solchen Fall könnte allerdings eine staatliche Qualitätskontrolle als Eingriff ausreichen. Widersprüchlich zu dieser allgemein-theoretischen Analyse ist die Situation in den nordischen Ländern. Der staatliche Einfluss geht über zu rechtfertigende Interventionen hinaus. Den größten Teil der Leistungen stellen die Kommunen in Eigenregie bereit. Es ist zwar zu berücksichtigen, dass private Unternehmen in entlegenen Regionen ihre Monopolstellung ausnutzen könnten. Es ist aber fraglich, ob ein öffentliches Unternehmen in gleicher Situation auf effizientere Art und Weise Leistungen bereitstellt. Auch das Argument, dass die Qualitätskontrolle am kostengünstigsten dadurch gewährleistet werden kann, dass der Staat selbst die Bereitstellung übernimmt und die Überwachung intern vornimmt, konnte nicht untermauert werden. Da die einzelnen Kommunen für die Pflege zuständig sind, ist eine Qualitätskontrolle durch den Zentralstaat nicht unkompliziert. Bei der Analyse der Privatisierung von Pflegeleistungen wurden die Privatisierungsformen in Nordeuropa, wie das Auftraggeber-Auftragnehmer-Modell und das Ausschreibungsmodell, vorgestellt. Dabei wurde kritisch gewertet, dass eine vollständige Risikoübertragung bei keinem der Systeme vorgenommen wird. Die Verantwortung für die Pflege verbleibt bei den Kommunen. Es zeigte sich, dass der

I. Zusammenfassung

271

Privatisierungsumfang in Schweden am größten ist. Der Marktanteil der Privaten liegt hier bei etwa 10 %. Bei den Leistungen, die an Private vergeben werden, handelt es sich insbesondere in Dänemark und Norwegen um Hilfsdienste und weniger um die persönliche Pflege. Bei der Privatisierung tritt eine Reihe von Problemen auf. Ein Großteil ist dabei auf fehlende Erfahrung bei der Kontrolle von privaten Pflegeanbietern zurückzuführen. Hinsichtlich der Transaktionskosten ist jedoch mit abnehmenden Skalenerträgen zu rechnen, d. h. die Kosten werden mit zunehmender Privatisierung überproportional sinken. Die Darstellung des Spektrums der Pflegeleistungen in Nordeuropa verdeutlichte das umfangreiche und vielfältige Betreuungsangebot. Unterschiede zwischen den nordischen Ländern bestehen beispielsweise darin, dass in Norwegen die stationäre Versorgung dominiert, während in Dänemark ein ausgebauter ambulanter Sektor besteht. Zudem ist die Bedeutung der altersgerechten Wohnungen in Schweden und Dänemark größer als in Norwegen. Unterschiede existieren auch bei der Bedarfsprüfung. Sie ist in Schweden seit den 80er Jahren vergleichsweise restriktiv. In Dänemark werden die kommunalen Leistungen dagegen eher großzügig angeboten. Unterschiede ergaben sich auch bei der Entwicklung der Zahl der Pflegeplätze bzw. des Versorgungsgrads. Während in den letzten Jahrzehnten in Schweden die Kapazitäten sowohl der ambulanten als auch der stationären Pflege reduziert wurden, nahm in Dänemark und Norwegen die Anzahl der ambulanten Pflegeplätze zu. Die Zahl der Plätze in der stationären Versorgung verringerte sich jedoch auch in diesen beiden Ländern. Die Diskussion erbrachte als mögliche Ursachen die Substitution durch ambulante Plätze und die Erhöhung der Wohnfläche pro Person bei zögerlicher Neubauaktivität. Bedeutende Qualitätsprobleme in der Pflege ergeben sich vielfach durch die mangelhafte Koordination der verschiedenen Pflegeangebote. Ferner reagieren die Gemeinden bei Änderungen der Bedürftigkeit häufig inflexibel. Bei altengerechten Wohnungen bereiten die unterschiedlichen Pflegebedürftigkeitsgrade Probleme. Zudem werden von einem Großteil der Bevölkerung diverse Rationalisierungsmaßnahmen abgelehnt. So wird die vermehrt standardisierte und unpersönliche Versorgung im ambulanten Dienst als eine erhebliche Qualitätseinbuße angesehen. Auch die zunehmenden Wartezeiten werden kritisiert. Die Erläuterung der informellen Pflege ergab, dass diese Betreuungsform in Nordeuropa eine geringere Bedeutung als in anderen Ländern aufweist. Die Ursachen dafür liegen u. a. im hohen Beschäftigungsgrad der Frauen, in der Haushaltsstruktur und im hohen Ausbauniveau des formellen Pflegesektors. Es wurde jedoch auch gezeigt, dass die ambulante Pflege in wesentlichem Umfang nicht als Substitut, sondern als Komplement zur informellen Betreuung angesehen werden muss. Die informelle Pflege nimmt damit in Skandinavien zwar eine geringere, aber trotz allem noch bedeutende Rolle im Bereich der Fürsorge ein.

272

I. Zusammenfassung

Insgesamt zeigte sich, dass die Pflegeabsicherung in den nordischen Ländern mit dem Ausbau des Wohlfahrtsstaates einen erheblichen Versorgungsgrad erreicht hat. Die Kosten der angebotenen Leistungen sind aber beträchtlich. Der KostenNutzen-Vergleich des Pflegeangebots ergab ein kritisches Bild. Neben Wohlfahrtskosten auf der Finanzierungsseite entstehen auch auf der Angebotsseite erhebliche Aufwendungen. Das Verhältnis von Pflegekräften zu betreuten Personen erreicht in den nordischen Ländern besonders in der stationären Versorgung Spitzenwerte. Der hohe Personaleinsatz ist teilweise als beschäftigungspolitische Aktion der öffentlichen Hand zu verstehen. Es ist unumstritten, dass dieses System Veränderungen benötigt. Reformanstrengungen sind insbesondere in Schweden und Dänemark unübersehbar. Durch Ausschreibungen an Private auf der einen Seite und institutionelle Veränderungen auf der anderen Seite wird eine Lösung der Kosten- und Qualitätsprobleme erhofft. Die norwegische Fiskalpolitik weicht etwas von den Maßnahmen in den beiden anderen Ländern ab. Vor dem Hintergrund der erheblichen Erdölvorkommen ist der Reformdruck hier deutlich geringer ausgeprägt. Aber auch in Schweden und Dänemark ist kein grundlegender Kurswechsel in Sicht. Es bleibt somit abzuwarten, inwieweit die nordischen Länder mit überwiegend internen kommunalen Reformen und pragmatischem Vorgehen die demographischen und wirtschaftlichen Herausforderungen meistern werden.

