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German Pages 331 [332] Year 2006
RENÉ-MARCEL D E C H A N T
Die Besteuerung privater Veräußerungsgeschäfte in systematischer und verfassungsrechtlicher Hinsicht
Münsterische Beiträge zur Rechtswissenschaft Herausgegeben im Auftrag der Rechtswissenschaftlichen Fakultät der Westfälischen Wilhelms-Universität in Münster durch die Professoren Dr. Heinrich Dörner Dr. Dirk Ehlers Dr. Ursula Nelles
Band 169
Die Besteuerung privater Veräußerungsgeschäfte in systematischer und verfassungsrechtlicher Hinsicht
Von
René-Marcel Dechant
Duncker & Humblot • Berlin
Die Rechtswissenschaftliche Fakultät der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster hat diese Arbeit im Jahre 2005 als Dissertation angenommen.
Bibliografische Information Der Deutschen Bibliothek Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über abrufbar.
D6 Alle Rechte vorbehalten © 2006 Duncker & Humblot GmbH, Berlin Fremddatenübernahme und Druck: Berliner Buchdruckerei Union GmbH, Berlin Printed in Germany ISSN 0935-5383 ISBN 3-428-12185-6 978-3-428-12185-4 Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier entsprechend ISO 9706 ©
Internet: http://www.duncker-humblot.de
Meinen Eltern
Vorwort Die vorliegende Untersuchung wurde im Wintersemester 2005/06 von der Rechtswissenschaftlichen Fakultät der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster als Dissertation angenommen. Das Manuskript wurde Ende Juni 2005 abgeschlossen; darüber hinaus konnten spätere Rechtsprechung und Literatur noch bis Februar 2006 berücksichtigt werden. Bedanken möchte ich mich als erstes bei meinen Eltern, Mona und Hermann Dechant, die mich nicht nur bei der Erstellung dieser Arbeit stets und in jeder Hinsicht unterstützt haben. Mein besonderer Dank gilt Herrn Prof. Dr. Rainer Wernsmann, meinem Doktorvater, für die Betreuung der Arbeit. Herrn Prof. Dr. Heinrich Weber-Grellet bin ich für die ausgesprochen zügige Erstellung des Zweitgutachtens zu herzlichem Dank verpflichtet. Bedanken möchte ich mich auch bei Herrn Prof. Dr. Ingo Saenger und meinen Kolleginnen und Kollegen am Institut für Internationales Wirtschaftsrecht für die interessante und bereichernde Zeit sowie bei Herrn Simon Döbbelt für die kritische Durchsicht des Manuskripts. Für die Aufnahme der Arbeit in die Schriftenreihe danke ich den Herausgebern, Frau Prof. Dr. Ursula Nelles, Herrn Prof. Dr. Heinrich Dörner und Herrn Prof. Dr. Dirk Ehlers, und dem Freundeskreis Rechtswissenschaft der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster für die Gewährung eines großzügigen Druckkostenzuschusses. Hamburg, im Februar 2006
René Dechant
Inhaltsübersicht
A. Einleitung und Gang der Darstellung
23
B. Historische Entwicklung des § 23 EStG
26
I. Das preußische Einkommensteuergesetz von 1891
26
n. Das Reichseinkommensteuergesetz 1920
29
m . Das Reichseinkommensteuergesetz 1925
35
IV. Das Reichseinkommensteuergesetz 1934 als wesentlicher Vorläufer des heutigen Rechts
40
V. Die Entwicklung zum geltenden Recht VI. Das geltende Recht C. Systematische Sonderstellung des § 23 EStG: Die Besteuerung privater Veräußerungsgeschäfte als Durchbrechung der grundsätzlichen Nichtsteuerbarkeit der Wertsteigerungen des Privatvermögens und des Dualismus der Einkunftsarten I. Der Dualismus der Einkunftsarten U. Einschränkung des Dualismus durch §§ 22 Nr. 2, 23 EStG
43 46
54 55 158
in. Zusammenfassende Stellungnahme zu § 23 EStG
193
IV. Exkurs: Terminologische Vorschläge
198
D. Verfassungsrechtliche und systematische Fragen bei der tatbestandlichen Ausgestaltung des § 23 EStG 201 I. Strukturelle Vollzugsdefizite bei der Besteuerung privater Veräußerungsgeschäfte 202 II. Erforderlichkeit eines Inflationsausgleichs bei § 23 EStG III. Progressionsausgleich bei Grundstücken und grundstücksgleichen Rechten, § 23 11 Nr. 1 EStG
250
257
10
Inhaltsübersicht IV. Ungleichbehandlung verschiedener der Besteuerung unterliegender Vermögensgegenstände innerhalb von § 23 EStG 258 . V. Beschränkung der Verlustverrechnung durch § 23 I I I 8,9 EStG
263
VI. Zur steuerlichen Relevanz von Veräußerungsverlusten bei Wirtschaftsgütern des täglichen Gebrauchs im geltenden Recht 290 VII. Der Besteuerung unterliegende Vermögensgegenstände de lege ferenda
300
E. Reformvorschläge zur Besteuerung privater Veräußerungsgeschäfte
305
F. Abschließende Bewertung sowie Folgerungen für eine gesetzliche Neuregelung
311
Literaturverzeichnis
316
Sachwortregister
329
Inhaltsverzeichnis
A. Einleitung und Gang der Darstellung
23
B. Historische Entwicklung des § 23 EStG
26
I. Das preußische Einkommensteuergesetz von 1891 II. Das Reichseinkommensteuergesetz 1920
26 29
1. Die Gesetzesfassung von 1920
29
2. Die Novelle von 1921
32
III. Das Reichseinkommensteuergesetz 1925
35
IV. Das Reichseinkommensteuergesetz 1934 als wesentlicher Vorläufer des heutigen Rechts
40
V. Die Entwicklung zum geltenden Recht VI. Das geltende Recht C. Systematische Sonderstellung des § 23 EStG: Die Besteuerung privater Veräußerungsgeschäfte als Durchbrechung der grundsätzlichen Nichtsteuerbarkeit der Wertsteigerungen des Privatvermögens und des Dualismus der Einkunftsarten I. Der Dualismus der Einkunftsarten 1. Definitionen und Bedeutung des Dualismus
43 46
54 55 57
a) Dualismus der Einkünfteermittlung als Unterschiedlichkeit der Einkünfteermittlungstechniken
58
b) Dualismus der Einkommensbegriffe bzw. Einkünftebegriffe entsprechend der Reinvermögenszugangstheorie und der Quellentheorie
61
c) Dualismus als Summe aller Unterschiede zwischen den Gewinn- und Überschusseinkünften
67
d) Die Bezeichnung Dualismus der Einkünfteermittlung als Bezeichnung für den Dualismus der Einkunftsarten
69
e) Normative Anknüpfung des Dualismus
71
f) Eigene Stellungnahme zum Dualismus der Einkunftsarten
72
12
nsverzeichnis 2. Geschichtliche Entwicklung des Dualismus
81
a) Begrifflicher Dualismus
83
b) Ermittlungstechnischer Dualismus oder Dualismus der Einkünfteberechnung
83
c) Materieller Dualismus
87
3. Die Begründung des Dualismus in seiner Entstehungszeit
89
a) Praktikabilität für Buchführungspflichtige
89
b) Wesensunterschiede zwischen den Einkünften
91
aa) Unterschiedlicher Vermögenseinsatz
92
bb) Fruchtziehungsthese
94
cc) Überschusseinkünfte als Geldleistungseinkünfte
95
dd) Zusammenfassende Stellungnahme zu den behaupteten Wesensunterschieden
95
c) Kompromiss zwischen Reinvermögenszugangstheorie und Quellentheorie
97
d) Fehlende Praktikabilität der umfassenden Besteuerung des Privatvermögens
98
e) Fehlende Kontrollmöglichkeiten bei privaten Veräußerungen
99
4. Spätere und heutige Begründungen des Dualismus
101
a) Gesetzgeberischer Spielraum bei der Erschließung von Steuerquellen nach Ansicht des Bundesverfassungsgerichts 103 aa) Das Willkürverbot bei der Erschließung von Steuerquellen als bisheriger Maßstab 105 bb) Strengerer Maßstab aus den Geboten der Folgerichtigkeit und der Gleichbehandlung der Einkunftsarten? 107 cc) Zusammenfassung
111
b) Markteinkommenstheorie
112
aa) Marktbezogenheit als Differenzierungsgrund
113
bb) Allgemeine Einwände gegen die Markteinkommenstheorie
116
(1) Entbehrlichkeit einer speziellen Rechtfertigung der Einkommensteuer
117
(2) Kein erkennbarer Wille des Gesetzgebers für die Umsetzung der Markteinkommenstheorie
117
(3) Fehlende Erklärung der Markteinkommenstheorie für einige Einkünfteteile 118 (4) Erforderlichkeit der Bemessung der Einkommensteuer nach der Intensität der Marktnutzung
119
nsverzeichnis cc) Kritik an der Markteinkommenstheorie als Begründung für die grundsätzliche Nichtsteuerbarkeit privater Veräußerungen und für § 23 EStG 120 (1) Keine Atypizität privater Veräußerungsgewinne
120
(2) Marktabhängigkeit auch der Veräußerungen privater Vermögensgegenstände und Kritik am Kriterium der Intensität der Marktnutzung 120 dd) Zusammenfassende Stellungnahme
122
c) Schutz der Privatsphäre vor unverhältnismäßigen Eingriffen durch Nichtsteuerbarkeit von Veräußerungen im Privatvermögen 123 aa) Allgemeine Grundsätze zum Datenschutz und Privatsphärenschutz im Steuerrecht 125 bb) Unverhältnismäßigkeit des Steuereingriffs wegen Besonderheiten bei der Besteuerung privater Veräußerungen? 127 (1) Besteuerung von Veräußerungen des Erwerbsvermögens
128
(2) Besteuerung von Veräußerungen des Lebensführungsvermögens . 130 cc) Zusammenfassung
131
d) Inflationsausgleich durch Vermeidung der Besteuerung inflationsbedingter Scheingewinne
132
e) Praktikabilität und Steuervereinfachung durch Typisierung
136
aa) Realitätsgerechte Zugrundelegung des Normalfalls
138
bb) Geeignetheit der Typisierung zur Vereinfachung
139
cc) Erforderlichkeit und Angemessenheit der Typisierung
139
f) Progressionsausgleich
142
g) Förderung der privaten Vermögensbildung und der Altersvorsorge
142
5. Auswirkungen des Dualismus der Einkunftsartengruppen
143
6. Kritik am Dualismus der Einkunftsarten
144
a) Unterschiedliche Behandlung von Betriebsvermögen und Privatvermögen
145
b) Unterschiedliche Behandlung von Vermögenszuwächsen im Privatvermögen
149
c) Fehlen eines klaren und einheitlichen gesetzlichen Einkommensbegriffs .. 150 d) Schwierigkeiten bei der Rechtsanwendung 7. Zusammenfassung zum Grundsatz des Dualismus der Einkunftsarten
153 153
a) Rechtfertigungsanforderungen an die Nichtsteuerbarkeit privater Veräußerungsgewinne 154 b) Mögliche Rechtfertigungen der Nichtsteuerbarkeit privater Veräußerungsgewinne
156
14
nsverzeichnis II. Einschränkung des Dualismus durch §§ 22 Nr. 2, 23 EStG 1. Normzweck und Begründung der Fristregelung des § 23 EStG
158 162
a) Bereits für die Vorläuferregelungen des § 23 EStG angefühlte Begründungen 164 aa) Vermutung und Besteuerung der Spekulation
164
(1) Fortbestehen des Ziels der Spekulationsbesteuerung im geltenden Recht? 166 (2) Die Kürze des Zeitraums zwischen Erwerb und Veräußerung als Indiz für Spekulation 168 (3) Die besondere Belastungswürdigkeit der Spekulation
170
bb) Ähnlichkeit der Spekulation mit einer Handelstätigkeit wegen der Einkünfteerzielung durch beabsichtigte Wiederveräußerung 172 b) Spätere Begründungen des § 23 EStG
174
aa) Besteuerung kurzfristiger Wertdurchgänge im Privatvermögen nach Ansicht des Bundesfinanzhofs 174 bb) Milderung der Unterschiede gegenüber den betrieblichen WertZuwächsen 175 cc) Spielraum des Gesetzgebers bei der Auswahl von Steuerquellen und politisches Ermessen 177 dd) Typisierung unüblichen privaten Veräußerungsverhaltens
179
(1) Qualifizierte Marktteilnahme in typisierter Form
179
(2) Überschreitung der Grenzen privater Vermögensverwaltung durch im Vordergrund stehenden Vermögenseinsatz
182
ee) Sonstige Begründungsansätze aus dem Meinungsspektrum
185
(1) Tolerierbare Ausnahme
185
(2) Generelle Erfassung privater Veräußerungsgeschäfte 186 (3) Verhinderung der Verlagerung betrieblicher Einkünfte in den privaten Bereich 186 2. Berechtigung der systematischen Einordnung des § 23 EStG als Überschusseinkunftsart 187 3. Kritik an der Bestimmung des § 23 EStG a) Vermeidbarkeit der Besteuerung nach § 23 EStG
189 189
b) Ungleichbehandlung von Veräußerungen im Privatvermögen und Nichtberücksichtigung der Leistungsfähigkeit 191 c) Weitere Einwände gegen die Regelung des § 23 EStG
192
III. Zusammenfassende Stellungnahme zu § 23 EStG
193
1. Ansätze zur Rechtfertigung des § 23 EStG
193
2. Gesamtwürdigung des § 23 EStG
196
IV. Exkurs: Terminologische Vorschläge
198
nsverzeichnis D. Verfassungsrechtliche und systematische Fragen bei der tatbestandlichen Ausgestaltung des § 23 EStG 201 I. Strukturelle Vollzugsdefizite bei der Besteuerung privater Veräußerungsgeschäfte 202 1. Die Grundsätze des Bundesverfassungsgerichts aus dem Zinsurteil
203
a) Sich aus dem Gleichheitssatz ergebende Anforderungen an das Steuererhebungsverfahren 203 b) Gründe für die Lösung des Bundesverfassungsgerichts
205
c) Exkurs: Systematischer Nichtvollzug einer Steuernorm durch die Verwaltung 206 2. Strukturelles Vollzugsdefizit bei Wertpapieren
207
a) Diskussion in der Literatur
208
b) Der Vorlagebeschluss des Bundesfinanzhofs vom 16. Juli 2002
209
c) Die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 9. März 2004
211
aa) Beurteilung der von der Entscheidung erfassten Jahre 1997 und 1998 (1) Kernaussagen des Urteils
211 212
(a) Allgemeine Grundsätze
212
(b) Besonderheiten der privaten Veräußerungsgeschäfte
213
(2) Konsequenzen aus dem Urteil
214
(3) Kritik der Literatur und eigene Stellungnahme zum Urteil
215
(a) Keine Feststellung der Verfassungswidrigkeit des § 30a AO .. 215 (b) Verlagerung des Schwerpunkts bei der Feststellung eines Vollzugsdefizits von der Gesetzeslage auf den tatsächlichen Norm Vollzug 217 (c) Zur Rechtsfolge der Nichtigkeit und ihrer Begründung
221
(d) Ungleichbehandlung der Wertpapiergeschäfte gegenüber anderen Spekulationsgeschäften und anderen Einkunftsarten 224 (e) Reichweite der gesetzgeberischen Gewährleistungspflicht ... 225 bb) Folgerungen für die vorangegangenen Jahre (Veranlagungszeiträume bis 1996) 226 cc) Beurteilung der Folgejahre (Veranlagungszeiträume 1999-2003)
227
d) Änderung der Rechtslage durch die Einführung des § 24c EStG sowie von § 93 V I I AO und § 93b AO und die Frage des Bestehens von Vollzugsdefiziten ab 2004 232 aa) Jahresbescheinigung nach § 24c EStG
232
(1) § 23a und § 24b EStG nach dem Entwurf des StVergAbG als Vorläufer des § 24c EStG 232
16
nsverzeichnis (2) Regelungsgehalt von § 24c EStG
234
(3) Bestehen einer Aufbewahrungs- und Vorlagepflicht für die Jahresbescheinigung 236 bb) Einfügung der Abrufmöglichkeit der Kontoinformationen gemäß § 93 V n AO und § 93b AO cc) Zwischenergebnis
241 243
3. Übertragung der Grundsätze bei Wertpapierveräußerungen auf andere Veräußerungsgeschäfte 244 a) Veräußerungsgeschäfte im Betriebsvermögen
244
b) Grundstücke und grundstücksgleiche Rechte
244
c) Anteile an Kapitalgesellschaften, insbesondere GmbH-Anteile
245
d) Termingeschäfte
245
e) Veräußerungen sonstiger privater Gegenstände
246
aa) Bestehen eines Vollzugsdefizits
247
bb) Zurechenbarkeit des Vollzugsdefizits
248
4. Zusammenfassung II. Erforderlichkeit eines Inflationsausgleichs bei § 23 EStG
250 250
1. Auswirkungen der Inflation auf die Besteuerung
250
2. Verfassungsrechtliche Erforderlichkeit einer Inflationsbereinigung
251
3. Möglichkeiten der Inflationsbereinigung
254
4. Zusammenfassung
256
III. Progressionsausgleich bei Grundstücken und grundstücksgleichen Rechten, § 23 11 Nr. 1 EStG
257
IV. Ungleichbehandlung verschiedener der Besteuerung unterliegender Vermögensgegenstände innerhalb von § 23 EStG 258 1. Unterschiedliche Länge der Veräußerungsfristen für Grundstücke sowie grundstücksgleiche Rechte und für andere Wirtschaftsgüter 258 2. Gewährung von Steuerfreiheit nur für die eigengenutzte Wohnung
259
a) Einwände gegen die geltende Regelung und ihre Voraussetzungen
260
b) Rechtfertigung der Ausnahme
262
V. Beschränkung der Verlustverrechnung durch § 23 III 8,9 EStG
263
1. Verfassungsmäßigkeit der Verlustverrechnungsbeschränkung in § 23 III 8, 9 EStG auf eine interne Verrechnung und einen Verlustabzug bei privaten Veräußerungsgeschäften 265
nsverzeichnis a) Allgemeine Anforderungen an Beschränkungen der Verlustverrechnung .. 266 aa) Rechtfertigungsbedürftigkeit aufgrund des Gebots der Folgerichtigkeit und der Gleichbehandlung der Einkunftsarten 267 bb) Rechtfertigungsbedürftigkeit von Verlustverrechnungsbeschränkungen unter dem Gesichtspunkt der Abweichung vom Leistungsfähigkeitsprinzip und vom objektiven Nettoprinzip 270 (1) Weiter Spielraum des Gesetzgebers bei der Ausgestaltung der Verlustverrechnung 271 (2) Verfassungsrechtliche Verankerung des objektiven Nettoprinzips . 273 (3) Eigene Stellungnahme
274
b) Rechtfertigung der Beschränkung der Verlustverrechnung in § 23 III 8, 9 EStG 278 aa) Fiskalische Gründe
279
bb) Erforderlichkeit der Regelung zur Missbrauchsabwehr, zur Verhinderung der Spekulation auf Kosten der Allgemeinheit und zur Verhinderung unerwünschter Steuergestaltungen 279 (1) Verlustzuweisungsmodelle
280
(2) Verhinderung der Spekulation auf Kosten der Allgemeinheit
280
(3) Verhinderung unerwünschter brauchsabwehr
281
Steuergestaltungen
und Miss-
(a) Einwände gegen die Qualifikation der Verlustrealisierung als Missbrauch oder unerwünschte Gestaltung 282 (b) Einwände gegen eine derartige Typisierung
284
(4) Besonderheiten der Fristregelung des § 23 EStG
285
cc) Typisierung nicht steuerbarer Einkünfte
286
dd) Berührung der unerheblichen Vermögenssphäre
286
2. Verfassungsmäßigkeit des bis 1998 geltenden § 23 III 4 EStG a. F. und der fehlenden rückwirkenden Anwendung der Regelung in § 23 I I I 8, 9 EStG auf Altfälle 287 3. Zwischenergebnis
290
VI. Zur steuerlichen Relevanz von Veräußerungsverlusten bei Wirtschaftsgütern des täglichen Gebrauchs im geltenden Recht
290
1. Einkünfteerzielungsabsicht bei § 23 EStG
291
a) Erforderlichkeit einer Einkünfteerzielungsabsicht bei § 23 EStG
292
b) Anforderungen an die Einkünfteerzielungsabsicht bei § 23 EStG
296
2. Verbot des Abzugs von Aufwendungen für die Lebensführung, § 12 Nr. 1 EStG 298 VII. Der Besteuerung unterliegende Vermögensgegenstände de lege ferenda 2 Dechant
300
18
nsverzeichnis
E. Reformvorschläge zur Besteuerung privater Veräußerungsgeschäfte
305
F. Abschließende Bewertung sowie Folgerungen für eine gesetzliche Neuregelung
311
Literaturverzeichnis
316
Sachwortregister
329
Abkürzungsverzeichnis a. A.
anderer Ansicht
a. a. O.
am angegebenen Ort
Abs.
Absatz
a. E.
am Ende
AEAO
Anwendungserlass zur Abgabenordnung
a. F.
alter Fassung
AfA
Absetzung für Abnutzung
AG
Die Aktiengesellschaft (Zeitschrift)
Alt.
Alternative
Anm.
Anmerkung
AO
Abgabenordnung
AöR
Archiv des öffentlichen Rechts (Zeitschrift)
Art.
Artikel
Aufl.
Auflage
Az.
Aktenzeichen
BB
Betriebs-Berater (Zeitschrift)
BBV
Berater-Brief Vermögen (Zeitschrift)
BfF
Bundesamt für Finanzen
BFH
Bundesfinanzhof
BFH/NV
Sammlung amtlich nicht veröffentlichter Entscheidungen des Bundesfinanzhofs (Zeitschrift)
BFHE
Sammlung der Entscheidungen des Bundesfinanzhofs
BGB
Bürgerliches Gesetzbuch
BGBl.
Bundesgesetzblatt
BMF
Bundesministerium der Finanzen
Bo/Br
Bordewin / Brandt
BR-Drucks.
Bundesrats-Drucksache
BRH
Bundesrechnungshof
bspw.
beispielsweise
BStBl.
Bundessteuerblatt
BT-Drucks.
Bundestags-Drucksache
BVerfG
Bundesverfassungsgericht
BVerfGE
Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts
bzw.
beziehungsweise
DB
Der Betrieb (Zeitschrift)
dens.
denselben
2*
Abkürzungsverzeichnis
20 ders.
derselbe
d. h.
das heißt
dies.
dieselbe(n)
Diss.
Dissertation
DStJG
Deutsche Steueijuristische Gesellschaft e. V.
DStR
Deutsches Steuerrecht (Zeitschrift)
DStRE
Deutsches Steuerrecht Entscheidungsdienst (Zeitschrift)
DStZ
Deutsche Steuer-Zeitung
EFG
Entscheidungen der Finanzgerichte (Zeitschrift)
Einf.
Einführung
EL
Ergänzungslieferung
ErbStB
Der Erbschaft-Steuer-Berater (Zeitschrift)
ErbStG
Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetz
EStDV
Einkommensteuer-Durchführungsverordnung
EStG
Einkommensteuergesetz
f./ff.
folgende
FAZ
Frankfurter Allgemeine Zeitung
FG
Finanzgericht
Fn.
Fußnote
FR
Finanz-Rundschau (Zeitschrift)
FS
Festschrift
GG
Grundgesetz
gl. A. GmbH
Gesellschaft mit beschränkter Haftung
GrS
Großer Senat
GS
Gedächtnisschrift
GStB
Gestaltende Steuerberatung (Zeitschrift)
Habil.
Habilitationsschrift
H/H/R
Herrmann / Heuer / Raupach
H/H/Sp
Hübschmann / Hepp / Spitaler
gleicher Ansicht
Hrsg.
Herausgeber
HStR
Handbuch des Staatsrechts der Bundesrepublik Deutschland
i. d. R.
in der Regel
INF
Die Information über Steuer und Wirtschaft (Zeitschrift)
insb.
insbesondere
IRC
Internal Revenue Code
i. S. d.
im Sinne des/der
IStR
Internationales Steuerrecht (Zeitschrift)
i. V. m.
in Verbindung mit
JZ
Juristenzeitung
KFR
Kommentierte Finanzrechtsprechung (Zeitschrift)
KÖSDI
Kölner Steuerdialog (Zeitschrift)
Abkürzungsverzeichnis KritV
Kritische Vierteljahresschrift für Gesetzgebung und Rechtswissenschaft
K /S/M
Kirchhof / Söhn / Mellinghoff
L/B/P
Littmann/Bitz/Pust
LS
Leitsatz
m. E.
meines Erachtens
m. w. N.
mit weiteren Nachweisen
NJW
Neue Juristische Wochenschrift
Nr.
Nummer
NWB
Neue Wirtschafts-Briefe (Zeitschrift)
OFD
Oberfinanzdirektion
ÖStZ
Österreichische Steuer-Zeitung
OVGSt
Entscheidungen des Königlich Preußischen Oberverwaltungsgerichts in Staatssteuersachen
PStR
Praxis Steuerstrafrecht (Zeitschrift)
RFH
Reichsfinanzhof
RFHE
Sammlung der Entscheidungen und Gutachten des Reichsfinanzhofs
RGBl.
Reichsgesetzblatt
rkr.
rechtskräftig
Rn.
Randnummer
Rz.
Randziffer, Randzahl
S.
Satz, Seite
sog.
so genannte(r)
StÄndG
Steueränderungsgesetz
StB
Der Steuerberater (Zeitschrift)
Stbg
Die Steuerberatung (Zeitschrift)
StbJb
Steuerberater-Jahrbuch
StEntlG
Steuerentlastungsgesetz 1999 / 2000 / 2002
str.
streitig
StRO
Die Steuerrechtsordnung
st. Rspr.
ständige Rechtsprechung
StuB
Steuern und Bilanzen (Zeitschrift)
StuW
Steuer und Wirtschaft (Zeitschrift)
StVergAbG
Steuervergünstigungsabbaugesetz
Tz.
Textziffer
u. a.
und andere
UmwStG
Umwandlungssteuergesetz
usw.
und so weiter
v.
von, vom
Vfg.
Verfügung
vgl.
vergleiche
WuB
Entscheidungssammlung zum Wirtschafts- und Bankrecht (Zeitschrift)
z. B.
zum Beispiel
22
Abkürzungsverzeichnis
zit.
zitiert
ZRP
Zeitschrift für Rechtspolitik
zugl.
zugleich
Im Übrigen wird hinsichtlich der verwendeten Abkürzungen auf Kirchner, Hildebert /Butz, Cornelie, Abkürzungsverzeichnis der Rechtssprache, 5. Auflage, Berlin 2003, verwiesen.
A. Einleitung und Gang der Darstellung Die Besteuerung privater Veräußerungen nimmt im deutschen Einkommensteuerrecht eine Sonderstellung ein, die eng mit dem sog. Dualismus der Einkunftsarten zusammenhängt. Die grundsätzliche Nichtsteuerbarkeit privater Veräußerungen ist historisch bedingt und hat eine lange Tradition. Änderungsvorschläge stoßen daher immer wieder auf großen Widerstand. Die Ausdehnung der Besteuerung privater Veräußerungsgeschäfte ist besonders aus fiskalischen Gründen oft diskutiert und in begrenztem Umfang auch durchgeführt worden. Zum Teil wird der internationale Vergleich mit den Steuersystemen anderer Staaten als Begründung für eine erweiterte oder umfassende Besteuerung privater Veräußerungen herangezogen. Auch nach dem Scheitern des Entwurfs des Steuervergünstigungsabbaugesetzes1 (StVergAbG) im Frühjahr 2003 ist es nur eine Frage der Zeit, bis im Gesetzgebungsverfahren erneut die Forderung nach einer Besteuerung aller privaten Veräußerungsgewinne erhoben wird. Die Frage danach, welche Art der Besteuerung in diesem Bereich verfassungsrechtlich zulässig und rechtspolitisch wünschenswert ist, bleibt aktuell. Derzeit besteht ein Zustand der Ungewissheit und Unsicherheit, dessen Dauer unklar ist. Die internationale Konkurrenzfähigkeit des deutschen Steuersystems mit den verfassungsrechtlichen und systematischen Vorgaben in Einklang zu bringen ist eine Herausforderung. Im Hinblick auf die verfassungsrechtlichen Vorgaben ist in erster Linie das Gebot der Besteuerung nach der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit zu nennen. § 23 EStG ist auch durch die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) vom 9. März 20042 zu den bei der Besteuerung der Veräußerung von Wertpapieren bestehenden Vollzugsdefiziten und durch die anstehende Entscheidung zur Verfassungsmäßigkeit der Verlängerung der Veräußerungsfristen 3 in den Blickpunkt des Interesses gerückt. In dieser Entscheidung sowie im Vorlagebeschluss des Bundesfinanzhofs (BFH) zur Fristverlängerung 4 werden neue Aspekte zur Begründung des § 23 EStG und der Unterscheidung von Gewinn- und Überschusseinkünften genannt. Die folgende Untersuchung soll die geltende Regelung einer fristabhängigen Besteuerung privater Veräußerungen nach § 23 EStG in systematischer und verfassungsrechtlicher Hinsicht analysieren und dabei die Möglichkeiten und Grenzen 1 BT-Drucks. 15/119, S. 1 ff. 2 BVerfG v. 9. 3. 2004 - 2 BvL 17/02, BVerfGE 110, 94 ff. 3 Az. des BVerfG: 2 BvL 2/04 und 2 BvL 14/02. 4 BFH v. 16. 12. 2003 - IX R 46/02, BFHE 204, 228 ff.
24
A. Einleitung und Gang der Darstellung
der Besteuerung privater Veräußerungsgewinne aufzeigen. Für die Untersuchung des § 23 EStG ist in besonderem Maße die Entstehungsgeschichte bedeutsam. Die historische Entwicklung der Vorschrift und der mit dieser zusammenhängenden Bestimmungen bilden daher den Ausgangspunkt der Untersuchung. Daran anknüpfend soll festgestellt werden, ob bzw. wie sich § 23 EStG in seiner derzeitigen Fassung im Gesamtregelungszusammenhang des Einkommensteuergesetzes erklären und rechtfertigen lässt. Diese Frage ist aufgrund der Gesetzesänderungen der letzten Jahre und aufgrund neuerer Begründungsansätze vor allem des BFH und des BVerfG besonders aktuell. Der BFH hat den Einkünftedualismus in einem Urteil aus dem Jahr 2003 mit den schon 1925 angeführten praktischen Schwierigkeiten bei einer generellen Steuerpflicht der Veräußerungen im Privatvermögen und mit drohenden Vollzugsdefiziten begründet.5 Das BVerfG hat nun im „Spekulationsurteil" - ergänzend zu seiner früheren Begründung - versucht, § 23 EStG als typisierte Überschreitung der privaten Vermögensverwaltung zu rechtfertigen. 6 Aus dieser Untersuchung zur systematischen Stellung des § 23 EStG ergeben sich terminologische Folgerungen, die im Anschluss kurz zusammengefasst werden. Neben den grundsätzlichen Fragen einer fristabhängigen Besteuerung privater Veräußerungen stellen sich einige Fragen hinsichtlich der konkreten Ausgestaltung der fristabhängigen Besteuerung nach geltendem Recht und de lege ferenda, die im Abschnitt D. untersucht werden. Dabei ist insbesondere darauf einzugehen, ob und gegebenenfalls wie die allgemeinen Grundsätze des Einkommensteuerrechts durch die Besonderheiten der privaten Veräußerungsgeschäfte bzw. der gesetzlichen Regelung in § 23 EStG modifiziert werden. Insbesondere soll untersucht werden, welche Anforderungen sich aus der Steuergleichheit (Art. 3 I GG) für die tatsächliche Erfassung der Einkünfte ergeben und ob eine umfassende Besteuerung möglich wäre. Dies hat das BVerfG im Jahr 1969 knapp festgestellt und im Jahr 2004 bestätigt.7 Die Grundsätze des Zinsurteils sowie die Entscheidung des BVerfG zur Besteuerung der Wertpapierveräußerungen nach § 23 EStG zeigen jedoch, dass materielle Steuernormen bei Bestehen von Vollzugsdefiziten verfassungswidrig sein können. Daraus ergeben sich möglicherweise Grenzen für die Besteuerung privater Veräußerungen. Nach der Untersuchung der Grund- und Detailfragen des geltenden § 23 EStG wird schließlich im Abschnitt E. kurz auf die wichtigsten Modelle zur Reform der Besteuerung von Veräußerungen im Privatvermögen eingegangen. 5 So anlässlich der Frage des zeitlichen Anwendungsbereichs der verlängerten Fristen in § 23 EStG BFH v. 16. 12. 2003 - IX R 46/02, BFHE 204, 228 (257). 6 So zu Grundbesitz BVerfG v. 9. 3. 2004 - 2 BvL 17/02, BVerfGE 110, 94 (98). Diese Ausführungen finden sich merkwürdigerweise im Tatbestand des Urteils. 7 BVerfG v. 9. 7. 1969-2 BvL 20/65, BVerfGE 26, 302 (312); BVerfG v. 9. 3. 2004 2 BvL 17/02, BVerfGE 110, 94 (112).
A. Einleitung und Gang der Darstellung
Die Zusammenhänge mit der Besteuerung betrieblicher Veräußerungsgewinne werden an den entsprechenden Stellen behandelt. Aufgrund der thematischen Eingrenzung muss ein eingehender Vergleich mit der Besteuerung betrieblicher Veräußerungsgewinne jedoch unterbleiben. Dies würde den Rahmen der vorliegenden Untersuchung sprengen.
B. Historische Entwicklung des § 23 EStG Der Regelungsgehalt des § 23 EStG1 lässt sich in der Geschichte der Einkommensteuer weit zurückverfolgen. Zwar gab es insbesondere in den letzten Jahren einige Änderungen, im Kern hat die Vorschrift die zahlreichen Änderungen im Steuerrecht aber überlebt. Da eine ausführliche Begründung des § 23 EStG aus heutiger Zeit fehlt, muss, um die geltende Regelung vollständig nachvollziehen, untersuchen und einordnen zu können, vor allem deren Entstehung betrachtet werden. Daher sollen hier die wichtigsten Stationen der historischen Entwicklung dargestellt werden.2 Auch wegen der besonderen Bedeutung des Einkommensbegriffs und seiner Entwicklung für die Besteuerung von Spekulationsgeschäften bzw. privaten Veräußerungsgeschäften ist kurz auf diese Zusammenhänge in der historischen Entwicklung einzugehen.
I. Das preußische Einkommensteuergesetz von 1891 Von den Einkommensteuergesetzen der Länder, die bis zur Übertragung der Gesetzgebungskompetenz auf das Reich im Jahre 1920 Geltung hatten, ist vor allem das preußische EStG 18913 bedeutsam.4 Prinzipiell folgte das preußische EStG - wie die meisten anderen Landessteuergesetze5 - der sog. Quellentheorie.6 Nach der Quellentheorie ist Einkommen die 1
Zwecks besserer Lesbarkeit soll im Folgenden statt von § 22 Nr. 2 i. V. m. § 23 EStG nur von § 23 EStG die Rede sein, unbeschadet dessen, dass sich die Steuerpflicht der privaten Veräußerungsgeschäfte aus der Anordnung in § 22 Nr. 2 EStG ergibt und § 23 EStG (lediglich) die näheren Regelungen trifft, welche Geschäfte private Veräußerungsgeschäfte sind und wie die Einkünfte ermittelt und besteuert werden. 2 Zur rechtsgeschichtlichen Entwicklung des § 23 EStG vgl. auch Jansen, in: H / H / R , EStG, § 23 Anm. 4 (Nov. 2002); Bachem, in: Bo/Br, EStG, § 23 Rn. 1 ff. (Aug. 2003); Korn ¡Carié, EStG, § 23 Rn. 10 (Aug. 2004). 3 Einkommensteuergesetz vom 24. Juni 1891, Gesetz-Sammlung für die Königlichen Preußischen Staaten 1891, S. 175 ff. (Nr. 19). 4 Zu der Besteuerung der Veräußerungsgewinne und der Entwicklung des Einkommensumfangs in den anderen Ländern eingehend Schanz, Finanz-Archiv 1896 (13. Jahrgang), 1 ff. (31 ff.). 5 Blümich/Schachian, EStG 1925, S. 117; Crezelius, DB 2003, 230 (231); Lademann/ Jäschke, EStG, § 2 Rn. 50 (April 2002). 6 Reichstag, III. Wahlperiode 1924/25, Drucks. Nr. 795, S. 21, 24; Birk, JZ 1988, 820 (822); Tipke, in: FS für Paulick, S. 391 (394); Hensel, Steuerrecht, S. 233; Jakob, Einkommensteuer, § 1 Rn. 2; vgl. Blümich/Schachian, EStG 1925, S. 47, 117.
I. Das preußische Einkommensteuergesetz von 1891
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Gesamtheit der Sachgüter, welche in einer bestimmten Periode dem Einzelnen als Erträge dauernder Quellen der Gütererzeugung zur Bestreitung der persönlichen Bedürfnisse für sich und für die auf den Bezug ihres Lebensunterhalts von ihm gesetzlich angewiesenen Personen (Familie) zur Verfügung stehen.7 Alle einmaligen Vermögensanfälle fallen also aus dem Einkommensbegriff heraus.8 Bei privaten Veräußerungen ist dabei gleichgültig, ob Spekulationsabsicht vorlag oder nicht.9 Die Zugrundelegung der Quellentheorie zeigte sich beispielsweise in der Verwendung der Begriffe Stammvermögen10 und Ertrag in § 8 pr. EStG. Dementsprechend ordnete § 7 pr. EStG dem Einkommen die Einkünfte aus (den Einkommensquellen11) Kapitalvermögen, Grundbesitz, Handel und Gewerbe sowie aus Gewinn bringender Beschäftigung und Rechten auf periodische Hebungen und Vorteile irgendwelcher Art zu. Gemäß § 8 pr. EStG waren Zuwächse des Stammvermögens dagegen nicht steuerbar. Dazu sollten aber nicht Einnahmen aus dem zu Spekulationszwecken12 unternommenen Verkauf von Grundstücken gehören.13 Als Kapitaleinkünfte wurden von § 12 lit. d pr. EStG zudem noch Spekulationsgeschäfte mit Wertpapieren, Forderungen, Renten usw. erfasst. Die Gesetzesbegründung rechtfertigte die Einbeziehung der Spekulationsgeschäfte mit der Definition des Einkommens. Einkommen seien alle diejenigen Güter, welche durch die auf Gewinn 7
Fuisting, Die Grundzüge der Steuerlehre, S. 110. 8 Bachem, in: Bo/Br, EStG, § 2 Rn. 24 (Juli 1998). Siehe aber Fuisting, EStG, 1899, § 7 Rn. 11, S. 57, wonach das preußische EStG zwar auf Quellen abstellte, nicht aber auf die regelmäßige Wiederholung. 9 Fuisting, Die Grundzüge der Steuerlehre, S. 150. 10 Einen Zuwachs des Stammvermögens stellen auch nach der Gesetzesbegründung z. B. die Gewinne aus der Veräußerung von Vermögensbestandteilen dar (sofern es sich nicht um Spekulationsgeschäfte handelt), Anlagen zu den Stenographischen Berichten über die Verhandlungen des Hauses der Abgeordneten während der 3. Session der 17. Legislaturperiode, 1890/91, Erster Band, No. 1-26, Aktenstück No. 5, S. 221. » Vgl. Fuisting/Strutz, Pr. EStG, § 6 Rn. 3 (§ 7 wurde später zu § 6). 12 Steuerpflichtig war auch der gewerbsmäßige Verkauf von Grundstücken, dieser unterfiel den Einkünften aus Handel und Gewerbe. Der Unterschied zwischen beiden wurde lediglich in dem Punkt gesehen, dass die selbständige und mit Gewinnerzielungsabsicht unternommene Arbeitstätigkeit und Beteiligung am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr bei der Spekulation nicht berufsmäßig, sondern auf einen bestimmten Fall beschränkt ist, OVGSt X, 68 (70 f.). 13 Fuisting/Strutz, Pr. EStG, § 6 Rn. 8, betont, dass es sich bei den Spekulationsgeschäften begrifflich nicht um Einkommen handele. Nicht erläutert wird jedoch, warum diese Erweiterung der Besteuerung über den Einkommensbegriff hinaus erfolgt bzw. wie sie zu rechtfertigen ist. Ebenso geht das preußische OVG davon aus, dass der Spekulationsgewinn kein wirtschaftliches Einkommen sei, sondern eine Vermögensmehrung und nur aufgrund der gesetzlichen Regelung in das steuerpflichtige Einkommen einbezogen werde, OVGSt X, 68 (69 f., 72). Diese Spekulationsgeschäfte sollten nicht mit dem Erwerb von Gegenständen zum dauernden Gebrauch und zur Erzielung dauernder Einnahmen gleichgestellt werden, OVGSt VIII, 37 (41).
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gerichtete Tätigkeit einer Person oder durch Nutzung ihres Vermögens erzielt werden und über welche sie ohne Verminderung des Stammvermögens verfügen kann.14 Zudem sollte verhindert werden, dass sich gerade die reichsten Steuerpflichtigen der Besteuerung entziehen können. Als maßgeblicher Unterschied zu den übrigen Veräußerungen des Privatvermögens wurde also angesehen, dass dort die Gewinnerzielungsabsicht nicht besteht bzw. nicht im Vordergrund steht.15 Das preußische Oberverwaltungsgericht definierte den Spekulationsgewinn als Gewinn aus der Wiederveräußerung von Vermögensgegenständen, die vom Veräußerer von vornherein in der für den Erwerb maßgebenden Absicht der Gewinnerzielung durch Wiederveräußerung erworben wurden.16 Spekulation sei das Bestreben, einen Gewinn durch die Anpassung des geschäftlichen Verhaltens an die Vorteile oder Nachteile aus künftigen Preisschwankungen zu erzielen.17 Spekulationsgeschäfte sollten nicht wie Erwerbe zum dauernden Gebrauch und zur Erzielung dauerhafter Einnahmen behandelt werden und seien daher steuerpflichtig. 18 Es stellte bereits fest, die Frage nach dem Zugrundeliegen von Spekulationszwecken lasse sich naturgemäß nur aus den das Geschäft begleitenden Umständen beantworten, 19 und zeigte damit ein Kernproblem der Besteuerung von Spekulationsgeschäften auf. Trotz der Zugrundelegung der Quellentheorie wurden also die einmaligen Einnahmen der Spekulationsgewinne besteuert.20 Diese begrenzte Durchbrechung der 14
Anlagen zu den Stenographischen Berichten über die Verhandlungen des Hauses der Abgeordneten während der 3. Session der 17. Legislaturperiode, 1890/91, Erster Band, No. 1 - 2 6 , Aktenstück No. 5, S. 221. 15 Schon damals wurde an der Spekulationsbesteuerung kritisiert, konsequenterweise müsse dann jeder Gewinn aus einem Rechtsgeschäft besteuert werden, siehe Fuisting, EStG, 1899, § 8 Rn. 2, S. 59. 16 OVGSt II, 287 (289); OVGSt VIII, 37 (41); OVGSt Di, 48 (53). Ebenso Fuisting, EStG, 1899, § 8 Rn. 3, S. 62. Vgl. auch Fuisting/Strutz, Pr. EStG, § 7 Rn. 6, § 11 Rn. 28; Strutz, EStG 1925, § 42 Anm. 3 (713). Zwischenzeitlich hielt es daneben aber grundsätzlich noch weitere Fälle eines Spekulationsgeschäftes für möglich. So OVGSt II, 287 (287, 289); anders dann OVGSt IX, 48 (48, 53). 17 OVGSt VIA, 37 (41). Ebenso Fuisting, EStG, 1899, § 8 Rn. 3, S. 61. 18 OVGSt VIII, 37 (41). Vgl. auch die Definition des preußischen Finanzministers: Spekulation liege nur dann vor, wenn jemand einen Gegenstand kaufe in der Absicht, ihn nicht als Gebrauchswert zu behandeln, sondern als Verkaufswert (siehe Fuisting, EStG, 1899, § 8 Rn. 3, S. 60). 19 OVGSt I, 274 (276); vgl. OVGSt II, 287 (289): Vorgänge beim Erwerb als Anzeichen. Vgl. auch OVGSt VIII, 37 (40) zu Art. 9 der Ausführungsanweisung vom 5. 8. 1891, die auf die Umstände bei Ankauf, Verkauf und in der Zwischenzeit abstellte; vgl. dazu auch OVGSt X, 68 (69). 20 Vgl. Blümich/Schachian, EStG 1925, S. 47; Glaser, EStG 1920, § 4 Anm. 1, S. 66; Raupach, in: Niedergang oder Neuordnung, S. 93; Strutz, EStG 1925, S. 72. Diese Einbeziehung der Spekulationsgewinne wird daher als Indiz dafür gesehen, dass die Quellentheorie nicht genügt, um den Einkommensbegriff auszufüllen, Verhandlungen der verfassunggebenden Deutschen Nationalversammlung, Band 340, Anlagen zu den Stenographischen Berich-
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Quellentheorie hatte ihren Grund darin, dass man nicht die erheblichen Gewinne aus Grundstücksverkäufen steuerfrei lassen wollte, die sich aufgrund der durch die Ausdehnung der Städte steigenden Preise bei einer kleinen Gruppe von Grundbesitzern ergaben.21 Insoweit kann man sagen, dass es bereits damals als ungerecht empfunden wurde, einzelne einmalige Einnahmen nicht zu erfassen. Dies steht der heutigen Auffassung nahe, dass auch Veräußerungsgewinne und andere einmalige Einnahmen Leistungsfähigkeit vermitteln.22 Hinzu kam, dass die Nichtbesteuerung als Ursache von Steuerausfällen angesehen wurde. Beides spricht dafür, dass die Quellentheorie bereits während ihrer Umsetzung in geltendes Recht nicht als (vollständig) richtige Abbildung des Einkommensbegriffs angesehen wurde. Deutlich wird auch, dass die Quellentheorie Einkommen und Vermögen nicht trennscharf voneinander unterscheiden kann.
II. Das Reichseinkommensteuergesetz 1920 1. Die Gesetzesfassung von 1920 Die Besteuerung von privaten Veräußerungsgeschäften betrafen im Reichseinkommensteuergesetz 192023 die Vorschriften der §§ 4, 5 i. V. m. § 11 Nr. 5, § 12 EStG 1920. § 4 EStG 1920 erfasste generalklauselartig im Grundsatz alle in Geld und Geldeswert bestehenden Einkünfte. 24 § 5 EStG 1920 nannte beispielhaft einige zum steuerbaren Einkommen gehörende Einkünfte, darunter die sonstigen Einnahmen. Als sonstige Einnahmen erfasste § 11 Nr. 5 EStG 1920 auch durch einzelne Veräußerungsgeschäfte erzielte Gewinne. Die Ermittlung des Gewinns aus einzelnen Veräußerungsgeschäften regelte § 35 EStG 1920. Durch § 12 EStG 1920 wurden jedoch verschiedene Ausnahmen angeordnet. Insbesondere gehörten nach dessen Nr. 13 Gewinne aus der Veräußerung von Grundstücken nicht zu den Einkünften, es sei denn, die Grundstücke wurden innerhalb der letzten zehn Jahre oder zum Zwecke der Wiederveräußerung erworben. 25 Nr. 12 schloss vom steuerbaren Einten, Berlin 1920, Nr. 1624 (Entwurf eines Reichseinkommensteuergesetzes), S. 21; Reichstag, UI. Wahlperiode 1924/25, Drucks. Nr. 795, S. 21; Blümich/Schachian, EStG 1925, S. 120. 21 So Fuisting, EStG, 1899, § 8 Rn. 2, S. 59. 22 Zur Steigerung der Leistungsfähigkeit durch private Veräußerungsgeschäfte Herzig/ Lutterbach, DStR 1999, 521 (527); Raupach, in: Niedergang oder Neuordnung, S. 103; Saathoff, FR 1998, 917 (927); Tipke, StRO II, S. 732 m. w. N. Vgl. zur Erhöhung der Leistungsfähigkeit durch einmalige Vermögenszuflüsse Blümich /Stuhrmann, § 2 EStG Rn. 7 (Okt. 2002). 23 Einkommensteuergesetz vom 29. März 1920, RGBl. 1920, 359 ff. (Nr. 57).
24 In § 4 EStG 1920 kam zum Ausdruck, dass das EStG grundsätzlich der von Schanz vertretenen Auffassung vom Einkommensbegriff folgte, Blümich/Schachian, EStG 1925, S. 120.
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kommen Gewinne aus, welche aus der Veräußerung von Gegenständen erzielt wurden, die nach § 8 des Besitzsteuergesetzes vom 3. Juli 1913 2 6 zum nichtsteuerbaren Vermögen gehörten, es sei denn, dass sie in der Absicht der Wiederveräußerung erworben worden waren. 27 Das betraf bestimmte nicht zum sog. Kapitalvermögen gehörende bewegliche körperliche Gegenstände, in erster Linie Hausrat und Möbel. Damit wurde ein Bereich ausgenommen, in dem unter normalen Umständen kaum Veräußerungsgewinne zu erwarten sind. Die Gesetzesbegründung stellte aber für die damalige Zeit fest, dass in großem Umfang Gegenstände dieser Art zur Steuerersparnis oder zur alsbaldigen Weiterveräußerung erworben wurden. 28 Für die verbleibenden Gewinne aus einzelnen Veräußerungsgeschäften wurde eine Veräußerungsgewinnverteilung auf mehrere Jahre gemäß § 22 EStG 1920 eingeführt. 29 Damit sah bereits das EStG 1920 ein zum Teil auch heute vorgeschlagenes, auf fünf Jahre begrenztes sog. averaging als Progressionsausgleich vor. 3 0 Für Handelsbücher führende Steuerpflichtige wurde das „Einkommen" (in der heutigen Terminologie die Einkünfte) gemäß §§ 7, 33 I I EStG 1920 nach dem Handelsbilanzgewinn bestimmt. Damit wurden in diesem Bereich alle Veräuße-
25 RGBl. 1920, S. 359 (363). Wegen der hohen Belastung der Grundstücksverkäufe durch andere Abgaben (z. B. die Wertzuwachssteuer) sollten die Veräußerungen nicht vom Einkommensbegriff erfasst werden, bei denen es sich nicht um Spekulationsgeschäfte handelte. Dies wurde bei längerem Besitz angenommen, Verhandlungen der verfassunggebenden Deutschen Nationalversammlung, Band 340, Anlagen zu den Stenographischen Berichten, Berlin 1920, Nr. 1624 (Entwurf eines Reichseinkommensteuergesetzes), S. 22, 46; Glaser, EStG 1920, § 4 Anm. 1, S. 67. 26 RGBl. 1913, 524 ff. 27 Gegen die Besteuerung von Hausrat, Edelsteinen und Sammlungen wurde angeführt, sie sei einerseits schwer durchführbar und stelle andererseits für den einzelnen eine große Belästigung dar, Verhandlungen der verfassunggebenden Deutschen Nationalversammlung, Band 340, Anlagen zu den Stenographischen Berichten, Berlin 1920, Nr. 1624 (Entwurf eines Reichseinkommensteuergesetzes), S. 22. An anderer Stelle (S. 46) wurde dagegen vom Gebrauchsvermögen gesprochen, gegen dessen Besteuerung praktische Erwägungen sprächen. 28 Verhandlungen der verfassunggebenden Deutschen Nationalversammlung, Band 340, Anlagen zu den Stenographischen Berichten, Berlin 1920, Nr. 1624 (Entwurf eines Reichseinkommensteuergesetzes), S. 22 f. 29 RGBl. 1920, 359 (368). § 22 EStG 1920 lautete: ,3ei Gewinnen aus einzelnen Veräußerungsgeschäften (§11 Nr. 5) wird die Steuer von dem gesamten steuerpflichtigen Einkommen nach dem Hundertsatz erhoben, der nach § 21 anzuwenden wäre, wenn die Steuer von dem übrigen Einkommen zuzüglich des Betrags erhoben würde, der sich bei gleichmäßiger Verteilung des Gewinns auf die vollen Jahre der Besitzdauer ergibt. Die Besitzzeit vor dem 1. Januar 1920 sowie die Besitzzeit von mehr als fünf Jahren wird nicht berücksichtigt. Falls sich hiernach kein Hundertsatz ergibt, wird die Steuer nach dem niedrigsten im § 21 vorgesehenen Abgabesatz erhoben." § 22 EStG 1920 wurde jedoch bereits 1921 gestrichen, siehe unten. 30
Dass dieser Vorschlag bereits einmal geltendes deutsches Recht war, wird dabei im Regelfall nicht erwähnt. Meistens wird auf entsprechende Regelungen im Ausland Bezug genommen.
IL Das Reichseinkommensteuergesetz 1920
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rungsgeschäfte einbezogen. 31 Auch bei Einkünften aus Land- und Forstwirtschaft und Gewerbebetrieb ohne Buchführung wurden die Veräußerungsgeschäfte steuerlich erfasst. 32 Das EStG 1920 lehnte in der Gesetzesbegründung ausdrücklich die Quellentheorie ab. Gegen diese wurde neben anderen Kritikpunkten vor allem eingewendet, sie erfasse nicht die einmaligen Einkünfte, obwohl deren Einbeziehung ein Gebot der Gerechtigkeit und Billigkeit und der wesentlich erhöhten Leistungsfähigkeit sei. 33 Die Gesetzesbegründung stützte sich auf die Reinvermögenszugangstheorie in modifizierter Form, auch wenn die Definition dieses vor allem von Schanz vertretenen Einkommensbegriffs nicht im Wortlaut übernommen wurde. 3 4 Schanz hatte die Einkommensdefinition von Hermann fortentwickelt. Die Reinvermögenszugangstheorie definiert Einkommen als Reinvermögenszugang einer Wirtschaft während eines bestimmten Zeitabschnitts.35 Dementsprechend wurde in § 4 EStG 1920 der Einkommensteuer der Gesamtbetrag der in Geld oder Geldeswert bestehenden Einkünfte unterworfen, und es wurde nicht darauf abgestellt, aus welcher Quelle die Einnahme fließt. 36 Die dem an sich entsprechende Berechnungsmethode der Gegenüberstellung aller Vermögenszugänge und Vermögensabgänge sei nicht auch für die keine Handelsbücher führenden Steuerpflichtigen
31 Ebenso Strutz, Handbuch des Reichssteuerrechts, S. 169; Glaser, EStG 1920, § 11 Anm. 27, S. 165. 32 Nach § 32 I EStG 1920 und § 33 I EStG 1920 wurden auch bei Einkünften aus Landund Forstwirtschaft und aus Gewerbebetrieb ohne Buchführung die Veräußerungsgeschäfte dadurch einbezogen, dass neben dem Vergleich der Betriebseinnahmen und Betriebsausgaben auch die Unterschiede „in dem Stande und Werte" des beweglichen Betriebsvermögens zu berücksichtigen waren. Vgl. im Ergebnis ebenso für Land- und Forstwirtschaft Strutz, Handbuch des Reichssteuerrechts, S. 169. Bei den freien Berufen fehlte eine besondere Ermittlungsvorschrift, aber nach Strutz, Handbuch des Reichssteuerrechts, S. 169, wurden die dabei getätigten Veräußerungsgeschäfte ebenfalls nach § 9 Nr. 2 EStG 1920 - wohl durch die allgemeine Zurechnung des Erwerbs aus der Ausübung freier Berufe zum Einkommen aus Arbeit - erfasst. 33 Verhandlungen der verfassunggebenden Deutschen Nationalversammlung, Band 340, Anlagen zu den Stenographischen Berichten, Berlin 1920, Nr. 1624 (Entwurf eines Reichseinkommensteuergesetzes), S. 20. 34 Verhandlungen der verfassunggebenden Deutschen Nationalversammlung, Band 340, Anlagen zu den Stenographischen Berichten, Berlin 1920, Nr. 1624 (Entwurf eines Reichseinkommensteuergesetzes), S. 22, 24; vgl. Tipke, in: FS für Paulick, S. 391 (394); Blümich/ Schachian, EStG 1925, S. 30. Dabei untersuchte die Gesetzesbegründung ausführlich die Vorzüge und Nachteile der beiden Einkommensbegriffe. 35 Schanz, Finanz-Archiv 1896 (13. Jahrgang), 1 (7); Tipke, in: FS für Paulick, S. 391 (393). Teilweise werden noch ausdrücklich die Nutzungen und geldwerten Leistungen eingeschlossen, vgl. Blümich/Schachian, EStG 1925, S. 119; Reichstag, III. Wahlperiode 1924/ 25, Drucks. Nr. 795 (Entwurf eines Einkommensteuergesetzes), S. 22. 36 Vgl. Verhandlungen der verfassunggebenden Deutschen Nationalversammlung, Band 340, Anlagen zu den Stenographischen Berichten, Berlin 1920, Nr. 1624 (Entwurf eines Reichseinkommensteuergesetzes), S. 43. Die Aufzählung einiger Einkünfte in § 5 EStG 1920 war nur beispielhaft, s. o.
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eingeführt worden, da ohne zwingende Gründe nicht von alten Gebräuchen abgewichen werden solle und ohnehin schon hohe Anforderungen an die Steuerpflichtigen gestellt würden.37 Der Vermögensvergleich wurde also für belastender als eine Überschussrechnung gehalten. Durch die teilweise Steuerfreiheit einzelner Veräußerungsgeschäfte wurde die Reinvermögenszugangstheorie jedoch eingeschränkt.38 Dies ist im Hinblick darauf bemerkenswert, dass die Gesetzesbegründung die Bedeutung der Einbeziehung einmaliger Einkünfte, insbesondere der Veräußerungsgeschäfte, betont hatte.39 Gerade im Vergleich zu den späteren Regelungen erfolgte jedoch nach dem EStG 1920 trotz der genannten Ausnahmen eine weitreichende Besteuerung der Veräußerungsgeschäfte.
2. Die Novelle von 1921 Bereits 1921 wurde das EStG 1920 in erheblichem Umfang geändert.40 Da die Änderung im März 1921 vor der Veranlagung der Einkommensteuer für 1920 erfolgte, wirkte die Änderung auch noch für den Veranlagungszeitraum 1920.41 Daher galt die im EStG 1920 ursprünglich vorgesehene Regelung nie. Nach der Änderung des § 11 Nr. 5 EStG 1920 42 wurden Gewinne aus einzelnen Veräußerungsgeschäften (nur) besteuert, wenn der Erwerb des veräußerten Gegenstandes zum Zwecke gewinnbringender Wiederveräußerung erfolgt war (Spekulationsgewinne) und soweit die Veräußerungsgeschäfte nicht zum Gewerbebetriebe des Steuerpflichtigen gehörten.43 Wegen der Probleme der Feststellung des inneren Motivs der Spekulationsabsicht ist die praktische Durchführung der Vorschrift auf große Schwierigkeiten gestoßen.44 Weiterhin wurden durch die Novelle die Ausnahmen 37 Verhandlungen der verfassunggebenden Deutschen Nationalversammlung, Band 340, Anlagen zu den Stenographischen Berichten, Berlin 1920, Nr. 1624 (Entwurf eines Reichseinkommensteuergesetzes), S. 24. 38 Vgl. zu §§ 11, 12 EStG 1920 und anderen Beispielen Reichstag, III. Wahlperiode 1924/25, Drucks. Nr. 795, S. 22. Zur nicht konsequenten Umsetzung der Reinvermögenszugangstheorie siehe auch Kanzler, FR 2000, 1245 (1246, Fn. 15). 39
Verhandlungen der verfassunggebenden Deutschen Nationalversammlung, Band 340, Anlagen zu den Stenographischen Berichten, Berlin 1920, Nr. 1624 (Entwurf eines Reichseinkommensteuergesetzes), S. 20 f. 40 Gesetz vom 24. März 1921 zur Änderung des Einkommensteuergesetzes vom 29. März 1920, RGBl. 1921, 313 ff. 41 Begründung zum Entwurf eines Einkommensteuergesetzes, Reichstag, III. Wahlperiode 1924/25, Drucks. Nr. 795 (Entwurf eines Einkommensteuergesetzes), S. 19 ff. (19, 59). 42 Diese Änderung war im ursprünglichen Gesetzentwurf nicht vorgesehen, Verhandlungen des Reichstags, I. Wahlperiode 1920, Anlagen zu den stenographischen Berichten, Nr. 1205, S. 1. Erst die Beschlüsse des 11. Ausschusses sahen eine entsprechende Änderung des § 11 Nr. 5 EStG 1920 vor, Aktenstück Nr. 1710, Anlage 1, S. 1361. Daher fehlt im Entwurf des Gesetzes in Aktenstück Nr. 1770, S. 1479 ff., eine Begründung dieser Änderung. 43 RGBL 1921, 313 (313 f.); kritisch zur Formulierung des Gesetzestextes Strutz, Handbuch des Reichssteuerrechts, S. 169.
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in § 12 Nr. 12 und Nr. 13 EStG 1920 (betreffend die Gewinne aus der Veräußerung von nichtsteuerbarem Vermögen und aus der Veräußerung von Grundstücken 45 ) gestrichen. 46 Darin wird von Tipke die Aufhebung der Besteuerung einmaliger Veräußerungsgeschäfte gesehen.47 Diese Aussage ist insoweit missverständlich, als Spekulationsgeschäfte als Teil der privaten Veräußerungsgeschäfte noch besteuert wurden. Zieht man nur die gesetzliche Regelung heran, bleibt unklar, wann eine Spekulationsabsicht48 und damit ein Spekulationsgeschäft angenommen wurde (z. B. ob die Verwaltung dies bei kurzen Zeiträumen vermutete). 49 Die Gesetzesbegründung führte als Grund für die Änderungen an, dass die allgemeine Besteuerung der einmaligen Veräußerungsgewinne zu derartigen wirtschaftlichen Schwierigkeiten führt, dass es nicht ratsam erscheint, sie fortbestehen zu lassen. 50 Es wurde darauf hingewiesen, dass in der Praxis die Gewinne in zahlreichen Fällen nicht deklariert wurden, die Verluste hingegen in der Regel geltend gemacht wurden. 51 Diese Gefahr bestand jedoch ebenso bei der Besteuerung von 44
Zur schon im Gesetzgebungsverfahren vorgebrachten Kritik Glaser, EStG 1920, § 11 Anm. 26, S. 164 f. Nach Ansicht des Reichsfinanzhofs muss von äußeren Erscheinungen auf die Beweggründe als innere Vorgänge geschlossen werden, was oft nicht einfach sei, RFHE XII, 245 (249). Dafür gebe es keine allgemeine Regel, sondern im Einzelfall sei die Hauptabsicht zu ermitteln. Blümich/ Schachian, EStG 1925, vertreten einerseits, innere Motive seien nicht feststellbar (S. 48), und andererseits, die Spekulationsabsicht als innerer Vorgang könne selten anhand objektiver Kriterien einwandfrei ermittelt werden (S. 408); vgl. auch Strutz, Handbuch des Reichssteuerrechts, S. 170. Heute wird bei subjektiven Tatbestandsmerkmalen vor allem von der Rechtsprechung davon ausgegangen, dass auf sie anhand objektiver Umstände geschlossen werden kann. Die Verwendung subjektiver Tatbestandsmerkmale wird aber z. B. von Schmidt /Seeger, EStG, § 2 Rn. 23 m. w. N. aus Gründen der Einfachheit und der Überprüfbarkeit heftig kritisiert. 45 Siehe oben B.II. 1. 46 RGBl. 1921, 313 (314). Damit wurden bei den Veräußerungsgeschäften alle überhaupt veräußerbaren Gegenstände im Rechtssinne erfasst, Glaser, EStG 1920, § 11 Anm. 32, S. 167. 47 Tipke, in: FS für Paulick, S. 391 (395). 48 Der Reichsfinanzhof stimmte der Vorinstanz zu, die Nebenabsicht der Veräußerung bei Eintreten einer Wertsteigerung fehle bei der Kapitalanlage (in Aktien) in den seltensten Fällen und genüge nicht für die Annahme einer Spekulationsabsicht. Der Zweck der gewinnbringenden Wiederveräußerung müsse vielmehr bestimmend für den Erwerb gewesen sein („Hauptabsicht"), RFHE XH, 245 (246,248 f.); ebenso Glaser, EStG 1920, § 11 Anm. 28, S. 166. 49 Deshalb wurde in Erlassen des Reichsfinanzministers auf bestimmte äußere Merkmale hingewiesen, aus denen auf die Spekulationsabsicht geschlossen werden sollte, Blümich/ Schachian, EStG 1925, S. 409; Reichstag, III. Wahlperiode 1924/25, Drucks. Nr. 795, S. 60. Der Reichsfinanzhof lehnte aber eine allgemeine Regel zugunsten einer Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls ab, RFHE XII, 245 (249). 50 S. 50 der amtlichen Begründung zur Novelle vom 24. 3. 1921, zitiert nach der wörtlichen Wiedergabe bei Blümich/Schachian, EStG 1925, S. 31, Fn. 68; ebenso Glaser, EStG 1920, § 11 Anm. 26, S. 163. Zumindest die Spekulation sollte aber wegen ihrer starken Zunahme besteuert werden, Glaser, EStG 1920, § 11 Anm. 26, S. 164. 51 S. 50 der amtlichen Begründung zur Novelle vom 24. 3. 1921 (siehe Fn. 50); ebenso Glaser, EStG 1920, § 11 Anm. 26, S. 163. Trotz der erkannten Vollzugsdefizite wurde aber die Besteuerung von Hausrat, Edelsteinen, Sammlungen etc. beibehalten. 3 Dechant
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Spekulationsgeschäften.52 Darauf ist wohl auch zurückzuführen, dass 1921 in § 13 Nr. 8 EStG die Verrechnung der Verluste aus Spekulationsgeschäften auf Spekulationsgewinne des gleichen Veranlagungszeitraums begrenzt wurde. 53 Im Entwurf war sogar vorgesehen, § 11 Nr. 5 EStG 1920 zu streichen und gesetzlich zu regeln, dass Gewinne aus einmaligen Veräußerungsgeschäften nicht zum steuerbaren Einkommen zu rechnen sind (ausgenommen gewerbsmäßig betriebene Spekulation).54 Der Vorschlag der Nichtsteuerbarkeit auch der Spekulationsgeschäfte wurde ebenfalls damit begründet, dass Verluste aus Veräußerungsgeschäften sonst stets als Spekulationsverluste in Abzug gebracht würden, Gewinne aus Veräußerungsgeschäften dagegen nie oder nur selten als Spekulationsgewinne dargetan werden könnten.55 Dieser Vorschlag konnte sich im Gesetzgebungsverfahren jedoch nicht durchsetzen.56 Insbesondere die starke Zunahme der Spekulationsgeschäfte wurde als Grund für deren Besteuerung genannt.57 Interessant ist weiterhin, dass bereits 1921 die gerade eingeführte Veräußerungsgewinnverteilung auf mehrere Jahre gemäß § 22 EStG 1920 gestrichen wurde. 58 Damit galt im Privatvermögen durch die Beschränkung der Besteuerung auf die Spekulationsgewinne eine weitreichende Nichtsteuerbarkeit des sog. Stammvermögens. Die ausdrücklich als Grundlage des EStG 1920 benannte Reinvermögenszugangstheorie wurde also nicht in Reinform umgesetzt, sondern nur mit erheblichen Einschränkungen.59 Denn diese erfordert auch die Einbeziehung von Gewinnen aus einmaliger Tätigkeit und aus einmaligen Veräußerungsgeschäften. Trotz der einheitlich als Grundlage herangezogenen Reinvermögenszugangstheorie deuteten sich durch die Belastungsunterschiede von Betriebsvermögen und Privatver52 Es ist davon auszugehen, dass der Steuerpflichtige in der Praxis seine Spekulationsabsicht nachweisen musste, um die steuerliche Anerkennung der Verluste zu erreichen. 53 Zudem sollte ein unerwünschtes Ausnutzen des Verlustausgleichs verhindert werden. Vgl. dazu Glaser, EStG 1920, § 11 Anm. 26, S. 164: Es käme vor, dass Spekulanten unter Berufung auf Spekulationsverluste Einkünfte aus anderen Quellen „verschwinden" ließen. Vgl. auch BPH v. 1. 6. 2004 - IX R 35/01, BFHE 206, 273 (279). Außerdem kommt als Ziel der Regelung die damit eng zusammenhängende Überlegung in Betracht, die Verschiebung von Risiken auf die Allgemeinheit der Steuerzahler zu vermeiden. 54
S. 50 der amtlichen Begründung zur Novelle vom 24. 3. 1921 (siehe Fn. 50). Siehe auch Glaser, EStG 1920, § 11 Anm. 26, S. 163. 55 S. 50 der amtlichen Begründung zur Novelle vom 24. 3. 1921 (siehe Fn. 50). 56 Vgl. auch Blümich/Schachian, EStG 1925, S. 31 f. 57 Glaser, EStG 1920, § 11 Anm. 26, S. 164. 58 RGBl. 1921, 313 (316). Geht man davon aus, dass auch bei Spekulationsgeschäften mehrere Jahre zwischen Anschaffung und Veräußerung liegen können, war diese Änderung nicht zwingende Folge der Beschränkung auf die Besteuerung von Spekulationsgeschäften. 59 Offengelassen von Blümich/Schachian, EStG 1925, S. 32. Jedenfalls sei beim EStG 1920 von einem systematisch folgerichtig durchgebüdeten Einkommensbegriff nicht zu sprechen (S. 33). Kritisch zum Einkommensbegriff äußert sich auch der Kölner Entwurf, Rn. 7. Zu § 11 Nr. 5 EStG als Ausnahme von der Steuerpflicht sämtlicher Einkünfte nach § 4 EStG vgl. Glaser, EStG 1920, § 11 Anm. 5, S. 154.
III. Das Reichseinkommensteuergesetz 1925
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mögen daher bereits zwei Subsysteme60 innerhalb der Einkommensbesteuerung an.
i n . Das Reichseinkommensteuergesetz 1925 Das Reichseinkommensteuergesetz 1925 6 1 enthielt eine abschließende Aufzählung von acht Einkunftsarten in § 6 EStG 1925. Damit unterschied es sich grundlegend vom EStG 1920, das zunächst alle Einkünfte der Steuer unterwarf und nur einzelne Vermögenszugänge ausnahm. 62 § 6 I I I EStG 1925 stellte klar, dass der Einkommensteuer insbesondere einmalige Vermögensanfälle nicht unterlagen. 63 Einkünfte aus Veräußerungsgeschäften waren jedoch als sonstige Leistungsgewinn e 6 4 nach §§ 4 1 1 Nr. 1, 4 2 1 1 EStG 1925 steuerbar, 65 wenn es sich um sog. „Spekulationsgeschäfte" handelte. 66 Spekulationsgeschäfte lagen nach § 4212 EStG 1925 vor, sofern bestimmte Zeiträume zwischen Anschaffung und Veräußerung unter60
Und damit ein materieller Dualismus, siehe dazu C.I.l.e). Einkommensteuergesetz vom 10. August 1925, RGBl. Teil I 1925, 189 ff.; zum EStG 1925 vgl. auch Tipke, in: FS für Paulick, S. 391 (395 f.); Blümich/Schachian, EStG 1925. 62 Darin spiegelt sich bereits die Abkehr von der Reinvermögenszugangstheorie zumindest als alleiniger Grundlage der Einkommensbesteuerung wider. 63 Darin wurde teilweise die allgemeine Regelung gesehen, nicht den acht Einkommenskategorien zuzuordnende Einkünfte unterlägen nicht der Einkommensteuer. Dies ergibt sich aber bereits aus dem abschließenden Charakter der Aufzählung („Der Besteuerung des Einkommens nach diesem Gesetz unterliegen nur:") in § 6 I EStG 1925. Vgl. Blüm ich/Schachian, EStG 1925, S. 122, 124, wonach Abs. 3 lediglich eine Klarstellung zur erschöpfenden Aufzählung des Abs. 1 ist. Die Gesetzesbegründung betonte, Abs. 3 habe nur deklaratorische, keine konstitutive Bedeutung, Reichstag, III. Wahlperiode 1924/25, Drucks. Nr. 795, S. 40. M Soweit Einkünfte nicht zu den ersten sieben Einkommenskategorien gehörten, sollten sie nur steuerbar sein, wenn sie aus Leistungen gemäß den §§ 41, 42 EStG 1925 resultierten. Die §§ 4, 5, 11 EStG 1920 erfassten dagegen bei den sonstigen Einnahmen alle übrigen, vor allem die einmaligen Einnahmen, sofern diese nicht ausgenommen waren. Vgl. Blümich/ Schachian, EStG 1925, S. 46, 404. 65 In dieser Besteuerung sonstiger Leistungsgewinne wurde eine Abweichung vom Grundsatz der Beschränkung der Besteuerung auf wiederkehrende Einkünfte gesehen, der allerdings z. B. auch bei den Einkünften aus nur vorübergehender Tätigkeit durchbrochen wurde, Blümich/Schachian, EStG 1925, S. 404 (die allerdings das EStG 1925 auch als der Quellentheorie angenähert ansahen). 66 Staatssekretär Popitz sagte bei den Beratungen im Steuerausschuss, es lasse sich darüber streiten, ob eine Besteuerung der Spekulationsgewinne angebracht sei, man könne aber wohl unter den gegenwärtigen Verhältnissen nicht auf eine Besteuerung verzichten, zitiert nach Blümich/Schachian, EStG 1925, S. 408 f. Der Gesetzentwurf sah noch einen weiteren Fall der Besteuerung von Veräußerungsgeschäften vor, der jedoch nicht ins Gesetz übernommen wurde: Gemäß § 42 I Nr. 1 des Gesetzentwurfs sollten auch die Veräußerungen von Gegenständen, insbesondere von Teilgrundstücken, erfasst werden, durch die eine Verwertungsmöglichkeit unter Umständen ausgenutzt wird, die auf weitere gleichartige Veräußerungen schließen lässt. 3'
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schritten wurden (Nr. 1) oder sofern der Erwerb der Veräußerung zeitlich folgte (Nr. 2). 6 7 Diese Fristen betrugen für Grundstücke zwei Jahre und für andere Gegenstände drei Monate, § 4212 Nr. 1 EStG 1925.68 Durch diese sog. „festen Normen" - das Abstellen auf äußere Tatsachen - sollten die Schwierigkeiten mit dem kaum feststellbaren inneren Motiv der Spekulationsabsicht überwunden werden.69 Nach der Gesetzesbegründung sollte das Vorliegen eines Spekulationsgeschäftes nicht mehr subjektiv entschieden werden, sondern es sollte gesetzlich bindend vorgeschrieben werden, dass Veräußerungsgeschäfte mit bestimmten Merkmalen als Spekulationsgeschäfte anzusehen sind.70 Das Abstellen auf diese Merkmale soll auch der früheren Verwaltungspraxis entsprochen haben.71 Man erwartete sich davon eine wesentliche Vereinfachung, die auch die Unschärfen dieser Erfassung (Spekulationsgeschäfte, die außerhalb der Fristen liegen, und Anschaffungen, die trotz Veräußerung innerhalb der Frist nicht von einer Spekulationsabsicht getragen waren) rechtfertigen sollte.72 Mit der Neuregelung wurde also versucht, die Spekulationsgeschäfte typisierend durch das Kriterium der Fristen sowie das Kriterium der Veräußerung vor dem Erwerb zu erfassen. Einschränkend sah § 42 I I Nr. 3 EStG 1925 die Steuerfreiheit der Einkünfte aus Spekulationsgeschäften vor, wenn der Steuerpflichtige dartat, dass der veräußerte Gegenstand nicht zum Zwecke gewinnbringender Wiederveräußerung erworben 67 Voraussetzung war ebenfalls, dass die mit den Gegenständen verbundenen Einnahmen nicht bereits bei den anderen Einkunftsarten zu berücksichtigen waren, § 411 Nr. 1 EStG 1925. Damit wurde bereits damals die heute noch bestehende Subsidiarität des § 23 EStG geregelt. Diese Subsidiarität hatte das EStG 1920 durch die Änderung vom 29. 3. 1921 nur gegenüber den Einkünften aus Gewerbebetrieb angeordnet. 68 Außerhalb der Fristen konnte es sich somit keinesfalls um ein Spekulationsgeschäft handeln, ebenso Strutz, EStG 1925, § 42 Anm. 6.a) (717). 69 Reichstag, III. Wahlperiode 1924/25, Drucks. Nr. 795, S. 25, 60; Blümich/Schachian, EStG 1925, S. 48, 408. Staatssekretär Popitz bemerkte bei den Beratungen im Steuerausschuss, die Absicht gewinnbringender Wiederveräußerung sei eine innere Tatsache, die einwandfrei niemals festgestellt werden könne. Deshalb sei in den Anweisungen der früheren Einzelstaaten und den Erlassen des Reichsfinanzministers stets auf äußere Merkmale hingewiesen worden, aus denen auf die Spekulationsabsicht geschlossen werden sollte, zitiert nach Blümich/Schachian, EStG 1925, S. 409. Ebenso lautete auch die Gesetzesbegründung, Reichstag, Iü. Wahlperiode 1924/25, Drucks. Nr. 795, S. 60. 70 Reichstag, III. Wahlperiode 1924/25, Drucks. Nr. 795, S. 60; kritisch zur Kürze der zwischen Erwerb und Veräußerung liegenden Zeit als Anhaltspunkt für das Vorliegen eines Spekulationsgeschäfts Strutz, Handbuch des Reichssteuerrechts, S. 170. Der RFH sah zuvor den Umfang und die Häufigkeit der Geschäfte als die realitätsgerechtesten Merkmale der Spekulationsgeschäfte an, siehe Strutz, a. a. O.
71 Reichstag, III. Wahlperiode 1924/25, Drucks. Nr. 795, S. 60. 72 Siehe Reichstag, III. Wahlperiode 1924/25, Drucks. Nr. 795, S. 25, 60; Blümich/Schachian, EStG 1925, S. 48: Zuzugeben sei, dass dadurch Gewinne, die an sich Spekulationsgewinne sind, aus der Versteuerung herausfallen. Umgekehrt können auch Gewinne erfasst werden, die keine Spekulationsgewinne sind. Die Klarheit dieser Regelung habe aber erhebliche Vorteile für die Steuerpflichtigen und die Verwaltung.
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worden war. 73 Daraus ist zu folgern, dass die Spekulationsabsicht im Regelfall unterstellt wurde, 74 also eine widerlegbare Vermutung durch die Unterschreitung der gesetzlichen Fristen aufgestellt wurde. 75 Dies relativierte die Bemühungen um das Ziel, den Tatbestand durch das Anknüpfen an objektive Merkmale praktikabler zu machen, denn die Spekulationsabsicht war für die Veräußerungen innerhalb der Frist immer noch das entscheidende Merkmal. 7 6 Nach § 42 I I Nr. 2 EStG 1925 waren die Einkünfte aus Veräußerungsgeschäften auch dann steuerfrei, wenn der Gewinn im Steuerabschnitt weniger als 1000 Reichsmark betrug. Die Gesetzesbegründung rechtfertigte diese Freigrenze für die Einkünfte aus Veräußerungsgeschäften mit dem Interesse der Vereinfachung. 77 In dieser Vorschrift hat die bis heute erhalten gebliebene Freigrenze ihren Ursprung. 1000 Reichsmark hatten zum damaligen Zeitpunkt aber eine erheblich höhere Kaufkraft als heute die in § 23 I I I 6 EStG vorgesehenen 512 € . 7 8
73 Strutz, EStG 1925, § 42 Anm. 6.a) (717), hält die Frist aufgrund der damit verbundenen ungenauen Erfassung der Geschäfte, bei denen tatsächlich eine Spekulationsabsicht vorlag, für eine willkürliche Rechtsvermutung der Spekulationsabsicht, die erst durch die Zulassung des Gegenbeweises erträglich wird. 74 Vgl. Lademann / Warnke, EStG, § 23 Rn. 6 (März 1998). 75 Vgl. Strutz, EStG 1925, § 42 Anm. 3 (712); Blümich/Schachian, EStG 1925, S. 49, 408. 76 Vgl. Strutz, EStG 1925, § 42 Anm. 3 (712): „wesentliches Begriffsmerkmal des Spekulationsgeschäfts". Strutz sieht außerdem den grundlegenden Unterschied zum bisherigen Recht nicht in den Fristen, sondern in der Aufstellung einer Rechtsvermutung, die der Steuerpflichtige entkräften muss. Insoweit kommt es darauf an, welche Voraussetzungen durch die Verwaltung für den Nachweis fehlender Spekulationsabsicht aufgestellt wurden. Auch Blümich/Schachian, EStG 1925, S. 412, sagen nur, es hänge vom Einzelfall ab, in welcher Weise dieser Nachweis geschehe, und nennen als mögliche Nachweise die m. E. als Sonderfälle einzustufenden Fälle, dass der Steuerpflichtige den veräußerten Gegenstand geerbt oder geschenkt bekommen hat. Nach Strutz, EStG 1925, § 42 Anm. 8 (718 f.), erläuterte das RFM für das gesetzlich genannte „dartun", es bedeute mehr als glaubhaft machen, aber weniger als beweisen. Strutz hält ein Glaubhaftmachen im Sinne einer Überzeugung der Behörde von der Wahrheit des Vorbringens für erforderlich, so dass die Entkräftung der Vermutung von der freien Beweiswürdigung seitens der Behörde abhänge. Dargetan werden müsse, dass die anderen Zwecke die alleinigen Hauptzwecke des Erwerbs waren, die Aussicht auf gewinnbringende Wiederveräußerung also allenfalls eine nebensächliche Rolle gespielt hat. Vgl. auch die Hinweise zur Rechtsprechung des RFH zur alten Rechtslage. 77 Reichstag, HI. Wahlperiode 1924/25, Drucks. Nr. 795, S. 60. Bei den Einkünften aus anderen Tätigkeiten gab es eine Freigrenze von 500 Reichsmark (§41 II, I Nr. 2 EStG 1925), die ähnlich, aber etwas ausführlicher damit begründet wurde zu vermeiden, dass Steuerpflichtige und Verwaltung mit der Versteuerung geringster Einkünfte solcher Art beschäftigt werden, Reichstag, a. a. O., S. 25; Blümich/Schachian, EStG 1925, S. 47 f. Es handelte sich also jeweils um eine Vereinfachungsgrenze oder Bagatellgrenze. 78 Nach Auskunft der Deutschen Bundesbank kann die heutige Kaufkraft von 1000 Reichsmark im Jahre 1925 aufgrund der stark veränderten Zusammensetzung des Warenkorbs, der der üblichen Bestimmung der Kaufkraftentwicklung anhand des Verbraucherpreisindex zugrunde gelegt wird, kaum noch ermittelt werden. Die Angabe, dass 1000 Reichs-
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So wurde die Regelung - zusammen mit den anderen Ausnahmen in § 42 EStG 1925 - von Sozialdemokraten und Kommunisten auch als Ermöglichung der Steuerdrückebergerei und als Geschenk an die Besitzenden heftig kritisiert. 79 Zudem wurde gemäß § 42 II Nr. 1 EStG 1925 - ähnlich der 1920 für kurze Zeit geltenden Regelung - Steuerfreiheit für die nicht zum vermögensteuerpflichtigen Vermögen gehörenden Gegenstände gewährt.80 Dies betraf in erster Linie Hausrat und persönlichen Zwecken dienende Gegenstände (ausgenommen Luxusgegenstände).81 Damit wurde wie schon 1920 ein Bereich ausgenommen, in dem kaum Gewinne zu erwarten sind. Verluste aus Veräußerungsgeschäften konnten gemäß § 42 III EStG 1925 nur mit Gewinnen aus steuerpflichtigen Veräußerungsgeschäften des gleichen Steuerabschnitts verrechnet werden.82 In § 43 EStG 1925 war die Ermittlung der Einkünfte geregelt.83 Dabei waren vom Veräußerungspreis die Anschaffungskosten 84 und Werbungskosten abzuziehen. Bemerkenswert ist lediglich, dass zu den Werbungskosten auch die Wertzuwachssteuer zu rechnen war. 85 Im unternehmerischen Bereich regelte § 13 EStG 1925 für buchführende Steuerpflichtige einen Vermögens vergleich, und auch § 12 EStG 1925 sah für die nicht buchführenden Unternehmer einen modifizierten Vermögensvergleich vor, so dass grundsätzlich bei allen unternehmerischen Einkünften die Veräußerungsgewinne einbezogen wurden.86 mark im Jahre 1925 heute eine Kaufkraft von rund 3000 € hätten, ist dementsprechend ungenau. Dies zeigt sich auch daran, dass sich bei Zugrundelegung des Preisindex für den Neubau von Wohngebäuden eine heutige Kaufkraft von 6500 € ergäbe. Die höhere Kaufkraft des damaligen Betrags der Freigrenze wird auch dadurch deutlich, dass der Grundfreibetrag nach § 52 I Nr. 1 EStG 1925 600 Reichsmark betrug und nach § 50 I EStG 1925 keine Einkommensteuer festgesetzt wurde, wenn der Steuerpflichtige geringere Einnahmen als 1100 Reichsmark im Jahr hatte. 79 Vgl. Strutz, EStG 1925, § 42 Anm. 2 (710,712). 80
Ohne die damalige Ausnahme des Falles, dass die Gegenstände in der Absicht der Wiederveräußerung erworben wurden. Siehe dazu im Einzelnen Blümich/Schachian, EStG 1925, S. 411 f. 82 Dies entsprach der Vorgängervorschrift des § 13 Nr. 8 EStG 1920 in der Fassung der Änderung von 1921. Diese Regelung des EStG 1920 galt inhaltlich (zuletzt als § 23 I I I 4 EStG) bis zum Veranlagungszeitraum 1998, wurde aber für verfassungswidrig gehalten und im StEntlG durch einen auf die Einkünfte aus § 23 EStG begrenzten Verlustabzug ersetzt. 83 Die besondere Berechnung der Steuer gemäß § 58 EStG 1925 bei den außerordentlichen Einkünften fand keine Anwendung auf die Spekulationsgeschäfte. Ebenso Strutz, EStG 1925, § 58 Anm. 4 (959). 84 Aus der Nichterwähnung der Herstellungskosten ergab sich, dass die Herstellung des Gegenstandes durch den Steuerpflichtigen im Gegensatz zum EStG 1920 nicht mehr erfasst wurde, Blümich/Schachian, EStG 1925, S. 413. 85 Damit war nur an die an den Eigentumswechsel anknüpfende Besitzwechselabgabe, Verkehrsteuer, gedacht, Strutz, EStG 1925, § 43 Anm. 4 (725). 86 Vgl. Blümich/Schachian, EStG 1925, S. 193, 405: Bei den Einkünften aus Gewerbebetrieb waren, wie sich auch aus § 30 I EStG 1925 ergab, alle Veräußerungsgeschäfte über
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Obwohl aus heutiger Sicht damit im Grundsatz den unternehmerischen Einkünften die Reinvermögenszugangstheorie und den nichtunternehmerischen Einkünften des EStG 1925 die Quellentheorie zugeordnet werden können87 und obwohl die Gesetzesbegründung beide Theorien kritisierte und sich auf klare Regelungen beschränken wollte,88 wurde damals - trotz Einschränkungen - davon ausgegangen, das EStG 1925 stehe auf dem Boden der Quellentheorie.89 Diese Auffassung ist wahrscheinlich darauf zurückzuführen, dass für das EStG 1925 nicht mehr - wie noch 1920 - ausdrücklich die Reinvermögenszugangstheorie herangezogen wurde. Aufgrund dieser Regelungen in den §§41-43 EStG 1925 wird teilweise davon ausgegangen, dass der heutige § 23 EStG in seiner Grundstruktur auf diese Vorschriften des EStG 1925 zurückgeht.90 Da das EStG 1925 auch nur eine Besteuerung privater Veräußerungen innerhalb bestimmter Fristen vorsah und diese den sonstigen Einkünften (bzw. „Leistungsgewinnen") zuordnete, ist dem insoweit zuzustimmen. Allerdings war der Tatbestand noch mit dem subjektiven Merkmal der Spekulationsabsicht versehen, das die objektive Fristregelung relativierte. 91 Vor allem durch das EStG 1934 erfolgten später wichtige Änderungen, durch die auch die Grundstruktur der Regelung berührt wurde. Insbesondere wurde diese Widerlegungsmöglichkeit abgeschafft und erst dadurch ein rein objektiver Tatbestand eingeführt.
Gegenstände des Betriebsvermögens steuerpflichtig, ebenso wie die Veräußerung von Gegenständen eines Vermögens, das der Land- und Forstwirtschaft oder freier Berufstätigkeit dient. Vgl. Reichstag, HI. Wahlperiode 1924/25, Drucks. Nr. 795, S. 40 (zu § 6 III EStG 1925): Innerhalb eines Gewerbebetriebs werden einmalige, nicht wiederkehrende Einkünfte steuerlich erfasst. Vgl. dazu unten C.I.2.c). Die von § 12 EStG 1925 nicht erfassten Gegenstände wie z. B. Grundstücke konnten unter die §§ 41,42 EStG 1925 fallen, Strutz, EStG 1925, § 41 Anm. 5 (701). 87 Ebenso Jakob, Einkommensteuer, § 1 Rn. 2. 88 Reichstag, IE. Wahlperiode 1924/25, Drucks. Nr. 795, S. 21 f. Die Gesetzesbegründung führte auch aus, die Frage, ob die Reinvermögenszugangstheorie oder die Quellentheorie zugrunde zu legen sei, werde sich mit Ausschließlichkeit niemals entscheiden lassen (S. 21). 89 Strutz, EStG 1925, § 7 Anm. 7 (532). Blümich/Schachian, EStG 1925, S. 127, gehen von einer Annäherung an die Quellentheorie aus. Nach Strutz, EStG 1925, § 43 Anm. 6 (726), schafft die Gelegenheitsspekulation wirtschaftlich auch kein Einkommen, sondern Vermögen. 90 Vgl. BVerfG v. 9. 3. 2004-2 BvL 17/02, BVerfGE 110, 94 (97), das wegen der Objektivierung des Steuertatbestandes durch Fristen im EStG 1925 die historische Grundlage für die heutige Fassung gemäß § 23 EStG sieht; Jacobs-Soyka, in: L / B / P , EStG, § 23 Rn. 1 (Febr. 2003); Lademann / Warnke, EStG, § 23 Rn. 6 (März 1998); vgl. Tipke, in: FS für Paulick, S. 391 (395): „wirklicher Vorläufer des geltenden Rechts". 91 Tipke spricht trotzdem von einem verobjektivierten Spekulationstatbestand, Tipke, in: FS für Paulick, S. 391 (395).
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IV. Das Reichseinkommensteuergesetz 1934 als wesentlicher Vorläufer des heutigen Rechts Nach der Gesetzesbegründung des Reichseinkommensteuergesetzes 1934 92 hat sich auch das neue Einkommensteuergesetz keiner der zahlreichen Lehrmeinungen über den privatwirtschaftlichen Einkommensbegriff angeschlossen. Der Begriff des Einkommens werde vielmehr im Gesetz ausschließlich in einer für die Zwecke der Besteuerung möglichst geeigneten Weise umgrenzt, und zwar im Anschluss an das bisherige Gesetz und seine Auslegung durch Verwaltung und Rechtsprechung.93 Auch die Teilung der Einkunftsarten in zwei Hauptgruppen wurde ausdrücklich beibehalten.94 Die Kernstrukturen des Einkommensteuerrechts blieben damit unverändert. Die Einkunftsarten „andere wiederkehrende Bezüge" und „sonstige Leistungsgewinne" nach Maßgabe der §§ 41, 42 EStG 1925 wurden aus technischen Gründen, nämlich zur Vereinfachung, zur Einkunftsart „sonstige" Einkünfte in § 22 EStG zusammengefasst.95 Dadurch verringerte sich die Zahl der Einkunftsarten von acht auf die heute noch bestehenden sieben Einkunftsarten. 96 Die Spekulationsgeschäfte wurden nun in § 22 Nr. 2 EStG und § 23 EStG als Unterfall der sonstigen Einkünfte geregelt.97 Zu den Spekulationsgeschäften führte die Gesetzesbegründung aus, ihre Besteuerung durch das EStG 1925 habe sich bewährt.98 Diese pragmatische Begründung entsprach dem Fehlen eines klaren Einkommensbegriffs. 99 Zu den als notwendig erachteten Änderungen gehörte zunächst die Klarstellung, dass auch Rechte, die den Vorschriften des bürgerlichen Rechts über Grundstücke unterliegen, hinsicht92
Begründung zum Einkommensteuergesetz 1934 vom 16. Oktober 1934 (RGBl. I 1934, 1005), RStBl. 1935, 33 ff. 93 RStBl. 1935, 33 (34). Wenn die Gesetzesbegründung aber hinsichtlich der Fristverlängerung bei den Spekulationsgeschäften (dazu unten) von der Erfassung von Wertpapiergeschäften spricht, die bisher „als Wechsel in der Anlage des Vermögens frei" geblieben seien, deutet dies auf die Zugrundelegung der Quellentheorie im Rahmen des Privatvermögens hin. Dadurch, dass von den Wertsteigerungen des Privatvermögens neben § 17 EStG nur die Spekulationsgeschäfte erfasst wurden, wurde die Quellentheorie insoweit jedenfalls faktisch umgesetzt. 94 RStBl. 1935, 33 (35). Diese Zweiteilung in Gewinneinkünfte und Überschusseinkünfte wurde aber als Unterteilung eines einheitlichen Einkommensbegriffs gesehen. 9 5 RStBl. 1935, 33 (35). 96
Die noch heute verwendete Bezeichnung „ E i n k u n f t s a r t e n " ersetzte die als begrifflich falsch angesehene Bezeichnung „Einkommensarten". 97 Damit entfiel der im EStG 1925 den Spekulationsgeschäften übergeordnete Begriff der Einkünfte aus Veräußerungsgeschäften. 98 RStBl. 1935, 33 (44). 99 Wäre die Reinvermögenszugangstheorie zugrunde gelegt worden, hätten grundsätzlich alle Veräußerungsgeschäfte besteuert werden müssen, nach der Quellentheorie wäre dagegen die Nichtsteuerbarkeit einzelner Veräußerungsgeschäfte erforderlich gewesen.
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lieh der Veräußerungsgeschäfte wie Grundstücke zu behandeln sind. 100 Für die anderen Wirtschaftsgüter wurde die Frist von drei Monaten auf ein Jahr verlängert. 101 Als Grund hierfür nannte der Gesetzgeber, dass derartige Spekulationsgewinne besonderer steuerlicher Schonung nicht bedürfen. 102 Diese Aussage unter Verwendung des Begriffs Schonung lässt sich zum einen so verstehen, dass der Gesetzgeber davon ausging, dass die übrigen Veräußerungsgewinne des Privatvermögens an sich zum Einkommen gehören, aber von der Besteuerung ausnahmsweise verschont werden. Mehr spricht jedoch für die andere Auslegungsmöglichkeit, dass der Gesetzgeber die Spekulationsgeschäfte nicht durch Nichtbesteuerung oder eine nur teilweise Besteuerung verschonen wollte, dabei aber keine einkommenstheoretischen Überlegungen anstellte, sondern - wie die pauschale Berufung auf die „bewährte" Besteuerung der Spekulationsgeschäfte andeutet - vielmehr eine Wertungsentscheidung über deren Steuerwürdigkeit traf. 103 Zu untersuchen ist daher, ob dies auch für die spätere und heutige Besteuerung der Spekulations- bzw. Veräußerungsgeschäfte gilt, ob dies den verfassungsrechtlichen Anforderungen genügt und - falls das nicht der Fall ist - ob der Gesetzgeber später eine tragfähige Begründung für ihre Besteuerung gefunden hat. Leichter begründen ließe sich jedenfalls die Steuerpflicht oder die Nichtsteuerbarkeit aller privaten Veräußerungen. Von den drei Beschränkungen der Besteuerung der Spekulationsgewinne aus dem EStG 1925 wurde 1934 nur eine beibehalten. Dafür wurden in § 23 II EStG 1934 drei neue Steuerbefreiungen geregelt, z. B. für Vorzugsaktien der deutschen Reichsbahn-Gesellschaft. 104 Abgeschafft wurde die Steuerfreiheit für nicht zum vermögensteuerpflichtigen Vermögen gehörende Gegenstände und für die Gegenstände, bei denen nachgewiesen werden konnte, dass sie nicht zum Zweck gewinnbringender Wiederveräußerung erworben wurden. 105 Es verblieb die Steuerfreiheit der sog. kleinen Spekulationsgewinne, bei denen der Gewinn weniger als 1.000 Reichsmark betrug (Freigrenze). 106 Als Begründung für den Wegfall der üb100 RStBl. 1935, 33 (44). Unter Geltung des EStG 1925 war nicht eindeutig, ob für sie die längere Frist der Grundstücke oder die kürzere Frist für die übrigen Gegenstände gilt, Strutz, EStG 1925, § 42 Anm. 6.c) (717). 101 RGBl. 1 1934, 1005 (1012). 102 RStBl. 1935, 33 (44). Richtigerweise wäre hier auf dem Boden des alten Systems zu begründen gewesen, warum nunmehr eine Veräußerung innerhalb eines Jahres einen sicheren Schluss auf das Vorliegen einer Spekulationsabsicht und damit eines Spekulationsgeschäftes zulassen soll. 103 Neeb, StuW 1991, 52 (55 f.), sieht den wahren Grund für die Änderung in einer gezielten Diskriminierung der Spekulationsgewinne, die nach damaliger Auffassung überwiegend von Juden erzielt wurden. 104 Ebenfalls steuerbefreit waren Schuld- und Rentenverschreibungen von inländischen Schuldnern und in ein inländisches öffentliches Schuldbuch eingetragene Forderungen. 105 RStBl. 1935, 33 (45); RGB1.1 1934,1005 (1012). 106
RStBl. 1935, 33 (45). Diese Bezeichnung deutet an, dass damit auch der ursprüngliche Vereinfachungszweck des EStG 1925 beibehalten werden sollte, die Steuerpflichtigen und die Verwaltung nicht mit der Bearbeitung geringer Einkünfte zu beschäftigen.
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rigen Befreiungen wurde wiederum angeführt, dass eine besondere steuerliche Schonung der Spekulationsgewinne nicht erforderlich erscheine.107 Auch diese Begründung ist so knapp und pauschal, dass sie kaum brauchbar ist. Der entscheidende Grund dafür, dass die Spekulationsabsicht nicht mehr widerlegt werden konnte, wird darin gesehen, dass es - wie schon 1925 vom Gesetzgeber erkannt worden war - bei der Spekulationsabsicht erhebliche Beweisprobleme gab. Der Gesetzgeber habe dem nie sicher zu entscheidenden Streit, wie der innere Beweggrund gewesen sei, ein für allemal ein Ende machen wollen. 108 An der Begründung zu der Abschaffung der Möglichkeit, die fehlende Spekulationsabsicht nachzuweisen, ist zudem zu kritisieren, dass in den Fällen fehlender Spekulationsabsicht gerade kein Spekulationsgeschäft vorliegt, so dass das für die Änderung angeführte Argument, Spekulationsgewinne seien nicht zu schonen, nicht greift. Damit entfiel nach überwiegender Ansicht das subjektive Tatbestandsmerkmal der Spekulationsabsicht. § 23 EStG wurde dadurch zu einem rein objektiven Tatbestand der Anschaffung und Veräußerung innerhalb der Frist. 109 Dies stellt die wichtigste Änderung des EStG 1934 110 und einen entscheidenden Schritt in der Entwicklung zum heutigen Recht dar. Denn dass das Fehlen der Spekulationsabsicht nicht die Besteuerung ausschließt, ist bis zur heutigen Rechtslage erhalten geblieben.111 Im Ergebnis ist daher davon auszugehen, dass von § 23 EStG 1934 Spekulationsgeschäfte typisiert durch die Unterschreitung der Fristen zwischen Anschaffung und Veräußerung erfasst wurden und erfasst werden sollten. Während die Besteuerung der Veräußerungsgeschäfte von 1920 bis 1934 mehrfach in erheblicher Weise geändert worden war, blieb die durch die Änderungen im Jahre 1934 entstandene Regelung lange Zeit unverändert. Sie entsprach in ihren Grundzügen im Wesentlichen bereits der geltenden Regelung in § 23 EStG. 112
107 RStBl. 1935, 33 (45). los Lademann /Warnke, EStG, § 23 Rn. 28 (März 1998). 109 So auch Lademann / Warnke, EStG, § 23 Rn. 28 (März 1998), der offen lässt, ob die Spekulationsabsicht unwiderlegbar vermutet wurde oder ob nur die Überschrift Spekulationsgeschäfte nicht der neuen Rechtslage angepasst wurde. M. E. lassen sich die Überschrift Spekulationsgeschäfte und die reine Fristregelung in der Weise vereinbaren, dass man von einer typisierten Erfassung der Spekulationsgeschäfte ausgeht. ho Ebenso Lademann / Warnke, EStG, § 23 Rn. 6 (März 1998). 111 Dazu unten B.VI. Ob die Spekulationsabsicht nunmehr unwiderleglich vermutet wurde, war jedoch in den ersten Jahren noch umstritten. 112 Vgl. Crezelius, in: K / S / M , EStG, § 23 Rn. A 33 (Jan. 1995); Neeb, StuW 1991, 52 (55).
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V. Die Entwicklung zum geltenden Recht Durch das Steuerneuordnungsgesetz 1954 wurde die Spekulationsfrist für Wertpapiere und andere Wirtschaftsgüter auf drei Monate herabgesetzt und durch das Steueränderungsgesetz 1960 wieder auf sechs Monate verlängert. 113 Letzteres sollte ein sprunghaftes Ansteigen der Aktienkurse verhindern und die überhitzte Konjunktur dämpfen. 114 Nach kleineren anderen Änderungen wurde durch das Mißbrauchsbekämpfungsund Steuerbereinigungsgesetz (StMBG) vom 21. 12. 1 9 9 3 1 1 5 in § 23 I 2 E S t G 1 1 6 angeordnet, dass die Anschaffung oder Veräußerung einer mittelbaren oder unmittelbaren Beteiligung an einer Personengesellschaft als Anschaffung oder Veräußerung der anteiligen Wirtschaftsgüter g i l t . 1 1 7 Zudem wurde durch § 23 I I I 2 E S t G 1 1 8 der Vorrang des § 23 EStG vor § 17 EStG geregelt. 119 Das Jahressteuergesetz 1 9 9 6 1 2 0 fügte bei Abs. 3 in S. 2 (heute S. 4) ein, dass die Anschaffungs- und Herstellungskosten um Absetzungen für Abnutzungen, erhöhte Absetzungen und Sonderabschreibungen zu mindern sind, soweit diese bei der Ermittlung der Einkünfte im Sinne des § 2 I 1 Nr. 4 bis 6 EStG abgezogen worden sind. 1 2 1 Dadurch wird der Veräußerungsgewinn entsprechend erhöht.
"3 Steueränderungsgesetz 1960 vom 30. Juü 1960, BGBl. I 1960, 616 (618), BStBl. I 1960,514(516). Jansen, in: H / H / R , § 23 EStG Anm. 4 (Nov. 2002); Lademann/Warnke, EStG, § 23 Rn. 7 (März 1998). 1,5 Gesetz zur Bekämpfung des Mißbrauchs und zur Bereinigung des Steuerrechts (Mißbrauchsbekämpfungs- und Steuerbereinigungsgesetz - StMBG) vom 21. Dezember 1993, BGBl. 1 1993, 2310 ff. 116 BGBl. 1 1993, 2310 (2313); heute geregelt in § 23 14 EStG. 117 Vgl. Crezelius, in: K / S / M , EStG, § 23 Rn. A 35 (Jan. 1995); Jansen, in: H / H / R , § 23 EStG Anm. 4 (Nov. 2002); Bachem, in: Bo/Br, EStG, § 23 Rn. 39 f. (Aug. 2003). Damit wurde die frühere Auffassung der Verwaltung auf eine gesetzliche Grundlage gestellt und von der damaligen Rechtsprechung des BFH abgewichen, dass Beteiligungen an einer Personengesellschaft auch dann nicht unter die Frist für Grundstücksveräußerungen fallen, wenn das Gesamthandsvermögen nur aus Grundstücken besteht. Iis BGBl. I 1993, 2310 (2313). Jetzt § 23 I I 2 EStG. Die Absätze wurden im Jahressteuergesetz 1996 geändert. 119 Vgl. auch Crezelius, in: K / S / M , EStG, § 23 Rn. A 30, A 35 (Jan. 1995); Bachem, in: Bo/Br, EStG, § 23 Rn. 7 (Aug. 2003); Jansen, in: H / H / R , § 23 EStG Anm. 4 (Nov. 2002). Zuvor hatte der BFH unter Änderung seiner Rechtsprechung entschieden, dass § 17 EStG Vorrang vor §§ 22 Nr. 2, 23 EStG hat, BFH v. 4. 11. 1992 - X R 33/90, BFHE 169, 357 (LS und S. 361). Nach der Begründung des Gesetzentwurfs zum StMBG (BT-Drucks. 12/5630, S. 59) war eine solche den Vorrang des § 17 EStG bejahende Auslegung „weder rechtssystematisch begründet noch vom Ergebnis her sachgerecht" (dies bezog sich auf die unbegrenzte Verrechenbarkeit der Verluste bei Anwendung des § 17 EStG). 120 Jahressteuergesetz 1996 vom 11. Oktober 1995, BGBl. 1 1995,1250 ff. 121 Gemäß § 52 Abs. 39 S. 4 EStG gilt die Kürzung der Anschaffungskosten um die AfA, wenn Anschaffung und Veräußerung eines Wirtschaftsgutes nach dem 31. 7. 1995 erfolgen,
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Durch das Steuerentlastungsgesetz 1999/ 2000 / 2 0 0 2 1 2 2 (StEntlG) wurde der Begriff Spekulationsgeschäfte 123 in der amtlichen Überschrift durch die Bezeichnung private Veräußerungsgeschäfte 124 ersetzt. 125 Die Frist wurde für Immobilien auf zehn Jahre verlängert und für Mobilien auf ein Jahr. Zur Begründung wurde ausgeführt, dies entspreche dem Grundsatz der Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit und damit auch dem Gebot der Steuergerechtigkeit. 126 Die Fristverlängerung bezog auch Wirtschaftsgüter ein, bei denen die Frist nach der alten Regelung bereits abgelaufen war, so dass sich die Frage nach dem Vorliegen einer Rückwirkung und ggf. nach deren Zulässigkeit stellte. 127 Daneben erweiterte das StEntlG auch die Tatbestände des § 23 I E S t G . 1 2 8 Entgegen der früheren Rechtsprechung wurden die privaten Termingeschäfte nun durch § 2 3 1 1 Nr. 4 EStG steuerbar. 129 Die Besteuerung wurde damit begründet, es handele sich um typische Spekulationsgeschäfte, die vom Normbereich und Gesetzeszweck des § 23 EStG abgedeckt würden. 1 3 0 Dies ist ein Indiz dafür, dass sich der Gesetzgeber trotz der geänderten Bezeichnung jedenfalls noch nicht vollständig von der Spekulation als Belastungsgrund lösen konnte. vgl. Bachem, in: Bo/Br, EStG, § 23 Rn. 59 (Aug. 2003); Schmidt / Weber-Grellet, EStG, § 23 Rn. 84. 122 Steuerentlastungsgesetz 1999/2000/2002 vom 24. März 1999, BGBl. I 1999, 402 ff., BStBl. I 1999, 304 ff. Zur ursprünglichen Fassung des später geänderten Entwurfs siehe BTDrucks. 14/23, S. 12. 123 Im ursprünglichen Gesetzentwurf war noch die Bezeichnung Spekulationsgeschäfte vorgesehen, Entwurf eines Steuerentlastungsgesetzes 1999/2000/2002, BT-Drucks. 14/23, S. 12. 124 Diese Bezeichnung war schon einmal als Überschrift der Vorschrift vorgeschlagen worden. Diese neutrale Bezeichnung wurde damals gewählt, da die Vorschrift die ein Spekulationsgeschäft kennzeichnende Spekulationsabsicht nicht erfordere, BT-Drucks. 7/1470, S. 278. Herzig/Lutterbach, DStR 1999, 521 (522), kritisieren, die Bezeichnung sei irreführend, da sie nicht auf die Fristgebundenheit der Besteuerung hinweise. 125 Das BVerfG sieht darin eine rein terminologische Änderung. Die Bezeichnung Spekulationsgeschäfte sei eine auf das EStG 1925 zurückgehende, überkommene technische Bezeichnung, der eine eigene Bedeutung für die Auslegung des § 23 EStG nicht zukomme, BVerfG v. 9. 3. 2004-2 BvL 17/02, BVerfGE 110, 94 (97). Für eine rein klarstellende Bedeutung der Änderung z. B. auch Korn ¡Carié, EStG, § 23 Rn. 8 (Aug. 2004); Frotscher/ Lindberg, EStG, § 23 Rn. 19 (Nov. 2004); Schmidt/Heinicke, EStG, 21. Aufl., § 23 Rn. 2. Missverständlich bzgl. der Spekulationsabsicht BT-Drucks. 14/443, S. 28. 126 BT-Drucks. 14/23, S. 179. Dies ist jedoch insoweit widersprüchlich, als der Gesetzgeber weiterhin nicht steuerbare Wertzuwächse des Privatvermögens als mit der Steuergerechtigkeit vereinbar einstuft, BFH v. 16. 12. 2003 - IX R 46/02, BFHE 204,228 (253). 127 Für die Verfassungswidrigkeit dieser Anwendungsregelung z. B. Lang, in: Tipke/ Lang, § 9 Rz. 595, nach dessen Ansicht eine Übergangsregelung mit Wertaufstockung erforderlich gewesen wäre. us Vgl. Schmidt / Weber-Grellet, EStG, § 23 Rn. 3.
™ Vgl. BT-Drucks. 14/23, S. 180; Lang, in: Tipke/Lang, § 9 Rz. 595. Die Gewinnermittlung bei Termingeschäften wurde in Abs. 3 S. 3 (jetzt S. 5) geregelt. 130 BT-Drucks. 14/23, S. 180; zustimmend Schmidt/Heinicke, EStG, 23. Aufl., § 23 Rn. 33.
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Um die Angabe zu niedriger Werte bei der Entnahme aus dem Betriebsvermögen zu verhindern, sollte nach dem Entwurf bei einer späteren Veräußerung aus dem Privatvermögen innerhalb von fünf bzw. zehn Jahren die Veräußerung besteuert werden. 131 Dies ist im Gesetzgebungsverfahren geändert worden. 132 Die Gesetz gewordene Fassung stellt in § 23 I 2 EStG die Überführung eines Wirtschaftsgutes vom Betriebsvermögen in das Privatvermögen durch Entnahme, Betriebsaufgabe oder Antrag nach § 21 II 1 Nr. 1 UmwStG der Anschaffung gleich.133 Die dabei anzuwendende Bewertung wurde in Abs. 3 S. 2 (S. 3 n. F.) geregelt. Eine weitere tatbestandliche Erweiterung erfolgte in § 23 I 1 Nr. 1 S. 2 EStG durch die Besteuerung innerhalb der Frist fertig gestellter Gebäude. Nach der Änderung durch das StBereinG 1999 wurden dann vor allem errichtete, ausgebaute oder erweiterte Gebäude, Gebäudeteile und Außenanlagen einbezogen. Ausgenommen wurden in S. 3 die Wirtschaftsgüter, die während eines bestimmten Zeitraums zu eigenen Wohnzwecken genutzt wurden. 134 Damit wurde eine Ausnahme für einen Fall nicht zu Erwerbszwecken genutzten Vermögens gemacht.135 Während die Zurechnung der Anschaffung in den Fällen der Gesamtrechtsnachfolge schon vorher bejaht wurde, 136 wurde die Zurechnung von Anschaffung und anderen Handlungen des Rechtsvorgängers bei der unentgeltlichen Einzelrechtsnachfolge entgegen der vorherigen Rechtsprechung durch § 23 I 3 EStG geregelt. 137 Das StBereinG 1999 138 stellte die Einlage, wenn die Veräußerung aus dem Betriebsvermögen innerhalb von zehn Jahren seit der Anschaffung des Wirtschafts131 BT-Drucks. 14/23, S. 12,179 f. 132 Ebenso Schmidt/Heinicke, EStG, 23. Aufl., § 23 Rn. 62. 133 Vgl. dazu Jansen, in: H / H / R , § 23 EStG Anm. 4 (Nov. 2002). 134 Diese Ausnahme sollte der Vermeidung einer ungerechtfertigten Besteuerung eines Veräußerungsgewinns bei Aufgabe eines Wohnsitzes, z. B. wegen Arbeitsplatzwechsels, dienen und das Absehen von der Spekulationsbesteuerung ermöglichen, BT-Drucks. 14/23, S. 180. Auch hier zeigen sich Spannungsfelder in der Gesetzesbegründung, denn mit der Bezeichnung private Veräußerungsgeschäfte löste sich der Gesetzgeber gerade von der Begründung über die Besteuerung der Spekulation. Als weitere Möglichkeit kommt in Betracht, die Ausnahme mit der Tendenz der Literatur in Richtung der Nichtsteuerbarkeit des nicht zu Erwerbszwecken genutzten Privatvermögens zu erklären. Dann wären aber weitere Ausnahmen von der Besteuerung privater Veräußerungsgeschäfte zu machen. Dazu eingehend unten D.IV.2. 135 Insoweit vergleichbare Regelungen stellen nur die Ausnahmen für das nichtsteuerbare Vermögen im EStG 1920 und im EStG 1925 dar. 136 Str., vgl. Schmidt/Weber-Grellet, EStG, § 23 Rn. 40, 43; Jacobs-Soyka, in: L / B / P , EStG, § 23 Rn. 122 (Febr. 2003). 137 BT-Drucks. 14/23, S. 180; vgl. Schmidt/Weber-Grellet, EStG, § 23 Rn. 43; kritisch Jansen, in: H / H / R , § 23 EStG Anm. 8 (Nov. 2002). 138 Gesetz zur Bereinigung von steuerlichen Vorschriften (Steuerbereinigungsgesetz 1999 - StBereinG 1999) vom 22. Dezember 1999, BGBl. 1 1999, 2601.
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gutes erfolgt, und die verdeckte Einlage der Veräußerung gleich, § 23 15 EStG, 139 und regelte die dabei anzuwendende Wertermittlung in Abs. 3 S. 2 und 7 . 1 4 0 Das StSenkG141 führte gemäß § 3 Nr. 40 S. 1 lit. j EStG die hälftige Steuerfreiheit bei Veräußerungen von Anteilen ein, soweit die Leistungen der Körperschaften, Personenvereinigungen oder Vermögensmassen beim Empfänger zu den Einnahmen i. S. d. § 20 I Nr. 1 EStG gehören. Dieses sog. Halbeinkünfteverfahren wirkt sich auch bei § 23 EStG aus. 142 Nach § 3c II EStG sind diesbezügliche Werbungskosten und Anschaffungskosten nur zur Hälfte abziehbar 143. Die Freigrenze von 1000 D M wurde durch das StEuglG 144 in 512 € geändert. Durch die zahlreichen Änderungen der letzten Jahre, insbesondere durch das StEntlG und das StBereinG, ist § 23 EStG komplexer geworden und hat im Umfang erheblich zugenommen.145
VI. Das geltende Recht § 22 Nr. 2 EStG ordnet den sonstigen Einkünften auch die privaten Veräußerungsgeschäfte zu und bestimmt damit deren Steuerpflicht. Als sonstige Einkünfte fallen die privaten Veräußerungsgeschäfte nach § 2 II Nr. 2 EStG unter die Überschusseinkünfte, auch wenn in § 23 III EStG von Gewinn und Verlust gesprochen wird. § 23 EStG regelt, welche Geschäfte private Veräußerungsgeschäfte sind und wie die Einkünfte ermittelt und besteuert werden. § 23 EStG erfasst als private Veräußerungsgeschäfte bei unbeschränkt Steuerpflichtigen 146 grundsätzlich die Veräußerung aller privaten Wirtschaftsgüter 147 oh139
Dies galt nur für Grundstücke und Grundstücksrechte. Da Satz 5 nur auf Satz 1 Nr. 1 Bezug nimmt, gilt dies auch weiterhin. Der Entwurf des StVergAbG sah deswegen eine Änderung des Satzes 5 durch Einfügung auch der Nr. 2 vor, BT-Drucks. 15/119, S. 5, 38. 140 Damit sollte verhindert werden, dass die Besteuerung privater Veräußerungsgewinne durch Einlage in ein Betriebsvermögen unterlaufen wird, BT-Drucks. 14/2070, S. 19. Außerdem wurde in Abs. 3 S. 3 für die Fälle der Überführung ins Privatvermögen nach Abs. 1 S. 2 der „anzusetzende" durch den „angesetzten" Wert ersetzt. 141 Gesetz zur Senkung der Steuersätze und zur Reform der Unternehmensbesteuerung (Steuersenkungsgesetz - StSenkG) vom 23. Oktober 2000, BGBl. 12000, 1433 (1433 f.). 142 Vgl. Schmidt / Weber-Grellet, EStG, § 23 Rn. 6; Bachem, in: Bo/Br, EStG, § 23 Rn. 13 (Aug. 2003). 1 43 Dies stellt hinsichtlich der Anschaffungskosten keinen Verstoß gegen das Nettoprinzip dar, BFH v. 27. 10. 2005 - IX R 15/05, BB 2005,2789 (LS 2, 2790). 144 Gesetz zur Umrechnung und Glättung steuerlicher Euro-Beträge (Steuer-Euroglättungsgesetz - StEuglG) vom 19. Dezember 2000, BGBl. 12000,1790 (1793). •45 Jansen, in: H / H / R , § 23 EStG Anm. 8 (Nov. 2002), sieht in der verkomplizierten Regelung der privaten Veräußerungsgeschäfte, die teilweise auf übertriebener Kasuistik beruhe, sogar eine unnötige Erschwerung der Rechtsanwendung und Gefährdung der gleichmäßigen Durchsetzung der Steuergesetze in der Steuererhebung.
VI. Das geltende Recht
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ne Rücksicht auf Einkünfteerzielung 148 oder Lebensführung 149, aber nur Veräußerungen innerhalb der Fristen (§ 23 I 1 Nr. 1 und 2 EStG) oder wenn die Veräußerung früher erfolgt als der Erwerb (Fixgeschäft 150, § 23 I 1 Nr. 3 EStG). 151 Bei Grundstücken und den Rechten, die den Vorschriften des bürgerlichen Rechts über Grundstücke unterliegen,152 gilt eine zehnjährige Frist, bei den übrigen Wirtschaftsgütern eine einjährige. Als Ergänzung sind in § 23 I 1 Nr. 4 EStG die Termingeschäfte 153 geregelt, für die ebenfalls eine Jahresfrist 154 gilt. 155 Außerhalb 146 Beschränkt Steuerpflichtige sind gemäß § 49 Abs. 1 Nr. 8 EStG nur mit Veräußerungsgewinnen aus inländischen Grundstücken oder grundstücksgleichen Rechten und aus Anteilen an Kapitalgesellschaften mit Geschäftsleitung oder Sitz im Inland bei Beteiligung i. S. d. § 17 I EStG steuerpflichtig.
w Siehe aber Bachem, in: Bo/Br, EStG, § 23 Rn. 36 (Aug. 2003); Lademann/ Warnke, EStG, § 23 Rn. 40 (März 1998), nach deren Ansicht insbesondere die beiden Gruppen von Wirtschaftsgütern erfasst werden, die nicht zum Verbrauch oder kurzfristigen Gebrauch bestimmt sind und bei denen erfahrungsgemäß größere Umsätze getätigt werden, nämlich Grundstücke nebst darauf errichteten oder erweiterten Gebäuden sowie Wertpapiere. Vgl. Gutachten der Steuerreformkommission 1971, Abschnitt II, Tz. 96. Vgl. auch Schmidt/ Weber-Grellet, EStG, § 23 Rn. 12, wonach Grundstücke, Grundstücksrechte und Wertpapiere wegen ihrer Häufigkeit ausdrücklich genannt sind. 148 Ebenso Schmidt/Weber-Grellet, EStG, § 23 Rn. 12; Tipke, StRO II, S. 733; Walter/ Stümper, DB 2001, 2271 (2273). 149 Tipke, StRO II, S. 733. Siehe aber Schmidt/Heinicke, EStG, 23. Aufl., § 23 Rn. 12, der ohne nähere Begründung Gebrauchsgegenstände von der Besteuerung ausnehmen will. Für die Erfassung des Gebrauchsvermögens dagegen Blümich /Glenk, § 23 EStG Rn. 32 (Febr. 2000, a. F.), anders jetzt Rn. 61 (März 2005); Korn/Carié, EStG, § 23 Rn. 41, 18 (Aug. 2004). Vgl. dazu auch Schmidt/ Weber-Grellet, EStG, § 23 Rn. 12, 14. 150
Insbesondere fällt darunter die Baisse-Spekulation mit Wertpapieren, Kirchhof / Kube, EStG, § 23 Rn. 9; vgl. Jacobs-Soyka, in: L / B / P , EStG, § 23 Rn. 51 (Febr. 2003). 151 Die Ursachen für den Gewinn sind ohne Bedeutung, Lademann / Warnke, EStG, § 23 Rn. 23 (März 1998). 152 Sog. grundstücksgleiche Rechte. Neben den im Gesetz genannten Beispielen des Erbbaurechts und Mineralgewinnungsrechts werden z. B. auch das Wohnungseigentum und Bergwerkeigentum erfasst, Jacobs-Soyka, in: L / B / P , EStG, § 23 Rn. 31 (Febr. 2003); Bachem, in: Bo/Br, EStG, § 23 Rn. 37 (Aug. 2003). 153 Termingeschäfte i. S. v. § 23 I 1 Nr. 4 EStG sind - über § 764 BGB a. F. hinausgehend - alle Geschäfte, die lediglich auf die Differenz zwischen Börsen- und Marktpreisen eines Basiswertes zu bestimmten Stichtagen gerichtet sind, Schmidt/ Weber-Grellet, EStG, § 23 Rn. 29. Der Finanzausschuss verwies auf die Definition der Termingeschäfte in § 2 Wertpapierhandelsgesetz und § 1 Kreditwesengesetz, BT-Drucks. 14/443, S. 28 f. Zu Termingeschäften allgemein, insbesondere zur Kritik an der gesetzlichen Definition Wenglorz/Bäuml, BB 2003, 286 (286, 289). Zu dem Versuch des EStG 1925, neben den Geschäften mit effektiver Lieferung auch die Differenzgeschäfte zu erfassen, siehe Strutz, EStG 1925, § 42 Anm. 7 (718). 1 54 Wenn man wie der Gesetzgeber in der Begründung zum StEntlG (BT-Drucks. 14/23, S. 180) die Termingeschäfte per se als typische Spekulationsgeschäfte ansieht, so wäre deren fristunabhängige Erfassung konsequent gewesen, so wie es auch im ursprünglichen Gesetzentwurf geplant war. Der Finanzausschuss begründete die Jahresfrist für Termingeschäfte aber damit, dass sich sonst Widersprüche zur Nichtsteuerbarkeit bei der Veräußerung von Wertpapieren nach Ablauf der Jahresfrist ergeben würden, BT-Drucks. 14/443, S. 29.
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der Frist sind Veräußerungen nicht steuerbar. Damit ist die Frist das praktisch bedeutendste Tatbestandsmerkmal. 156 Weiterhin enthält § 23 EStG eine Vielzahl technischer Regelungen, die die zutreffende steuerliche Behandlung beim Wechsel vom Privat- ins Betriebsvermögen und umgekehrt sicherstellen sollen. 1 5 7 Nach weit überwiegender Ansicht ist eine Spekulationsabsicht158 nicht erforderl i c h . 1 5 9 Erforderlich ist nur die Erfüllung des objektiven Tatbestandes. 160 Das macht insbesondere die Änderung im EStG 1934 deutlich, durch die das Gesetz nicht mehr an eine widerlegbare Vermutung der Spekulationsabsicht anknüpfte. 161 Das BVerfG hatte die Frage der Spekulationsabsicht offen gelassen und jedenfalls die Verfassungsmäßigkeit des § 23 EStG bejaht. 1 6 2 In der Folgezeit stellte der B F H die Unerheblichkeit einer Spekulationsabsicht stets als seine ständige Rechtsprechung dar. 1 6 3 Seit mit dem StEntlG die teilweise als irreführend 164 angesehene 155
Zertifikate, die Aktien vertreten, und Optionsscheine gelten als Termingeschäfte, § 23 I 1 Nr. 4 S. 2 EStG. Diese Fiktion wird von Bachem, in: Bo/Br, EStG, § 23 Rn. 35a (Aug. 2003), als überflüssig angesehen. Mit der Regelung der Termingeschäfte in § 23 EStG hat der Gesetzgeber deren grundsätzlich private Natur bestätigt, siehe BFH v. 7. 9. 2004 DCR 73/00, BFH/NV 2005,51 (53). 156 Bachem, in: Bo/Br, EStG, § 23 Rn. 24 (Aug. 2003); Lademann/ Warnke, EStG, § 23 Rn. 32 (März 1998). Die Fristberechnung erfolgt nach § 108 AO, §§ 187 I, 188 II, III BGB. 157 Bachem, in: Bo/Br, EStG, § 23 Rn. 35a (Aug. 2003), kritisiert die zahlreichen Fiktionen des § 23 EStG zu Lasten von Wertsteigerungen des Privatvermögens als rechtsstaatlich äußerst bedenklich. 158 Spekulationsabsicht wird dabei heute vor allem als das Anstreben von Überschüssen durch kurzfristige Vermögensumschichtungen definiert, Jacobs-Soyka, in: L / B /P, EStG, § 23 Rn. 11 (Febr. 2003). 159 St. Rspr.; z. B. BFH v. 15. 12. 2000 - IX B 128/99, BFHE 194, 157 (160) m. w. N.; Schmidt / Weber-Grellet, EStG, § 23 Rn. 55 (ebenso zur Einkünfteerzielungsabsicht, Rn. 2); Jacobs-Soyka, in: L / B / P , EStG, § 23 Rn. 10, 122 (Febr. 2003); Kirchhof/Kube, EStG, § 23 Rn. 11; EStH 2002 H 169. Vgl. auch BVerfG v. 9. 3. 2004-2 BvL 17/02, BVerfGE 110, 94 (96); Lademann / Warnke, EStG, § 23 Rn. 29 (März 1998). Für eine unwiderlegliche Vermutung der Spekulationsabsicht auch nach dem StEntlG M. Wendt, FR 1999, 333 (349). Für die Erforderlichkeit einer mit der Überschusserzielungsabsicht identischen Spekulationsabsicht Crezelius, in: K / S / M , EStG, § 23 Rn. A 18, B 120, B 1, B 4 (Jan. 1995); Neeb, StuW 1991, 52 (57, 60). Für das Erfordernis einer Spekulationsabsicht auch FG Stuttgart v. 23. 11. 1965-1952/63, EFG 1966,71 (72). 160 Blümich/Glenk, § 23 EStG Rn. 7 (März 2005). Vgl. BFH v. 29. 6. 1962 - V I 82/61 U, BFHE 75, 330 (332), wonach nur maßgeblich ist, ob die Anschaffung und Veräußerung innerhalb der Fristen liegen. 161 Vgl. BFH v. 8. 3. 1967 - V I R 24/66, BFHE 88, 182 (184). 162 Vier Richter bejahten die Möglichkeit des Steuerpflichtigen, die Vermutung zu entkräften, die anderen vier maßen der Überschrift keine Bedeutung für die Auslegung bei, BVerfG v. 9. 7. 1969-2 BvL 20/65, BVerfGE 26, 302 (308, 313 f.). 163 Z. B. BFH v. 15. 12. 2000 - IX B 128/99, BFHE 194, 157 (160) m. w. N. Kritisch Jansen, in: H / H / R , § 23 EStG Anm. 41 (Nov. 2002). 164 Schmidt /Heinicke, EStG, 23. Aufl., § 23 Rn. 3.
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Überschrift „Spekulationsgeschäfte" durch „Private Veräußerungsgeschäfte" ersetzt wurde, deutet auch nichts mehr auf die Erforderlichkeit einer Spekulationsabsicht hin. Dadurch zeigt auch der Wortlaut, dass die Spekulationsabsicht kein gesetzliches Tatbestandsmerkmal des § 23 EStG ist. 165 Der Begriff Wirtschaftsgut ist gleichbedeutend mit dem Begriff der §§ 4 ff. EStG. 166 („Andere") Wirtschaftsgüter sind wie bei §§ 4 ff. EStG alle Vermögenswerten Vorteile, die einer selbstständigen Bewertung zugänglich und von längerfristigem Nutzen sind. 167 Darunter fallen neben den genannten Wertpapieren z. B. Forderungen, Kunstgegenstände, Edelmetalle, Schmuck und Briefmarken 168 sowie Anteile an einer GmbH, Bücher, Fahrzeuge aller Art, Hypotheken und Kaufoptionen169. Insbesondere werden von § 23 EStG Grundstücke und Wertpapiere als die beiden Gruppen von Wirtschaftsgütern erfasst, die nicht zum Verbrauch oder kurzfristigen Gebrauch bestimmt sind und bei denen erfahrungsgemäß größere Umsätze getätigt werden. 170 Allerdings ist die Besteuerung gerade nicht auf diese Vermögensgegenstände beschränkt.171 Eine Ausnahme besteht gemäß § 23 I 1 Nr. 1 S. 3 EStG für das nicht zum Erwerbsvermögen gehörende172 selbst genutzte Wohneigentum.173 Als Begründung wird angeführt, es solle eine ungerechtfertigte Besteuerung eines Veräußerungsgewinns bei Aufgabe eines Wohnsitzes (z. B. wegen Arbeitsplatzwechsels) vermieden werden. 174 Die Finanzverwaltung schließt auch Verluste aus der Veräußerung von Wirtschaftsgütern des täglichen Gebrauchs vom Abzug aus, da § 23 11 Nr. 2 EStG kei165 Jansen, in: H / H / R , § 23 EStG Anm. 41 (Nov. 2002); vgl. Hock, FR 2000, 764. 166 BFH v. 2. 5. 2000 - IX R 74/96, BFHE 192, 88 (90); Jansen, in: H / H / R , § 23 EStG Anm. 150 (Nov. 2002); Jacobs-Soyka, in: L / B / P , EStG, § 23 Rn. 40 (Febr. 2003); Schmidt/ Weber-Grellet, EStG, § 23 Rn. 12. Ähnlich BFH v. 14. 11. 1978 - VIII R 72/76, BFHE 127, 9 (11), und Bachem, in: Bo/Br, EStG, § 23 Rn. 38 (Aug. 2003): Der Begriff des Wirtschaftsguts habe die gleiche Bedeutung wie bei den ersten sechs Einkunftsaiten. A. A. SchleswigHolsteinisches FG v. 2. 10. 2003-5 K 429/02 (rkr.), EFG 2004, 265 (266). 167 So Jacobs-Soyka, in: L / B / P , EStG, § 23 Rn. 40 (Febr. 2003). Bäuml, System und Reform, S. 76, 78, spricht im Hinblick auf die Jahre nach 1997 unzutreffend von einer Erweiterung der Besteuerung auf andere Wirtschaftsgüter. 168 Bachem, in: Bo/Br, EStG, § 23 Rn. 38 (Aug. 2003); Schmidt! Weber-Grellet, EStG, § 23 Rn. 12. 169 Jansen, in: H / H / R , § 23 EStG Anm. 150 (Nov. 2002). 170 Gutachten der Steuerreformkommission 1971, Abschnitt II, Tz. 96; Bachem, in: Bo/ Br, EStG, § 23 Rn. 36; Lademann / Warnke, EStG, § 23 Rn. 40 (März 1998); siehe Fn. 147. 171 Vgl. Valentin, EFG 2004, 267: Gesetzeszweck und Gesetzeswortlaut scheinen bei § 23 EStG nicht im Einklang zu stehen. 172 Vgl. Lang, in: Tipke/Lang, § 9 Rz. 595. 173 Zu den Voraussetzungen der Eigennutzung eingehend Schmidt/ Weber-Grellet, EStG, §23 Rn. 18. 174 BT-Drucks. 14/23, S. 180; s. o. Fn. 134. Zur Frage der Rechtfertigung dieser Ausnahme siehe unten D.IV.2. 4 Dechant
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ne Wirtschaftsgüter erfasse, deren Wertverzehr typischerweise der privaten Lebensführung zuzurechnen sei. 175 Da potentielle Wertsteigerungen bei Wirtschaftsgütern des täglichen Gebrauchs im Regelfall ausgeschlossen seien, fehle es an der erforderlichen Überschusserzielungsabsicht bezogen auf das einzelne Wirtschaftsgut. 176 Zu diesem Ergebnis ist auch ein Finanzgericht gekommen, indem es den Begriff des Wirtschaftsgutes teleologisch reduziert und Wirtschaftsgüter des täglichen Gebrauchs ausgenommen hat. 177 Maßgeblich für Anschaffung und Veräußerung sind die obligatorischen Geschäfte, nicht die dinglichen Erfüllungsgeschäfte. 178 Anschaffung ist nur der entgeltliche Erwerb eines bereits vorhandenen Wirtschaftsgutes von einem Dritten. 179 § 23 I 2 EStG stellt die Überführung eines Wirtschaftsgutes vom Betriebsvermögen in das Privatvermögen, z. B. durch Entnahme, der Anschaffung gleich. Bei der unentgeltlichen Einzelrechtsnachfolge wird die Zurechnung der Anschaffung und der anderen für § 23 EStG relevanten Handlungen des Rechtsvorgängers durch § 23 I 3 EStG geregelt. Veräußerung i. S. d. § 23 EStG wird definiert als die entgeltliche Übertragung eines Wirtschaftsgutes auf einen Dritten. 180 Die Veräußerung wird gemäß § 23 I 5 EStG in den Fällen der Einlage und verdeckten Einlage fingiert. Die Steuerbarkeit setzt die wirtschaftliche Identität des angeschafften mit dem veräußerten Wirtschaftsgut voraus (sog. Nämlichkeit).181 Allerdings wird gemäß § 23 I 4 EStG die Anschaffung oder Veräußerung einer mittelbaren oder unmittel175
Zu allen Gebrauchsgegenständen und insbesondere zu Jahreswagen OFD München, Vfg. v. 19. 7. 2002 - S 2256-21 St 41, DStR 2002, 1529; kritisch Schmidt/Weber-Grellet, EStG, § 23 Rn. 14, 12. Vgl. Korn /Carié, EStG, § 23 Rn. 41.1 (Aug. 2004). 176 z. B. OFD München, Vfg. v. 19. 7. 2002 - S 2256-21 St 41, DStR 2002, 1529; dazu unten unter D.IV. 177 Schleswig-Holsteinisches FG v. 2. 10. 2003-5 K 429/02, EFG 2004, 265 (266). Zustimmend Kirchhof/Kube, EStG, § 23 Rn. 7. Im Ergebnis ebenfalls zustimmend Korn/ Carié, EStG, § 23 Rn. 41.3 (Aug. 2004), obwohl dies im Widerspruch zum Gesetzeswortlaut stehe. 178 z. B. BFH v. 30. 11. 1976 - VIII R 202/72, BFHE 120, 522 (525) m. w. N.; BFH v. 16. 12. 2003 - IX R 46/02, BFHE 204, 228 (259) m. w. N.; ebenso Lang, in: Tipke/Lang, § 9 Rz. 595; Schmidt/ Weber-Grellet, EStG, § 23 Rn. 32, 37, 50; so auch bereits mit Erläuterung Blümich/Schachian, EStG 1925, S. 409 f. 179 BFH v. 10. 9. 2003 - X I R 26/02, BFHE 203, 448 (452); BFH v. 2. 5. 2000 - IX R 73/98, BFHE 192, 435 (438); Schmidt/Weber-Grellet, EStG, § 23 Rn. 31: Das Entgelt kann dabei auch in einer geldwerten Gegenleistung bestehen. 180 Z. B. BFH v. 16. 12. 2003 - IX R 46/02, BFHE 204, 228 (259) m. w. N.; BFH v. 2 . 5 . 2 0 0 0 - I X R 73/98, BFHE 192,435 (439); Kirchhof/Kube, EStG, § 23 Rn. 16; Schmidt/ Weber-Grellet, EStG, § 23 Rn. 50 f. (mit dem zusätzlichen Merkmal der Lieferverpflichtung). Beispiele für Veräußerungen sind Kauf, Tausch und Einbringung von Wirtschaftsgütern des Privatvermögens gegen Gewährung von Gesellschaftsrechten in eine Kapitalgesellschaft oder Personengesellschaft. Vgl. schon Strutz, EStG 1925, § 42 Anm. 4.b) (714). 181 Z. B. BFH v. 2. 5. 2000 - IX R 73/98, BFHE 192,435 (436); BFH v. 29. 3. 1989 - X R 4/84, BFHE 156,465 (466) m. w. N.; Jansen, in: H / H / R , § 23 EStG Anm. 153 (Nov. 2002); Kirchhof/ Kube, EStG, § 23 Rn. 4.
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baren Beteiligung an einer Personengesellschaft als Anschaffung oder Veräußerung der anteiligen Wirtschaftsgüter behandelt.182 Der Gewinn oder Verlust berechnet sich gemäß § 23 III 1 EStG durch den Unterschiedsbetrag zwischen dem Veräußerungspreis auf der einen Seite und den um die Abschreibungen verminderten Anschaffungs- und Herstellungskosten zuzüglich der Werbungskosten durch das Veräußerungsgeschäft 183 auf der anderen Seite. 184 Satz 2, 3 und 5 sehen Sonderregeln für Einlage und verdeckte Einlage (Einlagewert bzw. gemeiner Wert), Überführung ins Privatvermögen und Termingeschäfte 185 vor. Grundsätzlich gilt bei § 23 EStG das Zu- und Abflussprinzip des § 11 EStG. 186 Problematisch ist die Gewinnberechnung bei Wirtschaftsgütern gleicher Art, insbesondere bei im Depot verwahrten Wertpapieren. Bei der (Giro-)Sammelverwahrung ist eine eindeutige Identifizierung mangels nummernmäßiger Individualisierung nicht möglich.187 Nach der Rechtsprechung des BFH 1 8 8 war zunächst auszuschließen, dass die veräußerten, der Art nach identischen Wertpapiere außerhalb der Frist erworben wurden. Soweit danach steuerpflichtige private Veräußerungsgeschäfte vorlagen, waren die Anschaffungskosten der Wertpapiere im Sammeldepot dann als Durchschnittsanschaffungswerte zu berechnen.189 Als Begründung 182 Zu den sog. Mischfällen, d. h. z. B. Anschaffung der Beteiligung und Veräußerung des Wirtschaftsgutes, Jacobs-Soyka, in: L / B / P , EStG, § 23 Rn. 102, 112 (Febr. 2003); Kirchh o f / * ^ , EStG, § 23 Rn. 8; Schmidt/Weber-Grellet, EStG, § 23 Rn. 24. 183 Zur Aufteilung der Werbungskosten zwischen § 20 und § 23 EStG und zu den Fällen nicht abziehbarer Aufwendungen bei Kosten der Vermögensverwaltung OFD Düsseldorf, Vfg. v. 28. 10. 2004 - S 2210 A - St 212 [D], S 2210-10 - St 222 [K]; OFD Münster, Vfg. v. 28. 10. 2004 - S 2128-30 - St 22-33, DB 2004, 2450 ff. 184 Dazu z. B. Schmidt/Weber-Grellet, EStG, § 23 Rn. 70 ff.; KirchhofIKube, EStG, § 23 Rn. 18 ff.
185 Siehe dazu Jacobs-Soyka, in: L / B / P , EStG, § 23 Rn. 181 (Febr. 2003). 186 Z. B. BFH v. 2. 5. 2000 - IX R 73/98, BFHE 192, 435 (437); Lademann/Warnke, EStG, § 23 Rn. 26 (März 1998). Die wichtigste Ausnahme besteht darin, dass die Anschaffungskosten erst bei Veräußerung abgezogen werden können. Zu den Ausnahmen siehe Schmidt/ Weber-Grellet, EStG, § 23 Rn. 92. 187 Demuth/Strunk, DStR 2001, 57 (59); Kom/Carle, EStG, § 23 Rn. 51 (Aug. 2004). Bei der sog. Streifbandverwahrung lässt sich dagegen feststellen, welche Wertpapiere zu welchem Zeitpunkt veräußert wurden (nach Jacobs-Soyka, in: L / B / P , EStG, § 23 Rn. 132, 50 (Febr. 2003) wird allerdings auch beim Streifbanddepot der Anschaffungszeitpunkt in der Regel nicht festgehalten). Vgl. Jansen, in: H / H / R , § 23 EStG Anm. 154 (Nov. 2002): Bei der Sonderverwahrung können die einzelnen Papiere nummernmäßig nachgewiesen werden. Vgl. §§ 2, 5 Depotgesetz (WPapG) zu Sonderverwahrung und SammelVerwahrung. 188 BFH v. 24. 11. 1993 - X R 49/90, BFHE 173, 107 ff. Vgl. Schmidt/Weber-Grellet, EStG, § 23 Rn. 26; Jacobs-Soyka, in: L / B / P , EStG, § 23 Rn. 133 (Febr. 2003). Die vorherige, vom RFH begründete Rechtsprechung ging dagegen vom Lifo-Verfahren aus (last in first out). 189 Zustimmend, aber mit einigen Kritikpunkten Jansen, in: H / H / R , § 23 EStG Anm. 154 (Nov. 2002). Zur Berechnung BMF-Schreiben v. 25. 10. 2004 - IV C 3 - S 2256 - 238/04, BStBl. 12004,1034 ff. (Tz. 45 ff.). 4*
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wurde herangezogen, wegen des Grundsatzes der Tatbestandsmäßigkeit der Besteuerung müsse nach Art und Stückzahl feststehen, dass Anschaffung und Veräußerung innerhalb der Frist erfolgt sind. In der Literatur wurden mehrere andere Ansätze vertreten, z. B. die Berechnung nach dem Lifo- oder Fifo-Verfahren oder ein Bestimmungsrecht des Veräußerers. 190 Auf Forderungen der Kreditwirtschaft hin wurde mit Wirkung ab dem 1.1. 2005 in § 23 I 1 Nr. 2 S. 2, 3 EStG für Wertpapiere in Girosammeiverwahrung sowie für Fremdwährungsguthaben die FifoMethode (first in - first out) wegen der bislang in der Praxis schwierigen Berechnung eingeführt. 191 Diese Berechnungsweise ist zwar nicht zwingend, aber wegen der deutlichen Vereinfachung zu begrüßen. § 23 III 6 EStG legt durch die Steuerfreiheit niedrigerer Veräußerungsgewinne eine sog. Freigrenze 192 von 512 € fest. Dazu sind alle Veräußerungsgeschäfte des Kalenderjahres zu saldieren.193 § 23 III 8 EStG begrenzt die Verrechnung von Verlusten aus privaten Veräußerungsgeschäften auf die privaten Veräußerungsgewinne desselben Veranlagungszeitraums. Damit regelt die Vorschrift ein Verlustausgleichs- und -abzugsverbot.194 Nach § 23 III 9 EStG ist ein Verlustabzug jedoch bei den Einkünften aus privaten Veräußerungsgeschäften aus dem unmittelbar vorangegangenen Veranlagungszeitraum oder den folgenden Veranlagungszeiträumen möglich.195 § 23 II 2 EStG ordnet den Vorrang des § 23 EStG vor § 17 EStG an. 1 9 6 Damit gilt § 17 EStG nur für Anteilsveräußerungen außerhalb der Veräußerungsfristen des § 23 EStG. Ansonsten sind die Einkünfte aus privaten Veräußerungsgeschäften gemäß § 23 II 1 EStG den Einkünften aus anderen Einkunftsarten zuzurechnen, soweit sie zu diesen gehören (sog. Subsidiarität des § 23 EStG 197 ). Daraus ergibt sich, dass die Veräußerung von Betriebsvermögen der Gewinnermittlung nach 190 z. B. Demuth/Strunk, DStR 2001, 57 (60 ff.); dagegen Jacobs-Soyka, in: L/B/P, EStG, § 23 Rn. 133 (Febr. 2003). 191 FAZ v. 15. 12. 2004, S. 25; Richtlinien-Umsetzungsgesetz, BGBl. 12004, 3310 (3311). 192 Einkünfte unter diesem Betrag bleiben steuerfrei, ab diesem Betrag sind sie voll zu versteuern. Vgl. z. B. Schmidt/Weber-Grellet, EStG, § 23 Rn. 90. 193 Blümich/Glenk, § 23 EStG Rn. 226 (März 2005); Jacobs-Soyka, in: L / B / P , EStG, § 23 Rn. 182 (Febr. 2003). 1 94 Ganz präzise müsste man von einer Beschränkung des Verlustausgleichs auf private Veräußerungsgeschäfte und einem Verbot des Verlustabzugs sprechen. 195 Diese Möglichkeit wurde durch das StEntlG für ab 1999 entstandene Verluste geschaffen, damals geregelt in § 23 I I I 7 EStG. Zuvor schloss § 23 I I I 4 EStG a. F. den Verlustabzug ausdrücklich aus. Zur Entstehung dieser Sonderregelung der Verlustverrechnung in § 23 i n 8,9 EStG siehe unten D.V. 196 Seit dem Mißbrauchsbekämpfungs- und Steuerbereinigungsgesetz vom 21. 12. 1993 durch § 23 III 2 EStG a. F., vgl. Crezelius, in: K / S / M , EStG, § 23 Rn. A 30, A 35 (Jan. 1995). Aus systematischen Gründen kritisch Kirchhof/ Kube, EStG, § 23 Rn. 1. 197 Vgl. Schmidt / Weber-Grellet, EStG, § 23 Rn. 65. Teilweise wird die Subsidiarität schon aus der Zuordnung zu den sonstigen Einkünften gefolgert. So Frotscher I Lindberg, EStG, § 23 Rn. 9 (Sept. 2003); Jacobs-Soyka, in: L / B / P , EStG, § 23 Rn. 19 (Febr. 2003).
VI. Das geltende Recht
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§§ 4 ff. EStG unterliegt. Einkünfte aus privaten Veräußerungen, die nicht unter § 23 EStG fallen, sind auch nicht nach § 22 Nr. 3 EStG als Einkünfte aus Leistungen steuerpflichtig. 198 Das Steueränderungsgesetz 2003 1 9 9 hat § 24c EStG neu eingefügt. Danach ist vor allem durch Banken eine zusammenfassende Jahresbescheinigung auszustellen, welche die für die Besteuerung nach § 20 und § 23 I 1 Nr. 2 bis 4 EStG erforderlichen Angaben enthält.200 Zusammenfassend lässt sich zu den bemerkenswerten Punkten der geschichtlichen Entwicklung festhalten, dass die Besteuerung der sog. Spekulationsgeschäfte im Brennpunkt des Theorienstreits zwischen Quellentheorie und Reinvermögenszugangstheorie stand. Allerdings konnte sich die Quellentheorie auch in dem durch sie geprägten preußischen EStG von 1891 insoweit nicht durchsetzen; denn Spekulationsgeschäfte wurden trotz des Fehlens einer dauerhaften Quelle besteuert. Geht man davon aus, dass sich bei den Überschusseinkünften die Quellentheorie durchgesetzt hat, ist auch im geltenden Recht überraschend, dass trotzdem Spekulationsgeschäfte bzw. private Veräußerungsgeschäfte besteuert werden. Der Einführung der heute noch geltenden Fristregelung im EStG 1925 lag die Vorstellung zugrunde, damit Spekulationsgeschäfte praktikabler als vorher besteuern zu können. Es sollten also nach wie vor Spekulationsgeschäfte, aber nun in typisierter Form erfasst werden. Die Berechtigung der Besteuerung der Spekulationsgeschäfte wurde vom Gesetzgeber seitdem kaum reflektiert, aber beibehalten. Lediglich bei der Fristverlängerung und der Änderung der Überschrift des § 23 EStG in private Veräußerungsgeschäfte durch das StEntlG klingt an, dass längere Fristen - und folglich vor allem eine fristunabhängige Besteuerung - der Leistungsfähigkeit besser entsprechen sollen. Zu untersuchen wird sein, ob man darin einen Wechsel in der systematischen und einkommenstheoretischen Einordnung des § 23 EStG sehen kann. 201
198 St. Rspr., z. B. BFH v. 10. 9. 2003 - X I R 26/02, BFHE 203, 448 (452) m. w. N.; vgl. auch Jakob, in: FS für Schmidt, S. 115 (117). 199 Zweites Gesetz zur Änderung steuerlicher Vorschriften (Steueränderungsgesetz 2003 StÄndG 2003) vom 15. Dezember 2003, BGBl. 12003, 2645 ff. (2646). 200
Zu den Auswirkungen der Änderung unten D.I.2.d). 201 Für die Aufgabe der Spekulationsbesteuerung durch das StEntlG Strahl/Fuhrmann, FR 2003,387 (388 f.).
C. Systematische Sonderstellung des § 23 EStG: Die Besteuerung privater Veräußerungsgeschäfte als Durchbrechung der grundsätzlichen Nichtsteuerbarkeit der Wertsteigerungen des Privatvermögens und des Dualismus der Einkunftsarten Neben § 23 EStG wird nur noch in den Fällen des § 17 EStG und des § 21 UmwStG die Steuerbarkeit von Wertveränderungen im Privatvermögen angeordnet. Damit sind private Veräußerungen außerhalb dieser Vorschriften schon aus dem gesetzlichen Einkommensbegriff ausgeschlossen.1 Auch nach der Verlängerung der Fristen ist die Nichtsteuerbarkeit privater Veräußerungen daher jedenfalls gesetzestechnisch als Regelfall anzusehen.2 Man könnte den Grundsatz aber theoretisch auch umgekehrt formulieren: Veräußerungen im Privatvermögen sind steuerbar, es sei denn, sie bewegen sich außerhalb der Fristen des § 23 EStG.3 Dies läge dann nahe, wenn die Fristen sehr lang bemessen würden. Es hängt also im Hinblick auf die Wirkungen der Vorschrift im Wesentlichen von der Länge der Fristen ab, ob man von grundsätzlicher Nichtsteuerbarkeit oder Steuerpflicht privater Veräußerungen sprechen muss. Aufgrund der Durchbrechung der grundsätzlichen Nichtsteuerbarkeit privater Veräußerungen nimmt § 23 EStG eine systematische Sonderstellung ein. Der Grundsatz der Nichtsteuerbarkeit privater Veräußerungen hängt eng mit dem sog. Dualismus der Einkunftsarten zusammen. Darin wird trotz erheblicher Unterschiede und Unklarheiten im Begriffsverständnis die Grundlage für die Nichtsteuerbarkeit privater Veräußerungen gesehen. Als Ausgangspunkt der Untersuchung sollen 1 Vgl. Blümich / Stuhrmann, § 2 EStG Rn. 7 (Okt. 2002); Blümich /Glenk, § 23 EStG Rn. 5 (März 2005). 2 Zum Grundsatz der Nichtsteuerbarkeit bei der Veräußerung von Gegenständen des Privatvermögens siehe z. B. BFH v. 18. 5. 1999 - I R 118/97, BFHE 188, 561 (565); Birk, Steuerrecht, Rn. 716. Nach a. A. soll zumindest bei Grundstücken und Wertpapieren die Besteuerung den Regelfall darstellen. So Prinz/Ommerborn, FR 2001, 977 (981); ebenso Kraft/Bäuml, DB 2004, 615 (619); Bäuml, System und Reform, S. 58, 60, der aber trotzdem davon spricht, die Veräußerung von Privatvermögen sei grundsätzlich einkommensteuerlich irrelevant (S. 60). Wenglorz/Bäuml, BB 2003, 286 (290), meinen im Hinblick auf die Änderungen der letzten Jahre, dass bei den privaten Veräußerungsgeschäften die Besteuerung immer mehr die Regel als die Ausnahme darstelle. 3
Während bei Grundstücken und grundstücksgleichen Rechten die Frist mit zehn Jahren so lang bemessen ist, dass man zweifeln kann, ob der Großteil der Veräußerungen außerhalb der Frist erfolgt, ist bei den übrigen Wirtschaftsgütern die Frist mit einem Jahr so kurz, dass die Nichtsteuerbarkeit solcher Veräußerungen eindeutig der Regelfall ist.
I. Der Dualismus der Einkunftsarten
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daher Bedeutung, Entstehung und Begründung des Dualismus näher betrachtet werden. Danach ist auf die Durchbrechung des Dualismus bzw. der Nichtsteuerbarkeit privater Veräußerungen durch § 23 EStG einzugehen. Allerdings erscheint grundsätzlich auch eine andere systematische Betrachtung denkbar, nämlich dass es statt eines durch § 23 EStG durchbrochenen Grundprinzips der Nichtsteuerbarkeit von Veräußerungen im Privatvermögen ein einheitliches Prinzip gibt, private Veräußerungen nur innerhalb von Fristen zu erfassen. Dann könnte man die Rechtfertigung der Fristregelung einheitlich untersuchen statt getrennt in den Dualismus und dessen Durchbrechung. Gegen ein solches Verständnis spricht aber die gesetzliche Regelung. Der Gesetzgeber hat die Überschusseinkünfte in weiten Teilen entsprechend der Quellentheorie ausgestaltet und private Veräußerungsgeschäfte nur ausnahmsweise besteuert.4 Die grundsätzliche Nichtsteuerbarkeit privater Wertsteigerungen hat er im Rahmen der Verabschiedung des EStG 1925 auch ausdrücklich gerechtfertigt, und zwar mit der geringen Bedeutung des eingesetzten Vermögens bzw. mit dem Gedanken der Fruchtziehung.
I. Der Dualismus der Einkunftsarten Der Dualismus der Einkunftsarten ist kein Begriff, den das Einkommensteuergesetz selbst verwendet. Allerdings wird er in der Literatur und Rechtsprechung häufig gebraucht und als einer der Grundpfeiler des geltenden Einkommensteuersystems angesehen.5 Dadurch hat dieser Begriff hohe Bedeutung erlangt. Im internationalen Vergleich stellt der Dualismus der Einkunftsarten eine Besonderheit dar,6 obwohl einige andere Staaten eine Steuerbefreiung für lang gehaltene Wirtschaftsgüter des Privatvermögens vorsehen und damit im Ergebnis ähnliche Folgen haben.7 Trotz dieser zentralen Bedeutung des Dualismus ist die Terminologie uneinheitlich, Inhalt und Bedeutung des Dualismus sind umstritten. Es wird vom Dualismus, vom Dualismus der Einkünfteermittlung, vom Dualismus der Einkünfteerzielung 8, 4 Ebenso BFH v. 10. 12. 2001 - GrS 1/98, BFHE 197, 240 (245); BFH v. 18. 5. 1999 - 1 R 118/97, BFHE 188, 561 (565): Es gebe eine gesetzgeberische Grundentscheidung, private Veräußerungsgewinne unbesteuert zu lassen. 5 Vgl. z. B. BFH v. 16. 12. 2003 - DC R 46/02, BFHE 204, 228 (252), der den Einkünftedualismus als systemtragenden Grundsatz einordnet; Zugmaier, in: H / H / R , § 2 EStG Anm. 500 (Juli 2003), der den Dualismus der Einkunftsarten als eine der einschneidendsten Entscheidungen des Einkommensteuerrechts einordnet. 6 In Österreich gibt es allerdings einen dem deutschen Recht ähnlichen Dualismus der Einkunftsarten. Siehe z. B. Thiele, ÖStZ 2001, 503. 7 Bemerkenswert erscheint dann im internationalen Vergleich weniger der Dualismus an sich, sondern eher die Kürze der Fristen, die die Besteuerung auslösen. Denn diese bewirkt, dass private Veräußerungsgewinne im Regelfall nicht besteuert werden. 8 Bachem, in: Bo/Br, EStG, § 23 Rn. 29 (Aug. 2003).
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C. Systematische Sonderstellung des § 23 EStG
vom Dualismus der Einkünfteberechnung, vom Dualismus der Einkunftsarten 9, vom Dualismus der Einkunftsartenermittlung 10, vom Dualismus der Gewinn- und Überschusseinkünfte 11, vom Dualismus zwischen Reinvermögenszugangstheorie und Quellentheorie 12 und vom Einkünftedualismus 13 gesprochen. Damit sind teilweise auch unterschiedliche Begriffsverständnisse verbunden. Eine normative Anknüpfung fehlt oft, überwiegend wird der Dualismus mit § 2 I I EStG verbunden. 14 Zunehmend wird der Dualismus der Einkunftsarten bzw. die grundsätzliche Nichtsteuerbarkeit von Veräußerungen des Privatvermögens für verfassungswidrig gehalten. 15 Das BVerfG hat in seiner Entscheidung zu den Vollzugsdefiziten bei Wertpapierspekulation erneut die materielle Verfassungsmäßigkeit der Vorschrift des § 23 EStG und damit mittelbar auch die des Dualismus in sehr knapper Form bejaht, ohne auf die damit verbundenen Rechtsfragen einzugehen. 16 Als Strukturprinzip des Einkommensteuergesetzes ist der Dualismus auch hinsichtlich der systematischen Auslegung einzelner Normen von zentraler Bedeutung. 1 7 Insbesondere bei der Besteuerung privater Veräußerungsgeschäfte gemäß 9 Oder auch Einkunftsartendualismus, siehe Crezelius, in: K / S / M , EStG, § 23 Rn. A 86 (Jan. 1995). 10 Crezelius, in: K / S / M , EStG, § 23 Rn. D 4 (Jan. 1995).
Lang, in: Tipke/Lang, § 9 Rz. 50; Kirchhof, in: K / S / M , EStG, § 2 Rn. A 674 (ohne Angabe des Standes der Kommentierung). 12 Tipke, in: FS für Paulick, S. 391 (394). 13 Lang, in: Tipke/Lang, § 9 Rz. 185, 187, 471; BFH v. 1. 6. 2004 - IX R 35/01, BFHE 206, 273 (280): Die Folge sei die grundsätzliche einkommensteuerliche Unerheblichkeit der privaten Vermögenssphäre. Siehe auch Handzik, in: L / B / P , EStG, § 2 Rn. 155 (Nov. 2004): „Dualismus der Einkünfte". 14 Z. B. Kirchhof, in: K / S / M , EStG, § 2 Rn. A 674; Crezelius, in: K / S / M , EStG, § 23 Rn. A 1 (Jan. 1995). 15 Zugmaier, in: H / H / R , § 2 EStG Anm. 522 (Juli 2003); Lademann! Jäschke, EStG, § 2 Rn. 58 (April 2002); Lang, in: Tipke/Lang, § 9 Rz. 187; Tipke, StRO II, S. 723 ff.; Kanzler, FR 2000, 1245 (1247); Kraft/Bäuml, DB 2004, 615 (616); Bäuml, System und Reform, S. 63, 107. Vgl. zum Schweizer Recht Steuerrekurskommission I I des Kantons Zürich v. 5. 8. 2004, SteuerRevue 2004, 742 (745). Kritisch Wenger, in: Einkommen versus Konsum, S. 37 (46), der eine einheitliche Einkommensermittlung für alle Einkunftsaiten fordert; ebenso F. Wagner, in: Unternehmensbesteuerung, S. 15 (30). A. A. z. B. BVerfG v. 9. 7. 1969-2 BvL 20/65, BVerfGE 26, 302 (312). Für die Verfassungsmäßigkeit der Nichtsteuerbarkeit von Veräußerungen des Privatvermögens auch Kirchhof, in: K / S / M , EStG, § 2 Rn. A 666; ders., NJW 1987, 3217 (3226); von Bornhaupt, BB 2003, 125 (126). Vgl. auch Kirchhof/tfwfce, EStG, § 23 Rn. 2. Offengelassen von BFH v. 1. 3. 2001 - IV R 90/99, BFH/NV 2001, 904 (906). Teilweise wird betont, es sei Sache des Gesetzgebers, seine Entscheidung für den Dualismus zu revidieren, so z. B. Crezelius, in: K / S / M , EStG, § 23 Rn. A 21 (Jan. 1995). 16 BVerfG v. 9. 3. 2004-2 BvL 17/02, BVerfGE 110, 94 (111 f.). Als verfassungswidrig wurden aber die Völlzugsdefizite bei der Besteuerung von Wertpapieren in den Jahren 1997 und 1998 angesehen. Dazu unten D.I.2. 17 Insbesondere beim Einnahmenbegriff des § 8 EStG, beim Werbungskostenbegriff in § 9 EStG und bei den Einkünften aus Kapitalvermögen gemäß § 20 EStG.
I. Der Dualismus der Einkunftsarten
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§ 23 EStG stellt sich die Frage nach dem Verhältnis zum Dualismus der Einkunftsarten. Nur bei einem klaren Begriffsverständnis vom Dualismus kann das Verhältnis genau untersucht und festgestellt werden, ob eine Durchbrechung des Dualismus vorliegt und gegebenenfalls ob sie gerechtfertigt ist. Zudem weist der Dualismus der Einkunftsarten Berührungspunkte und Überschneidungen mit anderen Kernfragen des EStG auf: Was ist der Steuergegenstand des EStG? Was ist Einkommen im Sinne des EStG? Diese Fragen spielen ebenfalls mit in die Beurteilung der Besteuerung privater Veräußerungsgeschäfte hinein. Um § 23 EStG systematisch einordnen zu können, sollen daher zunächst der Begriff des Dualismus, seine Ableitung aus den Normen des EStG, seine geschichtliche Entwicklung und seine Bedeutung untersucht werden. Des Weiteren ist die Frage nach der Rechtfertigung des Dualismus zu beleuchten. Denn dadurch entstehen erhebliche Ungleichbehandlungen zwischen den Einkunftsarten, auf die genauer einzugehen ist.
1. Definitionen und Bedeutung des Dualismus Im allgemeinen Sprachgebrauch bedeutet Dualismus Zweiheit und Gegensätzlichkeit.18 Wenngleich ein Gegensatz also nicht notwendig gemeint ist, wird er durch den Begriff Dualismus doch nahe gelegt. Im juristischen Sprachgebrauch haben Begriffe zum Teil eine andere Bedeutung. Der Begriff Dualismus wird aber auch im steuerrechtlichen Sprachgebrauch immer im Sinne von Gegensätzlichkeit oder Verschiedenheit zweier Elemente, hier der Einkunftsartengruppen, gebraucht. Trotzdem liegt eine uneinheitliche Verwendung des Begriffs des Dualismus dadurch vor, dass der Dualismus im Sinne von Gegensätzen oder Unterschieden zwischen den Einkunftsartengruppen entweder auf einzelne Aspekte reduziert wird oder unterschiedliche Aspekte betont werden. Diese unterschiedlichen Aspekte werden teilweise auch nicht voneinander abgegrenzt. Aufgrund der vielen stark unterschiedlichen Aussagen sollen hier die vertretenen Ansichten zu Hauptgruppen zusammengefasst werden, wobei sich die unterschiedlichen Begriffsverständnisse nicht immer gegenseitig ausschließen, sondern sich auch ergänzen können. Auf die Zusammenhänge zwischen den unterschiedlichen Elementen des Dualismus wurde in der Literatur bislang kaum eingegangen. Teilweise werden alle Unterschiede zwischen Gewinn- und Überschusseinkunftsarten unter dem Begriff Dualismus zusammengefasst und dabei jeweils unterschiedliche Aspekte in den Vordergrund gerückt. Teilweise werden auch nur einzelne Aspekte des Dualismus als „der Dualismus" dargestellt. Danach differenzie18
Duden, Die deutsche Rechtschreibung, Duden Band 1, 22. Aufl., Mannheim u. a. Nach http://www.wortschatz.uni.leipzig.de bedeutet Dualismus auch Unterschied, Gegensatz, Verschiedenartigkeit. Zugmaier, in: H / H / R , § 2 EStG Anm. 520 (Juli 2003), zufolge weist der Ausdruck Dualismus nach dem allgemeinen Sprachgebrauch auf ein Spannungsverhältnis hin.
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C. Systematische Sonderstellung des § 23 EStG
rend, welchen Aspekt der Unterschiedlichkeit der Einkunftsartengruppen Literatur und Rechtsprechung als wesentlich ansehen, lassen sich bei der Verwendung des Begriffs Dualismus drei Hauptgruppen von Begriffsverständnissen bilden: Eine Gruppe stellt in den Vordergrund, dass der Dualismus als Dualismus der Einkommenstheorien zu verstehen sei. Andere fassen unter den Dualismus alle Unterschiede zwischen den Einkunftsarten und differenzieren dann zwischen einzelnen Aspekten. Unklarheiten ergeben sich insbesondere aus dem Begriff des Dualismus der Einkünfteermittlung, der sowohl als bloße Unterschiedlichkeit der Ermittlungstechniken19 als auch als Summe aller Unterschiede zwischen den Einkunftsartengruppen verstanden wird. Vereinzelt wird der Dualismus auch nur als das Bestehen von Belastungsunterschieden zwischen Gewinn- und Überschusseinkünften definiert. So versteht Warnke unter dem Dualismus der Einkunftsarten die Besteuerung bzw. Nichtbesteuerung von realisierten Wertsteigerungen des zur Einkünfteerzielung eingesetzten Vermögens.20 Damit ist allerdings auch der bedeutsamste Aspekt genannt.
a) Dualismus der Einkünfteermittlung als Unterschiedlichkeit der Einkünfteermittlungstechniken Der Dualismus der Einkünfteermittlung ist einer der am häufigsten verwendeten Begriffe für den Dualismus der Einkunftsarten. Daher soll auf ihn ausführlich eingegangen werden. Der Dualismus der Einkünfteermittlung wird teilweise als Oberbegriff für die Bestimmung des Umfangs und die Berechnung der Einkünfte verstanden. Dabei soll durch die Festlegung der Art der Erfassung der Einkünfte auch der Umfang der Erfassung bestimmt werden. Demgegenüber versteht z. B. Tipke die dualistische Einkünfteermittlung als Unterschiede zwischen Bestandsvergleich und Einnahmen-Überschussrechnung, also als bloße Unterschiedlichkeit der Einkünfteermittlungstechnik. 21 Die Definition des Dualismus der Einkunftsarten von v. Bornhaupt als die Unterschiede zwischen Gewinneinkünften, bei denen nach § 4 I EStG ein Betriebsvermögensvergleich stattfindet, und den Überschusseinkünften 22 legt nahe, dass die unterschiedlichen Ermittlungstechniken als zentraler Unterschied und eventuell als Ursache der Besteuerungsunterschiede angesehen werden. 19 Teilweise wird der Belastungsdualismus dann als Folge der unterschiedlichen Ermittlungstechniken angesehen. 20 Lademann / Warnke, EStG, § 23 Rn. 27 (März 1998).
21 Tipke, in: FS für Paulick, S. 391 (392 f.). 22 von Bornhaupt, BB 2003, 125. Der Hinweis auf den Betriebsvermögensvergleich zeigt, dass dieser häufig als die maßgebende Gewinnermittlungstechnik angesehen wird. Deswegen wird wohl oft auch ein Dualismus der Einkünfteermittlungstechniken angenommen, obwohl mehrere Ermittlungstechniken bestehen.
I. Der Dualismus der Einkunftsaten
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Zugmaier spricht vom Dualismus der Einkunftsarten als Zweiteilung der Einkunftsarten. 23 Den Begriff der Einkünfteermittlung versteht er begrenzt auf die Berechnungsmethode der Einkünfte und sieht die unterschiedlichen Berechnungsmethoden als Ursache des Dualismus der Einkunftsarten an. Nach seiner Ansicht wechseln in den §§ 13-24 EStG Vorschriften der Einkünfteermittlung mit Vorschriften zum Steuergegenstand.24 § 2 I EStG bestimme zusammen mit §§ 13-24 EStG, welche von allen denkbaren Arten der Einkünfteerzielung der Einkommensteuer unterliegen.25 § 2 II EStG regele dann den Weg der Einkünfteermittlung bei den in Abs. 1 aufgezählten Einkunftsaiten der §§ 13-24 EStG und damit zugleich deren Umfang. 26 Abs. 2 teile als Grundvorschrift der Einkünfteermittlung die sieben Einkunftsarten in zwei Gruppen.27 Durch die Einführung zweier verschiedener Arten der Einkünfteermittlung begründe § 2 II EStG den sog. Dualismus der Einkunftsarten. 28 Den beiden Gruppen von Einkünften würden in §§ 4 - 7 k EStG und §§ 8-9a, 11 EStG jeweils eigene Vorschriften der Einkünfteermittlung zugeordnet. Innerhalb der Einkunftsgruppen werde dadurch weiter unterschieden, dass die Gewinnermittlung nach §§ 4 I, 5, 4 m, 13a, 16 I I und 17 II EStG erfolgen kann.29 Bei den Überschusseinkünften gebe es z. B. in § 23 EStG eine Sonderregelung für bestimmte Einkünfte. Betont wird, dass in § 2 II EStG i. V. m. §§ 4 - 7 k EStG und §§ 8 - 9 a EStG zunächst nur die Einteilung der Einkunftsarten in zwei nebeneinander stehende Gruppen dadurch erfolge, dass unterschiedliche Arten der Einkünfteermittlung festgelegt werden.30 Diese Unterschiedlichkeit der Einkünfteermittlung habe aber erhebliche Folgen für die Bemessungsgrundlage der Einkommensteuer.31 Als Un23 Zugmaier, in: H / H / R , § 2 EStG Anm. 500 (Juli 2003). 24 Zugmaier, in: H / H / R , § 2 EStG Anm. 501 (Juli 2003). 25 Zugmaier, in: H / H / R , § 2 EStG Anm. 502 (Juü 2003). 26 Zugmaier, in: H / H / R , § 2 EStG Anm. 502 (Juli 2003). M. E. wird jedoch der Weg der Einkünfteermittlung erst in den Normen der §§ 4 ff. und §§ 8 ff. EStG geregelt, auf die verwiesen wird. § 2 I I EStG sagt auch nicht zwingend etwas über den Belastungsumfang aus, denn nähere Regelungen werden erst in §§ 4 ff. EStG getroffen. Auch § 4 I I I EStG definiert schließlich den Gewinn durch einen Überschuss. Das Entstehen von Belastungsunterschieden hängt also von der näheren Definition von Gewinn und Überschuss ab, die in § 2 I I EStG noch nicht erfolgt. 27 Zugmaier, in: H / H / R , § 2 EStG Anm. 502 (Juli 2003). Das legt nahe, dass § 2 I I EStG selbst eine lediglich terminologische Unterscheidung trifft, an die andere Normen dann mit unterschiedlichen Rechtsfolgen anknüpfen. 28 Zugmaier, in: H / H / R , § 2 EStG Anm. 502 (Juli 2003). Die Unterschiedlichkeit der Einkünfteermittlung ergibt sich aber nicht bereits aus § 2 I I EStG selbst, sondern erst aus den mit den Definitionen von Gewinn und Überschuss daran anknüpfenden Normen, auf die in § 2 II EStG verwiesen wird. 29 Zugmaier, in: H / H / R , § 2 EStG Anm. 502 (Juli 2003). Dies zeigt, dass § 2 I I EStG Unterschiede zwischen den Einkunftsartengruppen nur nahe legt, aber nicht selbst begründet. 30 Zugmaier, in: H / H / R , § 2 EStG Anm. 520 (Juli 2003).
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C. Systematische Sonderstellung des § 23 EStG
terschied in der Einkünfteermittlung wird angesehen, dass Wertänderungen und damit Veräußerungsgewinne unterschiedlich erfasst werden und dass die Einkünfte in unterschiedlichen Zeitpunkten erzielt werden.32 Nach Ansicht von Zugmaier ist also die unterschiedliche Einkünfteermittlungstechnik Ursache der Belastungsunterschiede. Überträgt man das Begriffsverständnis der Einkünfteermittlung als bloße Berechnungstechnik auf den Begriff Dualismus der Einkünfteermittlung, wäre darunter nur die Unterschiedlichkeit bzw. Gegensätzlichkeit der Berechnungsmethoden zu verstehen. Eine vergleichbare Ansicht vertritt auch Bachem. Bachem spricht vom Dualismus der Einkünfteberechnung. 33 Die unterschiedliche Belastung durch die verschiedene Einbeziehung der Wertveränderungen des Vermögens sieht er als Folge des Dualismus der Einkünfteberechnung an. 34 Bachem verwendet den Ausdruck Dualismus zudem hinsichtlich des unterschiedlichen Umfangs der Einkünfte. 35 Sofern man ,»Dualismus der Einkünfteberechnung" dem Wortsinn entsprechend nur als technische Unterschiede und nicht generell als Einteilung in Gewinneinkünfte und Überschusseinkünfte 36 versteht, bedeutet dies also, dass die Belastungsunterschiede gerade aufgrund der verschiedenen Gewinn- bzw. Überschussermittlungstechniken entstehen. Dies trifft jedoch nur begrenzt zu. Die Gewinnermittlungstechniken führen nicht alle automatisch zur Steuerpflicht von Veräußerungsgeschäften und die Überschussrechnung nicht zwingend zu deren Nichtsteuerbarkeit. Der Bestandsvergleich als Hauptfall der Gewinnermittlung bewirkt zwar eine grundsätzliche Einbeziehung der Veräußerungsgewinne. Beim Sonderfall der Gewinnermittlung nach Durchschnittssätzen nach § 13a EStG wird die Steuer31 Zugmaier, in: H / H / R , § 2 EStG Anm. 520 (Juli 2003). Damit werden also die Belastungsunterschiede als Folge der unterschiedlichen Ermittlungstechniken in §§ 4 - 7 k EStG und §§ 8 - 9 a EStG dargestellt. Die materiellen Unterschiede basieren aber auf der begrenzten Einbeziehung der Veräußerungsgeschäfte in die Überschussrechnung der Überschusseinkünfte, denn bei der Überschussrechnung nach § 4 III EStG werden die Veräußerungsgeschäfte vollständig erfasst. 32 Zugmaier, in: H / H / R , § 2 EStG Anm. 522 (Juli 2003). Diese Unterschiede sollen die Bedeutung des Einkünftedualismus ausmachen. 33 Bachem, in: Bo/Br, EStG, § 2 Rn. 121 (Juli 1998). An anderer Stelle ist vom Dualismus der Einkünfteerzielung die Rede, nach dem betriebliche Veräußerungseinkünfte grundsätzlich erfasst und private grundsätzlich nicht erfasst werden, Bachem, in: Bo/Br, EStG, § 23 Rn. 29 (Aug. 2003). 34 Bachem, in: Bo/Br, EStG, § 2 Rn. 121 (Juli 1998). 35 Bachem, in: Bo/Br, EStG, § 2 Rn. 120 (Juli. 1998). 36 So versteht z. B. Jacohs-Soyka unter dem ähnlichen Begriff der dualistischen Einkünfteermittlung wohl die Einteilung der Einkunftsarten in Gewinneinkünfte und Überschusseinkünfte, auch wenn sie dann formuliert, die Besteuerung bzw. Nichtbesteuerung von realisierten Wertsteigerungen des zur Einkünfteerzielung eingesetzten Vermögens sei die wichtigste Konsequenz der dualistischen Einkünfteermittlung, Jacohs-Soyka, in: L / B / P , EStG, § 23 Rn. 18 (Febr. 2003). Hervorhebung nur hier.
I. Der Dualismus der Einkunftsarten
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pflicht bestimmter Veräußerungen aber erst durch § 13a V I 1 Nr. 2 EStG angeordnet. § 4 III EStG zeigt, dass eine Überschussrechnung die Veräußerungsgewinne erfassen kann bzw. erfasst. Bei einer Überschussrechnung im Sinne einer reinen Kassenrechnung werden ohnehin alle Veräußerungsgeschäfte erfasst. Die Anschaffungskosten wären ohne die gesetzlichen Modifikationen in § 4 III 2 - 5 EStG im Zeitpunkt der Zahlung sofort abziehbar. Auch mit einer Überschussrechnung können also ohne weiteres Vermögensveränderungen besteuert werden; das hängt nur von ihrer Ausgestaltung ab. Die Ermittlungstechnik Überschussrechnung bedeutet somit nicht automatisch Nichtsteuerbarkeit von Veräußerungsgeschäften. Dies zeigt auch § 23 EStG. Die Abschaffung der Fristen in § 23 EStG würde die Belastungsunterschiede aufheben. Aus der Festlegung einer Überschussrechnung allein lässt sich folglich keine zwingende Aussage über die Einbeziehung von Vermögensveränderungen treffen. Die Belastungsunterschiede ergeben sich erst aus §§ 4 ff., 13 ff. EStG, insbesondere aus den Regelungen in §§ 17, 23 EStG. Daher erscheint es nicht überzeugend, aus der Festlegung der Gewinn- und Überschussermittlungstechnik zwingende Belastungsunterschiede im Hinblick auf die Veräußerungsgeschäfte zu folgern und von der unterschiedlichen Besteuerung des Vermögens als Konsequenz des Dualismus der Einkünfteermittlung zu sprechen. Den unterschiedlichen Regelungen der Einkunftsarten lag bzw. liegt eine unterschiedliche Vorstellung vom Einkommensbegriff zugrunde, die nur ursprünglich Berührungspunkte zu den Ermittlungstechniken hatte. Im Hinblick auf das heute als Dualismus bezeichnete Phänomen sollte man von der Konzentration auf die Einkünfteermittlungstechnik absehen und den Dualismus des Belastungsumfangs in den Mittelpunkt rücken. Zudem ist der Begriff Dualismus der Einkünfteermittlung unzutreffend und irreführend. Es existiert nicht lediglich eine Zweiteilung der Ermittlungstechniken, sondern es besteht ein Pluralismus von Ermittlungstechniken.
b) Dualismus der Einkommensbegriffe bzw. Einkünftebegriffe entsprechend der Reinvermögenszugangstheorie und der Quellentheorie Vielfach wird der Dualismus als Theoriekonflikt zwischen Reinvermögenszugangstheorie (oder Haig / Simons / Schanz-Konzept37) und Quellentheorie verstanden. Die Ausgestaltung der Überschusseinkünfte und Gewinneinkünfte habe sich an diesen beiden Theorien orientiert. Nach der Quellentheorie ist Einkommen die Gesamtheit der Sachgüter, welche in einer bestimmten Periode dem Einzelnen als Erträge dauernder Quellen der Gütererzeugung zur Bestreitung der persönlichen Bedürfnisse für sich und für die auf 37 Lang, Reformentwurf, S. 65; ders., DStJG 24 (2001), 49 (64).
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C. Systematische Sonderstellung des § 23 EStG
den Bezug ihres Lebensunterhalts von ihm gesetzlich angewiesenen Personen (Familie) zur Verfügung stehen.38 Alle einmaligen Vermögensanfälle fallen also heraus. 39 Die Reinvermögenszugangstheorie definiert Einkommen im Gegensatz dazu als Reinvermögenszugang einer Wirtschaft während eines bestimmten Zeitabschnitts.40 Der grundsätzliche Unterschied der Theorien liegt in der unterschiedlichen Behandlung von Vermögenszugängen: Die Reinvermögenszugangstheorie erfasst auch Wertänderungen des Vermögens, jedenfalls soweit sie realisiert werden.41 Die Quellentheorie erfasst dagegen die Wertänderungen an der Quelle oder am Stammvermögen nicht, nur die Erträge laufender Quellen sollen Leistungsfähigkeit indizieren.42 Das Stammvermögen, das der Erzielung laufender Einkünfte zu dienen hat und deshalb nicht dazu bestimmt ist veräußert zu werden, soll nicht zur Einkommenssphäre gehören.43 Dies hat zur Folge, dass Veräußerungseinkünfte sowie Substanz- und Wertverluste des Stammvermögens ausgegrenzt werden.44 Nach der Quellentheorie entsteht aus Veräußerungsgeschäften Einkommen nur insoweit, als sie im Bereich einer Quelle zur Ertragserzielung erfolgen (z. B. gehören bei einem Immobilienhändler oder einem Bankier, der Wertpapiere verkauft, die Erlöse zum gewerblichen Ertrag). 45 Dagegen spielt sich z. B. bei Hausbesitzern oder privaten Kapitalanlegern der Verkauf des Hauses oder der Wertpapiere im Rahmen des Vermögens ab. Dabei ist auch eine etwaige Spekulationsabsicht unbeachtlich. 46 Die Gelegenheitsspekulation ist kein Einkommen, sondern berührt das Ver47
mögen. Im Hinblick auf diese unterschiedlichen Theorien wird formuliert, das einkommensteuerliche System bestehe aus zwei Subsystemen.48 Dies wird auch als duales 38 Fuisting, Die Grundzüge der Steuerlehre, S. 110; vgl. oben B.I. 39 Bachem, in: Bo/Br, EStG, § 2 Rn. 24 (Juli 1998). 40 Schanz, Finanz-Archiv 1896 (13. Jahrgang), S. 1 (7); Tipke, in: FS für Paulick, S. 391 (393). Teilweise werden noch ausdrücklich die Nutzungen und geldwerten Leistungen eingeschlossen, vgl. Blümich/Schachian, EStG 1925, S. 119; Reichstag, III. Wahlperiode 1924/25, Drucks. Nr. 795 (Entwurf eines Einkommensteuergesetzes), S. 22. Tipke, in: FS für Paulick, S. 391 (393). 42 Tipke, in: FS für Paulick, S. 391 (393); Lang, in: Tipke/Lang, § 9 Rz. 181. 43 Vgl. Lang, in: Tipke/Lang, § 9 Rz. 181. 44 Lang, in: Tipke/Lang, § 9 Rz. 181; ebenso für Veräußerungsgewinne Watrin/Lühn, DB 2003, 168. 45 Fuisting, Die Grundzüge der Steuerlehre, S. 149 f. Vgl. auch Schneider, in: K / S / M , EStG, § 17 Rn. A 155 (Okt. 2000). Daran zeigt sich die Schwierigkeit der Abgrenzung von Vermögen und Ertrag. 46 Fuisting, Die Grundzüge der Steuerlehre, S. 150. 47 Fuisting, Die Grundzüge der Steuerlehre, S. 155 f. Auch aus praktischen Gründen seien Spekulationsgeschäfte nicht zu erfassen. Die ausschließliche Absicht gewinnbringender Veräußerung sei schwer festzustellen und dann müssten auch Verluste abgezogen werden können, bei denen dann versucht würde, die spekulative Absicht zu bejahen (S. 156 f.). 48 Schneider, in: K / S / M , EStG, § 17 Rn. A 41 (Okt. 2000).
I. Der Dualismus der Einkunftsarten
System des Einkommensteuergesetzes bezeichnet.49 Die Gewinneinkünfte seien in Anlehnung an reinvermögenszugangstheoretische Grundsätze normiert worden, die Überschusseinkünfte in Anlehnung an quellentheoretische.50 Teilweise wird ergänzt, es gebe im EStG einen einheitlichen Belastungsgrund der Besteuerung der individuellen, marktoffenbar erzielten Erwerbseinkünfte, der diesen Dualismus überbrücke.51 In inhaltlich vergleichbarer Weise wird als Dualismus der Einkunftsarten bezeichnet, dass das deutsche Einkommensteuerrecht eine zweigeteilte Grundlage habe. Dem geltenden EStG liege noch der (zweigeteilte) Einkommensbegriff des EStG 1925/1934 zugrunde.52 Der Einkommensbegriff baue auf zwei Gruppen von Einkunftsarten auf, die die Reinvermögenszugangstheorie bzw. die Quellentheorie abbilden.53 Die Gewinneinkünfte basierten im Wesentlichen auf einem der Reinvermögenszugangstheorie entsprechenden Einkommensbegriff, die Überschusseinkünfte orientierten sich am quellentheoretischen Einkommensbegriff, indem sie nur den Ertrag, aber nicht Vermögenswertänderungen erfassen. 54 Insoweit wäre der Dualismus der Einkunftsarten somit in erster Linie ein Dualismus der Einkommenstheorien. Schneider differenziert aber weiter zwischen dem formellen und dem materiellen Dualismus. Letzteren sieht er als entscheidend an. 55 Nach Lang spaltet § 2 I I EStG den Einkünftekatalog in zwei Einkünftebegriffe auf, die Gewinneinkünfte oder unternehmerischen Einkünfte und die Überschusseinkünfte oder nichtunternehmerischen Einkünfte. 56 Diese basierten auf der Reinvermögenszugangstheorie und der Quellentheorie.57 Der Dualismus der Einkünfteermittlung entspreche also dem theoretischen Gegensatz zwischen Reinvermögenszugangstheorie und Quellentheorie.58 Auch an anderer Stelle nennt Lang den Gegensatz zwischen Totalerfassung der Einkünfte nach der Reinvermögens49 Schneider, in: K / S / M , EStG, § 17 Rn. A 40 (Okt. 2000). so Schneider, in: K / S / M , EStG, § 17 Rn. A 41 (Okt. 2000); ebenso Jakob, Einkommensteuer, § 1 Rn. 2; Kohlrust-Schulz, NWB Fach 3, 10775. Vgl. auch Kraft/Bäuml, FR 2004, 443 (446). 51 Schneider, in: K / S / M , EStG, § 17 Rn. A 44 (Okt. 2000). 52 Schneider, Private Vermögensverwaltung, S. 28. 53 Schneider, Private Vermögensverwaltung, S. 29 f. Ähnlich Jehner, DStR 1988,267. 54 Schneider, Private Vermögensverwaltung, S. 29. Ebenso Kirchhof, in: K / S / M , EStG, § 2 Rn. C 8 (Sept. 1992). Schneider spricht daher auch vom Nebeneinander einkommensteuerlicher Subsysteme, S. 108. Vgl. zur Unterschiedlichkeit der Einkommensbegriffe Kirchhof, Einkommensteuergesetzbuch, § 3 Rn. 6 (Fn. 1). 55 Dazu und zum Inhalt des Begriffs materieller Dualismus unten C.I.l.c). 56 Lang, in: Tipke/Lang, § 9 Rz. 181. 57 Lang, in: Tipke/Lang, § 9 Rz. 181. Vgl. Thiele, ÖStZ 2001, 503: Es bestehe ein Dualismus der Einkunftsarten, wonach Einkünfte aus Privatvermögen nach der Quellentheorie behandelt werden und betriebliche nach der Reinvermögenszugangstheorie. Vgl. auch Wenglorz/Bäuml, BB 2003, 286 (287). 58 Lang, in: Tipke/Lang, § 9 Rz. 182; Birk, Steuerrecht, Rn. 539 ff., der den Begriff Dualismus der Einkunftsarten verwendet.
C. Systematische Sonderstellung des §
EStG
zugangstheorie und Teilerfassung nach der Quellentheorie neben dem Gegensatz zwischen Bilanzierung und Überschussrechnung nach den Grundsätzen der Kassenrechnung als einen der beiden Hauptgegensätze im System der Einkünfteermittlung.59 Damit wird zugleich der materielle Dualismus als Ausfluss des Dualismus der Einkommenstheorien eingeordnet. Dieses Verständnis des § 2 II EStG als Grundlage eines Dualismus der Einkommenstheorien ist vor dem Hintergrund der historischen Entwicklung des EStG im Hinblick auf den Wettbewerb der beiden Theorien zwar nachzuvollziehen. Zu kritisieren ist jedoch, dass die an sich neutralen Begriffe Gewinn und Überschuss des EStG bereits in einem reinvermögenszugangstheoretischen und quellentheoretischen Zusammenhang verstanden werden. Der Gesetzgeber wollte sich aber keiner der Einkommenstheorien anschließen. Besonders wegen dieses reinvermögenszugangstheoretischen und quellentheoretischen Vorverständnisses wird oft bereits in der Gegenüberstellung von Gewinn und Überschuss in § 2 II EStG der Dualismus der Einkunftsarten und die Ursache der Belastungsunterschiede gesehen. Jakob sieht als Grundlage des geltenden Rechts mit der Nichtsteuerbarkeit des privaten Stammvermögens einen historischen, einkommenstheoretischen Dualismus zwischen Quellentheorie und Reinvermögenszugangstheorie an. 60 Seit 1925 bestehe die pragmatische Lösung des Einkommensbegriffs, dass einige Einkunftsarten der Reinvermögenszugangstheorie und andere der Quellentheorie folgend ausformuliert wurden.61 Der Dualismus der Einkommensbegriffe sei im Gesetz aber nur unvollkommen zum Ausdruck gekommen (z. B. bei § 20 EStG, wonach nur Nutzungsentgelte steuerbar sind). Bei Leistungen i. S. v. § 22 Nr. 3 EStG sei nicht aus dem Tatbestand erkennbar, dass Veräußerungen und veräußerungsähnliche Vorgänge keine Leistungen seien.62 Auch Handzik geht davon aus, dass den ersten drei Einkunftsarten der Gedanke einer modifizierten (nur das Betriebsvermögen erfassenden) Reinvermögenszugangstheorie zugrunde liege, den letzten vier Einkunftsarten dagegen die Quellentheorie.63 Nach Lüdemann /Zugmaier stehen hinter den unterschiedlichen Arten der Einkünfteermittlung zwei grundsätzlich verschiedene Einkommensbegriffe; dies bezeichnen sie als Einkünftedualismus. 64 Hinter den Überschusseinkunftsarten stehe die Quellentheorie und hinter den Gewinneinkunftsarten die Reinvermögenszugangstheorie.65 Dabei differenzieren sie aber auch zwischen weiteren Unter59 Lang, in: Tipke/Lang, § 9 Rz. 188. 60
Jakob, in: FS für Schmidt, S. 115 (115 f.). Jakob weist auf den Konflikt dieses Dualismus mit dem Grundsatz der Leistungsfähigkeit hin. 61 Jakob, Einkommensteuer, § 1 Rn. 2. Trotzdem sieht er als heutigen Einkommensbegriff das Markteinkommen an (Rn. 3). 62 Jakob, in: FS für Schmidt, S. 115 (116 f.). 63 Handzik, in: L / B / P , EStG, § 2 Rn. 157 (Nov. 2004). 64 Lüdemann/Zugmaier, DStR 1996, 1636 (1637).