J. Anhang 1. Ergänzung zu Kapitel C. Tabelle J-1 Bevölkerungsstruktur in Nordeuropa Dänemark 1999

Norwegen 1999

Schweden 1999

Geschlecht

Altersgruppe

Anzahl [in Tsd.]

Anteil [in %]

Anzahl [in Tsd.]

Anteil [in %]

Anzahl [in Tsd.]

Anteil [in %]

Männer

0 – 6 Jahre

247

9

218

10

335

8 15

7 – 17

337

13

319

14

637

18 – 24

235

9

198

9

369

8

25 – 49

987

38

831

38

1 541

35

50 – 64

494

19

357

16

828

19

65 – 79

261

10

222

10

505

12

ab 80

68

3

63

3

164

4 100

Gesamt Frauen

2 628

100

2 208

100

4 379

0 – 6 Jahre

235

9

206

9

319

7

7 – 17

320

12

303

13

602

13

18 – 24

228

8

192

8

354

8

25 – 49

952

35

798

35

1 481

33

50 – 64

494

18

354

16

818

18

65 – 79

322

12

274

12

606

14

ab 80

139

5

126

6

300

7 100

Gesamt Frauen und Männer

2 691

100

2 254

100

4 480

0 – 6 Jahre

482

9

424

10

654

7

7 – 17

657

12

622

14

1 239

14

18 – 24

463

9

389

9

723

8

25 – 49

1 940

36

1 630

37

3 022

34

50 – 64

987

19

711

16

1 646

19

65 – 79

583

11

496

11

1 111

13

ab 80

207

4

189

4

464

5

5 319

100

4 462

100

8 859

100

Gesamt

Quelle: Eigene Zusammenstellung nach Daten von Nordic Social-Statistical-Committee (2001), S. 30. 18 Wild

274

J. Anhang Tabelle J-2 Bevölkerungsprognose nach Altersgruppen Anzahl [in Tsd.]

Altersgruppe

Jahr

Dänemark*

Norwegen

Schweden

Total

2010

5 527,9

4 692,4

9 114,1

2020

5 740,1

4 893,3

9 407,1

2030

5 994,3

5 085,3

9 622,8

2040

6 213,0

5 181,7

9 687,6

2010

1 024,0

880,3

1 459,9

2020

1 005,3

850,2

1 580,9

2030

1 096,4

885,3

1 611,1

2040

1 149,0

883,2

1 539,6

2010

675,2

606,3

1 214,8

2020

740,9

616,7

1 005,5

2030

714,0

581,8

1 085,8

2040

765,2

605,8

1 147,0

2010

1 859,9

1 600,7

2 962,0

2020

1 781,3

1 570,6

2 993,3

2030

1 840,8

1 589,5

2 924,4

2040

1 961,7

1 610,6

2 896,2

2010

1 085,1

898,6

1 755,0

2020

1 131,2

965,6

1 788,8

2030

1 110,2

964,3

1 735,4

2040

978,1

883,8

1 703,9

2010

659,6

498,2

1 230,0

2020

833,7

689,4

1 514,5

2030

868,5

772,3

1 511,0

2040

939,5

843,4

1 595,2

2010

224,1

208,3

492,5

2020

247,6

200,9

524,1

2030

364,3

292,2

755,1

2040

419,5

355,0

805,6

0 – 14

15 – 24

25 – 49

50 – 64

65 – 79

ab 80

* Ohne Färöer-Inseln und Grönland. Quelle: Eigene Zusammenstellung nach Daten von Nordic Council of Ministers (2001), S. 92.

J. Anhang

275

Tabelle J-3 Kennzahlen der Einwandererbevölkerung Land

Ausländische Bevölkerung 1998 [in Tsd.]

Ausländische Bevölkerung 1998 [in % der Gesamtbevölkerung]

Ausländische Arbeitskräfte 1998 [in % der Gesamtbeschäftigten]

Dänemark

256

4,8

3,4

Norwegen

165

3,7

3,0

Schweden

500

5,6

5,1

BR Deutschland

7 320

8,9

7,1*

Frankreich

3 597*

6,3*

6,1

Großbritannien

2 207

3,8

3,9

662

4,0

2,9

Niederlande Österreich Schweiz

737

9,1

9,9

1 348

19,0

17,3

* Daten von 1990. Quelle: Weltbank (2001), S. 358 – 361.

2. Ergänzung zu Kapitel D. Tabelle J-4 Staatsausgaben nach Bereichen Sektor

Anteil der Sektoren [in % der Staatsausgaben] Dänemark

Norwegen

Schweden

Soziale Sicherheit

42,5

39,9

25,7

Gesundheitsdienste

9,5

4,6

22,6

Bildung

14,8

6,1

21,2

Allg. öffentl. Dienst

8,0

5,2

5,6

Kommunikation

3,8

3,9

4,2

Verteidigung

2,9

5,8

8,0

Innere Sicherheit

1,7

1,9

4,9

Wohnungswesen

1,8

0,5

0,9

Kultur

3,0

1,1

5,2

Fischerei / Landwirtschaft

0,6

3,3

0,2

11,2

27,7

1,5

Sonstige Ausgaben

Quelle: Nordic Council of Ministers (2001), S. 228. 18*

276

J. Anhang Tabelle J-5 Struktur der Sozialausgaben 1995 und 1999

Bereich

Anteil der Sozialausgaben [in % des BIP] Dänemark

Norwegen

Schweden

1995

1999

1995

1999

1995

1999

Familien und Kinder

4,0

3,7

3,8

3,7

4,0

3,6

Arbeitslosigkeit

4,8

3,2

1,8

0,7

3,9

2,7

Krankheit

5,8

5,6

7,1

9,0

7,6

8,1

12,3

10,9

8,6

8,2

12,3

12,1

Behinderte

3,5

3,5

4,0

4,7

4,3

3,8

Hinterbliebene

...