I. Der Dualismus der Einkunftsarten
schieden zwischen den Einkunftsartengruppen und verstehen die Theorien anscheinend als Erklärung dafür. Tipke vertritt eine ähnliche Auffassung, indem er feststellt, man könne den Dualismus der Einkünfteermittlung cum grano salis als Dualismus zwischen Quellentheorie und Reinvermögenszugangstheorie bezeichnen.66 Die Bedeutung des Dualismus der Einkommenstheorien wird aber auch eingeschränkt. Nach Ansicht von Carié zeigt die Änderung der Überschrift des § 23 EStG, dass die Trennung zwischen Überschusseinkünften und Gewinneinkünften zunehmend verwässert wird. 67 Die Quellentheorie lasse sich nicht länger aufrechterhalten. Die Annahme, dass das geltende Einkommensteuerrecht einen Dualismus der Einkommenstheorien widerspiegelt, ist zwar nicht in grundsätzlicher Hinsicht zu kritisieren. Es sind aber Einschränkungen dieser Annahme erforderlich. Denn die Quellentheorie und die Reinvermögenszugangstheorie sind nicht konsequent bzw. ausnahmslos auf die beiden Gruppen von Einkunftsarten angewendet worden. So ist die Besteuerung privater Veräußerungsgeschäfte gemäß § 22 Nr. 2 i. V. m. § 23 EStG nicht mit der Quellentheorie zu erklären, 68 und vor allem entspricht auch § 22 Nr. 3 EStG nicht der Quellentheorie. Denn durch § 22 Nr. 3 EStG werden nicht nur auf Wiederholung angelegte, sondern auch einmalige Leistungen besteuert.69 Zwar könnte man überlegen, ob der Gesetzgeber die Quellentheorie in der Weise modifiziert haben könnte, dass auch einmalige Einkünfte erfasst werden. Dies überzeugt jedoch nicht, da die Dauerhaftigkeit der Quelle und das regelmäßige Fließen von Einkünften daraus wesentliche Aspekte der Quellentheorie sind. Denkbar wäre daher sogar die Auffassung, dass der Gesetzgeber von der Quellentheorie nur das Element der Nichtsteuerbarkeit von Vermögensänderungen übernommen hat, 70 die Quellentheorie also den Überschusseinkünften strenggenommen gar nicht zugrunde liegt. Besser als mit der Quellentheorie lassen sich die 65 Lüdemann/Zugmaier, DStR 1996, 1636 (1637). 66 Tipke, in: FS für Paulick, S. 391 (394). 67 Korn / Carié, EStG, § 23 Rn. 7 (Aug. 2004). 68 Dazu näher unter C.II.2. 69 So z. B. Schmidt/Weber-Grellet, EStG, § 22 Rn. 134; Kirchhof/Fischer, EStG, § 22 Rn. 32. Zu dieser Durchbrechung der Quellentheorie siehe bereits Becker, Die Grundlagen der Einkommensteuer, S. 206. Der BFH definiert eine sonstige Leistung als jedes Tun, Dulden oder Unterlassen, das Gegenstand eines entgeltlichen Vertrages sein kann und das eine Gegenleistung auslöst, BFH v. 21. 9. 2004 - ]X R 13/02, DStR 2004, 2050 (2051). Das Erfordernis, dass die Leistung um des Entgelts willen erbracht werden muss, wurde in dieser Entscheidung aufgegeben. 70 Die Ausgrenzung des Vermögens hat zur Folge, dass nur Erträge erfasst werden, was neben der Regelmäßigkeit der Einnahmen das andere wesentliche Kennzeichen der Quellentheorie ist. Darauf ist wohl zurückzuführen, dass trotz der Besteuerung auch der einmaligen Einnahmen die Überschusseinkünfte noch als Abbildung der Quellentheorie angesehen werden. 5 Dechant
C. Systematische Sonderstellung des §
EStG
Überschusseinkünfte unter Umständen einfach damit umschreiben, dass ihnen eine Überschussrechnung zugrunde liegt, die nicht als umfassende Kassenrechnung alle Zu- und Abflüsse bei einer Person erfasst, sondern nur bestimmte Einnahmen und Ausgaben, die das Gesetz definiert, saldiert.71 Dann ist allerdings die Unterscheidung zwischen den Einkunftsartengruppen schwerer zu rechtfertigen. Selbst wenn man es also als gesetzgeberisches System ansieht, zwei Einkommenstheorien zu mischen und Einkommensgruppen mit verschiedenen Grundsätzen zu schaffen, wird jedenfalls auch dieses „Mischsystem" nicht durchgehalten, sondern stellenweise durchbrochen. Die Sinnhaftigkeit dieses Systems wird von der Rechtsprechung ohnehin bezweifelt und dieses stellenweise korrigiert, z. B. werden bei den wiederkehrenden Bezügen nur erwirtschaftete Bezüge erfasst. 72 An diesem Verständnis des Dualismus als Dualismus der Einkommenstheorien ist also zu kritisieren, dass bei den Überschusseinkünften keine konsistente Umsetzung der Quellentheorie erfolgte. Ein reiner Dualismus der Einkommenstheorien im Sinne einer ausnahmslosen Umsetzung besteht daher jedenfalls nicht. Im Wesentlichen kann man den Dualismus aber als einen Dualismus der Einkommenstheorien verstehen, auch wenn dabei Einschränkungen zu machen sind. Hinter den Gewinneinkünften und Überschusseinkünften stehen unterschiedliche Vorstellungen vom Charakter der Einkünfte. 73 Die Zweiteilung der Einkunftsarten in §§ 2 II, 4 ff., 13 ff. EStG erfolgt aus diesen Gründen. Dies bestimmt das Gesetz zwar nicht ausdrücklich und dies ergibt sich auch nicht schon aus § 2 II EStG, aber das zeigt die Ausgestaltung der einzelnen Einkunftsarten. Der Dualismus der Theorien ist der Hintergrund und die Erklärung für die materiellen Unterschiede zwischen den zwei Gruppen von Einkunftsarten. Durch die verschiedenen Bezeichnungen Gewinn und Überschuss und die Gegenüberstellung in § 2 I I EStG werden diese Unterschiede betont. Der unterschiedliche Zeitpunkt der Einkünfteerzielung hängt aber auch mit den unterschiedlichen Ermittlungstechniken zusammen, dem Vermögensvergleich einerseits und der Überschussrechnung andererseits. Nimmt man einen Dualismus der Einkommenstheorien an, stellt sich die Frage nach dessen Verhältnis zur Markteinkommenstheorie. Auch die Markteinkommenstheorie, die das Markteinkommen als einheitlichen Belastungsgrund des Einkommensteuergesetzes ansieht, kann die Existenz und Bedeutung des Dualismus im geltenden Recht jedoch nicht verleugnen. Die Frage ist daher nur, ob es ein 71 Diese Verfahrensweise der Enumeration durch den Gesetzgeber wird auch bei der Aufzählung der Einkunftsarten in § 2 1 1 EStG vielfach akzeptiert. 72 Vgl. dazu Lang, in: Tipke/Lang, § 9 Rz. 579. 73 Auf einen einkommenstheoretischen Dualismus im geltenden Recht weist auch die Rechtsprechung zur Abgrenzung von gewerblichem Handel und privater Vermögensverwaltung hin, die an das ertragsorientierte Merkmal der Fruchtziehung aus Vermögen und das vermögensorientierte der Ausnutzung substantieller Vermögenswerte anknüpft. Vgl. Schneider, Private Vermögensverwaltung, S. 109 f.
I. Der Dualismus der Einkunftsarten
diesen Dualismus erklärendes und übergreifendes Prinzip des Markteinkommens gibt. c) Dualismus als Summe aller Unterschiede zwischen den Gewinn- und Überschusseinkünften Der Begriff des Dualismus wird aber auch als zusammenfassender Ausdruck für sämtliche Unterschiede zwischen den Gewinneinkünften und Überschusseinkünften gebraucht.74 Beispielsweise versteht Kirchhof den Dualismus als Summe aller Unterschiede zwischen den Gewinn- und Überschusseinkünften. Dazu rechnet er die Berücksichtigung von Wertänderungen und den Zeitpunkt der Einkünfteerzielung, nicht aber den Gegensatz der gesetzlichen Definitionen von Betriebsausgaben und Werbungskosten75, da diese durch die Rechtsprechung angeglichen worden seien.76 Hinsichtlich der unterschiedlichen Berücksichtigung von Wertänderungen wird festgestellt, dass bei den Gewinneinkünften auch bei § 4 III EStG realisierte Wertänderungen bei Wirtschaftsgütern des Betriebsvermögens erfasst werden. Bei den Überschusseinkünften würden dagegen Wertveränderungen im Vermögen grundsätzlich nicht berücksichtigt. Ausnahmen seien § 22 Nr. 2 i. V. m. § 23 EStG, § 17 EStG und die Berücksichtigung der Anschaffungskosten und Herstellungskosten durch AfA gemäß § 9 I Nr. 7 EStG. 77 Kirchhof unterscheidet ferner zwischen dem formellen Dualismus im Sinne von Unterschiedlichkeit der Quantifizierungstechniken und materiellem Dualismus im Sinne von unterschiedlicher Bestimmung des Besteuerungsgegenstandes.78 Schneider unterteilt den Dualismus ebenfalls in weitere Elemente, misst diesen aber unterschiedliche Bedeutung bei. Er versteht unter dem Dualismus der Einkunftsarten in erster Linie die unterschiedliche materielle Bestimmung des Umfangs des einkommensteuerbaren Bereichs und nicht nur die verschiedenen Berechnungsmodi der Einkünfteermittlung. 79 Unterschiedliche Ermittlungsmethoden könnten materiell belanglos sein.80 Trotz verschiedener Gewinnermittlungstechniken bestehe Totalgewinnidentität.81 Schneider differenziert bei seiner Unterteilung ebenfalls zwischen dem sog. formellen und materiellen Dualismus. Mit dem 74 So BFH V. 16. 12. 2003 - IX R 46/02, BFHE 204, 228 (257), der an dieser Stelle Einkünftedualismus im Sinne von Unterscheidung der Gewinn- und Überschusseinkünfte verwendet. 75 76 77 78 79 80
§ 4 I V EStG bzw. § 9 1 1 EStG. Kirchhof / Kirchhof EStG, § 2 Rn. 79. Kirchhof / Kirchhof EStG, § 2 Rn. 80. Kirchhof in: K / S / M , EStG, § 2 Rn. C 5 bzw. 6 (Sept. 1992). Schneider, Private Vermögensverwaltung, S. 30. Schneider, Private Vermögensverwaltung, S. 30.
81 Schneider, Private Vermögensverwaltung, S. 30 f. 5*
C. Systematische Sonderstellung des §
EStG
formellen Dualismus ist gemeint, dass zwei oder mehr Berechnungsmodi für die Einkünfteermittlung festgelegt werden.82 Als materieller Dualismus wird bezeichnet, dass der einkommensteuerbare Bereich einen unterschiedlichen Umfang hat.83 Dieser materielle Dualismus soll in § 7 I I EStG 1925 und § 2 II EStG zum Ausdruck kommen.84 Von Bornhaupt fasst den Dualismus der Einkunftsarten ebenfalls als Oberbegriff für einzelne Unterschiede auf, indem er den Dualismus der Einkunftsaiten als die Unterschiede zwischen Gewinneinkünften, bei denen nach § 41 EStG ein Betriebsvermögensvergleich stattfindet, und den Überschusseinkünften definiert. 85 Die Folge sei, dass die Gewinneinkünfte ein Betriebsvermögen voraussetzen, die Überschusseinkünfte dagegen nicht. Dabei meint von Bornhaupt mit dem dualen System aber in erster Linie die Nichtsteuerbarkeit der Veräußerungsgewinne bei Überschusseinkünften.86 In vergleichbar allgemeiner und umfassender Weise wird der Dualismus von Crezelius als Spaltung der Einkunftsarten in Gewinn- und Überschusseinkünfte nach § 2 II EStG definiert. 87 Lüdemann/Zugmaier unterteilen den Einkünftedualismus in zwei Komponenten: die unterschiedliche Behandlung der Veräußerungsgewinne und die unterschiedliche Art der Einkünfteermittlung (Realisationsprinzip versus Zufluss-Abfluss-Prinzip 88).89 Eine Besteuerung privater Veräußerungsgewinne wäre eine Reduktion des Einkünftedualismus auf einen Einkünfteermittlungsdualismus. 90 Damit wird der Dualismus auch hier als Oberbegriff für mehrere Unterschiede verstanden.
82
Schneider, Private Vermögensverwaltung, S. 30. Schneider, Private Vermögensverwaltung, S. 30, 33. 84 Schneider, Private Vermögensverwaltung, S. 32. Zur Kritik an dieser Auffassung siehe unten C.I.l.e). Vgl. auch Kirchhof, in: K / S / M , EStG, § 2 Rn. C 6 (Sept. 1992). S5 von Bornhaupt, BB 2003, 125. 8 6 von Bornhaupt, BB 2003, 125 (126). 87 Crezelius, in: K / S / M , EStG, § 23 Rn. A 20 (Jan. 1995). Unklar bleibt aber, ob er den Begriff Einkünfteermittlung umfassend als die Regelung der Einkunftsarten versteht oder ob er ihn eng als unterschiedliche Ermittlungstechnik versteht, wenn er ausführt, die Auswirkungen dieses Dualismus ergäben sich mittelbar aus den Normen der Einkünfteermittlung. Wichtigste Konsequenz der dualistischen Einkünfteermittlung sei die unterschiedliche Erfassung der Wertsteigerungen im Vermögen. 83
88 M. E. sollte man als Komponente des Dualismus eher die Unterschiedlichkeit der Einkünfteermittlungstechniken des Betriebsvermögensvergleichs und der anderen Gewinnermittlungstechniken einerseits und der Überschussrechnung andererseits ansehen. Daraus folgen erst die Unterschiede zwischen Realisationsprinzip und Zufluss-Abfluss-Prinzip. 89 Lüdemann/Zugmaier, DStR 1996,1636 (1639).
90 Lüdemann/Zugmaier,
DStR 1996,1636 (1639).
I. Der Dualismus der Einkunftsarten
d) Die Bezeichnung Dualismus der Einkünfteermittlung für den Dualismus der Einkunftsarten
als Bezeichnung
Beim „Dualismus der Einkünfteermittlung" entstehen, wie gesagt, Schwierigkeiten durch ein unterschiedliches Verständnis des Begriffs. Nach dem Wortsinn werden nur die Unterschiede in der Berechnungsweise erfasst. Der Ausdruck Dualismus der Einkünfteermittlung wird aber vielfach auch im untechnischen Sinn als Synonym für den Dualismus der Einkunftsarten verwendet. Damit wäre er inhaltlich gleichbedeutend mit dem eben genannten Dualismusbegriff der Summe aller Unterschiede zwischen den Gewinn- und Überschusseinkünften. So bezeichnet Jacobs-Soyka die Einteilung in Gewinneinkünfte und Überschusseinkünfte durch § 2 II EStG als dualistische Einkünfteermittlung. 91 Damit sind also nicht nur die unterschiedlichen Ermittlungstechniken Vermögensvergleich und Überschussrechnung gemeint, sondern die unterschiedliche Erfassung und Behandlung der Einkunftsartengruppen insgesamt. Die wichtigste Konsequenz der dualistischen Einkünfteermittlung bestehe in der Besteuerung bzw. Nichtbesteuerung von realisierten Wertsteigerungen des Vermögens, das zur Einkünfteerzielung eingesetzt wird. 92 Auch Lang versteht den Dualismus der Einkünfteermittlung nicht nur begrenzt auf die ermittlungstechnischen Unterschiede. Unter Dualismus der Einkünfteermittlung wird die prinzipielle Nichterfassung von privaten Veräußerungseinkünften verstanden.93 Die Begriffsverwendung ist aber nicht ganz einheitlich. An anderer Stelle ist demgegenüber davon die Rede, dass der Dualismus der Einkünfteermittlung Belastungsunterschiede bewirke. 94 Sofern damit nicht die Belastungsunterschiede bei den Betroffenen gemeint sind, deutet dies darauf hin, dass die Ermittlungstechnik als Ursache der Belastungsunterschiede angesehen wird und dass der Dualismus der Einkünfteermittlung zugleich als Oberbegriff für alle Unterschiede und als spezieller Begriff für die Unterschiede in der Berechnungsweise verwendet wird. Auch eine weitere Formulierung deutet auf dieses Verständnis hin. Lang sieht im System der Einkünfteermittlung zwei Hauptgegensätze: erstens den Gegensatz Jacobs-Soyka, in: L / B / P , EStG, § 23 Rn. 18 (Febr. 2003). Bei Kirchhof wird die Entstehung des Begriffs Dualismus der Einkünfteermittlung deutlich, wenn er ausführt, der Saldo von Einnahmen und Aufwendungen werde in der Unterscheidung von Gewinn und Überschuss in unterschiedlichen Bemessungsgrundlagen ermittelt, Kirchhof/ Kirchhof, EStG, § 2 Rn. 79. 92 Jacobs-Soyka, in: L / B / P , EStG, § 23 Rn. 18 (Febr. 2003). 93 Lang, in: Tipke/Lang, § 4 Rz. 108. 94 Lang, in: Tipke/Lang, § 5 Rz. 181. Außerdem weist Lang darauf hin, dass der Einkünftedualismus besonders im Hinblick auf die Rechtsentwicklung auch ermittlungstechnisch begründet sei (Lang, in: Tipke/Lang, § 5 Rz. 187 (Fn. 8)). Das bedeutet neben der entstehungsgeschichtlichen Aussage, dass auch der heute bestehende Dualismus jedenfalls zum Teil durch die Ermittlungstechnik begründet ist, also ein Zusammenhang zwischen Ermittlungstechnik und Belastungsunterschieden besteht.
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C. Systematische Sonderstellung des §
EStG
zwischen Bilanzierung und Überschussrechnung nach den Grundsätzen der Kassenrechnung und zweitens den Gegensatz zwischen Totalerfassung der Einkünfte nach der Reinvermögenszugangstheorie und Teilerfassung nach der Quellentheorie.95 Die Einkünfteermittlung wird also zugleich als Umfang 96 und als Technik der Erfassung verstanden. Damit wird der Dualismus der Einkünfteermittlung sowohl als Oberbegriff für alle Unterschiede als auch begrenzt auf die Berechnungsunterschiede verwendet. Auch in der Rechtsprechung des BFH finden sich unterschiedliche Formulierungen. Der X. Senat des BFH spricht z. B. davon, dass das deutsche Einkommensteuerrecht vom Dualismus der Einkünfteermittlung (Gewinneinkünfte und Überschusseinkünfte) gekennzeichnet sei.97 Damit wird Dualismus der Einkünfteermittlung als Oberbegriff für alle Unterschiede zwischen den Einkunftsartengruppen verwendet. An anderer Stelle äußert der Dt. Senat des BFH, dass bei den Überschusseinkünften Änderungen des Vermögens, das der Einkunftserzielung dient, im Gegensatz zu den Einkunftsarten des § 2 I 1 Nr. 1 - 3 EStG außer Betracht98 blieben99 und bezeichnet dies als Dualismus der Einkünfteberechnung. 100 Nach Ansicht des IX. Senats wäre die Berücksichtigung von Vermögensminderungen als Werbungskosten bei Vermietung und Verpachtung eine Durchbrechung des Systems der Einkünfteermittlung. 101 Trotz der Bezeichungen Dualismus der Einkünfteberechnung bzw. der Einkünfteermittlung, die lediglich auf technische Unterschiede hindeuten, geht es also auch dem BFH in erster Linie um die Belastungsunterschiede zwischen den Gewinneinkünften und Überschusseinkünften. Dementsprechend formuliert der BFH 95 Lang, in: Tipke/Lang, § 9 Rz. 188. 96 Dass mit dem Dualismus jedenfalls auch die materiellen Unterschiede gemeint sind, zeigt die Aussage (Lang, in: Tipke/Lang, § 9 Rn. 592), dass StEntlG 1999/2000/2002, StBereinG 1999 und StSenkG die Nichtsteuerbarkeit privater Veräußerungseinkünfte erheblich eingeschränkt und damit den gleichheitswidrigen Einkünftedualismus ein gutes Stück abgebaut haben. Da durch diese Änderungen nur der Umfang der Belastungsunterschiede geändert wurde, ist auch der Belastungsumfang nach dieser Ansicht als Teil des Einkünftedualismus anzusehen. 97 BFH v. 27. 3. 2001 - X B 142/00, BFH/NV 2001, 1240 (1240 f.). 98 Der BFH hat durch den Großen Senat und den VI. Senat aber in einigen Fällen - etwa beim Wertloswerden einer Anzahlung auf Herstellungskosten eines Gebäudes - Ausnahmen von der Nichtberücksichtigung von Vermögensverlusten bei Überschusseinkünften zugelassen. Siehe z. B. BFH v. 9. 11. 1993 - IX R 81 /90, BFHE 173, 97 (99) m. w. N. (zur Frage der Abziehbarkeit von Kursverlusten aus Fremdwährungsdarlehen bei Einkünften aus Vermietung und Verpachtung). 99 BFH v. 9. 11. 1993 - DC R 81 /90, BFHE 173, 97 (98 f.) m. w. N. 100 BFH v. 9. 11. 1993 - IX R 81 /90, BFHE 173, 97 (99) m. w. N.: Dieser Dualismus der Einkünfteberechnung habe zur Folge, dass Wertänderungen - also sowohl Wertsteigerungen als auch Wertverluste - im Vermögen des Steuerpflichtigen, auch wenn es der Einkünfteerzielung dient, grundsätzlich außer Betracht bleiben. 101 BFH v. 9. 11. 1993 - DC R 81 /90, BFHE 173, 97 (100).
I. Der Dualismus der Einkunftsarten
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(Großer Senat) auch, es gebe eine gesetzgeberische Grundentscheidung, private Veräußerungsgewinne unbesteuert zu lassen.102 Dagegen versteht Tipke den Begriff Dualismus der Einkünfteermittlung eng. Er sieht die dualistische Einkünfteermittlung in den Unterschieden zwischen Bestandsvergleich und Einnahmen-Überschussrechnung.103 Die Bezeichnung Dualismus der Einkünfteermittlung als Synonym für den Dualismus der Einkunftsarten allgemein wird vereinzelt kritisiert. Der Begriff Dualismus der Einkünfteermittlung bringe nur die unterschiedliche Quantifizierungsmethode zum Ausdruck. Unterschiedliche Quantifizierungsmethoden könnten jedoch materiell belanglos sein. 104 Dies zeige z. B. die Totalgewinnidentität bei den unterschiedlichen Gewinnermittlungsarten in § 4 III EStG und § 4 I EStG. 105 Die Bezeichnung Dualismus sei auch ungenau, da es einen Pluralismus der Einkünfteermittlung gebe. 106 Entscheidend sei gerade der materielle Dualismus, nicht die bloß formelle Unterschiedlichkeit der Einkünfteermittlungstechnik.107
e) Normative Anknüpfung des Dualismus Daneben stellt sich die Frage, in welchen Vorschriften des EStG der Dualismus verankert ist. Dabei bestehen unterschiedliche Auffassungen, die zum Teil auf die verschiedenen Begriffsverständnisse zurückzuführen sind. Nach Schneider ist die Grenzlinie zwischen den Gewinneinkünften, die die Vermögenssubstanz erfassen, und den Überschusseinkünften, die die Vermögenssubstanz grundsätzlich nicht erfassen, in § 2 II EStG angelegt.108 Mit den Verweisen bzgl. Gewinn und Überschuss soll § 2 I I EStG die unterschiedlichen Quantifizierungstechniken und damit den formellen Dualismus festlegen. 109 Auch der materielle Dualismus soll sich aus § 2 I I EStG ergeben. 110 Ähnlich wird formuliert, § 2 II EStG begründe durch die Einführung zweier verschiedener Arten der Einkünfteermittlung den sog. Dualismus der Einkunftsarten. 111 102 BFH v. 10. 12. 2001 - GrS 1 /98, BFHE 197, 240 (245). Ebenso BFH v. 18. 5. 1999 I R 118/97, BFHE 188, 561 (565). 103 Tipke, in: FS für Paulick, S. 391 (392 f.); vgl. oben C.I.l.a). 104 Schneiden Private Vermögensverwaltung, S. 30. i° 5 Schneiden Private Vermögensverwaltung, S. 30. 106 Schneiden Private Vermögensverwaltung, S. 31. 107 Schneiden Private Vermögensverwaltung, S. 31. los Schneiden in: K / S / M , EStG, § 17 Rn. A 50 (Okt. 2000). 109 Kirchhof in: K / S / M , EStG, § 2 Rn. C 5 (Sept. 1992). 110 Schneider, Private Vermögensverwaltung, S. 32. Vgl. Kirchhof Rn. C 6 (Sept. 1992). in Zugmaier, in: H / H / R , § 2 EStG Anm. 502 (Juli 2003).
in: K / S / M , EStG, § 2
C. Systematische Sonderstellung des §
EStG
Dagegen folgt der Dualismus nach der Auffassung von Handzik nicht schon aus der Gegenüberstellung von Gewinn und Überschuss in § 2 II EStG, sondern erst aus der Ausformulierung der Einkunftsarten durch die §§ 13 ff. EStG. 112 Ähnlich weist Tipke - in anderem Zusammenhang - darauf hin, der wirkliche Begriffsinhalt des Einkommens lasse sich erst ausmessen, wenn man das ganze Gesetz einbeziehe. 113 Auch Zugmaier sagt im Hinblick auf den Umfang der einkommensteuerlichen Erfassung, dieser werde von § 2 II EStG zusammen mit §§ 13-24 EStG bestimmt.114 Indem Crezelius darauf hinweist, dass sich die Auswirkungen des Dualismus mittelbar aus den Normen der Einkünfteermittlung ergeben,115 macht er deutlich, dass § 2 I I EStG zunächst nur eine begriffliche Unterscheidung trifft, während sich die weiteren Unterschiede erst aus den Normen ergeben, auf die verwiesen wird. Insbesondere die Verortung des Dualismus der Belastungsunterschiede bereits in § 2 I I EStG ist zu kritisieren. § 2 II EStG legt zwar eine Überschussrechnung für die Überschusseinkünfte fest, diese könnte aber auch Veräußerungsgeschäfte erfassen. Selbst wenn man die in § 2 I I EStG in Bezug genommenen Vorschriften der §§ 8 - 9 a EStG in diesen hinein liest, fehlt mit § 23 EStG die Norm, die den Umfang der Einbeziehung der Veräußerungsgeschäfte in die Überschussrechnung festlegt. Auch der Gewinn wird in § 2 I I EStG selbst nicht erläutert. 116 Da er in den vorherigen Einkommensteuergesetzen nicht einheitlich verwendet wurde, kann auch nicht auf einen bestehenden Begriffsinhalt zurückgegriffen werden. § 2 II EStG trifft daher nur eine begriffliche Unterscheidung, aber keine materielle Regelung, so dass sich der materielle Dualismus nicht aus dieser Vorschrift ergibt.
f) Eigene Stellungnahme zum Dualismus der Einkunftsarten Es hat sich demnach gezeigt, dass der Begriffsinhalt des Dualismus der Einkunftsarten sowohl in der unterschiedlichen Berechnungsweise (Überschussrechnung gegenüber den Gewinnermittlungsarten) als auch in den Belastungsunterschieden gesehen werden kann. Auch die Einkommenstheorien werden teilweise damit verbunden. Aus der begrifflichen Unklarheit und Unschärfe ergeben sich Rechtsprobleme insoweit, als das Verhältnis von § 2 EStG zu den übrigen Normen des Einkommensteuergesetzes, mithin die Systematik des Einkommensteuergesetzes, betroffen ist. Deutlich wird jedenfalls, dass mit dem Dualismus die Gegensätzlichkeit bzw. Un112
Handzik, in: L / B / P , EStG, § 2 Rn. 156 (Nov. 2004). 113 Tipke, StuW 1971, 2 (8); ders., in: FS für Paulick, S. 391. 114 Zugmaier, in: H / H / R , § 2 EStG Anm. 502 (Juli 2003). Iis Crezelius, in: K / S / M , EStG, § 23 Rn. A 20 (Jan. 1995). 116 Die Normen, auf die verwiesen wird, könnte man zwar in § 2 I I EStG hinein lesen, aber genau genommen definieren erst diese Normen den Gewinn.
I. Der Dualismus der Einkunftsaten
terschiedlichkeit der Einkunftsarten gemeint ist. Der Begriff Dualismus der Einkunftsartengruppen (oder auch Dualismus von Gewinn- und Überschusseinkunftsarten 117) würde allerdings deutlicher machen, dass die Gegensätze zwischen den Gewinn- und Überschusseinkunftsarten bestehen. Ausgangspunkt für die Analyse des Dualismus der Einkunftsarten ist § 2 II EStG. Dieser ordnet an, dass Einkünfte der Gewinn bzw. der Überschuss der Einnahmen über die Werbungskosten sind. Hierdurch erfolgt eine Einteilung der verschiedenen Einkünfte in zwei Gruppen von Einkünften, die als Gewinn- und Überschusseinkünfte bezeichnet werden können. Damit lässt sich zunächst einmal lediglich hinsichtlich der Bezeichnungen Gewinn und Überschuss von einem Dualismus sprechen (begrifflicher Dualismus). Der begriffliche Dualismus ist an sich nicht von besonderer Bedeutung, er entfaltet allerdings systematisierende Wirkung für das Einkommensteuerrecht. Diese Begriffe Gewinn und Überschuss beinhalten für sich genommen jedoch nicht zwingend Belastungsunterschiede. Beispielsweise werden auch bei § 4 III EStG durch eine Überschussrechnung118 die Wertveränderungen des Vermögens erfasst. 119 Dabei verwendet sogar das Gesetz selbst den Ausdruck „Überschuss" in § 4 III 1 EStG. Auch bei den Überschusseinkünften wäre also eine Einbeziehung der Vermögensänderungen möglich.120 Dazu wäre nur die Abschaffung der Fristen in § 23 EStG erforderlich. 121 Einwenden ließe sich nur, dass die Modifikationen der Überschussrechnung bei § 4 III EStG, um eine Identität des Totalgewinns zu erreichen, so erheblich sind, dass sie nicht mehr mit der Überschussrechnung der Überschusseinkunftsarten verglichen werden kann. Gegen diesen Einwand spricht aber, dass die Überschussrechnung nach § 4 III EStG als Geldrechnung der Ermittlungstechnik der Überschusseinkunftsarten näher steht als der Bilanzierung.122 Eine unterschiedliche Belastung der Einkünfte (materieller Dualismus) könnte man § 2 II EStG selbst daher nur entnehmen, wenn man Gewinn und Überschuss bereits im Sinne der Reinvermögenszugangstheorie und Quellentheorie verstehen würde. 123 Dann müsste allerdings in der Terminologie der Quellentheorie statt von i n So Korn ¡Carié, EStG, § 23 Rn. 8 (Aug. 2004). Vgl. Kirchhof, Rn. A 674 (Dualismus der Gewinn- und Überschusseinkünfte).
in: K / S / M , EStG, § 2
lis Gebräuchlich ist auch die Bezeichnung Betriebseinnahmen-Betriebsausgaben-Rechnung, Handzik, in: L / B / P , EStG, § 2 Rn. 171 (Nov. 2004). 119 Siehe nur Kirchhof/Kirchhof, EStG, § 2 Rn. 80. 1 20 Ebenso Durchlaub, S. 29. Zur Erfassung der Veräußerungen durch eine reine Geldrechnung siehe auch Jakob, Einkommensteuer, § 2 Rn. 62. 121 Lang, Bemessungsgrundlage, S. 513. Vgl. ferner Tipke, StRO II, S. 733. Auch das EStG 1920 erfasste die Veräußerungsgeschäfte mittels einer Überschussrechnung grundsätzlich vollständig und getrennt von anderen Einkünften. 122 Ebenso Handzik, in: L / B / P , EStG, § 2 Rn. 158, 183 (Nov. 2004). Vgl. auch Kirchhof in: K / S / M , EStG, § 2 Rn. C 34 (Sept. 1992): „Parallelen zur Überschussrechnung".
C. Systematische Sonderstellung des §
EStG
„Überschuss" eher von „Ertrag" gesprochen werden. Der Gesetzgeber von 1925 hat aber die Anlehnung an die beiden damaligen Haupteinkommenstheorien vermieden. Gegen ein solches vorgeprägtes Begriffsverständnis spricht zudem in systematischer Hinsicht der bereits genannte Umstand, dass auch § 4 III EStG vom „Überschuss" spricht und eine Überschussrechnung vorsieht, 124 die trotzdem auch die (realisierten) Vermögenswertveränderungen erfasst. 125 Besonders im Bereich der selbständigen Einkünfte nach § 18 EStG hat die Einnahmen-Überschussrechnung des § 4 III EStG erhebliche Bedeutung, so dass sie auch nicht als zu vernachlässigender Sonderfall angesehen werden kann. Das EStG 1920 macht ebenfalls deutlich, dass eine Überschussrechnung nicht zwingend Nichtsteuerbarkeit der Wertänderungen bedeutet. Es sah - trotz reinvermögenszugangstheoretischer Konzeption - für die nichtunternehmerischen Einkünfte grundsätzlich eine Einnahme- /Ausgaberechnung vor, besteuerte dabei aber auch grundsätzlich die (sog. einzelnen) Veräußerungsgeschäfte in § 11 Nr. 5 EStG der ursprünglichen Fassung von 1920 als Teil der sonstigen Einnahmen. Ebenso würde, wie gesagt, eine Abschaffung der Fristen in § 23 EStG trotz Überschussrechnung bei den Überschusseinkünften eine Besteuerung der realisierten Vermögensänderungen bewirken. Der materielle Dualismus im Sinne von Belastungsunterschieden ergibt sich somit nicht schon aus § 2 II EStG, 126 sondern erst aus §§ 4 ff., 13 ff. EStG. § 2 II EStG selbst zeigt dies, indem er für die Definitionen der Begriffe Gewinn und Überschuss auf §§ 4 bis 7k und §§ 8 bis 9a EStG verweist. 127 Die §§ 4 ff., 13 ff. EStG machen deutlich, dass bei den Gewinneinkünften die Entwicklung des Betriebsver123 Auch der Gesetzgeber des EStG 1925 hat diesen Begriff des Gewinns für erläuterungsbedürftig gehalten und ausgeführt: „Als Einkommen soll bei diesen Personen [bei Gewerbetreibenden, bei Landwirtschaft und sonstiger selbständiger Berufstätigkeit] der erzielte Gewinn gelten. Wesentlich ist für diesen Gewinn, dass einen wichtigen Faktor für seine Ermittlung der Unterschied des der Tätigkeit gewidmeten Vermögens am Anfang und Schluß des Steuerabschnitts bildet (vgl. §§ 12, 13).", Reichstag, III. Wahlperiode 1924/25, Drucks. Nr. 795, S. 41. Erst die Normen, die den Gewinn näher definieren, können daher Unterschiede gegenüber den Überschusseinkünften und damit den Dualismus begründen. 124 § 4 I I I 1 EStG: „ [ . . . ] können als Gewinn den Überschuss der Betriebseinnahmen über die Betriebsausgaben ansetzen." 12 5 Dies deutet zwar darauf hin, dass der Begriff „Überschuss" vor allem als Kennzeichnung einer bestimmten Ermittlungstechnik verstanden wurde und wird, der parallel verwendete Begriff Gewinn ist aber gerade durch eine Mehrzahl von Ermittlungstechniken gekennzeichnet. Daher deuten die Begriffe in § 2 I I EStG allein nicht auf Belastungsunterschiede oder eine bestimmte Ermittlungstechnik hin. 126 Vgl. Handzik, in: L / B / P , EStG, § 2 Rn. 156 (Nov. 2004). Vgl. auch Kirchhof, in: K / S / M , EStG, § 2 Rn. A 18: Obwohl er den Dualismus bereits § 2 I I EStG entnimmt, meint er, § 2 EStG bestimme die sachlichen Voraussetzungen der Einkommensteuer im Grundsatz zwar abschließend, sei aber auf Ergänzung und Verdeutlichung durch die nachfolgenden Bestimmungen angelegt. 127 Dieser Verweis ist unvollständig, siehe z. B. Handzik, in: L / B / P , EStG, § 2 Rn. 159, 179 (Nov. 2004); Kirchhof, in: K / S / M , EStG, § 2 Rn. C 15 (Sept. 1992). Zur fehlenden Definition der Begriffe in § 2 I I EStG siehe auch Kirchhof/ Kirchhof EStG, § 2 Rn. 80.
I. Der Dualismus der Einkunftsarten mögens Bestandteil der Einkünfte ist. Andererseits ist erst in diesen Regelungen, insbesondere aufgrund des Schlusses aus §§ 17,23 E S t G , 1 2 8 dass eine Besteuerung privater Veräußerungsgewinne nur in diesen Fällen stattfindet, 129 die grundsätzliche Nichtsteuerbarkeit privater Veräußerungsgewinne angelegt. 130 Dort könnte trotz der Überschussrechnung bei den Überschusseinkünften auch eine Besteuerung der Vermögenszuwächse angeordnet werden, 1 3 1 die es dann bei einem bloßen begrifflichen oder formellen Dualismus beließe. 1 3 2 Die gleiche Wirkung hätte es, als Leistungen i. S. v. § 22 Nr. 3 EStG auch Veräußerungen und veräußerungsähnliche Vorgänge zu erfassen. 133 Dies deutet bereits darauf hin, dass es keinen zwingenden Zusammenhang zwischen der Ermittlungstechnik „Überschussrechnung" und dem Umfang der Besteuerung der Veräußerungsgeschäfte gibt. 1 3 4 Die materielle Wirkung der Überschussrechnung hängt vielmehr entscheidend davon ab, welche Einnahmen und Ausgaben in diese eingehen. Auch bei einer einheitlichen Ermittlungstechnik einer Überschussrechnung könnten das private und das betriebliche Vermögen in unterschiedlichem Umfang erfasst werden, beispielsweise indem im Privatvermögen nur Spekulationsgeschäfte in die Rechnung eingehen. 135 Verstünde man Dualismus 128 Die Unterschiedlichkeit der Belastung ergibt sich also weder aus § 2 II EStG, der nur mittelbar durch die Verweisung eine Regelung trifft, noch aus §§ 4 bis 7k und §§ 8 bis 9a EStG. Dort wird zwar für die Überschusseinkünfte die Überschussrechnung als Ermittlungstechnik festgelegt, aber die Begrenzung der Einbeziehung der Veräußerungsgeschäfte ergibt sich erst aus § 23 EStG. 129 Angedeutet wird die grundsätzliche Nichtsteuerbarkeit privater Veräußerungen z. B. auch dadurch, dass bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung der Veräußerungserlös nicht als Einnahme erfasst wird. Vgl. dazu Jakob, Einkommensteuer, § 2 Rn. 63. 130 Strutz, EStG 1925, § 7 Anm. 7 (531), vertrat die Ansicht, dass der Unterschied einer reinen Überschussrechnung gegenüber einem Vermögensvergleich in quantitativer Beziehung zwei Einkommensbegriffe schafft und dass es sich bei §§ 12, 13 EStG 1925, die den Gewinn definierten und den heutigen §§ 4, 5 EStG entsprechen, nicht nur um Berechnungsvorschriften handelte, sondern um materielle, den Umfang des steuerbaren Einkommens bestimmende Vorschriften.
131 Eine solche Regelung sah auch der Entwurf des § 23 EStG nach dem Steuervergünstigungsabbaugesetz vor. Ebenso konnte § 11 Nr. 5 EStG in der Fassung von 1920 bei Bestehen einer Überschussrechnung bzw. Einnahme/Ausgabe-Rechnung grundsätzlich alle privaten Veräußerungen der Reinvermögenszugangstheorie entsprechend erfassen, s. o. Vgl. Schneider, Private Vermögensverwaltung, S. 30, Fn. 204. 1 32 Vgl. Schneider, Private Vermögensverwaltung, S. 30 f. Vgl. ferner Lüdemann / Zugmai er, DStR 1996, 1636 (1639): „Reduktion des Einkünftedualismus auf einen Einkünfteermittlungsdualismus". 133 Vgl. Jakob, in: FS für Schmidt, S. 115 (116 f.). 134 Nach Blümich / Thürmer, § 9 EStG Rn. 11 (Aug. 2004), soll aber die Art der Ermittlung der Überschusseinkünfte durch den Abzug der Werbungskosten von den Einnahmen zur Erfassung nur der Erträge der Quellen führen. 135 Vgl. § 11 Nr. 5 EStG 1921. Obwohl § 4 EStG 1920 grundsätzlich alle Einkünfte in Geld oder Geldeswert erfasste und davon insbesondere die Werbungskosten als Abzug zuließ, also als Grundsatz eine Überschussrechnung aufstellte, wurden im Privatvermögen nur Spekulationsgeschäfte besteuert.
C. Systematische Sonderstellung des §
EStG
nur oder vor allem als unterschiedliche Ermittlungstechnik, dann läge in diesem Fall trotz der unterschiedlichen Besteuerung wegen der einheitlichen Überschussrechnung kein Dualismus vor. Zuzugeben ist jedoch, dass die Ermittlungstechnik des (Betriebs-)Vermögensvergleichs eine vollständige Einbeziehung aller realisierten Vermögenszuwächse, insbesondere also der Veräußerungsgeschäfte, erwarten lässt,136 so dass insoweit ein Zusammenhang zwischen Ermittlungstechnik und Belastungsumfang besteht.137 Allerdings würde auch eine umfassende Kassenrechnung alle Vermögensveränderungen erfassen, jedoch zu anderen Zeitpunkten.138 Damit würden also beide Ermittlungstechniken in reiner Form alle Vermögensveränderungen erfassen. Die Überschussrechnung an sich bedeutet somit keine zwingende Nichtsteuerbarkeit von Veräußerungsgeschäften. 139 Diese tritt erst durch die gesetzliche Beschränkung der Überschussrechnung auf Einnahmen140 und Ausgaben im Rahmen bestimmter steuerbarer Tätigkeiten und auf bestimmte Veräußerungsgeschäfte ein. Ergeben sich damit die Belastungsunterschiede (materieller Dualismus) nicht schon aus § 2 I I EStG, sondern erst aus §§ 4 ff., 13 ff. EStG, so wird auch deutlich, dass erst diese Normen die Nähe der Einkunftsartengruppen zur Reinvermögenszugangstheorie und zur Quellentheorie begründen. Nimmt man an, dass die Einkunftsartengruppen diesen Theorien folgend in der geltenden Weise ausgestaltet worden sind, so wäre auch ein solcher Dualismus der Einkommenstheorien nicht in § 2 II EStG 141 , sondern in §§ 4 ff., 13 ff. EStG verankert. Ein solcher Dualismus 136 Vgl. Höck, FR 2000,764; Jakob, in: FS für Schmidt, S. 115. 137 Vgl. Kirchhof, in: K / S / M , EStG, § 2 Rn. B 91 (Apr. 1992): Die Quantifizierungsmethode Betriebsvermögensvergleich sei die rechtstechnische Umsetzung der Totalbesteuerung bei den Gewinneinkünften. Ein weiterer Zusammenhang zwischen Einkünfteermittlungstechnik und Besteuerungswirkung besteht darin, dass sich die Einkünfteermittlungstechniken Betriebsvermögensvergleich und die Kassenrechnung bei der Überschussrechnung auch auf den Zeitpunkt der Einkünfteerzielung auswirken. 138 Problematisch wäre dabei jedoch die Ausgrenzung der Ausgaben für die private Lebensführung, insbesondere für den Konsum. 139 A. A. Kirchhof in: K / S / M , EStG, § 2 Rn. B 94 (Apr. 1992), vgl. auch Rn. C 48 (Sept. 1992), nach dessen Ansicht die Ermittlungsmethode des § 2 II Nr. 2 EStG die Nichtsteuerbarkeit von Wertveränderungen des Vermögens sichert. Kirchhof spricht daher auch von der Ergebniswirksamkeit der Ermittlungsmethoden (a. a. O., Rn. B 97). Kirchhof sagt aber selbst, dass der Einnahmenbegriff des § 8 EStG seine Konturen erst durch die Gesamtschau von § 2 11 Nr. 4 - 7 und §§ 19-24 EStG erlangt und sich erst daraus die grundsätzliche Nichtsteuerbarkeit der Veräußerungserlöse im Rahmen der Überschusseinkünfte ergibt, Kirchhof in: K / S / M , EStG, § 2 Rn. C 46 (Sept. 1992). Daher kann allein die Festlegung einer Überschussrechnung der Einnahmen über die Werbungskosten (in § 2 I I EStG) noch nicht die Nichtsteuerbarkeit der Veräußerungsgeschäfte bedeuten. Nur wenn man alle diese Normen in § 2 I I EStG hinein läse, könnte man bereits dieser Vorschrift die Nichtsteuerbarkeit der Veräußerungen des Privatvermögens entnehmen. 1 40 Der Einnahmenbegriff des § 8 I EStG könnte grundsätzlich auch alle Veräußerungseriöse erfassen.
I. Der Dualismus der Einkunftsarten
der Einkommenstheorien wird teilweise von den Vertretern der Markteinkommenstheorie abgelehnt, die als einheitliche Grundlage aller Einkunftsarten die Unterschiede zwischen den Einkunftsartengruppen überbrücken soll. 142 Im geltenden Recht lässt sich die Nähe der beiden Einkunftsartengruppen zu den Einkommenstheorien aber nicht leugnen, auch nicht wenn man der Markteinkommenstheorie folgt. Letztere kann den Dualismus bestenfalls erklären und auf Gemeinsamkeiten der Überschusseinkünfte und Gewinneinkünfte über den Dualismus hinweg hinweisen. De lege ferenda stellt sich jedoch die Frage, ob der Dualismus Grundprinzip des EStG bleiben sollte. Man sollte also unter den Begriff Dualismus erstens die bloß terminologischen und systematischen Unterschiede, zweitens die ermittlungstechnischen Unterschiede und drittens auch die Belastungsunterschiede fassen. So lassen sich die hinter Gewinn und Überschuss stehenden unterschiedlichen Vorstellungen von Einkünften genauer analysieren. Damit beinhaltet der Oberbegriff Dualismus der Einkunftsarten zunächst einen begrifflichen und systematischen Dualismus, der sich auf die bloße Unterschiedlichkeit der Bezeichnungen beschränkt und in § 2 I I EStG angelegt ist. Daneben fällt darunter der materielle Dualismus im Sinne von Belastungsunterschieden.143 Dieser ergibt sich erst aus den einzelnen Regelungen der §§ 4 ff., 13 ff. EStG. Nimmt man an, dass sich die Einkunftsartengruppen an Quellentheorie und Reinvermögenszugangstheorie orientieren und dass insofern ein Dualismus der Einkommenstheorien besteht, so wäre dieser ebenfalls aus diesen Normen abzuleiten. Ein solcher Dualismus der Theorien würde jedenfalls durch die vorhandenen Durchbrechungen, z. B. in § 23 EStG und § 22 Nr. 3 EStG, in seiner Bedeutung begrenzt. Zudem kann man von einem Dualismus der Einkünfteberechnung (oder Dualismus der Einkünfteermittlung) sprechen. Damit ist die Unterschiedlichkeit der Techniken der Einkünfteermittlung 144 zur Gewinnermittlung einerseits und zur Überschussermittlung andererseits gemeint. Die verschiedenen Einkünfteermittlungstechniken ergeben sich aber erst aus §§ 4 ff., 8 - 9 a EStG. Darauf deutet, wie 141 A. A. Fohler, S. 125, nach deren Ansicht sich die dualistische Teilung der Einkunftsarten aus § 2 I I EStG ergibt. Ebenso („in § 2 I I EStG angelegte Grenzlinie") Schneider, in: K / S / M , EStG, § 17 Rn. A 50 (Okt. 2000). 142 Fohler, S. 129 f., mit dem Argument, die Ausweitung der Besteuerung in §§ 17, 23 EStG und die geplante generelle Besteuerung privater Veräußerungsgeschäfte zeigten die Abkehr des Gesetzgebers von der Quellentheorie. 143 Belastungsunterschiede existieren nicht nur zwischen den Einkunftsartengruppen, sondern ebenso zwischen den verschiedenen Gewinnbegriffen, auch wenn andererseits der Grundsatz der Totalgewinnidentität bei § 4 HI und § 4 1 EStG postuliert wird. Beispielsweise wird die Technik der Gewinnermittlung nach Durchschnittssätzen nach § 13a EStG als versteckte Subvention für Land- und Forstwirte kritisiert. 1 44 Vgl. Kirchhof, in: K / S / M , EStG, § 2 Rn. B 97 (Apr. 1992), der den Ausdruck Methoden der Einkünfteermittlung verwendet.
C. Systematische Sonderstellung des §
EStG
gesagt, auch der gesetzliche Verweis in § 2 II EStG hin. Den verschiedenen Ge145 winnermittlungsarten aus § 41 , § 4 in, § 5 I, § 5a und § 13a EStG 146 steht dabei die einheitliche Überschussermittlung durch Saldierung von Einnahmen und Werbungskosten nach §§ 8 bis 9a EStG gegenüber.147 Dies macht deutlich, dass das Bestehen eines ermittlungstechnischen Dualismus grundsätzlich in Zweifel gezogen werden kann bzw. dass dieser Dualismus jedenfalls nur eine sehr grobe Einteilung wäre. Denn es bestehen keineswegs nur jeweils eine Ermittlungstechnik für Gewinneinkünfte und eine für die Überschusseinkünfte, sondern es bestehen mehrere Gewinnermittlungstechniken. Auch wenn man die Tonnagebesteuerung gemäß § 5a EStG und die Gewinnermittlung nach Durchschnittssätzen bei Land- und Forstwirtschaft gemäß § 13a EStG als Sonderfälle einordnet und vernachlässigt, gibt es noch keine einheitliche Gewinnermittlung.148 Für Veräußerungsgeschäfte bestehen ohnehin Sondervorschriften zur Einkünfteberechnung in § 16 II, § 17 und § 23 EStG. 149 Darin könnten weitere Einkünfteermittlungstechniken gesehen werden. Es gibt also keine Verbindung der Gewinneinkünfte mit einer einzigen Ermittlungstechnik. Daher sind die gegensätzlichen Gruppen innerhalb der Einkünfteermittlungstechniken und innerhalb des Dualismus von Gewinneinkünften und Überschusseinkünften nicht deckungsgleich. Dies zeigt insbesondere § 4 III EStG, der ermittlungstechnisch der Gruppe der Überschusseinkünfte näher steht. Dies wirkt sich bei der zeitlichen Zuordnung der Einkünfte aus. Das Zu- und Abflussprinzip gilt nicht nur bei den Überschusseinkünften, sondern ist auch bei § 4 III EStG anzuwenden. Mit diesen Feststellungen, dass sich die ermittlungstechnischen und materiellen Unterschiede erst aus den auf § 2 II EStG folgenden Normen ergeben, wird zugleich deutlich, dass eine etwaige Belastungsentscheidung des Gesetzgebers (z. B. i. S. d. Markteinkommenstheorie) nicht bereits allein in § 2 EStG zum Ausdruck kommen kann, 150 sondern erst im Zusammenspiel mit den §§ 4 ff., 13 ff. EStG, die die Regelung des § 2 EStG mit Inhalt füllen.
145
Kirchhof sieht § 4 I EStG als Grundform der Gewinnermittlung an, die durch § 4 i n und § 5 EStG variiert werde, Kirchhof in: K / S / M , EStG, § 2 Rn. C 25 (Sept. 1992). 146 Schneider, in: K / S / M , EStG, § 17 Rn. A 55 (Okt. 2000), sieht auch in § 17 n EStG einen weiteren Gewinnbegriff. Teilweise wird auch in der Schätzung gemäß § 162 AO eine Einkünfteermittlungstechnik gesehen. Kirchhof weist aber zutreffend darauf hin, dass die Schätzung nur ein Hilfsmittel zur Feststellung der für die Einkünfteermittlung erforderlichen Ausgangsgrößen ist, Kirchhof in: K / S / M , EStG, § 2 Rn. C 17 (Sept. 1992). 1 47 Daher spricht Schneider, Private Vermögensverwaltung, S. 31 m. w. N., von einem Pluralismus der Einkünfteermittlung. 148 Dagegen lässt sich allenfalls die Ähnlichkeit von § 4 1 und § 5 I EStG einwenden. 149 Vgl. Zugmaier, in: H / H / R , § 2 EStG Anm. 502 (Juü 2003); Handzik, in: L / B / P , EStG, § 2 Rn. 159 (Nov. 2004). Zu § 17 EStG als (Gewinn-)Ermittlungsvorschrift eigener Art Blümich /K Ebling, § 17 EStG Rn. 58 (Aug. 2003). Für einen besonderen Ermittlungstypus Lang, in: Tipke/Lang, § 9 Rz. 183,196 f.
I. Der Dualismus der Einkunftsarten
Gegen den häufig verwendeten Begriff Dualismus der Einkünfteermittlung spricht, dass der Wortsinn darauf hindeutet, dass der Unterschied lediglich in den technischen Berechnungsweisen besteht.151 Wesentlich für die Unterscheidung der Einkunftsarten ist aber nicht die bloße begriffliche Verschiedenheit, sondern die abweichende Besteuerung. Hier stehen sich die Gewinneinkünfte und die Überschusseinkünfte mit dem Bereich der privaten Vermögensverwaltung gegenüber. Gerade die Besteuerungsunterschiede machen die hohe Bedeutung der Gegenüberstellung von Gewinneinkunftsarten und Überschusseinkunftsarten aus. 152 Zudem hat die Ermittlungsweise nach dem oben Gesagten keine zwingende Auswirkung auf den Umfang der Besteuerung. Wenn man unter dem Dualismus auch die Belastungsunterschiede verstehen will, ist die Begriffsbildung Dualismus der Einkünfteermittlung also inkonsequent und irreführend. Die Bezeichnung spiegelt nur die irrige Vorstellung bei der Entstehung des Dualismus wider, dass im Wesentlichen Unterschiede in der Ermittlungstechnik bestehen, aber keine nennenswerten in der Belastung. Heute sollte daher unter Dualismus der Einkünfteermittlung nur die unterschiedliche Berechnungsweise oder Einkünfteermittlungstechnik verstanden werden. 153 Der Ausdruck Dualismus der Einkunftsarten (-gruppen) bringt stärker zum Ausdruck, dass zwischen den beiden Gruppen von Einkunftsarten mehrere Unterschiede bestehen. Begrüßenswert ist auch die neutrale Formulierung, der Dualismus bestehe in der Spaltung des Einkünftekataloges in Gewinneinkünfte und Überschusseinkünfte. 154 Hinsichtlich des speziellen Falles der Veräußerungsgewinne lässt sich ohnehin nicht überzeugend von einem Dualismus der Einkünfteermittlung sprechen, denn Veräußerungsgewinne werden immer durch Gegenüberstellung von (fortgeführten) Anschaffungs- bzw. Herstellungskosten und Veräußerungserlös abzüglich Veräußerungskosten ermittelt. Die Ermittlungsweise ist also insoweit identisch. Der Unterschied besteht in der Einbeziehung in die Besteuerung durch die §§ 4 m, 4 I, 5 I, 16, 17 und 23 EStG. Diese Normen bestimmen, ob bei Veräußerungsgeschäften überhaupt steuerbare Einkünfte vorliegen.
»so Vgl. Blümich/Stuhrmann, § 2 EStG Rn. 6 (Okt. 2002): Der Einkommensbegriff erschließt sich nicht allein aus § 2 EStG, sondern bedarf zu seiner inhaltlichen Verdeutlichung und Vervollständigung der nachfolgenden Regelungen des EStG. 151
Ebenso Schneider, Private Vermögensverwaltung, S. 30. Ähnlich Schneider, Private Vermögensverwaltung, S. 30. Die Besteuerungsunterschiede zwischen der privaten Vermögensverwaltung und den Gewinneinkünften sind auch die Ursache für steuerliche Gestaltungsmöglichkeiten und damit für eine umfangreiche Rechtsprechung zur Abgrenzung dieser Gruppen von Einkunftsarten. 152
153
Allerdings ist, wie gesagt, angesichts der verschiedenen Gewinnermittlungstechniken der Begriff,»Dualismus der Einkünfteermittlung" eine grobe Betrachtung und eine Reduzierung der Gewinnermittlungstechniken auf den Hauptfall des Betriebsvermögensvergleichs. Die Bezeichnung Pluralismus der Einkünfteermittlungstechniken wäre präziser. 154 Crezelius, in: K / S / M , EStG, § 23 Rn. A 20 (Jan. 1995). Vgl. auch Handzik, in: L / B / P , EStG, § 2 Rn. 155 (Nov. 2004): „Dualismus der Einkünfte".
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C. Systematische Sonderstellung des §
EStG
Zusammenfassend lässt sich nach dem bislang Gesagten feststellen, dass der Dualismus der Einkunftsarten der Oberbegriff für die folgenden drei Elemente ist: • Begrifflicher 155 und systematischer Dualismus, • Ermittlungstechnischer Dualismus (oder Dualismus der Einkünfteermittlung oder Dualismus der Einkünfteberechnung) 156, • Materieller Dualismus (oder Dualismus des steuerlichen Belastungsumfangs). Fraglich ist, welche dieser Elemente des Dualismus der Einkunftsarten in gleichheitsrechtlicher Hinsicht rechtfertigungsbedürftig sind. Die bloße terminologische Unterscheidung von Einkunftsartengruppen (begrifflicher Dualismus) bedarf keiner Rechtfertigung. Technische (Ermittlungs-)Regelungen können durch unterschiedlichen dadurch erforderlichen Aufwand oder durch andere Fälle unterschiedlich intensiver Eingriffe Probleme der Ungleichbehandlung aufwerfen. 157 Im Regelfall bestehen bereits handelsrechtliche Buchführungspflichten, so dass Unternehmer durch einkommensteuerliche Regelungen kaum zusätzlich belastet werden, sondern nur insoweit wie die Steuerbilanz von der Handelsbilanz abweicht. Eigenständige steuerrechtliche Buchführungspflichten sind der Ausnahmefall. Im Hinblick auf den Gleichheitssatz sind vor allem die Belastungsunterschiede zwischen den Einkunftsarten (materieller Dualismus) von Bedeutung.158 Diese haben unterschiedlich hohe Steuerzahlungspflichten und damit unterschiedlich intensive Eingriffe zur Folge. Zwar können auch Unterschiede in der Ermittlungstechnik Auswirkungen auf den Belastungsumfang haben.159 Ziel dieser Arbeit ist aber in erster Linie die Untersuchung der materiellen Regelung des § 23 EStG. Daher sollen bei der Untersuchung des Dualismus die unmittelbaren Belastungsunterschiede durch diese Regelung in den Vordergrund gestellt und danach gefragt werden, welche Unterschiede zwischen den unternehmerischen und nichtunternehmerischen Einkünften bestehen, aufgrund derer eine unterschiedliche Besteuerung legitim erscheint. Die Unterschiede in der Ermittlungstechnik werden nur behandelt, 155
Oder terminologischer Dualismus. Wenn man den Dualismus ausschließlich als Unterschiede zwischen den Gewinneinkünften und Überschusseinkünften versteht, müsste man auf dieses Element des Dualismus sogar verzichten, da der Gewinn gemäß § 4 III EStG und die Überschusseinkünfte eine gemeinsame Ermittlungstechnik haben und insoweit kein Gegensatz besteht. 157 Vgl. hierzu Mitschke, Erneuerung, Rn. 14, der bereits in den unterschiedlichen Einkünfteermittlungsmethoden des EStG einen Verstoß gegen die Gleichmäßigkeit der Besteuerung sieht. 156
158 Vgl. auch Tipke, StRO I, S. 503, nach dessen Ansicht unterschiedliche Ermittlungsmethoden aus Gründen der Praktikabilität gerechtfertigt werden können. Dadurch dürfe aber kein unterschiedlich hoher Gesamtgewinn entstehen. 1 59 Unterschiedliche Belastungswirkungen ergeben sich insbesondere auch aus den bilanziellen Möglichkeiten, Gewinne in spätere Veranlagungszeiträume bzw. Wirtschaftsjahre zu verschieben.
I. Der Dualismus der Einkunftsarten
1
soweit diese Auswirkungen auf den Belastungsumfang der Veräußerungsgeschäfte haben. Vor der Frage nach der Rechtfertigung des Dualismus ist kurz auf dessen geschichtliche Entwicklung einzugehen, um die verschiedenen Begründungen im Zusammenhang darstellen und einordnen zu können. Außerdem soll überprüft werden, ob die hier herausgearbeiteten Elemente des Dualismus anhand der historischen Entwicklung verdeutlicht werden können. Wenn sich die verschiedenen Aspekte des Dualismus auch in der historischen Entwicklung zurückverfolgen ließen, wäre damit eine differenzierte Darstellung des Dualismus und seiner Entwicklung erreicht. Bei der darauf folgenden Untersuchung der Rechtfertigung des Dualismus lassen sich die zwei Gruppen der bereits ursprünglich herangezogenen und der erst in den letzten Jahrzehnten vorgebrachten Argumente bilden.
2. Geschichtliche Entwicklung des Dualismus Zur geschichtlichen Entwicklung des Dualismus gibt es entsprechend den unterschiedlichen Begriffsverständnissen unterschiedliche Darstellungen. Hier soll nach einem kurzen Hinweis auf die wichtigsten anderen Ansichten vor allem auf die Entwicklung der nach der oben vertretenen Auffassung bestehenden Teilaspekte des Dualismus eingegangen werden. Nach Tipke und Lang lässt sich die Entwicklung des Dualismus folgendermaßen darstellen. Der Dualismus hatte seinen Ursprung in Preußen im Jahr 1891. 160 § 14 pr. EStG 1891 161 legte fest, dass das Einkommen aus Handel und Gewerbe im Geschäftsgewinn besteht, der nach den Grundsätzen des Allgemeinen Deutschen Handelsgesetzbuchs und dem Gebrauch eines ordentlichen Kaufmanns zu berechnen ist (davor wurde vom Einnahmen/Ausgaben-Überschuss ausgegangen 162 ). Dabei wurde nicht erkannt, dass so für die Veranlagung der Handelsbücher führenden Steuerpflichtigen und für die der anderen Steuerpflichtigen wesensverschiedene Grundlagen geschaffen wurden. 163 Zuvor hatte auch schon das sächsische EStG 1874 den Gewinn aus Handel und Gewerbe mit dem Ergebnis der (kaufmännischen) handelsrechtlichen Buchführung identifiziert. 164 Der Dualismus wurde in § 33 I I EStG 1920 und in §§ 7 II, 13 EStG 1925 aufrechterhal160 Tipke, in: FS für Paulick, S. 391 (393 f.), obwohl er zugleich darauf hinweist, dass bereits im sächsischen EStG von 1874 eine vergleichbare Regelung bestand; ebenso Lang, in: Tipke/Lang, § 9 Rz. 184. 161 Später § 13 pr. EStG. 162 Tipke, in: FS für Paulick, S. 391 (393). 163 Tipke, in: FS für Paulick, S. 391 (394); vgl. ferner Jakob, Einkommensteuer, 1. Aufl., § 2 Rn. 12. 164 Tipke, in: FS für Paulick, S. 391 (393).
6 Dechant
C. Systematische Sonderstellung des §
EStG
ten, 165 § 13 EStG 1925 ordnete für buchführende Steuerpflichtige den Bestandsvergleich an. Im EStG 1934 bestand der Dualismus der Einkünfteermittlung durch § 2 IV EStG (Einkünftedefinition als Gewinn bzw. Überschuss der Einnahmen über die Werbungskosten)166 fort. 167 Hier wird also der Dualismus der Einkünfteermittlung in erster Linie als Unterschiedlichkeit von Bestandsvergleich und Überschussrechnung verstanden und deren Entwicklung dargestellt. Allerdings wird daneben kritisiert, dass die dualistische Einkünfteermittlung einen Verstoß gegen das Leistungsfahigkeitsprinzip und die Schaffung von (mindestens) zwei Einkommensbegriffen zur Folge habe. Dies deutet darauf hin, dass die Bedeutung des Dualismus ebenfalls in den durch den Dualismus ausgelösten Belastungsunterschieden gesehen wird. Für Schneider ist bereits im sächsischen EStG von 1874 und den anderen Einkommensteuergesetzen der Länder, die für das gewerbliche Einkommen das Ergebnis der kaufmännischen Buchführung übernahmen, der formelle und materielle Dualismus angelegt.168 Dagegen sehen Lüdemann und Zugmaie r im EStG 1925 die Geburtsstunde des Einkünfteermittlungsdualismus, da seitdem Quellentheorie und Reinvermögenszugangstheorie im geltenden Einkommensteuerrecht verwirklicht seien.169 Dies setzt voraus, dass man den Begriff Dualismus ausschließlich als Dualismus der Einkommenstheorien versteht. Auch dann ist die Einschränkung zu machen, dass schon der Einkommensbegriff des preußischen EStG 1891 und des EStG 1920, obwohl sie der Quellentheorie bzw. der Reinvermögenszugangstheorie folgten, zum Teil auch Elemente der jeweils anderen Theorie beinhalteten.170 Betrachtet man dagegen den Dualismus der Einkunftsarten in seinen Komponenten des begrifflichen Dualismus, des Dualismus der Einkünfteberechnung und des materiellen Dualismus, so ergibt sich folgendes Bild.
165 So Lang, in: Tipke/Lang, § 9 Rz. 184; ähnlich Tipke, in: FS für Paulick, S. 391 (395). 166 M. E. wurde die unterschiedliche Ermittlung der Einkünfte erst durch die die Berechnung des Gewinns bzw. Überschusses regelnden §§ 4, 5 und §§ 8, 9 EStG 1934 festgelegt, vgl. oben C.I.l.e). 167 So Tipke, in: FS für Paulick, S. 391 (396 f.). 168 Schneider, Private Vermögensverwaltung, S. 34 f. 169 Lüdemann/Zugmaier, DStR 1996, 1636 (1637). Auch Schneider, in: K / S / M , EStG, § 17 Rn. A 44 (Okt. 2000), hält den Dualismus für im EStG 1925 angelegt. Ebenso sieht Kirchhof, in: K / S / M , EStG, § 2 Rn. A 437, in § 7 II EStG 1925 die Schaffung des heute fortbestehenden Dualismus, weist aber zugleich darauf hin, dass eine Verbindung zur Unterscheidung in den früheren Einkommensteuergesetzen bestehe.
1 70 Vgl. oben die Darstellung der geschichtlichen Entwicklung unter B . H und DI.
I. Der Dualismus der Einkunftsarten
a) Begrifflicher
Dualismus
Begrenzt man den Dualismus auf die begriffliche Gegenüberstellung von zwei Gruppen von Einkünften, so wurde er erst 1925 eingeführt. Das EStG 1925 enthielt in § 7 II EStG die Einteilung in Gewinn- und Überschusseinkunftsarten. Diese Gegenüberstellung wurde später in § 2 IV EStG 1934 und im heutigen § 2 I I EStG beibehalten. Das EStG 1920 verwendete im Gegensatz hierzu noch eine Vielzahl unterschiedlicher Begriffe für die Einkünfte je nach Einkunftsart und auch innerhalb der Einkunftsarten, 171 und es fehlte eine solche Einteilung und Gegenüberstellung von zwei Begriffen von Einkünften.
b) Ermittlungstechnischer Dualismus oder Dualismus der Einkünfteberechnung Bei der Darstellung der historischen Entwicklung der unterschiedlichen Ermittlungstechniken soll teilweise auch schon auf die damit jeweils zusammenhängenden Belastungsunterschiede eingegangen werden, um Wiederholungen zu vermeiden. Der Dualismus der Einkünfteermittlung als Unterschiedlichkeit von Bestandsvergleich und Überschussrechnung wurde in den einzelnen Ländern zu unterschiedlichen Zeitpunkten eingeführt. Zunächst bildete der Einnahmen/AusgabenÜberschuss den Ausgangspunkt für die Berechnung des steuerpflichtigen Einkommens bei allen Steuerpflichtigen. 172 In Preußen legte ab 1891 § 14 Pr. EStG 1891 fest, dass das Einkommen aus Handel und Gewerbe im Geschäftsgewinn besteht, der nach den Grundsätzen des Allgemeinen Deutschen Handelsgesetzbuchs und dem Gebrauch eines ordentlichen Kaufmanns zu berechnen ist. Bei Gewerbetreibenden, die nicht Handelsbücher führten, war der Gewinn durch die Gegenüberstellung von Betriebseinnahmen und Betriebsausgaben zu berechnen.173 Zuvor hatte auch schon das sächsische EStG 1874 als Gewinn aus Handel und Gewerbe das Ergebnis der handelsrechtlichen Buchführung festgelegt. 174 Damit bestanden 171
Das Gesetz sprach in § 6 EStG 1920 von „Einkünften" aus dem Betriebe der Landund Forstwirtschaft sowie von den „Einnahmen" aus Grundrechten. In § 8 EStG 1920 war von „Erträgen" aus Kapitalanlagen die Rede und in § 9 Nr. 2 EStG 1920 von dem „Erwerb" aus der Ausübung freier Berufe. 172 Z. B. im preußischen EStG 1851 (Gesetz-Sammlung für die Königlich Preußischen Staaten 1851, S. 193 ff.), das auch bei Handel, Gewerbe, Pachtungen usw. eine Berechnung des Gewinns (§ 30) nach dem Überschuss der Einnahmen über die Ausgaben vorsah. Siehe auch Schneider, Private Vermögensverwaltung, S. 35; Tipke, in: FS für Paulick, S. 391 (393). "3 Fuisting/Strutz, Pr. EStG, § 13 Rn. 12. Dabei sollte der Wert der Warenbestände bei Beginn und Schluss der maßgebenden Periode als Ausgabe bzw. Einnahme zu berücksichtigen sein. Damit wurden trotz der Überschuss- oder Kassenrechnung auch Vermögensveränderungen erfasst. 6*
C. Systematische Sonderstellung des §
EStG
nun zwei unterschiedliche Techniken zur Ermittlung des steuerpflichtigen Einkommens (bzw. der Einkünfte in heutiger Terminologie). Diese Änderung ging auf die Initiative von Handel und Gewerbe zurück. Die Betroffenen wollten nicht mehr zwei Jahresrechnungen aufstellen, eine steuerliche und eine handelsrechtliche, sondern nur noch eine. 175 Dabei wurde nicht erkannt bzw. die Bedeutung dessen unterschätzt, dass beim reinen Bestands- und Vermögensvergleich alle Vermögensänderungen einbezogen werden, während bei den übrigen Steuerpflichtigen nur bestimmte Einnahmen und Ausgaben in der Überschussrechnung gegenübergestellt wurden. So hat man für die nach der Buchführung zu unterscheidenden Gruppen von Steuerpflichtigen wesensverschiedene Grundlagen der Besteuerung geschaffen. 176 Es lässt sich also sagen, dass der Dualismus der Einkunftsarten als rein ermittlungstechnischer Dualismus geplant war und die bedeutsame oder gar entscheidende Komponente des materiellen Dualismus erst später in ihrer Bedeutung erkannt wurde. Dieser Verlauf ist ein Indiz dafür, dass der materielle Dualismus durch das Unterlaufen eines Fehlers entstanden ist, der irgendwann später hätte korrigiert werden sollen. Die 1920 zugrunde gelegte Reinvermögenszugangstheorie hätte einen Vermögensvergleich für alle Steuerpflichtigen nahe gelegt. Das EStG 1920 ordnete aber in §§ 31 ff. EStG 1920 den einzelnen Einkunftsarten (damals „Einkommensarten") jeweils gesonderte Ermittlungsvorschriften zu, auch wenn § 4 EStG 1920 als Grundsatz eine Überschussrechnung vorsah, indem vom Gesamtbetrag aller Einkünfte bestimmte Beträge gemäß § 13 EStG 1920 abzuziehen waren, zu denen vor allem die Werbungskosten gehörten. Bei den Handelsbücher führenden Steuerpflichtigen wurden die Einkünfte gemäß § 33 II EStG 1920 nach dem handelsrechtlichen Geschäftsgewinn angesetzt. Die keine Handelsbücher führenden Gewerbetreibenden und die Land- und Forstwirte hatten gemäß §§ 33 I, 32 I EStG 1920 Betriebseinnahmen und Betriebsausgaben zu vergleichen. Dabei waren allerdings Bestands- und Wertunterschiede bestimmter Güter zu berücksichtigen, so dass Vermögensveränderungen insoweit einbezogen wurden. Die übrigen Steuerpflichtigen stellten dagegen nur bestimmte Einnahmen und Ausgaben gegenüber. 177
174 Das sächsische EStG 1874 (Gesetz- und Verordnungsblatt für das Königreich Sachsen vom Jahre 1874, S. 491 ff.) sah für seine vier Hauptquellen von Einkommen grundsätzlich in § 17 Nr. 1 EStG eine Einnahmen/Überschussrechnung vor, setzte bei Handel und Gewerbe aber den Reingewinn nach den Vorschriften des Handelsgesetzbuchs für Inventur und Bilanz an, § 22 Nr. 1 EStG. "5 Tipke, in: FS für Paulick, S. 391 (394). »76 Tipke, in: FS für Paulick, S. 391 (394). 177
Z. B. waren beim Einkommen aus Grundstücken und Gebäuden gemäß § 31 I EStG 1920 dem Pacht- oder Mietzins die Natural- und sonstigen Nebenleistungen sowie die vorbehaltenen Nutzungen hinzuzurechnen, davon waren die abzugsfähigen Lasten abzurechnen.
I. Der Dualismus der Einkunftsarten
Es existierten also sowohl ein Betriebsvermögensvergleich als auch Einnahmen/Überschussrechnungen, die allerdings Vermögensveränderungen unterschiedlich berücksichtigten. Damit wurde der Dualismus der Einkünfteermittlung aufrechterhalten. Durch die unterschiedliche Einbeziehung der Vermögensentwicklung bestanden auch materielle Unterschiede. § 7 II EStG 1925 bestimmte als Einkommen bei Land- und Forstwirtschaft, Gewerbebetrieb und sonstiger selbständiger Berufstätigkeit den Gewinn und bei den übrigen Einkommensarten bzw. Einkunftsarten den Überschuss der Einnahmen über die Ausgaben.178 § 13 EStG 1925 ordnete die Gewinnermittlung durch Betriebsvermögensvergleich für die Handelsbücher führenden Steuerpflichtigen an. 1 7 9 In den übrigen Fällen wurde gemäß § 12 EStG 1925 der Gewinn als Überschuss der Einnahmen über die Ausgaben festgelegt, der aber um Mehrwerte und Minderwerte bestimmter Wirtschaftsgüter (z. B. nicht zum Anlagekapital gehörender Grund und Boden) zu korrigieren war. 180 Dadurch wurde jeweils das Betriebsvermögen in die Steuerpflicht einbezogen, einmal durch einen bilanziellen Vermögensvergleich, einmal durch die Berücksichtigung der Vermögensänderungen als Einnahmen und Ausgaben.181 Bei den Überschusseinkünften wurden dagegen bei den Einnahmen und Ausgaben (§§ 14-17 EStG 1925) Vermögensveränderungen nicht berücksichtigt.182 Damit wurde auch im EStG 1925 der ermittlungstechnische Dualismus aufrechterhalten. Zudem bestanden Belastungsunterschiede, also ein materieller Dualismus, sowohl in geringerem Umfang innerhalb der Gewinneinkünfte als auch zwischen den Gewinneinkünften und den Überschusseinkünften. Das EStG 1934 erhielt in § 2 IV EStG zwar den Gegensatz von Gewinneinkunftsarten und Überschusseinkunftsarten aufrecht. Die unterschiedliche Ermittlung der Einkünfte wurde aber erst durch die die Berechnung des Gewinns bzw. Überschusses regelnden §§ 4, 5 und §§ 8, 9 EStG 1934 festgelegt. Dabei sahen >78 RGBl. Teil I 1925, 189 (190); Tipke, in: FS für Paulick, S. 391 (395), sieht darin die Übernahme des heute noch geltenden Dualismus der Einkünfteermittlung. >79 Dazu eingehend Blümich/Schachian, EStG 1925, S. 181 ff. Nur bei Einkünften aus Gewerbebetrieb wurde auch der Veräußerungs- und Aufgabegewinn erfasst, § 30 I, IV EStG 1925. 180
Mit dem EStG 1925 wurden nun auch die selbständig Berufstätigen in die Zugrundelegung des Gewinns und die Gegenüberstellung des Betriebsvermögens zu Anfang und zum Ende des Steuerabschnitts einbezogen, dabei wurde die Differenz zwischen den Einnahmen und den Ausgaben um den zweiten Faktor der Gegenüberstellung des Betriebsvermögens ergänzt, Blümich/Schachian, EStG 1925, S. 40. 181 Blümich/Schachian, EStG 1925, S. 131, 168, gehen daher davon aus, dass die Freiberufler den Gewerbetreibenden im Grundsatz vollständig gleichgestellt sind. Ausnahmsweise kann aber nach § 12 EStG 1925 in den Fällen, in denen das der Berufstätigkeit dienende Vermögen im Wesentlichen gleich bleibt, nur der Überschuss der Einnahmen über die Ausgaben angesetzt werden. 182 §§41 I Nr. 1, 42 I 1 EStG 1925 besteuerten aber ausnahmsweise die Spekulationsgeschäfte.
C. Systematische Sonderstellung des §
EStG
§§ 8, 9 EStG 1934 eine reine Überschussrechnung vor, im Gegensatz dazu ordneten §§ 4, 5 EStG 1934 grundsätzlich einen Betriebs Vermögens vergleich an. Als Ausnahme bestand nach § 4 II EStG 1934 bei geringen Abweichungen des Betriebsvermögens die Möglichkeit einer Berechnung des Gewinns als Überschuss der Betriebseinnahmen über die Betriebsausgaben. Für buchführungspflichtige Kaufleute bestimmte § 5 I EStG 1934 beim Bilanzansatz eine Bindung an die Grundsätze ordnungsmäßiger Buchführung. Grundsätzlich galt damit der Vermögensvergleich für alle Gewinneinkunftsarten und bedeutete eine umfassende Besteuerung des Vermögenszuwachses.183 Auch bei land- und forstwirtschaftlichen Betrieben und selbständig Tätigen wurden Veräußerungs- und Aufgabegewinne jetzt besteuert, §§ 141,18 III EStG 1934. 184 Damit beschränkte sich der Dualismus der Einkünfteermittlung nun abgesehen von der Ausnahme des § 4 I I EStG 1934 auf die Gegensätzlichkeit der Gewinnermittlung durch Betriebsvermögensvergleich und der Überschussermittlung durch Überschussrechnung. Heute stehen die beiden Arten des Betriebsvermögensvergleichs nach § 4 I und § 5 I EStG 1 8 5 den Überschussrechnungen nach § 4 III und §§ 8, 9 EStG gegenüber. 186 § 4 m EStG 1 8 7 kann von nicht buchführenden Steuerpflichtigen als Gewinnermittlungsart gewählt werden und weist die Besonderheit der Berücksichtigung der Vermögensänderungen188 auf. 189 Der ermittlungstechnische Dualismus besteht also fort. Angesichts der Sonderformen der Gewinnermittlung könnte man jedoch auch von einem Pluralismus der Einkünfteermittlungstechniken sprechen. Nur wenn man die Ausnahmevorschrift des § 4 m EStG 190 außer Acht lässt, besteht der Dualismus der Einkünfteberechnung gerade zwischen den Gewinneinkünften und den Überschusseinkünften. 183
Vgl. Schneider, Private Vermögensverwaltung, S. 28 f. Vgl. auch Fn. 179. Ebenso Schneider, Private Vermögensverwaltung, S. 29. 185 Dabei handelt es sich um eine grundlegend von statischen Gesichtspunkten geprägte Bestandsrechnung nach Sollzahlen, Schmidt /Heinicke, EStG, § 4 Rn. 3. 186 Daneben existieren die Sonderregelungen der Gewinnermittlung nach Durchschnittssätzen nach § 13a EStG in bestimmten Fällen der Land- und Forstwirtschaft und der (wählbaren) ertragsunabhängigen Tonnagesteuer beim Betrieb von Handelsschiffen nach § 5a EStG. 187 § 4 m EStG stellt grundsätzlich eine reine Istrechnung nach dem Zu- und Abflussprinzip des § 11 EStG dar, Schmidt /Heinicke, EStG, § 4 Rn. 4. 184
188 Stille Reserven werden ebenso wie beim Betriebsvermögens vergleich besteuert und auch ohne Zahlung werden bei § 4 I I I EStG Wertveränderungen im Vermögen einbezogen, wenn dies erforderlich ist, um die steuerliche Berücksichtigung zu gewährleisten, Schmidt/ Heinicke, EStG, § 4 Rn. 14, 371. 189 § 4 III EStG soll eine vereinfachte Technik zur Ermittlung der Abschnittsgewinne sein, jedoch einen gleich hohen Totalgewinn vom Beginn bis zum Ende des Betriebes ergeben, Schmidt / Heinicke, EStG, § 4 Rn. 10. Seit der Änderung von § 4 I 5 EStG a. F. werden auch Grund und Boden nach den allgemeinen Grundsätzen in die Gewinnermittlung einbezogen, Schmidt/Heinicke, EStG, 23. Aufl., § 4 Rn. 185. Zur Verfassungswidrigkeit des § 4 1 5 EStG a. F. siehe BVerfG v. 11. 5. 1970-1 BvL 17/67, BVerfGE 28, 227 ff.
I. Der Dualismus der Einkunftsarten
c) Materieller
Dualismus
Für eine umfassende Untersuchung der historischen Entwicklung der Belastungsunterschiede sind an sich alle für die Einkunftsarten relevanten Vorschriften zu betrachten. Da die Belastungsunterschiede zwischen den Einkunftsartengruppen sich jedoch auf die Veräußerungsgeschäfte konzentrieren und diese den Gegenstand der vorliegenden Untersuchung bilden, ist die Besteuerung der Veräußerungsgeschäfte, sei es durch spezielle Vorschriften für Veräußerungsgeschäfte oder durch die allgemeinen Regelungen, zu vergleichen. Das preußische EStG 191 erfasste im Privatvermögen nur Spekulationsgeschäfte, während bei Gewerbetreibenden vom Gewinn auch die Veräußerung von Gegenständen erfasst wurde, die zu Zwecken des Gewerbebetriebes dienen.192 Bei Einkommen aus Grundvermögen aus selbstbewirtschaftetem Grundbesitz (heute Land- und Forstwirtschaft) wurde nur bei den Vorräten der Wert am Schluss des Jahres verglichen.193 Damit stand, obwohl dem preußischen EStG weitgehend die Quellentheorie zugrunde lag, die Besteuerung der Einkünfte aus Handel und Gewerbe zwar der Reinvermögenszugangstheorie nahe. 194 Allerdings enthielt die Besteuerung von Handel und Gewerbe insofern Elemente der Quellentheorie, als Gewinne bei der Aufgabe des Geschäfts nicht erfasst wurden und damit gewissermaßen nur die laufenden Erträge der Quelle. 195 Bei Handelstätigkeiten kann man zudem die Veräußerungsgewinne als Erträge des eingesetzten Vermögens ansehen. Dann entspricht deren Besteuerung der Quellentheorie.196 Danach existierte im Jahr 1891 kein Dualismus der Einkommenstheorien, sondern die Quellentheorie galt - mit der Einschränkung bei Spekulationsgeschäften - einheitlich für alle Einkünfte. Auch wenn man von einem einheitlichen Belastungsprinzip der Quellentheorie ausgeht, gab es allerdings trotzdem Belastungsunterschiede, da Veräußerungsgeschäfte nur bei Handel und Gewerbe weitgehend erfasst wurden. Dieser 190 § 4 III EStG führt auch nur näherungsweise zu einem vergleichbaren Totalgewinn, z. B. aufgrund der Progression und der Gestaltungsmöglichkeiten bei Zu- und Abfluss. 191 Vergleichbar, aber von geringerer Bedeutung ist das sächsische EStG 1874, Gesetzund Verordnungsblatt für das Königreich Sachsen vom Jahre 1874, S. 491 ff. 192 Vgl. Fuisting/StrutZy Pr. EStG, § 13 Rn. 8, 16 f. Der Ausverkauf zur Auflösung des Geschäfts wurde jedoch grundsätzlich nicht als Einnahmequelle angesehen (Rn. 20). 193 Vgl. Fuisting/Strutz,
Pr. EStG, § 12 Rn. 19.
1 94 Ähnlich Schneider, Private Vermögensverwaltung, S. 34: Bei den Einkünften aus Handel und Gewerbe sei eine der Reinvermögenszugangstheorie entsprechende Konzeption umgesetzt worden. Daher bestehe ein materiell dualistischer Einkünftebegriff, der auf die unterschiedlichen Quantifizierungstechniken zurückzuführen sei. 195 Vgl. Fn. 192. 196 Siehe Fuisting, Die Grundzüge der Steuerlehre, S. 149 f., nach dessen Ansicht die Veräußerungsgeschäfte, die im Bereich einer Quelle zur Ertragserzielung erfolgen (z. B. im Gewerbebetrieb), als Einkommen anzusehen sind. Vgl. auch Fuisting/Strutz, Pr. EStG, § 13 Rn. 7, wonach zum Geschäftsgewinn aus Handel und Gewerbe nur die Früchte des Anlageund Betriebskapitals gehören.
C. Systematische Sonderstellung des §
EStG
materielle Dualismus hat vor allem später durch die Besteuerung aller Veräußerungsgeschäfte und der Aufgabe- und Betriebsveräußerungsgewinne erhebliche Bedeutung gewonnen. 1920 hatte sich die Reinvermögenszugangstheorie durchgesetzt, so dass zu vermuten gewesen wäre, dass Betriebsvermögen und Privatvermögen in gleicher Weise umfassend besteuert wurden, also kein materieller Dualismus bestand.197 In der ursprünglichen Fassung des EStG 1920 gab es in der Tat im Privatvermögen nur geringe Einschränkungen der grundsätzlichen Steuerpflicht einzelner Veräußerungsgeschäfte. Die durch die Änderung aus dem Jahr 1921 maßgebliche Fassung beschränkte sich im Privatvermögen dagegen auf die Besteuerung von Spekulationsgeschäften, so dass bereits eine Ungleichbehandlung entstand. Auch innerhalb der Gewinnermittlung bestanden Unterschiede in der Einbeziehung des Ver1 QC
mogens. Unter Geltung des EStG 1925 enthielt das Gesetz eine Enumeration der Einkünfte anstelle einer Generalklausel. Nur bestimmte private Veräußerungsgeschäfte waren gemäß §§ 41, 42 EStG 1925 steuerbar, während bei Unternehmern Veräußerungsgeschäfte in den Gewinn einbezogen wurden. 199 Dadurch bestand ein unterschiedlicher Belastungsumfang und damit ein materieller Dualismus.200 Auch innerhalb der Gewinneinkünfte wurden Veräußerungsgeschäfte geringfügig unterschiedlich in die Besteuerung einbezogen (s. o.). Ab 1934 wurden private Veräußerungen ebenfalls nur begrenzt in den Fällen der §§ 17, 23 EStG besteuert, im betrieblichen Bereich wurden Veräußerungsgeschäfte dagegen grundsätzlich besteuert. Die Ausnahme des § 4 I 5 EStG a. F. mit einer Steuerbefreiung für die Veräußerung zum Anlagevermögen gehörenden Grund und Bodens201 wurde für verfassungswidrig erklärt und aufgehoben. Damit besteht auch im geltenden Recht der hier sog. materielle Dualismus fort. Belastungsunterschiede gibt es in geringerem Umfang auch zwischen den einzelnen Gewinnermittlungstechniken,202 auch wenn der Grundsatz der Totalgewinnidentität postuliert wird. 203 197 So auch Tipke, StRO II, S. 717. 198 Siehe oben C.I.2.b). i " Aus § 30 I EStG 1925 ergab sich, dass auch die Veräußerung des gesamten Betriebs oder eines Teilbetriebs zu den Einkünften aus Gewerbebetrieb gehört, so dass alle Veräußerungsgeschäfte über Gegenstände des Betriebsvermögens zu steuerpflichtigen Einnahmen führten, vgl. Blümich/Schachian, EStG 1925, S. 193. 200 Crezelius, in: K / S / M , EStG, § 23 Rn. A 21 (Jan. 1995), hält für möglich, dass der Gesetzgeber damals die Tragweite der Unterscheidung zwischen Gewinneinkünften und Überschusseinkünften unterschätzt hat. Der Gesetzgeber hätte diese Folgen aber wegen der Erfahrungen der Landesgesetzgeber mit privaten Veräußerungen erkennen müssen. 201 Vgl. dazu BVerfG v. 11. 5. 1970-1 BvL 17/67, BVerfGE 28, 227 (228 f.). Aus verfahrensrechtlichen Gründen überprüfte das BVerfG diese Norm nur im Hinblick auf die Einkünfte aus Landwirtschaft. 202 Nach Kirchhof können die Belastungsunterschiede zwischen § 41 und § 51 EStG i. d. R. vernachlässigt werden, während zwischen § 4 HI EStG einerseits und §§ 4 I, 5 I EStG ander-
I. Der Dualismus der Einkunftsarten
Im Laufe der Zeit nahm somit der Umfang der Erfassung der Veräußerungsgeschäfte zu. Jetzt werden Veräußerungen im Betriebsvermögen vollständig,204 im Privatvermögen dagegen nur begrenzt erfasst. Zugleich mit dem bis 1891 und weiter zurückzuverfolgenden ermittlungstechnischen Dualismus existierte also in der Entwicklung des Einkommensteuerrechts im Hinblick auf die Besteuerung der Veräußerungen stets auch ein materieller Dualismus des privaten und unternehmerischen Bereichs, der allerdings unterschiedlich stark ausgeprägt war. Belastungsunterschiede bestanden durch die weitgehende Nichtsteuerbarkeit von Veräußerungen im Privatvermögen. Hervorzuheben ist, dass diese jeweils dualistisch gegenübergestellten Gruppen aber nicht deckungsgleich waren und sind. Denn es wurde trotz Einbeziehung der Veräußerungsgeschäfte im unternehmerischen Bereich nicht allen Unternehmern der Bestandsvergleich auferlegt.
3. Die Begründung des Dualismus in seiner Entstehungszeit Bei der Begründung des Dualismus der Einkunftsarten ist zu beachten, dass damit - wie dargelegt - unterschiedliche Aspekte gemeint sein können. Zur Zeit der ersten Einkommensteuergesetze wurde die Ungleichheit der Einkunftsartengruppen - die heute überwiegend mit dem Begriff Dualismus gemeint ist - vor allem in der unterschiedlichen Ermittlung der Einkünfte durch eine Überschussrechnung bzw. nach dem kaufmännischen Buchführungsergebnis gesehen. Dementsprechend wurden nur diese Berechnungs- oder Ermittlungsunterschiede gerechtfertigt. Die Belastungsunterschiede wurden zwar bald darauf als erheblich erkannt, aber erst in den letzten Jahrzehnten wurde in zunehmendem Maße ihre Rechtfertigungsbedürftigkeit wahrgenommen und nach Rechtfertigungen für die bestehenden Belastungsunterschiede gesucht.
a) Praktikabilität
für Buchführungspflichtige
Beim preußischen EStG von 1891 wurde die Praktikabilität für Buchführungspflichtige als Begründung des Dualismus i. S. v. Unterschiedlichkeit der Ermittlungsmethoden herangezogen. Die Unternehmer-Lobby erreichte, dass der Gewinn seits gewichtige Unterschiede im Besteuerungsumfang innerhalb der Gruppe der Gewinneinkünfte gesehen werden, Kirchhof in: K / S / M , EStG, § 2 Rn. C 30, 80 (Sept. 1992). 203 z. B. Kirchhof in: K / S / M , EStG, § 2 Rn. C 36 (Sept. 1992); Handzik, in: L / B / P , EStG, § 2 Rn. 174 (Nov. 2004). 204 Abgesehen von Vergünstigungen im betrieblichen Bereich wie durch die Möglichkeit der Übertragung stiller Reserven bei bestimmten Veräußerungen nach § 6b EStG.