...

0,4

0,4

0,9

0,8

Wohnungen

0,8

0,7

0,2

0,2

1,2

0,8

Andere Sozialausgaben

1,4

1,1

1,0

0,8

1,0

0,9

Altersversorgung

Quelle: Nordic Council of Ministers (2001), S. 112.

Tabelle J-6 Börsenkapitalisierung und Kreditmarkt Land

Börsenkapitalisierung 1998 [in Mrd. US-$]

Kreditbestand des Bankensektor 1998 [in % des BIP]

Dänemark

93 766

61,2

Norwegen

66 503

62,4

Schweden

272 730

80,9

BR Deutschland

825 233

145,8

Frankreich

674 368

103,3

1 996 225

129,3

Italien

344 665

93,6

Niederlande

468 736

131,5

35 724

131,9

575 338

177,2

11 308 779

162,8

Großbritannien

Österreich Schweiz USA

Quelle: Weltbank (2000), S. 260 – 261.

J. Anhang

277

Tabelle J-7 Ausgaben für Forschung und Entwicklung 1985 – 1997 Anteil der F&E-Ausgaben [in % des BIP] Land

1985

1991

1993

1995

1997

Dänemark

1,25

1,70

1,80

1,92

1,94

Norwegen

1,48

1,65

1,73

1,72

1,68

Schweden

2,88

2,89

3,39

3,59

3,85

Quelle: Nordic Council of Ministers (2001), S. 233.

Tabelle J-8 Kennzahlen des Arbeitsmarktes Land

Arbeitslosenquote 1996 – 1998 [in %]

Quote der Langzeitarbeitslosigkeit* 1996 – 1998 [in %]

Dänemark

5,5

27,2

Norwegen

4,1

10,6

Schweden

6,5

29,6

BR Deutschland

9,7

47,8

11,8

41,2

Frankreich Großbritannien

6,1

38,6

12,3

66,3

Niederlande

4,4

49,1

Österreich

4,2

28,7

Schweiz

3,6

28,5

USA

4,5

8,7

Italien

* Als langzeitarbeitslos gilt eine Person in dieser Statistik dann, wenn die Arbeitslosigkeit länger als ein Jahr andauerte. Quelle: Weltbank (2001), S. 56 – 59.

Tabelle J-9 Wechselkurse 1990 – 2002 Land

Lokale Währung zu US-$ 1990

2000

13. 03. 2002

Lokale Währung zu A 1990

2000

13. 03. 2002

Dänemark

6,1853

8,0903

8,4883

7,8737

7,4537

7,4349

Norwegen

6,2600

8,8000

8,8228

7,9660

8,1100

7,7279

Schweden

5,9100

9,1718

10,3873

7,5202

8,4465

9,0982

Quelle: Eigene Zusammenstellung nach Daten von Nordic Council of Ministers (2001), S. 188; Neue Zürcher Zeitung (2002), S. 16.

278

J. Anhang

3. Ergänzung zu Kapitel E. Tabelle J-10 Kennziffern der Dezentralisierung Nicht-zentralstaatliche Land

Ausgaben 1997 Steuereinnahmen [in % der 1997 [in % der öffentlichen gesamten SteuerAusgaben] einnahmen]

Anzahl der Gebietskörperschaften auf 2. Ebene (z. B. Provinz, Bundesstaat) 1999

auf lokaler Ebene (Kommune) 1999

Dänemark

54,5

31,5

16

275

Norwegen

37,4

19,6

19

435

Schweden

36,2

31,4

24

286

BR Deutschland

37,8

28,8

16

16 121

Frankreich

18,6

10,8

22

36 559

Großbritannien

27,0

3,6

135

319

Italien

25,4

6,5

20

8 104

Niederlande

26,1

4,1

12

572

Österreich

32,2

20,7

9

2 353

Schweiz

49,3

35,5

26

3 000

USA

46,4

32,9

51

70 500

Quelle: Weltbank (2000), S. 216 – 217.

Tabelle J-11 Kommunale Steuern und Ausgaben Land

Kommunale Ausgaben 1996 [in % der gesamten öffentlichen Ausgaben]

Kommunale Steuern 1996 [in % des gesamten Steueraufkommen]

Dänemark

54

31

Norwegen

31

18

Schweden

32

32

BR Deutschland

13

13

Frankreich

16

10

Schweiz

21

20

Quelle: Kommunernes Landesforening (2000); Schemmel (2002), S. 54.

J. Anhang

279

Tabelle J-12 Altersstruktur der Population der Rentenempfänger

Rentenempfänger [in Tsd. Personen]

Altersgruppe

Dänemark

16 bis 39-Jährige

33

32

71

40 bis 49-Jährige

52

50

94

50 bis 54-Jährige

49

45

83

54 bis 59-Jährige

74

50

108

60 bis 64-Jährige

166

79

172

Schweden

65 bis 66-Jährige

71

41

156

über 66-Jährige

710

631

1 422

1 156

928

2 107

16 bis 39-Jährige

1,9

2,2

2,5

40 bis 49-Jährige

7,0

8,0

8,0

50 bis 54-Jährige

12,3

14,3

12,7

54 bis 59-Jährige

22,2

21,6

19,4

60 bis 64-Jährige

63,9

43,1

39,9

65 bis 66-Jährige

78,2

62,2

103,3

über 66-Jährige

101,5

101,9

103,0

Insgesamt

26,9

26,7

29,6

Insgesamt Anteil* der Rentenempfänger [in % der jeweiligen Altersgruppe]

Norwegen

* Da einige Renten auch über die Landesgrenzen hinaus gezahlt werden, ergeben sich Prozentsätze von über 100. Quelle: Nordic Council of Ministers (2001), S. 118.

280

J. Anhang

4. Ergänzung zu Kapitel H. Tabelle J-13 Pflegebedürftige in stationärer Versorgung und in altengerechten Wohnungen in Norwegen 1970 – 1995 Anzahl der Pflegebedürftigen in den jeweiligen Einrichtungen Jahr

Altenheim [Aldershjem]

Pflegeheim [Sykehjem]

Servicewohnung [Servicebolig]

Andere* Wohnung

1970

18 085

13 480

...

...

1971

16 242

14 564

...

...

1972

16 310

15 847

...

...

1973

16 304

16 819

...

...

1974

15 939

17 968

...

13 543

1975

15 617

19 465

...

...

1976

15 219

21 743

...

15 500

1977

14 903

23 012

...

...

1978

14 426

24 591

...

18 062

1979

14 249

25 529

...

...

1980

14 042

26 709

...

20 418

1981

14 024

27 115

...

...

1982

14 575

27 544

...

...

1983

15 032

27 989

...

23 629

1984

15 302

28 724

...

22 369

1985

16 705

29 655

...

22 914

1986

17 027

30 257

1 622

23 044

1987

17 110

30 093

1 562

22 749

1988

16 976

30 982

2 429

25 181

1989

16 392

30 061

2 936

25 500

1990

12 413

32 063

2 212

...

1991

12 478

32 000

2 051

28 291

1992

12 093

31 882

2 426

28 067

1993

11 534

32 096

2 499

26 345

1994

11 103

32 329

2 300

30 260

1995

9 785

32 715

2 211

32 106

* Weitere kommunale Wohnangebote für ältere Menschen. Quelle: Daatland (1997a), S. 179.

J. Anhang

281

Tabelle J-14 Anzahl Pflegebedürftiger in stationärer Versorgung und in altengerechten Wohnungen in Schweden 1965 – 1991 Anzahl der Pflegebedürftigen in den jeweiligen Einrichtungen Jahr

Altenheim Pflegeheim [Ålderdomshem] [Sjukhem / långvård]

Servicewohnung Gruppenwoh- „besondere“* [Serviceboende] nung [GruppWohnung boende] [Särskilt boende]

1965

46 827

23 231

...

...

...

1966

49 063

24 760

...

...

...

1967

51 128

26 604

...

...

...

1968

52 762

28 061

...

...

...

1969

54 754

30 668

...

...

...

1970

57 409

33 558

...

...

...

1971

56 305

35 326

...

...

...

1972

57 660

36 722

...

...

...

1973

58 014

37 779

...

...

...

1974

58 136

39 581

...

...

...

1975

58 010

40 337

...

...

...

1976

57 858

40 747

16 000

...

...

1977

57 484

41 508

...

...

...

1978

57 545

43 821

...

...

...

1979

56 976

45 376

20 000

...

...

1980

56 273

44 859

24 500

...

...

1981

55 526

45 714

...

...

...

1982

54 539

47 745

26 900

...

...

1983

53 293

49 200

30 965

...

...

1984

51 740

49 399

33 479

...

118 714

1985

48 916

51 529

35 949

...

119 730

1986

44 378

51 196

39 428

...

118 817

1987

43 192

50 118

45 330

...

122 517

1988

40 635

49 039

48 881

...

123 978

1989

38 935

47 916

49 467

...

120 604

1990

37 151

45 965

52 261

...

119 352

1991

34 515

45 091

52 488

5 105

122 454

* Weitere kommunale Wohnangebote für ältere Menschen. Quelle: Daatland (1997a), S. 184.

282

J. Anhang Tabelle J-15 Pflegebedürftige in stationärer Versorgung und in altengerechten Wohnungen in Dänemark 1964 – 1994 Anzahl der Pflegebedürftigen in den jeweiligen Einrichtungen

Jahr

Pflegeheim [Plejehjem]

„Beschützte“ Alten- und Kollektiv- Tageszentrum Andere* Wohnung wohnung [daghjemplasser] Wohnung [beskyttet bolig] [Ældrebolig]

1964

28 400

...

...

...

...

1965

...

...

...

...

...

1966

...

...

...

...

...

1967

32 500

...

...

...

...

1968

34 500

...

...

...

...

1969

...

...

...

...

...

1970

40 731

...

...

...

...

1971

41 877

...

...

...

...

1972

43 476

...

...

...

...

1973

44 524

...

...

...

...

1974

45 572

...

...

...

...

1975

46 525

1 992

...

...

...

1976

48 091

2 303

...

...

...

1977

48 754

3 068

...

...

...

1978

49 511

3 942

2 242

...

...

1979

49 126

4 415

2 721

...

...

1980

49 456

4 885

2 798

...

...

1981

49 588

5 144

2 513

...

...

1982

49 755

5 621

3 293

2 642

...

1983

49 182

5 817

3 079

2 836

...

1984

49 736

6 026

3 419

3 132

...

1985

49 487

6 415

3 207

3 174

...

1986

49 088

6 595

3 356

3 298

...

1987

48 011

6 824

3 805

3 339

...

1988

47 065

6 670

5 087

3 513

32 058

1989

44 847

6 315

7 305

3 835

35 703

1990

42 285

5 849

10 798

3 732

34 762

1991

40 449

6 116

13 040

4 096

36 739

1992

39 190

5 770

17 205

4 013

38 113

1993

37 874

5 257

17 907

4 000

34 225

1994

36 832

5 108

21 006

4 000

36 791

* Weitere kommunale Wohnangebote für ältere Menschen. Quelle: Daatland (1997a), S. 175.