0
C. Systematische Sonderstellung des §
EStG
mit dem Ergebnis der kaufmännischen Buchführung identifiziert wurde. 205 Die Unternehmer wollten nicht zwei Jahresrechnungen aufstellen, von denen eine Einnahmen und Ausgaben gemäß der Quellentheorie für steuerliche Zwecke gegenüberstellte und die andere die Vorschriften des AHGB anwendete.206 Die von Fuisting geforderte Überschussrechnung wurde so verhindert. Wegen des geringen Steuersatzes im preußischen EStG 1891 (0,67 %-4 %) wurde die Bedeutung der Steuerpflicht der Veräußerungsgewinne nicht entscheidend berücksichtigt.207 Ebenso war auch in anderen Ländern des deutschen Reiches ursprünglich für den Betriebsvermögensvergleich ausschlaggebend, dass der handelsrechtlich ohnehin aufzustellende Jahresabschluss übernommen werden und so ein Mehraufwand für die Zwecke der Besteuerung vermieden werden konnte.208 Bei der Verabschiedung des EStG 1925 berief sich der Gesetzgeber wiederum auf die Praktikabilität. 209 In der Gesetzesbegründung führte er aber zur Begründung vor allem an, dass erhebliche Unterschiede zwischen den Gruppen von Einkunftsarten bestünden (dazu sogleich). Inzwischen war die materielle Auswirkung der Ermittlungstechnik der Unternehmer also in ihrer Bedeutung erkannt worden und wurde begründet.210 Insoweit stellt das EStG 1925 einen Einschnitt in der geschichtlichen Entwicklung des Dualismus dar. Bemerkenswert ist also, dass die heute wesentlich erscheinenden Belastungsunterschiede ursprünglich nicht gewürdigt wurden. Die Praktikabilitätserwägungen wurden zunächst nicht herangezogen, um unterschiedliche Belastungen zu rechtfertigen, sondern lediglich um die abweichende Ermittlungsmethode zu erklären. 211 Die vermeintliche Erleichterung für die Unternehmer hat jedoch zu einer Für Veräußerungs- und Aufgabegewinne bestanden Sonderregeln, sie wurden im Laufe der Zeit zunehmend erfasst. 205 Lang, in: Tipke/Lang, § 9 Rz. 184; Tipke, in: FS für Paulick, S. 391 (394); Kölner Entwurf, Rn. 5. 206 Tipke, in: FS für Paulick, S. 391 (394). Außerdem wird als Grund genannt, dass die Handelsbilanz damals eine größere Bewertungsfreiheit ermöglicht habe, Doralt/Ruppe, Grundriss, Rn. 153. 207 Vgl. Lang, in: Tipke/Lang, § 9 Rz. 184. Vgl. auch Kölner Entwurf, Rn. 31. 208 Vgl. dazu Schneider, Private Vermögensverwaltung, S. 36. 209 Lang, in: Tipke/Lang, § 9 Rz. 184. Ähnlich Lademann/Jäschke, EStG, § 2 Rn. 52 (April 2000). Nach Strutz, EStG 1925, § 7 Anm. 7 (532), hat der Gesetzgeber „aus praktischen Gründen" beim Buchkaufmann am buchmäßigen Gewinn als Einkommen festgehalten. 210 im Ergebnis ebenso Schneider, Private Vermögensverwaltung, S. 33, 36 f., der von einer bewussten Entscheidung in Kenntnis der materiellen Tragweite spricht. Dass der Gesetzgeber die materielle Bedeutung erkannt hat, folgert Schneider jedoch aus der Bezeichnung des § 13 EStG 1925 als materielle Vorschrift. 211 Auf die Unterschiedlichkeit der Ermittlungstechnik kommt es aber nicht an, sofern der dafür erforderliche Aufwand und die damit verbundenen Eingriffe angemessen und vergleichbar sind; entscheidend sind etwaige Belastungsunterschiede. Unterschiedliche Ermittlungstechniken gibt es auch innerhalb der unternehmerischen Einkünfte in §§ 5 I, 4 I, 4 III, 13a, 5a EStG. Der Betriebsvermögensvergleich bietet sich an, wenn ohnehin Buchführung
I. Der Dualismus der Einkunftsarten
1
Benachteiligung geführt, da im Betriebsvermögen die Besteuerung dadurch weiter reicht als im Privatvermögen. Die ursprüngliche Rechtfertigung über die Praktikabilität kommt deswegen nicht als Rechtfertigung der heutigen Rechtslage in Betracht.
b) Wesensunterschiede
zwischen den Einkünften
Das EStG 1925 führte in § 7 I I EStG die ausdrückliche Einteilung in Gewinnund Überschusseinkunftsarten ein. Der Gesetzgeber hat dabei bewusst zwei qualitativ unterschiedliche Arten von Einkommen geregelt. 212 In der Gesetzesbegründung wurden als Grund dafür in erster Linie Unterschiede dieser zwei sog. Hauptgruppen der Einkunftsarten angeführt. 213 Die Gesetzesbegründung nennt die - eng zusammenhängenden - Aspekte des unterschiedlichen Vermögenseinsatzes und der unterschiedlichen Bedeutung des Vermögens, die hier aber aus Gründen der Klarheit getrennt dahingehend untersucht werden sollen, ob sie eine unterschiedliche Belastung rechtfertigen. Bei der ersten Hauptgruppe der Einkünfte aus selbständiger Erwerbs- und Berufstätigkeit sei diese Erwerbs- und Berufstätigkeit ohne ein ihr gewidmetes Vermögen regelmäßig nicht möglich.214 Als Einkommen215 solle hier der Gewinn gelten. Für den Gewinn sei wesentlich, dass der Unterschied des der Tätigkeit gewidmeten Vermögens am Anfang und Schluss des Steuerabschnitts einen wichtigen Faktor für seine Ermittlung bilde. 216 Bei der zweiten Hauptgruppe der Einkünfte komme ein Vermögensvergleich dagegen nicht in Frage. Als Einkommen gelte der Überschuss der Einnahmen über die Ausgaben.217 Bei Einkünften aus einer Tätigkeit (insbesondere bei nichtselbständiger Arbeit) seien dieser Tätigkeit Vermögensgegenstände irgendwelcher Art regelmäßig nicht gewidmet. Andererseits komme es bei den Erträgen, die ohne und Bilanzierung erfolgen. In den übrigen Fällen ist eine weniger aufwändige Ermittlungstechnik wünschenswert, so dass gegen das Nebeneinander von Betriebsvermögensvergleich und Überschussrechnung keine grundlegenden Einwände bestehen. Etwaige dadurch verursachte Belastungsunterschiede sind aber rechtfertigungsbedürftig und grundsätzlich unzulässig. 212 So zutreffend Kirchhof, in: K / S / M , EStG, § 2 Rn. A 438. 213 Reichstag, m . Wahlperiode 1924/25, Drucks. Nr. 795, S. 40 f. Vgl. Lang, in: Tipke/ Lang, § 9 Rz. 184, gegen die Ansicht von Strutz, EStG 1925, § 7 Anm. 7 (S. 532). 214 Reichstag, III. Wahlperiode 1924/25, Drucks. Nr. 795, S. 40 f. 215 Diese Begriffswahl in der Gesetzesbegründung stützt die Kritik von Tipke, es handele sich um zwei Einkommensbegriffe und um ein „Operieren mit zweierlei Maß", Tipke, StRO II, S. 717. 216 Reichstag, III. Wahlperiode 1924/25, Drucks. Nr. 795, S. 41. Zustimmend Kirchhof, in: K / S / M , EStG, § 2 Rn. C 1 (Sept. 1992). Vgl. Kirchhof/Kirchhof, EStG, § 2 Rn. 78. 217 Reichstag, m . Wahlperiode 1924/25, Drucks. Nr. 795, S. 41. Ähnlich Kirchhof/ Kirchhof, EStG, § 2 Rn. 78.
C. Systematische Sonderstellung des §
EStG
Arbeit oder nur aufgrund einer begrenzten Verwaltungstätigkeit aus Vermögen bezogen werden (wie bei Kapitalerträgen, Einkünften aus Vermietung und Verpachtung und wiederkehrenden Bezügen) nicht auf die Veränderung dieser Vermögensgegenstände an, sondern nur auf die Erträge, die sie abwerfen. 218 Die Gesetzesbegründung zusammenfassend wird daher heute formuliert, das zur Einkünfteerzielung eingesetzte Vermögen habe unterschiedliche Bedeutung: Bei den ersten drei Einkunftsarten stelle die Entwicklung des der Berufs- oder Erwerbstätigkeit gewidmeten Vermögens einen wichtigen Faktor des wirtschaftlichen Erfolgs dar. Dagegen könne bei den letzten vier Einkunftsarten die Vermögensentwicklung vernachlässigt werden. Entweder werde schon kein Vermögen eingesetzt oder es könnten jedenfalls nur die Erträge interessieren. Die Gewinneinkunftsarten seien daher vermögensorientiert. 219
aa) Unterschiedlicher Vermögenseinsatz Auch heute noch wird das Argument des unterschiedlichen Vermögenseinsatzes aufgegriffen. Bei den Gewinneinkünften werde in stärkerem Maße das Vermögen zur Einnahmeerzielung eingesetzt, bei den Überschusseinkünften überwögen die persönliche Arbeitsleistung oder die Vermögensverwaltung.220 Damit wird der Gesetzesbegründung aus dem Jahr 1925 ausdrücklich beigepflichtet. 221 Jakob stimmt jedenfalls dem Grundgedanken der gesetzlichen Regelung zu, dass bei Erzielung des wirtschaftlichen Erfolgs durch Vermögenseinsatz der Vergleich der Vermögensbestände als Ermittlungsmethode angemessen sei, bei Tätigkeiten ohne nennenswerten Vermögenseinsatz dagegen die Geldrechnung.222 Diese Überlegung lässt sich von der Ebene der Ermittlungstechnik auf die Ebene des Belastungsumfangs übertragen und folgern, dass bei zu vernachlässigenden Vermögens-
218 Reichstag, III. Wahlperiode 1924/25, Drucks. Nr. 795, S. 41. Nach Ansicht von Lang lag dem die Vorstellung des Gesetzgebers zugrunde, dass privates Kapitalanlagevermögen nur in Ausnahmefällen wieder veräußert wird, Lang, Bemessungsgrundlage, S. 515 f. Diese Vorstellung ist heute angesichts der gewandelten Bedeutung der Kapitalmärkte und der Anreize zur Erzielung nicht steuerbarer Veräußerungsgewinne jedenfalls nicht mehr zutreffend. 219 Handzik, in: L / B / P , EStG, § 2 Rn. 156 (Nov. 2004). Auch Kirchhof stimmt der Gesetzesbegründung zu, wenn er die Ausführungen zur Regierungsvorlage als Begründung mit vorgefundenen, tatsächlichen Unterschieden bezeichnet. So Kirchhof in: K / S / M , EStG, § 2 Rn. A 437, 675. 220 Bachem, in: Bo/Br, EStG, § 23 Rn. 30 (Aug. 2003); Kirchhof in: K / S / M , EStG, § 2 Rn. A 675. 221 Kirchhof in: K / S / M , EStG, § 2 Rn. A 675, stellt mit der Formulierung der unterschiedlichen Funktion der Erwerbsgrundlagen aber den Bezug zu seinem Einkommensbegriff her, während der Gesetzgeber 1925 keinen bzw. nur einen pragmatischen Einkommensbegriff formulieren wollte. Gegen diese Begründung Jachmann, DStJG 23 (2000), 9 (49). 222 Jakob, Einkommensteuer, § 2 Rn. 62. Vgl. dazu auch Kirchhof in: K / S / M , EStG, § 2 Rn. C 1 (Sept. 1992).
I. Der Dualismus der Einkunftsarten
Veränderungen diese aus Vereinfachungsgründen nicht in die steuerliche Bemessungsgrundlage eingehen müssen.223 Die Annahme unterschiedlicher Bedeutung des Vermögenseinsatzes bei den Einkunftsartengruppen trifft in dieser Allgemeinheit jedoch nicht zu. 2 2 4 Bei einigen Gewerben ist nur ein sehr geringer Vermögenseinsatz notwendig - beispielsweise beim Grundstücksmakler. Auch beim Gewerbe kann die Dienstleistung im Vordergrund stehen. Ebenso kann bei Rechtsanwälten, Künstlern, Ärzten und anderen selbstständig Tätigen das dazu erforderliche Vermögen oft eine untergeordnete oder zu vernachlässigende Rolle spielen. Dagegen erfordern Vermietung und Verpachtung regelmäßig einen größeren Vermögenseinsatz.225 Ebenso ist bei Einkünften aus Kapitalanlagen wie Aktien der Vermögenseinsatz wesentlich. Auch diese Formen privater Vermögensverwaltung sind also am Kapitaleinsatz und am Vermögen orientiert und nicht an einer Tätigkeit.226 Berechtigt ist lediglich die Aussage, bei dem aus einer Tätigkeit227 stammenden Einkommen (insbesondere bei nichtselbständiger Arbeit) seien dieser Tätigkeit Vermögensgegenstände irgendwelcher Art regelmäßig nicht gewidmet bzw. nur in geringem Umfang. 228 Damit schließt das Kriterium des unterschiedlichen Vermögenseinsatzes vor allem die Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit aus, die private Vermögensverwaltung ist dagegen gerade durch Vermögenseinsatz gekennzeichnet. Daher trägt eine Unterscheidung allein nach dem Vermögenseinsatz nicht die unterschiedliche Behandlung. Jedenfalls lässt sich nicht pauschal sagen, bei den Gewinneinkünften sei gegenüber den Überschusseinkünften regelmäßig ein größerer Vermögenseinsatz erforderlich. Der Gesetzgeber hat die Idee, in den Fällen der Einkünfteerzielung durch Vermögenseinsatz die Einkünfteermittlung durch Vermögensvergleich und eine umfassende Besteuerung anzuordnen, also sehr ungenau in Steuertatbestände übertragen. 229 Er hätte diese Entscheidung in der Weise folgerichtig umsetzen müssen, dass die umfassende Besteuerung auch für private Kapitalanlagen und Vermietung und Verpachtung gilt. Dann bestünde statt des Dualismus der heutigen Einkunfts-
223 Vgl. Jachmann, DStJG 23 (2000), 9 (50 f.). 224 Auch Schneider, Private Vermögensverwaltung, S. 37, als Verfechter der Intensitätstheorie gibt zu, dass das Wirtschaften mit Vermögen gleichermaßen den betrieblichen und privaten Bereich kennzeichnet. 225 Vgl. Tipke, StRO II, S. 718. 226 Vgl. Jakob, Einkommensteuer, § 2 Rn. 65. 227 Dabei sind nur Tätigkeiten im Bereich der Überschusseinkünfte gemeint. 228 Auch hier sind allerdings Einschränkungen zu machen. Im Bereich der sonstigen Leistungen, z. B. bei der Vermietung beweglicher Gegenstände, kann ebenfalls ein Vermögenseinsatz erforderlich sein. 229 Vgl. Jakob, Einkommensteuer, 1. Aufl., § 2 Rn. 15, der die Regelung der privaten Veräußerungsgeschäfte und Vermögensverwaltung aber aufgrund unterschiedlich intensiver Marktteilnahme als plausibel ansah.
C. Systematische Sonderstellung des §
EStG
artengruppen ein Dualismus der vermögensbezogenen und nichtvermögensbezogenen Einkünfte.
bb) Fruchtziehungsthese Das Kriterium unterschiedlichen Vermögenseinsatzes grenzt also vor allem die Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit aus. Dort erscheint eine Nichtberücksichtigung von Vermögensänderungen unter Umständen denkbar. Erklärungsbedürftig bleibt der Unterschied zwischen den gleichermaßen vermögensbezogenen unternehmerischen und privat vermögensverwaltenden Einkünften. 230 Die Gesetzesbegründung nannte als Grund für die Unterscheidung der Hauptgruppen und damit für die Nichtsteuerbarkeit privater Veräußerungen, dass es bei der (begrenzten) Vermögensverwaltung lediglich auf die Erträge der Vermögensgegenstände und nicht auf die Veränderung der Vermögensgegenstände ankomme (sog. Fruchtziehungsthese231).232 Weiter wurde ausgeführt, ein Vermögensvergleich komme bei der zweiten Hauptgruppe der nicht aus selbständiger Erwerbs- und Berufstätigkeit stammenden Einkünfte nicht in Frage. Hier gelte als Einkommen der Überschuss der Einnahmen über die Ausgaben.233 Begründungsbedürftig ist bei dieser Fruchtziehungsthese also, warum bei Gewinn- und Überschusseinkünften unterschiedliche Prinzipien gelten sollen: Einerseits erfolgt eine Berücksichtigung der Vermögensentwicklung und andererseits eine Begrenzung auf die Erträge des Vermögens ohne Einbeziehung der Vermögensentwicklung. Eine nähere Begründung dafür fehlt jedoch. 234 Diese Unterscheidung kann auch nicht begründet, sondern nur erklärt werden. Hier stehen sich die verschiedenen Definitionen des Einkommensbegriffs nach der Reinvermögenszugangstheorie und der Quellentheorie gegenüber. Von diesen Einkommensbegriffen kann, wenn Einkommen ein vorrechtlicher Begriff ist, nur einer richtig sein. Versteht man Einkommen dagegen als einen vom Gesetzgeber auszufüllenden Begriff, so hätte der Gesetzgeber zumindest begründen müssen, warum er zwei Theorien vermischen bzw. parallel anwenden will. Einkommen kann auch dann nur ein einheitlicher Begriff sein. 230 N a c h Wittmann, StuW 1993, 35 (39), soll bei Überschusseinkünften das Vermögen typisiert nur zur Nutzung verwendet werden, aber nicht veräußert werden. Dies trifft jedoch heutzutage insbesondere wegen der gezielten Erwirtschaftung nicht steuerbarer Veräußerungsgewinne nicht (mehr) zu. 231 So Lang, in: Tipke/Lang, § 9 Rz. 184. 232 Reichstag, III. Wahlperiode 1924/25, Drucks. Nr. 795, S. 41. Vgl. auch die Wiedergabe bei Handzik, in: L / B /P, EStG, § 2 Rn. 156 (Nov. 2004): Bei den letzten vier Einkunftsarten könnten - sofern nicht schon gar kein Vermögen eingesetzt wird - jedenfalls nur die Vermögenserträge interessieren. 233 Reichstag, III. Wahlperiode 1924/25, Drucks. Nr. 795, S. 41. 234 Kritisch zum Fehlen einer plausiblen Begründung auch Tipke, StRO II, S. 718.
I. Der Dualismus der Einkunftsarten
cc) Überschusseinkünfte als Geldleistungseinkünfte Vergleichbar mit dieser zweigleisigen Argumentation des unterschiedlichen Vermögenseinsatzes und der unterschiedlichen Bedeutung des Vermögens ist auch die heutige Aussage, bei den Überschusseinkünften bestehe das Einkommen im Wesentlichen in Geldleistungen, so dass die Ermittlung durch Abzug der Werbungskosten von den Einnahmen erfolgen könne.235 Bei den betrieblichen Gewinnen hingegen komme der Erfolgstatbestand der Einkünfte weniger in den Überschüssen einer Geldrechnung, sondern in der Wertentwicklung des Betriebsvermögens zum Ausdruck. Zum Beispiel erleide der Kaufmann, bei dem die Waren verderben oder veralten, einen Verlust trotz eines etwaigen Überschusses der Einnahmen über die Ausgaben.236 Deswegen begründe § 2 I I EStG einen Dualismus der Einkünfteermittlung.237 Auch gegen diese Argumentation sprechen die eben genannten Einwände. Bei den Überschusseinkünften ist in weiten Teilen ebenfalls ein erheblicher Vermögenseinsatz erforderlich und es wird nicht begründet, warum die Vermögensentwicklung dort im Gegensatz zu den Gewinneinkünften unerheblich sein sollte.
dd) Zusammenfassende Stellungnahme zu den behaupteten Wesensunterschieden Der Aussage, dass die Vermögensentwicklung bei den Überschusseinkünften aufgrund ihrer geringen Bedeutung ausgeblendet werden kann, könnte man höchstens insoweit zustimmen, als der durchschnittliche Steuerpflichtige, der sich nicht unternehmerisch betätigt und kein größeres Vermögen besitzt, nur geringe Wertsteigerungen des Vermögens erzielen wird. 238 Dabei würde es sich aber um eine sehr pauschale Betrachtung handeln.239 Insbesondere die Gruppe privat vermögensverwaltender Steuerpflichtiger, die erhebliche Veräußerungsgewinne ohne Besteuerung vereinnahmt, bliebe völlig unberücksichtigt.240 Hier wird sehr deutlich von der Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit abgewichen.
235 Kirchhof / Kirchhof, EStG, § 2 Rn. 78. 236 Kirchhof/Kirchhof EStG, § 2 Rn. 78, 5. Ebenso schon Hensel, Steuerrecht, S. 241. 237 Kirchhof /Kirchhof, EStG, § 2 Rn. 5. 238 Dann wäre denkbar, dass § 23 EStG als Besteuerung erheblichen privaten Vermögenseinsatzes eine Korrektur der unscharfen allgemeinen Regel darstellt. Damit wäre aber noch nicht das Kriterium einer Frist erklärt, sondern es hätte eher eine Freigrenze oder ein Freibetrag geregelt werden müssen, um die atypischen Fälle nicht zu vernachlässigender Vermögensentwicklung bei den Überschusseinkünften zu erfassen. 239 Zur Rechtfertigung des Dualismus als vereinfachende Typisierung unten C.I.4.e). 240 Wenn man damit argumentiert, dass der durchschnittliche Steuerpflichtige keine Veräußerungsgewinne in nennenswertem Umfang erziele, dürften die Veräußerungsgewinne bei der Minderheit der Unternehmer ebenso wenig berücksichtigt werden.
C. Systematische Sonderstellung des §
EStG
Die Unterscheidung der Einkunftsartengruppen wird berechtigterweise vor allem dahingehend kritisiert, Vermieter und Verpächter von Immobilien und die Inhaber von Beteiligungen seien von den realisierten Wertänderungen ebenfalls in erheblichem Maße betroffen. 241 Es ist kein Grund ersichtlich, warum der Erfolg der Tätigkeit z. B. beim Gewerbebetrieb und bei Vermietung und Verpachtung unterschiedlich zu beurteilen sein sollte. Der Einnahmenüberschuss des Kaufmanns wird durch den Schaden verdorbener Ware in seinem Lager zunichte gemacht. Ebenso kann es beim Vermieter im Falle des Abbrennens des nicht versicherten Hauses nicht nur auf die Mieteinnahmen bis zu diesem Zeitpunkt ankommen. Dies muss auch das geltende Recht zugestehen und ausnahmsweise die Vermögensminderung durch das Abbrennen des Hauses gemäß § 9 I 3 Nr. 7 i. V. m. § 7 I 7 EStG im Rahmen der Werbungskosten berücksichtigen.242 Im gesamten Bereich der privaten Vermögensverwaltung erscheint die Aussage, das eingesetzte Vermögen sei unerheblich für den Erfolg der Tätigkeit, als petitio principii. Eine Begründung für die Unbeachtlichkeit von Vermögensänderungen fehlt. Ebenso könnte man das gegenteilige Ergebnis erläutern: Die private Vermögensverwaltung wirft in erster Linie Erträge ab, der Erfolg und das wirtschaftliche Ergebnis können jedoch nur unter Berücksichtigung von Vermögensveränderungen wie durch die Entwertung einer arbeitsplatzsichernden Darlehensforderung oder den Wertverlust eines vermieteten Gebäudes bestimmt werden. Insbesondere im Hinblick auf die Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit wäre heute näher zu erläutern, warum es für den Einkünfteerzielenden bei privater Vermögensverwaltung wirtschaftlich einen Unterschied ergeben soll, ob er höhere laufende Erträge erzielt oder bei der Veräußerung des eingesetzten Vermögens einen höheren Kaufpreis erzielt. Zudem lässt sich aus dem vom BVerfG aufgestellten Gebot realitätsgerechter Tatbestandsgestaltung243 für die private Vermögensverwaltung nach der hier vertretenen Ansicht folgern, dass - wenn von dem Grundfall ausgegangen wird, dass die Vermögensentwicklung bei Privaten zu vernachlässigen ist - jedenfalls die Gruppe Steuerpflichtiger mit großem Vermögen und erheblichen, sonst nicht steuerbaren Wertsteigerungen durch eine Sonderregelung zu erfassen ist. Bei den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit wird zwar im Regelfall eine Geldrechnung den Erfolg der Tätigkeit zutreffend erfassen, aber nur weil hier meist keine Vermögensänderungen entstehen, über deren Berücksichtigung man streiten 241 So Tipke, StRO n, S. 718. Vgl. auch Crezelius, in: K / S / M , EStG, § 23 Rn. A 21 (Jan. 1995), der vorsichtig formuliert, möglicherweise habe der Gesetzgeber bei der Aussage, dass es bei der privaten Vermögensverwaltung nicht auf die Änderung der Vermögensgegenstände ankomme, die Tragweite der Unterscheidung des Dualismus unterschätzt. 242 Vgl. dazu Schmidt /Drenseck, EStG, § 9 Rn. 176, § 7 Rn. 122 f.; Blümich ¡Brandis, § 7 EStG Rn. 393, 385, 532 (März 2002). 243 BVerfG v. 6. 3. 2002-2 BvL 17/99, BVerfGE 105, 73 (126); zur realitätsgerechten Bewertung BVerfG v. 22. 6. 1995-2 BvL 37/91, BVerfGE 93, 121 (LS 1 und S. 136). Siehe auch Kirchhof, in: K / S / M , EStG, § 2 Rn. A 578.
I. Der Dualismus der Einkunftsarten
könnte. Auch hier sind jedoch Fälle - z. B. Verlust eines privaten Wirtschaftsgutes aus beruflichen Gründen oder Gewährung einesrisikobehafteten Darlehens an den Arbeitgeber - denkbar, in denen sich das Vermögen im Zusammenhang mit der Arbeitstätigkeit verändert. Darauf wird auch nach geltender Rechtslage Rücksicht genommen - etwa indem der bei einem arbeitsplatzsichernden Darlehen an den Arbeitgeber entstandene Vermögensverlust ausnahmsweise im Rahmen der Werbungskosten zum Abzug zugelassen wird. 244 Dies zeigt, dass die Vermögensentwicklung grundsätzlich immer berücksichtigt werden muss. Demnach wird die Anwendung der Fruchtziehungsthese auf die Überschusseinkünfte weder begründet noch ist sie begründbar. Ihre Geltung wird bloß behauptet. Letztlich stehen sich bei den Einkünftegruppen die Thesen der Reinvermögenszugangstheorie und der Quellentheorie gegenüber. Das Einkommen ist zwar nicht eindeutig zu definieren, da es sich um einen abstrakten und wertungsgeprägten Begriff handelt. Die Anwendung widersprüchlicher Prinzipien kann jedoch nicht erklärt werden. Zwar bestehen Unterschiede tatsächlicher Art zwischen den einzelnen Einkunftsarten - auch hinsichtlich des Vermögenseinsatzes. Die Trennlinie ist aber nicht zwischen den Gewinn- und Überschusseinkünften zu ziehen. Nicht vermögensorientiert sind im Regelfall die nichtselbständige Arbeit sowie die selbständige Arbeit und gewerbliche Einkünfte in den Fällen, in denen die Dienstleistung wesentlich ist. Diese Unterschiede können daher die Ungleichbehandlung durch den Dualismus der Gewinn- und Überschusseinkünfte nicht erklären. Wenn man den behaupteten Unterschieden zwischen den Gruppen der Einkunftsarten hinsichtlich des Vermögenseinsatzes zustimmen würde, hätte dies ferner zur Folge, dass kaum zu begründen wäre, warum bei § 23 EStG die Vermögensentwicklung ausnahmsweise erfasst wird und der für die Überschusseinkünfte aufgestellte Grundsatz nicht durchgehalten wird. Denn auch außerhalb der Fristen des § 23 EStG kann die Einkünfteerzielung durch privaten Vermögenseinsatz im Vordergrund stehen und die Vermögensentwicklung daher in die Ermittlung einzubeziehen sein. § 23 EStG erfasst also allenfalls einen Ausschnitt der Einkünfteerzielung durch Vermögenseinsatz.
c) Kompromiss zwischen Reinvermögenszugangstheorie
und Quellentheorie
Der Einkommensbegriff des EStG stellt einen Kompromiss zwischen der Reinvermögenszugangstheorie und der Quellentheorie dar 245 bzw. ähnelt einem solchen 244 Schmidt/Drenseck, EStG, § 19 Rn. 60 „Darlehen", § 9 Rn. 25; Blümich/Thürmer, § 9 EStG Rn. 600 „Darlehensverluste" (März 2005). 245 Kirchhof / Kirchhof, EStG, § 2 Rn. 33. Ebenso Bäuml, System und Reform, S. 60. Zum Nebeneinander zweier theoretischer Konzepte siehe Wenger, in: Einkommen versus Konsum, S. 37 (41). 7 Dechant
C. Systematische Sonderstellung des §
EStG
Kompromiss. Darin spiegelt sich der bei Entstehung der ersten Einkommensteuergesetze schwelende Streit zwischen den Anhängern der beiden Einkommenstheorien wider. Möglicherweise kann man daher angesichts der jeweiligen Schwächen der beiden Theorien, die von der Gesetzesbegründung zum EStG 1925 ausführlich dargelegt wurden, diesen Kompromiss als sinnvollen Mittelweg für den gesetzlichen Einkommensbegriff und damit als Begründung des Dualismus ansehen. Bedenken gegen diesen Ansatz bestehen jedoch wegen der Unvereinbarkeit der beiden Theorien. Eine gleichzeitige Umsetzung beider Theorien lässt zwar beide Theorien zum Zuge kommen, behandelt aber die ihnen zugeordneten Einkünfte und Personengruppen nach unterschiedlichen Maßstäben. Diese Ungleichbehandlung könnte nur mit einer Unterschiedlichkeit der Sachverhalte begründet werden. In beiden Gruppen wird jedoch durch den Veräußerungsgewinn die gleiche finanzielle Leistungsfähigkeit vermittelt. 246 Das Ziel einer Kompromisslösung kann daher die Ungleichbehandlung der Einkunftsartengruppen nicht rechtfertigen. Ein sinnvoller Kompromiss kann nur in einer Einkommenstheorie liegen, die einheitlich auf alle Einkünfte angewendet wird.
d) Fehlende Praktikabilität der umfassenden Besteuerung des Privatvermögens Obwohl die Begründung des Gesetzentwurfs von 1925 die Unterschiedlichkeit der beiden Hauptgruppen der Einkünfte betont, nimmt der BFH an, der Gesetzgeber habe die grundsätzliche Nichtsteuerbarkeit des Privatvermögens aufgrund der vorherigen Erfahrungen eingeführt, dass bei einer generellen Steuerpflicht der Veräußerungsgeschäfte im Privatvermögen große Schwierigkeiten entstanden waren, die nicht bewältigt werden konnten.247 Aus der vom BFH genannten Stelle der Gesetzesbegründung248 ergibt sich hinsichtlich der Schwierigkeiten bei der Besteuerung aber nur, dass der Gesetzgeber praktische Schwierigkeiten bei der Feststellung sah, ob ein Spekulationsgeschäft vorliegt, insbesondere weil die inneren Motive des Steuerpflichtigen nicht feststellbar seien, und dass er deswegen die Fristregelung als „feste Norm" bevorzugte. Die Besteuerung aller Veräußerungsgewinne außerhalb einer Erwerbs- oder Berufstätigkeit hielt er für nicht mit dem Grundgedanken des Entwurfs vereinbar. 249 Mit diesem Grundgedanken des Entwurfs war wohl die Einteilung der Einkünfte in die zwei sog. Hauptgruppen gemeint. Zudem sollte die vom BFH als vorherige Regelung genannte Vorschrift des § 11 Nr. 5 EStG 1920 nur in der ursprünglichen 246 Siehe nur Tipke, StRO II, S. 732 f. m. w. N. Näher dazu unter C.I.6.a). 247 Darin liege der Grund für die Einführung des Einkünftedualismus, siehe BFH v. 16. 12. 2003 - I X R 46/02, BFHE 204, 228 (257). 248 Reichstag, III. Wahlperiode 1924/25, Drucks. Nr. 795, S. 25, 59 f. 249 Reichstag, ID. Wahlperiode 1924/25, Drucks. Nr. 795, S. 60.
I. Der Dualismus der Einkunftsarten
Fassung alle privaten Veräußerungen besteuern; sie galt aber wegen der Änderung im Jahr 1921 mit Wirkung für den Veranlagungszeitraum 1920, durch die nur noch Spekulationsgeschäfte besteuert wurden, nie. 250 Die vom BFH genannte Begründung sollte also nicht die grundsätzliche Nichtsteuerbarkeit privater Veräußerungen rechtfertigen, sondern nur die Fristregelung anstatt eines Abstellens auf das Merkmal Spekulationsabsicht.
e) Fehlende Kontrollmöglichkeiten
bei privaten Veräußerungen
Die Gesetzesbegründung zur Änderung des EStG im Jahr 1921, durch die statt der Besteuerung aller Veräußerungsgeschäfte nur noch Spekulationsgeschäfte besteuert wurden, 251 nannte als Grund für diese Änderung, die Gewinne aus Veräußerungsgeschäften würden nicht deklariert, die Verluste dagegen schon.252 Damit wurde schon damals das Problem fehlender Kontrollmöglichkeiten bzw. der Vollzugsdefizite bei privaten Veräußerungen angesprochen. Mit dieser Argumentation ist die Brücke zu den heute vertretenen Begründungsansätzen geschlagen. Auch heute noch stellt sich die Frage, ob die teilweise Nichtbesteuerung privater Veräußerungsgewinne mit Erfassungsschwierigkeiten gerechtfertigt werden kann, 253 d. h. ob der Gesetzgeber auf die Normierung von Tatbeständen verzichten darf, die er ohnehin nicht durchzusetzen imstande ist. 254 Die grundsätzliche Nichtsteuerbarkeit privater Veräußerungen wird dementsprechend zum Teil mit der Undurchführbarkeit der Besteuerung aller privaten Veräußerungen begründet.255 Auch der BFH hat das bei § 23 EStG festgestellte Vollzugsdefizit als Argument dafür herangezogen, dass eine generelle Besteuerung privater Veräußerungen nicht erfolgen müsse. 256 In der Problematik der gleichheitsgerechten Durchsetzbarkeit wird teilweise auch der Grund dafür vermutet, dass das BVerfG die nur begrenzte Erfassung privater Veräußerungen nicht als verfassungswidrig angesehen hat. 257 250 Reichstag, IE. Wahlperiode 1924/25, Drucks. Nr. 795, S. 59; vgl. dazu oben B.II.2. 251 Siehe oben B.II.2. 252 S. 50 der amtlichen Begründung zur Novelle vom 24. 3. 1921, zitiert nach der wörtlichen Wiedergabe bei Blümich/Schachian, EStG 1925, S. 31 (Fn. 68). 253 Zweifelnd Birk, StuW 2000, 328 (330). 254 Vgl. Tipke, StuW 2000, 148 (157), nach dessen Ansicht es vollzugsuntaugliche Normen nicht geben sollte. Ähnlich ders., StRO I, S. 431, wonach wegen des Zinsurteils nicht durchsetzbares materielles Recht verfassungswidrig ist. 255 Vgl. die Nachweise bei Lang, Bemessungsgrundlage, S. 58. Auch die Begründung zum Entwurf eines Einkommensteuergesetzes aus der siebten Wahlperiode lehnte eine Besteuerung sämtlicher privater Veräußerungsgeschäfte mit der Begründung ab, selbst bei erheblichem Verwaltungsaufwand dürfte eine vollständige Erfassung dieser Erträge unmöglich sein. So BT-Drucks. 7/1470, S. 278 (zu § 60 des Entwurfs). 256 BFH v. 16. 12. 2003 - D i R46/02, BFHE 204, 228 (257). 257 M. Wendt, DStJG 28 (2005), 41 (45), der eine derartige Rechtfertigung hinsichtlich des Einkünfteerzielungsvermögens aber ablehnt (Fn. 19). *
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C. Systematische Sonderstellung des § 23 EStG
Zuzustimmen ist dem Ausgangspunkt der Argumentation. Es ergibt keinen Sinn, den Gesetzgeber zur Einführung einer Besteuerungsnorm zu verpflichten, die nur auf dem Papier bestünde und der keine faktische Geltung verschafft werden kann. Das lässt sich mit den Aussagen des BVerfG in den Urteilen zur Zinsbesteuerung und zur Wertpapierspekulation untermauern, wonach es entscheidend auf die tatsächliche Besteuerungswirkung und nicht lediglich auf die Steuernorm als solche ankommt.258 Zutreffend wird als Einwand gegen eine umfassende Besteuerung privater Veräußerungen angeführt, in der privaten Konsumsphäre fehlten dem Staat die (tatsächlichen) Kontrollmöglichkeiten,259 so dass sich faktisch und praktisch die gleichmäßige Besteuerung der Veräußerungseinkünfte insoweit nicht verwirklichen lasse.260 Allerdings bestehen Vollzugsdefizite nur bei bestimmten Gegenständen.261 In weiten Teilen, insbesondere bei Grundstücken und Bankgeschäften, könnte die Besteuerung dagegen unter anderem aufgrund der modernen Datenverarbeitungstechniken sichergestellt werden. 262 Insoweit muss der Gesetzgeber auch besteuern, wenn dies seiner grundsätzlichen Belastungsentscheidung entsprechend folgerichtig ist. 263 Der allgemeine Gleichheitssatz fordert im Einkommensteuerrecht grundsätzlich die Besteuerung jeder Leistungsfähigkeit. 264 Bestimmte Fälle von Veräußerungen, insbesondere beim Konsumvermögen, können zwar nicht sicher erfasst werden. Würde man deswegen eine Gleichbehandlung der Steuerpflichtigen durch Nichtbesteuerung fordern, müsste dies aber bedeuten, dass gar keine einkommensteuerliche Leistungsfähigkeit mehr besteuert werden dürfte, auch nicht die, deren Besteuerung durchsetzbar ist. 265 Da die staatliche Aufgabenerfüllung 258 BVerfG v. 9. 3. 2004-2 BvL 17/02, BVerfGE 110, 94 (LS 1 und S. 112 f.); BVerfG v. 27. 6. 1991-2 BvR 1493/89, BVerfGE 84, 239 (LS 1 und S. 268 f., 271). 259 Zu den Vollzugsdefiziten bei sonstigen Vermögensgegenständen ausführlich unten D.I.3.e). 260 Crezelius, in: K / S / M , EStG, § 23 Rn. A 23 (Jan. 1995). Vgl. auch das Schweizerische Bundesgericht v. 8. 12. 1988, BGE 114 Ia 221, Erwägung 6. Es hat (im konkreten Fall) angenommen, die Erfassung von Gewinnen aus beweglichen Gegenständen könne nur unvollständig durchgesetzt werden und das Aufkommen lohne kaum den Veranlagungsaufwand. Deswegen sei die Sonderbehandlung von beweglichem Privatvermögen durch Nichtbesteuerung verfassungsmäßig. 261 Z. B. kann bei Gegenständen wie Schmuck vor allem angesichts der Vielzahl der möglichen Erwerber schon rein tatsächlich nicht kontrolliert werden, ob dieser mit Gewinn veräußert wird. Dazu D.I.3.e). 262 Dazu eingehend unten D.I. Für eine auf das Konsumvermögen begrenzte Undurchführbarkeit der Veräußerungsbesteuerung auch Lang, Bemessungsgrundlage, S. 59. 263 Vgl. zur Folgerichtigkeit nur BVerfG v. 6. 3. 2002-2 BvL 17/99, BVerfGE 105, 73 (126) m. w. N. 264 BVerfG v. 4. 12. 2002-2 BvR 400/98, 2 BvR 1735/00, BVerfGE 107, 27 (LS 1); BVerfG v. 6. 3. 2002-2 BvL 17/99, BVerfGE 105, 73 (126). 265 Dazu auch unten D.I.2.c)aa)(3)(e).
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von der (Einkommen-)Steuererhebung abhängig ist, kann eine umfassende Nichtbesteuerung nicht die Konsequenz partieller Vollzugsdefizite sein. Auch der Forderung, dann dürften auch betriebliche Veräußerungsgeschäfte nicht mehr besteuert werden, 266 kann nicht gefolgt werden, da nicht die formale Vergleichbarkeit nach dem Rechtsakt, der Leistungsfähigkeit vermittelt, sondern die dadurch erlangte Leistungsfähigkeit entscheidend ist. Auch im Grundsatz der Gleichbehandlung der Einkunftsarten und der synthetischen Einkommensteuer zeigt sich nämlich, dass die Art der Tätigkeit für die Besteuerung unerheblich ist. Daher lässt sich mit den in Teilbereichen fehlenden Kontrollmöglichkeiten nicht die grundsätzliche Nichtsteuerbarkeit aller privaten Veräußerungen rechtfertigen, 267 sondern nur die Nichtsteuerbarkeit derjenigen Veräußerungsgeschäfte, bei denen keine Verifikationsmöglichkeit bzw. Möglichkeit der Kenntniserlangung besteht.268 Insoweit sind Vollzugsdefizite dem Gesetzgeber nicht zurechenbar und hindern daher nicht die Verfassungsmäßigkeit der Besteuerung.269 Dies betrifft im Wesentlichen das Lebensführungsvermögen des Steuerpflichtigen. Zudem ergäbe sich bei einer Begründung des Dualismus über fehlende Kontrollmöglichkeiten das Problem, dass dann die Frist in § 23 EStG nicht zu erklären wäre. Entweder ist eine Kontrolle und Erfassung der privaten Veräußerungen möglich oder nicht. Aber die Kontrollmöglichkeiten hängen nicht vom Haltezeitraum ab. Diesen Widerspruch kann selbst eine etwaige Begründung, warum eine Besteuerung innerhalb der Frist nach der Ausnahme in § 23 EStG gerechtfertigt ist, nicht auflösen. § 23 EStG müsste nach diesem Ansatz jedenfalls auf die Besteuerung der nicht kontrollierbaren Wirtschaftsgüter auch innerhalb der Frist verzichten.
4. Spätere und heutige Begründungen des Dualismus Nach der knappen und wenig überzeugenden Begründung des Dualismus der Einkunftsarten in der Gesetzesbegründung von 1925 wurde im Hinblick auf die 266 So wohl Tipke, StRO II, S. 722; ders., in: FS für Paulick, S. 391 (400 f.). 267 Vgl. Jachmann, DSÜG 23 (2000), 9 (49); zustimmend M. Wendt, DStJG 28 (2005), 41 (45), Fn. 19, wonach die Nichtsteuerbarkeit von Wertsteigerungen des privaten Einkünfteerzielungsvermögens nicht mit Problemen des Verwaltungsvollzugs zu rechtfertigen ist. 268 Vgl. Lang, Bemessungsgrundlage, S. 58 f. Vgl. zur Problematik der Erfassung jedes Rein Vermögenszuwachses und zu daraus folgenden Beschränkungen Tipke, StRO I, S. 502, 504. Teilweise werden Untersuchungen darüber für erforderlich gehalten, inwieweit die Erfassung von Veräußerungen technisch unmöglich oder unverhältnismäßig ist, Lang, Bemessungsgrundlage, S. 59 f. M. E. lassen sich aber klare Grenzen ziehen. Dazu im Einzelnen unten D.I.3. 269 Dazu näher unten D.I. Vgl. Bachem, in: Bo/Br, EStG, § 23 Rn. 30 (Aug. 2003), nach dessen Ansicht unvermeidbare Unzulänglichkeiten nicht zur Verfassungswidrigkeit einer Norm führen.
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C. Systematische Sonderstellung des §
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zunehmende Kritik, betriebliche und private Veräußerungsgewinne würden trotz gleicher Leistungsfähigkeit unterschiedlich besteuert, verstärkt nach Begründungen für den Dualismus der Einkunftsarten gesucht. Teilweise wird diesen Bemühungen jedoch entgegnet, eine rechtspolitische Begründung für den Dualismus der Ermittlung der Einkünfte und für die Unterschiede in der Besteuerung der Einkunftsarten gebe es nicht. Die Unterschiede seien nur historisch zu erklären. 2 7 0 Auch nach den Feststellungen des BVerfG sind Veräußerungen im Betriebs- und im Privatvermögen wirtschaftlich und rechtlich derselbe Vorgang 271 und deswegen vergleichbar. 272 Die Ungleichbehandlung durch ihre steuerliche Erfassung im Betriebsvermögen und ihre grundsätzliche Nichterfassung im Privatvermögen ist daher rechtfertigungsbedürftig. 273 Entscheidendes gemeinsames Merkmal trotz bestehender Unterschiede zwischen Gewinn- und Überschusseinkünften ist die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit. 274 Die Besteuerung muss insbesondere im Einkommensteuerrecht an der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit ausgerichtet werden. 2 7 5 270 Doralt/Ruppe, Grundriss, Rn. 153. 271 BVerfG v. 9. 7. 1969-2 BvL 20/65, BVerfGE 26, 302 (312). Ebenso bzgl. der Veräußerung von Kapitalanteilen BVerfG v. 7. 10. 1969-2 BvL 3/66, 2 BvR 701/64, BVerfGE 27, 111 (127). Vgl. zur Vergleichbarkeit von § 23 EStG und anderen Einkunftsarten wegen der marktbezogenen Tätigkeit der Veräußerung von Wirtschaftsgütern FG des Saarlandes v. 1. 3. 2001-2 V 400/00, JURIS-Nr. STRE200170613 (unter 2.1.1.). 272 Gegen die Vergleichbarkeit Durchlaub, S. 100 f. Im Sinne einer fehlenden Vergleichbarkeit von Gewinn- und Überschusseinkünften lässt sich auch die Aussage des BFH verstehen, angesichts der unterschiedlichen Regelungen bei Gewinn- und Überschusseinkünften könne nicht ein einzelner Bereich (hier Vorsorgeaufwendungen) herausgegriffen und an diesem eine willkürliche Ungleichbehandlung festgemacht werden. So BFH v. 27. 3. 2001 - X B 142/00, BFH/NV 2001, 1240 (1241). 273 Der BFH deutet dagegen vereinzelt eine saldierende Betrachtung an, wenn hinsichtlich einer Ungleichbehandlung bei Vorsorgeaufwendungen argumentiert wird, Steuerpflichtige mit Gewinneinkünften könnten in größerem Umfang legale Gestaltungsmöglichkeiten ausnutzen als Arbeitnehmer. Deswegen könne nicht eine Ungleichbehandlung in einem einzelnen Bereich (hier Vorsorgeaufwendungen) herausgegriffen werden. So BFH, Fn. 272, BFH/ NV 2001, 1240 (1241). Bei der verfassungsrechtlichen Prüfung von Normen dürfen Vorteile aus einer Norm aber nicht mit Nachteilen anderer Normen saldiert werden (Saldierungsverbot), Lang, DStJG 24 (2001), 49 (104), str. Eingehend zur Saldierung Hey, AöR 128 (2003), 226 ff., die eine Saldierung nur unter engen Voraussetzungen zulassen will. Das BVerfG hat in einigen Fällen eine saldierende Betrachtung vorgenommen, z. B. BVerfG v. 24. 1. 1962-1 BvR 845/58, BVerfGE 13, 331 (341 f.); BVerfG v. 18. 6. 1975-1 BvR 528/72, BVerfGE 40, 109 (117 ff.); BVerfG v. 10. 4. 1997-2 BvL 77/92, BVerfGE 96, 1 (7 ff.). Der EuGH lehnt dagegen eine allgemeine Kompensation grundsätzlich ab, vgl. die Nachweise bei Hey, AöR 128 (2003), 226 (234 f.). 274 Vgl. Birk, Leistungsfähigkeitsprinzip, S. 171, wonach der Gesetzgeber eine einmal getroffene Bestimmung der Kriterien für eine Gleichbehandlung auf horizontaler Ebene nicht durchbrechen darf, da ansonsten Bevorzugungen bzw. Benachteiligungen einzelner Gruppen entstehen. 275 BVerfG v. 29. 5. 1990-1 BvL 20/86 u. a., BVerfGE 82, 60 (86); BVerfG v. 10. 2. 1987-1 BvL 18/81, 20/82, BVerfGE 74, 182 (200); BVerfG v. 22. 2. 1984-1 BvL 10/80, BVerfGE 66, 214 (223) m. w. N. Für eine Besteuerung der Bürger „im Verhältnis zu ihren Fähigkeiten" schon A. Smith, Der Wohlstand der Nationen, S. 703.
I. Der Dualismus der Einkunftsarten
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Denn die Steuergerechtigkeit als bereichsspezifische Ausprägung des Gleichheitssatzes im Steuerrecht fordert die rechtlich und tatsächlich gleiche Belastung der Steuerpflichtigen durch ein Steuergesetz (steuerliche Lastengleichheit). 276 Auf die verfassungsrechtliche Rechtfertigungsbedürftigkeit der Nichtbesteuerung privater Veräußerungen 277 soll daher im Folgenden vor dem Hintergrund der Rechtsprechung des BVerfG näher eingegangen werden.
a) Gesetzgeberischer Spielraum bei der Erschließung von Steuerquellen nach Ansicht des Bundesverfassungsgerichts Das BVerfG hat den Dualismus der Einkunftsarten in mehreren Entscheidungen zum Teil ausdrücklich 278 gebilligt. 2 7 9 Dabei stand der Spielraum des Gesetzgebers 280 zur Erschließung von Steuerquellen im Vordergrund. 281 Das BVerfG geht stellenweise auch implizit von der Verfassungsmäßigkeit des Dualismus aus, wenn es dessen Auswirkungen im EStG umschreibt. 282 Auch in jüngerer Zeit wurde der 276 Z. B. BVerfG v. 5. 2. 2002-2 BvR 305, 348/93, BVerfGE 105, 17 (46); BVerfG v. 10. 4. 1997-2 BvL 77/92, BVerfGE 96, 1 (6); BVerfG v. 22. 6. 1995-2 BvL 37/91, BVerfGE 93, 121 (134); BVerfG v. 27. 6. 1991-2 BvR 1493/89, BVerfGE 84, 239 (LS 1 und S. 268 f.). 277 Vgl. Birk, StuW 2000, 328 (330). 278 BVerfG v. 9. 7. 1969-2 BvL 20/65, BVerfGE 26, 302 (312). Ebenso BVerfG v. 8. 10. 1975-1 BvR 141/75, HFR 1975, 581, zur unterschiedlichen Besteuerung der Veräußerung von Grundbesitz. Auch nach BVerfG v. 20. 5. 1988-1 BvR 273/88, Kammerbeschluss, unveröffentlicht, ist die Ungleichbehandlung von Betriebs- und Privatvermögen mit Art. 3 I G G zu vereinbaren. 279 BVerfG v. 7. 10. 1969-2 BvL 3/66, 2 BvR 701/64, BVerfGE 27, 111 (127 ff.), zu § 17 EStG; BVerfG v. 11. 5. 1970-1 BvL 17/67, BVerfGE 28, 227 (236 f.), zu § 4 1 5 EStG а. F. 280 Als Rechtfertigung des Dualismus kommt zudem ein weiterer Spielraum des Gesetzgebers in Betracht: der Spielraum bei der Auswahl der Elemente, die für die Vergleichbarkeit von Sachverhalten herangezogen werden. Denn nach dem BVerfG kann der Gesetzgeber die Sachverhalte auswählen, an die er dieselbe Rechtsfolge knüpft, die er also im Rechtssinne als gleich ansehen will. Die Auswahl muss jedoch sachgerecht sein, z. B. BVerfG v. 8. 4. 1987-2 BvR 909/82, BVerfGE 75, 108 (157) m. w. N. Diese grundsätzliche Freiheit des Gesetzgebers wird aber im Steuerrecht durch das Prinzip der Besteuerung nach der finanziellen Leistungsfähigkeit und das Gebot der Folgerichtigkeit begrenzt, BVerfG v. 4. 12. 2002-2 BvR 400/98, 2 BvR 1735/00, BVerfGE 107, 27 (46); BVerfG v. б. 3. 2002-2 BvL 17/99, BVerfGE 105, 73 (125). Aus dem Spielraum des Gesetzgebers bei der Auswahl gleicher Sachverhalte kann daher für die Besteuerung privater Veräußerungen nichts abgeleitet werden. 281 BVerfG v. 9. 7. 1969-2 BvL 20/65, BVerfGE 26, 302 (310, 312); BVerfG v. 7. 10. 1969-2 BvL 3/66, 2 BvR 701/64, BVerfGE 27,111 (127). Vgl. dazu Arndt/Schumacher, AöR 118 (1993), 513 (557). 282 Es führt z. B. aus, dass Wertveränderungen in der Vermögensebene bei den Überschusseinkünften einkommensteuerlich unbeachtlich seien, BVerfG v. 26. 3. 1980-1 BvR 121, 122/76, BVerfGE 54, 11 (31).
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C. Systematische Sonderstellung des §
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Dualismus dadurch indirekt vom BVerfG gebilligt, dass § 23 EStG in der Entscheidung zu Vollzugsdefiziten bei Wertpapieren für an sich verfassungsmäßig erklärt wurde. 283 Allerdings betont das BVerfG immer wieder, dass der Gesetzgeber nicht gehindert wäre, jede Veräußerung von Gegenständen des Privatvermögens zu be284
steuern. Der BFH hat in seiner Rechtsprechung ebenfalls die Vereinbarkeit des Dualismus mit dem Grundgesetz bejaht.285 Mehrfach hat er sogar ausdrücklich festgestellt, dass der Dualismus verfassungsmäßig sei, 286 allerdings ohne nähere Begründung. Der Steuergesetzgeber sei bei der Ausformung von Steuertatbeständen im Rahmen der durch die Verfassung gezogenen Grenzen frei. 287 Auch in der Literatur wird teilweise vertreten, der Gesetzgeber könne auch im Bereich des EStG neue Steuerquellen erschließen und vorhandene Steuerquellen erweitern. 288 Die Freiheit bei der Auswahl des Steuergegenstandes und des Indikators der Leistungsfähigkeit wird hinsichtlich der gleichheitsrechtlichen Anforderungen auch damit begründet, dass dabei nicht die Person des Steuerpflichtigen, sondern die wirtschaftlichen Lebensverhältnisse betroffen seien, deren Gestaltung dem Steuerpflichtigen freistehe. 289 Vergleichbar mit dem weiten Spielraum des Gesetzgebers bei der Erschließung von Steuerquellen nach Ansicht des BVerfG ist auch die Argumentation, der Gesetzgeber müsse nicht jede wirtschaftliche Leis283 BVerfG v. 9. 3. 2004-2 BvL 17/02, BVerfGE 110, 94 (111 f.). 284 BVerfG, Fn. 283, BVerfGE 110, 94 (111 f.); BVerfG v. 9. 7. 1969-2 BvL 20/65, BVerfGE 26, 302 (312); BVerfG v. 7. 10. 1969 - 2 BvL 3/66, 2 BvR 701/64, BVerfGE 27, 111 (127). Dies könnte man als Indiz dafür sehen, dass das Gericht eine umfassende Besteuerung privater Veräußerungen für vorzugswürdig hält. Ebenso hält der BFH eine Neuregelung mit der Erfassung der Wertsteigerungen des Privatvermögens mit dem Ziel der Gleichmäßigkeit der Besteuerung für zulässig, BFH v. 16. 12. 2003 - IX R 46/02, BFHE 204, 228 (252). 285 BFH v. 8. 3. 1967 - V I R 24/66, BFHE 88, 182 (184); vgl. zur Verfassungsmäßigkeit des § 23 EStG BFH v. 29. 8. 1969 - V I R 319/67, BFHE 96, 520 (522). Stillschweigend für die Verfassungsmäßigkeit des Dualismus z. B. BFH v. 9. 11. 1993 - IX R 81 /90, BFHE 173, 97 (98 f.). 286 Jeweils mit Verweis auf die Verfassungsmäßigkeit des Dualismus nach Ansicht des BVerfG: BFH v. 16. 12. 2003 - IX R 46/02, BFHE 204, 228 (257); BFH v. 27. 3. 2001 - X B 142/00, BFH/NV 2001, 1240 (1241); BFH v. 25. 4. 1995 - IX R 114/92, BFH/NV 1995, 966. Offen gelassen von BFH v. 1. 3. 2001 - IV R 90/99, BFH/NV 2001, 904 (906). 287 Daher habe er in § 17 EStG einen vergleichsweise kleinen Sachverhaltsausschnitt als Besteuerungsobjekt bestimmen können, BFH v. 4. 11. 1992 - X R 33/90, BFHE 169, 357 (363). 288 So von Bornhaupt, BB 2003, 125 (127), der aus diesem Grund auch § 23 EStG in der Fassung vor dem StEntlG und durch das StEntlG für grundsätzlich verfassungsmäßig hält. Siehe auch Schön, StuW 1995, 366 (371), der dem Gesetzgeber die Definition der Einkunftsarten und die Entscheidung über die Einbeziehung von Vermögensänderungen überlassen will. Als Einschränkung soll aber weder die Überschussrechnung noch der Betriebsvermögensvergleich erhebliche Vorteile aufweisen dürfen. 289 M. Wendt, DSUG 28 (2005), 41 (44).
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tungsfähigkeit besteuern, sondern dürfe sich auf die Besteuerung der Leistungsfähigkeit beschränken, die er mit dem Einkommensteuerrecht als steuerrechtlich erheblich bewerte. 290 aa) Das Willkürverbot bei der Erschließung von Steuerquellen als bisheriger Maßstab Vor allem in der Entscheidung des BVerfG zu § 23 EStG wurde die Ungleichbehandlung zwischen Betriebsvermögen und Privatvermögen (und innerhalb des Privatvermögens) durch die unterschiedliche Erfassung von Veräußerungsgewinnen für zulässig gehalten. Es bestehe eine weitgehende Gestaltungsfreiheit bei der Erschließung von Steuerquellen, nur ein sachlich ungerechtfertigter und willkürlicher Missbrauch der Freiheit sei unzulässig.291 Die Gestaltungsfreiheit ende erst dort, wo ein einleuchtender Grund für die Gleichbehandlung oder Ungleichbehandlung fehle. 292 Das hat also zur Folge, dass sich nach dem BVerfG aus Art. 3 I GG als Prüfungsmaßstab für den Dualismus und für § 23 EStG im Hinblick auf die Ungleichbehandlungen zwischen Privatvermögen und Betriebsvermögen einerseits und innerhalb des Privatvermögens andererseits nur geringe Anforderungen ergeben. Die gewinnbringende Veräußerung im Privatvermögen und die im Rahmen der Gewinnbesteuerung sei wirtschaftlich und rechtlich derselbe Vorgang. 293 Daher sei es vertretbar und sachgerecht, die Gewinne aus Veräußerungsgeschäften im Sinne des § 23 EStG den sonstigen Einkünften zuzurechnen und diese zu besteuern.294 290 Durchlaub, S. 38 f. (der einen den Dualismus tragenden Spielraum des Gesetzgebers aus dessen Möglichkeit zur Definition des Einkommens herleitet). Zustimmend zu dieser Rechtfertigung der Nichtbesteuerung leistungsfähigkeitserhöhender privater Veräußerungen Lüdemann/Zugmaier, DStR 1996, 1636 (1639). 291 BVerfG v. 9. 7. 1969 - 2 BvL 20/65, BVerfGE 26, 302 (310). Ebenso BVerfG v. 7. 10. 1969 - 2 BvL 3/66, 2 BvR 701 /64, BVerfGE 27, 111 (127); BVerfG v. 18. 5. 1971 - 1 BvL 7, 8/69, BVerfGE 31, 119 (130); BVerfG v. 6. 12. 1983 - 2 BvR 1275/79, BVerfGE 65, 325 (354). Ähnlich BFH v. 4. 11. 1992 - X R 33/90, BFHE 169, 357 (365), wonach der Steuergesetzgeber innerhalb der vom Willkürverbot gezogenen Grenzen selbst bestimmen kann, welche Sachverhalte in welchem Umfang zu besteuern sind und was hierbei als gleich und ungleich anzusehen ist. Für die Verfassungsmäßigkeit auch Blümich / Glenk, § 23 EStG Rn. 21 (März 2005), der § 23 EStG für sachlich vertretbar hält. Kritisch zum Bestehen eines Spielraums beim Steuergegenstand Jachmann, DStJG 23 (2000), 9 (13 f., Fn. 24), die einwendet, die Leistungsfähigkeit sei auch schon bei der Bestimmung von Gegenstand und Grundtatbestand einer Steuer zu beachten. 292 BVerfG v. 9. 7. 1969 - 2 BvL 20/65, BVerfGE 26, 302 (310); BVerfG v. 6. 12. 1983 2 BvR 1275/79, BVerfGE 65, 325 (354); ähnlich BVerfG v. 7. 10. 1969 - 2 BvL 3/66, 2 BvR 701/64, BVerfGE 27,111 (127 f.). 293 BVerfG v. 9. 7. 1969 - 2 BvL 20/65, BVerfGE 26, 302 (312). Ebenso zur Veräußerung von Kapitalanteilen BVerfG v. 7. 10. 1969 - 2 BvL 3/66, 2 BvR 701/64, BVerfGE 27, 111 (127). 294 BVerfG v. 9. 7. 1969 - 2 BvL 20/65, BVerfGE 26, 302 (312).
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Als sachlich einleuchtenden Grund für die unterschiedliche Behandlung der privaten Veräußerungen durch die Frist sah das BVerfG an, dass der Gesetzgeber Gewinne aus Veräußerungen von Gegenständen des Privatvermögens nur dann als Einkünfte qualifizieren zu können glaubt, wenn sie innerhalb verhältnismäßig kurzer Zeit erzielt worden sind. 295 Nach dieser Aussage würde allein die Vorstellung oder Entscheidung des Gesetzgebers einen sachlichen Grund darstellen und deswegen ausreichen. Danach könnte insoweit nie ein Verfassungsverstoß eintreten, da jede Entscheidung des Gesetzgebers einen sachlichen Grund bilden würde. Diese Begründung ist daher zu Recht als Floskel kritisiert worden. 296 Es fehle ein einleuchtender Grund für die Annahme, dass die Einkünftequalität nach verhältnismäßig kurzer Zeit verloren gehe, und auch dafür, dass der Gesetzgeber dies angenommen habe. 297 In ähnlicher Weise wird kritisiert, ein sachlicher Grund für die Abweichung von der Leistungsfähigkeit werde nicht genannt.298 Das BVerfG 299 hat sich leider nicht mit den vorhandenen Begründungsversuchen für die Nichtsteuerbarkeit privater Veräußerungen auseinandergesetzt.300 Festzuhalten ist, dass das BVerfG die Entscheidung über den Umfang der Erfassung privater Veräußerungen als Entscheidung über die Erschließung von Steuerquellen eingeordnet hat und so zu einem großzügigen Prüfungsmaßstab gekommen
295 BVerfG v. 9. 7. 1969-2 BvL 20/65, BVerfGE 26, 302 (313). 296 Hpke, in: FS für Paulick, S. 391 (399); ders., StuW 1971, 2 (11); ders., Steuerrecht, 11. Aufl., S. 200. Zustimmend Lang, Bemessungsgrundlage, S. 58. 297 Tipke, StuW 1971, 2 (11). 298 Lang, Bemessungsgrundlage, S. 58; Tipke, StRO II, S. 720. Anschaulich zeigt Tipke, dass nach dem Begründungsmuster des BVerfG auch die Nichtsteuerbarkeit von Beamteneinkünften gerechtfertigt werden kann: Der sachlich einleuchtende Grund für die Ungleichbehandlung bestehe darin, dass der Gesetzgeber Einkünfte nur dann als Einkünfte zu qualifizieren können glaubte, wenn sie nicht solche von Beamten seien. So Tipke, StRO II, S. 720 f. 299 Teilweise geht das BVerfG bei der Billigung der zwei (Sub-)Systeme (vgl. Tipke, StuW 1971, 2 (10); Arndt/Schumacher, AöR 118 (1993), 513 (557)) davon aus, dass diese sich nach dem Gewinndenken unterscheiden lassen. So BVerfG v. 11. 5. 1970 - 1 BvL 17/67, BVerfGE 28, 227 (237). Auch die Überschusseinkünfte setzen jedoch eine Einkünfteerzielungsabsicht voraus. So zutreffend Tipke, StRO II, S. 722. 300 Vgl. a u c h die Kritik von Tipke, StRO II, S. 720: Das Gericht mache sich nicht einmal die Mühe, der amtlichen Begründung des Gesetzentwurfs zu entnehmen, was der Gesetzgeber wirklich geglaubt hat. 301 Widersprüchlich erscheint, dass in der Nichtbesteuerung der Gewinne aus der Veräußerung von landwirtschaftlichem Grund und Boden nach § 4 I 5 EStG a. F. vom BVerfG ein Verfassungsverstoß gesehen wurde, vgl. BVerfG v. 11. 5. 1970 - 1 BvL 17/67, BVerfGE 28, 227 (236 ff.). Auch dort hätte über den Spielraum bei der Erschließung von Steuerquellen argumentiert werden können. Ebenso Tipke, StuW 1971,2 (9).
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bb) Strengerer Maßstab aus den Geboten der Folgerichtigkeit und der Gleichbehandlung der Einkunftsarten? Das BVerfG ist auch später ausdrücklich bei dem Maßstab des weitreichenden gesetzgeberischen Spielraums bei der Auswahl des Steuergegenstandes, also der Erschließung von Steuerquellen,302 und der Bestimmung des Steuersatzes geblieben. 303 Es hat aber die Einschränkung vorgenommen, es sei die folgerichtige Umsetzung der einmal getroffenen Belastungsentscheidung erforderlich. 304 Ausnahmen vom Grundsatz der Folgerichtigkeit bedürften eines besonderen sachlichen Grundes, insbesondere im auf die Leistungsfähigkeit ausgerichteten Einkommensteuerrecht. 305 Es gebe einen verfassungsrechtlichen Grundsatz der folgerichtigen Bestimmung und Erfassung der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit im Einkommensteuerrecht.306 Diese letzte Aussage bestätigt die Forderung, dass sich auch der Grundtatbestand und die Steuerbemessungsgrundlage der Einkommensteuer an der gleichmäßigen Besteuerung der Leistungsfähigkeit ausrichten müssen.307 Der Gesetzgeber muss grundsätzlich im Rahmen der Bemessungsgrundlage jede Leistungsfähigkeit besteuern308 und verfügt nur über einen geringen Spielraum. 309 Nach die302 Jarass, in: Jarass/Pieroth, GG, Art. 3 Rn. 46. 303 BVerfG v. 4. 12. 2002 - 2 BvR 400/98, 2 BvR 1735/00, BVerfGE 107, 27 (47); BVerfG v. 6. 3. 2002 - 2 BvL 17/99, BVerfGE 105, 73 (126); BVerfG v. 5. 2. 2002 - 2 BvR 305, 348/93, BVerfGE 105, 17 (46); BVerfG v. 30. 9. 1998 - 2 BvR 1818/91, BVerfGE 99, 88 (95); BVerfG v. 29. 11. 1989 - 1 BvR 1402, 1528/87, BVerfGE 81, 108 (117). 304 BVerfG v. 4. 12. 2002 - 2 BvR 400/98, 2 BvR 1735/00, BVerfGE 107, 27 (47); BVerfG v. 6. 3. 2002 - 2 BvL 17/99, BVerfGE 105, 73 (126). Ebenso BVerfG v. 11. 11. 1998 - 2 BvL 10/95, BVerfGE 99, 280 (290), wo auch die verfassungsrechtliche Vorgabe der realitätsgerechten Abbildung wirtschaftlicher Vorgänge in der Bemessungsgrundlage herausgestellt wird. 305 BVerfG v. 4. 12. 2002 - 2 BvR 400/98, 2 BvR 1735/00, BVerfGE 107, 27 (47); BVerfG v. 6. 3. 2002 - 2 BvL 17/99, BVerfGE 105,73 (126). 306 BVerfG v. 6. 3. 2002 - 2 BvL 17/99, BVerfGE 105, 73 (126). Ähnlich dazu BVerfG v. 4. 12. 2002 - 2 BvR 400/98, 2 BvR 1735/00, BVerfGE 107, 27 (LS 1). 307 Tipke, StRO I, S. 501; zustimmend FG Köln v. 15. 9. 2004 - 7 K 1268/03, DStRE 2004, 1460 (1462). Ähnlich Jachmann, DStJG 23 (2000), 9 (13); Lang, in: Tipke/Lang, § 9 Rz. 42. Vgl. zum Erfordernis der realitätsgerechten Erfassung der Leistungsfähigkeit durch die Bemessungsgrundlage Kölner Entwurf, Rn. 28, 115. Siehe auch Mitschke, Erneuerung, Rn. 11, nach dessen Ansicht die horizontale Steuergerechtigkeit auch eine vollständige Erfassung der Einkünfte durch die gesetzlichen Definitionen der Einkunftsarten und des Einkommens verlangt. Vgl. auch Birk, StuW 2000, 328 (330), wonach Einkommen wegen seiner Funktion als Indikator von Leistungsfähigkeit möglichst vollständig erfasst werden muss. 308 Vgl. Tipke, StRO I, S. 524. A. A. Durchlaub, S. 38 f.; Lüdemann/Zugmaier, DStR 1996, 1636 (1639), wonach das EStG nach seiner Konzeption nicht die Zunahme an wirtschaftlicher Leistungsfähigkeit besteuern soll. Siehe auch Schneider, in: K / S / M , EStG, § 17 Rn. A 47 (Okt. 2000), nach dessen Ansicht Leistungsfähigkeit nur eine notwendige, aber noch keine hinreichende Bedingung für die Besteuerung ist.
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C. Systematische Sonderstellung des §
EStG
sem Maßstab der folgerichtigen Besteuerung der Leistungsfähigkeit durch die Einkommensteuer müsste konsequenterweise die Nichtbesteuerung privater Veräußerungen als Abweichung vom Leistungsfähigkeitsprinzip gerechtfertigt werden. 3 1 0 Denn unabhängig davon, wie man Leistungsfähigkeit konkretisieren will, beeinflussen betriebliche und private Veräußerungsgewinne in gleicher Weise die Leistungsfähigkeit. Schließlich wird vom BFH auch betont, Bezugspunkt der Gleichheitsprüfung sei die Fähigkeit, Steuern zu zahlen. 3 1 1 Dann wären besondere sachliche Gründe als Rechtfertigung des Dualismus erforderlich 312 und nicht jeder sachliche Grund ausreichend. Außerdem muss man sich fragen, warum das BVerfG die unterschiedliche Erfassung von Veräußerungsgeschäften nicht im Hinblick auf das Gebot der Gleichbehandlung von Einkunftsaiten, das allerdings eng mit dem Gebot der Folgerichtigkeit zusammenhängt, 313 untersucht. 314 Denn eine weitere zentrale Aussage des 309 Vgl. aber Bachem, in: Bo/Br, EStG, § 2 Rn. 23 (Juli 1998), der meint, der Gesetzgeber trage dem Leistungsfähigkeitsgebot mittels des Einkünftekataloges in § 2 EStG in pragmatischer Weise Rechnung. 310
Gleich hohe Leistungsfähigkeit muss grundsätzlich auch gleich hoch besteuert werden (horizontale Steuergerechtigkeit). So z. B. BVerfG v. 4. 12. 2002 - 2 BvR 400/98, 2 BvR 1735/00, BVerfGE 107, 27 (46); BVerfG v. 6. 3. 2002 - 2 BvL 17/99, BVerfGE 105, 73 (126); BVerfG v. 29. 5. 1990 - 1 BvL 20/86 u. a., BVerfGE 82, 60 (89); Birk, Leistungsfähigkeitsprinzip, S. 165, 170 ff. Zur Durchbrechung der Grundsätze der Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit und der Gleichmäßigkeit der Besteuerung durch Nichtbesteuerung beweglichen Privatvermögens siehe Schweizerisches Bundesgericht v. 8. 12. 1988, BGE 114 Ia 221, Erwägung 5.a). Vgl. auch Steuerrekurskommission I I des Kantons Zürich v. 5. 8. 2004, SteuerRevue 2004, 742 (745), wonach das Leistungsfähigkeitsprinzip eine umfassende Bemessungsgrundlage der Einkommensteuer erfordert und einzelne Einkunftsarten nicht von der Besteuerung ausgeschlossen werden dürfen. Zur Frage der Folgerichtigkeit bei Nichtbesteuerung privater Veräußerungen auch Lang, Bemessungsgrundlage, S. 501. 311 BFH v. 24. 2. 1999 - X R 171/96, BFHE 188, 69 (85). Für das Leistungsfähigkeitsprinzip als Vergleichsmaßstab auch Tipke, StRO II, S. 719. 312 Zur Rechtfertigung von Abweichungen von der Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit Birk/Barth, in: H / H / S p , § 4 AO Rz. 486 ff. (Nov. 1997). Vgl. auch Tipke, StRO I, S. 524, nach dessen Ansicht Durchbrechungen des Leistungsfähigkeitsprinzips nicht bei jedem sachlichen Grund, sondern nur bei Durchbrechungen mit hinreichendem Gemeinwohlgewicht zulässig sind. Auch nach Ansicht von Papier reicht für eine ungleiche Besteuerung trotz gleicher Leistungsfähigkeit nicht jeder sachliche Grund aus. Es seien zwingende Gründe erforderlich. So Papier, KritV 1987,140 (154 f.). 313 Zum Grundsatz der Gleichbehandlung der Einkunftsarten als bereichsspezifische Ausprägung des verfassungsrechtlichen Gebots der Folgerichtigkeit BFH v. 24. 2. 1999 - X R 171/96, BFHE 188, 69 (86). 314 Kritisch auch Tipke, StRO ü, S. 717 m. w. N. Teilweise wird bei der Kritik auch auf das Prinzip der synthetischen Einkommensteuer abgestellt. Siehe Ruppe, in: H / H / R , Einf. ESt Anm. 73 (Febr. 1990), der die grundsätzliche Nichtbesteuerung außerbetrieblicher Veräußerungen als Widerspruch zur synthetischen Einkommensteuer kritisiert, sowie Steuerrekurskommission I I des Kantons Zürich v. 5. 8. 2004, SteuerRevue 2004, 742 (744), wonach die Nichtbesteuerung privater Veräußerungen einen Fremdkörper im System der synthetischen Einkommensteuer darstellt. Auch nach Lang erfordert das synthetische Prinzip, Ver-
I. Der Dualismus der Einkunftsarten
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BVerfG lautet, dass die systematische Unterscheidung der Einkunftsarten allein eine Ungleichbehandlung nicht rechtfertigen könne.315 Das Einkommensteuergesetz dürfe mehrere Einkunftsarten unterscheiden und daran auch unterschiedliche Regelungen knüpfen; diese müssten ihre Rechtfertigung - wenn auch in typisierender und generalisierender Weise - aber in besonderen sachlichen Gründen finden. 316 Dann würde also ein strengerer Maßstab für die Beurteilung des Dualismus gelten als bislang vom BVerfG angenommen. Um nichts anderes als eine Ungleichbehandlung der Einkunftsarten handelt es sich jedoch, wenn Veräußerungsgeschäfte unterschiedlich behandelt werden, je nachdem, ob sie im Bereich der Gewinn- oder der Überschusseinkünfte erfolgen. Das BVerfG hat selbst betont, Veräußerungen im Betriebsvermögen und im Privatvermögen seien derselbe wirtschaftliche und rechtliche Vorgang.317 Dann wären die unterschiedlichen Rechtsfolgen ebenfalls durch besondere sachliche Gründe zu rechtfertigen. 318 Dass der Steuerpflichtige die Erzielung von Einkünften einer bestimmten Art nur sehr begrenzt beeinflussen kann, spricht für die Einordnung als Ungleichbehandlung von Personengruppen und damit für die Anwendung strenger Maßstäbe bei der Prüfung an Art. 3 I GG. 3 1 9 Der Forderung nach einer Besteuerung privater Veräußerungen wegen des Gleichbehandlungsgebots ließe sich höchstens entgegen halten, dass der Gesetzgeber § 17 EStG, § 23 EStG und die betrieblichen Einkünfte - trotz Unterschieden bei der Ausgestaltung - an sich steuerlich gleich hoch belastet. Er hat sich aber vorher entschieden, private Veräußerungen grundsätzlich nicht als Einkunftsart zu erfassen. Nach dieser Argumentation läge keine Ungleichbehandlung von Einkunftsarten vor, sondern eine Auswahl des Steuergegenstandes. Gegen die Annahme, die Entscheidung über den Umfang der steuerlichen Erfassung privater Veräußerungen sei als Erschließung von Steuerquellen einzustufen, spricht aber, dass der Gesetzgeber sich auch nicht auf die Erschließung von Steueräußerungseinkünfte vollständig zu besteuern, Lang, DSUG 24 (2001), 49 (118 f.); zustimmend Bäuml, System und Reform, S. 33. 315 BVerfG v. 6. 3. 2002 - 2 BvL 17/99, BVerfGE 105, 73 (126) m. w. N.; BVerfG v. 30. 9. 1998 - 2 BvR 1818/91, BVerfGE 99, 88 (95); BVerfG v. 10. 4. 1997 - 2 BvL 77/92, BVerfGE 96, 1 (6); BVerfG v. 8. 10. 1991 - 1 BvL 50/86, BVerfGE 84, 348 (363 f.). 316 BVerfG v. 30. 9. 1998 - 2 BvR 1818/91, BVerfGE 99, 88 (95); für den Maßstab ausreichend gewichtiger sachlicher Gründe BVerfG v. 8. 10. 1991 - 1 BvL 50/86, BVerfGE 84, 348 (363 f.). 317 Z. B. BVerfG v. 9. 7. 1969 - 2 BvL 20/65, BVerfGE 26, 302 (312). 318 BVerfG v. 30. 9. 1998 - 2 BvR 1818/91, BVerfGE 99, 88 (95). Nach dem BFH v. 24. 2. 1999 - X R 171 / 96, BFHE 188, 69 (86), muss das Gewicht der für die Abweichung sprechenden Gründe der Intensität der getroffenen Ausnahmeregelung entsprechen. 319 Vgl. zur Privilegierung gewerblicher Einkünfte durch § 32c EStG a. F. BFH v. 24. 2. 1999 - X R 171 / 96, BFHE 188, 69 (84 f.); Wernsmann, NJW 2000, 2078 (2079). Zur strengen Bindung des Gesetzgebers bei der Ungleichbehandlung von Personengruppen z. B. BVerfG v. 2. 3. 1999 - 1 BvL 2/91, BVerfGE 99, 367 (388 f.); BVerfG v. 26. 1. 1993 - 1 BvL 38/92 u. a., BVerfGE 88, 87 (96 f.).
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C. Systematische Sonderstellung des §
EStG
quellen berufen könnte, wenn er z. B. Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft nicht mehr der Einkommensteuer unterwerfen wollte und daher anordnete, dass diese Einnahmen nicht zum gesetzlichen Einkommensbegriff gehören sollen. Damit wäre sein Gestaltungsspielraum wohl unstreitig überschritten. Dem Gesetzgeber darf keine regelungstechnische Umgehung des Gebots der Folgerichtigkeit durch die Verweigerung der Regelung eines Grundtatbestandes und die Normierung von sieben320 Einzeltatbeständen möglich sein. Die Aussagen des BVerfG zur Verfassungsmäßigkeit des Dualismus der Einkunftsarten lassen sich also nur schwer mit seiner Rechtsprechung zum Gebot der Gleichbehandlung der Einkunftsarten und zum Gebot der Folgerichtigkeit in Einklang bringen. Gegen die Heranziehung des Maßstabs der Erschließung von Steuerquellen innerhalb der Einkommensteuer bestehen auch in anderer Hinsicht erhebliche Bedenken. Das Einkommen ist durch die Einkommensteuer schon als Steuerquelle erschlossen bzw. als Steuergegenstand der Einkommensteuer festgelegt und muss im Anschluss daran folgerichtig ausgestaltet werden, unter anderem für Veräußerungen von Privatvermögen. Der postulierte gesetzgeberische Spielraum für die Erschließung von Steuerquellen sollte nur für die Einführung neuer Steuern gelten und für die konkrete Ausgestaltung der Einkommensteuer keine Bedeutung haben. 321 Denn Art. 3 I GG bindet den Gesetzgeber an die Steuergerechtigkeit, die insbesondere bei der Einkommensteuer eine Besteuerung nach der finanziellen Leistungsfähigkeit fordert. 322 Auch die Bemessungsgrundlage muss sich möglichst genau am Leistungsfähigkeitsprinzip ausrichten.323 Der Gesetzgeber kann und muss die Leistungsfähigkeit konkretisieren 324 und kann Einkommen nach unterschiedlichen Belastungsprinzipien definieren. Dabei gibt es einen gewissen Spielraum. 325 Hat er sich jedoch z. B. entweder für die Besteuerung des Markteinkom320 Wenn man die Untertatbestände, z. B. von § 22 EStG, mitzählt, existieren sogar noch mehr Einzeltatbestände. 321 Zudem lässt sich der postulierte Spielraum des Gesetzgebers bei der Auswahl des Steuergegenstandes, der mit nur geringen Anforderungen an den Gesetzgeber verbunden ist, grundsätzlich in Frage stellen. Trotz der zentralen Bedeutung der Deckung des Finanzbedarfs des Staates für die Wahrnehmung aller staatlichen Aufgaben genügt das fiskalische Interesse allein nicht als Rechtfertigungsgrund. Der Staat muss sich gerade durch eine gleichmäßige Lastenausteilung finanzieren. Auch bei der Auswahl von Steuerquellen bzw. Steuergegenständen könnten daher ausreichend gewichtige Gründe für die Besteuerung gerade dieser Sachverhalte gefordert werden. 322 BVerfG v. 4. 12. 2002 - 2 BvR 400/98, 2 BvR 1735/00, BVerfGE 107, 27 (LS 1); BVerfG v. 22. 2. 1984 - 1 BvL 10/80, BVerfGE 66, 214 (223); BVerfG v. 3. 11. 1982 1 BvR 620/78 u. a., BVerfGE 61, 319 (343 f.). 323 Jachmann, DStJG 23 (2000), 9 (13 f.). 324 Siehe insbesondere Birk, Steuerrecht, Rn. 33 ff. m. w. N., 157; Jachmann, DStJG 23 (2000), 9 (13); Lang, Bemessungsgrundlage, S. 125, 128 f.; ders., DStJG 24 (2001), 49 (56); Seiler, JZ 2004,481 (482).
I. Der Dualismus der Einkunftsarten
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mens, der Quellenerträge oder des Reinvermögenszugangs entschieden, muss er diese Entscheidung folgerichtig umsetzen. Eine Mischung von verschiedenen Theorien wäre eine in sich widersprüchliche Konkretisierung der Leistungsfähigkeit. 326 Deswegen lässt sich auch nicht argumentieren, wenn der Gesetzgeber private Veräußerungen schon aus dem Einkommensbegriff ausgrenze, sei die gesetzliche Umsetzung des zweigeteilten Einkommensbegriffs durch Gewinn- und Überschusseinkünfte folgerichtig. Denn die Definition des Einkommens muss einheitlich sein. Auch ein Vergleich mit anderen Entscheidungen des BVerfG gibt Anlass, die Beurteilung des Dualismus zu überdenken. Das BVerfG hat beispielsweise die Ungleichbehandlung durch steuerfreie Aufwandsentschädigungen nach § 3 Nr. 12 S. 1 EStG a. F. für verfassungswidrig erklärt, weil diese als Erwerbseinkünfte zu besteuern seien, obwohl diese im Vergleich zu der durch den Dualismus ausgelösten Ungleichbehandlung einen wesentlich geringeren Umfang hatte. 327
cc) Zusammenfassung An der Auffassung des BVerfG zum Dualismus ist also sowohl zu kritisieren, dass es keinen Grund für die grundsätzliche Nichtbesteuerung privater Veräußerungen genannt hat, als auch dass der Maßstab des Willkürverbots bei der Erschließung von Steuerquellen für den Umfang der Einkommensbesteuerung nicht überzeugend erscheint. Aufgrund der neueren Rechtsprechung des BVerfG zum allgemeinen Gleichheitssatz und zur Steuergerechtigkeit sollte heute ein anderer, strengerer verfassungsrechtlicher Maßstab an den Dualismus und an § 23 EStG angelegt werden. Die grundsätzliche Nichtbesteuerung der Veräußerungen von Privatvermögen ist als Abweichung vom Prinzip der Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit 328 im 325 Vgl. M. Wendt, DStJG 28 (2005), 41 (43 f.), nach dessen Ansicht der Gesetzgeber bei der Auswahl des Indikators für Leistungsfähigkeit einen nur durch das Willkürverbot begrenzten Spielraum hat; für einen weiten Spielraum bezüglich der Indikatoren auch Birk, Leistungsfähigkeitsprinzip, S. 167, 171. Vgl. auch Tipke, StuW 1971, 2 (10). 326 Für die Zulässigkeit der Mischung der Reinvermögenszugangstheorie und der Quellentheorie als Entscheidung bei der Auswahl des Indikators für Leistungsfähigkeit dagegen Af. Wendt, DStJG 28 (2005), 41 (44). Vgl. aber auch Lang, Bemessungsgrundlage, S. 128 f., der die Besteuerung des Markteinkommens für eine vom Gesetzgeber selbst statuierte Sachgesetzlichkeit hält. 327 BVerfG v. 11. 11. 1998 - 2 BvL 10/95, BVerfGE 99, 280 (LS 1,2 und S. 290 f.). 328 Vgl. Handzik, in: L / B / P , EStG, § 2 Rn. 4, 14 f. (Nov. 2004), nach dessen Ansicht die Leistungsfähigkeit das Einkommen und den Grund der Einkommensteuerpflicht darstellt, auch wenn Ausnahmen bestehen (Rn. 24). Gegen einen im Zuwachs an finanzieller Leistungsfähigkeit bestehenden Belastungsgrund der Einkommensteuer Schneider, in: K / S / M , EStG, § 17 Rn. A 47 (Okt. 2000), der die Leistungsfähigkeit dafür als zu konturenarm kritisiert. Ebenso Schneider, Private Vermögensverwaltung, S. 117.
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C. Systematische Sonderstellung des §
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Sinne von Zahlungsfähigkeit bzw. vom Markteinkommen329 bzw. von der Besteuerung des Entgelts für erbrachte Leistungen330, je nachdem worin man die Grundentscheidung der Einkommensteuer sieht, und als Ungleichbehandlung der Einkunftsarten zu rechtfertigen. Es sollte geprüft werden, ob Gründe von ausreichender Art und ausreichendem Gewicht für die Abweichung bestehen, und damit eine Verhältnismäßigkeitsprüfung stattfinden. 331
b) Markteinkommenstheorie Des Weiteren ist im Hinblick auf die Rechtfertigung der Nichtbesteuerung privater Veräußerungen der Ansatz einiger Anhänger der Markteinkommenstheorie zu nennen, die versuchen, auch den Dualismus der Einkunftsarten sowie die Durchbrechungen durch § 17 EStG und § 23 EStG mit der Markteinkommenstheorie zu erklären. Nach der Markteinkommenstheorie unterliegen der Einkommensteuer nur die am Markt erwirtschafteten Einkünfte. Sie ist trotz vielfacher Kritik inzwischen weit verbreitet, insbesondere dadurch, dass sie stellenweise in der Rechtsprechung des BVerfG und des BFH anklingt. Der BFH hat den Begriff des Markteinkommens zwar selten verwendet. In einer Entscheidung aus dem Jahr 2001 spricht er allerdings von der Besteuerung des Markteinkommens als Beispiel für die „Entdeckung" steuerrechtlicher Grundsätze. 3 3 2 Auch in einer Entscheidung aus dem Jahr 1994 stellt der BFH fest, die Einkommensteuer erfasse grundsätzlich nur die erwirtschaftete objektive Leistungsfähigkeit. 333 Eine bloße Umschichtung von Privatvermögen steigere die finanzielle Leistungsfähigkeit nicht. 334 Damit sieht der BFH das Markteinkommen jedenfalls als Grundlage des geltenden EStG an. 335
329
Für einen solchen Belastungsgrund des EStG z. B. Durchlaub, S. 63. Für das erwirtschaftete Markteinkommen als Steuergegenstand Jakob, Einkommensteuer, § 1 Rn. 3. 330 Weber-Grellet, Steuern im modernen Verfassungsstaat, S. 76. 33 1 BVerfG v. 20. 4. 2004- 1 BvR 1748/99, 905/00, BVerfGE 110, 274 (291); Jarass, in: Jarass/Pieroth, GG, Art. 3 Rn. 27. 332 So im Hinblick auf Vertrauensschutz gegenüber Rechtsprechungsänderungen BFH v. 14. 11. 2001 - X R 39/98, BFHE 197, 179 (186). 333 BFH v. 25. 10. 1994 - V I I I R 79/91, BFHE 175, 439 (444 f.). Der BFH spricht auch vom „Transfer von Markteinkommen" (im Hinblick auf private Versorgungsrenten bei Vermögensübergaben). 33 4 BFH v. 25. 10. 1994 - V I I I R 79/91, BFHE 175,439 (445). 335
Auch nach dem FG Rheinland-Pfalz bilden die Vermögenszuwächse, die am Markt erwirtschaftet werden, also Markteinkommen sind, den Besteuerungsgegenstand der Einkommensteuer, FG Rheinland-Pfalz v. 27. 4. 2001 - 4 K 1671/00, DStRE 2001, 872 (874 f.). Allerdings stellt das Finanzgericht selbst fest, dass die Einkommensteuer auch Vermögenszuwächse besteuert, die kein Markteinkommen sind (S. 875).
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Das B VerfG hat in seiner Entscheidung zur Steuerfreiheit der sog. Aufwandsentschädigungen gemäß § 3 Nr. 12 S. 1 EStG geäußert, der Gesetzgeber habe im Einkommensteuerrecht die Belastungsentscheidung getroffen, die Markteinnahmen abzüglich des erwerbssichernden und des existenzsichernden Aufwandes zu besteuern. 336 Die Steuerfreiheit der Zulagen für Besoldungsempfänger des Bundes im Beitrittsgebiet verstoße gegen Art. 3 I GG, da die Zulagen überwiegend Erwerbseinkünfte aus nicht selbständiger Arbeit seien und als solche besteuert werden müssten.337 Ebenso deutet auf die Zugrundelegung der Markteinkommenstheorie hin, dass Einnahmen und Aufwendungen, die durch eine Erwerbstätigkeit veranlasst sind und deshalb durch § 2 I und § 2 II EStG in die einkommensteuerliche Bemessungsgrundlage einbezogen werden, den Ausgangstatbestand der Einkommensteuer bilden sollen.338 Auch das BVerfG geht also von der Besteuerung des Markteinkommens aus. 339 Damit die Markteinkommenstheorie als Rechtfertigung für den Dualismus und für § 23 EStG herangezogen werden kann, ist aber darzulegen, warum private Veräußerungen nur im Fall des § 23 EStG zu besteuerndes Markteinkommen darstellen sollen.
aa) Marktbezogenheit als Differenzierungsgrund Nach der u. a. schon in der Gesetzesbegründung 1920 340 angedeuteten Markteinkommenstheorie341 sind ausschließlich am allgemeinen Markt erwirtschaftete 336 BVerfG v. 11. 11. 1998 - 2 BvL 10/95, BVerfGE 99, 280 (295). Vgl. auch BVerfG v. 30. 9. 1998 - 2 BvR 1818/91, BVerfGE 99, 88 (95): Belastungsgrund des geltenden Einkommensteuerrechts sei die Besteuerung des durch die Nutzung der von der Rechtsgemeinschaft eröffneten Märkte und der staatlichen Rechtsordnung erzielten Einkommens. Auch in der Wortwahl ,Erwerb" klingt die Markteinkommenstheorie an, wenn das BVerfG ausführt, Nettoeinkommen sei der Saldo aus Erwerbseinnahmen einerseits sowie Erwerbsaufwendungen und existenzsichernden Aufwendungen andererseits. So BVerfG v. 4. 12. 2002 - 2 BvR 400/98, 2 BvR 1735/00, BVerfGE 107, 27 (47). 337 BVerfG v. 11. 11. 1998 - 2 BvL 10/95, BVerfGE 99, 280 (297). 338 BVerfG, Fn. 337, BVerfGE 99, 280 (290). 339 Allerdings wurde die Entscheidung zugleich mit der Ungleichbehandlung gegenüber den Aufwandsentschädigungen aus sonstigen Kassen begründet, BVerfG, Fn. 337, BVerfGE 99, 280 (297). 340 Ähnlich der heutigen Markteinkommenstheorie diskutierte die Gesetzesbegründung 1920 einen Einkommensbegriff, der als Einkommen nur die Einnahmen aus wirtschaftlicher Tätigkeit ansah, auch wenn dies in erster Linie der Ausgrenzung der Erbschaften und Schenkungen diente. Siehe Verhandlungen der verfassunggebenden Deutschen Nationalversammlung, Band 340, Anlagen zu den Stenographischen Berichten, Berlin 1920, Nr. 1624 (Entwurf eines Reichseinkommensteuergesetzes), S. 18. 341 Die Markteinkommenstheorie wird als Beschränkung und Modifizierung des ökonomischen oder traditionellen Einkommensbegriffs angesehen, der als Einkommen den Zuwachs an individuell verfügbaren, geldwerten Wirtschaftsgütern, die jemand zum Leben, 8 Dechant
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C. Systematische Sonderstellung des §
EStG
Einkünfte steuerbar, also nur Einkünfte aus einer Erwerbstätigkeit mit Gewinnerzielungsabsicht.342 Besteuert werde nur das Markteinkommen, das durch Nutzung der in § 2 I 1 EStG genannten Erwerbsgrundlagen erzielt werde. 343 Kirchhof definiert das steuerbare Einkommen als Einnahmen aus der marktoffenbaren Nutzung einer marktabhängigen Erwerbsgrundlage abzüglich der existenz- und erwerbssichernden Aufwendungen (sog. Erwerbseinkommen). 344 Die Einkommensteuer erfasse nicht jeden Zuwachs an finanzieller Leistungsfähigkeit. 345 Aufgrund der Herleitung des individuellen Einkommens aus einer Beteiligung am allgemeinen Markt sei dieses Erwerbseinkommen und privat erworbene Eigentum sozialpflichtig (Art. 14 I I GG) und damit steuerbar. 346 Einkommen sei keine isolierte Leistung des Einzelnen, sondern er nutze die von der staatlichen Wirtschaftsgemeinschaft bereitgehaltene Angebots- und Nachfragekraft und die staatlichen Organisations- und Rechtshilfen für das Tauschen von Waren und Dienstleistungen.347 Die Steuer realisiere den Anteil des Staates am individuellen Erwerb durch die Nutzung gemeinschaftlich angebotener Erwerbsmöglichkeiten und werde durch diese Beteiligung der Allgemeinheit legitimiert. 348 Mit dieser sog. Theorie des Erwerbseinkommens soll über die Markteinkommenstheorie hinausgehend zum Ausdruck gebracht werden, dass das marktabhängige Erwerben auch Legitimationsgrundlage der Einkommensteuer ist. 349 Vermögensmehrungen, die nicht vom allgemeinen Markt abgeleitet seien und deswegen nicht zugleich auch durch die Rechtsgemeinschaft erwirtschaftet würden, würden nicht mit Einkommensteuer belastet. Dazu gehörten z. B. die Ergebzum Verbrauch für sich und seine Familie übrig hat, ohne seinen Vermögensbestand zu mindern, definiert, Kirchhof in: K / S / M , EStG, § 2 Rn. A 82, A 30. Zur Markteinkommenstheorie als Beschränkung der Besteuerungswürdigkeit allgemeiner persönlicher Leistungsfähigkeit vgl. Jakob, in: FS für Schmidt, S. 115 (116). 342 Kirchhof in: K / S / M , EStG, § 2 Rn. A 364, A 9; ders., DStR 2001, 913 (914 f.); Kirchhof / Kirchhof EStG, § 2 Rn. 47 ff., 22; ähnlich Wittmann, StuW 1993, 35 (36); Kölner Entwurf, Rn. 133,144; Lang, Reformentwurf, S. 41, 87; ders., DStJG 24 (2001), 49 (61,118). Vgl. Söhn, in: FS für Tipke, S. 343 (344). 343 Kirchhof/Kirchhof EStG, § 2 Rn. 47; vgl. Kirchhof in: K / S / M , EStG, § 2 Rn. A 663, ähnlich A 30. 344 Kirchhof, in: K / S / M , EStG, § 2 Rn. A 660; vgl. dens., 57. DJT, Gutachten F, S. 24. 345 Schneider, in: K / S / M , EStG, § 17 Rn. A 47 (Okt. 2000). 346 Kirchhof, in: K / S / M , EStG, § 2 Rn. A 660, A 365, A 30. Vgl. auch Kirchhof/Kirchhof EStG, § 2 Rn. 2; ders., 57. DJT, Gutachten F, S. 16 ff.; ders., StuW 1996, 3 (7). Für die Besteuerung des Markteinkommens z. B. auch Bäuml, System und Reform, S. 52. 347 Kirchhof in: K / S / M , EStG, § 2 Rn. A 365. 348 Kirchhof in: K / S / M , EStG, § 2 Rn. A 368, A 9. Ähnlich ders., 57. DJT, Gutachten F, S. 17; ders., StuW 1996, 3 (7); ders., DStR 2001, 913 (914). Vgl. auch Kirchhof/Kirchhof, EStG, § 2 Rn. 2; ders., Einkommensteuergesetzbuch, § 2 Rn. 25; zustimmend Bäuml, System und Reform, S. 38. 349 Kirchhof, in: K / S / M , EStG, § 2 Rn. A 365. Siehe auch Kirchhof/Kirchhof, EStG, § 2 Rn. 2.