J. Anhang

283

Tabelle J-16 Pflegebedürftige in Einzimmerwohnungen nach Typ der stationären Einrichtung 1954 – 1995 Anteil der Pflegebedürftigen in Einzimmerwohnungen [in % der gesamten Bewohner der jeweiligen Einrichtung] Dänemark

Norwegen

Schweden

Jahr

Pflegeheim

Altenheim

Pflegeheim

Gesamte institutionelle Pflege

Altenheim

Pflegeheim

1954

...

...

...

27

...

...

1966

...

...

...

40

...

...

1970

87*

...

...

...

77

...

1975 / 77

...

78

...

...

90

...

1985

...

...

...

...

91

33

1989

...

...

...

61

...

40

1992 / 93

...

85

58

65

...

42

1994 / 95

99

...

...

68

...

...

* Im Altenheim variierte der Anteil zwischen 75 % und 90 %, im Pflegeheim lag er zwischen 80 % und 90 %. Quelle: Daatland (1997a), S. 41.

284

J. Anhang Tabelle J-17 Pflegebedürftige in ambulanter Betreuung in Norwegen 1965 – 1994 Anzahl der Betreuten in der jeweiligen Pflegeform

Jahr

Häusliche Hilfe [Hjemmehjelp]

Häusliche Krankenpflege [Hjemmesykepleie]

1965

13 398

23 904

1966

15 581

26 519

1967

20 940

25 083

1968

24 037

27 317

1969

33 417

39 371

1970

42 158

39 958

1971

48 938

35 945

1972

53 599

...

1973

60 348

...

1974

60 595

...

1975

64 548

...

1976

68 431

50 684

1977

81 239

57 772

1978

87 926

63 262

1979

92 102

71 538

1980

98 390

75 240

1981

105 534

81 824

1982

106 619

94 480

1983

110 781

94 480

1984

112 196

100 957

1985

116 667

...

1986

117 093

105 915

1987

121 225

108 678

1988

122 627

109 367

1989

128 458

114 335

1990

...

...

1991

121 937

75 413

1992

120 956

75 426

1993

118 085

73 194

1994

118 340

68 323

Quelle: Daatland (1997a), S. 180.

J. Anhang

285

Tabelle J-18 Versorgung Pflegebedürftiger in ambulanter Betreuung in Schweden 1960 – 1995 Jahr

Anzahl der Empfänger häuslicher Hilfe [Hemhjälp]

Jahr

Anzahl der Empfänger häuslicher Hilfe [Hemhjälp]

1960

79 000

1978

352 000

1961

84 000

1979

345 000

1962

93 000

1980

348 000

1963

...

1981

347 000

1964

129 000

1982

330 000

1965

144 000

1983

320 000

1966

158 000

1984

313 000

1967

184 000

1985

313 012

1968

211 000

1986

319 213

1969

231 000

1987

314 204

1970

252 000

1988

318 449

1971

272 000

1989

308 593

1972

292 000

1990

302 385

1973

303 000

1991

286 358

1974

319 000

1992

271 316

1975

329 000

1993

262 000

1976

342 000

1994

253 000

1977

346 000

1995

242 000

Quelle: Daatland (1997a), S. 185.

286

J. Anhang Tabelle J-19 Pflegebedürftige in ambulanter Betreuung in Dänemark 1976 – 1994 Anzahl der Betreuten in der jeweiligen Pflegeform Jahr

Häusliche Hilfe [Hjemmehjælp]

Häusliche Krankenpflege [Hjemmesygepleje]

1976

110 362

...

1977

117 860

...

1978

126 786

...

1979

135 258

...

1980

135 753

96 400

1981

138 998

101 820

1982

141 253

108 672

1983

145 907

...

1984

147 701

115 723

1985

153 232

...

1986

159 453

138 235

1987

160 233

151 571

1988

162 135

160 429

1989

171 740

174 790

1990

175 664

182 234

1991

183 117

191 558

1992

180 756

194 509

1993

186 858

...

1994

189 597

...

Quelle: Daatland (1997a), S. 176.

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Sachwortverzeichnis 24-Stunden-Dienst 223, 227, 234 Abkommen von Saltsjöbaden 90 Ablegerpolitik 204 Abstimmung mit den Füßen 153 Ädel-Reform 218, 233, 245 adverse Selektion 44 Akzeptanz 53, 256, 312 Allgemeine Versicherungskasse (Allmän försäkringskassan) 107 Allokationsstörungen 51, 55, 110, 141, 154, 175, 269 Altenheim 162, 170, 200, 215, 218, 222, 227, 235, 237, 239, 280, 281, 283 altersgerechte Wohnungen 164, 190, 225, 229, 235, 239, 243, 244, 271, 280, 282 Alterskrankheiten 28 Altersrente 23, 57, 65, 82, 87, 108, 110, 112, 120, 139, 163, 214, 215, 226 Altersstruktur 59, 61, 64, 69, 164, 165, 217, 220, 223, 263, 279 Altruismusprämisse 247 ambulante Pflege 26, 32, 36, 106, 118, 160, 163, 169, 172, 181, 184, 185, 187, 190, 195, 213, 218, 222, 224, 227, 229, 237, 241, 243, 244, 250, 252, 254, 257, 258, 270, 271 Äquivalenzprinzip 45, 65, 111, 159, 215, 270 Arbeitgeberbeitrag 108, 109, 144, 145, 147 Arbeitnehmerbeitrag 108, 109, 111, 144, 145, 147 Arbeitsbeschaffungsprogramme 93 Arbeitseinkommensteuer 55, 143, 145 Arbeitslosenquote 65, 93, 94, 99, 102, 277 Arbeitsmarkt 65, 66, 69, 70, 89, 91, 93, 101, 102, 142, 146, 153, 258, 263, 265, 267 Arbeitsmarktreformen 266 Armenfürsorgegesetz 215