I. Der Dualismus der Einkunftsarten
115
nisse der privaten Vermögensumschichtung durch Vermögensverwaltung.350 Private Vermögensverwaltung diene nicht dem Erzielen von Einkünften, sondern der Erhaltung und Erneuerung des Privatvermögens.351 Die Umschichtungen in der Sphäre des Privatvermögens stellten daher kein Einkommen dar, sondern bewirtschafteten versteuertes Einkommen.352 Die Veräußerung privater Gegenstände leite sich als in der Privatsphäre stattfindende Wertschöpfung 353 nicht vom Markt ab und sei daher trotz Erhöhung der Leistungsfähigkeit grundsätzlich nicht steuerbar. 354 Nicht einkommensteuerbar seien demnach z. B. die Nutzung der eigenen Wohnung und die private Wertschöpfung durch eigene Arbeitskraft (wie etwa beim Bau des eigenen Hauses) und Erlöse aus der Veräußerung von Gegenständen des Privatvermögens, 355 soweit sie nicht durch §§ 17, 23 EStG einem Betriebsvermögen angenähert seien.356 Die so verstandene Markteinkommenstheorie soll also den Dualismus der Einkunftsarten mit der grundsätzlichen Nichtsteuerbarkeit privater Veräußerungen rechtfertigen. Zudem sehen einige Vertreter der Markteinkommenstheorie einen qualitativen Unterschied zwischen gewerblicher Tätigkeit und privater Vermögensverwaltung. 357 Private Veräußerungsgewinne seien gegenüber dem betrieblichen Bereich atypischer und die Eigentumsordnung werde weniger intensiv in Anspruch genommen. 358 Deswegen sei eine Differenzierung zwischen gewerblicher Tätigkeit und privater Vermögensverwaltung möglich.359 Aus diesen Gründen sei auch plausibel, Gewinne aus der Umschichtung von Wirtschaftsgütern im privaten Bereich lediglich innerhalb einer Spekulationsfrist zu besteuern.360 Aufgrund der weniger intensiven Tätigkeit bei privaten Veräußerungen soll die Beschränkung auf die Besteuerung privater Veräußerungsgeschäfte gemäß § 23 EStG als Schwellenregelung zulässig sein. 361 Zugegeben wird allerdings, dass es sich bei der Fristlänge um einen 350 Kirchhof, in: K / S / M , EStG, § 2 Rn. B 87 (Apr. 1992). 351 Kirchhof, in: K / S / M , EStG, § 2 Rn. B 117 (Apr. 1992). 352 Kirchhof, in: K / S / M , EStG, § 2 Rn. B 117 (Apr. 1992). 353 Die Wertsteigerung von privaten Vermögensgegenständen basiert aber nicht auf Gründen aus der Privatsphäre, sondern auf Veränderungen am Markt. Daher treten diese Wertsteigerungen nicht in der Privatsphäre ein. 354 Kirchhof /Kirchhof, EStG, § 2 Rn. 47. Anders ders., 57. DJT, Gutachten F, S. 27: Private Veräußerungen seien zwar marktabhängig. Es fehle aber die dauernd verfestigte Verbundenheit mit dem Markt, weswegen sie nicht steuerbar seien. Ebenso Durchlaub, S. 69 f. 355 Zwar wird bei der Eigennutzung und bei eigenen Arbeitsleistungen nicht der Markt genutzt, bei privaten Veräußerungen dagegen schon. Dazu unten C.I.4.b)cc)(2). 356 Kirchhof / Kirchhof, EStG, § 2 Rn. 47. 357 Crezelius, in: K / S / M , EStG, § 23 Rn. A 22 (Jan. 1995). 358 Jakob, Einkommensteuer, 1. Aufl., § 2 Rn. 15; zustimmend Crezelius, in: K / S / M , EStG, § 23 Rn. A 22 (Jan. 1995); ebenso Lüdemann/Zugmaier, DStR 1996,1636 (1639). 359 Crezelius, in: K / S / M , EStG, § 23 Rn. A 22 (Jan. 1995). 360 Lüdemann/Zugmaier, DStR 1996, 1636 (1639). 361 Jakob, in: FS für Schmidt, S. 115 (117 f.). 8*
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C. Systematische Sonderstellung des §
EStG
„Rohmaßstab" handele, der willkürlich erscheine.362 Auch § 17 EStG wird als Besteuerung qualifizierter Marktteilnahme gerechtfertigt. 363 Als weiterer Unterschied sowie als Rechtfertigung des Dualismus der Einkunftsarten wird angeführt, das private Wirtschaften mit Vermögen entspreche einem tendenziell eher passiven Handlungstypus und unterscheide sich damit von der aktiven, berufsmäßigen Teilnahme am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr. 364 Dadurch variiere die Intensität der Vermögensnutzung. Überschusseinkünfte unterschieden sich damit im Sinne der Markteinkommenstheorie von Gewinneinkünften durch die Intensität der Marktteilnahme. 365 Dies rechtfertige eine unterschiedliche steuerliche Behandlung.366 Private Vermögensverwaltung sei Ausdruck für eine spezifische, Art und Umfang der Überschusseinkünfte kennzeichnende Marktteilnahme und daher Grenzlinie zu einem Qualifikationssprung mit Erfassung der Vermögenssubstanz.367 Bei privater Vermögensverwaltung überschreite die Marktteilnahme zwar hinsichtlich des Vermögenseitrages die Erheblichkeitsschwelle, aber nicht hinsichtlich der Vermögenssubstanz.368
bb) Allgemeine Einwände gegen die Markteinkommenstheorie Gegen diesen Begründungsansatz über die Markteinkommenstheorie bestehen sowohl im Hinblick darauf, dass das Markteinkommen den Gegenstand der geltenden Einkommensteuer darstellen soll, als auch im Hinblick auf ihre Heranziehung zur Erklärung der grundsätzlichen Nichtsteuerbarkeit privater Veräußerungen und des § 23 EStG einige, im Folgenden dargestellte Bedenken.369 Zunächst wird zutreffend kritisiert, der Markt sei kein staatlicher und könne auch ohne staatliche Eingriffe funktionieren. 370 Außerdem dürften nach der Markteinkommenstheorie nur im Inland erzielte Einkünfte besteuert werden. 371 362 Jakob, in: FS für Schmidt, S. 115 (118). 363 Schneiden in: K / S / M , EStG, § 17 Rn. A 45 (Okt. 2000). 364 Schneider, Private Vermögensverwaltung, S. 37. 365 Kirchhof, in: K / S / M , EStG, § 2 Rn. B 89 (Apr. 1992); Schneider, Private Vermögensverwaltung, S. 37. Wittmann, StuW 1993, 35 (39), sieht den Unterschied in der Intensität des Einsatzes der Wirtschaftsgüter. 366 Schneider, Private Vermögensverwaltung, S. 37, 115; Wittmann, StuW 1993, 35 (39). Vgl. Kirchhof, in: K / S / M , EStG, § 2 Rn. B 89 (Apr. 1992): Der Umfang des steuererheblichen Tatbestandes nehme mit der Intensität des Marktbezuges zu. 367 Schneider, Private Vermögensverwaltung, S. 108. 368 Schneider, Private Vermögensverwaltung, S. 108. Ähnlich Wittmann, StuW 1993, 35 (39 f.). 369 Ausführlich zur Kritik an der Markteinkommenstheorie z. B. Tipke, StuW 2000, 148 (155 f.) m. w. N.; Söhn, in: FS für Tipke, S. 343 ff.; Steichen, in: FS für Tipke, S. 365 ff.; Lademann / Jäschke, EStG, § 2 Rn. 68 (April 2002). 370 Isensee, 57. DJT, Band II, Sitzungsberichte Teil N, S. 36 f.; Steichen, in: FS für Tipke, S. 365 (371); Weber-Grellet, Steuern im modernen Verfassungsstaat, S. 81.
I. Der Dualismus der Einkunftsarten
(1) Entbehrlichkeit
einer speziellen Rechtfertigung
11
der Einkommensteuer
Dass die Einkommensteuer als Ausgleich für die Bereitstellung des Marktes gerechtfertigt wird, erinnert zudem an den insoweit überholten Äquivalenzgedanken. 372 Es ist nicht einzusehen, warum die Einkommensteuer eine Zahlung des Bürgers für die Bereitstellung des Marktes sein soll, während für andere staatliche Leistungen keine Gegenleistung gefordert wird. Steuern dienen der Deckung des allgemeinen Finanzbedarfs des Staates. Die Legitimation des Staates zum Zugriff auf das erzielte Einkommen besteht in der darin zum Ausdruck kommenden Leistungsfähigkeit. 373 Der staatliche Finanzbedarf ist nach dem Maßstab der Leistungsfähigkeit zu decken.374 Nach dem Leistungsfähigkeitsprinzip kommt es nicht darauf an, ob Einkünfte am Markt erzielt werden. 375 Über den Grund der Einkommensteuer oder ihre Beschaffenheit lässt sich dem Grundgesetz nichts entnehmen. 376 Es gibt keinen Bezug zwischen einzelnen Staatsleistungen und einzelnen Steuern. 377 (2) Kein erkennbarer Wille des Gesetzgebers fur die Umsetzung der Markteinkommenstheorie Als Kritik gegen die Markteinkommenstheorie ist weiterhin vorzubringen, dass sie dem Gesetzgeber einen Einkommensbegriff unterzuschieben versucht, für den sich in der Entstehungsgeschichte kein Anhaltspunkt finden lässt.378 Die pragmatische und lückenhafte Einkünfteenumeration in § 2 EStG 379 steht der Markteinkommenstheorie entgegen. § 22 Nr. 3 EStG ist kein Auffangtatbestand. 380 Der
371 Wassermeyer, DStR 2001, 920 (921). 372 Weber-Grellet, Steuern im modernen Verfassungsstaat, S. 80 f. Ähnlich Isensee, 57. DJT, Band II, Sitzungsberichte Teil N, S. 36; Steichen, in: FS für Tipke, S. 365 (371); Tipke, StuW 2000, 148 (156). 373 Weber-Grellet, Steuern im modernen Verfassungsstaat, S. 81. Zum Solidarbeitragsgedanken als Rechtfertigung aller Steuern ders., ZRP 2003, 279 (280). Ähnlich Jachmann, DStJG 23 (2000), 9 (45). 374 Weber-Grellet, Steuern im modernen Verfassungsstaat, S. 81; ders., ZRP 2003, 279; ähnlich Tipke, StuW 2000, 148 (155). 375 Tipke, StRO II, 1. Aufl., 1993, S. 652. 376 Tipke, StuW 2000, 148 (155). Kritisch zur Heranziehung von Art. 14 GG, der Eingriffe nur begrenze, zur Begründung steuerlicher Eingriffe Isensee, 57. DJT, Band II, Sitzungsberichte Teil N, S. 36; Tipke, StRO II, S. 597. Kritisch zur verfassungsrechtlichen Anknüpfung z. B. auch Lang, in: Tipke/Lang, § 4 Rz. 78; Söhn, in: FS für Tipke, S. 343 (349 ff.) m. w. N.; Steichen, in: FS für Tipke, S. 365 (370 ff.). Zur verfassungsrechtlichen Dimension des Markteinkommens auch Wittmann, StuW 1993, 35 (42 ff.). 377 Tipke, StuW 2000, 148 (156). 378 Ähnlich Söhn, in: FS für Tipke, S. 343 (355). 379 Vgl. Lang, in: Tipke/Lang, § 9 Rz. 591. 380 Birk, Steuerrecht, Rn. 719; Lang, in: Tipke/Lang, § 9 Rz. 591.
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C. Systematische Sonderstellung des §
EStG
Markteinkommenstheorie entspräche am besten eine Generalklausel zur vollständigen Erfassung des Markteinkommens. Schließlich spricht gegen die Markteinkommenstheorie, dass die einkommensteuerlichen Tatbestände nicht auf die Nutzung der Märkte oder die Einhaltung der staatlichen Rechtsordnung abstellen, sondern an andere Merkmale anknüpfen. 381 Die Teilnahme am Markt (am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr) ist nur Merkmal der gewerblichen Einkünfte. 382 Der Begriff Markt wird außerdem als unbestimmt und konturlos kritisiert. 383 (3) Fehlende Erklärung
der Markteinkommenstheorie
für einige Einkünfteteile
Auch Anhänger der Markteinkommenstheorie gestehen ein, dass die entgeltliche Verwertung von Leistungen am Markt nur für die meisten Einkunftsquellen des EStG das gemeinsame Merkmal darstellt, aber nicht für alle. 384 So vermag die Markteinkommenstheorie beispielsweise nicht die Besteuerung der Abgeordnetenbezüge zu erklären. Das BVerfG hat zwar festgestellt, statt der in Art. 48 III 1 GG vorgesehenen „Entschädigung" seien die Bezüge inzwischen eine Alimentation und Entgelt für die Inanspruchnahme durch das Mandat. 385 Daher handele es sich um zu besteuerndes Einkommen.386 Jedenfalls gibt es aber keinen Markt für Leistungen als Abgeordneter, sondern diese werden aufgrund der Wahlen erbracht. Daher handelt es sich bei den Bezügen nicht um Markteinkommen,387 auch wenn die Leistungsfähigkeit erhöht wird. Zudem kann die Markteinkommenstheorie die Steuerpflicht von Unterhaltszahlungen nicht erklären. Unterhaltszahlungen sind kein Markteinkommen.388 Die Be381 Weber-Grellet, 382 Weber-Grellet,
DStR 1998, 1781 (1782). Steuern im modernen Verfassungsstaat, S. 81, 76; ders., ZRP 2003, 279
(280). 383 Weber-Grellet, Steuern im modernen Verfassungsstaat, S. 81 (Die Einkommensteuer erfasse - zumeist entgeltliche - Leistungseinkünfte, S. 81, 76); zustimmend Tipke, StuW 2000, 148 (156). 384 Kirchhof in: K / S / M , EStG, § 2 Rn. A 363; Lademann/Jäschke, EStG, § 2 Rn. 68, 72 (April 2002); Lang, DStJG 4 (1981), 45 (55); ders., Reformentwurf, S. 41; Ruppe, DSÜG 1 (1978), 7 (16); Wittmann, StuW 1993, 35 (37). Isensee, 57. DJT, Band II, Sitzungsberichte Teil N, S. 37, weist zutreffend darauf hin, der Markt sei zwar der übliche Ort der Erzielung von Einkommen, aber nicht der einzig mögliche. Vgl. auch Handzik, in: L / B / P , EStG, § 2 Rn. 29 (Nov. 2004): Das Markteinkommen werde nicht allen Nuancen des gesetzlichen Einkommensbegriffs gerecht. Der Kölner Entwurf, Rn. 39, kritisiert zudem die unvollständige Erfassung des Erwerbseinkommens. 385 BVerfG v. 5. 11. 1975 - 2 BvR 193/74, BVerfGE 40, 296 (LS 1). 386 Das BVerfG definiert Einkommen allerdings leider nicht. 387 Auch nach der Ansicht von Tipke, StuW 2000, 148 (156, 159), sind Abgeordnetenbezüge kein Markteinkommen. 388 Ebenso Söhn, in: FS für Tipke, S. 343 (346); Tipke, StuW 2000, 148 (156); Lang, in: Tipke/Lang, § 9 Rz. 574, 583.
I. Der Dualismus der Einkunftsaten
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Steuerung von Unterhaltsleistungen lässt sich aber mit der Erhöhung der Leistungsfähigkeit des Empfängers erklären. 389 Auf das Konstrukt eines Transfers von Markteinkommen kann deswegen verzichtet werden. Die Besteuerung anderer wiederkehrender Bezüge nach § 22 Nr. 1, 1 a EStG entspricht ebenfalls nicht der Markteinkommenstheorie, soweit nicht erwirtschaftete Bezüge besteuert werden. 390 Selbst wenn man die Besteuerung wiederkehrender Bezüge heute auf erwirtschaftete Einkünfte beschränkt,391 wird deutlich, dass der Gesetzgeber nicht von der Markteinkommenstheorie ausging.392 (4) Erforderlichkeit der Bemessung der Einkommensteuer nach der Intensität der Marktnutzung Wenn die Einkommensteuer gewissermaßen die Gegenleistung des Bürgers für die Marktnutzung wäre, müsste die Höhe der Einkommensteuer konsequenterweise von der Intensität der Marktnutzung abhängen.393 Dafür ist jedoch die Höhe der Einkünfte nicht einmal ein Indiz. Denn z. B. kann durch einzelne Geschäfte mit geringer Marktnutzung ein hoher Gewinn erzielt werden, während auch eine intensive Marktnutzung etwa durch Beschäftigung zahlreicher Arbeitskräfte und eine Vielzahl von Verträgen z. B. mit Zulieferern möglicherweise keinen oder nur einen geringen Gewinn abwirft. Daran zeigt sich, dass sich die dem Äquivalenzgedanken nahe stehende Begründung der Besteuerung des Markteinkommens schwer mit dem Leistungsfähigkeitsprinzip vereinbaren lässt.
389 Nolde, in: H / H / R , § 12 EStG Anm. 8 (März 1992); Söhn, in: FS für Tipke, S. 343 (357, 360 f.). Die Besteuerung von Unterhaltszahlungen ist geboten, wenn diese beim Leistenden abziehbar sind. 390 Söhn, in: FS für Tipke, S. 343 (346); Lang, in: Tipke /Lang, § 9 Rz. 574, 579. Vgl. Lademann /Jäschke, EStG, § 2 Rn. 68 (April 2002). Vgl. zur Leistungsfähigkeit als Belastungsgrund der §§ 22, 23 EStG Schmidt/ Weber-Grellet, EStG, § 22 Rn. 1; einschränkend BFH v. 31. 3. 2004 - X R 18/03, DStR 2004, 1121 (1123), zu § 22 Nr. 1 EStG. 391 So Lang, in: Tipke/Lang, § 9 Rz. 579, 581, 583; vgl. BFH v. 25. 10. 1994 - V I I I R 79/91, BFHE 175, 439 (443), wonach Schadensersatzrenten nur als Surrogate für steuerbare Einkünfte steuerbar sind. Kritisch zu einer solchen Beschränkung Söhn, in: FS für Tipke, S. 343 (354 f., 357 f.). 392 Für einen quellentheoretischen Ansatz der Regelung Lang, in: Tipke/Lang, § 9 Rz. 99, 579, 582; a. A. Söhn, in: FS für Tipke, S. 343 (356). 393 Ausdrücklich für das Bestehen einer Korrelation zwischen der Intensität der Marktteilnahme und der des Steuerzugriffs Wittmann, StuW 1993, 35 (40).
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C. Systematische Sonderstellung des §
EStG
cc) Kritik an der Markteinkommenstheorie als Begründung für die grundsätzliche Nichtsteuerbarkeit privater Veräußerungen und für § 23 EStG Zur Rechtfertigung der grundsätzlichen Nichtsteuerbarkeit privater Veräußerungen wird, wie ausgeführt, vor allem argumentiert, dass private Veräußerungen atypisch seien und dabei realisierten Wertsteigerungen der Marktbezug fehle bzw. dass bei privaten Veräußerungen jedenfalls eine geringere Intensität der Marktnutzung bzw. Tätigkeit vorliege. (1) Keine Atypizität privater
Veräußerungsgewinne
Dass Gewinne im Privatvermögen atypisch seien, ist jedoch eine unzutreffende Behauptung.394 Es gibt einen großen Bereich privater Vermögensverwaltung, in dem regelmäßig und gezielt hohe private Veräußerungsgewinne erzielt werden. Die Atypizität kann auch nicht darin gesehen werden, dass private Veräußerungsgewinne in besonderem Maße von der Gruppe vermögender Steuerpflichtiger erzielt werden. Durch An- und Verkauf z. B. von Immobilien, Wertpapieren oder Sammelgegenständen können weite Teile der Bevölkerung private Veräußerungsgewinne erzielen. Insbesondere über eBay werden umfangreiche Veräußerungen von Privaten vorgenommen. Veräußerungsgeschäfte mit Wertpapieren haben in den letzten Jahren als Alternative zu verzinslichen Kapitalanlagen stark zugenommen und werden nicht nur von wenigen Privaten getätigt. Insbesondere bei Anteilen an Fonds können auch bei durchschnittlichem oder geringem Vermögen nicht steuerbare Veräußerungsgewinne erwirtschaftet werden. (2) Marktabhängigkeit auch der Veräußerungen privater Vermögensgegenstände und Kritik am Kriterium der Intensität der Marktnutzung Die Veräußerung privater Gegenstände soll - wie bereits dargestellt - als in der Privatsphäre stattfindende Wertschöpfung nicht vom Markt abgeleitet und nicht steuerbar sein. Zu Recht wird aber darauf hingewiesen, dass auch der Veräußerer privater Gegenstände am Markt teilnimmt.395 Bei konsequenter Anwendung der Markteinkommenstheorie stellen demnach private Veräußerungen wegen der Marktnutzung bei Anschaffung und Veräußerung des Wirtschaftsgutes Markteinkommen dar und müssten grundsätzlich umfassend besteuert werden. Der Markt muss auch zur bloßen Vermögensumschichtung genutzt werden. Auch das BVerfG 394 Ebenso Jachmann, DStJG 23 (2000), 9 (49). 395 Steichen, in: FS fürTipke, S. 365 (378); Tipke, StRO II, 1. Aufl., 1993, S. 652; Wassermeyer, DStR 2001, 920 (921). Das gibt auch Kirchhof als Vertreter der Markteinkommenstheorie zu, Kirchhof in: K / S / M , EStG, § 2 Rn. A 666; ders., 57. DJT, Gutachten F, S. 29. Zur marktbezogenen Tätigkeit der Veräußerung von Wirtschaftsgütern vgl. auch FG des Saarlandes v. 1. 3. 2001 - 2 V 400/00, JURIS-Nr. STRE200170613 (unter 2.1.1.).
I. Der Dualismus der Einkunftsarten
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hat betont, Veräußerungen im Privatvermögen und im Betriebsvermögen seien wirtschaftlich und rechtlich voll vergleichbar. 396 Daher wird zutreffend kritisiert, die weitgehende Nichtbesteuerung privater Veräußerungsgewinne lasse sich mit der Markteinkommenstheorie nicht in Einklang bringen. 397 Auch die Aussage, private Vermögensverwaltung diene nicht dem Erzielen von Einkünften, überzeugt angesichts der gezielten Erwirtschaftung von privaten Veräußerungsgewinnen z. B. durch Private-Equity-Beteiligungen oder Investition in Aktien nicht. Es stellt sich also die Frage, warum nicht der Markteinkommenstheorie entsprechend in § 23 EStG alle Veräußerungen von Privatvermögen besteuert werden. Ihre teilweise Nichtsteuerbarkeit wird dann - gewissermaßen hilfsweise - mit der angeblich geringen Intensität der Marktteilnahme bzw. mit dem Fehlen einer verfestigten Verbindung zum Markt begründet. Diese Begründung birgt indes die Gefahr einer beliebig auszufüllenden Leerformel. Kriterien für die Intensität der Marktteilnahme werden nicht aufgestellt, sondern der Tatbestand des § 23 EStG soll die Abgrenzungskriterien bereitstellen. Wegen der Schwierigkeit, die Intensität der Marktnutzung zu messen, ist fraglich, ob sie sich als Abgrenzungsmerkmal überhaupt eignet. Zudem hat der Gesetzgeber eine derartige Begründung des § 23 EStG über die Intensität der Marktnutzung nicht einmal angedeutet. Bei der Änderung des § 23 EStG im StEntlG hat er jetzt in der Gesetzesbegründung vielmehr deutlich gemacht, dass auch aus seiner Sicht aufgrund des Leistungsfähigkeitsprinzips eine umfassende Besteuerung der privaten Veräußerungen geboten ist. 398 Hinzu kommt der Einwand, dass im EStG ansonsten nicht nach der Intensität der Marktteilnahme differenziert wird. 399 Es existiert also kein entsprechendes Prinzip, Marktnutzungen geringer Intensität von der Besteuerung auszunehmen. Durch § 22 Nr. 3 EStG werden gerade auch einmalige Leistungen besteuert.400 § 22 Nr. 3 S. 2 EStG sieht zwar eine Freigrenze von 256 € vor. Davon abgesehen wird aber jede einzelne Leistung besteuert, beispielsweise die während der gesamten Besitzzeit einmalige Vermietung eines Wohnwagens für die Ferien oder Ver396 So z. B. zu Kapitalanteilen BVerfG v. 7. 10. 1969 - 2 BvL 3/66, 2 BvR 701/64, BVerfGE 27,111 (127). 397 Weber-Grellet, Steuern im modernen Verfassungsstaat, S. 81; ähnlich Lademann/ Jäschke, EStG, § 2 Rn. 58 (April 2002). Ebenso zum Dualismus Kanzler, FR 2000, 1245 (1247); zustimmend Bäuml, System und Reform, S. 63. Vgl. Lang, in: Tipke/Lang, § 9 Rz. 597. Lang hält das Markteinkommensprinzip dann für verwirklicht, wenn die Einkünfte aus der Veräußerung von privatem Erwerbsvermögen ebenso wie die betrieblichen Veräußerungseinkünfte besteuert werden. Vgl. auch Kölner Entwurf, Rn. 39, der die unvollständige Erfassung der zum Erwerbseinkommen gehörenden Veräußerungseinkünfte kritisiert. 398 BT-Drucks. 14/23, S. 179. 399 Insbesondere werden Einkünfte, die eine intensive Marktnutzung erfordern, nicht stärker belastet. 400 Siehe insbesondere Schmidt/Weber-Grellet, EStG, § 22 Rn. 134, 138; Kirchhof/ Fischer, EStG, § 22 Rn. 32.
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C. Systematische Sonderstellung des §
EStG
gütungen für einmalige Tätigkeiten. Insbesondere in § 22 Nr. 3 EStG ist also kein Kriterium der Marktintensität aufgenommen worden. 401 Dies ist auch kaum möglich, da jede einzelne Leistung eine Marktnutzung darstellt. Es könnte allenfalls nach dem Gewinn aus einer Leistung differenziert werden oder nach Leistungen pro Zeiteinheit. § 23 EStG wäre also der einzige Fall im EStG, 402 in dem eine Unterscheidung nach der Intensität der Marktnutzung bestünde. Diese Erklärung der Markteinkommenstheorie für § 23 EStG ist daher nicht überzeugend.
dd) Zusammenfassende Stellungnahme Die Markteinkommenstheorie weist einerseits erhebliche Vorzüge auf. Zunächst schafft sie eine einheitliche Grundlage für die Einkommensteuer und einen verständlichen allgemeinen Belastungsgrund. Damit beseitigt sie das Defizit der enumerativen Unvollständigkeit des gesetzlichen pragmatischen Einkommensbegriffs. Zudem umschreibt die Markteinkommenstheorie den vom Gesetzgeber rein pragmatisch aufgestellten Einkommensbegriff in weiten Teilen zutreffend. Der Markteinkommenstheorie ist zuzugeben, dass durch die sonstigen Leistungen nahezu jeder Leistungsaustausch am Markt erfasst wird. Eine Einschränkung liegt aber darin, dass bei § 22 Nr. 3 EStG die dauernde verfestigte Verbundenheit mit dem Markt fehlt, die als Erklärung für § 17 EStG und § 23 EStG herangezogen wird. Ein gutes Erklärungsmodell bietet die Markteinkommenstheorie z. B. auch für die Nichtsteuerbarkeit privater Nutzungen und privater Leistungen, die nicht am Markt erfolgen und nicht der Besteuerung unterliegen. Andererseits zeigen sich dann deutliche Schwächen der Markteinkommenstheorie, wenn man sie zur Erklärung des geltenden Rechts heranziehen will. Die Markteinkommenstheorie kann nur die meisten Einkünfte erklären, aber beispielsweise nicht die Besteuerung von Abgeordneten und Unterhaltsleistungen. Sie beschreibt also den geltenden pragmatischen Einkommensbegriff nicht vollständig, sondern nur näherungsweise. Läge die Markteinkommenstheorie dem geltenden Recht zugrunde, wäre diese Belastungsentscheidung stellenweise nicht folgerichtig umgesetzt und insoweit eine Rechtfertigung erforderlich. Zudem werden nicht alle Markteinkünfte besteuert, insbesondere nicht im Bereich der privaten Veräußerun401 Wollte man die Freigrenze in § 22 Nr. 3 S. 2 EStG als Intensitätskriterium ansehen, gäbe es bei § 23 EStG mit der Freigrenze in § 23 III 6 EStG ebenfalls ein solches Intensitätskriterium zur Ausgrenzung von Bagatellfällen und die Frist wäre als Intensitätsschwelle nicht erforderlich. 402 Die Vertreter der Markteinkommenstheorie nennen zum Teil auch § 17 EStG als Überschreitung der Intensitätsschwelle. Durch die Einführung des Halbeinkünfteverfahrens ist aber eine Sonderstellung des § 17 EStG entstanden, die dazu führt, dass man die Norm nicht mehr als eine bloße Ausnahmevorschrift zur Besteuerung von Veräußerungen im Privatvermögen ansehen kann.
I. Der Dualismus der Einkunftsarten
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gen. Die Erklärungsversuche über die Erheblichkeitsschwelle und die verfestigte Verbundenheit mit dem Markt sind für den geltenden § 23 EStG nicht überzeugend. Außerdem erscheint die Markteinkommenstheorie zwar zunächst plausibel, da jedenfalls jedes Markteinkommen objektive Leistungsfähigkeit vermittelt und daher zu besteuern ist. Die Einkommensteuer rechtfertigt sich aber durch die Besteuerung der Leistungsfähigkeit, nicht durch die Erzielung am Markt. Die Ursache der Leistungsfähigkeit ist unerheblich. Dies zeigt das Beispiel der Abgeordnetenbezüge. Daher wird insbesondere, aber nicht nur die Leistungsfähigkeit aus Markteinkommen erfasst. Ob die Markteinkommenstheorie verfassungsrechtlich geboten ist und ob sie de lege ferenda als Belastungsgrund der Einkommensteuer geeignet wäre, kann hier dahinstehen. Jedenfalls bietet die Markteinkommenstheorie keine überzeugende Erklärung für den Dualismus und seine Durchbrechung in § 23 EStG. 403 Auch Einkünfte aus gelegentlichen privaten Veräußerungen sind unabhängig von einer Frist Markteinkommen und müssten bei Zugrundelegung der Markteinkommenstheorie besteuert werden. Bei privaten Veräußerungen handelt es sich nicht um eine bloße Vermögensumschichtung (wie z. B. beim Abheben versteuerten Einkommens vom Sparbuch), sondern es geht um die Frage der steuerlichen Erfassung eines Gewinns.
c) Schutz der Privatsphäre vor unverhältnismäßigen Eingriffen Nichtsteuerbarkeit von Veräußerungen im Privatvermögen
durch
Teilweise wird die grundsätzliche Nichtbesteuerung privater Veräußerungen auch mit dem Schutz der Privatsphäre begründet.404 Dabei weist die Argumentation zum Teil enge Zusammenhänge mit der Begründung des Dualismus über die Markteinkommenstheorie auf. Zugegeben wird zwar, dass größtmögliche Lastengleichheit durch die Besteuerung jedes individuellen Vermögenszuwachses (auch privater Veräußerungen und 403 Ebenso Kraft/Bäuml, DB 2004, 615 (616); ähnlich Kanzler, FR 2000, 1245 (1247): Der Dualismus sei nicht mit der Markteinkommenstheorie zu vereinbaren. 404
Für die Rechtfertigung der Ungleichbehandlung von Gewinn- und Überschusseinkünften durch den besonderen Schutz des Privatvermögens und der Privatsphäre FG Nürnberg v. 13. 10. 1999 - VI 212/99, EFG 2000, 505; kritisch dazu Tipke, StRO II, S. 723. Ebenso wegen des Schutzes gegen steuerliche Einflussnahme Kirchhof, in: K / S / M , EStG, § 2 Rn. A 665 f.; zustimmend Handzik, in: L / B / P , EStG, § 2 Rn. 60 (Nov. 2004); ähnlich Kirchhof NJW 1987, 3217 (3226). Nach Crezelius, in: K / S / M , EStG, § 23 Rn. A 87 (Jan. 1995), liegt in der Verschonung privaten Vermögens ein Grund, der den Dualismus im Hinblick auf die Rechtsprechung des BVerfG nicht als willkürlich erscheinen lässt. Kritisch Tipke, StRO I, S. 429: Der Dualismus gehe nicht auf den Schutz des Privatvermögens zurück. Gegen Beschränkungen der Besteuerung durch die Privatsphäre auch Durchlaub, S. 66.
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C. Systematische Sonderstellung des §
EStG
privater Leistungen Dritter) erreicht würde. 405 Die relative Lastengleichheit treffe jedoch auf das Gegenprinzip des Schutzes der Privatsphäre. 406 Das geltende Recht verzichte auf die Besteuerung privater Veräußerungsgewinne und privater Nutzungen und Leistungen. Steuerbar seien nur die marktoffenbaren Vorgänge.407 Dies erspare dem Steuerpflichtigen Antworten, Nachweise und Aufzeichnungspflichten innerhalb seiner Privatsphäre. 408 Es sei vertretbar, generell auf die dem Markt verschlossene Privatsphäre des Steuerpflichtigen Rücksicht zu nehmen.409 Die Privatsphäre sei grundsätzlich gegen die Öffentlichkeit und daher auch gegen steuerliches Ermitteln abgeschirmt.410 Sie unterscheide sich von der willentlich an die Allgemeinheit gewendeten Erwerbssphäre. 411 Die Privatsphäre schütze privates Entscheiden gegen einkommensteuerliche Einflussnahme. 412 Daher dürfe bei Wirtschaftsgütern der privaten Lebensführung keine steuerliche Verfremdung eintreten. Privates Handeln weise gegenüber marktoffenbarem Handeln eine geringere Sozialpflichtigkeit auf. 413 Die private Veräußerung sei nicht vorrangig auf Gewinn und Überschuss angelegt 414 Das Problem bestehe daher in der Abgrenzung von privater Veräußerung und Erwerbshandeln. 415 Nach Ansicht Kirchhofs ist das Betriebsvermögen nicht Teil der Privatsphäre des Steuerpflichtigen und stärker sozialgebunden, was durch die umfassende Gewinnbesteuerung umgesetzt werde 4 1 6 Das bei den Überschusseinkünften eingesetzte Vermögen werde vom Gesetzgeber (noch) der Privatsphäre zugewiesen und sei daher nicht steuerbar. 417 405 Kirchhof in: K / S / M , EStG, § 2 Rn. A 8. 406 Kirchhof in: K / S / M , EStG, § 2 Rn. A 8, vgl. Rn. A 536. Ähnlich ders., in: Isensee/ Kirchhof, HStR IV, § 88 Rn. 133. 407 Kirchhof in: K / S / M , EStG, § 2 Rn. A 9; ders., in: Isensee/Kirchhof, HStR IV, § 88 Rn. 133. 408 Kirchhof in: K / S / M , EStG, § 2 Rn. A 9; zustimmend Bachem, in: Bo/Br, EStG, § 2 Rn. 122 (Juli 1998). 409 Bachem, in: Bo/Br, EStG, § 2 Rn. 122 (Juli 1998). 410 Kirchhof, 57. DJT, Gutachten F, S. 29; ders., in: K / S / M , EStG, § 2 Rn. A 665; vgl. auch ders., NJW 1987, 3217 (3225). A. A. Tipke, StRO I, S. 425 ff. 411 Kirchhof, in: K / S / M , EStG, § 2 Rn. A 665, 676. 412 Kirchhof 57. DJT, Gutachten F, S. 30; ders., in: K / S / M , EStG, § 2 Rn. A 665; zustimmend Handzik, in: L / B / P , EStG, § 2 Rn. 60 (Nov. 2004). Ausdrücklich mit dieser Begründung für die Nichtsteuerbarkeit privater Veräußerungsgeschäfte bzgl. des Lebensführungsvermögens auch Kirchhof, in: FS für Tipke, S. 27 (41 f.). 413 Kirchhof, in: K / S / M , EStG, § 2 Rn. A 666. 414 Schon der Einkommensbegriff des preußischen EStG 1891 grenzte in gewisser Weise vergleichbar die auf Gewinn gerichtete Tätigkeit einer Person und die Nutzung des Vermögens von den nicht steuerbaren Zuwächsen des Stammvermögens ab. 415 Kirchhof, in: K / S / M , EStG, § 2 Rn. A 667. 416 Kirchhof, in: K / S / M , EStG, § 2 Rn. B 92 (Apr. 1992). 417 Kirchhof, in: K / S / M , EStG, § 2 Rn. B 94 (Apr. 1992), ähnlich A 666. Auch Kirchhof fordert aber teilweise eine Gleichbehandlung von privatem und betrieblichem Erwerbsvemögen. So Kirchhof in: FS für Tipke, S. 27 (41 f.) m. w. N.; ders., 57. DJT, Gutachten F, S. 31. Auch Bäuml, System und Reform, S. 111, hält eine Rechtfertigung des Dualismus mit der
I. Der Dualismus der Einkunftsarten
aa) Allgemeine Grundsätze zum Datenschutz und Privatsphärenschutz im Steuerrecht Dem Ziel des geringen Eindringens in die Privatsphäre ist im Grundsatz zuzustimmen. Die dem Staat über die Bürger zur Verfügung stehenden Informationen sind auf das notwendige Maß zu begrenzen. Schon Adam Smith kritisierte eine Nachprüfung der privaten Vermögensverhältnisse als nicht gutzuheißende Belästigung und nannte die Bequemlichkeit der Steuererhebung als einen der vier Grundsätze der Besteuerung.418 Dieser Aspekt wird aber heutzutage im Hinblick auf die im Vordergrund stehende Steuergleichheit zumeist nicht als durchgreifend angesehen. Das allgemeine Persönlichkeitsrecht kann im Steuerrecht in seinen Ausprägungen sowohl des Schutzes der Privatsphäre als auch des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung betroffen sein. 419 Der Privatsphärenschutz beinhaltet das Recht auf Ungestörtheit in der engeren persönlichen Lebenssphäre.420 Das Recht auf informationelle Selbstbestimmung schützt die Befugnis zu entscheiden, ob persönliche Daten offenbart werden, auch wenn die Daten nicht die Privat- oder Intimsphäre betreffen. 421 Die Verpflichtung zur Offenbarung persönlicher Daten ist ein Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht. Gleiches gilt für die Speicherung und Verwendung. Eingriffe in das allgemeine Persönlichkeitsrecht unterliegen hinsichtlich ihrer Rechtfertigung einer (strengen) Verhältnismäßigkeitskontrolle.422 Im Zinsurteil hat das BVerfG allerdings offen gelassen, ob hinsichtlich des Finanzkapitals und dessen Erträgen überhaupt der grundrechtliche Datenschutz berührt
Verschonung der Privatsphäre für möglich, obwohl er im Widerspruch dazu den Dualismus als verfassungswidrig ansieht (S. 63, 107). 418 A. Smith, Der Wohlstand der Nationen, S. 726, 704. Vgl. zum zurückhaltenden preußischen Einkommensteuerrecht, das inquisitorische Maßnahmen vermeiden wollte, Kirchhof, in: FS für Tipke, S. 27 (29 f.); ders., in: Isensee /Kirchhof, HStR IV, § 88 Rn. 133. 419 Vgl. zur Unabhängigkeit dieser Ausprägungen Di Fabio, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 2 Rn. 148,151, 166, 174 (Juli 2001); Jarass, in: Jarass/Pieroth, GG, Art. 2 Rn. 32, 35; Schmitt Glaeser, in: Isensee/Kirchhof, HStR VI, § 129 Rn. 29. 4 20 Di Fabio, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 2 Rn. 149 ff. (Juli 2001); ähnlich Schmitt Glaeser, in: Isensee/Kirchhof, HStR VI, § 129 Rn. 30. Vgl. BVerfG v. 5. 6. 1973 - 1 BvR 536/72, BVerfGE 35, 202 (220) m. w. N.; BVerfG v. 16. 7. 1969 - 1 BvL 19/63, BVerfGE 27,1 (6 f.).
421 BVerfG v. 15. 12. 1983 - 1 BvR 209/83 u. a., BVerfGE 65, 1 (LS 1, 2); Di Fabio, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 2 Rn. 167 f. (Juli 2001); Jarass, in: Jarass/Pieroth, GG, Art. 2 Rn. 32; Schmitt Glaeser, in: Isensee / Kirchhof, HStR VI, § 129 Rn. 31,42. 4 22 BVerfG v. 15. 12. 1983 - 1 BvR 209/83 u. a., BVerfGE 65,1 (LS 2 und S. 44); BVerfG v. 17. 7. 1984 - 2 BvE 11, 15/83, BVerfGE 67, 100 (143) - jeweils insbesondere zur informationellen Selbstbestimmung; BVerfG v. 5. 6. 1973 - 1 BvR 536/72, BVerfGE 35, 202 (221); Jarass, in: Jarass/Pieroth, GG, Art. 2 Rn. 46. Ebenso hinsichtlich des Schutzes der Privatsphäre Di Fabio, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 2 Rn. 157 (Juli 2001). Für die Interpretation der strikten Verhältnismäßigkeitsprüfung als Erforderlichkeit besonders gewichtiger Gründe Schmitt Glaeser, in: Isensee / Kirchhof, HStR VI, § 129 Rn. 39.
C. Systematische Sonderstellung des §
EStG
Jedenfalls ist das Steuergeheimnis gemäß § 30 AO, wie das BVerfG in jüngerer Zeit erneut bestätigt hat, das den verfassungsrechtlichen Anforderungen genügende Gegenstück zu den weitgehenden Offenbarungspflichten im Besteuerungsverfahren. 424 Eine einseitig nur die Freiheit berücksichtigende Besteuerung ohne jedes Eindringen in die Einkommens- und Vermögensverhältnisse würde zu einer Benachteiligung der Ehrlichen und zur Ungleichmäßigkeit der Besteuerung führen. 425 Die Gleichmäßigkeit der Besteuerung ist sowohl im Rechtsstaatsprinzip als auch im Gleichbehandlungsgebot verankert und von hohem Rang. 426 Die Pflicht zur Angabe steuerlicher Daten wird durch deren Erforderlichkeit zur gleichen Bemessung des Anteils an den steuerlichen Lasten gerechtfertigt. 427 Der grundrechtliche Schutz gegen die Erhebung, Speicherung, Verwendung oder Weitergabe der steuerlichen Angaben aus Art. 2 I i. V. m. Art. 1 I GG darf insoweit eingeschränkt werden. 428 Das Allgemeininteresse an der Offenlegung steuererheblicher Daten rechtfertigt Informationseingriffe. 429 Das BVerfG differenziert also aufgrund der jedenfalls bestehenden Rechtfertigung nicht näher zwischen den einzelnen Schutzrichtungen des allgemeinen Persönlichkeitsrechts. Zutreffend deutlich wird dementsprechend formuliert, dass Datenschutz und Schutz der Privatsphäre hinter der Lastenverteilungsgleichheit zurückzutreten haben. 430 Der Staat muss auch bei den persönlichen Verhältnissen die Angaben verifizieren können.431 Der materielle Steuereingriff durch die Steuerpflicht rechtfertigt sich schon durch die vorhandene Leistungsfähigkeit. Da materielle Steuernormen der gleichmäßigen Durchsetzung bedürfen, sind auch die dazu erforderlichen Verfahrensregelungen gerechtfertigt, sofern diese nicht im Einzelfall unverhältnismäßig sind. 432 423 BVerfG v. 27. 6. 1991 - 2 BvR 1493/89, BVerfGE 84, 239 (279 f.). Siehe auch Durchlaub, S. 67, der Einkommen und Vermögen nicht zur Privatsphäre rechnet. Anders wohl BVerfG v. 22. 3. 2005 - 1 BvR 2357/04, 1 BvQ 2/05, BVerfGE 112, 284 (296) = DStRE 2005, 482 (484), wonach das Bestehen von Konten und Depots Rückschlüsse auf persönliche Verhältnisse zulässt. 424 BVerfG v. 9. 3. 2004 - 2 BvL 17/02, BVerfGE 110, 94 (113). Zuvor BVerfG v. 17. 7. 1984-2 BvE 11, 15/83, BVerfGE 67,100 (139). Ebenso z. B. Birk, Steuerrecht, Rn. 435. 425 Tipke, StRO I, S. 427. 426 BVerfG v. 17. 7. 1984- 2 BvE 11, 15/83, BVerfGE 67,100 (140). 427 BVerfG v. 17. 7. 1984 - 2 BvE 11, 15/83, BVerfGE 67, 100 (143); zustimmend Kirchhof, in: FS für Tipke, S. 27 (36). 428 BVerfG v. 17. 7. 1984- 2 BvE 11,15/83, BVerfGE 67,100 (142 f.). 429 BVerfG v. 27. 6. 1991 - 2 BvR 1493/89, BVerfGE 84, 239 (280 f.); ähnlich Di Fabio, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 2 Rn. 179 (Juli 2001). Vgl. auch Eckhoff, S. 11. 430 Weber-Grellet, Steuern im modernen Verfassungsstaat, S. 229. 431 Tipke, StRO I, S. 430. 432 Ähnlich Kirchhof, in: FS für Tipke, S. 27 (35 f.). An anderer Stelle (S. 30) betont aber ders., dass in erster Linie die materiellen Steuertatbestände am grundrechtlichen Datenschutz zu prüfen seien, nicht die Verfahrensregeln. Vgl. auch Tipke, StRO I, S. 431, der unter Berufung auf das Zinsurteil fordert, materielles Recht müsse immer auch durchsetzbar sein.
I. Der Dualismus der Einkunftsarten
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bb) Unverhältnismäßigkeit des Steuereingriffs wegen Besonderheiten bei der Besteuerung privater Veräußerungen? Angesichts dieser allgemeinen Grundsätze stellt sich die Frage, ob Besonderheiten bei der Besteuerung privater Veräußerungen bestehen, die insoweit eine andere Beurteilung erforderlich machen.433 Fraglich ist auch hier, ob die Bemessung der Leistungsfähigkeit wegen der Steuergerechtigkeit etwaige Eingriffe in den Privatbereich insbesondere durch Pflichten zur Aufzeichnung und Belegung rechtfertigt. 434 Teilweise wird ausdrücklich festgestellt, eine Beschränkung der Besteuerung des Privatvermögens sei nicht mit dem Schutz der Privatsphäre zu rechtfertigen. 435 Möglicherweise sind Aufzeichnungen im Bereich des sog. Privatvermögens (Überschusserzielungs- und Lebensführungsvermögen) jedoch unverhältnismäßig. Als Rechtfertigung des Dualismus als Ungleichbehandlung der Gewinn- und Überschusseinkunftsarten erscheint denkbar, dass Private im Vergleich zu denjenigen, die Gewinneinkünfte erzielen, durch die Veräußerungsgewinnermittlung stärker belastet werden. So wird als Grund für die Unterscheidung der Gewinn- und Überschusseinkünfte auch genannt, man habe nicht jedem Privaten die Inventarisierung seines Privatvermögens zumuten wollen 4 3 6 Einige Stimmen in der Literatur bezeichnen dementsprechend die Ermittlung der Vermögensentwicklung im Bereich der Überschusseinkünfte als unzumutbar bzw. unverhältnismäßig.437 Dies wird zum Teil auf das Privatvermögen insgesamt, zum Teil lediglich auf das Lebensführungsvermögen438 bezogen. Dabei wird als Argument weiterhin angeführt, die Besteuerung privater Veräußerungen könne dem Staat kein erhebliches zusätzliches Aufkommen verschaffen. 439 433 Vgl. BVerfG v. 9. 3. 2004 - 2 BvL 17/02, BVerfGE 110, 94 (113 f.), wonach in speziellen Bereichen der Vollzug einer Steuernorm unzumutbare Mitwirkungserfordernisse mit sich bringen kann. 434 Vgl. dazu von Hammerstein, Privatsphäre, S. 256. 435 Durchlaub, S. 66 f.; Tipke, StRO I, S. 427 f. 436 Tipke, StuW 1971, 2 (10). 437 Kirchhof, in: K / S / M , EStG, § 2 Rn. A 676; ders., NJW 1987, 3217 (3226). Ähnlich Bachem, in: Bo/Br, EStG, § 23 Rn. 30 f. (Aug. 2003), nach dessen Ansicht die Erfassung aller privaten Veräußerungseinkünfte kaum praktizierbar wäre und der gegen die Aufhebung des Dualismus verfassungsrechtliche Bedenken äußert. Vgl. auch Tipke, StRO II, 1. Aufl., 1993, S. 652, der die Erfassung der Veräußerung beweglicher Gegenstände für schwierig hält; es wären Aufzeichnungen über das gesamte Privatvermögen erforderlich. Auch Lang, in: Tipke/Lang, § 9 Rz. 191, meint (in anderem Zusammenhang), die komplizierte Rechnungslegung nach den Grundsätzen ordnungsgemäßer Buchführung könne nur solchen Steuerpflichtigen zugemutet werden, die ohnehin bilanzierungspflichtig sind oder freiwillig bilanzieren. 438 Crezelius, in: K / S / M , EStG, § 23 Rn. A 23 (Jan. 1995); Lademann/Warnke, EStG, § 23 Rn. 34 (März 1998). Vgl. auch Kölner Entwurf, Rn. 342, wonach Veräußerungen privater Konsumgüter nicht gleichheitskonform besteuert werden können. 439 FG Nürnberg v. 13. 10. 1999 - V I 212/99, EFG 2000, 505 (506). Hinsichtlich der privaten Konsumsphäre ebenso Crezelius, in: K / S / M , EStG, § 23 Rn. A 23 (Jan. 1995). Vgl.
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C. Systematische Sonderstellung des § 23 EStG
(1) Besteuerung von Veräußerungen des Erwerbsvermögens Zunächst stellt sich daher die Frage, ob eine Besteuerung von Veräußerungen des Erwerbsvermögens im Bereich der Überschusseinkünfte im Hinblick auf das allgemeine Persönlichkeitsrecht unverhältnismäßig wäre. Im betrieblichen Bereich sind Gewinne zwar steuerlich wegen der häufig bestehenden handelsrechtlichen Buchführungspflicht oftmals leichter zu erfassen. Gegen die Unverhältnismäßigkeit der Besteuerung spricht zunächst einmal aber, dass Kapitalanlagen des Privatvermögens im steuerlichen Sinne wie das Betriebsvermögen Erwerbsvermögen darstellen. 440 Auch das Betriebsvermögen ist privates Vermögen, nicht öffentliches Vermögen oder Staatsvermögen.441 Die privat vermietete Immobilie verdient keinen anderen Schutz als eine Immobilie des Betriebsvermögens.442 Denn der Bezug zur persönlichen Lebensführung ist beim Erwerbsvermögen insgesamt vergleichbar gering, 443 während die Leistungsfähigkeit durch derartige Veräußerungen erheblich beeinflusst werden kann. Die Überschusseinkünfte stehen der Privatsphäre nicht näher als die Gewinneinkünfte. 444 Entscheidend ist im Hinblick auf den Schutz der Privatsphäre, dass der Steuerpflichtige im Bereich der privaten Erwerbssphäre nur in einer mit dem Betriebsvermögen vergleichbaren Weise in seiner Persönlichkeit betroffen ist. Es ist nicht erkennbar, warum die Angabe der Gewinne aus der Veräußerung z. B. von vermieteten Häusern und deren Besteuerung den Steuerpflichtigen im Hinblick auf seine Privatsphäre stärker belasten sollte als bei Betriebsvermögen. Im Rahmen der Einkommensbesteuerung sind zudem Tatsachen anzugeben, die viel engere Bezüge zur persönlichen Lebenssphäre aufweisen 445 und trotzdem weferner Kraft/Bäuml, DB 2004, 615 (620), nach deren Ansicht das Aufkommen außer Verhältnis zu den Kosten einer effizienten Kontrolle stünde. Für die Berücksichtigung des wirtschaftlichen Verhältnisses von Ermittlungsgegenstand und Ermittlungsaufwand WeberGrellet, Steuern im modernen Verfassungsstaat, S. 37; ähnlich Lang, Bemessungsgrundlage, S. 146. Zur Effizienz als Grundsatz der Besteuerung vgl. schon A. Smith, Der Wohlstand der Nationen, S. 704 f. 440 So zutreffend Tipke, StRO I, S. 429, der darauf hinweist, dass auch andere Rechtsstaaten die Privatsphäre schützen, aber trotzdem nicht die Unterscheidung von Betriebsvermögen und Privatvermögen kennen. Vgl. auch Jachmann, DStJG 23 (2000), 9 (49). 441 Tipke, StRO I, S. 428. " 2 Tipke, StRO I, S. 428 f. 443
Siehe auch von Hammerstein, Privatsphäre, S. 256, nach dessen Ansicht der Schutzbereich der grundrechtlichen Privatheitsgewährleistung nicht berührt ist, solange nicht höchstpersönliche Gegenstände einbezogen werden. Nach Tipke, StRO I, S. 428, ist der materielle Steuereingriff generell ein Vorgang der Sozialsphäre und berührt die Privatsphäre nicht. Ähnlich Durchlaub, S. 67, nach dessen Ansicht Einkommen und Vermögen nicht zur Privatsphäre gehören. 444 Die Eigenschaft als grundsätzlich nichtsteuerbares Privatvermögen, die das Lebensführungsvermögen und das Überschusserzielungsvermögen nach geltendem Recht gemeinsam aufweisen, ist nur gesetzlich begründet und hat insoweit daher keine Aussagekraft. Vgl. Durchlaub, S. 67.
I. Der Dualismus der Einkunftsarten
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gen der Gleichmäßigkeit der Steuerbelastung als gerechtfertigt angesehen werden. Das Gesamtbild dieser Einzeltatsachen lässt erhebliche Rückschlüsse auf die private Lebensführung und zumindest ein lückenhaftes Persönlichkeitsbild zu. 4 4 6 Beispielhaft genannt seien nur Krankheitskosten, Parteispenden, Kapitalanlageverhalten, Nutzungsverhältnisse bei Immobilien, Ehe, Religionszugehörigkeit, Behinderungen. Der einzelne Eingriff durch eine Erklärungspflicht für Veräußerungen des Erwerbsvermögens, die kaum Bezug zur persönlichen Lebensführung haben, ist dann erst recht gerechtfertigt. 447 Schließlich schützt das geltende Recht die Überschusserzielung ohnehin nicht konsequent vor steuerlichem Zugriff, da die Erträge des privaten Vermögens besteuert werden. Wenn der Schutz der Privatsphäre wirklich durchgreifend wäre, dürften auch diese Erträge nicht besteuert werden. 448 Ferner wurde auch bei der in Art. 106 I I Nr. 1 GG vorgesehenen Vermögensteuer in ihrer früheren Form keine Rücksicht auf die „Privatsphäre" des Steuerpflichtigen genommen. Die Vermögensbesteuerung ermöglichte ebenfalls einen allgemeinen Überblick über die Vermögensverhältnisse des Steuerpflichtigen. Gegen eine Rechtfertigung der Nichtsteuerbarkeit des bei den Überschusseinkünften eingesetzten Vermögens wegen Unzumutbarkeit der Erfassung spricht zudem, dass die mit Erwerbsvermögen umgehenden Steuerpflichtigen den Gewinn bzw. Verlust aus Veräußerungen ermittlungstechnisch durchaus erfassen könnten. 449 Die erforderlichen Aufzeichnungen sind in anderen Ländern ebenfalls durchführbar. 450 Zur Besteuerung der Veräußerungsgeschäfte müssten ermittlungstechnisch zusätzlich nur die Anschaffungen und Veräußerungen aufgenommen werden und eventuell ein Vermögensverzeichnis aufgestellt werden. Dafür sind keine kaufmännischen Berechnungen oder Kenntnisse erforderlich. Ein Bestandsvergleich ist nicht zwingend notwendig.451 Wenn man das Verzeichnis wie bei der Gewinnermittlung nach § 4 III EStG anlegt,452 geringwertige Gegenstände durch 446 Vgl. dazu BVerfG v. 17. 7. 1984 - 2 BvE 11, 15/83, BVerfGE 67,100 (142). 447 Außerdem kommt die Weitergabe der Angaben grundsätzlich nicht in Betracht, es geht nur um die Verwendung für die Besteuerung der Veräußerungen. 448 Warum zwischen Erträgen und Vermögenszuwächsen im Hinblick auf die Besteuerung differenziert werden sollte, ist nicht nachzuvollziehen. Z. B. ist bei Einkünften durch Kapitaleinsatz wirtschaftlich unerheblich, ob ein Veräußerungsgewinn oder ein Wertzufluss durch eine Entgeltzahlung vorhegt. 449 Ebenso Tipke, StRO II, 1. Aufl., 1993, S. 653. Ebenso zur Vermögensverwaltung Tipke, StRO II, S. 718. Siehe auch Kölner Entwurf, insb. Rn. 300, der als allgemeine Form der Einkünfteermittlung eine Überschussrechnung mit Anlageverzeichnis anordnet, § 91 i. V. m. § 16 des Entwurfs. 450 Tipke, StRO II, S. 737. 451 Für die Unzumutbarkeit des Bilanzvergleichs für nicht bilanzierungspflichtige oder freiwillig bilanzierende Steuerpflichtige Lang, in: Tipke /Lang, § 9 Rz. 191. Offen lassend, ob technische Gründe gegen einen Bestandsvergleich bei Vermietung und Verpachtung und Kapitalvermögen sprechen, Tipke, Steuerrecht, 11. Aufl., S. 201. Für die Möglichkeit eines Bestandsvergleichs bei Vermietung und Verpachtung ders., in: FS für Paulick, S. 391 (399). 9 Dechant
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eine Bagatellgrenze ausnimmt und eine Beschränkung auf das Erwerbsvermögen regelt, hat das Verzeichnis begrenzten Umfang und verursacht dadurch begrenzten Aufwand. 453 Zudem könnten die Steuerpflichtigen bei bankbezogenen Geschäften durch die Regelung von Mitteilungspflichten der Banken an die Finanzverwaltung von Pflichten unbelastet bleiben.454 Wegen der geringen Intensität der Eingriffe im Bereich des Erwerbsvermögens überwiegt daher jedenfalls deutlich das Interesse an der gleichmäßigen Lastenverteilung, die die zur Besteuerung erforderlichen Eingriffe grundsätzlich rechtfertigt. Die Nichtsteuerbarkeit des Überschusserzielungsvermögens erscheint im Hinblick auf die darin liegende Abweichung vom Leistungsfähigkeitsprinzip nicht erforderlich und unangemessen.455 (2) Besteuerung von Veräußerungen des Lebensführungsvermögens Auch speziell im Hinblick auf die private Konsumsphäre wird argumentiert, die Besteuerung aller privaten Veräußerungen wäre durch den schwerwiegenden Eingriff in die Privatsphäre des Steuerpflichtigen unverhältnismäßig 4 5 6 Dazu ist anzumerken, dass das Lebensführungsvermögen anders als das Erwerbsvermögen enge Persönlichkeitsbezüge aufweist, so dass die Anforderungen an die Rechtfertigung der mit der Besteuerung von Veräußerungen des Lebensführungsvermögens verbundenen Eingriffe in das allgemeine Persönlichkeitsrecht steigen.457 Insbesondere ist bei einer derartigen Pflicht zu Angaben über den üblicherweise nicht nach außen tretenden Bereich privater Lebensführung auch der Schutz der Privatsphäre betroffen. 458 Ein Vermögensverzeichnis, das alle Gegen452 Vgl. den Vordruck Einnahmenüberschussrechnung (»Anlage EÜR"), BMF-Schreiben v. 24. 1. 2005 - I V A 7 - S 1451 - 10/05, BStBl. 12005, 320 ff. 453 Im Ergebnis ebenso Tipke, StRO II, S. 718, der bei der Vermögensverwaltung die Ermittlung unter Einbeziehung des Stammvermögens für zumutbar hält. 454 Vgl. Tipke, StRO II, S. 737 f. 4
55 Der Gesetzgeber muss im Hinblick auf das private Erwerbsvermögen Ermittlungstatbestände begründen, um eine Kontrolle der Angaben zu ermöglichen, denn nach der Rechtsprechung des BVerfG ist die Abstützung des Deklarationsprinzips durch das Verifikationsprinzip erforderlich. 456 Crezelius, in: K / S / M , EStG, § 23 Rn. A 23 (Jan. 1995), nach dessen Ansicht der Eingriff auch in keinem angemessenen Verhältnis zum steuerlichen Mehraufkommen stünde. Ähnlich Lademann / Warnke, EStG, § 23 Rn. 34 (März 1998). Zweifelnd an der Zulässigkeit der Besteuerung von Gegenständen, die dem privaten Gebrauch dienen, von Hammerstein, Privatsphäre, S. 256 m. w. N. Für die Nichtsteuerbarkeit von Veräußerungen des Lebensführungsvermögens wegen des Persönlichkeitsschutzes Kirchhof in: FS für Tipke, S. 27 (42). 457 Vgl. zu den steigenden Anforderungen bei Eingriffen in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung, je tiefer die gespeicherten Daten in den privaten Bereich eindringen, Di Fabio, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 2 Rn. 181 (Juli 2001). 458 Siehe dazu BVerfG v. 16. 7. 1969 - 1 BvL 19/63, BVerfGE 27, 1 (6 ff.); Di Fabio, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 2 Rn. 152 (Juli 2001).
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stände der Lebensführung umfasst, ließe durch das Gesamtbild der Einzeltatsachen erhebliche Rückschlüsse auf die private Lebensführung sowie auf die persönlichen Verhältnisse und damit zumindest ein lückenhaftes Persönlichkeitsbild zu. Demgegenüber sind Weitsteigerungen im Lebensführungsvermögen selten.459 In der Regel findet ein Wertverzehr statt. Die Abweichung von der Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit durch Nichtbesteuerung des Lebensführungsvermögens ist daher von sehr geringer Intensität. Zudem bedeutet die Nichtsteuerbarkeit eine erhebliche Verbesserung der Praktikabilität, indem über zahlreiche Gegenstände keine Aufzeichnungen erforderlich sind. Die Nichtsteuerbarkeit von Veräußerungen des Lebensführungsvermögens 460 kann daher gerechtfertigt werden. 461 Ihre Besteuerung könnte dagegen durchaus als unverhältnismäßig angesehen werden. Hinzu kommt, dass die Kosten der Lebensführung als Einkommensverwendung grundsätzlich einkommensteuerlich irrelevant sind. Die im Lebensführungsvermögen durch den Gebrauch regelmäßig eintretenden Wertverluste sind wirtschaftlich Kosten der Lebensführung und sollten als solche, wenn sie durch Veräußerung realisiert werden, steuerlich nicht berücksichtigt werden. Wenn das, was für die private Lebensführung aufgewendet wird, die Bemessungsgrundlage der Einkommensteuer nicht mindern darf, sind auch die Einnahmen nicht zu erfassen. Auch deswegen sollten Gewinne und Verluste aus der Veräußerung des Lebensführungsvermögens nicht steuerbar sein. 462 Ein Verzicht auf die Besteuerung von Veräußerungen des Lebensführungsvermögens lässt sich daher insbesondere mit der Rücksichtnahme auf die „Privatsphäre" rechtfertigen.
cc) Zusammenfassung Demzufolge kann die Argumentation über den Schutz der Privatsphäre die Nichtbesteuerung von Veräußerungen des Erwerbsvermögens nicht plausibel erklären. Das bei den Überschusseinkünften eingesetzte Vermögen ist Erwerbsvermögen und mit dem Betriebsvermögen vergleichbar. Warum die nach geltendem 459 Möglich sind sie in erster Linie beim eigengenutzten Wohneigentum, das aber im geltenden Recht nach § 23 I 3 EStG von der Besteuerung ausgenommen ist. Dazu näher unten D.IV.2. 460 Im geltenden Recht werden jedenfalls nach dem Wortlaut des § 23 EStG auch Veräußerungen betreffend das Lebensführungsvermögen erfasst. Zu dieser Frage eingehend unten D.VI. 461 Für die Beschränkung der Besteuerung von Veräußerungsgeschäften auf das Erwerbsvermögen z. B. ebenfalls Lüdemann/Zugmaier, DStR 1996, 1636 (1639 f.); Merkenich, Einkünfteermittlung, S. 77, 147; Tipke, StRO II, S. 733; §§ 2 I, II, 13 Karlsruher Entwurf; zum EStGB Kirchhof, DStR 2003, Beihefter 5 zu Heft 37,1 (2 f.); Kölner Entwurf, Rn. 342. Ebenso Tipke, StRO II, S. 733. Siehe dazu auch unten D.VII.
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Recht bei den Überschusseinkünften besteuerten Erträge weniger schutzwürdig sein sollen als die nicht steuerbaren Veräußerungsgewinne, ist nicht nachzuvollziehen. Eingriffe in das allgemeine Persönlichkeitsrecht aus Art. 21 i. V. m. Art. 11GG sind angesichts des Steuergeheimnisses durch das Ziel der Lastengleichheit gerechtfertigt. Im Hinblick auf die Privatsphäre bestehen also keine Bedenken dagegen, alle Veräußerungen des Erwerbsvermögens zu besteuern. Derartige Veräußerungen könnten dann im Rahmen der jeweiligen Einkunftsart erfasst werden. Zu regeln wären eine entsprechende Ermittlungstechnik, beispielsweise wie bei § 4 III EStG, und eine Erklärungspflicht sowie Kontrollbefugnisse der Finanzbehörden. Gegen die Begründung des Dualismus der Gewinn- und Überschusseinkünfte mit der Schutzwürdigkeit der Privatsphäre ist ferner einzuwenden, dass dann die fristabhängige Besteuerung in § 23 EStG kaum zu erklären wäre. Es ist nicht nachvollziehbar, warum die Schutzwürdigkeit der Privatsphäre von der Haltedauer des jeweiligen Gegenstandes abhängen soll. Mit dem Schutz der Privatsphäre lässt sich allerdings die steuerliche Unerheblichkeit des Vermögens der privaten Lebensführung rechtfertigen. In diesem Bereich erscheint eine Besteuerung schon hinsichtlich des Verhältnisses von Aufwand und Aufkommen nicht sinnvoll. Die Ausgrenzung des Lebensführungsvermögens von der Veräußerungsbesteuerung liegt auch im Hinblick auf den einkommensteuerlichen Grundsatz der Unbeachtlichkeit privater Aufwendungen (vgl. § 12 EStG) nahe.463 Darüber geht die derzeitige Nichtsteuerbarkeit privater Veräußerungen aber wesentlich hinaus, so dass sich das geltende Recht auch nicht als typisierte Steuerbefreiung des Lebensführungsvermögens erklären lässt.
d) Inflationsausgleich durch Vermeidung der Besteuerung inflationsbedingter Scheingewinne Als Rechtfertigung für die Nichtsteuerbarkeit außerhalb der Fristen des § 23 EStG liegender privater Veräußerungen kommt auch die Vermeidung der Besteuerung inflationsbedingter Scheingewinne in Betracht. Damit ließe sich unter Umständen auch die Besteuerung privater Veräußerungen innerhalb einer Frist wie durch § 23 EStG als Besteuerung nicht inflationsbelasteter Veräußerungsgewinne rechtfertigen. Bei der Besteuerung langfristig gehaltener Veräußerungsgegenstände entsteht nämlich das Problem, dass bei Fehlen eines Inflationsausgleichs Scheingewinne besteuert werden. Scheingewinne werden dadurch verursacht, dass schon allein die Geldentwertung zu einem höheren Veräußerungspreis führt. Denn nach dem Nominalwertprinzip erfolgt jeder Wertansatz unabhängig vom Zeitpunkt mit dem nomi463 Daher ist unerheblich, dass auch bei der Veräußerung von Lebensführungsvermögen die Leistungsfähigkeit beeinflusst werden kann.
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nellen Wert, nicht mit dem realen. Dabei kann auch eine (reale) Substanzbesteuerung eintreten. 464 Das ist immer dann der Fall, wenn die Steuerschuld nach dem Nominalwertprinzip größer ist als der inflationsbereinigte Gewinn. 465 Die bloße Steigerung der Preise, insbesondere bei Immobilien, ist allerdings nicht mit der Inflation gleichzusetzen.466 Die Wertsteigerung bei Immobilien basiert auch auf der begrenzten Verfügbarkeit von Grund und Boden.467 Im Hinblick auf eine leistungsfähigkeitskonforme Besteuerung wird daher teilweise eine Indexierung für erforderlich gehalten,468 wie sie z. B. in Frankreich und Spanien vorgenommen wird. Das BVerfG hält dagegen das Nominalwertprinzip insbesondere im Hinblick auf Art. 3 I, 14 GG für zulässig.469 Der Inflation muss also nicht Rechnung getragen werden. Denn das Nominalwertprinzip ist tragendes Ordnungsprinzip der Wirtschaftspolitik und Währungsordnung.470 Da das Vermögen als solches nicht von Art. 14 GG geschützt wird, bietet auch Art. 14 GG keinen Schutz gegen die Inflation 4 7 1 Die Entwertung des Vermögens ist nicht Folge der Besteuerung.472 Da die Steuer immer nur aus dem nominellen Veräußerungsgewinn entrichtet werden muss, bleibt die nominelle Kapitalsubstanz durch die Besteuerung unangetastet.473 Wegen des Nominalwertprinzips soll daher für steuerliche Begünstigungen privater Veräußerungen nicht mit dem Inflationsausgleich argumentiert werden können.474
464 z. B. Crezelius, in: K / S / M , EStG, § 23 Rn. A 23 (Jan. 1995). 465 Kirschner, BB 1983, 474 (475); zustimmend Durchlaub, S. 81 f. Vgl. auch Seicht, in: FS für Fischer, S. 207 (225). 466 Anders aber Durchlaub, S. 76 ff. Zur Schwierigkeit der Abgrenzung von Geldentwertung und Preissteigerung BFH v. 14. 5. 1974 - V I I I R 95/72, BFHE 112, 546 (557). 467 So z. B. zutreffend Saathoff, FR 1998, 917 (927). 468 Crezelius, in: K / S / M , EStG, § 23 Rn. A 23 (Jan. 1995). 469 So zur Zinsbesteuerung BVerfG v. 19. 12. 1978 - 1 BvR 335, 427, 811/76, BVerfGE 50, 57 (LS und S. 76), das bezüglich Art. 3 GG eine Kontrolle am Willkürverbot vorgenommen und das Bestehen sachgerechter Gründe bejaht hat (S. 77, 80). Für die Zulässigkeit des Nominalwertprinzips bei geringen Inflationsraten als Praktikabilitätsregelung Tipke, StRO I, S. 515. Für die Unverzichtbarkeit des Nominalwertprinzips Durchlaub, S. 86; Kirchhof, 57. DJT, Gutachten F, S. 38 f.; Lang, Bemessungsgrundlage, S. 176; ähnlich ders., Reformentwurf, S. 66 f. 470 BVerfG v. 19. 12. 1978 - 1 BvR 335, 427, 811/76, BVerfGE 50, 57 (92); zustimmend Handzik, in: L / B / P, EStG, § 2 Rn. 45 (Nov. 2004). 471 Jarass, in: Jarass/Pieroth, GG, Art. 14 Rn. 15; vgl. BVerfG v. 31. 3. 1998 - 2 BvR 1877/97, 2 BvR 50/98, BVerfGE 97, 350 (371), wonach Art. 14 GG beim Geld nur die institutionelle Grundlage und die individuelle Zuordnung gewährleistet, nicht aber den Geldwert. 472 BVerfG v. 19. 12. 1978 - 1 BvR 335, 427, 811/76, BVerfGE 50, 57 (106). Vgl. auch BFH v. 14. 5. 1974 - V I I I R 95/72, BFHE 112,546 (565). Kritisch Tipke, StRO I, S. 515. 473 Vgl. dazu BVerfG v. 19. 12. 1978 - 1 BvR 335,427, 811 /76, BVerfGE 50, 57 (105). 474 So im Hinblick auf eine Schedulenbesteuerung privater Veräußerungsgeschäfte Meilinghoff, zitiert nach Welling/Kayser, StB 2003, 383 (385).
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C. Systematische Sonderstellung des § 23 EStG
Allerdings hat das BVerfG für Einkünfte aus Kapitalvermögen entschieden, der Gesetzgeber dürfe der gesteigerten Inflationsanfälligkeit Rechnung tragen. 475 Hinsichtlich der Besteuerung von Veräußerungen im Privatvermögen stellt sich daher die Frage, ob der Inflation durch die grundsätzliche Nichtsteuerbarkeit privater Veräußerungen Rechnung getragen und der Einkünftedualismus auf diese Weise gerechtfertigt werden kann. 476 Denn die Nichtsteuerbarkeit der meisten privaten Veräußerungen bewirkt jedenfalls, dass keine Besteuerung der realen Kapitalsubstanz aufgrund der Geldentwertung droht. Gegen diesen Ansatz spricht jedoch zunächst, dass das Problem der Ungleichbehandlung mit dem Betriebsvermögen verbleibt. Der Inflation müsste konsequenterweise bei allen Einkünften Rechnung getragen werden. 477 Es gibt jedoch insbesondere keine Regelung, durch die die Inflation bei Veräußerungen im Betriebsvermögen berücksichtigt würde. Teilweise wird hiergegen allerdings angeführt, die Besteuerung der Scheingewinne werde bei Bilanzierenden durch die reale Minderung der Kapitalverbindlichkeiten (Schuldnergewinne oder Realgewinne) ausgeglichen.478 Schuldner werden nämlich durch die Inflation begünstigt, weil sich die Rückzahlung der Schulden nach dem Nominalwertrichtet,während sich der Realwert aufgrund des Geldwertverfalls verringert hat. 479 Es entstehen reale Schuldnergewinne, die nominal nicht erfasst und deswegen steuerlich nicht berücksichtigt werden. 480 Bilanzierende Unternehmer könnten deswegen zur Vermeidung von Inflationsnachteilen auf Fremdfinanzierung ausweichen, die reale Schuldnergewinne bewirke. 481 Solche 475 BVerfG v. 27. 6. 1991-2 BvR 1493/89, BVerfGE 84, 239 (282). 476 Durchlaub, S. 99, 105 f., hält die Nichtsteuerbarkeit der privaten Veräußerungen bei langfristig gehaltenen Wirtschaftsgütern wegen des Ziels der Vermeidung einer Substanzbesteuerung für gerechtfertigt. Vgl. dazu auch Lang, Bemessungsgrundlage, S. 181 f., der diese Rechtfertigung im Ergebnis aber ablehnt. 477 BVerfG v. 19. 12. 1978 - 1 BvR 335, 427, 811 /76, BVerfGE 50, 57 (83, 94); kritisch dazu Vogel, NJW 1979,1158. Dem BVerfG zustimmend Lang, Bemessungsgrundlage, S. 183. 478 Lang, Bemessungsgrundlage, S. 180; Lang, in: Tipke/Lang, § 9 Rz. 56; Durchlaub, S. 103 f.; ähnlich Vogel, NJW 1979, 1158. Der BFH hat wegen des Nominalwertprinzips offen gelassen, ob die Besteuerung von Scheingewinnen durch Schuldnergewinne, insbesondere also den Einfluss der Geldentwertung auf die Passivseite der Bilanz, gemildert oder ausgeglichen wird. Ob es sich um einen Scheingewinn handelt, sei wegen des Nominalwertprinzips unerheblich. So BFH v. 17. 1. 1980 - IV R 156/77, BFHE 130, 258 (260 f.). Während die Nichtsteuerbarkeit der Schuldnergewinne die Rechtfertigung für die Besteuerung der Scheingewinne im Bereich des Betriebsvermögens darstellt, wäre dagegen nach diesem Ansatz wegen der Nichtsteuerbarkeit der Veräußerungen im Privatvermögen mangels Scheingewinnbesteuerung kein Ausgleich dafür erforderlich. Dann würden in beiden Bereichen nachteilige Wirkungen der Inflation vermieden. Wegen der Nichtbesteuerung der realen Gewinne im Privatvermögen bliebe allerdings eine rechtfertigungsbedürftige Ungleichbehandlung bestehen. 479 Durchlaub, S. 82, 102 m. w. N. 480 Durchlaub, S. 82,102. 481 Lang, in: Tipke/Lang, § 9 Rz. 56.
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Schuldnergewinne träten bei Privaten nicht bzw. in geringerem Umfang ein, 482 da diese volkswirtschaftlich betrachtet eher Gläubiger, Unternehmer dagegen Schuldner seien. Ein solcher Ausgleich für die Scheingewinnbesteuerung setzt aber voraus, dass die Unternehmer auf volle Fremdfinanzierung 483 umstellen. Unbeachtet bleibt dabei, ob dies im Einzelfall überhaupt möglich ist. Der Ausgleich der Scheingewinne hängt also insbesondere von der Finanzierungsstruktur ab. 4 8 4 Des Weiteren tritt der Effekt der Schuldnergewinne auch im Privatvermögen ein. 485 Fremdfinanzierung spielt dort zwar bei allgemeiner Betrachtung eine geringere Rolle, aber im Privatvermögen können durch Fremdfinanzierung zugleich nicht steuerbare Realgewinne aus den Krediten und (unter Beachtung des § 23 EStG) aus der Veräußerung des Vermögensgegenstandes ausgenutzt werden. 486 Die verschiedenartigen Nachteile durch die Geldentwertung können deswegen nicht verrechnet werden. 487 Zudem ist zu kritisieren, dass dieser Erklärungsansatz sehr stark vereinfachend und ungenau ist. Auch reale Veräußerungsgewinne im Privatvermögen werden nicht erfasst, nicht nur die Scheingewinne. Selbst wenn man annimmt, dass sich im Betriebsvermögen die Inflationswirkungen auf der Aktiv- und Passivseite ausgleichen, werden im Betriebsvermögen die realen Veräußerungsgewinne besteuert, während diese im Privatvermögen nicht steuerbar sind. Damit besteht eine auch mit diesem Ansatz nicht zu erklärende Ungleichbehandlung von Betriebs- und Privatvermögen. Weiterhin gibt es keinen Zusammenhang zwischen der im Einzelfall drohenden Scheingewinnbesteuerung und der steuerlichen Begünstigung privater Veräußerungen. 488 Beispielsweise bleiben auch Wertpapierveräußerungen nach drei Jahren gänzlich unbesteuert, obwohl der auf die Inflation zurückzuführende Anteil an einem etwaigen Veräußerungsgewinn minimal ist. Da die Möglichkeit besteht, die Nachteile der Inflation vereinfachend beispielsweise über einen Abzug 482
Reimer, Veräußerungsgewinne, S. 59; Durchlaub, S. 106. Vgl. zur Gegenüberstellung von privaten Schulden und Guthaben BVerfG v. 19. 12. 1978 - 1 BvR 335, 427, 811/76, BVerfGE 50, 57 (82). 483
Heutzutage ist allerdings eine gute Eigenkapitalausstattung der Unternehmen erwünscht. 484 Vgl. Seicht, in: FS für Fischer, S. 207 (220 f.), der auch auf weitere Faktoren eingeht. 485 Lang, Bemessungsgrundlage, S. 516. 48 6 Vgl. dazu Lang, in: Tipke/Lang, § 9 Rz. 56. 487 So zutreffend Lang, Bemessungsgrundlage, S. 183. Zum Verbot der Saldierung von Vorteilen einer Norm mit Nachteilen einer anderen Vorschrift bei der verfassungsrechtlichen Prüfung von Normen dersDSÜG 24 (2001), 49 (104). Vgl. aber BVerfG v. 10. 4. 1997 2 BvL 77/92, BVerfGE 96, 1 (8 f.), zum Lohnsteuerverfahren, bei dem eine Gesamtbetrachtung der daraus resultierenden Vor- und Nachteile vorgenommen wurde. 488
Zur Erforderlichkeit der Kongruenz des Umfangs der Steuerbegünstigung und des verfolgten Zwecks bei Lenkungsnormen vgl. Wernsmann, NJW 2000, 2078 (2080). Vgl. auch BVerfG v. 6. 3. 2002 - 2 BvL 17/99, BVerfGE 105, 73 (113 f.). Danach ist bei der Kompensation außersteuerlicher Nachteile ein Mindestmaß an zweckgerechter Ausgestaltung des Vergünstigungstatbestandes und an Abstimmung mit den Nachteilen notwendig.
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eines mit der Haltedauer ansteigenden prozentualen Anteils des Veräußerungsgewinns auszugleichen,489 ist die intensive Abweichung vom Leistungsfähigkeitsprinzip durch die Nichtsteuerbarkeit privater Veräußerungen nicht erforderlich. Außerdem erscheint die völlige Nichtsteuerbarkeit insbesondere bei Haltezeiten unter zehn Jahren als unangemessen, da reale Gewinne in keinem Fall erfasst werden. Ferner dürfte, wenn die grundsätzliche Nichtsteuerbarkeit privater Veräußerungen wirklich dem Inflationsausgleich dienen soll, § 23 EStG nur nicht inflationsbelastete oder nur in geringem Ausmaß inflationsbelastete Veräußerungseinkünfte besteuern. Dem widerspricht aber die zehnjährige Frist bei Grundstücken. Die Frist müsste, um das Ziel eines Inflationsausgleichs erreichen zu können, deutlich kürzer bemessen sein, zumal für sonstige Wirtschaftsgüter eine einjährige Frist gilt. Für eine unterschiedliche Berücksichtigung der Inflation bei den davon betroffenen Wirtschaftsgütern gibt es keinen erkennbaren Rechtfertigungsgrund. Hinzu kommen grundsätzliche Zweifel an der Tauglichkeit einer Fristregelung für das Ziel des Inflationsausgleichs. Ein pauschaler Inflationsausgleich durch eine Nichtsteuerbarkeit nach Fristablauf fiele in sehr starkem Maße vereinfachend aus. Bei privaten Veräußerungen variiert die Haltedauer zwischen wenigen Minuten bei einigen Wertpapiergeschäften und Jahrzehnten. Selbst die Bildung einer durchschnittlichen Haltedauer erscheint mangels umfassender Daten unmöglich und zudem wenig sinnvoll. Auch ein vereinfachter Inflationsausgleich sollte an die Haltedauer des jeweiligen Vermögensgegenstandes anknüpfen. Festzuhalten ist daher, dass nach wie vor der bereits im Jahre 1922 geäußerte Einwand gilt: Die Probleme durch die Geldentwertung sprechen nicht gegen die Besteuerung der Veräußerungsgewinne überhaupt, sondern nur gegen die Art und Weise ihrer Berechnung.490 Ihre Nichtsteuerbarkeit entlastet die privaten Veräußerungsgewinne über die Auswirkungen der Inflation hinaus. Die Nichtbesteuerung ist daher kein angemessener Ausgleich für die Inflation, sondern eine viel zu undifferenzierte Begünstigung.491
e) Praktikabilität
und Steuervereinfachung
durch Typisierung
Der Dualismus der Einkunftsarten lässt sich möglicherweise jedoch als typisierende Maßnahme der Steuervereinfachung rechtfertigen 4 9 2 Typisierung bedeutet 489 Lang, Reformentwurf, S. 66 f. Ebenso für Grundstücke Tipke, StRO II, 1. Aufl., 1993, S. 655. Zu Maßnahmen der Inflationsbereinigung näher unten D.II.3. 490 Glaser, EStG 1920, § 11 Anm. 27, S. 166. 491 Vgl. auch Meilinghoff, zitiert nach Welling/Kayser, StB 2003, 383 (385), der den einzelnen pauschalen Steuersatz von 15 % nach dem Entwurf des StVergAbG, der für Veräußerungsgewinne statt des vollen Steuersatzes gelten sollte, angesichts der unterschiedlichen Haltezeiträume zur inflationsbereinigten Besteuerung für ungeeignet hält.
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die Zugrundelegung des Normalfalls und Gleichbehandlung der davon abweichenden Fälle. 493 Hier kommt eine Verwaltungsvereinfachung durch Typisierung im Privatvermögen in der Weise in Betracht, dass man als Normalfall ansieht, dass private Veräußerungen fehlen oder nur einen sehr geringen Umfang haben und Veräußerungen regelmäßig im Betriebsvermögen stattfinden. 494 Nur betriebliche Veräußerungen zu erfassen wäre zulässig (und damit der Dualismus der Einkunftsartengruppen), wenn typisierend davon ausgegangen werden dürfte, dass die meisten Steuerpflichtigen keine privaten Veräußerungen tätigen. Denn dann wäre die Ungleichbehandlung durch die Nichtsteuerbarkeit privater Veräußerungen nicht relevant.495 Die Frage ist also, ob die Durchbrechung des Leistungsfähigkeitsprinzips auch damit gerechtfertigt werden kann, dass es einfacher und praktikabler ist, private Veräußerungen nicht zu erfassen 4 9 6 Im Gegensatz zum Begründungsansatz des preußischen EStG von 1891 wäre der Dualismus dann nicht für die Kaufleute eine Vereinfachung, sondern für die Privaten, denen ein Vermögensvergleich bzw. ein Vermögensverzeichnis erspart bleibt. Das BVerfG lässt Typisierungen und Pauschalierungen grundsätzlich zu. Vereinfachungszwecknormen dienen der Praktikabilität der Gesetze.497 Jede gesetzliche Regelung muss notwendigerweise verallgemeinern. 498 Der Gesetzgeber darf die Einzelfälle im Gesamtbild erfassen, wenn dies nach seinen Erfahrungen die regelungsbedürftigen Sachverhalterichtigwiedergibt. 499 Auch die Besonderheiten ganzer Gruppen dürfen unter Umständen vernachlässigt werden. 500 Die unvermeidlichen Härten durch Typisierungen und Pauschalierungen führen nicht zu einem Verstoß gegen den Gleichheitssatz.501
492 Vgl. dazu Birk, StuW 2000, 328 (330): Die teilweise Nichtbesteuerung privater Veräußerungsgewinne sei allenfalls mit der Verkomplizierung des Steuerrechts (oder den Erfassungsschwierigkeiten) zu rechtfertigen. 493 Birk/Barth, in: H / H / S p , § 4 AO Rz. 491 m. w. N. (Nov. 1997). 494 Hier ähneln die vorgebrachten Argumente der Argumentation über die angeblichen Wesensunterschiede zwischen Gewinn- und Überschusseinkünften. Dazu oben C.I.3.b). 495 Man könnte dann gegen eine rechtfertigungsbedürftige Ungleichbehandlung zudem argumentieren, dass es sich bei Veräußerungen im Betriebsvermögen und Privatvermögen um nicht vergleichbare Sachverhalte handele. 496 Vgl. Watrin/Lühn, DB 2003, 168 (173), die die Nichtsteuerbarkeit langfristiger privater Veräußerungen aus Gründen der Praktikabilität für empfehlenswert halten. Vgl. auch das Gutachten der Steuerreformkommission 1971, Abschnitt II, Tz. 96, 102, das die vollständige Erfassung sämtlicher privaten Veräußerungen für fast unmöglich hielt und deswegen die Besteuerung auf Grundstücke, Wertpapiere und Anteile an Kapitalgesellschaften bei wesentlicher Beteiligung beschränken wollte. 497 Birk/Barth, in: H / H / S p , § 4 AO Rz. 490,492 (Nov. 1997); Lang, in: Tipke/Lang, § 4 Rz. 130. 498 BVerfG v. 6. 3. 2002 - 2 BvL 17/99, BVerfGE 105,73 (127); BVerfG v. 11.11. 1998 2 BvL 10/95, BVerfGE 99, 280 (290). 499 BVerfG, Fn. 498, BVerfGE 105, 73 (127); BVerfG, Fn. 498, BVerfGE 99, 280 (290). 500 BVerfG v. 20. 4. 2004 - 1 BvR 1748/99, 905/00, BVerfGE 110, 274 (292).
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Typisierungen und Pauschalierungen sind aber gleichzeitig klare Grenzen gezogen. Es ist zunächst der Normalfall (typische Fall) realitätsgerecht zugrunde zu legen.502 Typisierungen müssen weiterhin verhältnismäßig sein. 503 Die Vorteile der Typisierung müssen im rechten Verhältnis zu der mit der Typisierung notwendig verbundenen Ungleichheit der Steuerbelastung stehen.504 Typisierungen müssen also zur Vereinfachung geeignet, erforderlich und angemessen sein. 505
aa) Realitätsgerechte Zugrundelegung des Normalfalls Zunächst fragt sich, ob Veräußerungen im Privatvermögen im Normalfall nicht stattfinden oder nur einen zu vernachlässigenden Umfang haben und daher dieser Normalfall typisierend zugrunde gelegt werden kann, indem private Veräußerungen grundsätzlich nicht besteuert werden. 506 In diese Richtung gehend wird argumentiert, private Gewinne aus Veräußerungen seien anders als im betrieblichen Bereich atypischer.507 Auch das FG Nürnberg meint im Hinblick auf die Zulässigkeit des Dualismus ohne nähere Begründung, bei Privatvermögen käme Veräußerungen eine weit geringere Bedeutung zu als bei Betriebsvermögen. 508
501 BVerfG, Fn. 498, BVerfGE 105, 73 (127); BVerfG, Fn. 498, BVerfGE 99, 280 (290); BVerfG v. 8. 2. 1983 - 1 BvL 28/79, BVerfGE 63, 119 (128). Härten dürfen aber nur unter Schwierigkeiten vermeidbar sein und nur verhältnismäßig wenige betreffen, BVerfG v. 4. 4. 2001 - 2 BvL 7/98, BVerfGE 103, 310 (319) m. w. N. 502 Zur Erfassung des typischen Lebensvorgangs BVerfG v. 10. 4. 1997 - 2 BvL 77/92, BVerfGE 96, 1 (LS 1 und S. 7). Zur realitätsgerechten Typisierung siehe BVerfG v. 7. 12. 1999 - 2 BvR 301/98, BVerfGE 101, 297 (310). Ebenso Birk, Steuerrecht, Rn. 179; Jarass, in: Jarass / Pieroth, GG, Art. 3 Rn. 31. Vgl. Lang, in: Tipke/Lang, § 4 Rz. 132, wonach alle Vereinfachungszwecknormen eine Durchschnittsnormalität festlegen sollen. 503 BVerfG v. 4. 4. 2001 - 2 BvL 7/98, BVerfGE 103, 310 (319). Ebenso Birk, Steuerrecht, Rn. 179; Birk/Barth, in: H / H / S p , § 4 AO Rz. 493 (Nov. 1997); Lang, in: Tipke/ Lang, § 4 Rz. 132. 504 BVerfG v. 20. 4. 2004 - 1 BvR 1748/99, 905/00, BVerfGE 110, 274 (292); BVerfG v. 6. 12. 1983 - 2 BvR 1275/79, BVerfGE 65, 325 (354 f.); BVerfG v. 18. 5. 1971 - 1 BvL 7, 8/69, BVerfGE 31, 119 (131); Arndt/Schumacher, AöR 118 (1993), 513 (518). A. A. Kirchhof, in: Isensee/Kirchhof, HStR V, § 124 Rn. 300, vgl. Rn. 289. Siehe auch Isensee, 57. DJT, Band II, Sitzungsberichte Teil N, S. 49, wonach der Gewinn an Praktikabilität im Verhältnis zur Einbuße an Belastungsgleichheit stehen muss. 505 Birk, Steuerrecht, Rn. 179. 506 § 23 EStG könnte dann zwar als Erfassung der Fälle in Betracht gezogen werden, in denen atypischerweise private Veräußerungsgewinne in größerem Umfang entstehen. Dagegen spricht aber bereits, dass außerhalb der Fristen erhebliche nicht erfasste Veräußerungsgewinne erzielt werden und dass keine Anhaltspunkte für einen besonderen Umfang kurzfristiger Veräußerungen bestehen, so dass eine solche Typisierung nicht realitätsgerecht wäre. 507 Jakob, Einkommensteuer, 1. Aufl., § 2 Rn. 15. 508 FG Nürnberg v. 13. 10. 1999 - V I 212/99, EFG 2000, 505.