Armenhäuser 213, 214, 246 Armenhilfe 214 Assistentenzuschuss (Assistansersättning) 112, 116, 120, 126 ATP-Punkte 113 Attendo Care 199, 201, 288 Auftraggeber-Auftragnehmer-Modell 203, 270 Ausschreibung 192, 197, 202, 206, 209, 211, 267, 272 Ausschreibungs-Modell 202 Auswanderung 64, 67 Ausweichreaktionen 55, 89, 148, 151, 154, 160 Autismus 116 Basisbetrag 109, 113, 114 Bedarfsprüfung 112, 117, 123, 127, 215, 228, 230, 231, 271 Begriff Pflegerisiko 32 Begriff Skandinavien 24 Behindertenrente (Uførepensjon) 111, 112, 119, 121, 123, 124 Behindertenzuschlag (Handikappersätning) 112, 114, 115, 117, 120 Beitragsbemessungsgrenze 51, 55, 109, 110, 153, 269 Bereitschaft zur Umverteilung 53 Besteller-Ausführer-Modell 203 Betreuungszulage (Bistandstillæg) 111, 124, 126, 127 Bevölkerungsdichte 59, 188 Bevölkerungszahl 59, 65, 78, 131, 132, 198, 208, 240 Bezirkskrankenschwestern (Distriktssköterskor) 129 BIP 71, 74, 77, 82, 84, 86, 91, 92, 96, 98, 100, 102, 150, 152, 216, 228, 276, 277 Bismarcksches Modell 107

316

Sachwortverzeichnis

BR Deutschland 35, 53, 59, 61, 63, 72, 74, 75, 77, 78, 80, 81, 85, 97, 99, 118, 134, 141, 201, 216, 226, 237, 241, 242, 254, 256, 275, 278 Capio 199, 200 Carema Vård och Omsorg 190, 199, 201 creamskimming 43 Curatus 197, 209 Definition Pflegebedürftigkeit 24, 31, 32 Demenz 29, 184, 236, 237, 288 Demographie 23, 25, 48, 51, 58, 60, 62, 64, 66, 68, 74, 87, 97, 103, 104, 137, 138, 268, 272 Deregulierungen 77 Dezentralisierung 98, 131, 177, 178, 258, 264, 266, 278 Doppelbesteuerung 148 duale Einkommensbesteuerung 144, 148, 149 EFTA 108 Ehepartnerzuschlag (Ektefelletillegg) 121 Einkommensteuer 55, 72, 88, 91, 137, 139, 140, 143, 146, 148, 152, 154, 156, 165, 199 Einkommensverteilung 79, 80, 93, 157 Einpersonen-Haushalte 254 Einwanderung 64, 68 Einwanderungspolitik 64, 68, 308 Einzelzimmer 226, 227, 241 Elastizität des Arbeitsangebots 51, 152, 260 Erdölfonds 96, 97, 105 Erdölförderung 75, 76, 95, 97, 105, 198, 267 Erdölnotierung 105 Erdölvorkommen 95, 96, 105, 272 Ergebnissteuerung 196 Erwerbsunfähigkeitsbetrag (Erhvervsudygtighedsbeløb) 125, 126 EU 62, 66, 76, 77, 102, 191 Europäische Währungsunion 102 Existenzminimum 34, 36, 44, 49, 56, 71, 173, 268 Externalitäten 37, 39, 44, 46, 63, 180, 181, 188, 222, 232, 268 extrinsische Motivation 248

Fahrdienst 233 Fertilitätsrate 60, 62, 64, 68 Finanzausgleich 135, 137, 138, 141, 269 Finanzzuweisung 67, 135, 138, 140, 141, 143, 168, 225 Finnland 24, 88, 93, 97, 148, 149, 201 Forschung und Entwicklung 69, 76, 98, 277 Frankreich 30, 59, 61, 63, 75, 77, 78, 80, 81, 85, 97, 135, 216, 228, 234, 237, 250, 252, 254, 255, 275, 278 Frühpensionierung 93, 98, 99, 101, 114, 125 Frührente 99, 112, 115, 119, 120, 124, 127, 131 geburtenfördernde Sozialpolitik 63 Gefangenendilemma 35 Generationenungerechtigkeit 52, 73, 86, 88, 97, 104, 157 Genossenschaft 116, 190 Geriatrie 29 Gesundheitswesen 70, 71, 92, 105, 129, 131, 133, 141, 203, 207, 243, 269 Gewerkschaften 21, 90, 206, 207, 258, 264 Gini-Koeffizient 80, 157 Gleichgewichtslohn 258, 259, 261 Græsted-Gilleleje 197, 201, 209 Großbritannien 30, 46, 59, 61, 63, 75, 77, 78, 80, 81, 83, 85, 97, 101, 114, 158, 161, 201, 228, 234, 237, 241, 242, 250, 252, 255, 262, 275, 278 Größenvorteile 131, 142, 178, 208, 218 Großunternehmen 75, 77, 81, 93 Grundrente (Folkspension) 111, 113, 121, 164 Grundsteuer 140, 150 Grundunterstützung (Grunnstønad) 119, 121, 123 Haushaltsstruktur 254, 255, 271 häusliche Hilfe 37, 38, 44, 60, 115, 161, 169, 172, 197, 205, 209, 223, 224, 232, 235, 237, 242, 245, 262, 263, 270, 285 Heimaufsicht 191 Hilfe zur Selbsthilfe 171, 225 Hilfsmittel 114, 122, 163 Hinhaltetaktik 219 Homogenität der Bevölkerung 64, 80

Sachwortverzeichnis Hoveseter-Pflegeheim 201, 211 Humankapital 33, 38, 67, 69, 89, 101, 152 IMF 105, 266 Individualprinzip 45 Informationsasymmetrie 40, 43, 44, 183, 203 informelle Pflege 246, 247, 249, 257, 271 Inkontinenz 29, 30 innerfamiliäre Transfers 38 Interessenverbände 49, 56, 159, 194, 206, 207, 211, 216 Intergenerational Accounting 84, 86, 88, 104, 105 intrinsische Motivation 249 Invaliditätsbeitrag (Invaliditetsbeløb) 125, 126 Isolation 29, 245 ISS Care 199, 201, 210 Italien 59, 61, 63, 75, 77, 78, 80, 82, 85, 97, 114, 232, 276, 278 Kapitalangebot 48, 70 Kapitaldeckungsverfahren 47, 50, 52, 54, 87, 157 Kapitaleinkommen 52, 110, 144, 146, 148, 154 Kapitalmarkt 46, 48, 101, 148 Kapitalmarktzins 52 Kapitalnachfrage 48 Kardiovaskuläre Erkrankungen 29 Kinderzuschlag (Barnetillegg) 121 Kinderzuschuss (Barntilläg) 113 kognitive Illusion 40 kommunale Beschäftigungspolitik 168 kommunale Einkommensteuer 103, 106, 128, 138, 140, 143, 145, 152, 154, 156, 166, 268 kommunale Selbstverwaltung 30, 127, 128, 134, 137, 140, 193, 194 kommunale Verantwortung 205 Kommunalreform 131 Konsensmodell 90, 94, 265 Konsumentensouveränität 42, 48 Kontrahierungszwang 47, 188 Kontrollierbarkeit von Gefahren 41 Kopenhagen 77, 130, 131, 201, 230

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Körperschaftsteuer 139 Krankenhaus 106, 111, 115, 129, 131, 133, 141, 199, 200, 218, 234 Krankenhausgesetz (Sykehusloven) 218 Krankenhausreform 133 Krankenpflege 129, 161, 169, 171, 199, 232, 234, 245, 263, 270, 284, 286 Kreditaufnahme 136 Kreise 39, 111, 130, 132, 141, 145, 148, 176 Kultur der Mittelmäßigkeit 95 Laffer-Kurve 151 Lebenserwartung 23, 60, 62, 63, 87, 155, 156 Lebenszyklustheorie 39 Lohn- und Gehaltssystem 98, 211, 260, 261, 264, 267 Lohn-Steuer-Spirale 147 Lohnkosten 130, 147, 231, 241, 260 Lohnniveau 211, 261, 265 Lohnpolitik 81, 90, 94, 100, 260, 265, 266 Lohntheorien 259 Marshall-Plan 95 Maximierung des Erwartungsnutzens 40, 103 MCD (Minimale zerebrale Dysfunktion) 116 Medianwähler 159 Medicaid 35, 36, 304 Medicare 36 Mehrwertsteuer 73, 149 Mehrwertsteuerbefreiungen 149 Mentalität 255 meritorische Güter 39, 42, 46, 57, 157 Miete 143, 162, 163, 227 Mietzuschuss (Bostadstilläg) 113 Migration 64, 67, 260 Mischfinanzierung 140, 141, 269 Mitbestimmung 213, 226 Monopson 259, 260 Moral hazard Verhalten 154, 155, 168, 170, 174 Morbiditätsrate 30 Multimorbidität 28

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Sachwortverzeichnis

Nachlass 38, 39, 248 Nationale Kommission für die Alterung 225 natürliches Monopol 180, 187, 188 Neumann-Morgenstern-Nutzentheorie 37 Neurologische Erkrankungen 29 Niederlande 59, 75, 77, 78, 80, 81, 85, 97, 114, 148, 149, 161, 201, 228, 232, 234, 237, 241, 242, 250, 275, 278 Nursing homes 36, 187 OECD 83, 90, 92, 94, 96, 101, 102, 104, 137, 148, 150, 244 öffentliche Unternehmen 176, 177, 179, 180, 182, 190, 208, 209, 212, 260, 270 öffentlicher Haushalt 55, 65, 67, 71, 87, 92, 95, 97, 101, 102, 106, 154, 155, 176 öffentliches Gut 175, 180, 181, 188 ökonomische Theorie der Bürokratie 53 ökonomische Theorie der Politik 45, 53, 159 Ökonomischer Rat Dänemarks 104 on-the-job-training 69 Opportunitätskosten der Pflege 247, 249, 251, 253 Österreich 59, 61, 63, 75, 77, 80, 83, 85, 88, 97, 135, 275, 278 Outsourcing 197, 210 overconfidence-Effekt 41 Paternalismus 42, 226, 252 Pflegeausgaben 51, 166, 228, 229, 231, 245 Pflegeheim 30, 36, 115, 161, 163, 170, 174, 184, 185, 188, 191, 210, 211, 214, 218, 221, 225, 227, 231, 235, 239, 243, 247, 256, 280, 283 Pflegekräfte 27, 29, 37, 38, 116, 118, 119, 142, 186, 196, 205, 211, 212, 225, 232, 234, 241, 242, 244, 245, 248, 251, 253, 257, 267, 272 Pflegepflichtversicherung 25, 45, 47, 50, 54, 57 Pflegequalität 26, 27, 158, 174, 184, 191, 195, 210, 212, 213, 225, 226, 240, 241, 245, 252, 258 Pflegezulage (Plejetillæg) 111, 126, 127 Pflegezuschuss (Vårdbidrag) 112, 115, 117, 120, 123 Praktikertjänst 199, 200, 305 Priorisierung 242