I. Der Dualismus der Einkunftsarten
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Veräußerungen im Privatvermögen haben jedoch ebenfalls erhebliche Bedeutung. Heutzutage sind viele Steuerpflichtige mit Anschaffungen und Veräußerungen vor allem von Aktien und Fondsanteilen auf dem Kapitalmarkt tätig. Im Bereich der privaten Vermögensverwaltung werden ebenfalls gezielt und in erheblichem Umfang Veräußerungsgewinne erwirtschaftet. Private Veräußerungen sind daher keineswegs atypisch. Ferner sind auch im Betriebsvermögen häufige Veräußerungen in erster Linie für die Handelstätigkeit typisch, nicht aber für alle unternehmerischen Betätigungen.509 Das Fehlen von Veräußerungen im Privatvermögen als Normalfall anzusehen,510 begegnet daher bereits erheblichen Bedenken. 5 "
bb) Geeignetheit der Typisierung zur Vereinfachung Die Typisierung ist zur Vereinfachung geeignet, wenn die grundsätzliche Nichtbesteuerung privater Veräußerungen einfacher ist als eine differenzierte Behandlung des Privatvermögens. Dadurch dass die Steuerpflichtigen diesbezüglich keine Berechnungen und Erklärungen aufstellen müssen und die Verwaltung sich nicht damit befassen muss, ist die Nichtbesteuerung deutlich einfacher. Zu kritisieren ist aber, dass die Vereinfachungswirkung durch § 23 EStG eingeschränkt wird. Denn um festzustellen, ob Steuerbarkeit nach § 23 EStG besteht, sind für die Prüfung der Frist an sich zunächst Aufzeichnungen über die Anschaffung nötig.
cc) Erforderlichkeit und Angemessenheit der Typisierung Die Erforderlichkeit einer solchen Typisierung setzt voraus, dass es keine gleich einfache Regelung gibt, die eine geringere Abweichung vom Gleichheitssatz darstellt. 512 Jede verbesserte Erfassung privater Veräußerungen wäre nicht ebenso einfach wie ihre Nichtbesteuerung. Daher ist die Vereinfachungsregelung zwar erforderlich. Allerdings bestehen erhebliche Zweifel an der Angemessenheit der Typisierung. Denn Voraussetzung einer Typisierung ist weiterhin, dass die dadurch entstehende Ungleichbehandlung nur unter Schwierigkeiten vermeidbar ist. 513 Mit relativ ge509 Beispielsweise sind tätigkeitsbezogene Veräußerungen bei Rechtsanwälten oder Ärzten oder bei gewerblichen Dienstleistern eher selten. 510 Angesichts der großen Gruppe von Arbeitnehmern mit wenigen Veräußerungen tätigt der typische Steuerpflichtige unter Umständen nur Veräußerungen in zu vernachlässigendem Umfang. Dann sind Unternehmer und privat vermögensverwaltend Tätige, die atypisch viele Veräußerungsgeschäfte tätigen, aber vergleichbar und auch gleich zu behandeln. 511 Vgl. auch Tipke, StRO I, S. 356, wonach es an der Typisiert)arkeit fehlt, wenn sich die Fälle sehr stark unterscheiden. 512 Vgl. BVerfG v. 8. 10. 1991 - 1 BvL 50/86, BVerfGE 84, 348 (365).
140
C. Systematische Sonderstellung des § 23 EStG
ringem Aufwand wäre es jedoch möglich, die Veräußerungsgewinne im Privatvermögen jeweils entsprechend ihrer tatsächlichen Höhe zu erfassen. 514 Die Ungleichbehandlung könnte durch eine Aufzeichnungspflicht für private Veräußerungen vermieden werden. Insbesondere gäbe es keine wesentlichen technischen Schwierigkeiten, Gewinne aus Wertpapier- und Grundstücksveräußerungen zu erfassen. 515 Zur Vermeidung einer Ungleichbehandlung wäre es etwa denkbar, nichtunternehmerischen Steuerpflichtigen - ähnlich wie bei § 4 III EStG - die Aufstellung eines Vermögensverzeichnisses aufzuerlegen. Dies erfordert keinen großen Aufwand. Ein solches Vermögensverzeichnis könnte gegebenenfalls an die Überschreitung einer bestimmten Höhe der Veräußerungseinkünfte bzw. des Vermögens geknüpft werden und unter Umständen auch auf bestimmte, z. B. wertvollere, Gegenstände beschränkt werden, um den verursachten Aufwand gering zu halten. Damit könnte eine gleiche Belastung hergestellt bzw. eine deutliche Verbesserung erreicht werden. Außerdem erreicht die Intensität der Ungleichbehandlung im Privatvermögen ein erhebliches Ausmaß, obwohl bei Typisierungen die Abweichung vom Gleichheitssatz nicht sehr intensiv sein darf. 516 Im Bereich der Überschusseinkünfte können Veräußerungsgewinne in unbegrenzter Höhe ohne Besteuerung vereinnahmt werden, während Steuerpflichtige ohne Veräußerungsgewinne davon nicht profitieren und andere Einkünfte besteuert werden. Insbesondere besteht die Möglichkeit, durch Steuergestaltung statt Erträgen nicht steuerbare Veräußerungsgewinne zu erzielen. Im Bereich der privaten Vermögensverwaltung können Großvermögen steueroptimiert vermehrt werden. Diese werden massiv begünstigt. Eine nicht zu vernachlässigende Gruppe Steuerpflichtiger erwirtschaftet dabei gezielt nicht steuerbare Einkünfte von bedeutendem Ausmaß.517 Dadurch dass Betriebsvermögen ins Privatvermögen überführt und dann steuergünstig verwaltet werden kann, können diese Vorteile auch Unternehmern zugute kommen. Benachteiligt sind also nicht zwingend die Unternehmer, sondern diejenigen, die nicht durch Gestaltung statt 513 BVerfG v. 8. 2. 1983 - 1 BvL 28/79, BVerfGE 63, 119 (128) m. w. N. Ebenso im Hinblick auf Härten BVerfG v. 4. 4. 2001 - 2 BvL 7/98, BVerfGE 103, 310 (319). Vgl. auch BVerfG v. 8. 10. 1991 - 1 BvL 50/86, BVerfGE 84, 348 (365), wonach bei erheblichen Abweichungen vom Gleichheitssatz durch eine Typisierung und Betroffenheit nicht nur einer verhältnismäßig kleinen Anzahl von Personen, Art. 3 I GG allenfalls dann nicht verletzt ist, wenn eine schonendere Zwischenlösung aus sachlichen Gründen nicht möglich ist. 514 Auch eine Beschränkung der Besteuerung im Privatvermögen auf Grundstücke, Anteile und Wertpapiere wäre von der Vereinfachungswirkung her mit der Nichtbesteuerung zu vergleichen, aber eine deutlich geringere Abweichung vom Gleichheitssatz. 515 Vgl. Tipke, StRO n, S. 722. 516 BVerfG v. 28. 4. 1999 - 1 BvL 11/94 u. a., BVerfGE 100, 138 (174); BVerfG v. 28. 4. 1999 - 1 BvL 22, 34/95, BVerfGE 100, 59 (90); BVerfG v. 8. 10. 1991 - 1 BvL 50/86, BVerfGE 84, 348 (365); BVerfG v. 8. 2. 1983 - 1 BvL 28/79, BVerfGE 63, 119 (128). Vgl. BVerfG v. 4. 4. 2001 - 2 BvL 7/98, BVerfGE 103, 310 (319). Siehe auch Birk/Barth, in: H / H / S p , § 4 AO Rz. 493 (Nov. 1997) m. w. N. zur Rechtsprechung. 517 Vgl. dazu auch BVerfG v. 30. 5. 1990 - 1 BvL 2/83, BVerfGE 82, 126 (152), wonach durch Typisierungen nur verhältnismäßig kleine Gruppen benachteiligt werden dürfen.
I. Der Dualismus der Einkunftsarten
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steuerpflichtigen Einkünften nicht steuerbare Veräußerungsgewinne erzielen können (z. B. die Lohnempfänger). Die Nichtsteuerbarkeit bevorzugt zudem die größere Gruppe Steuerpflichtiger, die in normalem Umfang nicht steuerbare Einnahmen aus Wertpapier- oder Grundstücksveräußerungen erzielt. Eine steuerliche Erfassung der Veräußerungen im Privatvermögen wäre also in relativ einfacher und mit anderen Einkünften vergleichbarer Weise möglich, so dass die Vereinfachungswirkung durch den grundsätzlichen Verzicht auf die Besteuerung der Veräußerungsgeschäfte begrenzt ist, während die Ungleichbehandlung ein erhebliches Ausmaß erreicht. Daher ist die Typisierung einer zu vernachlässigenden Bedeutung privater Veräußerungen als Vereinfachungsmaßnahme nicht angemessen. Eine Rechtfertigung des Dualismus über eine Typisierung zu vernachlässigender Veräußerungen im Privatvermögen ist danach nicht möglich.518 Zu Recht wird ferner darauf hingewiesen, dass andere, ebenfalls kompliziert zu erfassende Einkunftsarten steuerbar sind und deswegen die Nichtsteuerbarkeit des Privatvermögens nicht mit Vereinfachungserwägungen begründet werden kann. 519 Neben der Vereinfachung durch Typisierung stellt sich die Frage, ob es auch zulässige Vereinfachungszwecknormen geben kann, die keine Typisierung (oder Pauschalierung) darstellen. Dies wird allerdings wohl überwiegend abgelehnt.520 Ein Bedürfnis dafür könnte aber beispielsweise in dem Fall bestehen, dass eine Typisierung daran scheitert, dass es wegen der Verschiedenartigkeit der Fälle keinen typischen Fall gibt, der zugrunde gelegt werden könnte. Eine Vereinfachung sollte dem Gesetzgeber dann erlaubt sein, wenn eine Typisierung nicht möglich ist und wenn die Abweichung vom Gleichheitssatz noch im Verhältnis zur Vereinfachungswirkung steht. Darauf, dass außer durch Typisierung noch eine Vereinfachung auf andere Weise möglich ist, deutet auch die Formulierung des BVerfG hin, der Gesetzgeber habe eine weitgehende „Befugnis zur Vereinfachung und Typisierung".521 Dann käme eine Rechtfertigung des Dualismus in der Weise in Betracht, dass vereinfachend nur betriebliche Veräußerungen erfasst werden. Eine solche Rechtfertigung des Dualismus als Vereinfachung scheitert nach den obigen Ausführun518 Denkbar ist dann noch eine Rechtfertigung als Lenkungsnorm, vgl. Birk/Barth, in: H / H / S p , § 4 AO Rz. 496 (Nov. 1997). Darauf wird im Folgenden noch eingegangen, z. B. hinsichtlich der Förderung der Altersvorsorge. 519 Tipke, StRO II, S. 732. 520 So wohl Birk/Barth, in: H / H / S p , § 4 AO Rz. 496 (Nov. 1997). So wohl auch Lang, in: Tipke/Lang, § 4 Rz. 132, nach dessen Ansicht alle Vereinfachungszwecknormen eine Durchschnittsnormalität festlegen sollen. Dass Tipke dagegen im Hinblick auf Vereinfachungszwecknormen „insbesondere" von Typisierungen und Pauschaherungen spricht, deutet darauf hin, dass daneben noch weitere Vereinfachungszwecknormen zulässig sein sollen, Tipke, StRO I, S. 349. 521 Und nicht: Vereinfachung durch Typisierung. Siehe BVerfG v. 6. 3. 2002 - 2 BvL 17/99, BVerfGE 105, 73 (127).
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C. Systematische Sonderstellung des § 23 EStG
gen aber zumindest daran, dass die Nichtbesteuerung privater Veräußerungen außerhalb der Fristen des § 23 EStG eine sehr schwerwiegende Ungleichbehandlung darstellt, obwohl eine Besteuerung der privaten Veräußerungen in praktikabler Weise möglich wäre. Eine derartige Vereinfachung wäre daher jedenfalls unverhältnismäßig. Deswegen kann dahingestellt bleiben, ob es neben Typisierungen und Pauschalierungen weitere Vereinfachungsnormen gibt.
f) Progressionsausgleich Nach vereinzelt vertretener Ansicht ist die Ausgrenzung der Wertsteigerungen durch Umschichtungen privater Vermögenswerte aus dem Einkommensbegriff wegen der einkommensteuerlichen Progression gerechtfertigt. 522 Das Einkommensteuerrecht stelle auf periodische Zuflüsse ab; einmalige Kapitalzugänge würden aufgrund der Progression mit einem außerordentlich hohen Steuersatz belastet. Dadurch sei die Ausklammerung einmaliger Vermögenszuflüsse gerechtfertigt. 523 Diese Problematik besteht aber auch bei den Gewinneinkünften. Trotzdem sind dort Veräußerungsgeschäfte nicht steuerbefreit. Nach dieser Argumentation würde die Progression konsequenterweise auch die Nichtsteuerbarkeit betrieblicher Veräußerungsgewinne erfordern. Zudem wären zum Ausgleich der Progression z. B. die Ausweitung der Fünftelregelung gemäß § 34 I EStG, die Anwendung eines ermäßigten Steuersatzes in Abhängigkeit vom durchschnittlichen Steuersatz (vgl. § 34 III EStG), ein averaging oder andere Maßnahmen geeignet,524 die die Steuergleichheit weniger belasten als die Nichtsteuerbarkeit dieser Vermögensmehrungen. Die Nichtsteuerbarkeit privater Veräußerungen ist daher nicht erforderlich.
g) Förderung der privaten Vermögensbildung
und der Altersvorsorge
Als Rechtfertigung des durch die grundsätzliche Nichtsteuerbarkeit privater Veräußerungen bestehenden Dualismus der Einkunftsarten kommt auch die Förderung privater Vermögensbildung und der Altersvorsorge in Betracht. Dann würde es sich dabei um eine Sozialzwecknorm handeln.
522 Blümich / Stuhrmann, § 2 EStG Rn. 7 (Okt. 2002). Vereinzelt wird die Nichtsteuerbarkeit privater Veräußerungen auch dadurch als gerechtfertigt angesehen, dass die Nichtsteuerbarkeit den Zinsverlust ausgleiche, der durch die Berücksichtigung der Anschaffungskosten erst im Zeitpunkt der Veräußerung entstehe, Wenger, in: Einkommen versus Konsum, S. 37 (47 f.); Wurmsdobler, ÖStZ 2000, 113 (118). Bei einem solchen Ausgleich würde allerdings jeder Zusammenhang zwischen Zinsnachteil und Steuervorteil fehlen. 523 Blümich / Stuhrmann, § 2 EStG Rn. 7 (Okt. 2002). 524 Zu Maßnahmen zur Beseitigung der Progressionsproblematik Kanzler, FR 2000, 1245 (1247). Zu Steuererleichterungen für Veräußerungsgewinne im internationalen Vergleich Förster, in: FS für Flick, S. 721 (724 ff., 730 ff.).
I. Der Dualismus der Einkunftsarten
143
Auch bei der Besteuerung darf der Gesetzgeber Lenkungsziele verfolgen. 525 Zwar sind Durchbrechungen der einmal getroffenen Belastungsentscheidung als Steuervergünstigung möglich.526 Nach der Rechtsprechung des BVerfG muss der Gesetzgeber jedoch erkennbar 527 Lenkungszwecke verfolgt sowie Ziel und Grenze der Lenkung tatbestandlich vorgezeichnet und gleichheitsgerecht ausgestaltet haben. 528 An diesen Voraussetzungen fehlt es bei der Nichtbesteuerung privater Veräußerungen bereits. Lenkungszwecke sind weder aus dem Gesetz selbst noch aus den Gesetzesmaterialien erkennbar. Die grundsätzliche Nichtsteuerbarkeit privater Veräußerungen ist auch nicht geeignet, um eine Vermögensbildung zu erreichen, so dass es an der tatbestandlichen Vörzeichnung des Ziels fehlt. 529 Denn die Nichtbesteuerung bewirkt nicht zwingend, dass diese Einkünfte nicht konsumiert, sondern als Vermögen erhalten bleiben. Die Vermögensbildung wird nicht kontrolliert und auch kein Anreiz dazu gesetzt, denn auch bei einer Verwendung des Veräußerungsgewinns für Konsumzwecke werden die außerhalb der Frist liegenden Veräußerungen nicht besteuert. Erforderlich für eine zielgerichtete Förderung der Vermögensbildung wäre etwa die Einzahlung in einen Fonds, dessen Mittel z. B. erst im Alter steuerunschädlich verwendet werden können.530
5. Auswirkungen des Dualismus der Einkunftsartengruppen Die Grundentscheidung für den Dualismus hat erhebliche Auswirkungen auf das gesamte Einkommensteuerrecht. Der BFH grenzt die Erwerbssphäre von der 525 St. Rspr.; z. B. BVerfG v. 27. 6. 1991 - 2 BvR 1493/89, BVerfGE 84, 239 (274); BVerfG v. 6. 3.2002- 2 BvL 17/99, BVerfGE 105,73 (112) m. w. N.; BVerfG v. 20.4. 20041 BvR 1748/99, 905/00, BVerfGE 110, 274 (293). Vgl. auch § 3 I A O a. E. Zur Problematik steuerlicher Lenkungsnormen umfassend Wernsmann, Verhaltenslenkung, passim. 526 BVerfG v. 20. 4. 2004- 1 BvR 1748/99, 905/00, BVerfGE 110, 274 (LS 3 und S. 293, 303). Die Verteilung der Leistungen darf dann nicht willkürlich sein. 527 BVerfG v. 20. 4. 2004 - 1 BvR 1748/99, 905/00, BVerfGE 110, 274 (293); BVerfG v. 6. 3. 2002 - 2 BvL 17/99, BVerfGE 105, 73 (112 f.). 528 BVerfG v. 11. 11. 1998 - 2 BvL 10/95, BVerfGE 99, 280 (296); BVerfG v. 22. 6. 1995 - 2 BvL 37/91, BVerfGE 93, 121 (148). Zum Erfordernis der Abwägung der Bedeutung des Lenkungszwecks und der Intensität der Abweichung von der Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit Birk, Steuerrecht, Rn. 177; ders., Leistungsfahigkeitsprinzip, S. 244 f.; Wernsmann, Verhaltenslenkung, §§ 14-15, S. 224 ff. 529 Vgl. zu § 32c EStG a. F. Wernsmann, NJW 2000, 2078 (2080). Zur Voraussetzung der Zwecktauglichkeit der Lenkungsnorm siehe auch Birk, Steuerrecht, Rn. 172. 530 Auch § 23 EStG wäre bei einem solchen gesetzgeberischen Ziel kaum zu erklären. Allenfalls könnte man argumentieren, dass Spekulationsgewinne der Einkünfteerzielung, aber nicht der Vermögensbildung dienen, sowie dass langfristige Gewinne eher der Vermögensbildung dienen und deshalb nicht besteuert werden.
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C. Systematische Sonderstellung des § 23 EStG
grundsätzlich nicht steuerbaren Vermögensebene ab. 531 Bei Wertsteigerungen ist es vorteilhaft, wenn es sich um Gegenstände des Privatvermögens handelt, Veräußerungsverluste können dagegen grundsätzlich nur im Betriebsvermögen berücksichtigt werden. 532 Dadurch ergeben sich erhebliche Gestaltungsanreize und -möglichkeiten für die Steuerpflichtigen. Die Finanzverwaltung und zum Teil die Gerichte versuchen daher tendenziell, vermögensverwaltende Einkünfte als Einkünfte aus Gewerbebetrieb zu qualifizieren. 533 Diese Grenzverschiebung im dualen System ist als Verletzung der Gesetzmäßigkeit der Besteuerung und der gesetzgeberischen Entscheidung für den Dualismus zu kritisieren. 534 Dies zeigt sich bei der Abgrenzung von gewerblichem Grundstückshandel und privater Vermögensverwaltung anhand der Drei-Objekt-Grenze. 535 Es ist angesichts des allgemeinen Verständnisses von einer gewerblichen Tätigkeit schwer nachzuvollziehen, warum jemand, der jedes Jahr ein Grundstück veräußert, mit Verkauf des vierten Grundstücks im vierten Jahr Gewerbetreibender sein soll. 536 Bei Aufgabe des Dualismus würde die Abgrenzung von Betriebsvermögen und privatem Erwerbsvermögen entbehrlich und das Einkommensteuerrecht auch ansonsten deutlich vereinfacht. 537
6. Kritik am Dualismus der Einkunftsarten Trotz der langen Tradition des Dualismus der Einkunftsarten und seiner zentralen Stellung im System der Einkommensbesteuerung wird er in der Literatur in zunehmendem Maße kritisiert. Die zum Teil bereits angesprochenen Kritikpunkte werden hier im Zusammenhang dargestellt. Die Kritikrichtetsich vor allem gegen die Ungleichbehandlung der privaten und betrieblichen Veräußerungen trotz gleicher wirtschaftlicher Leistungsfähigkeit. Die für eine Kritik am Dualismus herangezogenen Argumente zielen in der Regel zugleich auf eine generelle Besteuerung von Veräußerungen im Privatvermögen ab. 538 Im internationalen Vergleich überwiegt die Besteuerung privater Veräußerungen, 539 auch wenn erhebliche Unterschiede bestehen. 531 BFH v. 7. 12. 2004 - V I I I R 70/02, DStR 2005, 639 (641). 532 Crezelius, in: K / S / M , EStG, § 23 Rn. A 80 (Jan. 1995). 533 Crezelius, in: K / S / M , EStG, § 23 Rn. A 86 (Jan. 1995); Lüdemann/Zugmaier, DStR 1996, 1636 (1638 f.); Lang, in: Tipke/Lang, § 9 Rz. 187. Ähnlich Tipke, StRO II, S. 729 f.; ders., in: FS für Paulick, S. 391 (398). 534 So schon Tipke, in: FS für Paulick, S. 391 (398). Ebenso Crezelius, in: K / S / M , EStG, § 23 Rn. A 25, D 4 (Jan. 1995); Lang, in: Tipke/Lang, § 9 Rz. 187. 535 Crezelius, in: K / S / M , EStG, § 23 Rn. A 26, D 5 (Jan. 1995); Tipke, StRO II, S. 730. 536 Crezelius, in: K / S / M , EStG, § 23 Rn. A 26 (Jan. 1995). 537 Näher dazu Tipke, StRO II, S. 730 f. 538 Verfassungsrechtliche Bedenken gegen die Aufhebung des Dualismus werden nur vereinzelt erhoben. So etwa Bachem, in: Bo/Br, EStG, § 23 Rn. 31 (Aug. 2003).
I. Der Dualismus der Einkunftsarten a) Unterschiedliche
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Behandlung von Betriebsvermögen
und Privatvermögen Während Veräußerungsgewinne im Rahmen der betrieblichen Einkunftsarten regelmäßig voll erfasst werden, werden sie bei den außerbetrieblichen Einkunftsarten grundsätzlich nicht erfasst. 540 Definiert man steuerliche Leistungsfähigkeit als die neu erworbene Fähigkeit, aus erwirtschaftetem, disponiblem Einkommen Geldschulden zahlen zu können, 5 4 1 kommt man nicht umhin, bei gleich hohen Veräußerungsgewinnen gleich welchen Ursprungs von gleich hoher Leistungsfähigkeit auszugehen. 542 Das wird auch vbn denjenigen eingeräumt, 543 die den Dualismus für verfassungsgemäß halten. Beispielsweise wird die steuerliche Leistungsfähigkeit in gleicher Weise erhöht, wenn ein Vermieter das vermietete Grundstück mit einem Gewinn von 100.000 € veräußert oder wenn ein Gewerbetreibender sein Betriebsgrundstück mit einem Gewinn von 100.000 € veräußert. 544 Trotzdem haben beide Fälle verschiedene steuerliche Folgen. 5 4 5 Durch die grundsätzliche Nichterfassung von Veräußerungen im Privatvermögen entsteht damit das Problem der Ungleichbehandlung betrieblicher und privater Veräußerungsgewinne trotz gleicher Leistungsfähigkeit. 546 539 Dazu Jansen, in: H / H / R , § 23 EStG Anm. 8 (Nov. 2002); Saathoff, FR 1998, 917 (922 f., 928 ff.). 540 BFH v. 16. 12. 2003 - IX R 46/02, BFHE 204, 228 (237 f.); kritisch Ruppe, in: H / H / R , Einf. ESt Anm. 73 (Febr. 1990). 541 Bachem, in: Bo/Br, EStG, § 2 Rn. 23 m. w. N. (Juli 1998); ähnlich Kirchhof, in: K / S / M , EStG, § 2 Rn. A 7: neu erworbene Fähigkeit, Geldschulden zahlen zu können (Zahlungsfähigkeit); ebenso Jachmann, DStJG 23 (2000), 9 (11): Fähigkeit, Geldzahlungen zu erbringen. Vgl. auch Jehner, DStR 1988, 267: Ökonomische Fähigkeit zur Erbringung der Steuerlast. Siehe auch Tipke, StRO II, S. 762: Die Einkommensteuer müsse an das für die Steuerzahlung disponible Einkommen anknüpfen. Ähnlich auch Birk, StuW 2000, 328 (331): Leistungsfähigkeit vermittele nur der Teil des erzielten wirtschaftlichen Ergebnisses, der für die private wirtschaftliche Verwendung zur Verfügung stehe. Bei der Beurteilung der Leistungsfähigkeit kann an den Mittelerwerb oder an die Einkommensverwendung anknüpft werden, siehe z. B. Wurmsdobler, ÖStZ 2000, 113 (114). Das geltende Einkommensteuerrecht stellt auf die Einkünfteerzielung, nicht auf die Einkommensverwendung ab, z. B. Weber-Grellet, Steuern im modernen Verfassungsstaat, S. 77, 83. 542 Zur Steigerung der Leistungsfähigkeit durch private Veräußerungsgeschäfte Herzig/ Lutterbach, DStR 1999,521 (527); Raupach, in: Niedergang oder Neuordnung, S. 103; Tipke, StRO II, S. 732 m. w. N. Für die Besteuerung privater Veräußerungen aus Gründen der Leistungsfähigkeit auch Saathoff, FR 1998, 917 (927). Lüdemann/Zugmaier, DStR 1996, 1636 (1639), unterscheiden dagegen wirtschaftliche und steuerliche Leistungsfähigkeit. 543 Zu Gegenständen der Überschusserzielung BFH v. 1. 3. 2001 - IV R 90/99, BFH/NV 2001, 904 (906). Vgl. auch Blümich/Stuhrmann, § 2 EStG Rn. 7 (Okt. 2002): Da auch einmalige Vermögenszuflüsse die Leistungsfähigkeit erhöhen, wäre ihre Einbeziehung in den Einkommensbegriff vertretbar. 544 Tipke, StRO n, S. 720. 545 Vgl. Jachmann, DStJG 23 (2000), 9 (48): „eklatante Belastungsunterschiede". 546 Lang, Bemessungsgrundlage, S. 56 m. w. N., 514; Tipke, StRO I, S. 503. Für die Unvereinbarkeit der Unterscheidung der Gewinn- und Überschusseinkünfte mit dem Leistungs10 Dechant
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C. Systematische Sonderstellung des § 23 EStG
Zudem wird die Grundentscheidung für eine synthetische Einkommensteuer in § 2 I, III EStG 547 dadurch durchbrochen bzw. relativiert, dass Einkünfte aus dem Bereich des Privatvermögens durch die Nichtbesteuerung von Veräußerungsgeschäften privilegiert werden. 548 Die unterschiedliche Erfassung von Veräußerungen im Betriebsvermögen und Privatvermögen ist auch unter dem Gesichtspunkt der Gleichbehandlung der Einkunftsarten problematisch, die allerdings ursprünglich aus dem Leistungsfähigkeitsprinzip hergeleitet wurde. Die Einteilung der Einkünfte in Einkunftsarten ist willkürlich. 549 Daraus sollen gerade keine Belastüngsunterschiede entstehen. Dies geschieht aber, wenn die Besteuerung eines Wirtschaftsgutes nur davon abhängt, ob es einer Gewinneinkunftsart, bei der das zur Einkünfteerzielung eingesetzte Vermögen Betriebsvermögen darstellt, oder einer Überschusseinkunftsart (als Privatvermögen) zugeordnet wird. Genau genommen besteht die zu rechtfertigende Ungleichbehandlung aber nicht in der Nichtsteuerbarkeit der Veräußerungsgewinne im Privatvermögen, sondern darin, dass Veräußerungsgeschäfte im privaten Bereich aus der steuerbaren Sphäre ausgegrenzt werden. 550 Im Privatvermögen werden grundsätzlich weder Gewinne noch Verluste berücksichtigt. Die Nichtberücksichtigung privater Veräußerungsverluste stellt also einen Nachteil für die Überschusseinkünfte dar bzw. ist für den Staat fiskalisch günstig551. Die Nichtsteuerbarkeit der Veräußerungsgewinne rückt aber dadurch in den Mittelpunkt, dass die Möglichkeit besteht, Gewinne in das Privatvermögen und Verluste in das Betriebsvermögen zu verlagern. Diese Ungleichbehandlung wird dadurch intensiviert, dass durch den Dualismus Steuervermeidung in erheblichem Ausmaß möglich wird, 552 was durch zahlreiche Gestaltungsmodelle ausgenutzt wird. fähigkeitsprinzip Jehner, DStR 1988, 267 (268 ff.). Zur lückenhaften Erfassung der Leistungsfähigkeit durch §§ 17, 23 EStG siehe auch Lang, DStJG 24 (2001), 49 (98, 104). Vgl. Wurmsdobler, ÖStZ 2000, 113 (116 f.); Kanzler, FR 2000, 1245 (1247). Saathoff, FR 1998, 917 (921), hält die Nichtberücksichtigung privater Wertsteigerungen bei Berücksichtigung der Wertverluste durch Abschreibungen für inkonsequent. Siehe aber Wenger, in: Einkommen versus Konsum, S. 37 (38 f.), nach dessen Ansicht es sich bei der Nichtsteuerbarkeit von Veräußerungen mangels eines Systemgedankens nur um eine vermeintliche Lücke im System handelt. 547 Z. B. BFH v. 24. 2. 1999 - X R 171 /96, BFHE 188, 69 (87 f.). 548 Wenn die Besteuerung privater Veräußerungen mit einem geringeren Pauschalsteuersatz (wie nach dem Entwurf des StVergAbG) eine Durchbrechung der synthetischen Einkommensteuer darstellt, muss dies erst recht für die Nichtbesteuerung privater Veräußerungen gelten. 549 So auch im Hinblick auf den Verlustausgleich Offerhaus, 550 Vgl. Durchlaub, S. 36.
DStZ 2000, 9 (10 f.).
551 Crezelius, in: K / S / M , EStG, § 23 Rn. A 23 (Jan. 1995); Durchlaub, S. 36. 552 F. Wagner, DStR 1997, 517; Widmann, in: FS für Klein, S. 865 (insb. zu § 17 EStG a. F.); Kraft/Bäuml, FR 2004, 443 (448); Tipke, StRO II, S. 724. Die Ungleichheiten zeigt auch das folgende (aktualisierte) Beispiel von Tipke und Jehner (Tipke, StRO II, S. 723; ähn-
I. Der Dualismus der Einkunftsarten
147
Die Kritik an der weitgehenden Nichtsteuerbarkeit privater Veräußerungen reicht lange zurück. Bereits bei den Beratungen des EStG 1925 wurde die Besteuerung nur der Spekulationsgeschäfte als außerordentlich zahm und als Aushöhlung des § 42 EStG 1925, der „Einkünfte aus Veräußerungsgeschäften" besteuerte, kritisiert. 553 Aus der unterschiedlichen Behandlung trotz gleicher Leistungsfähigkeit wird teilweise die Verfassungswidrigkeit des Dualismus gefolgert. Die Regelungen im Ausland werden als Beleg dafür angeführt, dass der Dualismus keine praktische Notwendigkeit sei. 554 Aufgrund der Entscheidung für das Leistungsfähigkeitsprinzip müsse dieses der Vergleichsmaßstab sein. 555 Eine Einkünfteermittlung, die mit zweierlei Maß messe und in Wirklichkeit zwei Einkommensbegriffe schaffe, verstoße gegen den Gleichheitssatz.556 Es würden zwei unterschiedliche Subsysteme geschaffen. 557 Der Gesetzgeber dürfe zwar einen eigenen Einkünftebegriff schaffen, er dürfe aber nicht für verschiedene Gruppen von Personen unterschiedliche Einkommensbegriffe 558 gelten lassen, ohne dass diese Differenzierungen einer Rechtfertigung bedürften. 559 Der Einkünftedualismus sei willkürlich und könne nicht plausibel erklärt werden. 560 Zur Verwirklichung der Steuergerechtigkeit müsse am besten an die steuerliche Leistungsfähigkeit angeknüpft werden. 561 Zuflüsse, die in gleicher Weise die Leistungsfähigkeit des Steuerpflichtigen erhöhen, seien prinzipiell liches Beispiel bei Lang, in: Tipke/Lang, § 9 Rz. 186. Vgl. Jehner, DStR 1988, 267 (268).): B ist selbständiger Arzt, seine Schwester ist mit einem Arzt verheiratet. Als B und S ihren Vater beerben, verwenden sie die Mittel, um auf Nachbargrundstücken beide ein Haus zu bauen. B nutzt dieses Haus als Arztpraxis, S vermietet ihr Haus an ihren Ehemann, der es ebenfalls als Arztpraxis nutzt. Nach elf Jahren veräußern B und S ihre Häuser, da B und der Ehemann der S ihre Praxis verlegen wollen. Beide erzielen einen Gewinn von 300.000 C. B muss diesen Betrag versteuern (da das Haus Betriebsvermögen war), S nicht (da das Haus Privatvermögen war). Tipke schildert als allgemeine Reaktion, dass darin ein eklatanter Gerechtigkeitsverstoß gesehen werde (a. a. O., S. 650). Vgl. zur Betriebsaufgabe das Beispiel von Jehner, BB 1984, Beilage 16, S. 1 (4). 553 Strutz, EStG 1925, § 42 Anm. 2 (710). 554 Lang, in: Tipke/Lang, § 9 Rz. 187. 555 Tipke, StRO n, S. 719. Ähnlich ders., in: FS für Paulick, S. 391 (401). 556 Lang, in: Tipke/Lang, § 9 Rz. 187, 592; vgl. Tipke, StRO II, S. 716 f.; ders., in: FS für Paulick, S. 391 (397). Zu gleichheitsrechtlichen Bedenken wegen zweier gegenläufiger Vorstellungen vom Einkommenstatbestand siehe auch Kraft/Bäuml, FR 2004, 443 (448). Vgl. Kirchhof, in: K / S / M , EStG, § 2 Rn. C 8 (Sept. 1992). 557 Lang, in: Tipke/Lang, § 9 Rz. 185. 558 Auch schon Blümich/Schachian, EStG 1925, S. 131, und Strutz, EStG 1925, § 7 Anm. 7 (531), gingen von zwei Einkommensbegriffen aus, die je nach Einkunftsart Anwendung finden. 559 Tipke, StuW 1971, 2 (10). 560 Lang, in: Tipke/Lang, § 9 Rz. 187; zustimmend Schmidt/ Weber-Grellet, EStG, § 17 Rn. 2. Vgl. auch LademannUäschke, EStG, § 2 Rn. 58 (April 2002); Bäuml, System und Reform, S. 91, nach deren Ansicht ein sachlicher Grund „nicht ohne weiteres erkennbar" ist. 561 Tipke, in: FS für Paulick, S. 391. 10*
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C. Systematische Sonderstellung des § 23 EStG
gleich zu behandeln.562 Private Veräußerungseinkünfte aus Erwerbsvermögen seien ebenso uneingeschränkt zu erfassen wie betriebliche.563 Auch Vermieter und Verpächter von Immobilien würden von deren Weitveränderungen erheblich betroffen. 564 Die unterschiedliche Erfassung der Veräußerungsgewinne trotz gleicher Leistungsfähigkeit durch §§ 15, 17 und 23 EStG je nach Zugehörigkeit zum Betriebsvermögen, Beteiligungshöhe und Haltezeitraum wird daher als unhaltbar kritisiert. 565 Die sich wegen des unterschiedlichen Erfassungsgrades bei Veräußerungsgewinnen ergebenden Belastungsunterschiede zwischen den Einkunftsarten seien verfassungswidrig. 566 An der Begründung des BVerfG für § 17 EStG und § 23 EStG über die Freiheit zur Erschließung von Steuerquellen wird bemängelt, das Einkommen sei die einzig mögliche Steuerquelle.567 Das BVerfG begründe nicht, warum trotz gleicher Leistungsfähigkeit eine unterschiedliche Behandlung zulässig sein solle. 568 Auch vom Markteinkommensprinzip ausgehend wird der Dualismus kritisiert. Das Markteinkommensprinzip erfordere für die Steuergleichheit, dass Einkünfte aus der Veräußerung von privatem Erwerbsvermögen ebenso wie die betrieblichen Veräußerungseinkünfte besteuert werden. 569 Dementsprechend geht eine zusammenfassende Kritik dahin, der Dualismus sei weder mit der Markteinkommenstheorie noch mit dem Leistungsfähigkeitsprinzip zu vereinbaren. 570 Nur vereinzelt wird dem entgegengehalten, der Dualismus werde durch §§ 17, 23 EStG modifiziert und sei dadurch verfassungsgemäß. 571 Obwohl die Fristverlängerung durch das StEntlG den Dualismus aufrechterhalten hat, ist sie auch von Kritikern des Dualismus begrüßt worden. Überwiegend wird sie als Milderung des als gleichheitswidrig eingestuften Dualismus angese562 Tipke, in: FS für Paulick, S. 391. 563 Lang, in: Tipke/Lang, § 9 Rz. 187. 564 Tipke, in: FS für Paulick, S. 391 (397). 565 Tipke, StRO II, 1. Aufl., 1993, S. 653. 566 Schmidt! Seeger, EStG, § 2 Rn. 3. Siehe femer Kirchhof/ Kirchhof, EStG, § 2 Rn. 79: Der Dualismus begründe eine Gleichheitsfrage, wenn ein einheitlicher Steuergegenstand ohne rechtfertigenden Grund unterschiedlich erfasst werde. Auf der Ebene der Bemessungsgrundlage dürften keine wesentlichen Belastungsunterschiede mehr entstehen. Im US-amerikanischen und weitgehend auch im französischen Recht würden die Unterschiede dadurch aufgefangen, dass die Gewinne aus der Veräußerung sowohl betrieblicher als auch privater Wirtschaftsgüter in die Besteuerung einbezogen werden. 567 Tipke, StRO II, 1. Aufl., 1993, S. 646, 648. 568 Tipke, StRO II, 1. Aufl., 1993, S. 646 f., 648. 569 Lang, in: Tipke /Lang, § 9 Rz. 598 (In der privaten Konsumsphäre lasse sich eine gleichmäßige Besteuerung der Veräußerungseinkünfte praktisch nicht verwirklichen.). Ebenso für das gesamte Privatvermögen Lademann Uäschke, EStG, § 2 Rn. 58 (April 2002). Vgl. Kraft/Bäuml, DB 2004, 615 (616). 570 Kraft /Bäuml, FR 2004,443 (448). 571 Crezelius, in: K / S / M , EStG, § 23 Rn. A 22 (Jan. 1995).
I. Der Dualismus der Einkunftsarten
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hen. 572 Der Gesetzgeber nannte in der Begründung des Gesetzentwurfs als Grund für die Fristverlängerung, dass sie dem Grundsatz der Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit und damit auch dem Gebot der Steuergerechtigkeit entspreche.573 Damit hat er den Hauptkritikpunkt gegen den Dualismus der Durchbrechung der Leistungsfähigkeit selbst eingeräumt.
b) Unterschiedliche Behandlung von Vermögenszuwächsen im Privatvermögen Ein kaum aufgegriffener Kritikpunkt besteht weiterhin darin, dass die grundsätzliche Nichtsteuerbarkeit privater Veräußerungen, die hier als Aspekt des materiellen Dualismus verstanden wird, auch innerhalb der nichtunternehmerischen Einkünfte zu Ungleichbehandlungen führt. Der einen Veräußerungsgewinn erzielende Private wird nicht nur gegenüber den Unternehmern, sondern auch gegenüber denjenigen Privaten besser gestellt, die keine Veräußerungsgewinne erwirtschaften. 574 Während die nicht in Veräußerungsgewinnen bestehenden Einnahmen steuerpflichtig sind, werden Veräußerungsgewinne nur unter den engen Voraussetzungen der §§ 17, 23 EStG besteuert. Realisierte Wertsteigerungen des eingesetzten Privatvermögens steigern aber ebenso die Leistungsfähigkeit wie z. B. Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit. 575 Vor allem für wohlhabende Steuerpflichtige bieten Gestaltungen mit dem Ziel nicht steuerbarer Veräußerungsgewinne statt der Erzielung z. B. von Zinseinkünften oder Einkünften aus Vermietung und Verpachtung erhebliche Steuersparmöglichkeiten. Beispielsweise erfreuen sich Immobilienfonds, Private-Equity-Fonds und vor allem in früheren Jahren auch Abschreibungsmodelle, bei denen der Steuervorteil neben den Abschreibungsbegünstigungen in der Nichtsteuerbarkeit der Veräußerung bestand, großer Beliebtheit. Ein Arbeitnehmer ohne nennenswertes 57 2 Tipke, StRO II, 1. Aufl., 1993, S. 654, forderte zumindest eine wesentliche Verlängerung der Fristen des § 23 EStG, besser aber eine Beseitigung aller ungereimten quantitativen und zeitlichen Differenzierungen. Nach Lang, in: Tipke/Lang, § 9 Rz. 592, haben StEntlG, StBereinG und StSenkG den gleichheitswidrigen Einkünftedualismus in erheblichem Maße abgebaut, aber die steuerliche Ungleichheit durch eine chaotische Besteuerung von Veräußerungseinkünften verstärkt. Vgl. Herzig/Lutterbach, DStR 1999, 521 (526): Milderung der Ungleichbehandlung. Die Verlängerung der Spekulationsfrist auf mindestens zehn Jahre war auch gefordert worden, um das unerwünschte Durchhandeln von Immobilien zu verhindern. So Lüdemann/Zugmaien DStR 1996, 1636 (1640). Andererseits wird bemängelt, durch die Senkungen der Beteiligungsgrenze und die Fristverlängerung seien die ursprünglich als mehr oder weniger gerechtfertigt anzusehenden Ausnahmen der §§ 17, 23 EStG in der jetzigen Form als Rest des Einkünftedualismus nicht mehr durch einen sachlichen Grund zu rechtfertigen. So Zugmaier, in: H / H / R , § 2 EStG Anm. 522 (Juli 2003). Kritisch zur Fristverlängerung auch Gottwald, BB 1997, 2085 (2088). 573 BT-Drucks. 14/23, S. 179. 574 Vgl. Tipke, StuW 1971, 2 (11); Lademann Uäschke, EStG, § 2 Rn. 58 (April 2002). 575 Ebenso Crezelius, in: K / S / M , EStG, § 23 Rn. A 87 (Jan. 1995).
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C. Systematische Sonderstellung des § 23 EStG
Vermögen hat dagegen keine Möglichkeit, durch Anpassung seines Verhaltens Steuern zu vermeiden. Zumindest im Hinblick auf die tatsächliche Wirkung werden durch diese Steuerlücke also Steuerpflichtige ohne Gestaltungsmöglichkeiten benachteiligt. Der Dualismus bewirkt demnach zwei problematische Ungleichbehandlungen. Zum einen wird das Betriebsvermögen gegenüber dem Privatvermögen ungleich behandelt und zum anderen private Veräußerungen gegenüber sonstigen privaten Einkünften.
c) Fehlen eines klaren und einheitlichen gesetzlichen Einkommensbegriffs Der Dualismus der Einkunftsarten ist eng mit der Frage nach dem gesetzlichen Einkommensbegriff verbunden. Das Einkommen bestimmt den einkommensteuerrechtlichen Steuergegenstand.576 Es stellt sich schon aus Gründen der systematischen Auslegung577 der einzelnen Normen die Frage, welcher Einkommensbegriff dem Einkommensteuergesetz zugrunde liegt. Zudem legt die vom BVerfG aufgestellte Voraussetzung der folgerichtigen Umsetzung der einmal getroffenen Belastungsentscheidung nahe, dass eine Grundentscheidung für einen Einkommensbegriff erforderlich ist. Schließlich hat das BVerfG auch betont, der Gleichheitssatz fordere einen allgemein verständlichen Belastungsgrund.578 Der Einkommensbegriff des EStG lässt sich aber nur schwer erschließen. Die gesetzliche Aufzählung der Einkunftsarten in § 2 I EStG bildet einen pragmatischen Einkommensbegriff. 579 Nach der Gesetzesbegründung des EStG 1934 wollte 576 BVerfG v. 6. 12. 1983 - 2 BvR 1275/79, BVerfGE 65, 325 (351); Bachem, in: Bo/Br, EStG, § 2 Rn. 28 m. w. N. (Juli 1998); Tipke, in: FS für Paulick, S. 391. Vgl. auch Handzik, in: L / B / P , EStG, § 2 Rn. 4 (Nov. 2004), wonach die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit Steuergegenstand der Einkommensteuer ist. Für die wirtschaftliche Kraft (Leistungsfähigkeit) einer Person in einer bestimmten Zeitspanne als Steuergegenstand schon Becker, Die Grundlagen der Einkommensteuer, S. 8, 10 f., 13; zustimmend Birk, JZ 1988, 820. Für die erwirtschafteten Einkünfte als Einkommensteuerobjekt Kölner Entwurf, Rn. 144. Ähnlich (für das erwirtschaftete Markteinkommen als Steuergegenstand) Jakob, Einkommensteuer, § 1 Rn. 3. 577 Vgl. Watrin/Lühn, DB 2003, 168: Solange der Gesetzgeber dem Einkommensteuerrecht keine allgemeine Definition des Einkommens zugrunde lege, sei es nicht möglich, aus Gründen der Systematik eine Besteuerung privater Veräußerungen zu verlangen. 578 BVerfG v. 10. 4. 1997 - 2 BvL 77/92, BVerfGE 96,1 (LS 1 und S. 6); BVerfG v. 7. 12. 1999 - 2 BvR 301/98, BVerfGE 101, 297 (309). Ebenso Kirchhof/Kirchhof, EStG, § 2 Rn. 6. 579 Lademann / Jäschke, EStG, § 2 Rn. 52 (April 2000); Ruppe, DStJG 1 (1978), 7 (15 f.); Tipke, StuW 1971 2 (8). Siehe auch Blümich /Stuhrmann, § 2 EStG Rn. 5 (Okt. 2002): Es handele sich nicht um einen allgemeinen Einkommensbegriff, sondern um eine bloße Aufzählung. Nach Handzik, in: L / B / P , EStG, § 2 Rn. 12 (Nov. 2004), umschreibt das EStG das Einkommen lediglich. Becker, Die Grundlagen der Einkommensteuer, S. 214, hielt eine allgemeine Formel für den Begriff des Einkommens aus praktischen und steuertechnischen Gründen für unmöglich.
I. Der Dualismus der Einkunftsarten
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sich der Gesetzgeber keinem der privatwirtschaftlichen Einkommensbegriffe anschließen und Einkommen nicht definieren, sondern nur für die Zwecke der Besteuerung umgrenzen.580 Dass der Gesetzgeber 1925 hinsichtlich des Einkommensbegriffs zwei Hauptgruppen unterschieden hat, 581 zeigt, dass er selbst von einem gespaltenen Einkommensbegriff ausging. Kritisiert wird daher, der Einkommensbegriff sei durch Willkür und Pragmatik geprägt. 582 Da der Gesetzgeber nur die konkreten gesetzlichen Regelungen zur Grundlage des Besteuerungsverfahrens machen und dem EStG gerade keine allgemeine und einheitliche Grundlage geben wollte, könnte man sogar bezweifeln, ob es überhaupt einen gesetzlichen Einkommensbegriff im engeren Sinne gibt. 583 Überwiegend wird jedoch vom Bestehen eines gesetzlichen Einkommensbegriffs ausgegangen. Der Einkommensbegriff des EStG enthalte Elemente sowohl der Quellentheorie als auch der Reinvermögenszugangstheorie.584 Es handele sich um einen Kompromiss zwischen Quellentheorie und Reinvermögenszugangstheorie.585 An diesem Einkommensbegriff ist zu kritisieren, dass der Gesetzgeber zwar in nachvollziehbarer Weise entweder der Quellentheorie oder der Reinvermögenszugangstheorie folgen könnte, aber dass nicht ohne weiteres einsichtig ist, warum je nach Einkunftsart der einen oder der anderen Ermittlungsweise gefolgt werden soll. 586 Zudem wird auch der gespaltene oder dualistische Einkommensbegriff nicht ausnahmslos umgesetzt. Die Quellentheorie wird bei den Überschusseinkünften beispielsweise in § 23 EStG und bei den (sonstigen) Leistungen gemäß § 22 Nr. 3 EStG durchbrochen. Wenn man von einer Mischung von Quellentheorie und Reinvermögenszugangstheorie sprechen wollte, würde es sich also um eine mit Ausnahmen durchsetzte Mischung handeln, die selbst innerhalb der Einkünftegruppen nicht homogen ist. Daher ist der Einkommensbegriff des EStG keine reine Mischung beider Theorien, sondern eigenständig.
580 RStBl. 1935, 33 (34); vgl. Blümich/Stuhrmann, § 2 EStG Rn. 5 (Okt. 2002). Vgl. auch Schneider, Private Vermögensverwaltung, S. 28, nach dessen Ansicht der Einkommensbegriff des EStG von 1925 bzw. 1934 fortbesteht, da insoweit keine Änderung erfolgt sei. 581 Reichstag, III. Wahlperiode 1924/25, Drucks. Nr. 795, S. 40. 582 Dazu Ruppe, in: H / H / R , Einf. ESt Anm. 43 (Febr. 1990). 583 Zum Fehlen eines einheitlichen Einkommensbegriffs siehe schon Hensel, Steuerrecht, S. 239. Für einen eigenen Einkommensbegriff des EStG, der allerdings keine wissenschaftliche Errungenschaft darstelle, Blümich/Schachian, EStG 1925, S. 38 (mit der Ergänzung, dass sich nach dem damaligen Stand der Wissenschaft kaum eine einwandfreie systematische Erkenntnis vom Wesen des Einkommens werde finden lassen). 584 Weber-Grellet, Steuern im modernen Verfassungsstaat, S. 77. 585 Kirchhof/Kirchhof, EStG, § 2 Rn. 33; ebenso („Mischsystem") Handzik, in: L / B / P , EStG, § 2 Rn. 28 (Nov. 2004), der in den bloßen Regelungen des § 2 EStG einen Einkommensbegriff sieht (Rn. 13). 586 Tipke, in: FS für Paulick, S. 391 (393). A. A. M. Wendt, DStJG 28 (2005), 41 (44), der bei der Wahl des Indikators für Leistungsfähigkeit die Mischung verschiedener Anknüpfungspunkte für zulässig hält.
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C. Systematische Sonderstellung des § 23 EStG
Die Suche nach einem (einheitlichen) Einkommensbegriff ist nicht allein aus einem Systematisierungsstreben zu erklären, sondern schon deswegen erforderlich, weil es sonst an einer Grundentscheidung des Gesetzgebers für die Einkommensteuer fehlen würde. Dann würde die Rechtsprechung des BVerfG zur Pflicht zur folgerichtigen Umsetzung einer einmal getroffenen Belastungsentscheidung ins Leere greifen. 587 Verfassungsrechtlich ist eine solche Belastungsentscheidung auch aufgrund des Gleichheitssatzes erforderlich, um die Kriterien festzulegen, die über die Gleichheit der Sachverhalte entscheiden. Ohne ein Systemprinzip wäre der Gesetzgeber gar nicht gebunden und könnte seine Besteuerungsgewalt quasi willkürlich ausüben. Auch vor diesem Hintergrund ist der gemischte Einkommensbegriff des EStG zu kritisieren. Akzeptiert man ihn, kann Folgerichtigkeit nur innerhalb der Subsysteme verlangt werden. Es ließe sich zwar argumentieren: Der Dualismus ist kein Verstoß gegen die folgerichtige Umsetzung des Einkommensbegriffs, weil durch den Dualismus selbst das Einkommen festlegt wird und wegen der Unterschiedlichkeit von Gewinneinkünften und Überschusseinkünften kein generelles Prinzip der Besteuerung von Veräußerungsgeschäften besteht.588 Das Gebot der Folgerichtigkeit legt aber nahe, dass es im Hinblick auf das Einkommen nur eine einheitliche, folgerichtig umzusetzende Grundentscheidung geben kann. Ein einheitlicher Einkommensbegriff wäre zudem vorzugswürdig, um die Einkommensteuer in ihrem Belastungsgrund und in den Einzelregelungen verständlicher zu machen. Zusammenfassend ist daher zu kritisieren, dass § 2 EStG weder einen homogenen Einkommensbegriff aufstellt noch eine Begründung für den Dualismus liefert, sondern nur einen Einkommeasbegriff anordnet, der in seinen Einzelfällen schwer umfassend zu erklären ist. Die vielfältigen Regelungen des EStG lassen sich nicht ausnahmslos auf eine einheitliche Grundlage stellen. Auch die Markteinkommenstheorie oder das Leistungsfähigkeitsprinzip können nur die meisten Regelungen im EStG erklären. Der Gesetzgeber sollte aus systematischen Gründen und aus Gründen der Transparenz besser eine einheitliche Einkommensdefinition vornehmen. Dies würde auch die Auslegung der einzelnen Normen erleichtern. Mit der Zugrundelegung des Dualismus der Einkunftsarten hat der Gesetzgeber also neben der Ungleichbehandlung von Betriebsvermögen und Privatvermögen auch versäumt, das EStG auf eine solide systematische und theoretische Grundlage zu stellen.
587 Vgl. zur Folgerichtigkeit auch Kirchhof/ Kirchhof, EStG, § 2 Rn. 79: Wegen der folgerichtigen Umsetzung des Steuergegenstandes in eine Bemessungsgrundlage dürften keine wesentlichen Belastungsunterschiede entstehen. Solche entstehen jedoch durch die Nichtbesteuerung der Veräußerung von Privatvermögen. 588 Eine Nichtbesteuerung von Arbeitseinkünften wäre dagegen z. B. nicht möglich, da Einkünfte aus erwerbsbezogenen Tätigkeiten nach beiden Subsystemen besteuert werden.
I. Der Dualismus der Einkunftsarten
d) Schwierigkeiten
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bei der Rechtsanwendung
Schließlich ist als Kritik gegen den Dualismus der Einkunftsarten auch anzuführen, dass dieser erhebliche Schwierigkeiten in der Rechtsanwendung mit sich bringt. Die Abgrenzung von Betriebs- und Privatvermögen ist von großer Bedeutung und daher Anlass für Gestaltungsmodelle und Rechtsstreitigkeiten. Bei der Fremdfinanzierung von Wertpapieren zwingt der Einkünftedualismus zur Zuordnung zu Quelleneinkünften i. S. d. § 20 EStG, zu Veräußerungseinkünften i. S. d. § 23 EStG oder zum nicht steuerbaren Wertsteigerungsvermögen. 589 Der BFH will grundsätzlich auf jedes einzelne Wertpapier abstellen.590 Dies zeigt beispielhaft, welche großen praktischen Schwierigkeiten der Einkünftedualismus verursacht. 591
7. Zusammenfassung zum Grundsatz des Dualismus der Einkunftsarten Unvoreingenommen den Dualismus der Einkunftsarten zu untersuchen gestaltet sich als schwierige Aufgabe. Einerseits gehört er zur Tradition und zum Kern des deutschen Einkommensteuerrechts, bei dem man tendenziell von der verfassungsrechtlichen Zulässigkeit ausgeht, andererseits stellt sich die Frage nach der Rechtfertigung der Belastungsunterschiede zwischen privaten und betrieblichen Veräußerungen. Erstaunlich ist die weitreichende Nichtsteuerbarkeit von Veräußerungen im Privatvermögen, die noch dadurch an Bedeutung gewinnt, dass sie durch entsprechende Gestaltungen ausgenutzt werden kann. 592 Es gilt das Prinzip „alles oder nichts". Denn bei Vermeidung der §§ 17, 23 EStG sind private Veräußerungen gar nicht steuerbar und nicht nur ermäßigt. Dies stellt die wahrscheinlich größte Gestaltungsmöglichkeit des deutschen Steuerrechts dar. Durch private Vermögensverwaltung, die dies ausnutzt, werden in erheblichem Umfang statt steuerpflichtigen Erträgen nicht steuerbare Veräußerungsgewinne erzielt. 593 In Großbritannien wird die Capital Gains Tax schon allein wegen dieser sonst bestehenden Möglichkeit der tax avoidance für erforderlich gehalten.594 589 Lang, in: Tipke/Lang, § 9 Rz. 270. 590 BFH v. 24. 3. 1992 - V I I I R 12/89, BFHE 168,415 (417). 591 Lang, in: Tipke/Lang, § 9 Rz. 270. 592 Zur Ausnutzung der Nichtsteuerbarkeit privater Veräußerungen durch Gestaltungen als Schwäche des geltenden Rechts siehe Karlsruher Entwurf, S. 22 f. 593 Der Karlsruher Entwurf, S. 62, schätzt die Steuermehreinnahmen aus einer fristunabhängigen Besteuerung privater Veräußerungen auf 2,5 Mrd. €. Die Einkünfte daraus liegen also noch deutlich höher. Vgl. auch BT-Drucks. 14/23, S. 154 f., in der die aufgrund der Fristverlängerung durch das StEntlG erwarteten Mehreinnahmen geschätzt werden, und dazu Fn. 665. 594 Institute for Fiscal Studies, Briefing Note No. 9/2000, S. 12, zitiert nach Tipke, StRO n, S. 738.
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C. Systematische Sonderstellung des § 23 EStG
Verwunderlich ist auch, dass die unterschiedlichen gesetzlichen Definitionen von Werbungskosten und Betriebsausgaben in § 9 I 1 bzw. § 4 IV EStG nicht akzeptiert, sondern angeglichen wurden, 595 während die in ihren Auswirkungen weit schwerer wiegende Ungleichbehandlung bei der Erfassung von Veräußerungsgewinnen dagegen in der Rechtsprechung nicht beanstandet wurde. Dies verdeutlicht die Rechtfertigungsbedürftigkeit des materiellen Dualismus. In der heutigen Situation zeichnet sich insbesondere durch die Reformentwürfe ab, dass das dualistische System von steuerpflichtigem Betriebsvermögen und nicht steuerbarem Privatvermögen in der jetzigen Form voraussichtlich langfristig keinen Bestand haben wird.
a) Rechtfertigungsanforderungen an die Nichtsteuerharkeit privater Veräußerungsgewinne BVerfG und BFH haben den Dualismus zwar gebilligt. Die dabei zugrunde gelegte Argumentation über die Ausgestaltung des Steuergegenstandes mit der Folge eines weiten gesetzgeberischen Gestaltungsspielraums, bei dem jeder sachliche Grund ausreicht, ist allerdings angesichts der inzwischen erhöhten gleichheitsrechtlichen Anforderungen nicht überzeugend. Heute ist insbesondere aufgrund der rechtlichen Fortentwicklung zu fragen, welche Gründe dafür sprechen, Einkünfte in unterschiedlichem Umfang zu erfassen. Dies gilt umso mehr, als die einmal in den Einkunftsarten erfassten Einkünfte dann gleich zu behandeln sind. Der Gesetzgeber könnte diese Gleichbehandlungspflicht theoretisch dadurch umgehen, dass er nicht alle Einkünfte in die Einkommensteuer einbezieht, sondern diese in eigenen Steuern regelt und so den ihm zugesprochenen Spielraum bei der Erschließung von Steuerquellen ausnutzt. Nach hier vertretener Ansicht handelt es sich beim materiellen Dualismus mit der Nichtsteuerharkeit privater Veräußerungen um eine Ungleichbehandlung von Einkunftsarten, für die ein besonderer sachlicher Grund erforderlich ist. Nach zutreffender Ansicht des BFH muss das Gewicht der für die Abweichung sprechenden Gründe der Intensität der Ausnahmeregelung entsprechen.596 Je nach Einordnung des Dualismus gelten also zwei unterschiedliche Rechtfertigungsmaßstäbe. Rechtfertigungsanforderungen an den Dualismus ergeben sich nach hier vertretener Ansicht zudem aus weiteren Besteuerungsgrundsätzen. Das BVerfG betont selbst, die Freiheit des Gesetzgebers bei den als gleich qualifizierten Sachverhalten werde im Steuerrecht und im Einkommensteuerrecht „vor allem durch zwei eng 595 Vgl. dazu Birk, Steuerrecht, Rn. 909 f.; Kirchhof/Kirchhof 30. 4. 1 9 6 5 - V I 207/62 S,NJW 1965,1830(1831). 596 BFH v. 24. 2. 1999 - X R 171 /96, BFHE 188, 69 (86).
EStG, § 2 Rn. 23; BFH v.
I. Der Dualismus der Einkunftsarten
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miteinander verbundene Leitlinien begrenzt: durch das Gebot der Ausrichtung der Steuerlast am Prinzip der finanziellen Leistungsfähigkeit und durch das Gebot der Folgerichtigkeit."597 Damit ist der großzügige Maßstab des BVerfG beim Dualismus und bei § 23 EStG kaum zu vereinbaren. Die Anwendung des Gebots der Folgerichtigkeit wird zwar dadurch erschwert, dass der Gesetzgeber eine allgemeine Einkommensdefinition verweigert hat. Will man nicht das gesamte EStG mangels einer einheitlichen und folgerichtig umgesetzten Belastungsentscheidung für verfassungswidrig halten, ist zu fragen, wie sich die Einzelnormen des EStG am ehesten zu einer allgemeinen Formel zusammenfassen lassen. Sowohl wenn man vom Reinvermögenszuwachs598 als auch wenn man vom Markteinkommen als Belastungsgrund599 ausgeht, fehlt aber jedenfalls die Folgerichtigkeit der Umsetzung, da auch private Veräußerungen einen Vermögenszuwachs bewirken bzw. am Markt realisiert werden. Außerdem steigert jede Zahlung eines Veräußerungsgewinns die Leistungsfähigkeit im Sinne von Zahlungsfähigkeit des Empfängers und ist daher auch bei einem solchen ganz allgemein verstandenen Belastungsgrund600 grundsätzlich zu besteuern. Ausnahmen von diesem Belastungsprinzip wären als Abweichung von der Leistungsfähigkeit zu rechtfertigen. Wenn das BVerfG feststellt, die Besteuerung - insbesondere im Einkommensteuerrecht - sei im Grundsatz an der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit auszurichten, legt das nahe, dass auch die Bemessungsgrundlage der Einkommensteuer geeignet sein muss, für eine gleichmäßige leistungsfähigkeitsorientierte Besteuerung zu sorgen.601 Die Leistungsfähigkeit ist dementsprechend schon bei der Bestimmung von Gegenstand und Grundtatbestand einer Steuer zu beachten.602 Dann besteht nur ein geringer Spielraum des Gesetzgebers bei der Konkretisierung der Leistungsfähigkeit und der Definition des Einkommens. Er muss grundsätzlich jede Leistungsfähigkeit besteuern. Deswegen sind im Grundsatz auch alle Veräußerungsgewinne bei der Einkommensteuer zu erfassen.
597 BVerfG v. 8. 6. 2004 - 2 BvL 5/00, NJW-RR 2004, 1657 (1658); BVerfG v. 4. 12. 2002 - 2 BvR 400/98, 2 BvR 1735/00, BVerfGE 107, 27 (46). Für ein verfassungsrechtliches Gebot der Systemkonsequenz Isensee, 57. DJT, Band II, Sitzungsberichte Teil N, S. 38. 598 Lademann/ Jäschke, EStG, § 2 Rn. 58, 68 (April 2002). Vgl. Wassermeyer, DStR 2001, 920 (921), wonach jede Ausnahme von der Besteuerung aller Vermögensmehrungen rechtfertigungsbedürftig ist. 599 Für ein solches Einkommensteuerobjekt des geltenden Rechts z. B. Kölner Entwurf, Rn. 144. 600 Vgl. BFH v. 17. 1. 1980 - IV R 156/77, BFHE 130, 258 (260), der als Sinn und Zweck des EStG die Besteuerung der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit einer natürlichen Person angibt. Mi Tipke, StRO I, S. 501; zustimmend FG Köln v. 15. 9. 2004 - 7 K 1268/03, DStRE 2004, 1460 (1462). Ähnlich Lang, in: Tipke/Lang, § 9 Rz. 42; Jachmann, DStJG 23 (2000), 9(13). 602 Ebenso Jachmann, DStJG 23 (2000), 9 (13 f. mit Fn. 24).
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C. Systematische Sonderstellung des § 23 EStG
Der Dualismus der Einkunftsartengruppen mit seinem zentralen Aspekt der Nichtbesteuerung privater Veräußerungen ist durch ausreichend gewichtige Gründe zu rechtfertigen. b) Mögliche Rechtfertigungen der Nichtsteuerbarkeit privater Veräußerungsgewinne Das BVerfG hat in seinen Entscheidungen zum Dualismus keinen überzeugenden Grund für die Unterscheidung der Einkunftsartengruppen genannt. Denn das für die Unterscheidung angeführte Gewinndenken besteht durch die Einkünfteerzielungsabsicht gleichermaßen bei allen Einkunftsarten. Auch mit der Begründung der Markteinkommenstheorie erscheint der Dualismus wenig überzeugend, da aus ihr zumindest eine weitgehende Besteuerung privater Veräußerungen, für die schließlich der Markt genutzt wird, folgen müsste. Zudem differenziert das EStG ansonsten nicht nach der Intensität der Marktnutzung. Vollzugsdefizite sind nur in sehr begrenztem Umfang unvermeidbar. Eine generelle Nichtsteuerbarkeit privater Veräußerungen kann dadurch nicht gerechtfertigt werden. Etwas überzeugender erscheint auf den ersten Blick der Begründungsansatz, dass die Besteuerung der Veräußerungen im Privatvermögen wegen der zur Ermittlung des Sachverhalts erforderlichen Eingriffe nicht praktikabel ist. Die an Vereinfachungsnormen zu stellenden Voraussetzungen werden jedoch nicht eingehalten. Die Besteuerung privater Veräußerungen wäre zumindest in weiten Teilen ohne unzumutbaren Aufwand möglich. Die weitreichenden Konsequenzen der Nichtsteuerbarkeit, insbesondere durch Steuergestaltung, sind im Vergleich zur Vereinfachungswirkung unverhältnismäßig. Inflations- und Progressionsausgleich können schon aufgrund des Fehlens jeglichen Zusammenhangs zwischen der dadurch drohenden übermäßigen Belastung und der völligen Entlastung durch die Nichtsteuerbarkeit privater Veräußerungen ebenfalls nicht überzeugen. Die Privatsphäre wäre zwar bei der Besteuerung privater Veräußerungen betroffen, aber nicht in anderer Weise als bei den unternehmerischen Einkünften. Eingriffe sind zumindest im Erwerbsvermögen wegen der Steuergleichheit und wegen des Steuergeheimnisses gerechtfertigt. Demnach genügt keiner der oben untersuchten Punkte allein, um den Dualismus zu rechtfertigen. Auch eine Gesamtbetrachtung aller Umstände erreicht kein ausreichendes Gewicht, um die schwerwiegende Ungleichbehandlung zu rechtfertigen. 603 Denn bis auf die Vereinfachungswirkung kommen die Rechtfertigungs603 A. A. FG Nürnberg v. 13. 10. 1999 - V I 212/99, EFG 2000, 505, nach dessen Ansicht der Schutz der Privatsphäre, die weit geringere Bedeutung von Veräußerungen bei Privatver-
I. Der Dualismus der Einkunftsarten
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ansätze schon dem Grunde nach nicht zur Rechtfertigung einer völligen Nichtbesteuerung privater Veräußerungen in Betracht. Der materielle Dualismus des geltenden Rechts ist demzufolge sowohl systematisch als auch verfassungsrechtlich im Hinblick auf die Steuergerechtigkeit nicht überzeugend. Von seiner Beibehaltung ist de lege ferenda abzuraten. Faktisch führt die grundsätzliche Nichtsteuerbarkeit privater Veräußerungen zu einem Steuerprivileg für wohlhabende Steuerpflichtige. Legt man strengere Maßstäbe an als das BVerfG, lässt sich der Dualismus nicht rechtfertigen. Sinnvoll wäre hinsichtlich der vorhandenen Leistungsfähigkeit vor allem die umfassende Besteuerung aller privaten Veräußerungen. Dies führt zu erheblichem Ermittlungsaufwand und zu unerwünschten Eingriffen, denn nur eine umfassende Aufzeichnungspflicht für das Privatvermögen, insbesondere für vermietetes und verpachtetes Vermögen und für Kapitalvermögen, mit entsprechenden Kontrollbefugnissen kann eine gleiche Belastung herstellen. Daher erscheint auch eine Beschränkung auf eine fristunabhängige Besteuerung der für Veräußerungen besonders relevanten Wirtschaftsgüter wie Grundstücke, Kapitalgesellschaftsanteile sowie Wertpapiere und Finanzanlagen vertretbar. So könnte typisierend eine Abgrenzung zum steuerlich irrelevanten Lebensführungsvermögen getroffen werden. Die verbleibende geringe Ungleichbehandlung durch Nichterfassung einiger Veräußerungen stünde zumindest in angemessenem Verhältnis zur Verwaltungsvereinfachung. Nach der bisherigen Rechtsprechung des BVerfG zur Nichtsteuerbarkeit privater Veräußerungsgewinne ist der Dualismus dagegen verfassungsgemäß. Er bewegt sich noch innerhalb des Spielraums des Gesetzgebers, der diesem bei der Auswahl des Steuergegenstandes und bei der Einteilung von Sachverhalten in Gruppen zusteht. Da jeder sachliche Grund ausreichend sein soll, würde hiernach etwa die durch die Nichtsteuerbarkeit erreichte Verwaltungsvereinfachung genügen. Hält man den Dualismus mit dem BVerfG und Teilen der Literatur für verfassungsrechtlich unbedenklich, stellt sich im Anschluss daran die Frage nach der Zulässigkeit der Durchbrechung des Grundsatzes durch die Besteuerung privater Veräußerungsgeschäfte nach § 23 EStG. Das Gebot der folgerichtigen Umsetzung der einmal getroffenen Belastungsentscheidung für die Nichtsteuerbarkeit privater Veräußerungen verlangt eine Rechtfertigung der Abweichung durch besondere sachliche Gründe. 604 Beispielsweise müsste sich aus den Besonderheiten der erfassten Sachverhalte begründen lassen, dass die Erfassung innerhalb der Frist leichter sicherzustellen oder weniger eingreifend ist. Teilweise wird Systemdurchbrechungen der vom Gesetzgeber selbst gesetzten Grundregeln indizielle Bedeutung für einen Verstoß gegen den Gleichheitssatz beigemessen.605 mögen und die Besteuerung nach § 17 EStG und § 23 EStG mit verlängerten Fristen bei Abwägung aller dieser Gesichtspunkte die Ungleichbehandlung rechtfertigen. 604 Vgl. dazu BVerfG v. 4. 12. 2002 - 2 BvR 400/98, 2 BvR 1735/00, BVerfGE 107, 27 (47); BVerfG v. 6. 3. 2002 - 2 BvL 17/99, BVerfGE 105, 73 (126) m. w. N. Zur konsequenten Umsetzung des Systems als Erfordernis der Steuergleichheit siehe auch Birk, JZ 1988, 820.
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C. Systematische Sonderstellung des § 23 EStG
II. Einschränkung des Dualismus durch §§ 22 Nr. 2, 23 EStG Bei der Veräußerung von Gegenständen des Privatvermögens stellt die Nichtsteuerbarkeit 606 den Regelfall dar. 6 0 7 Ausnahmen bilden die §§ 17, 23 E S t G 6 0 8 und § 21 U m w S t G 6 0 9 . Der B F H spricht daher bei § 23 EStG auch von einer Ausnahme in der Systematik der Uberschusseinkünfte und von einem Systembruch 6 1 0 Versteht man den Dualismus der Einkunftsarten vor allem als unterschiedliche Besteuerung der Überschuss- und Gewinneinkünfte und Gegensätzlichkeit der zugrunde liegenden Einkommensbegriffe, so durchbricht § 23 EStG auch diesen Dualismus der Einkunftsartengruppen, indem das Grundprinzip der Nichtsteuerbarkeit privater Veräußerungen in einem Teilbereich der Totalerfassung der Gewinneinkünfte angenähert wird. 6 1 1 Innerhalb des Privatvermögens erfolgt durch 605 z. B. BVerfG v. 7. 11. 1972 - 1 BvR 338/68, BVerfGE 34, 103 (115) m. w. N.; Arndt/ Schumacher, AöR 118 (1993), 513 (517). 606 § 6 III EStG 1925 sah noch vor, dass bestimmte Bezüge, die außerhalb der gesetzlichen Einkunftsarten anfallen, nicht steuerbar sind. Nach Schmidt I Seeger, EStG, § 2 Rn. 14, wurde diese Vorschrift 1934 als selbstverständlich gestrichen. M. E. ergibt sich aus der Gesetzesbegründung im RStBl. 1935, 33 (35) nur, dass die unvollständige Aufzählung bestimmter nicht steuerbarer Vermögenszuflüsse und Bereicherungen als entbehrlich angesehen wurde. 607 z. B. Blümich!K. Ebling, § 17 EStG Rn. 4 (Aug. 2003); Crezelius, in: K / S / M , EStG, § 23 Rn. A 86 (Jan. 1995); Ruppe, in: H / H / R , Einf. ESt Anm. 73 (Febr. 1990); Jansen, in: H / H / R , § 23 EStG Anm. 8 (Nov. 2002); Bachem, in: Bo/Br, EStG, § 23 Rn. 28 (Aug. 2003); Schmidt / Weber-Grellet, EStG, § 23 Rn. 1, § 17 Rn. 2; Lademann / Warnke, EStG, § 23 Rn. 25 (März 1998). Vgl. zur Grundentscheidung für die Nichtsteuerbarkeit privater Veräußerungsgewinne BFH v. 18. 5. 1999 - 1 R 118/97, BFHE 188, 561 (565). 608 Ebenso Blümich/AT. Ebling, § 17 EStG Rn. 2 (April 2004); Crezelius, in: K / S / M , EStG, § 23 Rn. A 80, A 86 (Jan. 1995); Jansen, in: H / H / R , § 23 EStG Anm. 8 (Nov. 2002); Bachem, in: Bo/Br, EStG, § 23 Rn. 28 (Aug. 2003); Schmidt!Seeger, EStG, § 2 Rn. 14; Schmidt / Weber-Grellet, EStG, § 17 Rn. 2, § 23 Rn. 1; Lademann / Warnke, EStG, § 23 Rn. 25 (März 1998), der auch noch § 20 I I Nr. 2 bis 4 und § 211 Nr. 4 EStG nennt; Crezelius, DB 2003, 230. Zu § 23 EStG ebenso BVerfG v. 9. 3. 2004 - 2 BvL 17/02, BVerfGE 110, 94 (97); BFH v. 16. 12. 2003 - I X R46/02, BFHE 204, 228 (237 f.). 609 Ebenso Bachem, in: Bo/Br, EStG, § 23 Rn. 28 (Aug. 2003); Crezelius, in: K / S / M , EStG, § 23 Rn. A 1, A 80, A 86 (Jan. 1995); Lademann I Warnke, EStG, § 23 Rn. 27 (März 1998); Korn/Carié, EStG, § 23 Rn. 8 (Aug. 2004); Schmidt/Weber-Grellet, EStG, § 17 Rn. 2; von Bornhaupt, BB 2003, 125 (126); Crezelius, DB 2003, 230; Kohlrust-Schulz, NWB Fach 3,10775. 610 BFH v. 16. 12. 2003 - DC R 46/02, BFHE 204, 228 (238, 250). 611 Vgl. BFH v. 16. 12. 2003 - DC R 46/02, BFHE 204, 228 (237 f.). Dort wird als Einkünftedualismus bezeichnet, dass im Gegensatz zu den Gewinneinkünften bei den Überschusseinkünften durch Veräußerungen realisierte Wertsteigerungen von Wirtschaftsgütern grundsätzlich nicht steuerbar seien. Dieser systemtragende Grundsatz des Einkünftedualismus werde durch § 23 EStG teilweise eingeschränkt (a. a. O., S. 252). Vgl. auch Bäuml, System und Reform, S. 81; Komi Carié, EStG, § 23 Rn. 8 (Aug. 2004). Vgl. von Bornhaupt, BB 2003, 125 (126), der mit dem dualen System die Nichtsteuerbarkeit der Veräußerungsgewinne bei Überschusseinkünften meint und § 23 EStG als Durchbrechung des dualen Systems einstuft.
I
Einschränkung des Dualismus durch §§22 Nr. 2, 23 EStG
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§ 23 EStG eine Ungleichbehandlung nach dem Kriterium der Unterschreitung der Veräußerungsfrist. In Abgrenzung dazu ordnet § 17 11 EStG die Steuerpflicht der Veräußerung von Anteilen an Kapitalgesellschaften an, die im Privatvermögen gehalten werden, sofern die Beteiligung innerhalb der letzten fünf Jahre mittelbar oder unmittelbar mindestens 1 % betrug. 612 Beteiligungen, die im Betriebsvermögen gehalten werden, fallen also nicht unter § 17 EStG. 613 § 17 EStG stellt damit im System des Einkommensteuerrechts ebenfalls einen Sondertatbestand dar. 614 Teilweise wird er als Verbindung der Subsysteme angesehen, er erfasse entgegen dem quellentheoretischen Grundsatz Gewinne aus der Veräußerung privat gehaltener Anteile reinvermögenszugangstheoretisch.615 Die Besteuerung gemäß § 17 EStG wird zum Teil als Besteuerung qualifizierter Marktteilnahme durch eine qualifizierte Beteiligung grundsätzlich gerechtfertigt. 616 Die Beteiligungsgrenze von 1 % unterschreite aber die Grenze qualifizierter Beteiligung.617 Andere akzeptieren § 17 EStG schon wegen der Steigerung der Leistungsfähigkeit durch die Anteilsveräußerung. 618 Jetzt drängt sich jedenfalls das Halbeinkünfteverfahren als Erklärung für § 17 EStG auf. Es soll die Umgehung der Dividendenbesteuerung durch Beteiligungsveräußerung vermieden werden. 619 Trotzdem verbleiben Unklarheiten und Zweifelsfragen, z. B. hinsichtlich der 1 %-Grenze. 620 Konsequent wäre hier eine Besteuerung aller Beteiligungen gewesen.621 An § 17 EStG wird des Weiteren kritisiert, dass aufgrund 612
Bei den früher geltenden höheren Beteiligungsgrenzen von 25 % bzw. 10 % sprach man von einer sog. wesentlichen Beteiligung. Ab 1999 galt durch das StEntlG 1999/2000/2002 statt 25 % eine Grenze von 10 %. Das StSenkG reduzierte dann mit Wirkung ab 2002 die Beteiligungsgrenze auf 1 %. 613 Vgl. auch Lang, in: Tipke/Lang, § 9 Rz. 593; Schmidt/Weber-Grellet, EStG, § 17 Rn. 12. 614 BFH v. 1. 3. 2005 - V I I I R 92/03, DStR 2005, 727 (729) = BFHE 209, 285; Schneiden in: K / S / M , EStG, § 17 Rn. A 40 (Okt. 2000). 615 Schneider, in: K / S / M , EStG, § 17 Rn. A 4 1 (Okt. 2000). 616 Schneider, in: K / S / M , EStG, § 17 Rn. A 45 (Okt. 2000). Auch das BVerfG soll diesen Gedanken mit der Argumentation über die Nähe zur Geschäftsführung und die dadurch erhöhte Steuerwürdigkeit schon der Entscheidung über die Verfassungsmäßigkeit von § 17 EStG zugrunde gelegt haben, so Schneider, a. a. O., Rn. A 46. 617 Schneider, in: K / S / M , EStG, § 17 Rn. A 45 (Okt. 2000). 618 BFH v. 1. 3. 2005 - VUI R 92/03, DStR 2005, 727 (730) = BFHE 209, 285; Blümich/£ Ebling, § 17 EStG Rn. 6 (Aug. 2003); SchmidtI Weber-Grellet, EStG, § 17 Rn. 3. 619 Zu diesem (neuen) Ziel seit Absenkung der Beteiligungsgrenze BFH v. 1. 3. 2005 VIII R 25/02, DStR 2005, 733 (735) = BFHE 209, 275; Crezelius, DB 2003, 230 (231) m. w. N.; vgl. Schmidt /Weber-Grellet, EStG, § 17 Rn. 3. Gleichzeitig wird vom BFH auch das Ziel, die Steigerungen der Leistungsfähigkeit zu erfassen, genannt, BFH, a. a. O., S. 735. 620 Kanzler, FR 2000, 1245 (1253); Birk, StuW 2000, 328 (336). Für die Erforderlichkeit einer betragsmäßigen Obergrenze Blümich IK Ebling, § 17 EStG Rn. 6 (Aug. 2003). Kritisch auch Wenger, StuW 2000, 177 (179), nach dessen Ansicht Beteiligungsobergrenzen evident systemwidrig sind.
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C. Systematische Sonderstellung des § 23 EStG
der inzwischen geltenden 1 %-Grenze die ursprüngliche Vorstellung des EStG 1925 von einer mitunternehmerähnlichen Beteiligung nicht mehr zutreffe. 622 Daher sei die Zuordnung zu den gewerblichen Einkünften verfehlt. 623 Im Gegensatz zu § 17 EStG werden bei § 23 EStG die Einkünfte nicht als gewerblich qualifiziert. Dadurch dass § 17 EStG ebenfalls Veräußerungsgewinne besteuert, ist die tatbestandliche Struktur dieser Vorschrift der des § 23 EStG ähnlich, z. B. was die Gewinnermittlung sowie die Anschaffung, Veräußerung und die diesen gleichgestellten Tatbestände angeht. § 23 EStG zeigt einerseits beispielhaft, dass keine strikte Trennung der Einkunftsartengruppen erfolgt. 624 Obwohl grundsätzlich nur die Gewinneinkünfte Veräußerungsgewinne erfassen, fallen bestimmte Veräußerungsgewinne auch unter § 23 EStG. Ausnahmsweise werden bei § 23 EStG Nicht-Quelleneinkünfte im Rahmen der Überschusseinkünfte erfasst. 625 Andererseits macht § 23 EStG deutlich, dass realisierte Wertsteigerungen im privaten Vermögensbereich nur 626 bei zeitlich nahe beieinander liegendem Erwerb und Veräußerung besteuert werden. 627 Allerdings erfolgt seit der Fristverlängerung durch das StEntlG eine weiter reichende Besteuerung. Jede Verlängerung der Fristen schränkt den Grundsatz der Nichtsteuerbarkeit weiter ein, ebenso die übrigen tatbestandlichen Erweiterungen in § 23 EStG. 628 Dies verdeutlicht, dass der Grundsatz des Dualismus der Einkunftsartengruppen durch § 23 EStG zwar insoweit durchbrochen, zugleich aber für die übrigen Fälle bestätigt wird. Im Vordergrund steht jedoch die Abweichung von der grundsätzlichen Unbeachtlichkeit der privaten Vermögenssphäre.
621 Birk, StuW 2000, 328 (336). Vgl. Crezelius, DB 2003, 230 (231 f.). 622 z. B. Kanzler, FR 2000, 1245 (1252 f.). Vgl. auch Lang, in: Tipke/Lang, § 9 Rz. 593. Zur ursprünglichen Vorstellung der Ähnlichkeit einer wesentlichen Beteiligung mit einem Einzel- und Mitunternehmer BFH v. 4. 11. 1992 - X R 33 / 90, BFHE 169, 357 (362 f.). 623 Lang, in: Tipke/Lang, § 9 Rz. 593. Nach Schmidt/ Weber-Grellet, EStG, § 17 Rn. 16, wäre eine Zuordnung der Regelung zu § 20 EStG sachgerecht. 624 Die Bedeutung des Dualismus der Einkünfte sei daher begrenzt. So Handzik, in: L / B / P , EStG, § 2 Rn. 158 (Nov. 2004). 625 Crezelius, in: K / S / M , EStG, § 23 Rn. A 1 (Jan. 1995). Dazu näher unten C.Ü.2. 626 Insofern besteht die Bedeutung des § 23 EStG nicht nur in der positiven Wirkung der Besteuerung bestimmter Sachverhalte, sondern auch in seiner negativen Wirkung, dass bestimmte private Veräußerungen nicht von einem Steuertatbestand erfasst werden. 627 Crezelius, in: K / S / M , EStG, § 23 Rn. A 1 (Jan. 1995, zur alten Rechtslage), spricht diesbezüglich davon, dass der durch § 2 II EStG vorgegebene Dualismus der Einkunftsarten dadurch konkretisiert werde; ebenso Lademann / Warnke, EStG, § 23 Rn. 27 (März 1998). 628 Bei weiteren, deutlichen Fristverlängerungen würde sich die Frage stellen, ob nicht die Veräußerung innerhalb der Frist den (tatsächlichen) Regelfall darstellt. A. A. Kraft/Bäuml, DB 2004, 615 (619), die infolge der Fristverlängerung annehmen, dass zumindest bei Grundstücken und Wertpapieren die steuerliche Erfassung bereits jetzt den Regelfall darstelle.
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Einschränkung des Dualismus durch §§22 Nr. 2, 23 EStG
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Sowohl im Hinblick auf das Leistungsfähigkeitsprinzip als auch auf das bereits genannte Gebot der folgerichtigen Umsetzung der einmal getroffenen Belastungsentscheidung im Sinne der Belastungsgleichheit629 bedarf die partielle Durchbrechung des Grundsatzes der Nichtsteuerbarkeit privater Vermögenszuwächse durch § 23 EStG (und § 17 EStG 630 ) der Rechtfertigung. 631 Bei Ausnahmen von der folgerichtigen Umsetzung ist nach dem BVerfG das Bestehen eines besonderen sachlichen Grundes erforderlich. 632 Diese Rechtfertigungsbedürftigkeit des § 23 EStG unter dem Gesichtspunkt der Folgerichtigkeit633 hat jetzt auch der BFH in seinem Vorlagebeschluss zur Verlängerung der Spekulationsfrist angedeutet.634 Wenn man das Subsystem Überschusseinkünfte als gerechtfertigt ansieht, muss es grundsätzlich konsequent umgesetzt werden. Nach der gesetzlichen Wertung bei den Überschusseinkünften genügt die Leistungsfähigkeit bei Veräußerungen gerade nicht für deren Steuerbarkeit, sondern der Vermögensstamm soll steuerlich unbeachtlich sein. Daher kann man, wenn man den Grundsatz des Dualismus akzeptiert, § 23 EStG auch im Hinblick auf die Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit als rechtfertigungsbedürftig ansehen. Gleich leistungsfähige Steuerpflichtige werden nach dem Kriterium der Frist ungleich besteuert, so dass die horizontale Steuergerechtigkeit 635 berührt ist. Zu untersuchen ist deshalb, welches die Ursachen und Gründe für die Sonderstellung des § 23 EStG und für die Besteuerung von „Fristgeschäften" sind und ob sie als Rechtfertigung tragfähig sind.
629 Dazu z. B. BVerfG v. 4. 12. 2002 - 2 BvR 400/98, 2 BvR 1735/00, BVerfGE 107, 27 (46 f.); BVerfG v. 30. 9. 1998 - 2 BvR 1818/91, BVerfGE 99, 88 (95). Vgl. Birk, Leistungsfähigkeitsprinzip, S. 171, 178, der betont, auf horizontaler Ebene bestehe nur ein enger Spielraum des Gesetzgebers. Der Gesetzgeber müsse auf eine systemgerechte Durchführung achten. 630 § 17 EStG lässt sich vorbehaltlich der Einschränkung der Kritik an der 1 %-Grenze mit dem Halbeinkünfteverfahren rechtfertigen, s. o. 631 Vgl. auch Kirchhof, in: K / S / M , EStG, § 2 Rn. A 21: Jede Einzelvorschrift des EStG, die etwas über den Tatbestand Einkommen aussagt, ist mit den sonstigen tatbestandsbegrenzenden, ergänzenden oder einschränkenden Vorschriften des EStG abzustimmen. 632 Z. B. BVerfG v. 4. 12. 2002 - 2 BvR 400/98, 2 BvR 1735/00, BVerfGE 107, 27 (47); BVerfG v. 30. 9.1998 - 2 BvR 1818/91, BVerfGE 99, 88 (95). 633 Das Gebot der Folgerichtigkeit wird überwiegend als Teil des Leistungsfähigkeitsprinzips angesehen, teilweise aber auch als Ausfluss des Rechtsstaatsprinzips. Vgl. M. Wendt, DStJG 28 (2005), 41 (57,46, Fn. 24). 634 BFH v. 16. 12. 2003 - IX R 46/02, BFHE 204, 228 (250). Dort wird aus § 2 I I Nr. 2 EStG die Belastungsentscheidung des Gesetzgebers entnommen, Wertzuwächse im Privatvermögen nicht zu besteuern. Der BFH äußert ferner auch, dass für die Beurteilung eines Systemwechsels andere Maßstäbe gelten würden. 635 Eingehend dazu Birk, Leistungsfähigkeitsprinzip, S. 165, 170 ff.; ebenso BVerfG v. 29. 5. 1990 - 1 BvL 20/86 u. a., BVerfGE 82, 60 (89). Siehe z. B. auch BVerfG v. 6. 3. 2002 - 2 BvL 17/99, BVerfGE 105,73 (126). 11 Dechant
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C. Systematische Sonderstellung des § 23 EStG
1. Normzweck und Begründung der Fristregelung des § 23 EStG Anders formuliert stellt sich bei § 23 EStG also die Frage, warum private Veräußerungsgeschäfte innerhalb der Veräußerungsfrist entgegen dem Dualismus der Einkunftsarten doch besteuert werden, und damit die Frage, welchen Sinn die Frist in § 23 EStG hat. In der partiellen Durchbrechung des Grundsatzes der Nichtsteuerbarkeit privater Vermögenszuwächse wird zum Teil ein Verfassungsverstoß gesehen. 636 BVerfG, BFH und Teile der Literatur halten § 23 EStG jedoch für verfassungsgemäß.637 Im Laufe der Zeit gab es verschiedene Erklärungsansätze für § 23 EStG. Vielfach wurde die Vorschrift mit der Besteuerung der Spekulation begründet.638 Diese Ansicht wird seit der Fristverlängerung von weniger Anhängern vertreten. 639 Bei dieser Begründung wird aber kaum darauf eingegangen, was die Spekulation von anderen Veräußerungen im Privatvermögen unterscheidet und worin die Rechtfertigung ihrer Besteuerung liegt. Hinter den Begründungen zu § 23 EStG stand in der Regel vor allem die Wertung, dass diese Vermögenszuflüsse als besteuerungswürdig angesehen wurden. Heute ist dem Gesetzgeber wegen des Leistungsfähigkeitsprinzips als zentralem Maßstab der Besteuerung dagegen nur ein geringer bzw. gar kein Spielraum bei der Beurteilung der Steuerwürdigkeit zuzubilligen. In Frage kommt nur ein Spielraum des Gesetzgebers bei der Konkretisierung des Begriffs Leistungsfähigkeit. Für diese enge Bindung spricht, dass dem Gesetzgeber die Instrumente des Einkommensteuertarifs und die übrigen Steuern zur Beeinflussung des Steueraufkommens zur Verfügung stehen. Der Gesetzgeber kann zwar insoweit Entscheidungen über die Steuerwürdigkeit treffen, als er mit Steuernor636 Vgl. dazu Lademann / Warnke, EStG, § 23 Rn. 33 (März 1998). Für einen Verstoß gegen Art. 3 I G G im Hinblick auf die als unzulässige Typisierung eingeordnete Gleichbehandlung von Veräußerungen ohne Spekulationsabsicht und „echten" Spekulationsgeschäften Voss, BB 1966, 491 (492); für eine unzulässige Typisierung wegen unwiderlegbarer Vermutung der Spekulationsabsicht auch FG Stuttgart v. 23. 11. 1965 - 1 9 5 2 / 6 3 , EFG 1966, 71 (72). Wenger, StuW 2000, 177 (179), hält Mindesthaltefristen jedenfalls für evident systemwidrig. Für das Fehlen einer Rechtfertigung für die fristabhängige Besteuerung Jehner, BB 1984, Beilage 16, S. 1 (8). 637 BVerfG v. 9. 3. 2004 - 2 BvL 17/02, BVerfGE 110, 94 (112); BFH v. 16. 12. 2003 IX R 46/02, BFHE 204, 228 (256 f.). Ebenso z. B. Kirchhof/Kube, EStG, § 23 Rn. 2. 638 Einige Autoren sahen den Zweck des § 23 EStG auch in der Hemmung der Spekulation. So Hecht, AG 1975, 70 (76); für die Rechtslage bis zu den Änderungen durch das StEntlG ebenso Strahl/Fuhrmann, FR 2003, 387 (388, 391). Zur Rechtfertigung des § 23 EStG über die Hemmung der Spekulation in der Auslegungsvariante, dass die Spekulationsabsicht Tatbestandsmerkmal ist, siehe auch BVerfG v. 9. 7. 1969 - 2 BvL 20/65, BVerfGE 26, 302 (314). Dann müssten bei § 23 EStG die Anforderungen an Lenkungsnormen eingehalten werden. 639 So Jacobs-Soyka, in: L / B / P , EStG, § 23 Rn. 118 (Febr. 2003); ebenso Bachem, in: Bo/Br, EStG, § 23 Rn. 22 (Aug. 2003), nach dessen Ansicht auch die verlängerten Fristen noch die Vermutung kurzfristiger Spekulation rechtfertigen, anders (für eine generelle Besteuerung jedenfalls bei Grundstücken) Rn. 31.
II. Einschränkung des Dualismus durch §§22 Nr. 2, 23 EStG
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men auch Lenkungsziele verfolgen darf. 640 Deutliche Anhaltspunkte dafür, dass § 23 EStG auch heute die kurzfristige Investition hemmen soll, fehlen aber. Insoweit bestehen heute Zweifel an der traditionellen Begründung des § 23 EStG. Bei der Suche nach einer Erklärung für § 23 EStG liegt nahe, zunächst nach Parallelen in Form anderer Fristregelungen im Steuerrecht zu suchen. Fristregelungen, die über die Steuerbarkeit eines Sachverhalts entscheiden, existieren auch bei der Erbschaftsteuer in §§ 13a, 19a ErbStG insbesondere hinsichtlich des Erwerbs von Betriebsvermögen. Nach Ablauf dieser Haltefristen treten günstigere steuerliche Rechtsfolgen ein. In beiden Fällen löst die Unterschreitung der gesetzlichen Haltefristen eine Nachversteuerung aus. Diese Fristen sollen verhindern, dass der Erwerber den begünstigten Betrieb nicht fortführt und trotzdem von den Vergünstigungen profitiert. 641 Damit dienen die Vorschriften der Verhinderung von Missbrauch und Steuerumgehung.642 Deswegen lässt sich die Rechtfertigung der Fristen des ErbStG nicht auf § 23 EStG übertragen. Die Rechtsprechung des BFH wollte offenbar ein Bekenntnis zur Spekulationsbesteuerung als Rechtfertigung für § 23 EStG vermeiden. Denn als Zweck der Vorschrift nannte sie, innerhalb der (Spekulations-)Frist realisierte Werterhöhungen oder Wertminderungen aus verhältnismäßig kurzfristigen Wertdurchgängen eines bestimmten Wirtschaftsguts im Privatvermögen des Steuerpflichtigen zu besteuo ™ 643
ern. Von manchen Autoren wird der Zweck des § 23 EStG dagegen bereits in der generellen Besteuerung der Weitsteigerungen des Privatvermögens gesehen.644 Dabei wird insbesondere mit der Fristverlängerung und der tatbestandlichen Erweiterung des § 23 EStG argumentiert. 645 Dann wäre also durch das StEntlG eine Änderung des Normzwecks des § 23 EStG erfolgt. Das BVerfG hat zur (ergänzenden) Begründung des Steuertatbestandes des § 23 EStG nunmehr das Modell der typisierten Überschreitung der Grenzen privater Vermögensverwaltung herangezogen.646 640 St. Rspr.; z. B. BVerfG v. 6. 3. 2002 - 2 BvL 17/99, BVerfGE 105, 73 (112) m. w. N.; Wernsmann, Verhaltenslenkung, insb. § 9, S. 172 f. Vgl. auch § 3 I A O a. E. und Fn. 525. 641 Meincke, ErbStG, § 19a Rn. 10. Genauer gesagt sollen die Fristen sicherstellen, dass der Betrieb fortgeführt und nur dann von den Vergünstigungen profitiert wird. 642 Wilms/ Herrmann /Michel, § 13a ErbStG Rn. 67 (Dez. 2004). Teilweise wird die Regelung auch mit der verminderten Leistungsfähigkeit des Erwerbers begründet, Jülicher, in: Troll / Gebel / Jülicher, § 13a ErbStG Rn. 252 (Okt. 2004), Rn. 3 (März 2004). 643 Z. B. BFH v. 29. 3. 1989 - X R 4/84, BFHE 156, 465 (466) m. w. N.; BFH v. 30. 11. 1976 - Vffl R 202/72, BFHE 120, 522 (527); ebenso Lademann /Warnke, EStG, § 23 Rn. 24 (März 1998); zustimmend auch Kirchhof IKuhe, EStG, § 23 Rn. 2. 644 Blümich /Glenk, § 23 EStG Rn. 6 (März 2005); jedenfalls für Grundstücke ebenso Bachem, in: Bo/Br, EStG, § 23 Rn. 31 (Aug. 2003). 645 Blümich / Glenk, § 23 EStG Rn. 6 (März 2005). 646 So hinsichtlich der Veräußerung von Grundbesitz BVerfG v. 9. 3. 2004 - 2 BvL 17/02, BVerfGE 110,94 (98). ir
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C. Systematische Sonderstellung des § 23 EStG
Angesichts dieser uneinheitlichen Begründungsversuche soll im Folgenden näher untersucht werden, ob zumindest eine der vorgebrachten Begründungen die Besteuerung gemäß § 23 EStG trägt.
a) Bereits für die Vorläuferregelungen des § 23 EStG angeführte Begründungen Schon das preußische EStG 1891 und das EStG 1921 besteuerten die Spekulation. Als Begründungsansätze wurden insbesondere die Belastungswürdigkeit der Spekulation und die vom preußischen Oberverwaltungsgericht festgestellte Nähe zu einer Handelstätigkeit vorgebracht.
aa) Vermutung und Besteuerung der Spekulation Die Gesetzesbegründung zum preußischen EStG 1891 rechtfertigte die Einbeziehung der Spekulationsgeschäfte mit der Definition des Einkommens. Das Einkommen sollten die Güter bilden, welche durch die auf Gewinn gerichtete Tätigkeit einer Person oder durch Nutzung ihres Vermögens erzielt werden und über welche sie ohne Verminderung des Stammvermögens verfügen kann. 647 Diese auf den ersten Blick plausibel erscheinende Erklärung lässt jedoch außer Acht, dass z. B. auch bei der Vermietung von Immobilien und bei Kapitaleinkünften eine mittels Vermögenseinsatzes auf Gewinn gerichtete Tätigkeit vorliegt, bei der aber keine Besteuerung von Wertveränderungen des eingesetzten Vermögens stattfindet. Außerdem sollte damals verhindert werden, dass sich gerade die reichsten Steuerpflichtigen der Besteuerung entziehen können. Dies macht deutlich, dass die Nichtbesteuerung der Spekulation vor allem als ungerecht empfunden wurde, und deckt sich mit den Bedenken gegen die Nichtsteuerbarkeit privater Veräußerungen insgesamt. Ab dem Jahr 1921 wurden statt der Besteuerung aller privaten Veräußerungen wie im EStG 1920 nur noch Spekulationsgeschäfte erfasst. Als Grund für die Änderung wurde genannt, dass in der Praxis die Gewinne in zahlreichen Fällen nicht deklariert und besteuert wurden, die Verluste dagegen in der Regel geltend gemacht wurden. 648 Derartige Vollzugsdefizite lassen sich heute aber in weiten Teilen vermeiden. 649
647 Anlagen zu den Stenographischen Berichten über die Verhandlungen des Hauses der Abgeordneten während der 3. Session der 17. Legislaturperiode, 1890/91, Erster Band, No. 1 - 2 6 , Aktenstück No. 5, S. 221. Siehe oben B.I. 648 s. 50 der amtlichen Begründung zur Novelle vom 24. 3. 1921 (siehe Teil 3, Fn. 50); ebenso Glaser, EStG 1920, § 11 Anm. 26, S. 163. Siehe oben B.II.2. 649
Dazu eingehend oben C.I.3.e) sowie unten D.I.
II. Einschränkung des Dualismus durch §§22 Nr. 2, 23 EStG
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Die Vorläuferregelungen des § 23 EStG wurden also trotz der im Einzelnen fragwürdigen Erklärungen ursprünglich mit der Belastung der Spekulation 650 begründ e t 6 5 1 Dies ergab sich vor allem aus § 11 Nr. 5 EStG 1920 in der Fassung ab 1921 und aus der Erfassung der Spekulationsgeschäfte durch §§ 41 I Nr. 1, 42 I 1 EStG 1925, die die Spekulationsabsicht652 als Tatbestandsmerkmal aufnahmen. Ab 1934 wurde zwar tatbestandlich auf die Spekulationsabsicht verzichtet, aber die Spekulation immer noch als Belastungsgrund angesehen. 653 Teilweise wurde hinsichtlich der Gesetzesfassung vor der Änderung durch das StEntlG sogar vertreten, dass die Spekulationsabsicht zwar kein Tatbestandsmerkmal sei, bei Verwirklichung des objektiven Tatbestandes aber unwiderlegbar vermutet werde. 6 5 4 Vorzugswürdig erscheint es, wie oben festgestellt, von einer typisierten Erfassung der Spekulationsgeschäfte auszugehen. 655 Angesichts der deutlichen Änderungen bei § 23 EStG z. B. durch die Änderung der Überschrift in „private Veräußerungsgeschäfte" und die Verlängerung der Fristen auf zehn Jahre bzw. ein Jahr durch das StEntlG stellt sich die Frage, ob § 23 EStG auch nach dem StEntlG weiterhin der Besteuerung der Spekulation dienen soll. 6 5 6
650 Schon über den Begriff der Spekulation lässt sich streiten. Merkenich, Einkünfteermittlung, S. 86, versteht Spekulation als Eingehen eines Risikos in der Erwartung eines überdurchschnittlichen Erfolgs. Insbesondere im Hinbück auf an der Börse gehandelte Wertpapiere wird Spekulation aber auch als Absicht der Gewinnerzielung aus Preisschwankungen definiert, z. B. Crezelius, in: K / S / M , EStG, § 23 Rn. B 1 (Jan. 1995); Strahl, StbJb. 1999/2000, S. 327 (328). Oft ist dabei die beabsichtigte Gewinnerzielung innerhalb kurzer Zeit gemeint, so etwa Bachem, in: Bo/Br, EStG, § 23 Rn. 22 (Aug. 2003), sowie Strutz, EStG 1925, § 42 Anm. 3 (713), der Spekulationsabsicht als Absicht der Erzielung eines Gewinns durch möglichst baldige günstige Wiederveräußerung versteht. Vielfach wird Spekulationsabsicht in ähnlicher Weise als Anschaffung zum Zwecke der gewinnbringenden Wiederveräußerung definiert, Neeb, StuW 1991, 52 (55); ebenso zur Spekulation Fremdwörterlexikon (von Renate Wahrig-Burfeind), 5. Aufl., Gütersloh u. a. 2004. Pöllath, DB 1998, 2033 (2035), bezeichnet jegliche Veräußerungsgeschäfte an der Börse als „Spekulation". 651 Jansen, in: H / H / R , § 23 EStG Anm. 8 (Nov. 2002). 652 strutz, EStG 1925, § 42 Anm. 3 (713), grenzt die Spekulationsabsicht als die Absicht der Erzielung eines Gewinns durch möglichst baldige günstige Wiederveräußerung insbesondere von der Absicht dauernder Kapitalanlage ab. Ähnlich Neeb, StuW 1991, 52 (55).
653 Zur Rechtfertigung des § 23 EStG über die Hemmung der Spekulation in der Auslegungsvariante, dass die Spekulationsabsicht Tatbestandsmerkmal ist, siehe BVerfG v. 9. 7. 1969 - 2 BvL 20/65, BVerfGE 26, 302 (314). 654 So Crezelius, in: K / S / M , EStG, § 23 Rn. A 2 (Jan. 1995). Ähnlich („gewissermaßen [ . . . ] unwiderleglich vermutet") BFH v. 8. 3. 1967 - V I R 24/66, BFHE 88,182 (184). 655 Teilweise ebenso zur Rechtslage vor 1999 von Bornhaupt, BB 2003, 125 (126), der aber zugleich von einer unwiderlegbaren Vermutung der Spekulationsabsicht ausgeht. 656 So Jacobs-Soyka, in: L / B / P , EStG, § 23 Rn. 118 (Febr. 2003); ebenso Bachem, in: Bo/Br, EStG, § 23 Rn. 22 (Aug. 2003), der die ursprüngliche Absicht der Besteuerung kurzfristiger Spekulation neben dem Ziel der umfassenderen Besteuerung von Wertsteigerungen im Privatvermögen noch als relevant ansieht. A. A. für die Rechtslage ab 1999 Strahl/Fuhrmann, FR 2003, 387 (388 f.).
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C. Systematische Sonderstellung des § 23 EStG
(1) Fortbestehen des Ziels der Spekulationsbesteuerung
im geltenden Recht?
Nach der Begründung im dritten Bericht des Finanzausschusses sollte die Änderung der Überschrift zum Ausdruck bringen, dass nicht nur Geschäfte mit Spekulationsabsicht besteuert werden. 657 Dann wäre die Änderung der Überschrift lediglich eine Klarstellung658 und nicht mit einer inhaltlichen Änderung verbunden. Das deutet auf ein Fortbestehen der typisierten Spekulationsbesteuerung hin. Außerdem wurde die Einführung der Besteuerung der Termingeschäfte damit begründet, dass es sich dabei um typische Spekulationsgeschäfte handele.659 Aus dieser Gesetzesbegründung lässt sich folgern, dass auch nach den Änderungen durch das StEntlG gerade Spekulationsgeschäfte erfasst werden sollen.660 Andererseits wurde die Verlängerung der Fristen nicht mit deren Erforderlichkeit zur Erfassung von Spekulationsgeschäften begründet, sondern damit, dass dies der Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit entspreche.661 Darin könnte man einen grundlegenden Wandel des Belastungsgrundes bei § 23 EStG sehen: Es wird nicht mehr die Spekulation besteuert, sondern es soll grundsätzlich jede Leistungsfähigkeit durch private Veräußerungen besteuert werden, die ja unabhängig von der Haltedauer gleich ist. Diese Argumentation geht in Richtung der Reinvermögenszugangstheorie. Eine konsequente Umsetzung würde den grob bestehenden Dualismus der Einkommenstheorien und die Belastungsunterschiede (also den materiellen Dualismus) beseitigen. Damit träte ein fundamentaler Systemwechsel im deutschen Einkommensteuerrecht ein. Diese Argumentation über die Leistungsfähigkeit ist zwar im Ansatz zu begrüßen, kann aber nur eine Besteuerung grundsätzlich aller privaten Veräußerungen rechtfertigen, nicht dagegen eine Fristlösung. Die Gesetzesbegründung ist folglich widersprüchlich, da der Gesetzgeber einerseits bei der Fristverlängerung mit der Leistungsfähigkeit und andererseits bei den Termingeschäften mit deren typischem Spekulationscharakter argumentiert. Die Spekulation als Besteuerung nur der kurzfristigen Wertdurchgänge und die generelle Besteuerung schließen sich jedoch aus. Der Gesetzgeber hat sich leider auch nicht mit der Frage auseinandergesetzt, ob eine derartig lange Frist für Grundstücke mit dem ursprünglichen Gesetzeszweck vereinbar ist. 657 BT-Drucks. 14/443, S. 28. 658 So z. B. BFH v. 15. 12. 2000 - IX B 128/99, BFHE 194, 157 (160). Ebenso Kirchhof/ Kube, EStG, § 23 Rn. 1; Blümich /Glenk, § 23 EStG Rn. 8 (März 2005), wonach dies aber im Gegensatz zur Gesetzesbegründung steht; Jacobs-Soyka, in: L / B / P , EStG, § 23 Rn. 118 (Febr. 2003). 659 Entwurf eines Steuerentlastungsgesetzes 1999/2000/2002, BT-Drucks. 14/23, S. 180. Im Gesetzentwurf wurde aber noch die Bezeichnung Differenzgeschäfte verwendet, die in § 23 I 1 Nr. 5 EStG erfasst werden sollten (S. 12). Zustimmend zur Besteuerung der Termingeschäfte, bei denen es sich um typische Spekulation handele, Schmidt /Heinicke, EStG, 23. Aufl., § 23 Rn. 33. 660 Jacobs-Soyka, in: L / B / P , EStG, § 23 Rn. 118 (Febr. 2003). 661 Entwurf eines Steuerentlastungsgesetzes 1999/2000/2002, BT-Drucks. 14/23, S. 179.
II. Einschränkung des Dualismus durch §§22 Nr. 2, 23 EStG
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Dafür dass zumindest im Hintergrund immer noch der Gedanke der Spekulationsbesteuerung eine Rolle spielt, spricht die Entstehungsgeschichte des StEntlG. Im Gesetzentwurf war noch die Bezeichnung als Spekulationsgeschäfte vorgesehen, die Änderung der Überschrift wurde erst im Gesetzgebungsverfahren vorgeschlagen.662 Gleichzeitig war aber die Fristverlängerung schon im Gesetzentwurf geplant.663 Daher erscheint wahrscheinlich, dass die Änderung der Überschrift nur erfolgte, um die Fristverlängerung rechtfertigen zu können, denn bei einer Frist von zehn Jahren bei Grundstücken bestehen erhebliche Bedenken, dies noch als Spekulationsbesteuerung anzusehen.664 Bei der Berufung auf die Leistungsfähigkeit würde es sich dann also um eine Scheinbegründung aus politischen Gründen handeln. Von den Änderungen wurden schließlich erhebliche Steuermehreinnahmen erwartet. 665 Hinsichtlich der Einführung einer Ausnahme für eigengenutztes Wohneigentum ist zwar eine mögliche Erklärung, dass in diesen Fällen keine Spekulationsabsicht vorliegt bzw. gegenüber dem Hauptzweck der persönlichen Nutzung nicht maßgeblich ist. 666 Für die Beibehaltung der Spekulationsbesteuerung ist dies aber allenfalls ein schwaches Indiz. Dass § 23 EStG keine Spekulationsabsicht voraussetzt, schließt den Belastungsgrund der Besteuerung der Spekulation nicht aus, da ein subjektives Tatbestandsmerkmal der Spekulationsabsicht nicht praktikabel wäre. 667 Die Gesetzesbegründung zum StEntlG verschafft somit keine Klarheit über den Belastungsgrund des § 23 EStG. Vielmehr ist sie widersprüchlich und gibt Anlass zu zweifeln, ob der Gesetzgeber überhaupt ein stimmiges Konzept für die Änderung des § 23 EStG hatte. Deutlich wird jedoch, dass der Gesetzgeber zumindest ergänzend am Belastungsgrund der Spekulation festhalten will, obgleich dies im Widerspruch zur Begründung der Fristverlängerung über die Leistungsfähigkeit steht. Ob man den Äußerungen im Gesetzgebungsverfahren große Bedeutung beimessen sollte, wenn es um die Rechtfertigung aufkommenserhöhender Maßnahmen geht, ist ohnehin fraglich. Auch wenn man allein den Tatbestand des § 23 EStG 662 Entwurf eines Steuerentlastungsgesetzes 1999/2000/2002, BT-Drucks. 14/23, S. 12. Vgl. dritte Beschlussempfehlung des Finanzausschusses, BT-Drucks. 14/442, S. 15. 663 Entwurf eines Steuerentlastungsgesetzes 1999/2000/2002, BT-Drucks. 14/23, S. 12. 664 Dazu sogleich näher unter C.II.l.a)aa)(2). Ähnlich Strahl/Fuhrmann, FR 2003, 387 (389), die sogar für die Jahresfrist bei Wertpapieren vertreten, eine Spekulationsabsicht könne nicht mehr unterstellt werden. 665 in den Jahren 1999, 2000, 2001 und 2002 sollten bei Grundstücken durch die Fristverlängerung Mehreinnahmen in Höhe von 152, 299, 450 bzw. 665 Mio. DM für Bund, Länder und Gemeinden erzielt werden. Bei Wertpapieren sollten in den Jahren 2000, 2001, 2002 Mehreinnahmen in Höhe von 10, 14 bzw. 21 Mio. DM erreicht werden, BT-Drucks. 14/23, S. 154 f. 666 Vgl. Hock, FR 2000, 764. 667 Allerdings kann die Besteuerung der Spekulation auch kaum mit objektiven Tatbestandsmerkmalen typisierend erfasst werden.
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C. Systematische Sonderstellung des § 23 EStG
betrachtet, ist aufgrund der Fristen bei Wertpapieren und anderen Gegenständen eine Besteuerung der Spekulation als Belastungsgrund denkbar. Bei Grundstücken ist die Frist mit zehn Jahren dafür aber zumindest bedenklich lang bemessen und gibt Anlass zur Kritik. 668 Auch der BFH nimmt wohl an, dass die Norm weiterhin die Spekulation belasten solle. 669 Denn er stellt fest, dass die Änderung der Überschrift keine sachliche Änderung beinhalte.670 Die Rechtfertigung des § 23 EStG über die Besteuerung der Spekulation erfolgt in zwei Schritten: Erstens sollen kurze Zeiträume typisierend auf eine Spekulation hindeuten und zweitens wird diese Spekulation als besonders belastungswürdig eingestuft. (2) Die Kürze des Zeitraums zwischen Erwerb und Veräußerung als Indiz für Spekulation Zunächst wird angenommen, der kurze Zeitraum zwischen Erwerb und Veräußerung lasse das Fehlen einer sinnvollen Planung mit den Vermögensgegenständen und eine bloße Spekulation vermuten. 671 Bedenken bestehen jedoch schon dahingehend, ob eine Fristregelung wie § 23 EStG typisierend Spekulationsgeschäfte erfassen kann. Die Spekulationsabsicht als innere Tatsache kann nicht eindeutig festgestellt werden und objektive Umstände sind hier keine zuverlässigen Indizien. Schon die Gesetzesbegründung zum EStG 1925 gab zu, dass infolge der Fristregelung einerseits Spekulationsgeschäfte teilweise nicht besteuert werden und andererseits Geschäfte besteuert werden, die nicht spekulativ sind. 672 Die Absicht der Erzielung einer Wertsteigerung kann sowohl bei Wiederveräußerung innerhalb kurzer Zeit bestehen als auch bei langfristigem Halten. Es hängt in erster Linie von der Marktentwicklung ab, ob die Wiederveräußerung schon kurzfristig gewinnbringend erfolgen kann. Spekulation muss also nicht kurzfristig sein. § 23 EStG erfasst zudem grundsätzlich alle Gegenstände und nicht nur typische Spekulationsgegenstände. Die Typisierung durch § 23 EStG ist also jedenfalls sehr grob. Ob es entsprechend den gleichheits668 A. A. zur Frist bei Grundstücken von Bornhaupt, BB 2003, 125 (127), da der Erwerb von Grundstücken zu Vermietung und Verpachtung im privaten Bereich i. d. R. langfristig erfolge. Wenn man Spekulation als kurzfristige Wiederveräußerung ansieht, überzeugt dies jedoch nicht. 669 Ebenso von Bornhaupt, BB 2003, 125 (127). Auch nach einer nach der Fristverlängerung ergangenen Entscheidung des FG des Saarlandes v. 1. 3. 2001 - 2 V 400/00, JURIS-Nr. STRE200170613 (unter 2.1.2.), besteuert § 23 EStG die Spekulation (zu einem Streitjahr vor der Fristverlängerung). Bei § 23 EStG sei für den Steuerpflichtigen die einmalige Erzielung von Einnahmen am Markt und das „spekulative" Ausnutzen von Wertsteigerungen am Kapitalmarkt entscheidend. 670 BFH v. 15. 12. 2 0 0 0 - I X B 128/99, BFHE 194, 157(160). 671 Bachem, in: Bo/Br, EStG, § 23 Rn. 22 (Aug. 2003). 672 Siehe oben B.m.
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rechtlichen Typisierungsvoraussetzungen überhaupt einen Normalfall der Spekulation im Sinne einer Wiederveräußerung innerhalb der Frist gibt, ist schon zweifelhaft. Die alten Fristen von sechs Monaten und zwei Jahren waren also zumindest sehr stark typisierend im Hinblick auf die Einschätzung der Veräußerung als Spekulationsgeschäft. Angesichts der erheblichen Fristverlängerung durch das StEntlG insbesondere bei Grundstücken stellt sich die Frage, ob diese Fristen überhaupt noch die Vermutung der Spekulation rechtfertigen. Argumentiert wird vage, die verlängerten Fristen seien weder ausgesprochen lang noch ausgesprochen kurz. Gehe man von der Fristmitte als mutmaßlich durchschnittlichem Verhalten des Bürgers aus, bleibe die ursprüngliche ratio des § 23 EStG nach wie vor beachtlich.673 Damit ist die steuerliche Belastung der Spekulation gemeint. Die verlängerten Fristen sind jedoch mit einer Spekulationsbesteuerung nicht zu vereinbaren. Der Begriff der Spekulation, der in der Regel mit der Kurzfristigkeit der Investition gleichgesetzt wird, wird bei einer zehnjährigen Haltefrist insbesondere für Grundstücke überspannt.674 Bei einer Zehnjahresfrist ist die Spekulation insoweit nicht mehr der typische Besteuerungsfall. 675 Auch eine Vermutungsregel dahingehend, dass bei Wiederveräußerung innerhalb von zehn Jahren bereits bei der Anschaffung ein Veräußerungswille bestand, ist nicht haltbar. 676 Bei den übrigen Vermögensgegenständen lassen sich kaum allgemeingültige Aussagen treffen, wann auffallend kurzfristige Wiederveräußerungen vorliegen. Für den Hauptfall der Wertpapiere 677 konnte früher davon ausgegangen werden, dass im privaten Bereich Wertpapiere über mehrere Jahre gehalten werden, um eine günstigere Verzinsung des Kapitals als bei festverzinslichen Anlageformen zu erreichen. In den letzten Jahren hat dagegen dasrisikointensivere kurzfristige Investieren in Wertpapiere stark zugenommen. Bei dieser Gruppe von Privatanlegern kann die Behaltedauer im Durchschnitt deutlich kürzer sein als die Jahresfrist in § 23 EStG. 678 673 Bachem, in: Bo/Br, EStG, § 23 Rn. 22 (Aug. 2003). Wenn als Spekulation nur das besonders kurzfristige Halten angesehen werden soll, dürften die Fristen aber nur kürzer als die (mutmaßliche) durchschnittliche Behaltedauer bemessen werden. Um die geltenden Fristen mit Spekulation rechtfertigen zu können, dürfte man also im Gegensatz zu Bachem nicht von der Fristmitte als durchschnittlicher Haltedauer ausgehen, sondern müsste annehmen, dass die durchschnittliche Haltedauer länger ist als die gesetzliche Frist. 674
Ebenso Strahl/Fuhrmann, FR 2003, 387 (389). Ebenso zum österreichischen Recht Doralt/Doralt/Kempf, § 30 öEStG Rn. 6 (Okt. 2002). Vgl. auch Kohlrust-Schulz, NWB Fach 3,10775 (10776 f.). 675 Doralt /Doralt/Kempf, § 30 ÖEStG Rn. 6 (Okt. 2002). 676 Ebenso Gottwald, BB 1997, 2085 (2087); Höhmann, NWB Fach 3, 12925. 677 Lang, DStJG 24 (2001), 49 (98, Fn. 179), ist zuzustimmen, dass nicht spekulative Anlagen die Jahresfrist meist überschreiten. Allerdings ist nicht jede Veräußerung innerhalb der Frist auf Spekulation zurückzuführen.
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C. Systematische Sonderstellung des § 23 EStG
Die Zehnjahresfrist für Grundstücke lässt sich daher nicht mehr mit einer Besteuerung der Spekulation erklären. Bei den übrigen Wirtschaftsgütern ist die Annahme, sie würden im Durchschnitt länger als ein Jahr gehalten und innerhalb der Jahresfrist lägen besonders kurzfristige Wiederveräußerungen vor, jedenfalls sehr pauschal. (3) Die besondere Belastungswürdigkeit
der Spekulation
Fraglich ist zudem, warum die Spekulation als besonders belastungswürdig oder schädlich eingestuft wird und ob dies die Besteuerung nach § 23 EStG rechtfertigt679
Nach früherem Verständnis haftete der Spekulation der Makel an, dass ohne Arbeitsleistung und nur durch Hoffnungen auf Preissteigerungen Einkünfte erzielt und unter Umständen die Preise in die Höhe getrieben werden. 680 Daher wurde teilweise auch vermutet, § 23 EStG werde als Sondersteuer gegen Börsenjobber" und „Grundstücksspekulanten" akzeptiert. 681 Die Mühelosigkeit der Einkünfteerzielung ist im geltenden EStG aber ansonsten kein Kriterium. 682 Beispielsweise werden Kapitaleinkünfte nicht wegen ihrer Mühelosigkeit besteuert oder gar höher besteuert - in der Besteuerungspraxis ist vielmehr das Gegenteil der Fall. Die zur Einkünfteerzielung erforderlichen Mühen müssen - insbesondere mangels eines tauglichen Bewertungskriteriums - unberücksichtigt bleiben.683 Zum Teil wird die Spekulation auch als nicht betriebswirtschaftlich oder volkswirtschaftlich sinnvoll angesehen.684 Gegen diesen Einwand spricht, dass das Einkommensteuerrecht nicht nach der Sinnhaftigkeit oder Nützlichkeit einer Tätigkeit fragt, sondern nur nach Einkommen und Leistungsfähigkeit. 685 Sozial uner678 Vgl. dazu auch Strahl/Fuhrmann, FR 2003, 387 (389), nach deren Ansicht bei Wertpapierveräußerungen innerhalb eines Jahres eine Spekulationsabsicht nicht (mehr) unterstellt werden kann. 679 Vgl. Hecht, AG 1975, 70 (76), der den Zweck des § 23 EStG in der Hemmung der Spekulation sieht. So für die Rechtslage vor 1999 auch Strahl/Fuhrmann, FR 2003, 387 (391), die die Fristverlängerung und die Änderung der Bezeichnung des § 23 EStG als Zeichen der Aufgabe des Zwecks der Hemmung der Spekulation bewerten. Vgl. auch das Gutachten der Steuerreformkommission 1971, Abschnitt II, Tz. 106, die mit dem Ziel der Eindämmung der Spekulation die Verlustverrechnung bei § 23 EStG weiter einschränken wollte. 680 Vgl. zur „Amoralität des Spekulanten" Merkenich, Einkünfteermittlung, S. 88. 681 Thiel, BB 1965,452. 682 Ebenso Weber-Grellet, Steuern im modernen Verfassungsstaat, S. 79. 683 Tipke, in: FS für Paulick, S. 391 (391 f.). Zu den praktischen Problemen Birk, Steuerrecht, Rn. 33 f. Zur Unbeachtlichkeit von Freizeitnutzen und Arbeitsleid im Hinblick auf die Leistungsfähigkeit Birk, Leistungsfähigkeitsprinzip, S. 167. Gegen eine höhere Belastungswürdigkeit von Vermögenseinkommen Lang, in: Tipke/Lang, § 4 Rz. 100 ff. 684 Bachem, in: Bo/Br, EStG, § 23 Rn. 22 (Aug. 2003). 685 Zur Leistungsfähigkeit als einzig zulässigem Maßstab der Besteuerung siehe Merkenich, Einkünfteermittlung, S. 88. Merkenich betont auch, dass die emotionale Ablehnung der Spekulation § 23 EStG nicht rechtfertigen könne.
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wünschte Tätigkeiten werden z. B. nicht höher besteuert. Dem steht auch das Prinzip der synthetischen Einkommensteuer entgegen. Außerdem steht betriebswirtschaftlich für jedes Unternehmen die Gewinnmaximierung im Vordergrund. Daher lässt sich durchaus sagen, dass die (erfolgreiche) Spekulation betriebswirtschaftlich sinnvoll ist. Volkswirtschaftlich betrachtet werden durch Spekulation zwar keine Werte geschaffen, aber es wird auch kein Schaden angerichtet. Die Spekulation wirkt lediglich an der Bildung des Marktpreises mit und zeigt unter Umständen sogar Fehlbewertungen am Markt auf. Zudem hat sich die Auffassung, dass Spekulation verhindert werden sollte, inzwischen gewandelt.686 Dies zeigt sich z. B. im Zivilrecht durch die Aufhebung des § 764 BGB a. F., 6 8 7 der Differenzgeschäften den Rechtsschutz versagte. Es ist eine legitime Betätigung, insbesondere am Kapitalmarkt Preisschwankungen auszunutzen, und zeugt eher von Kenntnis der wirtschaftlichen Lage, als dass dies zum Vorwurf gereichen könnte. Des Weiteren ist die Annahme einer besonderen Belastungswürdigkeit der Spekulation i. S. v. nur kurzzeitigem Halten eines Gegenstandes vor dem Hintergrund fraglich, dass der Zuwachs an Leistungsfähigkeit nicht von der Länge der Haltefrist abhängt.688 Dieser Einwand klingt sogar in der Begründung der Fristverlängerung im StEntlG an. Der Gesetzgeber nannte als Grund für die Fristverlängerung, dass sie dem Grundsatz der Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit und damit auch dem Gebot der Steuergerechtigkeit entspreche.689 Außerdem erscheint fraglich, ob es bei von vornherein bestehender Absicht der Erzielung einer Wertsteigerung überhaupt darauf ankommen kann, ob diese innerhalb kurzer Zeit erzielt wird oder erst langfristig. Auch das langfristig geplante Erzielen von Wertsteigerungen ist, unabhängig davon, ob man es als Spekulation ansieht, steuerwürdig, da dieselbe Leistungsfähigkeit vermittelt wird. Die Abgrenzung nach der Kurzfristigkeit erscheint willkürlich, da die Tätigkeit identisch ist und nur ihre Dauer variiert. Bei den meisten Anschaffungen wird - zum Teil sogar dann, wenn sie vorrangig der Lebensführung dienen - das Erzielen einer Wertsteigerung zumindest Nebenzweck sein. Dies spricht dafür, nur solche Gegenstände von der haltezeitunabhängigen Besteuerung freizustellen, die allein oder weitgehend der Lebensführung die690
nen. Somit kann die Vermutung der Spekulation die Regelung des § 23 EStG nicht rechtfertigen, auch wenn der Gesetzgeber nach seinen als unklar und widersprüchlich zu kritisierenden Aussagen an dieser Begründung zumindest ergänzend fest686 Vgl. auch Strahl/Fuhrmann, FR 2003, 387 (389): Der Erwerb von Wertpapieren werde heute zur Unternehmensfinanzierung und zur Altersvorsorge überwiegend als wünschenswert beurteilt. 687 Vgl. Wenglorz/Bäuml, BB 2003, 286 (287 f.). 688 Ausführlich dazu unter C.I.ö.b) und C.II.3.b). 689 Begründung zum Entwurf eines Steuerentlastungsgesetzes 1999/2000/2002, BTDrucks. 14/23, S. 179. 690 Dazu näher unten D.VII.
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C. Systematische Sonderstellung des § 23 EStG
halten wollte. Die zehnjährige Frist bei Grundstücken ist zu lang bemessen, um noch eine Besteuerung der Spekulation i. S. v. kurzfristiger Investition darstellen zu können. Schließlich kann nicht überzeugen, dass bei der Spekulation anders als bei jeder anderen Form der Einkünfteerzielung die Art der Tätigkeit Grund der Besteuerung sein soll. Entscheidend für die Einkommensteuerpflicht kann nur die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit sein.
bb) Ähnlichkeit der Spekulation mit einer Handelstätigkeit wegen der Einkünfteerzielung durch beabsichtigte Wiederveräußerung Des Weiteren könnte man versuchen, § 23 EStG damit zu rechtfertigen, dass die Spekulation insbesondere wegen der Wiederveräußerungsabsicht wesentliche Merkmale einer Handelstätigkeit aufweist, sich dadurch von den übrigen privaten Veräußerungen unterscheidet und daher besteuert werden kann. 691 Das preußische Oberverwaltungsgericht definierte nämlich Spekulation als Wiederveräußerung von Vermögensgegenständen, die vom Veräußerer in der für den Erwerb maßgebenden Absicht der Gewinnerzielung durch Wiederveräußerung erworben wurden. 692 Gewerbe und Spekulation unterscheide nur der berufliche Charakter der Tätigkeit.693 Auch in der neueren Rechtsprechung wird die Wiederveräußerungsabsicht zum Teil als Merkmal gewerblicher Tätigkeit angesehen.694 Insbesondere ließe sich argumentieren: Wenn beim Erwerb eine Spekulationsabsicht im Sinne einer Wiederveräußerungsabsicht vorherrschend ist, wird Privatvermögen gezielt zur Einkünfteerzielung durch Veräußerung eingesetzt. Dann stellt das eingesetzte Vermögen Erwerbsvermögen dar. § 23 EStG könnte also als eine Besteuerung des gezielten Einsatzes des (Privat-)Vermögens zur Einkünfteerzielung zu verstehen sein. Auch nach dem ursprünglichen Willen des Gesetzgebers sollten anscheinend planmäßig erwirtschaftete Veräußerungseinkünfte, d. h. solche aus einer Erwerbstätigkeit, besteuert werden. 695 Denn nach der Gesetzesbegründung zum preußi691
Diese Argumentation ähnelt stellenweise der Rechtfertigung des § 23 EStG über eine intensivere Marktnutzung, dazu unten C.II.l.b)dd)(l). 692 Siehe oben B.I. Vgl. dazu auch Ruppe, DS J G 10 (1987), 45 (67). 693 OVGSt X, 68 (70 f.). Zur Anschaffung zum Zwecke der Weiterveräußerung als Merkmal des (Grundstücks-)Handels siehe OVGSt X, 385 (387 f.); OVGSt X, 388 (389 f.). Ebenso R Fischer, juris PraxisReport Steuerrecht 5/2004 vom 17. Mai 2004, unter 2. 694 Zur grundsätzlichen Erforderlichkeit einer Veräußerungsabsicht beim Erwerb BFH v. 10. 12. 2001 - GrS 1 /98, BFHE 197, 240 (246 f.); kritisch zur als obsolet angesehenen Veräußerungsabsicht Weber-Grellet, DStR 2002, 492 (493). Vgl. zur Veräußerung von mehr als drei Objekten als Indiz für eine bedingte Weiterveräußerungsabsicht bei Ankauf BFH v. 18. 5. 1999 - 1 R 118/97, BFHE 188, 561 (564). Teilweise stellt die Rechtsprechung für den gewerblichen Grundstückshandel ausdrücklich nicht auf die Wiederveräußerungsabsicht, sondern auf den Kauf von Grundstücken und deren Veräußerung in engem zeitlichem Zusammenhang ab, BFH v. 14. 5. 2003 - X I R 8/02, BFH/NV 2003, 1315 (1316). Auch dies ähnelt der Fristregelung in § 23 EStG. 69
5 Lang, Bemessungsgrundlage, S. 56.
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sehen EStG 1891 sollten Spekulationsgeschäfte deshalb besteuert werden, weil das Einkommen aus den Gütern bestehe, welche durch die auf Gewinn gerichtete Tätigkeit einer Person oder durch die Nutzung ihres Vermögens erzielt werden und über welche sie ohne Verminderung des Stammvermögens verfügen kann. 696 Mit diesem Begründungsansatz lässt sich zwar rechtfertigen, dass außer den Erträgen einer dauerhaften Vermögensnutzung auch die Veräußerung von Vermögen zu besteuern ist, das nur eine Wertsteigerung erfährt, aber keine Erträge abwirft. Bei konsequenter Anwendung dieses Ansatzes müssten aber alle Veräußerungen von Erwerbsvermögen besteuert werden, denn z. B. auch bei Vermietung und Verpachtung werden durch Vermögenseinsatz planmäßig Einkünfte erzielt. Eine Unterscheidung zwischen Vermögensstamm und -ertrag ist künstlich und entspricht nicht einer wirtschaftlichen Betrachtungsweise. Außerdem erfordert diese Argumentation über die Besteuerung planmäßig erwirtschafteter Veräußerungseinkünfte konsequenterweise die Besteuerung vieler Modelle, bei denen gezielt langfristig Veräußerungsgewinne erwirtschaftet werden (z. B. Private-Equity-Fonds), die aber als Folge des § 23 EStG nach geltendem Recht trotzdem nicht steuerbar sind. 697 Dies lässt zugleich Zweifel aufkommen, ob die Wiederveräußerungsabsicht überhaupt durch die Wiederveräußerung innerhalb von Fristen wie nach § 23 EStG objektivierbar und typisierbar ist. Ferner stellt sich die Frage, ob die Wiederveräußerungsabsicht ein taugliches Kriterium für das Erwirtschaften von Einkünften darstellt, da vernünftigerweise zum Erwerbszeitpunkt zumindest immer ein Nebenziel der Erzielung eines Veräußerungsgewinns durch den Vermögenseinsatz bestehen wird. 698 Z. B. wird bei der Vermietung einer Immobilie nicht nur mit dem Mietzins, sondern auch mit möglichen Wertsteigerungen der Immobilie kalkuliert werden. Wenn schon ein einziges Veräußerungsobjekt die Steuerpflicht nach § 23 EStG auslöst, kann man auch nicht mit einem handelsähnlichen hohen Umschlag von Wirtschaftsgütern in kurzer Zeit argumentieren. Der Gesetzgeber hat sich mit der grundsätzlichen Unterscheidung der Gewinneinkünfte und Überschusseinkünfte gerade dafür entschieden, nur berufsmäßige Veräußerungstätigkeiten zu besteuern. Hätte der Gesetzgeber berufsähnliche Veräußerungen erfassen wollen, hätte er ähnlich der von der Rechtsprechung entwickelten Drei-Objekt-Grenze 699 auf die Anzahl der Veräußerungen innerhalb eines bestimmten Zeitraums abstellen müssen. 696 Anlagen zu den Stenographischen Berichten über die Verhandlungen des Hauses der Abgeordneten während der 3. Session der 17. Legislaturperiode, 1890/91, Erster Band, No. 1 - 2 6 , Aktenstück No. 5, S. 221. Siehe oben B.I. 697
Vgl. Lang, Bemessungsgrundlage, S. 56. 698 Vgl. BFH v. 14. 5. 2003 - X I R 8/02, BFH/NV 2003, 1315 (1316); BFH v. 10. 12. 2001 - GrS 1/98, BFHE 197,240 (247). 699 Dazu BFH v. 14. 5. 2003 - X I R 8/02, BFH/NV 2003, 1315 (1316) m. w. N.; BFH v. 10. 12. 2001 - GrS 1/98, BFHE 197, 240 (244 ff.). Ein gewerblicher Grundstückshandel wird grundsätzlich angenommen, wenn mehr als drei Objekte innerhalb von fünf Jahren veräußert werden.
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C. Systematische Sonderstellung des § 23 EStG
Schließlich spricht das Leistungsfähigkeitsprinzip dafür, bei privaten Veräußerungen nicht auf das Merkmal der Wiederveräußerungsabsicht abzustellen, sondern diese im Grundsatz umfassend - unabhängig von einer Spekulation oder Wiederveräußerungsabsicht und fristunabhängig - wegen der durch die Veräußerungen vermittelten Leistungsfähigkeit zu besteuern. Demnach trägt diese Begründung des planmäßigen Erwirtschaftens von Veräußerungsgewinnen nicht die geltende Regelung in § 23 EStG, denn danach wären folgerichtig alle Veräußerungen von Erwerbsvermögen - auch im Rahmen der Überschusseinkünfte - zu besteuern, bei denen ebenfalls gezielt Vermögen zur Erwirtschaftung von Einkünften eingesetzt wird. An § 23 EStG zeigt sich aber, dass private Veräußerungen nur ausnahmsweise besteuert werden und nicht das gesamte Überschusserzielungsvermögen. Außerdem ist zweifelhaft, ob § 23 EStG überhaupt typisierend Spekulationsgeschäfte im Sinne von Anschaffungen mit geplanter Weiterveräußerung erfasst. Denn die Absicht der Erzielung einer Wertsteigerung und der Weiterveräußerung ist unabhängig davon, ob die Weiterveräußerung innerhalb der Fristen erfolgt oder erst langfristig nach Fristablauf, und wird in vielen Fällen ohnehin bestehen.
b) Spätere Begründungen des § 23 EStG Insbesondere angesichts der durch das StEntlG geänderten Überschrift des § 23 EStG wurde neben der Besteuerung der Spekulation nach anderen Rechtfertigungen für § 23 EStG gesucht. aa) Besteuerung kurzfristiger Wertdurchgänge im Privatvermögen nach Ansicht des Bundesfinanzhofs Nach Ansicht des BFH bestand - jedenfalls bis 1998 - der Zweck des § 23 EStG darin, innerhalb der Spekulationsfrist realisierte Weiterhöhungen oder Wertminderungen aus verhältnismäßig kurzfristigen Wertdurchgängen eines bestimmten Wirtschaftsguts im Privatvermögen des Steuerpflichtigen zu besteuern.700 Entsprechend modifiziert hinsichtlich der Bezeichnung der Frist könnte diese Aussage auch noch nach der Fristverlängerung und der Umbenennung des § 23 EStG gelten. Zwar lässt sich im Hinblick auf die zehnjährige Frist in Nr. 1 kaum noch von kurzfristigen Wertdurchgängen sprechen, aber die Fristregelung an sich ist erhalten geblieben. Auch in der Literatur wird weiterhin vertreten, Zweck des § 23 EStG sei es, innerhalb der Frist realisierte Wertmehrungen (und Wertminderungen) aus 700 Z. B. BFH v. 22. 5. 2003 - IX R 9/00, DB 2003, 1605 (1606); BFH v. 29. 3. 1989 X R 4/84, BFHE 156,465 (466) m. w. N.; BFH v. 30. 11. 1976- V I I I R 202/72, BFHE 120, 522 (527); ebenso Lademann ¡Warnke, EStG, § 23 Rn. 24 (März 1998); zustimmend auch Kirchhof/ Kube, EStG, § 23 Rn. 2.
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verhältnismäßig kurzfristigen Wertdurchgängen beim Steuerpflichtigen zu besteuern. 701 Heinicke sieht etwa den Grundgedanken des § 23 EStG darin, dass sich der Steuerpflichtige Werterhöhungen von Wirtschaftsgütern innerhalb einer bestimmten Frist wirtschaftlich zugeführt habe. 702 Das lässt aber gerade die zu begründende Unterscheidung unbeleuchtet, weshalb nur die innerhalb der Frist realisierten Werterhöhungen steuerbar sind. Außerdem deutet die Formulierung der wirtschaftlichen Zuführung einer Werterhöhung auf eine Begründung über die erhöhte Leistungsfähigkeit hin. Mit der Leistungsfähigkeit lässt sich eine Frist aber gerade nicht rechtfertigen, da Veräußerungsgewinne innerhalb und außerhalb der Frist dieselbe Leistungsfähigkeit vermitteln. An der Begründung des BFH, dass der Zweck des § 23 EStG die Besteuerung kurzfristig realisierter Wertsteigerungen sei, ist zu kritisieren, dass damit lediglich die Rechtsfolge des § 23 EStG umschrieben wird, dass nur Veräußerungen innerhalb der Frist besteuert werden. Es erfolgt aber keine Begründung dahingehend, warum Veräußerungen innerhalb der Frist eine andere Qualität haben sollen als außerhalb der Frist.
bb) Milderung der Unterschiede gegenüber den betrieblichen Wertzuwächsen Als Rechtfertigung sowohl für den Dualismus als auch für § 23 EStG wird weiterhin angeführt, § 23 EStG mildere 703 die unterschiedliche Behandlung der privaten Wertzuwächse gegenüber den betrieblichen.704 Durch die zahlreichen Fiktio701 Kirchhof/Kube, EStG, § 23 Rn. 2; vgl. dazu Bachem, in: Bo/Br, EStG, § 23 Rn. 22 m. w. N. (Aug. 2003); a. A. Blümich /Glenk, § 23 EStG Rn. 6 (März 2005): Durch die Fristverlängerung bestehe jetzt das Ziel darin, private Veräußerungen generell zu erfassen. 702 Schmidt/Heinicke, EStG, 23. Aufl., § 23 Rn. 3. 703 Vor dem Hintergrund der Milderung der Unterschiede könnte man argumentieren, § 23 EStG erfasse jedenfalls die wichtigsten Veräußerungen im privaten Bereich. Denn § 23 EStG unterliegen insbesondere Grundstücke und Wertpapiere als diejenigen Wirtschaftsgüter, die nicht zum Verbrauch oder kurzfristigen Gebrauch bestimmt sind und bei denen erfahrungsgemäß größere Umsätze getätigt werden. So auch Lademann / Warnke, EStG, § 23 Rn. 40 (März 1998). Allerdings ist die Besteuerung gerade nicht auf diese Vermögensgegenstände beschränkt. Entscheidend ist aber, dass dann wenigstens diese beiden Gruppen von Wirtschaftsgütern wie im Betriebsvermögen fristunabhängig besteuert werden müssten. Erhebliche private Veräußerungsgewinne werden typischerweise gerade außerhalb der Fristen erzielt. Während sich somit eine Beschränkung der Besteuerung von Veräußerungsgeschäften im Privatvermögen auf diese Gruppen noch rechtfertigen ließe, ist nicht zu erklären, warum die Besteuerung in zeitlicher Hinsicht durch die Frist so stark eingeschränkt wird. 704 Bachem, in: Bo/Br, EStG, § 23 Rn. 30 (Aug. 2003). Crezelius, in: K / S / M , EStG, § 23 Rn. A 22 (Jan. 1995), stellt die Frage, ob der Dualismus nicht jedenfalls wegen der Modifizierung in §§ 17, 23 EStG verfassungsmäßig ist. Vgl. Höck, FR 2000, 764 (764, 766), nach der der Zweck des § 23 EStG eine Angleichung, aber keine Gleichstellung der Gewinn- und Überschusseinkünfte ist. Vgl. ferner Jakob, Einkommensteuer, § 2 Rn. 65, der im Hinblick auf die Kluft zwischen Gewinn- und Überschusseinkünften von einer Brückenfunktion des § 23 EStG spricht.
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C. Systematische Sonderstellung des § 23 EStG
nen bestehe sogar die Gefahr von Übertreibung zu Lasten des Privatvermögens. 705 Die Rechtfertigung des § 23 EStG mit dessen Wirkung der Reduzierung der Belastungsunterschiede klingt auch in der Formulierung an, durch § 17 EStG und § 23 EStG werde keine vollständige Gleichstellung zwischen Gewinneinkünften und Überschusseinkünften erreicht. 706 In diese Richtung geht auch das FG Nürnberg, das die Verfassungsmäßigkeit des geltenden Rechts unter anderem darauf stützt, dass auch im Privatvermögen stille Reserven bei § 17 EStG und § 23 EStG erfasst würden. 707 Diesem Argument, § 23 EStG mildere die Belastungsunterschiede, ähnelt ein weiterer Argumentationsversuch zur Begründung des § 23 EStG. Die Besteuerung gemäß § 23 EStG soll dem Leistungsfähigkeitsprinzip entsprechen, da durch den Veräußerungsgewinn die Leistungsfähigkeit erhöht werde. 708 Zwar sind eine wenigstens innerhalb von Fristen stattfindende Besteuerung und die Fristverlängerung durch das StEntlG hinsichtlich des Gebots der Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit Verbesserungen.709 Dies zeigt aber nur, dass gerade die verbleibenden Ungleichbehandlungen durch die Nichtbesteuerung der Veräußerungen außerhalb der Frist rechtfertigungsbedürftig sind. Das Argument der Verminderung der Belastungsunterschiede offenbart seine eigene Schwäche, denn es werden die Ungleichbehandlung der Einkunftsartengruppen und ihre Rechtfertigungsbedürftigkeit zugegeben. Es fehlt jedoch gerade die Begründung dafür, warum die Besteuerungsunterschiede nicht vollständig beseitigt werden und warum trotz der erhöhten Leistungsfähigkeit Veräußerungen mit längeren als den gesetzlichen Fristen nicht besteuert werden. 710 Außerdem ist aufgrund der Kürze der Fristen der Großteil der privaten Veräußerungen nicht steuerbar, so dass die Milderung ohnehin nur einen geringen Umfang hat. Damit kann zwar mit der Vermeidung von Belastungsunterschieden zwischen Betriebsvermögen und Privatvermögen und dem Prinzip der Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit eine fristunabhängige Besteuerung privater Veräußerungen be705 Bachem, in: Bo/Br, EStG, § 23 Rn. 30 (Aug. 2003). 706 Lademann / Warnke, EStG, § 23 Rn. 27 (März 1998). 707 FG Nürnberg v. 13. 10. 1999 - V I 212/99, EFG 2000, 505. 708 Frotscher / Lindberg, EStG, § 23 Rn. 20 (Nov. 2004). Zur Leistungsfähigkeit als Belastungsgrund der §§22 Nr. 2, 23 EStG siehe Schmidt / Weber-Grellet, EStG, § 22 Rn. 1. Vgl. auch die Gesetzesbegründung zum StEntlG, in der angeführt wurde, die Verlängerung der Fristen entspreche dem Leistungsfähigkeitsprinzip, BT-Drucks. 14/23, S. 179. 709 Zur Fristverlängerung ebenso Birk, StuW 2000, 328 (330). Ähnlich Blümich / Glenk, § 23 EStG Rn. 21 (März 2005); M. Wendt, FR 1999, 333 (351), wonach die Fristverlängerung eine Verbesserung hin zu einer gleichmäßigeren Besteuerung ist. Vgl. auch Jakob, Einkommensteuer, § 2 Rn. 65, nach dessen Ansicht die Fristverlängerung die verfassungsrechtlichen Bedenken verringert hat. 710 Ähnlich Jansen, in: H / H / R , § 23 EStG Anm. 8 (Nov. 2002). Vgl. BFH v. 16. 12. 2003 - IX R 46/02, BFHE 204, 228 (253): Die Gesetzesbegründung sei widersprüchlich, da der Gesetzgeber weiterhin nicht steuerbare Wertzuwächse des Privatvermögens zulasse.
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gründet werden. Eine Regelung wie § 23 EStG ist auf diese Weise aber nicht zu rechtfertigen. cc) Spielraum des Gesetzgebers bei der Auswahl von Steuerquellen und politisches Ermessen Von besonderer Bedeutung für die Frage der Rechtfertigung des § 23 EStG ist die vor allem vom BVerfG vertretene Ansicht, sowohl beim Grundsatz der Nichtsteuerbarkeit privater Veräußerungen (materieller Dualismus der Einkunftsarten) als auch bei dessen Durchbrechung in § 23 EStG handele es sich um zulässige Entscheidungen des Gesetzgebers innerhalb seines Gestaltungsspielraums bei der Erschließung von Steuerquellen.711 Denn es hängt in erster Linie davon ab, wie groß der Spielraum ist, den man dem Gesetzgeber bei der Ausgestaltung der Einkommensteuer zubilligt, ob man die Regelungen des Dualismus und des § 23 EStG als verfassungsmäßig oder verfassungswidrig beurteilen muss. Die Verfassungsmäßigkeit des § 23 EStG hinsichtlich der materiellen Steuerpflicht hat das BVerfG im Jahr 2004 in seiner Entscheidung zur Besteuerung der Spekulationsgeschäfte mit Wertpapieren erneut und ausdrücklich bestätigt.712 Bei der Beurteilung der Verfassungsmäßigkeit des § 23 EStG stellen sich zwei Fragen: Zum einen zeigt § 23 EStG die grundsätzliche Nichtsteuerbarkeit bei Veräußerungen im Privatvermögen und wirft damit, wie oben dargelegt, die Frage nach der Zulässigkeit der Ungleichbehandlung von Überschusseinkünften und Gewinneinkünften auf. 713 Diese Ungleichbehandlung zwischen Betriebsvermögen und Privatvermögen durch die unterschiedliche Erfassung von Veräußerungsgewinnen wurde vom BVerfG als zulässig eingestuft. 714 Zum anderen stellt sich aufgrund der Durchbrechung des Subsystems Überschusseinkünfte durch Besteuerung des Stammvermögens die Frage nach der Zu711 BVerfG v. 9. 7. 1969 - 2 BvL 20/65, BVerfGE 26, 302 (310, 312). Vgl. auch BFH v. 8. 3. 1967 - V I R 24/66, BFHE 88, 182 (184), wonach der Gesetzgeber nicht gegen die Verfassung verstößt, wenn er sich für die Erfassung bestimmter Veräußerungsgewinne entscheidet und dabei, um die praktische Anwendbarkeit zu erleichtern, nur auf eine Frist abstellt. Auch bei der Fristlänge gehe es um eine Entscheidung, die der Gesetzgeber im Rahmen seines politischen Ermessens zu treffen habe. 712 Das BVerfG hat zwar die Vorschrift des § 23 I 1 Nr. 1 b) EStG a. F. für verfassungswidrig und nichtig erklärt. Verfassungswidrig sei die Norm aber nur wegen der mangelhaften Durchsetzung der materiellen Pflicht. Daher bleibt das BVerfG zumindest im Ergebnis bei seiner früheren Rechtsprechung. Siehe BVerfG v. 9. 3. 2004 - 2 BvL 17/02, BVerfGE 110, 94 (111 f.). 713 Dazu oben bei der Untersuchung des Dualismus der Einkunftsarten unter C.I.4.a). 714 BVerfG v. 9. 7. 1969 - 2 BvL 20/65, BVerfGE 26, 302 (312), v. a. im Hinblick auf eine etwaige Spekulationsabsicht, deren Erforderlichkeit offen gelassen wurde; dem BVerfG zustimmend für die Zulässigkeit der Differenzierung gegenüber dem Betriebsvermögen KirchhofIKube, EStG, § 23 Rn. 2. Zur Kritik an den Entscheidungen des BVerfG zu § 17 EStG, § 23 EStG und § 415 EStG siehe Tipke, StuW 1971, 2 (8 ff.). 12 Dechant
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C. Systematische Sonderstellung des § 23 EStG
lässigkeit der unterschiedlichen Behandlung der durch § 23 EStG steuerlich erfassten privaten Veräußerungsgeschäfte und der nicht erfassten privaten Veräußerungen. Auch diese Ungleichbehandlung des Privatvermögens innerhalb und außerhalb der Frist wurde vom BVerfG verfassungsrechtlich nicht beanstandet. Die weitgehende Gestaltungsfreiheit des Gesetzgebers bei der Erschließung von Steuerquellen ende erst, wenn ein einleuchtender Grund für die Gleichbehandlung oder Ungleichbehandlung fehle. 715 Der sachliche Grund sei darin zu sehen, dass der Gesetzgeber glaubte, nur innerhalb der Frist erzielte Gewinne als Einkommen qualifizieren zu können.716 Diese Argumentation ist jedoch nicht überzeugend.717 Denn wenn schon die bloße Auffassung des Gesetzgebers einen sachlichen Grund darstellen soll, würde danach jede Auffassung des Gesetzgebers vom Einkommensbegriff der Willkürkontrolle genügen. Das BVerfG nennt keinen sachlichen Grund für die bei privaten Veräußerungen vorgenommene Differenzierung nach einer Haltefrist. In der Literatur wird der Annahme eines solchen Spielraums des Gesetzgebers vielfach zugestimmt.718 Dieser soll sich nicht nur auf die Grundentscheidung für den Dualismus beziehen. Auch die Verfassungsmäßigkeit der Durchbrechung der grundsätzlichen Nichtsteuerbarkeit von Wirtschaftsgütern des Privatvermögens durch § 23 EStG wird mit einem weit reichenden Entscheidungsspielraum des Gesetzgebers bei der Auswahl des Steuergegenstandes begründet.719 Wie nach der Ansicht des BVerfG soll sachliche Vertretbarkeit für die den Grundsatz durchbrechende Besteuerung privater Veräußerungsgeschäfte genügen. Die zeitliche Differenzierung durch die Frist sei sachlich einleuchtend und nicht willkürlich. 720 Wel715 BVerfG v. 9. 7. 1969 - 2 BvL 20/65, BVerfGE 26, 302 (310, 312). Vgl. von Bornhaupt, BB 2003, 125 (127), der im Hinblick auf die Ausdehnung der Besteuerung privater Veräußerungsgeschäfte von der Erschließung neuer und Erweiterung vorhandener Steuerquellen im Bereich des EStG spricht. 716 BVerfG v. 9. 7. 1969 - 2 BvL 20/65, BVerfGE 26, 302 (313); zustimmend Blümich/ Glenk, § 23 EStG Rn. 21 (März 2005), der die Erfassung des Vermögenszuwachses durch Veräußerung von Gegenständen des Privatvermögens nur innerhalb eines bestimmten Zeitraums für sachlich einleuchtend und dem Willkürverbot genügend hält. 717 Siehe oben hinsichtlich des Dualismus C.I.4.a). 718 Zur Rechtsprechung des BVerfG siehe auch Lademann/ Warnke, EStG, § 23 Rn. 34 (März 1998); Lüdemann/Zugmaier, DStR 1996, 1636 (1639), wonach die nähere Ausgestaltung der Besteuerungstatbestände und die Möglichkeit der Milderung der systematischen Zweiteilung im rechtspolitischen Ermessen des Gesetzgebers liegen. 719 Frotscher/Lindberg, EStG, § 23 Rn. 20 (Nov. 2004); ebenso Blümich/Glenk, § 23 EStG Rn. 21 (März 2005). Ähnlich Harenberg, NWB Fach 3, 12869 (12870), der die Verfassungsmäßigkeit des § 23 EStG damit begründet, der Gesetzgeber sei grundsätzlich frei in seiner Entscheidung, welche Lebenssachverhalte er zum Gegenstand der Besteuerung macht. Dem ähnelt außerdem die Ansicht, unter Beachtung der horizontalen und vertikalen Steuergleichheit gebe es einen Freiraum des Gesetzgebers bei der Konkretisierung der Leistungsfähigkeit und § 23 EStG sei eine zulässige Ausgestaltung des Leistungsfähigkeitsprinzips. So Seiler, JZ 2004,481 (482). 720 Blümich/G/enfc, § 23 EStG Rn. 21 (März 2005).
IL Einschränkung des Dualismus durch §§ 22 Nr. 2, 23 EStG
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eher konkrete Grund für eine derartige Unterscheidung bestehen soll, wird aber hierbei ebenfalls nicht genannt. Der Ansicht des BVerfG zufolge ist also die Besteuerung gemäß § 23 EStG, sofern man sie nicht als willkürlich ansieht, als Auswahl des Steuergegenstandes gerechtfertigt, ebenso wie die Entscheidung für den Dualismus der Einkunftsartengruppen. Gegen diese Auffassung ist zum einen einzuwenden, dass das BVerfG keinen Grund genannt hat, warum sich private Veräußerungen innerhalb und außerhalb der Frist in rechtlich relevanter Weise unterscheiden sollen. Zum anderen sprechen gegen die Anwendung des Spielraums bei der Erschließung von Steuerquellen auf die Ausgestaltung der Einkommensteuer und die Festlegung des Umfangs der Einkommensbesteuerung die oben bei der Würdigung des Dualismus genannten Argumente.721 Der Gesetzgeber hat mit dem Einkommen bereits die Steuerquelle ausgewählt und muss diese folgerichtig ausgestalten. Da Einkommen ein wertausfüllungsbedürftiger und kein vorrechtlicher Begriff ist, gibt es einen begrenzten Spielraum des Gesetzgebers bei der Definition des Einkommens (bzw. bei der Konkretisierung der Leistungsfähigkeit), z. B. im Sinne der Reinvermögenszugangstheorie oder der Markteinkommenstheorie. Diese Entscheidung muss dann aber folgerichtig umgesetzt, also grundsätzlich durchgehalten werden. 722 Nimmt man an, dass im EStG ein einheitliches Belastungsprinzip für alle Einkünfte fehlt, wäre es schon aus diesem Grund verfassungswidrig. Läge dem EStG die Markteinkommenstheorie als Belastungsprinzip zugrunde, wären jedenfalls alle Markteinkünfte zu erfassen, und nicht nur bestimmte innerhalb von Fristen. 723 Gleiches gilt, wenn man von der Leistungsfähigkeit im Sinne von Zahlungsfähigkeit oder vom Vermögenszuwachs als Grundprinzip des EStG ausgeht. § 23 EStG ist dann nur beim Bestehen besonderer Gründe zu rechtfertigen, die eine Abweichung vom Grundsatz erklären können. Im bisherigen Verlauf der Untersuchung konnten keine solchen Gründe festgestellt werden.
dd) Typisierung unüblichen privaten Veräußerungsverhaltens (1) Qualifizierte
Marktteilnahme
in typisierter
Form
Vor allem im Lichte der Markteinkommenstheorie wird als Begründungsansatz für § 23 EStG außerdem vertreten, dass die Fristen die Umsatzhäufigkeit typisieren, aus der die Intensität der Marktinanspruchnahme folgt. 724 Diese qualifizierte 721 Siehe oben C.I.4.a). 722 Vgl. Sendlhofer, ÖStZ 1999, 534 (535, 537), der die Spekulationsbesteuerung in Österreich als unzulässige Vermischung von Reinvermögenszugangstheorie und Quellentheorie ansieht. 723 Dazu näher unter C.II. 1 .b)dd). 12*
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C. Systematische Sonderstellung des § 23 EStG
Marktteilnahme rechtfertige die Erstreckung der Einkommensteuerbarkeit auf die Vermögenssubstanz.725 In ähnlicher Weise wird die Beschränkung auf die Besteuerung privater Veräußerungsgeschäfte gemäß § 23 EStG aufgrund der weniger intensiven Tätigkeit bei privaten Veräußerungen als Schwellenregelung als zulässig angesehen und sogar hinsichtlich der Einkommensteuer insgesamt vom „Intensitätsmodell des EStG" gesprochen.726 Unschlüssig bei dieser Begründung bleibt, warum nach Vermögenssubstanz und Vermögenserträgen differenziert wird, wenn es auf die Marktnutzung und deren wirtschaftlichen Erfolg ankommen soll. Ob der Erfolg in einer Vermögens wertsteigerung oder einem Vermögenszufluss besteht, ist dann als unerheblich anzusehen. An dieser Begründung erscheint zudem - wie bereits oben bei der Frage der Begründung des Dualismus dargelegt - nicht überzeugend, dass insbesondere bei Veräußerungen nicht jedes Markteinkommen besteuert werden soll, sondern nur die hinreichend intensive Marktnutzung.727 Denn auch sporadische Leistungen oder gar nur einmalige werden nach geltendem Recht besteuert (§ 22 Nr. 3 EStG), obwohl der Markt nicht intensiv genutzt wird. Das EStG besteuert zwar in erster Linie, aber nicht ausschließlich intensive Marktnutzungen. Zudem ist die Intensität der Marktnutzung kaum messbar, sofern man nicht bloß auf die Anzahl abgeschlossener Geschäfte abstellen will. Hinzu kommt, dass das Kriterium der Marktintensität oder der dauerhaft verfestigten Verbindung mit dem Markt die Markteinkommenstheorie in die Nähe der Quellentheorie mit ihrem Merkmal des regelmäßigen Fließens von Einkünften aus einer Quelle 728 rückt, das heute überwiegend abgelehnt wird.
724 Schneiden in: K / S / M , EStG, § 17 Rn. A 45 (Okt. 2000); vgl. Jakob, in: FS für Schmidt, S. 115 (117 f.), der § 23 EStG als Schwelle zu einer intensiveren Tätigkeit ansieht, die deswegen eine höhere Besteuerungswürdigkeit aufweisen soll. 725 Schneider, in: K / S / M , EStG, § 17 Rn. A 45 (Okt. 2000). Vgl. auch von Hammerstein, Privatsphäre, S. 255, nach dessen Ansicht bei § 23 EStG auf der Markteinkommenstheorie basierend bei Veräußerungen innerhalb kurzer Zeit die Spekulations- und Gewinnerzielungsabsicht und damit das Erwirtschaften unwiderleglich vermutet wird. Ob ein gezieltes Erwirtschaften von Leistungsfähigkeit erfolgt, erscheint zwar de lege ferenda als Abgrenzung der steuerbaren Sphäre denkbar, das geltende Recht spiegelt dies aber nicht wider. Nicht steuerbar sind auch außerhalb der Fristen gezielt erwirtschaftete private Veräußerungsgewinne. 726 Jakob, FS für Schmidt, S. 115 (117 ff.). Jakob gibt allerdings zu, dass es sich bei der Fristlänge um einen „Rohmaßstab" handelt und dass dieses Schwellenproblem nicht aus der Natur der Sache zu lösen sei. Mit anderen Worten heißt das, dass die Festlegung der Erheblichkeitsschwelle in gewisser Weise willkürlich ist. 727 Vgl. auch Kirchhof, Einkommensteuergesetzbuch, § 2 Rn. 24, wonach aufgrund des Grundsatzes der Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit auch einmalige Einkünfte besteuert werden müssen. 728 Die Markteinkommenstheorie besteuert allerdings im Gegensatz zur Quellentheorie grundsätzlich auch den Vermögenszuwachs. Auch der Kölner Entwurf, Rn. 39 m. w. N., hält die Wiederkehr für ein untaugliches Kriterium zur Entscheidung über die Steuerbarkeit von Einkünften.
II. Einschränkung des Dualismus durch §§22 Nr. 2, 23 EStG
181
Außerdem ist zweifelhaft, ob eine derartige Fristregelung tatsächlich die intensiveren Marktnutzungen erfasst, d. h. ob eine geeignete Typisierung vorliegt. 729 Die Marktnutzung besteht bei Veräußerungsgeschäften immer in Anschaffung und Veräußerung. Bei einer einzelnen Veräußerung sind die Marktnutzung und deren Intensität also unabhängig davon, welcher Zeitraum zwischen Anschaffung und Veräußerung liegt. Die Fristlänge kann höchstens die Umsatzhäufigkeit verschiedener Vermögensgegenstände in der Weise typisieren, dass bei demjenigen, der in kurzer Zeit einen Vermögensgegenstand wieder veräußert, vermutet wird, er erwerbe und veräußere häufiger Vermögensgegenstände innerhalb relativ kurzer Zeit und sei daher stärker als der das private Vermögen vor allem Haltende am Markt beteiligt. Für eine sehr grobe Typisierung und nicht realitätsgerechte Abbildung der Intensität der Marktnutzung spricht jedoch, dass außerhalb der Fristen beliebig viele Geschäfte getätigt werden können, d. h. es kann eine hohe Umsatzhäufigkeit vorliegen, ohne eine Steuerpflicht auszulösen. Andererseits genügt schon ein einzelnes Geschäft innerhalb der Frist, damit häufige Umsätze angenommen werden. 730 Besser geeignet, die Intensität der Marktnutzung zu erfassen, wäre ein Abstellen auf die Anzahl der veräußerten Gegenstände731 bzw. der gleichartigen Veräußerungsgeschäfte oder auf das Volumen der Veräußerungen. Denn, wie gesagt, jeder Anund Verkauf stellt eine eigene Marktnutzung dar. Die Haltedauer eines einzelnen Wirtschaftsgutes hat für das Gesamtverhalten des Steuerpflichtigen kaum Aussagekraft. Wenn man weniger intensive Marktnutzungen ausgrenzen will, könnten diese präziser durch einen Freibetrag oder eine Freigrenze aus der Steuerbarkeit ausgeschlossen werden. Damit würden - trotz der Abhängigkeit vom Gewinn und nicht von der Art der Marktnutzung - die Fälle geringerer Intensität bei gleichem Aufwand 732 zutreffender ausgegrenzt als mit der Fristregelung. Wenn schon an die Intensität der Marktnutzung anknüpft werden soll, dann wäre auch die Anzahl der Veräußerungen pro Zeiteinheit eine genauere Erfassung der Intensität als die Differenzierung nach der Haltedauer.733 729 Vgl. auch FG des Saarlandes v. 1. 3. 2001 - 2 V 400/00, JURIS-Nr. STRE200170613 (unter 2.1.2.), wonach zwar auch § 23 EStG Markteinkommen besteuere. Bei § 23 EStG sei aber die einmalige, spekulative Erzielung von Einnahmen entscheidend. 730 Als Beispiel lässt sich etwa bilden, dass ein Student im Laufe seines Studiums einmal bei einem Börsengang Aktien erwirbt und kurz danach veräußert, wobei er einen Gewinn von 1.000 € erzielt. Der Gewinn ist steuerpflichtig gemäß § 23 EStG. Ein Zahnarzt mit einem Wertpapierdepot im Wert von 250.000 €, der unter Beachtung der Jahresfrist Aktien seines Depots regelmäßig mit erheblichen Gewinnen verkauft und wieder Aktien zukauft, verwirklicht dagegen keinen Steuertatbestand. 731 Vgl. die Rechtsprechung zur Drei-Objekt-Grenze, z. B. BFH v. 10. 12. 2001 - GrS 1/98, BFHE 197, 240 (244 ff.) m. w. N.; BFH v. 3. 7. 1995 - GrS 1/93, BFHE 178, 86 (91 f.). 732 Die Typisierung durch eine Frist ist keine Erleichterung gegenüber der Erfassung aller Geschäfte, denn bei allen Wirtschaftsgütern sind zusätzlich zu Anschaffungs- und Veräußerungspreis an sich auch Anschaffungs- und Veräußerungszeitpunkt zu erfassen, um die Fristeinhaltung überprüfen zu können.
182
C. Systematische Sonderstellung des § 23 EStG
Eine Typisierung intensiver Marktnutzung durch die Unterschreitung der Fristen des § 23 EStG ist demnach nicht realitätsgerecht und nicht überzeugend. (2) Überschreitung der Grenzen privater Vermögensverwaltung im Vordergrund stehenden Vermögenseinsatz
durch
Ähnlich wie nach diesem Ansatz der qualifizierten Marktteilnahme, aber ohne den Bezug zum Markteinkommen hat das BVerfG im Jahre 2004 als neuen Ansatz zur Begründung des Steuertatbestandes des § 23 EStG das Modell einer typisierten Überschreitung der privaten Vermögensverwaltung angeführt. Die vom BFH gezogene Grenze der privaten Vermögensverwaltung werde auch für private Veräußerungsgeschäfte dann überschritten, wenn nach dem Gesamtbild der Betätigung und unter Berücksichtigung der Verkehrsauffassung die Ausnutzung substantieller Vermögenswerte durch Umschichtung gegenüber der Nutzung im Sinne der Fruchtziehung aus zu erhaltenden Substanzwerten entscheidend in den Vordergrund trete. 734 Damit würde die nicht steuerbare private Vermögensnutzung im Sinne einer Fruchtziehung aus zu erhaltenden Substanzwerten voraussetzen, dass bestimmte Mindesthaltedauern überschritten werden. Bei Veräußerung innerhalb der Fristen des § 23 EStG würde typisierend angenommen, dass die Vermögensumschichtung im Vordergrund stand und der Rahmen der privaten Vermögensverwaltung überschritten wurde. In der Literatur war zuvor bereits als Begründung für § 23 EStG vorgebracht worden, dass sich der Schwerpunkt der wirtschaftlichen Tätigkeit des Steuerpflichtigen von der Vermögensnutzung auf die Vermögensumschichtung verlagere und sich damit seine Tätigkeit dem typischen Leitbild der Gewinneinkünfte annähere. 7 3 5 Statt auf die Absicht der Erzielung einer Substanzwertsteigerung736 abzustellen habe der Gesetzgeber die starre, aber objektiv messbare Anknüpfung gewählt, welche Zeitspanne der Steuerpflichtige das Wirtschaftsgut in seinem Vermögen hält. 737 § 23 EStG soll also den Fall typisieren, dass jemand innerhalb kurzer Zeit (in Form der Spekulation) sein Vermögen umschichtet und es über die Fruchtziehung hinausgehend nutzt.
733 Bei der Suche nach Anknüpfungspunkten für die Intensität der Marktnutzung zeigt sich, dass es kaum zuverlässige und sinnvolle Kriterien dafür gibt und dass die Intensität insgesamt ein fragwürdiges Kriterium darstellt. 7 34 So zu Grundbesitz BVerfG v. 9. 3. 2004 - 2 BvL 17/02, BVerfGE 110, 94 (98). 7 35 Lüdemann/Zugmaier, DStR 1996, 1636 (1637). Vgl. Kirchhof/ Kirchhof, EStG, § 2 Rn. 47, nach dessen Ansicht das von § 23 EStG erfasste Privatvermögen einem Betriebsvermögen angenähert wird. 736
Einzuwenden ist, dass die Absicht einer Substanzwertsteigerung bei fast allen Kapitalanlagen zumindest als Nebenziel vorhanden sein wird. Diese ist also kein bzw. kein sicheres Anzeichen für die Überschreitung der Vermögensnutzung. 737 Lüdemann/Zugmaier, DStR 1996, 1636 (1638).
I
Einschränkung des Dualismus durch §§22 Nr. 2, 23 EStG
183
Nach dem B F H setzt Vermögensverwaltung mit nicht steuerbaren privaten Veräußerungen - in Abgrenzung zum gewerblichen Handel - zwar voraus, dass die Tätigkeit sich im (quellentheoretischen) Rahmen einer Fruchtziehung aus zu erhaltender Substanz bewegt. 7 3 8 Gegen die Erklärung des BVerfG, § 23 EStG sei eine typisierte Überschreitung der Vermögensverwaltung, spricht aber, dass das geltende Recht im Hinblick auf Veräußerungsgeschäfte nur die zwei Kategorien Gewinneinkünfte und private Vermögensverwaltung im Rahmen der Überschusseinkünfte kennt. 7 3 9 Dies geht insbesondere aus der Rechtsprechung des B F H hervor, der die Überschreitung des Rahmens der privaten Vermögensverwaltung als ungeschriebenes Tatbestandsmerkmal der gewerblichen Einkünfte ansieht. 740 Die Rechtsprechung zur Fruchtziehung 741 dient der Abgrenzung des Bereiches der Gewinneinkünfte von dem der Überschusseinkünfte mit der dazu gehörenden privaten Vermögensverwaltung. § 23 EStG gehört als Überschusseinkunftsart noch zum Bereich privater Vermögensverwaltung. 742 Bei Überschreitung der Vermögensverwaltung liegen systematisch schon gewerbliche Einkünfte vor. 7 4 3 Eine Kategorie
738 St. Rspr.; BFH v. 10. 12. 2001 - GrS 1/98, BFHE 197, 240 (243 f.); Lang, in: Tipke/ Lang, § 9 Rz. 489; Schmidt /Weber-Grellet, EStG, § 15 Rn. 46. Entscheidend für die Zuordnung ist aber, ob die Tätigkeit nach der Verkehrsanschauung dem Bild eines Gewerbebetriebs und damit einer Händlertätigkeit entspricht, z. B. BFH v. 10. 12. 2001 - GrS 1/98, BFHE 197, 240 (243); BFH v. 20. 12. 2000 - X R 1/97, NJW 2001, 3214 (3215). 739 Es gibt nur eine „Grenze von der privaten Vermögensverwaltung zum Gewerbebetrieb", BFH v. 20. 12. 2000 - X R 1 /97, NJW 2001, 3214 (3215); BFH v. 10. 12. 2001 GrS 1 /98, BFHE 197, 240 (243). Ähnlich BFH v. 1. 6. 2004 - IX R 35/01, BFHE 206, 273 (275). 740 z. B. BFH V. 1. 6. 2004 - DC R 35/01, BFHE 206, 273 (275); BFH v. 20. 12. 2000 X R 1/97, NJW 2001, 3214 (3215); BFH v. 20. 12. 2000 - X R 67/98, BFH/NV 2001, 1015; BFH v. 3. 7. 1995 - GrS 1/93, BFHE 178, 86 (90); BFH v. 25. 6. 1984 - GrS 4/82, BFHE 141, 405 (427). Siehe auch Lang, in: Tipke/Lang, § 9 Rz. 488 f.; Schmidt/WeberGrellet, EStG, § 15 Rn. 46. 741 An der Rechtsprechung insbesondere zu Wertpapiergeschäften ist zu kritisieren, dass auch dann noch vorliegen soll, wenn die Rendite der Wertpapierinvestition durch die Realisierung von Wertsteigerungen durch Veräußerung entsteht und Veräußerungen in größerem Umfang erfolgen, z. B. BFH v. 20. 12. 2000 - X R 1/97, NJW 2001, 3214 (3215) m. w. N. Dann liegt zwar noch nicht zwingend eine händlertypische Tätigkeit vor, aber die Umschichtung des Vermögens tritt bereits in den Vordergrund. 742 Ebenso Jakob, Einkommensteuer, § 2 Rn. 64. Von der Überschreitung der Grenzen der privaten Vermögensverwaltung ist regelmäßig nur bei einer gewerblichen Handelstätigkeit die Rede, vgl. Jacobs-Soyka, in: L / B / P , EStG, § 23 Rn. 25 (Febr. 2003). Vgl. Gottwald, BB 1997, 2085 (2086), nach dessen Ansicht § 23 EStG wegen der Zugehörigkeit zu den Überschusseinkünften nur solche Veräußerungen erfassen kann, die als gelegentliche Vermögensumschichtung noch zur Vermögensverwaltung gehören. § 23 EStG könne nur so weit reichen, wie nicht schon gewerbliche Einkünfte vorliegen. 743 Frotscher/ Lindberg, EStG, § 23 Rn. 18 (Nov. 2004): Auch die Veräußerung von Privatvermögen kann zu einer gewerblichen Tätigkeit führen, wenn die Grenzen der Vermögensverwaltung überschritten werden. Vgl. Schmidt/ Weber-Grellet, EStG, § 15 Rn. 46: Gewerbliches Handeln sei mehr als private Vermögensverwaltung einschließlich privater Veräuße„Fruchtziehung"
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C. Systematische Sonderstellung des § 23 EStG
zwischen Vermögensverwaltung und gewerblichen Einkünften existiert nicht, jedenfalls nicht nach der Rechtsprechung des BFH, auf die sich das BVerfG beruft. Die Argumentation, § 23 EStG sei eine typisierte Überschreitung der privaten Vermögensverwaltung, aber noch nicht gewerblich, würde § 23 EStG jedoch als eine solche Zwischenkategorie einordnen, für die es auch nach der Gesetzessystematik keine Anhaltspunkte gibt. Eine Fristregelung wäre nur als Abgrenzungsmerkmal denkbar, ab wann eine gewerbliche Veräußerungstätigkeit vorliegt. Eine solche Regelung wäre dann systematisch bei den Gewinneinkünften zu verorten. 744 Zudem setzt dieser Ansatz voraus, dass man den Dualismus der Einkunftsartengruppen im Sinne einer unterschiedlichen steuerlichen Bewertung von Fruchtziehung bei Überschusseinkünften und Vermögensveränderung bei Gewinneinkünften für gerechtfertigt hält. Dagegen ist einzuwenden, dass nur die vermittelte wirtschaftliche Leistungsfähigkeit entscheidend sein sollte.745 Außerdem überzeugt nicht, dass schon die Veräußerung eines einzelnen Gegenstandes innerhalb der Frist eine Überschreitung der Vermögensverwaltung darstellen soll. Bereits Veräußerungen i. S. d. § 23 EStG als Überschreitung der privaten Vermögensverwaltung anzusehen und damit dem gewerblichen Grundstücks- oder Wertpapierhandel anzunähern, der ebenfalls die Überschreitung der privaten Vermögensverwaltung voraussetzt, erscheint problematisch. Für diesen hat die Rechtsprechung mit dem händlertypischen Verhalten strenge Voraussetzungen aufgestellt,746 so dass insoweit ein Widerspruch entstehen würde. Denn während an das Überschreiten der privaten Vermögensverwaltung bei gewerblichen Wertpapierveräußerungen hohe Anforderungen (z. B. Ausnutzen beruflich erlangter Kenntnisse) gestellt werden, 747 soll nach dem Ansatz des BVerfG bei § 23 EStG beispielsweise bereits die Veräußerung von zehn Aktien innerhalb eines Jahres für die (typisierte) Überschreitung der privaten Vermögensverwaltung genügen. Zudem würden sich aufgrund der Fristverlängerung in § 23 EStG durch das StEntlG Unstimmigkeiten zwischen privaten Veräußerungsgeschäften und Grundstückshandel ergeben. Wenn z. B. schon die Veräußerung eines Grundstücks nach acht Jahrungsgeschäfte. Auch die Veräußerung von Sachen und Rechten stelle nur dann einen Gewerbebetrieb dar, wenn der Rahmen privater Vermögensverwaltung überschritten werde (Rn. 89). 744 Teilweise wird auch § 17 EStG mit dem Überschreiten privater Vermögensverwaltung erklärt, Schneider, in: K / S / M , EStG, § 17 Rn. A 41 (Okt. 2000). Dort greift jedenfalls nicht der Einwand, folgerichtig müsse es sich um gewerbliche Einkünfte handeln. 74 5 Außerdem wurde ein solcher Dualismus der Einkommenstheorien, wie schon festgestellt, nicht ausnahmslos und folgerichtig umgesetzt. Der quellentheoretische Gedanke der Fruchtziehung liegt nicht allen Überschusseinkünften zugrunde. ™ BFH v. 30.7. 2003 - X R 7/99, BFHE 204,419 (425 f.) m. w. N.; BFH v. 20.12.2000 X R 1/97, NJW 2001, 3214 (3215); BFH v. 20. 12. 2000 - X R 67/98, BFH/NV 2001,1015 (LS). 747 BFH v. 30. 7. 2003 - X R 7/99, BFHE 204, 419 (428 ff.) m. w. N.; BFH v. 20. 12. 2000 - X R 1 /97, NJW 2001, 3214 (3215) m. w. N.
II. Einschränkung des Dualismus durch §§ 22 Nr. 2, 23 EStG
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ren eine Überschreitung der Vermögensverwaltung darstellen soll, ist kaum zu erklären, warum die Schwelle zum Handel, die eine Überschreitung der Grenzen der Vermögensverwaltung erfordert, i. d. R. erst bei mehr als drei Veräußerungen innerhalb von fünf Jahren überschritten wird. Umgekehrt wird auch der gezielt durch Vermögensumschichtung erwirtschaftete Veräußerungsgewinn außerhalb der Fristen nicht besteuert.748 Die Überschreitung der Fruchtziehung bei Veräußerungen innerhalb der Fristen ist also ein Begründungsansatz, mit dem zwar eine Fristregelung gerechtfertigt werden könnte. Bei nur kurzfristigem Halten würde typisierend angenommen, dass nicht die Vermögensnutzung im Vordergrund steht, sondern die Vermögensumschichtung. Die Schwachstellen dieses Ansatzes sind aber zum einen die sehr grobe Typisierung, zum anderen der systematische Aspekt, dass mit dem Überschreiten des Rahmens der privaten Vermögensverwaltung, den die Überschusseinkünfte bilden, keine Überschusseinkunftsart mehr vorliegen kann, sondern nur noch Gewinneinkünfte. § 23 EStG gehört aber nicht zu den Gewinneinkünften, sondern zu den Überschusseinkünften. Die ihm unterfallenden Einkünfte bewegen sich daher innerhalb des Rahmens privater Vermögensverwaltung. Bei einer anhand einer Fristregelung typisierten Überschreitung der Fruchtziehung wäre eine solche Regelung systematisch richtig als Teil der gewerblichen Einkünfte einzuordnen, also im Bereich der §§ 15-17 EStG. Es handelt sich nicht nur um eine systematisch falsche Einordnung einer inhaltlich vertretbaren Regelung, sondern um einen nicht auflösbaren Widerspruch. Die in § 23 EStG enthaltene Fristregelung ließe sich also mit diesem Ansatz allenfalls de lege ferenda als Vermutungsregel für eine gewerbliche Handelstätigkeit im Rahmen der Besteuerung gewerblicher Einkünfte rechtfertigen. 749
ee) Sonstige Begründungsansätze aus dem Meinungsspektrum Des Weiteren werden auch noch folgende Begründungsansätze für § 23 EStG vertreten, die hier der Vollständigkeit halber kurz aufgeführt werden sollen. (1) Tolerierbare
Ausnahme
Vereinzelt wurde § 23 EStG, wenn man den Grundgedanken des Dualismus der Einkunftsermittlung akzeptiere, für eine Ausnahme gehalten, die toleriert werden könne. Denn es handele sich um eine Durchbrechung des Quellenprinzips und eine Anwendung des Reinvermögenszugangsprinzips innerhalb relativ kurzer Fris748 Ebenso Lüdemann/Zugmaier, DStR 1996, 1636(1638). 749 Auch dagegen besteht aber der Einwand, dass es sich um eine sehr grobe Typisierung handeln würde. Dies wird z. B. in dem Fall deutlich, dass nur ein einzelner Gegenstand innerhalb der Frist veräußert wird.
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C. Systematische Sonderstellung des § 23 EStG
ten. 750 Inzwischen sind die Fristen allerdings auf ein Jahr bzw. zehn Jahre verlängert worden. Außerdem liegt in der angeblich begrenzten Bedeutung der Abweichung kein sachlicher Grund für eine Ungleichbehandlung der privaten Veräußerungen nach dem Kriterium der Einhaltung der Frist. (2) Generelle Erfassung privater
Veräußerungsgeschäfte
Seit der Fristverlängerung wird die neue Fassung des § 23 EStG zum Teil statt als Besteuerung kurzfristiger Wertdurchgänge eher als eine generelle steuerliche Erfassung privater Veräußerungen eingeordnet.751 Als Argumente dafür werden die Fristverlängerung und die tatbestandliche Erweiterung des § 23 EStG herangezogen.752 Danach läge schon heute eine grobe Gleichbehandlung mit den generell erfassten betrieblichen Veräußerungsgeschäften vor. Zwar gehen die tatbestandlichen Erweiterungen in die Richtung der Erfassung aller privaten Wertsteigerungen in den Grenzen der Fristen des § 23 EStG. Um eine neue systematische Grundlage der Besteuerung von Wertsteigerungen des Privatvermögens annehmen zu können, hätte der Tatbestand aber noch weitergehend geändert werden müssen, insbesondere wäre die Beibehaltung der Fristen als Abweichung vom Grundsatz der generellen Besteuerung zu begründen gewesen. Solange die Fristen nicht deutlich verlängert werden bzw. eine fristunabhängige Besteuerung privater Veräußerungen eingeführt wird, kann vom Zweck einer generellen Besteuerung nicht gesprochen werden, auch wenn eine Erweiterung der Besteuerung durchaus zu erwarten ist. Insbesondere ist die Frist für sonstige Wirtschaftsgüter mit einem Jahr so kurz bemessen, dass die meisten derartigen Veräußerungen nicht besteuert werden, zumal in vielen Fällen das Fristende abgewartet werden kann. Die Erweiterung der Besteuerung ist zwar hinsichtlich der Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit eine gewisse Verbesserung.753 § 23 EStG kann jedoch keine umfassende Besteuerung privater Veräußerungen gewährleisten, so dass er in seiner geltenden Form nicht mit diesem Ziel gerechtfertigt werden kann. (3) Verhinderung
der Verlagerung
betrieblicher
Einkünfte
in den privaten Bereich
Als Ziel der Besteuerung nach § 23 EStG wäre noch denkbar, die Verlagerung betrieblicher Einkünfte in den privaten Bereich zu verhindern. 754 750 Crezelius, in: K / S / M , EStG, § 23 Rn. A 85 (Jan. 1995). 751 Blümich / Glenk, § 23 EStG Rn. 6 (März 2005); FrotscherI Lindberg, EStG, § 23 Rn. 2 (Sept. 2003). 752 Blümich I Glenk, § 23 EStG Rn. 6 (März 2005). 753 Vgl. auch oben C.II.l.b)bb). 754 Dem Bund der Steuerzahler zufolge hat die Einkommensteuer stets nur Spekulationsgewinne erfasst. Damit habe verhindert werden sollen, dass die Besteuerung von gewerb-
II. Einschränkung des Dualismus durch §§22 Nr. 2, 23 EStG
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Dazu ist die Regelung jedoch bereits nicht geeignet, da außerhalb der Frist Nichtsteuerbarkeit besteht und durch entsprechende steuerliche Gestaltungen auch erreicht werden kann.
2. Berechtigung der systematischen Einordnung des § 23 EStG als Überschusseinkunftsart Bei § 23 EStG stellt sich abgesehen von der Frage nach der Rechtfertigung der Vorschrift weiterhin die Frage, wieso die dort getroffene Regelung gesetzlich den Überschusseinkünften zugeordnet wurde, wenn gerade die Wertveränderung des Vermögens erfasst wird. Denn den Überschusseinkünften liegt grundsätzlich die Quellentheorie zugrunde. Die Quellentheorie nach Fuisting definiert Einkommen als die Gesamtheit der Sachgüter, die in einer bestimmten Periode dem Einzelnen als Erträge dauernder Quellen der Gütererzeugung zur Bestreitung der persönlichen Bedürfnisse zur Verfügung stehen.755 Alle einmaligen Vermögensanfalle fallen also aus dem Einkommensbegriff heraus. 756 Bei privaten Veräußerungen ist nach der Quellentheorie gleichgültig, ob bei Anschaffung Spekulationsabsicht vorlag oder nicht. 757 Da § 23 EStG auch und vor allem einmalige Zuflüsse erfasst, durchbricht er die Quellentheorie, die der Besteuerung der Überschusseinkünfte zugrunde liegt. 758 Auch dass § 23 EStG teilweise als Besteuerung des Vermögenszuwachses verstanden wird, zeigt, dass § 23 EStG nicht dem Wesen der Überschusseinkünfte entspricht.759 Während §§ 19-22 EStG die Früchte des Vermögens erfassen, besteuert § 23 EStG Veränderungen des Vermögens selbst.760 Den Überschusseinkünften liegt also nicht durchgehend die Quellentheorie zugrunde.761 liehen Wertzuwächsen durch Verlagerungen in den privaten Bereich umgangen werden könne. Eine umfassende Besteuerung der privaten Wertzuwächse entspreche daher nicht dem Verständnis der Verfassung von Einkommensteuer. Abgerufen am 12. 5. 2005 unter http: / / www.steuerzahler.de /uploads/Pressestatements/4_Reform.pdf (S. 3 f.). 75 5 Fuisting, Die Grundzüge der Steuerlehre, S. 110. Vgl. Lang, in: Tipke/Lang, § 9 Rz. 50,181. 7 56 Ebenso Bachem, in: Bo/Br, EStG, § 2 Rn. 24 (Juli 1998). 7 57 Fuisting, Die Grundzüge der Steuerlehre, S. 150. Vgl. auch Watrin/Lühn, DB 2003, 168: Private Veräußerungsgeschäfte sind nach der Quellentheorie kein Einkommen. 7 58 Vgl. Strahl, StbJb. 1999/2000, S. 327 (327, 330); Watrin/Lühn, DB 2003, 168; Wenglorz/Bäuml, BB 2003, 286 (287); Kraft/Bäuml, FR 2004, 443 (446 f.). Für eine Durchbrechung der quellentheoretischen Grundsätze der Überschusseinkünfte durch Besteuerung privater Veräußerungen auch Lang, Bemessungsgrundlage, S. 501; Schneider, in: K / S / M , EStG, § 17 Rn. A 41 (Okt. 2000). 7 59 Schneider, Private Vermögensverwaltung, S. 29. Vgl. auch Wenglorz/Bäuml, BB 2003, 286 (287), die die Besteuerung privater Veräußerungsgeschäfte als Kompromiss zwischen Quellentheorie und Reinvermögenszugangstheorie ansehen. ™> Schmidt / Weber-Grellet, EStG, § 23 Rn. 1.