Prioritätenliste 171, 270 private Krankenversicherung 57 private Pflegeunternehmen 26, 116, 117, 190, 192, 195, 196, 200, 211, 212, 246 private Pflegeversicherung 35, 36, 41, 43, 45, 56 privater Pflegemarkt 189, 192, 195, 197 Privatisierungen 77, 78, 130, 192, 198, 207, 211 Progression 139, 143, 148, 153 Property-Rights-Theorie 177, 179 Provinzen (Fylke) 66, 106, 132, 135, 137, 139, 142, 144, 218, 278 Provinziallandtage (Landsting) 91, 106, 107, 128, 129, 139, 141, 147, 218, 219, 233 Punktetabelle 31 Qualitätsbewertung 184, 186 Qualitätskontrolle 183, 185, 186, 188, 193, 252, 270 Qualitätsprobleme 26, 188, 244, 271, 272 Qualitätssicherung 182, 187, 190, 191, 193, 194, 266 Qualitätssiegel 186 Rate of Exploitation 259 Rationalisierung 225, 226, 244, 271 Rationalitätsaxiom 37 Realzins 48 Rechtssicherheit 194 Rehabilitation 29, 106, 118, 125, 200, 219, 244, 245 Rekrutierungsprobleme 89, 263, 267 Rent-Seeking 89 Rentenzuschuss (Pensiontillskott) 113 Risikovermeidung 169 Schattenwirtschaft 51, 89, 152, 159 Schlüsselzuweisung 135, 136 Schneeräumen 161 Schwedisches Modell 88, 90 Schweiz 59, 61, 63, 75, 77, 80, 85, 97, 135, 173, 201, 275, 278 Selbstbeteiligung 26, 57, 92, 105, 135, 160, 173, 205, 230, 270 Selbstregulierungsfähigkeit des Marktes 182 Selbstständige 50, 52, 56, 107, 110, 148, 149, 153

Sachwortverzeichnis Skalenerträge 187, 192, 271 Sonderzuschlag (Særtillegg) 121 Sozialdemokraten 94, 100, 101, 165, 190, 196, 207, 208 soziale Kontakte 29 soziales Existenzminimum 34, 35 Sozialprinzip 45, 74, 103, 104, 155, 258 Sozialversicherung 25, 26, 45, 50, 57, 72, 73, 106, 109, 111, 113, 115, 121, 123, 124, 145, 147, 152, 154, 256, 269 Spanien 59, 88, 97, 114 Sparprogramme 92, 119 Sparquote 70, 87, 142, 148 Sparverhalten 39 Sparverträge zur Pflegeabsicherung 33, 45 spill-overs 141 staatliche Regulierung 25, 33, 42, 79, 81, 175, 180, 188, 191, 230 Staatsquote 81, 88, 89, 91, 92, 102 Staatsschuld 72, 84, 86 Staatszuschuss 108, 188 Standardisierung 225, 244, 271 stationäre Pflege 26, 30, 38, 106, 115, 118, 160, 162, 169, 170, 181, 184, 188, 190, 195, 198, 213, 215, 217, 219, 227, 229, 230, 232, 235, 237, 243, 252, 253, 256, 270, 272, 283 Sterbebegleitung (Pasning af døende) 257 steuerfinanziertes Modell 49, 55, 57, 107, 124, 156 Steuerobergrenze 146 Steuerquote 24, 74, 82, 83, 91, 99, 102, 104, 142, 147, 151 Steuerstruktur 84 Stockholm 66, 128, 140, 190, 200, 203, 205, 208, 209, 224, 300 strukturschwache Region 261, 264 Strukturwandel 98, 100, 196 Stürze 30 subjektive Risikowahrnehmung 40, 42 subsidiäre Fürsorge 34 Subventionsmentalität 89 Suchtheorie 261, 262 Tageszentren 232, 237, 238, 245, 258 teilstationäre Pflege 237 Terminologie von Knight 32 Theorie der optimalen Besteuerung 150

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überalterte Gesellschaft 60, 69 Überstunden 260 Umlageverfahren 50, 52, 54, 55, 57, 60, 87, 108 Universalitätsprinzip 107 universelle Leistungen 55, 56, 107, 111, 124, 215, 269 Unterstützungshilfe (Hjelpstønad) 119, 122, 123 unvollkommener Markt 37, 39, 47, 50, 57 USA 35, 37, 53, 59, 61, 63, 75, 80, 81, 83, 85, 93, 97, 151, 168, 191, 216, 276, 278 Veränderungen des menschlichen Organismus 28 Vermögen 32, 34, 38, 39, 70, 150, 163, 215, 248, 268 Vermögensteuer 140, 150 Versicherungsprinzip 47, 49, 57 Versorgungsgrad der stationären Pflege 221 Verteilungswirkungen 26, 46, 51, 54, 56, 58, 71, 79, 94, 156, 160, 166, 167, 268, 270 Verwaltungsreform 128, 131, 133, 142 Vierparteien-Regierung 100 Voucher- und Konsumtionsmodell 204, 205 Wählerstimmenmaximierung 53, 71, 159, 176, 178 Wahlfreiheit 117, 202, 205 Wartelisten 57, 133, 162, 171, 230, 231, 242, 244 Wartezeitgarantien 242 Wechselkursabwertung 92, 100 Wechselkurse 24, 101, 277 Wiederholungskäufe 183, 185 Willensschwäche 40 Wirtschaftsstruktur 74, 76 Wohlfahrtsstaat 23, 79, 90, 98, 104, 158, 159, 181, 199, 213, 215, 216, 246, 249, 272 Wohlfahrtsverbände 216, 222, 267 Wohlfahrtsverlust 51, 54, 57, 143, 150, 151, 154, 160, 172, 175, 231, 243, 244 Wohneigentum 46, 150, 163 Wohngeld 92, 113, 163, 164 Wohngemeinschaft 225, 236, 240

320

Sachwortverzeichnis

Wohnqualität 174, 218, 225, 226, 236 Wohnstandard 174, 218, 225, 226, 236 Zahlungsbereitschaft 171, 173, 181, 269, 270 Zentralamt für Gesundheits- und Sozialwesen (Socialstyrelsen) 108, 193, 230

Zusatzlast (excess burden) 51, 55, 56, 109, 110, 143, 150, 154, 180, 269 Zusatzrente (ATP) 107, 111, 112 Zusatzrentensystem 215 Zuwanderung 65, 68 Zweckzuweisungen 135