C. Systematische Sonderstellung des § 23 EStG
188
§§ 17, 23 EStG sind Ausnahmen von der quellentheoretischen Ausgrenzung privaten Stammvermögens.762 Durch § 23 EStG und § 21 UmwStG werden NichtQuelleneinkünfte zu Überschusseinkünften umqualifiziert. 763 § 23 EStG erweitert also den quellentheoretischen Rahmen der Überschusseinkünfte. 764 Diese Durchbrechung der Quellentheorie im Rahmen der Überschusseinkünfte wurde durch die Fristverlängerung und andere tatbestandliche Erweiterungen, insbesondere die Besteuerung der Termingeschäfte, in den letzten Jahren verstärkt. So zeigt sich eine Verschiebung und Tendenz der Besteuerung zur Reinvermögenszugangstheo•
765
ne. An sich steht § 23 EStG der Reinvermögenszugangstheorie näher als der Quellentheorie. Die Reinvermögenszugangstheorie würde aber eine fristunabhängige Besteuerung aller privaten Veräußerungen erfordern, so dass sich § 23 EStG auch nicht mit der Reinvermögenszugangstheorie erklären lässt. Zudem hätte bei einer reinvermögenszugangstheoretischen Rechtfertigung des § 23 EStG eine systematische Regelung im Bereich der Gewinneinkünfte, die auf dieser Theorie basieren, nahe gelegen. Geht man davon aus, dass die Überschusseinkünfte den Einkommensbegriff der Quellentheorie widerspiegeln sollen, ist die systematische Stellung des § 23 EStG demnach nicht zu rechtfertigen. Private Veräußerungsgeschäfte dürften nicht im Rahmen der quellentheoretisch begründeten Überschusseinkünfte besteuert werden. Eine andere Begründung für § 23 EStG, die die Durchbrechung der für die Überschusseinkünfte grundsätzlich maßgeblichen Quellentheorie erklären würde, ist nicht erkennbar. Wollte man § 23 EStG z. B. über eine typisierte Überschreitung des Rahmens privater Vermögensverwaltung rechtfertigen, 766 hätte eine systematische Einordnung als gewerbliche Einkünfte erfolgen müssen,767 und dafür fehlt es an den typischen Merkmalen des Gewerbebetriebes (jedenfalls bei heutigem Verständnis). 761 Diese Einschränkung ist wohl auch mit der Aussage gemeint, dass sich cum grano salis bei den Überschusseinkünften die Quellentheorie und bei den Gewinneinkünften die Reinvermögenszugangstheorie durchgesetzt habe. So Lang, in: Tipke/Lang, § 9 Rz. 50; zustimmend Bachem, in: Bo/Br, EStG, § 2 Rn. 27 (Juli 1998); Tipke, in: FS für Paulick, S. 391 (394). 762 Lang, in: Tipke/Lang, § 9 Rz. 556, 595; ebenso Bäuml, System und Reform, S. 57; ebenso zu § 17 EStG Schneider, in: K / S / M , EStG, § 17 Rn. A 41 (Okt. 2000). Zu § 41 EStG 1925 schon Strutz, EStG 1925, § 41 Anm. 1 (699); Hensel, Steuerrecht, S. 233. 763 Crezelius, in: K / S / M , EStG, § 23 Rn. A 1 (Jan. 1995). § 17 EStG wird dagegen gesetzlich den Gewinneinkünften zugeordnet. 764 Tipke, StRO n, S. 717; Lang, in: Tipke/Lang, § 9 Rz. 183. 765 Vgl. Jakob, Einkommensteuer, § 3 Rn. 454; Lang, zitiert nach Welling/Kayser, StB 2003, 383 (384). Vgl. im Hinblick auf Termingeschäfte Wenglorz/Bäuml, BB 2003, 286 (289). 766 BVerfG v. 9. 3. 2004 - 2 BvL 17/02, BVerfGE 110, 94 (98). Auch § 17 EStG wird teilweise als Fiktion des Überschreitens des Rahmens privater Vermögensverwaltung verstanden. So Schneider, in: K / S / M , EStG, § 17 Rn. A 41 (Okt. 2000). 767 Siehe oben C.n.l.b)dd)(2).
I
Einschränkung des Dualismus durch §§ 22 Nr. 2, 23 EStG
189
Nur wenn man die Überschusseinkünfte als unzusammenhängende Aufzählung, die nur grob der Quellentheorie ähnelt, diese aber nicht umsetzen soll, verstehen würde, 768 wäre im Hinblick auf die systematische Stellung unerheblich, dass § 23 EStG sich nicht mit der Quellentheorie vereinbaren lässt.
3. Kritik an der Bestimmung des § 23 EStG An § 23 EStG ist neben der Vermeidbarkeit der Erfüllung des Steuertatbestandes vor allem die Ungleichbehandlung innerhalb des Privatvermögens zu kritisieren. Auf diese Aspekte und weitere Kritikpunkte soll im Folgenden näher eingegangen werden.
a) Vermeidbarkeit
der Besteuerung nach § 23 EStG
Bei der Beurteilung von § 23 EStG ist überlegenswert, in welchem Umfang der steuerliche Tatbestand Anwendung findet. Denn bereits die Regelung des EStG 1925 mit Fristen von zwei Jahren bzw. drei Monaten wurde dahingehend kritisiert, dass ihre finanzwirtschaftliche Bedeutung aufgrund der Beschränkungen so gering sei, dass sie ebenso gut ganz hätte gestrichen werden können.769 Das heutige Steueraufkommen aus § 22 Nr. 2 i. V. m. § 23 EStG beträgt nach der Einkommensteuerstatistik 1998 731,837 Mio. € (aus 73.538 Steuerfällen). 770 Diese Zahlen beziehen sich also noch auf die früheren kürzeren Fristen von sechs Monaten bzw. zwei Jahren. Außerdem bestanden 1998 bei Wertpapieren verfassungswidrige Vollzugsdefizite. Isoliert betrachtet erscheint dieses Aufkommen zwar hoch, im Verhältnis zum Gesamtaufkommen der Einkommensteuer dagegen gering. 771 Diese Werte lassen auch erahnen, in welchem Ausmaß private Veräußerungen nicht besteuert werden. In einigen Fällen ist die Besteuerung nach § 23 EStG nicht vermeidbar. Beispielsweise tätigen die sog. Daytrader 772, die versuchen, geringe Kursschwankun768
Zur Frage eines Dualismus der Einkommenstheorien oben C.I.l.b). Blümich/Schachian, EStG 1925, S. 408; ähnlich zum preußischen EStG und dem ersten Reichseinkommensteuergesetz Strutz, EStG 1925, § 42 Anm. 3 (713). 77 0 Angaben nach Auskunft des Statistischen Bundesamtes (Steuerstatistiken). Erst ab der Einkommensteuerstatistik 2001 wird es eine getrennte Aufstellung für die einzelnen Veräußerungsgegenstände geben. 771 Vgl. zum Aufkommen in Österreich Sendlhofer, ÖStZ 1999, 534 (537) m. w. N., der die Besteuerung von Kapitalgewinnen im Privatvermögen als fiskalisch nicht besonders ergiebig bezeichnet. 772 Beim Daytrading werden die erworbenen Aktien am selben Tag wieder verkauft. Möglich ist auch, dass Daytrader bereits den Bereich des gewerblichen Wertpapierhandels (mit seinen besonderen Voraussetzungen) erreichen. 76 9
190
C. Systematische Sonderstellung des § 23 EStG
gen und Trends durch sofortige Reaktion auszunutzen, Geschäfte innerhalb der Frist. Früher waren, insbesondere in der Hochzeit des Neuen Marktes, auch bei Börsengängen Gewinnmitnahmen innerhalb kurzer Zeit üblich. Außerdem ist das Abwarten der Frist z. B. dann nicht möglich bzw. sinnvoll, wenn unsicher ist, ob die Wertsteigerung bis zum Ablauf der Frist anhält, und deswegen ein Anreiz zur Gewinnrealisierung innerhalb der Frist besteht.773 Oft kann die Steuerpflicht der Veräußerungsgewinne nach § 23 EStG allerdings vermieden werden. Geht man davon aus, dass Veräußerungsgewinne i. d. R. bei wohlhabenden Steuerpflichtigen entstehen,774 sind die Steuerpflichtigen oftmals nicht gezwungen, die Gegenstände innerhalb der Frist zu veräußern. 775 Bei Veräußerung außerhalb der Frist kann die AfA als dauerhafter Vorteil verbleiben. 776 Auch da die erwünschte Wertsteigerung - insbesondere bei Grundstücken - regelmäßig erst nach einer gewissen Zeit eintritt, wird ein längerfristiges Halten in vielen Fällen geplant sein. 777 Zur Vermeidung der Besteuerung nach § 23 EStG gibt es zudem zahlreiche Modelle. 778 Ein Missbrauch der Gestaltungsmöglichkeiten gemäß § 42 AO liegt auch dann nicht vor, wenn der Steuerpflichtige den Ablauf der Veräußerungsfrist bewusst abwartet. 779 Außerdem kann eine Besteuerung unter Umständen durch die Strategie verhindert werden, Verluste gezielt noch innerhalb der Frist zu realisieren, um Verrechnungspotential zu erhalten. 780 Wertpapiere können kurz darauf wieder zurückgekauft werden, wenn eine Kursverbesserung erwartet wird. Gewisse Grenzen ergeben sich beim Rückkauf allerdings aus dem Verbot des Gestaltungsmissbrauchs in § 42 AO. 7 8 1 Im Regelfall kann die Veräußerung innerhalb der Fristen des § 23 EStG daher vermieden werden. 782 Die Vorschrift läuft zu einem guten Teil faktisch leer. 783 773 Vgl. Fuhrmann, DStZ 2004, 841 (842). 774 Vgl. Sendlhofer, ÖStZ 1999, 534 (536), wonach Kapitalgewinne bei den Beziehern höherer Einkommen konzentriert sind. 775 Wurmsdobler, ÖStZ 2000, 113 (114, 118). Vgl. Saathoff, FR 1998, 917 (926), nach dessen Ansicht Veräußerungen innerhalb der Frist nur in Notlagen erfolgen werden. Siehe aber Tipke, StRO II, S. 731, der nur bei den kürzeren Fristen nach alter Rechtslage die Möglichkeit der Steuervermeidung als Regelfall ansah. 776 Vgl. Lüdemann/Zugmaier, DStR 1996, 1636 (1638, Fn. 25); Jakob, Einkommensteuer, § 2 Rn. 88. 777 Vgl. Saathoff, FR 1998, 917 (926). 778 Näher dazu z. B. Höhmann, NWB Fach 3,12925 ff.; Paus, GStB 2004, 218 ff. 779 Crezelius, in: K / S / M , EStG, § 23 Rn. D 4 (Jan. 1995); Kirchhof/Kube, EStG, § 23 Rn. 17; Jacobs-Soyka, in: L / B / P , EStG, § 23 Rn. 25 (Febr. 2003). 780 Messner, DB 2001, 560 (562); vgl. Paus, GStB 2004, 218 (222). 781 Zum Fall des Verkaufs und Ankaufs gleichartiger Wertpapiere am selben Tag ohne erkennbares Kursrisiko mit dem alleinigen Zweck der Erzielung eines Spekulationsverlustes FG Hamburg v. 9. 7. 2004 - VU 52/02, DStRE 2004,1334 (1335). Gegen einen Gestaltungsmissbrauch beim Rückkauf Prinz/Ommerborn, FR 2001, 977 (981).
II. Einschränkung des Dualismus durch §§ 22 Nr. 2, 23 EStG
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Deswegen greift der im Hinblick auf die Kontrolldefizite gegen § 23 EStG vorgebrachte Einwand einer „Dummensteuer" in begrenztem Umfang auch hinsichtlich der Erfüllung des Steuertatbestandes. Vor allem wohlhabende Steuerpflichtige können die Fristen vermeiden und durch Gestaltung statt steuerpflichtigen Kapitaleinkünften nicht steuerbare Veräußerungsgewinne erzielen. Einen weiteren Grund für das Leerlaufen des § 23 EStG stellten jedenfalls in der Vergangenheit die bei privaten Veräußerungsgeschäften bestehenden Vollzugsdefizite dar. 784 Auch jetzt bestehen insoweit keine Aufzeichnungspflichten. 785 Die Erzielung derartiger Einkünfte ließ sich - außer bei Grundstücken - relativ leicht verschleiern.786 Die Höhe der nicht erklärten Einkünfte ist schwer abzuschätzen. Vor allem im Bereich der Wertpapiergeschäfte wurde das Aufkommen aus privaten Veräußerungsgeschäften aufgrund des Vollzugsdefizites reduziert. Nach Schätzungen der Deutschen Steuergewerkschaft beliefen sich die jährlichen Steuerausfälle bei privaten Veräußerungsgeschäften auf etwa 1,5 Mrd. € . 7 8 7
b) Ungleichbehandlung von Veräußerungen im Privatvermögen und Nichtberücksichtigung der Leistungsfähigkeit Wie bereits dargestellt, führt § 23 EStG dazu, dass Gewinne aus der Veräußerung von Wirtschaftsgütern des Privatvermögens vor bzw. nach Ablauf der Haltedauer unterschiedlich behandelt werden, obwohl beide die gleiche Leistungsfähigkeit vermitteln. 788 Die Leistungsfähigkeit hängt nicht vom Zeitraum zwischen Anschaffung und Veräußerung ab. § 23 EStG durchbricht damit die Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit. Diese verlangt grundsätzlich eine fristunabhängige Besteuerung.789 Daher werden die Fristen zutreffend als willkürlich kritisiert. 790 Dass die Nichtbesteuerung privater Veräußerungen außerhalb des § 23 EStG als ungerecht empfunden wird, zeigt auch das Bestreben, nichtunternehmerische Einkünfte aus privater Vermögensverwaltung, insbesondere bei Grundstücksveräußerungen, als solche aus Gewerbebetrieb einzuordnen.791 782 Ebenso Jacobs-Soyka, in: L / B / P , EStG, § 23 Rn. 25 (Febr. 2003); Crezelius, in: K / S / M , EStG, § 23 Rn. A 25 (Jan. 1995, zu den kürzeren alten Fristen); Saathoff, FR 1998, 917 (926 f.), der auch nach der Fristverlängerung im Regelfall das Abwarten der Frist für möglich hält und von geringen fiskalischen Auswirkungen der Änderung ausgeht. 783 So Crezelius, in: K / S / M , EStG, § 23 Rn. A 25, A 70, D 4 (Jan. 1995, noch zu den kürzeren alten Fristen). 784 Dazu ausführlich unter D.I. 785 Siehe auch Tipke, StRO II, S. 731. 786 Crezelius, in: K / S / M , EStG, § 23 Rn. A 70 (Jan. 1995). 787 Bericht des BRH, BT-Drucks. 14/8863, S. 3,9. 788 Vgl. Gottwald, BB 1997, 2085 (2087). 789 Merkenich, Einkünfteermittlung, S. 88, 90. 790 Tipke, StRO n, S. 733.
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C. Systematische Sonderstellung des § 23 EStG
c) Weitere Einwände gegen die Regelung des § 23 EStG Zu den weiteren gegen die Besteuerung privater Veräußerungsgeschäfte nach § 23 EStG vorgebrachten Kritikpunkten gehört der Vorwurf einer unzulässigen Vermischung von Reinvermögenszugangstheorie und Quellentheorie.792 Die damit eng zusammenhängende Frage, ob eine verfassungswidrige Durchbrechung der grundsätzlichen Nichtsteuerbarkeit privater Vermögenszuwächse vorliegt, wird zwar mehrfach angesprochen, zumeist aber verneint. 793 Nach früherer Rechtslage war weiterhin zu kritisieren, dass § 23 EStG im Zusammenwirken mit den günstigen degressiven Abschreibungsregeln bei Neubauten nach § 7 V EStG ermöglichte, dass die so entstandenen stillen Reserven ohne Besteuerung vereinnahmt werden konnten. Nach § 23 III 4 EStG erhöhen inzwischen aber bei Veräußerung innerhalb der Frist die Abschreibungen den Veräußerungsgewinn. Aufgrund der Fristverlängerung in § 23 EStG durch das StEntlG haben sich zudem Unstimmigkeiten zwischen den Voraussetzungen der privaten Veräußerungsgeschäfte und der gewerblichen Handelstätigkeit ergeben. Die sog. Drei-ObjektGrenze 794 passte mit dem Fünfjahreszeitraum nur zu den kürzeren Fristen. Hinsichtlich der wirtschaftlichen Folgen der fristabhängigen Besteuerung sind zwei unerwünschte Wirkungen des § 23 EStG zu nennen. Zum einen tritt ein Lockin-Effekt 795 während der Spekulations- bzw. Veräußerungsfrist auf, da nach Ablauf der Frist keine Steuerzahlung mehr droht. 796 Betroffen von der Besteuerung sind insbesondere diejenigen, die es sich nicht leisten können, das Fristende abzuwarten. 797 Zum anderen besteht ein Anreiz, Verluste sofort zu realisieren und so die Bemessungsgrundlage zu verringern. 798 791 Dazu Crezelius, in: K / S / M , EStG, § 23 Rn. A 25, ähnlich A 70 (Jan. 1995); Lang, in: Tipke/Lang, § 9 Rz. 187; Lüdemann/Zugmaier, DStR 1996, 1636 (1638 f.), die auch die Betriebsaufspaltung als Beispiel anführen. 792 So zur Rechtslage in Österreich Sendlhofer, ÖStZ 1999, 534 (537). Kritisiert wird weiterhin, durch die Änderung der Überschrift in private Veräußerungsgeschäfte habe der Gesetzgeber die Trennung zwischen Gewinneinkünften und Überschusseinkünften weiter verwässert. Die Quellentheorie lasse sich nicht länger aufrechterhalten. So Korn / Carié, EStG, § 23 Rn. 7 (Aug. 2004). 793 Dazu Blümich/Glenk, § 23 EStG Rn. 21 (März 2005). Zur Verfassungswidrigkeit wegen unzulässiger Typisierung der Spekulation Voss, BB 1966,491 (492). 794 Dazu näher BFH v. 14. 5. 2003 - X I R 8/02, BFH/NV 2003, 1315 (1316) m. w. N.: Ein gewerblicher Grundstückshandel wird im Allgemeinen angenommen, wenn mehr als drei Objekte innerhalb von fünf Jahren veräußert werden. 795 Zum Lock-in-Effekt bei der fristunabhängigen Besteuerung von capital gains Gravelle, The Economic Effects of Taxing Capital Income, S. 125. 796 Sendlhofer, ÖStZ 1999, 534 (536). 797 Vgl. Wurmsdobler, ÖStZ 2000, 113 (114). Nach Ansicht von Doralt /Doralt/Kempf § 30 öEStG Rn. 6 (Okt. 2002), werden vor allem die sozial Schwachen besteuert. 798 Siehe auch Sendlhofer, ÖStZ 1999, 534 (536), der dies als Lock-out-Effekt bezeichnet.
I. Zusammenfassende Stellungnahme zu § 23 EStG
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m . Zusammenfassende Stellungnahme zu § 23 EStG § 23 EStG erfasst innerhalb der Frist ausnahmsweise private Veräußerungen und durchbricht damit den Dualismus der Einkunftsarten, indem er das Belastungsprinzip der Überschusseinkünfte insoweit dem der Gewinneinkünfte annähert. Denkbar wäre jedoch auch, von einer Umkehrung des Regel-Ausnahme-Verhältnisses in dem Sinne zu sprechen, dass eine grundsätzliche Steuerpflicht privater Veräußerungen mit Ausnahmen für langfristige Gewinne besteht,799 wie dies auch in anderen Staaten der Fall ist. Lediglich die Länge der Frist entscheidet damit darüber, ob man im Hinblick auf die tatsächliche Wirkung von einer grundsätzlichen Nichtsteuerbarkeit mit Ausnahme der Geschäfte innerhalb der Frist oder von einer grundsätzlichen Steuerpflicht mit Ausnahme langfristiger Gewinne sprechen muss. Da bei § 23 EStG nach geltendem Recht alle Vermögensgegenstände in die Steuerpflicht einbezogen sind, 800 kann man die gegenwärtige Rechtslage auch als Capital Gains Tax 801 mit Fristen beschreiben. Angesichts der Länge der Fristen stellt derzeit die Nichtsteuerbarkeit den Regelfall dar. Bei näherer Betrachtung des § 23 EStG drängen sich mehrere Fragen auf: Warum sind kurzfristige private Veräußerungen zu besteuern oder warum wird bei privaten Veräußerungen nach der Länge des Behaltezeitraums differenziert? Warum findet eine Durchbrechung des bei den Überschusseinkünften grundsätzlich geltenden Subprinzips der Quellentheorie statt? Die Fragen gewinnen dadurch an Brisanz, dass die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit aus Veräußerungsgeschäften unabhängig vom Haltezeitraum gleich ist.
1. Ansätze zur Rechtfertigung des § 23 EStG Die bislang diskutierten Ansätze zur Begründung des § 23 EStG vermögen nicht zu überzeugen. Der Gesetzgeber hat § 23 EStG widersprüchlich begründet und geht neben der Begründung über die vorhandene Leistungsfähigkeit auch heute noch von der Be799 Vgl. Blümich IGlenk, § 23 EStG Rn. 6 (März 2005): Die Vorschrift ziele nunmehr eher auf eine generelle Erfassung privater Veräußerungsgewinne (capital gains). Dem sei wegen der Leistungsfähigkeit und der Gleichmäßigkeit der Besteuerung auch grundsätzlich zuzustimmen. 800
Die einzige Ausnahme sind gemäß § 23 I 1 Nr. 1 S. 3 EStG Wirtschaftsgüter, die im Zeitraum zwischen Anschaffung oder Fertigstellung und Veräußerung ausschließlich zu eigenen Wohnzwecken oder im Jahr der Veräußerung und in den beiden vorangegangenen Jahren zu eigenen Wohnzwecken genutzt wurden. Der Entwurf des StVergAbG sah demgegenüber eine Ausnahme für die Gegenstände des täglichen Gebrauchs vor, BT-Drucks. 15/119, S. 5. 801 Die CGT ist in England zwar eine eigenständig geregelte Steuer, aber es wird der Steuersatz der letzten Einkommensstufe angewendet. 13 Dechant
194
C. Systematische Sonderstellung des § 23 EStG
Steuerung der Spekulation aus. Diesem Ansatz der besonderen Belastungswürdigkeit der Spekulation, der den älteren Einkommensteuergesetzen zugrunde lag, kann nicht gefolgt werden. Die Begründung, Spekulation im Sinne eines gezielten Vermögenseinsatzes zur Einkünfteerzielung zu besteuern, trägt die Regelung in § 23 EStG nicht, da z. B. auch bei Einkünften aus Vermietung und Verpachtung und bei Kapitaleinkünften ein gezielter Vermögenseinsatz zur Einkünfteerzielung erfolgt und trotzdem keine Steuerpflicht der Veräußerungen besteht. Zwar könnte man eine Fristregelung noch als geeignet zur stark typisierten Erfassung der kurzfristigen Spekulation ansehen. Die gezielte Besteuerung allein der Spekulation ist aber insbesondere wegen der Unbeachtlichkeit der Art und Weise der Einkünfteerzielung als Rechtfertigung des § 23 EStG abzulehnen. Kurzfristige Wiederveräußerungen unterscheiden sich nicht in rechtlich erheblicher Weise von langfristigen. Die Vorstellung von missbilligenswerten, mühelos auf Kosten anderer Gewinne erzielenden Spekulanten ist überholt. Spekulation ist nicht belastungswürdiger als jede andere Form der Einkünfteerzielung. Allerdings ist die Entstehung der Spekulationsbesteuerung nachvollziehbar. Betrachtet man die extremen Fälle, in denen innerhalb kurzer Zeit horrende nicht steuerbare Gewinne aus Veräußerungen erzielt werden konnten, stützt das Rechtsgefühl die Annahme einer BelastungsWürdigkeit der Spekulation. Dies zeigt jedoch lediglich, dass die Ungleichbehandlung von Betriebsvermögen und Privatvermögen insgesamt fragwürdig ist. Auch längerfristig erzielte Veräußerungsüberschüsse sind bei einer leistungsfähigkeitsorientierten Betrachtung belastungswürdig. Zudem ist die Mühelosigkeit der Spekulationseinkünfte unerheblich, da das EStG gerade nicht nach der Art der Entstehung des Einkommens differenziert, wie das Prinzip der synthetischen Einkommensteuer zeigt. Beispielsweise werden mühelos erzielte Zinsen oder mit geringem Verwaltungsaufwand erzielte Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung nicht höher besteuert als (im Regelfall) mühevolle Arbeitseinkünfte. Da die subjektiv empfundene Belastung nicht objektiviert und messbar gemacht werden kann, unterscheidet das EStG zu Recht ausschließlich nach der Höhe der Einkünfte. Die zehnjährige Frist bei Grundstücken kann ohnehin nicht mehr als Besteuerung kurzfristiger Spekulation angesehen werden. Die Veräußerung innerhalb der Fristen ist zudem nur ein sehr schwaches Indiz für eine Spekulation im Sinne einer von Anfang an geplanten Wiederveräußerung. Eine Begründung über die Leistungsfähigkeit ist bei einer Regelung, die Nichtsteuerbarkeit nach Fristablauf vorsieht, nicht möglich.802 Die Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit wäre nur ein Argument für eine generelle Besteuerung privater Veräußerungen. 802 Ebenso Doralt / Doralt/Kempf, § 30 öEStG Rn. 6 (Okt. 2002); Merkenich, Einkünfteermittlung, S. 88, 90. Zur Leistungsfähigkeit als Belastungsgrund der §§ 22 Nr. 2, 23 EStG vgl. Schmidt / Weber-Grellet, EStG, § 22 Rn. 1.
III. Zusammenfassende Stellungnahme zu § 23 EStG
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Die gängige Formulierung des BFH, der Sinn und Zweck des § 23 EStG bestehe in der Besteuerung relativ kurzfristiger Wertdurchgänge im Privatvermögen, umschreibt lediglich die Rechtsfolge des § 23 EStG, begründet aber nicht dessen Regelungsgehalt. Dass § 23 EStG die Unterschiede zwischen Betriebs- und Privatvermögen mildert, ist an sich begrüßenswert. Dies kann aber keine Begründung für die dort getroffene Regelung darstellen, da die rechtfertigungsbedürftige Ungleichbehandlung nicht aufgehoben oder gerechtfertigt wird, sondern nur ihre Intensität verringert wird. Der Annahme, dass sich Veräußerungen im Privatvermögen nicht zutreffend ermitteln und kontrollieren lassen, und dass diese deswegen auch nur begrenzt im Rahmen des § 23 EStG besteuert werden sollten, liegt ein Denkfehler zugrunde. Denn wenn sich die Besteuerung nicht sicherstellen lässt, gilt dies auch bei einer Besteuerung nur innerhalb der Fristen. Fraglich ist angesichts der Erfassungsprobleme also nur, ob private Veräußerungen überhaupt zu besteuern sind. Eine Fristregelung kann aber nichts zur Lösung der Erfassungsprobleme beitragen. Zudem bestehen Erfassungsprobleme nur in einigen Teilbereichen.803 Das BVerfG rechtfertigt neben dem Dualismus auch § 23 EStG mit dem Spielraum des Gesetzgebers bei der Erschließung von Steuerquellen. Es nennt aber keinen sachlichen Grund für eine fristgebundene Besteuerung. Zudem betrifft die Regelung in § 23 EStG nicht die Erschließung von Steuerquellen. Das Einkommen ist durch die Einkommensteuer bereits erschlossen, und sein Begriffsinhalt muss gleichheitsgerecht, insbesondere folgerichtig, ausgestaltet werden. Auch der ergänzend vom BVerfG herangezogene Begründungsansatz der Überschreitung der privaten Vermögensverwaltung, dadurch dass der Umsatz innerhalb der Frist die Nutzungsziehung überschreite und die Vermögenssubstanz verwerte, überzeugt nicht. Bei Überschreitung der Grenzen der privaten Vermögensverwaltung liegen nach der Systematik des EStG gewerbliche Einkünfte vor. Im EStG existiert keine Zwischenstufe zwischen privater Vermögensverwaltung und Gewerblichkeit. Dies ist nicht zuletzt Ausdruck des Dualismus der Einkunftsartengruppen. § 23 EStG gehört nach seiner systematischen Stellung noch zum Bereich der privaten Vermögensverwaltung. Begründet man § 23 EStG über die Überschreitung des Rahmens der privaten Vermögensverwaltung, müsste es sich um gewerbliche Einkünfte handeln. Daher ergäbe sich bei diesem Modell als Erklärung für § 23 EStG eine nicht begründbare dogmatische und systematische Fehlstellung des § 23 EStG. Ferner bestehen Bedenken dagegen, dass - während für die Gewerblichkeit von Veräußerungen hohe Anforderungen gelten - schon ein einziges Geschäft innerhalb der Frist für die Überschreitung der privaten Vermögensverwaltung genügen soll. Außerhalb der Frist stellen dagegen beliebig viele (nicht gewerbliche) Veräußerungen noch nicht steuerbare private Vermögensver803 Dazu eingehend unten D.I. 13*
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C. Systematische Sonderstellung des § 23 EStG
waltung dar. Hier ergeben sich deutliche Unstimmigkeiten der systematischen Abgrenzung. Die diesem Ansatz ähnliche Begründung des § 23 EStG mit qualifizierter Marktteilnahme in typisierter Form ist neben den Einwänden gegen das Markteinkommen als umfassender Belastungsgrund des geltenden EStG auch deswegen abzulehnen, weil das EStG insbesondere ausweislich des § 22 Nr. 3 EStG nicht nur intensive Marktnutzungen besteuert. Da die behauptete qualifizierte Marktteilnahme auf eine unternehmerische Betätigung hindeutet, hätte auch bei diesem Ansatz eine systematische Einordnung des § 23 EStG bei den Gewinneinkünften nahe gelegen. Zudem ist die Fristregelung ungeeignet als Intensitätskriterium, da einerseits nicht intensive Marktnutzungen innerhalb der Frist erfasst werden, andererseits aber intensive Veräußerungstätigkeiten außerhalb der Frist nicht. Eine generelle Besteuerung privater Veräußerungen lässt sich durch die geltende Regelung in § 23 EStG angesichts der Kürze der Fristen und der in vielen Fällen möglichen Vermeidung der Besteuerung nicht erreichen. Wollte der Gesetzgeber auf private Veräußerungen die Reinvermögenszugangstheorie anwenden, müssten diese fristunabhängig steuerlich erfasst werden. Als Kritik gegen § 23 EStG ist in systematischer Hinsicht anzuführen, dass die Vorschrift sich entgegen ihrer Stellung nicht in die grundsätzlich quellentheoretisch orientierten Überschusseinkünfte einfügt. Daneben ist die in vielen Fällen bestehende Möglichkeit der Vermeidung der Besteuerung nach § 23 EStG zu kritisieren. Aus dem Fehlen einer überzeugenden Rechtfertigung für § 23 EStG ergibt sich auch der Hauptkritikpunkt: Private Veräußerungen werden trotz gleicher Leistungsfähigkeit ungleich behandelt, je nachdem ob die Frist bei Veräußerung abgelaufen ist. In wirtschaftlicher Hinsicht sind der Anreiz zum Abwarten des Fristablaufs wegen der dann bestehenden Nichtsteuerbarkeit - obwohl möglicherweise das so gebundene Kapital anderweitig gewinnbringender eingesetzt werden könnte - und der Anreiz zur Verlustrealisierung innerhalb der Frist zu kritisieren.
2. Gesamtwürdigung des § 23 EStG Als Fazit bleibt festzuhalten: § 23 EStG zeigt, dass kein konsequenter Dualismus der Einkunftsarten besteht. Darunter leidet die Systematik des EStG und damit seine Überzeugungskraft. Sieht man den Dualismus der Einkunftsartengruppen als Systemprinzip des EStG an, so bedarf § 23 EStG als Durchbrechung des von der Quellentheorie geprägten Subsystems der Überschusseinkünfte der Rechtfertigung. Geht man hingegen von der Markteinkommenstheorie als Prinzip der Einkommensteuer aus, dann ist nicht überzeugend, dass nicht jedes Markteinkommen im Privatvermögen besteuert wird, sondern bei Veräußerungen nur das innerhalb der Fristen des § 23 EStG erzielte. § 23 EStG kann - insbesondere wegen der Erfassung einzelner Geschäfte - auch nicht als Typisierung intensiver Marktnutzung an-
III. Zusammenfassende Stellungnahme zu § 23 EStG
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gesehen werden. Auch hiernach wäre eine besondere Rechtfertigung des § 23 EStG erforderlich. Schon die Unklarheit über den gegenwärtigen Sinn und Zweck des § 23 EStG macht deutlich, wie problematisch die Norm in systematischer und verfassungsrechtlicher Hinsicht ist. Hinter allen Begründungsversuchen zu § 23 EStG stehen vor allem die Wertung, dass diese Vermögenszuflüsse als besteuerungswürdig angesehen werden, und das Bestreben, das geltende Recht nicht als verfassungswidrig erscheinen zu lassen. Es bleibt in erster Linie eine Frage der Gewichtung des gesetzgeberischen Gestaltungsspielraums, ob man ihm die Durchbrechung des Subsystems der Überschusseinkünfte zugestehen will. Für die Zulässigkeit der Durchbrechung spricht zwar, dass damit eine Verminderung der Ungleichbehandlung im Vergleich zum Betriebsvermögen erreicht wird. Damit wird jedoch zugleich die gleichheitsrechtliche Problematik des Dualismus der Einkunftsarten zugegeben. Eine tragfähige Begründung für § 23 EStG ist nicht feststellbar. Die Fristregelung erfasst nur einen zufällig anmutenden Ausschnitt privater Veräußerungen. Legt man anstelle der alten Rechtsprechung des BVerfG zu § 23 EStG mit der Begründung der Gestaltungsfreiheit bei der Auswahl des Steuergegenstandes die (strengeren) Maßstäbe an, die das Gericht für die folgerichtige Umsetzung der einmal getroffenen Belastungsentscheidung, für die Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit und für die Gleichbehandlung von Einkunftsarten aufgestellt hat, bestehen gegen das geltende Recht erhebliche verfassungsrechtliche Bedenken. Daher erscheint eine Neuregelung der Besteuerung privater Veräußerungen sowohl in systematischer als auch in verfassungsrechtlicher Hinsicht dringend erforderlich. Einer Fristregelung haftet des Weiteren immer der Makel der Willkürlichkeit an. In systematischer Hinsicht ist zu kritisieren, dass der Gesetzgeber eine allgemeine Definition des Einkommens und deren konsequente Umsetzung verweigert hat. Stattdessen hat er mit der gleichzeitigen Berücksichtigung von Reinvermögenszugangstheorie und Quellentheorie und der Mischung verschiedener Tatbestände bei den sonstigen Einkünften ein auch gleichheitsrechtlich bedenkliches Sammelsurium von Normen geschaffen. Bei einer generellen Nichtsteuerbarkeit privater Veräußerungen mit der Begründung der Verschonung des durchschnittlichen, kaum Veräußerungsgewinne erzielenden Steuerpflichtigen mit Aufzeichnungs- und Erklärungspflichten würde zwar wenigstens die Grundentscheidung für den Dualismus folgerichtig umgesetzt. Dies würde jedoch eine erhebliche, durch die Gestaltungsmöglichkeiten für vermögende Steuerpflichtige noch gesteigerte steuerliche Lastenungleichheit mit sich bringen und ist deswegen abzulehnen. Erstrebenswert im Hinblick auf die Steuergerechtigkeit ist daher, Veräußerungen von Gegenständen des Privatvermögens fristunabhängig und möglichst umfassend zu besteuern. Dabei stellen sich die Kernprobleme der Inflation, Progression und Verifikation (Vermeidung von Vollzugsdefiziten). Nach den bisherigen Unter-
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C. Systematische Sonderstellung des § 23 EStG
suchungsergebnissen sind ein Progressionsausgleich geboten und ein Inflationsausgleich wünschenswert, auch wenn dabei nicht auf eine Typisierung verzichtet werden kann. In diese Richtung einer weitgehenden Besteuerung des Privatvermögens geht auch immer wieder die Diskussion in der Steuerwissenschaft. Die Fristverlängerung und tatbestandliche Erweiterung des § 23 EStG durch das StEntlG werden oft in der Perspektive einer vollständigen Besteuerung der privaten Veräußerungen gesehen.804 Der Entwurf des StVergAbG hat diese Einschätzung trotz des Scheiterns der Umsetzung bestätigt. Dass durch die Fristverlängerung eine Verbesserung hin zu einer gleichmäßigeren Besteuerung eingetreten ist, trifft zwar zu, kann aber § 23 EStG in seiner jetzigen Form nicht rechtfertigen, sondern nur eine Übergangslösung darstellen. Legt man dagegen den Maßstab des BVerfG der weitgehenden Freiheit bei der Auswahl des Steuergegenstandes heute noch an, ist § 23 EStG auch nach der Verlängerung der Fristen und der tatbestandlichen Erweiterung verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden, da der Gesetzgeber mit der stärkeren Erfassung der in den privaten Veräußerungsgeschäften zum Ausdruck kommenden Leistungsfähigkeit eine geänderte Steuerwürdigkeitsentscheidung getroffen hat. Akzeptiert man mit BVerfG und BFH die Entscheidung des Gesetzgebers für die geltende Regelung in § 23 EStG, stellen sich einige Fragen im Hinblick darauf, wie die Grundentscheidung für eine Fristregelung bei ihrer Umsetzung konkret auszugestalten ist. Auf die damit verbundenen einzelnen Probleme soll nach einem kurzen terminologischen Exkurs, der die Konsequenzen aus den Ergebnissen der systematischen Betrachtung zieht, im Kapitel D näher eingegangen werden.
IV. Exkurs: Terminologische Vorschläge Aufgrund der bisherigen Untersuchungsergebnisse lassen sich hinsichtlich der Besteuerung privater Veräußerungsgeschäfte einige terminologische Verbesserungsvorschläge machen, die in erster Linie auf systematische Klarheit und Folgerichtigkeit abzielen und damit zugleich der Erleichterung des Verständnisses dienen. Zwar erschwert eine unscharfe Terminologie die Rechtsanwendung i. d. R. nicht erheblich.805 Zur Verdeutlichung wäre eine präzisere Terminologie jedoch wünschenswert, z. B. wie sie im Folgenden vorgeschlagen wird. § 23 III 1 EStG spricht wie der allgemeine Sprachgebrauch vom „Gewinn" und „Verlust", obwohl es sich um eine Überschusseinkunftsart i. S. d. § 2 II Nr. 2 EStG 804 Lang, in: Tipke/Lang, § 9 Rz. 595; Strahl/Fuhrmann, FR 2003, 387 (390): ,Zwischenschritt zur vollständigen Erfassung"; ähnlich M. Wendt, FR 1999, 333 (351). 805 Beispielsweise ist aber der Streit um die Anwendbarkeit der Freigrenze des § 23 I I I 6 EStG beim Verlustrücktrag auf die gesetzliche Formulierung zurückzuführen. Siehe dazu z. B. BFH v. 11. 1. 2005 - IX R 27/04, BFHE 208, 565 ff. = DStR 2005,515 ff.; Wernsmann/Dechant, FR 2004,1272 ff. m. w. N.
IV. Exkurs: Terminologische Vorschläge
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handelt.806 Dies ist zu Recht kritisiert worden. 807 Bei § 23 EStG bietet es sich wegen der gesetzessystematischen Einordnung als Überschusseinkunftsalt 808 an, von einem Veräußerungsüberschuss809 zu sprechen.810 Dabei kann es sich sowohl um einen Überschuss der Einnahmen811 über die Werbungskosten (Einnahmenüberschuss, positive Einkünfte) als auch um einen Überschuss der Werbungskosten über die Einnahmen handeln (Werbungskostenüberschuss, negative Einkünfte). 812 Bei §§ 13-18 EStG legt die systematische Stellung im Rahmen der Gewinneinkünfte dagegen nahe, vom Veräußerungsgewinn zu sprechen.813 Diese Terminologie gilt auch für Einkünfte gemäß § 17 EStG. Dabei handelt es sich zwar um Gegenstände des Privatvermögens, die Einkünfte werden aber gesetzlich als gewerblich qualifiziert und damit den Gewinneinkünften zugeordnet. Als Oberbegriff für den Veräußerungsüberschuss und den Veräußerungsgewinn ist die Bezeichnung Veräußerungsergebnis sinnvoll.814 Der Ausdruck Veräußerungserlös scheidet als Oberbegriff aus, da der Erlös das durch das Veräußerungsgeschäft Erlangte meint. Zudem könnten die steuerbaren Veräußerungsergebnisse als Veräußerungseinkünfte bezeichnet werden, um diese von den steuerlich nicht erfassten abzugren806
Diese terminologische Abweichung bestand bereits im EStG 1925. Siehe auch Strutz, EStG 1925, § 43 Anm. 2 (724). 8 07 FG Düsseldorf v. 29. 4. 2004 - 14 K 2210/03 Kg, EFG 2004, 1306: „systemwidrige Ungenauigkeit". Auch Schmidt/Heinicke, EStG, 23. Aufl., § 23 Rn. 3 kritisiert, die Bezeichnung Gewinn entspreche nicht § 2 I I EStG. 808
Zur Frage, ob diese gesetzliche Einordnung systematisch zutreffend ist, siehe oben
c.n.2. 809 Ebenso Bachem, in: Bo/Br, EStG, § 23 Rn. 21 (Aug. 2003); Lademann / Warnke, EStG, § 23 Rn. 26 (März 1998), der alternativ auch die Bezeichnung „Überschuss aus privaten Veräußerungsgeschäften" vorschlägt. Allgemein für Unterschuss und Verlust als Begriffe für die negativen Einkünfte Schmidt /Seeger, EStG, § 2 Rn. 10; Kirchhof / Kirchhof, EStG, § 2 Rn. 81; vgl. Blümich / Stuhrmann, § 2 EStG Rn. 14 (Okt. 2002). Dieser Terminologie folgend könnte man bei § 23 EStG auch vom Veräußerungsüberschuss und Veräußerungsunterschuss sprechen, je nachdem ob es sich um positive oder negative Einkünfte handelt. 810 Vgl. Zugmaier, in: H / H / R , § 2 EStG Anm. 527 (Juli 2003); Lüdemann/Zugmaier, DStR 1996, 1636 (1637); von Bornhaupt, BB 2003, 125 (126). 811 Die Einnahmen bestehen aus dem „Veräußerungspreis" (in der gesetzlichen Terminologie) bzw. aus dem „Veräußerungsentgelt" (so Jansen, in: H / H / R , § 23 EStG Anm. 8 (Nov. 2002)). s« Vgl. Zugmaier, in: H / H / R , § 2 EStG Anm. 504 (Juli 2003), zur Kritik an der Terminologie des § 2 EStG und zum Vorschlag des Begriffs Werbungskostenüberschuss für negative Einkünfte bei Überschusseinkünften. 813 Der Begriff Veräußerungsgewinn kann dann auch für Verluste verwendet werden, auch wenn der Ausdruck Veräußerungsverlust klarer wäre. 814 Gegen den Begriff Veräußerungserfolg spricht, dass dieser ein positives Ergebnis nahe legt. Diese Kritik gilt aber ebenso für den allgemein gebräuchlichen Begriff des Gewinns bei §§ 41,5 I EStG, der auch den Verlust umfasst.
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C. Systematische Sonderstellung des § 23 EStG
zen. Als Einkünfte nur zu bezeichnen, was auch einkommensteuerbar ist, 815 wird aber nicht immer durchgehalten. Die Umsatzakte können bei Überschuss- und Gewinneinkünften gleichermaßen Veräußerungsgeschäfte genannt werden. Damit sind zugleich die einer Anschaffung oder Veräußerung gleichgestellten Akte gemeint (z. B. bei § 23 I 5 EStG die Einlage ins Betriebsvermögen und die verdeckte Einlage in eine Kapitalgesellschaft). Im Hinblick auf die in § 23 I 1 EStG normierten Fristen kommen mehrere Bezeichnungen in Betracht. Der Gesetzgeber hat mit der Fristverlängerung im StEntlG die Überschrift „Spekulationsgeschäfte" durch „Private Veräußerungsgeschäfte" ersetzt. Dadurch ist die früher übliche Bezeichnung Spekulationsfrist hinfällig. Nunmehr lässt sich von einer Behaltefrist 816, Haltefrist 817, Besitzzeit818 oder vor allem von einer Veräußerungsfrist 819, wodurch begrifflich ein Bezug zur Überschrift „Private Veräußerungsgeschäfte" herstellt wird, sprechen. Nichtsdestotrotz wird stellenweise noch die alte Bezeichnung Spekulationsfrist verwendet. 820 Zur Begründung wird darauf hingewiesen, der Tatbestand solle trotz der geänderten Überschrift weiterhin gerade Spekulationsgeschäfte erfassen. Dies mache die Gesetzesbegründung zur Einbeziehung der Termingeschäfte deutlich.821 Dagegen ist einzuwenden, dass § 23 EStG in der geltenden Fassung aufgrund der zehnjährigen Frist bei Grundstücken nicht als Spekulationsbesteuerung gerechtfertigt werden kann. 822
815 So z. B. Handzik in: L / B / P , EStG, § 2 Rn. 54 (Nov. 2004). 816 So Jacobs-Soyka, in: L / B / P , EStG, § 23 Rn. 118 (Febr. 2003); Nickel, BBV 7/2004, 17 (18); Seipl/Wiese, Stbg 2004,234; Blümich/Glenk, § 23 EStG Rn. 6 (März 2005). 817 BVerfG v. 9. 3. 2004 - 2 BvL 17/02, BVerfGE 110, 94 (96). Wenger, StuW 2000, 177, verwendet den Ausdruck Mindesthaltefrist. 818 Lang, in: Tipke/Lang, § 9 Rz. 592. 819 So BFH v. 16. 12. 2003 - D i R 46/02, BFHE 204, 228 (238); EStH 2002 H 169; K i r c h h o f / / ^ , EStG, § 23 Rn. 17; Bachem, in: Bo/Br, EStG, § 23 Rn. 23 ff. (Aug. 2003). 820 So neben der neueren Bezeichnung Behaltefrist Blümich /Glenk, § 23 EStG Rn. 9 ff., 27 (März 2005); Jacobs-Soyka, in: L / B / P , EStG, § 23 Rn. 29, 118 (Febr. 2003). Schmidt/ Weber-Grellet, EStG, § 23 Rn. 3, 9,40, verwendet nebeneinander die Begriffe Veräußerungsfrist und Spekulationsfrist (wohl für Altfälle). Auch weiterhin für den Begriff Spekulationsfrist Seiler, JZ 2004,481; Mitschke, Erneuerung, Rn. 21. 821 Jacobs-Soyka, in: L / B / P , EStG, § 23 Rn. 118 (Febr. 2003). Diese Gesetzesbegründung steht aber im Widerspruch zur Änderung der Überschrift und zur Begründung der Fristverlängerung mit der Leistungsfähigkeit, s. o. 822 Siehe oben unter C.II.l.a)aa).
D. Verfassungsrechtliche und systematische Fragen bei der tatbestandlichen Ausgestaltung des § 23 EStG Neben den oben behandelten systematischen und verfassungsrechtlichen Fragen, die bereits durch die Grundstruktur einer fristabhängigen Besteuerung privater Vermögensgegenstände nach § 23 EStG aufgeworfen werden, stellen sich weitere Fragen bei der konkreten Ausgestaltung des Steuertatbestandes. Zu nennen ist zunächst die Problematik der sog. strukturellen Vollzugsdefizite, zu der sich bezüglich der Besteuerung von Wertpapierveräußerungen auf den Vorlagebeschluss des BFH hin nun auch das BVerfG geäußert hat. Des Weiteren wird untersucht, ob bereits im geltenden § 23 EStG ein Inflations- bzw. Progressionsausgleich notwendig ist. Diese drei Aspekte stellen zugleich Kernprobleme der Besteuerung von Veräußerungsgewinnen insgesamt dar (dazu unter I.—III.). Daneben stellen sich weitere, besonders aktuelle Fragen der Ausgestaltung der Besteuerung privater Veräußerungsgeschäfte. Im Hinblick auf die von § 23 EStG erfassten Wirtschaftsgüter ist zum einen erläuterungsbedürftig, warum unterschiedlich lange Fristen bestehen, und zum anderen, warum (nur) das eigengenutzte Wohneigentum von der Steuer befreit wird (dazu unter IV.). Weiterhin ist angesichts der Regelung in § 23 III 8, 9 EStG zu untersuchen, welche Gründe für die Beschränkung der Verlustverrechnung bestehen und ob diese den verfassungsrechtlichen Anforderungen genügen (dazu unter V.). Schließlich ist bei der Besteuerung gemäß § 23 EStG derzeit unklar, ob Verluste bei Wirtschaftsgütern des täglichen Gebrauchs steuerbar sind. Dies hängt eng mit der Frage nach der Erforderlichkeit einer Einkünfteerzielungsabsicht bei § 23 EStG zusammen (dazu unter VI.). Leider kann hier nicht auf alle mit § 23 EStG verbundenen Fragen eingegangen werden.1 Insbesondere ist außer den genannten Punkten Gegenstand intensiver Diskussion, ob bei der Verlängerung der Fristen durch das StEntlG 1999/2000/ 2002 wegen der Anwendung auf Veräußerungen nach dem 31. 12. 1998 gemäß § 52 XXXIX 1 EStG eine unzulässige Rückwirkung vorliegt. Dabei sind mehrere Fallgruppen nach dem Veräußerungszeitpunkt und der Haltedauer des Wirtschaftsgutes zu unterscheiden.2 Der BFH hat die geltende Regelung für verfassungswidrig 1
Unbehandelt bleibt daher beispielsweise die Frage der Anwendung der Freigrenze beim Verlustabzug. Siehe dazu Wernsmann/Dechant, FR 2004, 1272 ff.; ebenso jetzt BFH v. 11. 1. 2005 - IX R 27/04, BFHE 208, 565 ff. = DStR 2005, 515 ff.; a. A. z. B. Kirchhof/ Kube, EStG, § 23 Rn. 24; Schmidt / Weber-Grellet, EStG, § 23 Rn. 90. 2 Für die Verfassungsmäßigkeit der Fristverlängerung im Fall der Veräußerung zwischen dem Beschluss des Bundestages und der Zustimmung des Bundesrates FG Münster v. 28. 8. 2003 - 11 K 6243 /01 E, DStRE 2004, 23 ff., Az. des BFH: IX R 57 /03.
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D. Verfassungsrechtliche Fragen bei Ausgestaltung des § 23 EStG
gehalten und dem BVerfG im Wege der konkreten Normenkontrolle nach Art. 100 I GG vorgelegt.3 Auf diese Fragen nach dem Vorliegen einer Rückwirkung durch die Fristverlängerung und nach deren Zulässigkeit4 wird hier nicht weiter eingegangen, da es sich in erster Linie um allgemeine Fragen der Grenzen der Rückwirkung und des Vertrauensschutzes handelt und nicht um Spezialprobleme des § 23 EStG. Die Behandlung dieser Aspekte würde den thematischen Rahmen sprengen.
I. Strukturelle Vollzugsdefizite bei der Besteuerung privater Veräußerungsgeschäfte Im Rahmen der Besteuerung privater Veräußerungsgeschäfte zeigt sich ein allgemeines Problem des Steuerrechts - das der tatsächlichen Erfassung und Besteuerung der tatbestandsmäßigen Sachverhalte5 - in besonderer Schärfe. Dies hat zum einen mit den Eigenheiten der besteuerten Sachverhalte, zum anderen mit dem teilweise als Bankgeheimnis bezeichneten6 § 30a AO zu tun. Strutz klagte schon 1924, wegen der schlechteren Steuermoral würden die Gewinne aus den Spekulationsgeschäften, die nicht wie Grundstücksveräußerungen gerichtlich oder notariell verlautbart werden müssen, in womöglich noch größerem Umfang als bis dahin der Einkommensteuer entzogen.7 Die steuerliche Gerechtigkeit gebiete dagegen eine allgemeine, nicht bloß zufällige Erfassung. 8 Diese Problematik ist heute noch gegenwärtig.
3 BFH v. 16. 12. 2003 - IX R 46/02, BFHE 204, 228 ff., Az. des BVerfG: 2 BvL 2/04. Der BFH hielt die übergangslose Besteuerung der Grundstücksveräußerungen für verfassungswidrig, bei denen am 31. 12. 1998 die früher geltende Frist von zwei Jahren abgelaufen war. Siehe ferner den Vorlagebeschluss des FG Köln v. 25. 7. 2002 - 13 K 460/01, EFG 2002, 1236 ff., Az. des BVerfG: 2 BvL 14/02. 4 Näher dazu z. B. Bachem, in: Bo/Br, EStG, § 23 Rn. 60 f. (Aug. 2003); Birk/Kulosa, FR 1999, 433 (436 ff.); Blümich /Glenk, § 23 EStG Rn. 9 ff. (März 2005); Jansen, in: H / H / R , § 23 EStG Anm. 116, 160 (Nov. 2002); KirchhofIKube, EStG, § 23 Rn. 3; Korn/ Carié, EStG, § 23 Rn. 12 ff. (Aug. 2004); Jacobs-Soyka, in: L / B / P , EStG, § 23 Rn. 14 (Febr. 2003); Brandt, NWB Fach 3, 12845 ff.; Micker, BB 2002, 120 ff.; Offerhaus, DStZ 2000, 9 (12 ff.); Schmidt/Weber-Grellet, EStG, § 23 Rn. 3; Lang, in: Tipke/Lang, § 9 Rz. 595; Wermeckes, DStZ 1999, 479 ff. Zum Vertrauensschutz in der Rechtsprechung des BVerfG z. B. BVerfG v. 5. 2. 2002 - 2 BvR 305, 348/93, BVerfGE 105, 17 ff. (insb. 36 ff.). Zur Rückwirkungsproblematik bei der Absenkung der Beteiligungsgrenze des § 17 EStG BFH v. 1. 3. 2005 - VIH R 92/03, BFHE 209, 285 ff. = DStR 2005, 727 ff. 5 Vgl. dazu Tipke, in: FS für Offerhaus, S. 819 ff. 6 So z. B. Blümich/Glenk, § 23 EStG Rn. 16 (März 2005); Jacob/Vieten, FR 2004, 482 (483); Wenglorz/Bäuml, BB 2003, 286 (290); a. A. Tipke, in: Tipke/Kruse, § 30a AO Rn. 22 (März 2004), der nur von einzelnen Ermittlungsbeschränkungen spricht. 7 8
Strutz, Handbuch des Reichssteuerrechts, S. 171. Strutz, Handbuch des Reichssteuerrechts, S. 171.
I. Vollzugsdefizite bei der Besteuerung privater Veräußerungsgeschäfte
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Bei den Vollzugsdefiziten handelt es sich somit in erster Linie um eine Frage der Ungleichbehandlung von ehrlichen und unehrlichen Steuerpflichtigen, die die gleiche Leistungsfähigkeit aufweisen, aber praktisch nach ihrer Ehrlichkeit unterschiedlich behandelt werden. Die Besonderheit besteht darin, dass der Gesetzgeber zwar formal bzw. bezüglich der materiellen Steuerpflicht beide Gruppen durch die Steuerpflicht gleich behandelt, die Unehrlichen aber faktisch durch das Unterlassen einer effektiven Kontrolle oder teilweise sogar durch diese schützende Vorschriften begünstigt.
1. Die Grundsätze des Bundesverfassungsgerichts aus dem Zinsurteil Für die tatsächliche Erfassung und Besteuerung hat das BVerfG schon 1991 im sog. Zinsurteil9 anhand der Einkünfte aus Kapitalvermögen einige allgemeine Grundsätze aufgestellt. Diese sollen kurz dargestellt werden, bevor auf den Spezialfall der Spekulationsgeschäfte bzw. privaten Veräußerungsgeschäfte eingegangen wird. Hintergrund der Entscheidung war, dass der seit 1949 bestehende Bankenerlass10 mit seinem Kontrollverzieht dazu führte, dass nur noch wenige Steuerpflichtige ihre Zinseinnahmen erklärten und darauf Steuern zahlten. a) Sich aus dem Gleichheitssatz ergehende Anforderungen an das Steuererhebungsverfahren Nach dem Zinsurteil fordert Art. 3 I GG die rechtliche und tatsächliche Gleichbelastung durch eine Steuer.11 Die Besteuerungsgleichheit umfasse also sowohl die Gleichheit in der normativen Steuerpflicht als auch bei der Durchsetzung in der Steuererhebung.12 Das normative Umfeld des materiellen Steuergesetzes müsse daher die Belastungsgleichheit im tatsächlichen Erfolg gewährleisten13 und sei mit diesem abzustimmen.14 Im Veranlagungsverfahren sei das Deklarationsprinzip wegen der Pflicht zur Gewährleistung der Belastungsgleichheit durch das Verifikationsprinzip zu ergänzen.15 Bewirke eine dem Gesetzgeber zuzurechnende Verfahrensregel, dass der Steueranspruch weitgehend nicht durchgesetzt werden könne, 9 BVerfG v. 27. 6. 1991-2 BvR 1493 / 89, BVerfGE 84, 239 ff. 10 BMF-Schreiben v. 31. 8. 1979, IV A 7 - S 0230 - 11/79, BStBl. I 1979, 590. Dabei handelt es sich um eine neuere Fassung des bereits seit 1949 geltenden Bankenerlasses. Dieser sollte ursprünglich dazu dienen, den Sparwillen der Bevölkerung nicht zu schmälern, Tipke, in: Tipke/Kruse, § 30a AO Rn. 2 (März 2004). 11 BVerfG v. 27. 6. 1991 - 2 BvR 1493/89, BVerfGE 84, 239 (LS 1 und S. 268). 12 BVerfG, Fn. 11, BVerfGE 84, 239 (LS 1 und S. 271). Eckhoff, S. 523, bezeichnet dies als Erweiterung der Rechtsgleichheit. 13 BVerfG, Fn. 11, BVerfGE 84, 239 (LS 1 und S. 271). 14 BVerfG, Fn. 11, BVerfGE 84, 239 (272). 15 BVerfG, Fn. 11, BVerfGE 84, 239 (LS 2 und S. 273).
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D. Verfassungsrechtliche Fragen bei Ausgestaltung des § 23 EStG
führe dies zur VerfassungsWidrigkeit auch der materiellen Steuernorm.16 Alltägliche, immer wieder auftretende Vollzugsmängel genügten dagegen nicht.17 Neben gesetzlichen Regelungen des Erhebungsverfahrens seien auch Verwaltungsvorschriften dem Gesetzgeber zuzurechnen, wenn er diese bewusst und gewollt bei seiner Regelung hingenommen habe.18 Die Zurechnung setze weiter voraus, dass der Gesetzgeber - möglicherweise auch erst nachträglich - erkennen musste, dass das Erhebungsverfahren im konkreten Fall keine Gleichheit im Belastungserfolg erreichen kann.19 Damit hat das BVerfG die verfahrensrechtlichen Regelungen gewissermaßen als Annex der materiellen Steuervorschriften bzw. beides als Einheit betrachtet.20 Das Zinsurteil hat den Gesetzgeber auf diese Weise in die Pflicht genommen, für den Vollzug der Gesetze durch die Verwaltung zu sorgen.21 Eine Rechtfertigung der fehlenden Kontrolle der Besteuerung der Zinseinkünfte durch gesamtwirtschaftliche Belange wurde abgelehnt, denn Rücksicht auf den Kapitalmarkt durch eine nicht auf Durchsetzung angelegte Steuernorm sei nicht zulässig.22 Im Zinsurteil stellte sich das Problem, dass es sich bei dem die Besteuerung der Zinseinkünfte faktisch verhindernden Bankenerlass nur um eine Verwaltungsvorschrift handelte, die die gesetzlichen Befugnisse der Verwaltung nicht einschränken konnte.23 Der Bankenerlass ließ z. B. die Einzelauskunftspflicht der Kreditinstitute nach §§ 93 ff. AO unberührt. 24 Das BVerfG hat dem Gesetzgeber das Vollzugsdefizit trotzdem zugerechnet, denn dieser habe den Bankenerlass bewusst und gewollt hingenommen und beibehalten wollen. Ohne die entsprechende Praxis hätte er diesen sogar gesetzlich geregelt.25 Der Bankenerlass wurde vom BVerfG 16 BVerfG, Fn. 11, BVerfGE 84, 239 (LS 4 und S. 272). Zu strukturellen Mängeln im Sinne regelmäßig bzw. systematisch vorliegender Mängel siehe auch Eckhoff, S. 528. Vgl. zustimmend Weber-Grellet, Steuern im modernen Verfassungsstaat, S. 36: Bei den fehlenden Vorkehrungen müsse es sich um einen strukturellen, nicht mehr tolerablen Mangel handeln. 17 BVerfG, Fn. 11, BVerfGE 84, 239 (272). iß BVerfG, Fn. 11, BVerfGE 84, 239 (272). 19 BVerfG, Fn. 11, BVerfGE 84, 239 (272). Kritisch zu diesen im Urteil vom 9. 3. 2004 wiederholten Aussagen Birk, StuW 2004, 277 (280 f.). 20 Vgl. ähnlich Eckhoff, S. 523 f.; Tipke, in: FS für Offerhaus, S. 819 (829). 21 Birk, StuW 2004, 277 (278). 22 BVerfG, Fn. 11, BVerfGE 84, 239 (274); vgl. Tipke, in: Tipke/Kruse, § 30a AO Rn. 4 (März 2004): Wirtschaftslenkung durch eine Verfahrensvorschrift sei unzulässig. 23 Vgl. auch Eckhoff, S. 350: Das Gericht habe nicht die Verfassungswidrigkeit des Bankenerlasses feststellen können, denn Verwaltungsvorschriften könnten nicht Gegenstand einer Verfassungsbeschwerde sein. Vgl. schon BVerfG v. 23. 11. 1951 - 1 BvR 208/51, BVerfGE 1, 82 (84). 24 BVerfG, Fn. 11, BVerfGE 84, 239 (279). 25 BVerfG, Fn. 11, BVerfGE 84, 239 (281). Trotzdem könnte man kritisieren, dass die Büligung eines Verwaltungserlasses im Gesetzgebungsverfahren diesen noch nicht einer gesetzlichen Regelung gleichstellt. Nach der Argumentation des BVerfG wird gesetzwidriges Handeln der Verwaltung durch die Billigung des Gesetzgebers zu verfassungswidrigem Handeln
I. Vollzugsdefizite bei der Besteuerung privater Veräußerungsgeschäfte205
vor allem dahingehend beanstandet, dass mit dem Verbot von Kontrollmitteilungen in dessen Nr. 3 der Finanzverwaltung eines der wirksamsten Kontrollinstrumente genommen werde. 26 Der Bankenerlass führe zudem insbesondere durch die Nr. 1 des Erlasses zu einem Klima der Zurückhaltung, das die zuverlässige Ermittlung prinzipiell behindere.27 Als Rechtsfolge hat das BVerfG die Unvereinbarkeit der materiellen Steuernorm mit dem Grundgesetz ausgesprochen und dies mit der bis dahin nicht erkannten verfassungsrechtlichen Lage begründet. Dies ist insofern zweifelhaft, als es nicht auf ein Verschulden des Gesetzgebers ankommt.28 Die Nichtigkeitsfolge ist keine Sanktion. Die Unvereinbarerklärung hätte aber auf die Verlässlichkeit der Finanzund Haushaltsplanung und jedenfalls für das Streitjahr auch auf die Unmöglichkeit der rückwirkenden Erfassung gestützt werden können.
b) Gründe für die Lösung des Bundesverfassungsgerichts Als Grund für das zunächst überraschende „Durchschlagen" des Verfahrensrechts auf die materielle Norm ist anzusehen, dass nur so die von der Norm belasteten Beschwerdeführer die ungleiche Vollzugspraxis geltend machen konnten,29 sonst wären sie schutzlos gewesen.30 Denn die Diskrepanz zwischen Steueranspruch und Besteuerungswirklichkeit kann grundsätzlich nicht im Wege individuellen Rechtsschutzes geltend gemacht werden.31 Ebenso führt das BVerfG aus, erst durch die Rückwirkung der die ungleiche Belastung verursachenden Erhebungsregelung auf die materielle Steuernorm werde der Verstoß gegen die Belastungsgleichheit unter Berufung auf Art. 3 I GG angreifbar. 32 Diese Rückwirkung
des Gesetzgebers. Auch bei bloßem gesetzwidrigem Handeln der Verwaltung hätte man die Zinsbesteuerung für unanwendbar halten können, dazu unten D.I. 1 .c). 26 BVerfG, Fn. 11, BVerfGE 84, 239 (278). 27 BVerfG, Fn. 11, BVerfGE 84, 239 (279). 28 Vgl. zur Kritik am Kriterium eines Verschuldens des Gesetzgebers Birk, StuW 2004, 277 (280), dort allerdings bezogen auf die Zurechnung eines Vollzugsdefizits. 29 Im Ergebnis wurde den Beschwerdeführern aber nur für die Zukunft geholfen, da bis zum Ende der Übergangsfrist die Weitergeltung der verfassungswidrigen Regelungen angeordnet wurde. 30 Seiler, JZ 2004, 481 (485 f.): Denn eine abstrakte Normenkontrolle gegen das gleichheitswidrige Vollzugsrecht können sie nicht selbst anstoßen. Vgl. Eckhoff, S. 521 f.: Es handele sich um eine Notlösung, um einen nicht anders zu behebenden Missstand auszuräumen, denn ansonsten wäre die Verfassungsbeschwerde wegen fehlender Beschwerdebefugnis unzulässig gewesen. 31 Birk, StuW 2004, 277 (278); vgl. auch Eckhoff, S. 555 ff. Die Vorinstanz (FG BadenWürttemberg) hatte dementsprechend festgestellt, dass der Besteuerungsanspruch trotz der zu unerträglicher Belastungsungleichheit führenden Verwaltungspraxis bestehen bleibe, FG Baden-Württemberg v. 5. 6. 1 9 8 6 - f f l K 325/83, EFG 1986, 451. Für eine Rechtsverletzung bei gleichheitswidriger Privilegierung anderer jedoch Tipke, StRO III, S. 1395 ff.
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D. Verfassungsrechtliche Fragen bei Ausgestaltung des § 23 EStG
des Vollzugsdefizits auf das materielle Recht wurde teilweise als „Notlösung"33 oder „Kunstgriff 434 bezeichnet. Das Zinsurteil bewirkte damit in erster Linie eine Erweiterung des Rechtsschutzes des Steuerpflichtigen. 35 Der Grund für die Notwendigkeit dieser Rechtsfolge der Verfassungswidrigkeit der materiellen Norm wird zum Teil darin gesehen, dass in diesen Fällen die Rechtsstaatsidee den Schutz des Bürgers fordere. 36 Zudem musste dem Gleichheitssatz, der die rechtliche und tatsächliche Steuergleichheit verlangt, auch eine prozessuale Durchsetzungsmöglichkeit zur Seite gestellt werden, damit es sich nicht um ein stumpfes Schwert handelt. Letztlich stellt das Urteil mittelbar eine richterliche Rechtsfortbildung des Prozessrechts im Gewand des materiellen Rechts dar, denn der Rechtsschutz wurde auf einen (schwerwiegenden) Fall des NichtVollzugs einer Norm anderen gegenüber erweitert.
c) Exkurs: Systematischer NichtVollzug einer Steuernorm durch die Verwaltung Ohne die Feststellung des BVerfG, dass die Verwaltungszurückhaltung dem Gesetzgeber zugerechnet werden könne, hätte es sich um ein Problem des tatsächlichen NichtVollzuges einer (Steuer-)Norm durch die Verwaltung gehandelt.37 Dies wäre zwar ein strukturelles Vollzugsdefizit gewesen, da es das gesamte Verfahren kennzeichnete, aber kein normatives Defizit, denn Ursache war der Bankenerlass, also ein BMF-Schreiben bzw. eine Verwaltungsvorschrift. Zu den Auswirkungen des systematischen NichtVollzugs einer Steuernorm durch die Verwaltung (tatsächliche Verwaltungsdefizite) im Gegensatz zur gesetzgeberischen Behinderung (normativ bedingte Vollzugsdefizite) ist also im Urteil nichts gesagt worden. Zwar handelt es sich dabei „nur" um ein gesetzwidriges Handeln der Verwaltung. Daher kann die Rechtsfolge nicht die Verfassungswidrigkeit der materiellen Norm sein. Damit aber die wenigen, denen gegenüber die Norm ausnahmsweise angewendet wird, nicht willkürlich benachteiligt werden, sollte in solchen Fällen aufgrund des Gleichheitssatzes und des Rechtsstaatsprinzips die Nichtanwendbarkeit der an sich zulässigen Norm als Rechtsfolge eintreten, solange der systematische Nichtvollzug 32 BVerfG, Fn. 11, BVerfGE 84, 239 (272 f., 284). Dabei gehe es nicht um eine Gleichstellung im Unrecht. 33 Eckhoff, S. 520 ff. 34 Seiler, JZ 2004,481 (484). 35 Seiler, JZ 2004, 481 (484). Die Voraussetzung der Zurechenbarkeit des Vollzugsdefizits sei das Korrektiv dieses weitreichenden Ansatzes. 36 Seiler, JZ 2004, 481 (485); vgl. auch Birk, StuW 2004, 277 (278): Das Fehlen einer Rechtsschutzmöglichkeit für den Steuerehrlichen sei nicht hinnehmbar. 37 Vgl. Eckhoff, S. 528, nach dessen Ansicht eine Pflicht des Gesetzgebers besteht, dem Gesetz widersprechende Verfahrensregelungen der Verwaltung zu beseitigen. Faktisches Verwaltungshandeln werde dem Gesetzgeber aber nicht zugerechnet, S. 525.
I. Vollzugsdefizite bei der Besteuerung privater Veräußerungsgeschäfte207
besteht.38 Wegen des Grundsatzes „keine Gleichheit im Unrecht" (vgl. Art. 20 III GG) kann das aber allenfalls in absoluten Ausnahmefällen gelten. Dieser Ansatz würde den wenigen Betroffenen zumindest eine Rechtsschutzmöglichkeit eröffnen. 39
2. Strukturelles Vollzugsdefizit bei Wertpapieren Vollzugsdefizite sind wegen der Forderung nach Gleichheit im tatsächlichen Belastungserfolg sowohl ein allgemeines Problem des Steuerrechtes40 insgesamt als auch ein spezielles Problem der Besteuerung privater Veräußerungsgeschäfte. In erster Linie betrifft die Frage des strukturellen Vollzugsdefizits dabei die Wertpapiere. Darauf beziehen sich die meisten Stellungnahmen in Rechtsprechung und Literatur. Das Problem tritt aber auch bei anderen Wirtschaftsgütern auf, bei denen Besonderheiten bestehen. Daher sollen zunächst die Wertpapiere 41 und anschließend die Übertragbarkeit der Ergebnisse auf die übrigen Wirtschaftsgüter untersucht werden. Zwar handelt es sich vor allem um ein Problem der Ungleichbehandlung zwischen ehrlichen und unehrlichen Steuerpflichtigen, die Wertpapiere veräußert haben. Das strukturelle Vollzugsdefizit ist aber auch ein Problem der Ungleichbehandlung der Veräußerung von Wertpapieren und anderen Wirtschaftsgütern im Bereich des Privatvermögens. Wenn der Gesetzgeber alle Wirtschaftsgüter besteuert, darf er die Kontrollmaßnahmen nicht auf Teilgruppen beschränken, sondern muss eine effektive, vollständige Besteuerung für alle Wirtschaftsgüter gewährleisten. Die verstärkte Diskussion über Vollzugsdefizite im Bereich der Besteuerung von Wertpapieren geht auf den Vorlagebeschluss des BFH zurück. 42 Er machte geltend, entsprechend dem Zinsurteil des BVerfG müsse hier die tatsächliche Besteuerung nach dem sog. Verifikationsprinzip sichergestellt werden. Zuvor hatte z. B. auch der Bundesrechnungshof die Ansicht vertreten, es bestehe ein struktureller Mangel des Besteuerungsverfahrens bei privaten Veräußerungsgeschäften. 43 Das FG Schleswig-Holstein als Vorinstanz hatte dagegen die Ursachen für die Vollzugspro38 Vgl. Birk, StuW 2004, 277 (282), der bei strukturellen Vollzugsdefiziten als richtige Rechtsfolge die temporäre Unanwendbarkeit der Norm ansieht. 39 Vgl. Birk, StuW 2004, 277 (278). 40 Daneben stellt sich die Frage der Anwendbarkeit der vom BVerfG entwickelten Grundsätze in anderen Rechtsgebieten, vgl. dazu z. B. Seiler, JZ 2004, 481 (484 f.); Selmer, JuS 2004, 719 (721). 41 Zum Sonderfall des § 54 EStDV, der z. B. auch auf Aktien Anwendung finden kann, siehe unten D.I.3.c). 42 BFH v. 16. 7. 2002 - IX R 62/99, BFHE 199,451 ff. 4
3 Bericht des BRH, BT-Drucks. 14/8863, S. 3, 11.
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D. Verfassungsrechtliche Fragen bei Ausgestaltung des § 23 EStG
bleme in der angespannten Personallage und im sog. maßvollen Gesetzesvollzug gesehen und die Regelung für verfassungsmäßig gehalten.44 Das BVerfG hat am 9. März 2004 auf die Vorlage des BFH hin die Vorschrift des § 23 11 Nr. 1 b) EStG a. F. im Hinblick auf Wertpapiere für die Veranlagungszeiträume 1997 und 1998 für verfassungswidrig und nichtig erklärt. 45 Damit hat es die Grundsätze des Zinsurteils bestätigt und die Dogmatik der Zurechnung von Vollzugsdefiziten zum materiellen Gesetz gefestigt. 46 Auch im Hinblick auf § 30a AO weist die Entscheidung zu § 23 EStG deutliche Parallelen zum Zinsurteil auf. Kritisiert wurde das BVerfG insoweit, als es die Kriterien für die Zurechnung von Vollzugsdefiziten nicht weiter verdeutlicht hat. 47
a) Diskussion in der Literatur Auch in der Literatur war vielfach kritisiert worden, bei den privaten Veräußerungsgeschäften bestehe bezüglich der Wertpapiere ein verfassungswidriges Vollzugsdefizit. 48 Den Finanzbehörden stehe kein Ermittlungsinstrumentarium zur Verfügung, um eine gleichmäßige und vollständige Steuerfestsetzung zu gewährleisten. 49 Die Erhebungsregelung wirke sich gegenüber dem Besteuerungstatbestand in einer Weise strukturell gegenläufig aus, dass die Durchsetzung des Besteuerungstatbestandes weitgehend fehlschlage; das Steuererhebungsdefizit werde anders als bei Kapitaleinkünften nicht durch eine Abschlagsteuer gemildert.50 § 30a AO verhindere die Ermittlungen durch die Finanzämter im Hinblick auf Spekulationsgewinne.51 Eine verfassungskonforme Auslegung des § 30a AO, wie durch den VIII. Senat des BFH vorgenommen, sei abzulehnen, denn ohne Beschränkung der Kontrollmitteilungen sei § 30a AO ohne Sinn.52 Teilweise wurde in Anlehnung an die Formulierung im Zinsurteil formuliert, die Besteuerung privater Veräußerungsgeschäfte erscheine als Spende, da sie allein auf der Erklärungsbereitschaft des Steuerpflichtigen beruhe.53
44 FG Schleswig-Holstein v. 23. 9. 1999 - V 7/99, EFG 2000, 178 (180). Ohne Begründung zustimmend Korn/Carié, EStG, § 23 Rn. 16 (Juni 2001, a. F.). 45 BVerfG v. 9. 3. 2004 - 2 BvL 17/02, BVerfGE 110, 94 (95). 46 Seiler, JZ 2004, 481 (484). 47 Seiler, JZ 2004, 481 (484); a. A. wohl Birk, StuW 2004, 277 (278). 48 Z. B. Blümich/Glenk, § 23 EStG Rn. 10 (Febr. 2000, a. F.); Tipke, in: FS für Offerhaus, S. 819 (830 f.); Balmes, FR 2000, 1069 (1073); Crezelius, in: K / S / M , EStG, § 23 Rn. A 70 (Jan. 1995). A. A. Schmidt/Heinicke, EStG, 21. Aufl., § 23 Rn. 2; Lademann / Warnke, EStG, § 23 Rn. 34 (März 1998). 49 Blümich /Glenk, § 23 EStG Rn. 10 (Febr. 2000, a. F.). 50 Blümich /Glenk, § 23 EStG Rn. 10 (Febr. 2000, a. F.). 51 Balmes, FR 2000, 1069 (1072); Tipke, in: Tipke/Kruse, § 30a AO Rn. 1 (März 2004). 52 So schon BFH v. 28. 10. 1997 - V I I B 40/97, DStRE 1998, 241 (245 f.); Balmes, FR 2000,1069 (1072).
I. Vollzugsdefizite bei der Besteuerung privater Veräußerungsgeschäfte209
Uneinigkeit bestand und besteht dagegen bei der Frage, wie das Vollzugsdefizit zu beseitigen ist. Die Diskussion um Kontrollmitteilungen, Quellen- und Abgeltungssteuer und weitere Ansätze hält an. 54
b) Der Vorlagebeschluss des Bundesfinanzhofs
vom 16. Juli 2002
Der Argumentation des BFH hat sich das BVerfG im Wesentlichen angeschlossen. Daher soll hier nur eine kurze Darstellung der Eckpunkte des Vorlagebeschlusses erfolgen. Das dem Verfahren beigetretene Bundesministerium der Finanzen berief sich darauf, es gebe keinen strukturellen Vollzugsmangel. Es bestehe die Möglichkeit von Außenprüfungen beim Steuerpflichtigen. Ferner sei eine restriktive Auslegung des § 30a AO erfolgt und damit die Fertigung von Kontrollmitteilungen im Rahmen von Außenprüfungen bei Banken möglich.55 Der BFH ging wie das BVerfG im Zinsurteil von dem Ausgangspunkt aus, Steuergesetze müssten wegen Art. 3 I GG zu einer rechtlich und tatsächlich gleichen Belastung führen. 56 Wirke sich eine Erhebungsregel gegenüber einem Besteuerungstatbestand in der Weise gegenläufig aus, dass der Besteuerungsanspruch weitgehend nicht durchgesetzt werden könne, und sei dieses Ergebnis dem Gesetzgeber zuzurechnen, führe die dadurch bewirkte Gleichheitswidrigkeit zur Verfassungswidrigkeit auch der materiellen Norm. 57 Bei fehlendem Quellenabzug müsse der Gesetzgeber die Steuerehrlichkeit des Einzelnen durch Kontrollmöglichkeiten abstützen.58 Bei § 23 I 1 Nr. 1 b) EStG (a. F.) fehle aber ein ausreichendes Instrumentarium zur Überprüfung der Angaben.59 Es sei eine umfassende, vorausset53 Balmes, FR 2000, 1069 (1070, 1073); vgl. zur Zinsbesteuerung Tipke, BB 1998, 241 (242). 54 Vgl. z. B. Lang, in: Tipke/Lang, § 9 Rz. 595. Lang meint, man könne dem Vollzugsdefizit nur durch die Einbeziehung von Aktienfonds in die nachgelagerte Besteuerung effizient entgegenwirken. Vgl. auch den Bericht des BRH, BT-Drucks. 14/8863, S. 3, der für eine Abzugssteuer oder ein Kontrollmitteilungsverfahren eintritt. Die Arbeitsgruppe „Steuerausfälle" des Landesfinanzministeriums Nordrhein-Westfalen, StB 1994, 399 (404), hat schon 1994 die Aufhebung des Bankgeheimnisses und die Einführung einer Vorlagepflicht für private Kontounterlagen befürwortet. 55 Vgl. BFH v. 16. 7. 2002 - IX R 62/99, BFHE 199, 451 (454). Durch das StEntlG seien ab dem Veranlagungszeitraum 1999 Mitteilungen über freigestellte Kapitalerträge auch verwendbar, um nach Anhaltspunkten für Einkünfte nach § 23 EStG zu suchen. Dann könne eine Anfrage beim Bundesamt für Finanzen (BfF) nach den Kreditinstituten des Steuerpflichtigen und bei diesen dann gemäß § 93 AO nach An- und Verkäufen erfolgen. 56 BFH v. 16. 7. 2002 2 BvR 1493/89, BVerfGE 57 BFH, Fn. 56, BFHE BVerfGE 84, 239 (272). 58 BFH, Fn. 56, BFHE BVerfGE 84, 239 (273). 14 Dechant
DC R 62/99, BFHE 199, 451 (461). Vgl. BVerfG v. 27. 6. 1991 84, 239 (LS 1 und S. 268, 271). 199, 451 (461 f.). Vgl. BVerfG v. 27. 6. 1991 - 2 BvR 1493/89, 199, 451 (462). Vgl. BVerfG v. 27. 6. 1991 - 2 BvR 1493/89,
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D. Verfassungsrechtliche Fragen bei Ausgestaltung des § 23 EStG
zungslose Prüfungsbefugnis erforderlich. 60 Bei Wertpapierveräußerungen stünden aber insbesondere weder Kontrollmitteilungen nach der Mitteilungsverordnung noch aufgrund einer Anzeigepflicht der Notare wie nach § 54 EStDV oder § 18 GrEStG zur Verfügung. 61 Die Sachverhaltsaufklärung durch Banken als andere Personen i. S. v. § 93 I 3 AO werde durch § 30a AO weitgehend eingeschränkt:62 Abs. 2 verbiete es, Mitteilungen über Konten zu verlangen. Abs. 3 schränke die Möglichkeit der Überprüfung der Steuerpflichtigen anhand des anlässlich von Außenprüfungen bei Kreditinstituten erlangten Kontrollmaterials ein. Dadurch bestehe nur ein geringes Risiko, bei einer Steuerverkürzung entdeckt zu werden.63 Nach dem vorlegenden Di. Senat enthält § 30a III 2 AO eine weitgehende Einschränkung der Kontrollmitteilungsbefugnis. Jedenfalls seien nach übereinstimmender Rechtsprechungsansicht Kontrollmitteilungen nicht ins Blaue hinein zulässig.64 Deswegen sei bei § 23 11 Nr. 1 b) EStG (a. F.) im Bankenbereich keine allgemeine Steuerüberwachung möglich.65 Schließlich könne das bestehende Vollzugsdefizit dem Gesetzgeber auch zugerechnet werden. Denn die Ursache des ungleichen Belastungserfolgs liege in den gesetzlichen Regelungen des Erhebungsverfahrens. Aufgrund des Zinsurteils und der Beibehaltung des in die AO übernommenen Bankenerlasses habe sich die Erkenntnis eines ungleichen Belastungserfolgs dem Gesetzgeber zudem aufdrängen müssen.66 Der tatsächliche Nichtvollzug der materiellen Steuernorm verdeutliche 59 BFH, Fn. 56, BFHE 199, 451 (463). 60 BFH, Fn. 56, BFHE 199, 451 (465). Vgl. Hey, DB 2004, 724 (725): Es sei eine allgemeine Steuerüberwachung erforderlich, da es sich bei Spekulationsgewinnen (und Zinseinkünften) um ein Massenphänomen handele, das bei praktisch jedem Steuerpflichtigen überprüft werden müsse. M. E. würde es dagegen genügen, wenn verdachtsunabhängige Stichproben möglich wären, da eine effektive Verifikation im Gesamtverfahren auch dadurch gewährleistet werden kann, dass potentiell jeder Steuerpflichtige kontrolliert wird. Eine Kontrolle jedes einzelnen Falles ist nicht erforderlich und vom Verwaltungsaufwand her auch schwer durchzuführen. Vgl. im Ergebnis ebenso Eckhoff, S. 536, 511, der wegen der Wesentlichkeit der Kontrolle für die Gleichmäßigkeit des Steuerzugriffs die Verankerung des Stichprobenprinzips im Steuerrecht verlangt. Vgl. dazu femer BVerfG v. 9. 3. 2004 - 2 BvL 17/02, BVerfGE 110, 94 (115), wonach ein gleichheitsgerechter Vollzug der Steuernorm im Massenverfahren ohne übermäßigen Ermittlungsaufwand möglich sein muss. 61 BFH v. 16. 7. 2002 - IX R 62/99, BFHE 199,451 (463 f.). 62 BFH, Fn. 61, BFHE 199, 451 (466). 63 BFH, Fn. 61, BFHE 199, 451 (467). 64 BFH, Fn. 61, BFHE 199,451 (467 ff.). Im Einzelnen sei die Reichweite von § 30a IE AO allerdings streitig. Nach der verfassungskonformen Auslegung des VIII. Senats sei nur keine voraussetzungslose Prüfung möglich. Nach der abweichenden Ansicht des VII. Senats bestehe eine bewusste Einschränkung der Prüfungsbefugnisse gemäß § 194 III AO, bei Geltung des § 30a AO müsse ein Kernbestand des Bankgeheimnisses gewahrt bleiben. 65 BFH v. 16. 7. 2002 - DC R 62/99, BFHE 199, 451 (469). Auch Steuerfahndungsmaßnahmen seien erst bei Vorliegen eines Anfangsverdachts oder bei hinreichendem Anlass und nicht ins Blaue hinein möglich, BFH, a. a. O.; siehe auch BFH v. 28. 10. 1997 - V I I B 40/97, DStRE 1998, 241 (243); BFH v. 21. 3. 2002 - V I I B 152/01, BFHE 198,42 (48). 66 BFH v. 16. 7. 2002 - IX R 62/99, BFHE 199,451 (473).
I. Vollzugsdefizite bei der Besteuerung privater Veräußerungsgeschäfte
211
außerdem die Ungleichheit der Belastung. In der Regel erfolge keine Prüfung der Angaben des Steuerpflichtigen oder Nachfrage durch die Finanzämter.67
c) Die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts
vom 9. März 2004
Das BVerfG hat sich in seiner Entscheidung vor allem mit der Beurteilung der Jahre 1997 und 1998 befasst. Zu den Folgejahren hat es sich nur sehr knapp geäußert und zu den vorangegangenen Jahren überhaupt nicht. Diese Dreiteilung soll auch in der Darstellung berücksichtigt werden. Zudem ist wegen des neu eingeführten § 24c EStG und weiterer Änderungen auf die Rechtslage ab 2004 gesondert einzugehen.
aa) Beurteilung der von der Entscheidung erfassten Jahre 1997 und 1998 Das BVerfG hat am 9. März 2004 die Vorschrift des § 23 I 1 Nr. 1 b) EStG a. F. im Hinblick auf Wertpapiere 68 für die Veranlagungszeiträume 1997 und 1998 für verfassungswidrig und nichtig erklärt. 69 In der Nichtigkeitsfolge liegt der Hauptunterschied zum Zinsurteil, in dem die Verfassungswidrigkeit für eine Übergangszeit hingenommen wurde. 70 Im Wesentlichen wurden durch das Urteil die Grundsätze des Zinsurteils bestätigt. Das Urteil wird aber in mancher Hinsicht auch als Fortentwicklung des Urteils von 1991 angesehen.71 Dem Urteil ist neben der bereichsspezifischen Bedeutung für das Steuerrecht auch allgemeine Bedeutung beizumessen.72 Nur vereinzelt wird vertreten, die praktischen Auswirkungen der Entscheidung seien gering. 73
67 BFH, Fn. 66, BFHE 199,451 (473 f.). Bericht des BRH, BT-Drucks. 14/8863, S. 3, 7 f. 68 Obwohl der Vorlagebeschluss des BFH sich nicht ausdrücklich auf die Wertpapiere beschränkte, stellte das BVerfG die Nichtigkeit der Besteuerung nur fest, soweit Wertpapiere betroffen sind. Siehe auch Harenberg, NWB Fach 3, 12869. 69 BVerfG v. 9. 3. 2004 - 2 BvL 17/02, BVerfGE 110, 94 (95). 70 Ebenso Harenberg, NWB Fach 3, 12869. 71 Selmer, JuS 2004, 719; ähnlich Hey, DB 2004, 724. Vgl. auch Birk, StuW 2004, 277 (278), der von einer Präzisierung der Voraussetzungen der Verantwortlichkeit des Gesetzgebers durch Fallgruppenbildung spricht. 72 Dazu z. B. Seiler, JZ 2004,481 (484 f.); Selmer, JuS 2004, 719 (721). 73 So Harenberg, KFR F. 3 EStG § 23, 2/04, S. 181 (183), wegen der Begrenzung auf die Jahre 1997 und 1998 und auf Wertpapiergeschäfte. 14*
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D. Verfassungsrechtliche Fragen bei Ausgestaltung des § 23 EStG
(1) Kernaussagen des Urteils (a) Allgemeine Grundsätze Das BVerfG hat - wie schon im Zinsurteil - betont, dass Vollzugsmängel, wie sie immer wieder vorkommen können und sich tatsächlich ereignen, allein noch nicht zur Verfassungswidrigkeit der materiellen Steuernorm führen. 74 Verfassungsrechtlich verboten sei der Widerspruch zwischen der materiellen Steuernorm und der auf Nichtvollzug angelegten Erhebungsregel.75 Nicht die empirische Ineffizienz von Rechtsnormen, sondern erst das widersprüchlich auf Ineffektivität angelegte Recht76 führe zum Verstoß gegen den Gleichheitssatz.77 Der Gesetzgeber müsse ein normatives Umfeld schaffen, das die tatsächliche Lastengleichheit der Steuerpflichtigen gewährleiste, entweder durch Quellenabzug oder im Veranlagungsverfahren durch die Ergänzung des Deklarationsprinzips durch das Verifikationsprinzip.78 Da eine Gewährleistung verlangt wird, wird nicht nur das Unterlassen von Behinderungen, sondern auch ein gesetzgeberisches Tätigwerden zur Absicherung gefordert. 79 Auch ein Unterlassen des Gesetzgebers kann also verfassungswidrig sein. Dies ergab sich auch schon aus dem Zinsurteil, wird hier aber stärker herausgestellt. Eine Quellensteuer sei dann erforderlich, wenn die Mitwirkungspflichten des Steuerpflichtigen übermäßig würden.80 Dies wird aber nicht konkretisiert. Wie im Zinsurteil betont das BVerfG, das Steuergeheimnis stelle den verfassungsrechtlich erforderlichen Ausgleich für die Offenbarungspflichten der Steuerpflichtigen dar. 81 Vollzugsdefizite seien dem Gesetzgeber bei Fehlen wirksamer Kontrollregelungen oder Bestehen gegenläufiger Verfahrensregelungen zuzurechnen, sofern sich ihm die Erkenntnis der Ungeeignetheit zur Gewährleistung eines gleichmäßigen Belastungserfolgs aufdrängen musste.82 74 BVerfG v. 9. 3. 2004 - 2 BvL 17/02, BVerfGE 110, 94 (113); BVerfG v. 27. 6. 1991 2 BvR 1493/89, BVerfGE 84,239 (272). 75 BVerfG, Fn. 74, BVerfGE 110, 94 (LS 2 und S. 113). 76 Vereinzelt wird in dieser Aussage eine Beweislastumkehr in der Weise gesehen, dass bei auf Ineffektivität angelegten Normen das Vollzugsdefizit vermutet werde. So Salditt, PStR 2004,74. Dafür bietet das BVerfG aber keinen Anlass. 77 BVerfG, Fn. 74, BVerfGE 110, 94 (LS 2 und S. 113 m. w. N.). Das BVerfG weicht hier wohl vom üblichen Sprachgebrauch ab, wonach „Effizienz" im Sinne von Wirtschaftlichkeit verwendet wird. Vgl. dazu Wernsmann, Verhaltenslenkung, S. 8 m. w. N. 78 BVerfG, Fn. 74, BVerfGE 110, 94 (113). 79 Vgl. Birk, StuW 2004, 277 (280): Der Verwaltung müsse das notwendige Instrumentarium zur Durchsetzung des Steueranspruchs zur Verfügung gestellt werden. 80 BVerfG, Fn. 74, BVerfGE 110, 94 (113 f.). 81 BVerfG, Fn. 74, BVerfGE 110, 94 (113). 82 Diese Voraussetzung wird zwar erst im Hinblick auf die privaten Veräußerungsgeschäfte ausdrücklich genannt, sie soll aber wohl wie schon im Zinsurteil eine allgemeine Voraussetzung darstellen, BVerfG, Fn. 74, BVerfGE 110, 94 (136). Kritisch Birk, StuW 2004, 277 (280): Darauf, ob ein Verschulden des Gesetzgebers vorliege, komme es nicht an, denn die Feststellung der Verfassungswidrigkeit sei keine Sanktion gegen den Gesetzgeber. Die Verfassungswidrigkeit entstehe allein durch die Kollision mit höherrangigem Recht.
I. Vollzugsdefizite bei der Besteuerung privater Veräußerungsgeschäfte213
Kurz gesagt führen also dem Gesetzgeber zuzurechnende strukturelle Vollzugsdefizite zur Verfassungswidrigkeit der materiellen Steuernorm.83 (b) Besonderheiten der privaten Veräußerungsgeschäfte Im Hinblick auf die privaten Veräußerungsgeschäfte hat das BVerfG das Zusammenspiel ermittlungsbeschränkender und fehlender ermittlungsfördernder Normen als verfassungswidrige Gesetzeslage eingestuft, die zu gravierenden tatsächlichen Erhebungsmängeln führe. 84 Dabei nannte das BVerfG vor allem fehlende Regelungen für die Sammlung und Aufbewahrung von Unterlagen durch die Steuerpflichtigen85, fehlende Berichtspflichten der Kreditinstitute und die Unzulänglichkeit von Sammelauskunftsersuchen 86 und Kontrollmitteilungen.87 Zudem habe der Gesetzgeber trotz seiner Nachbesserungspflicht an der Nachfolgeregelung des Bankenerlasses in § 30a AO festgehalten, die Erhebungsform nicht geändert und keine wirksamen Kontrollinstrumente geschaffen. 88 Das BVerfG moniert auch, dass die uneinheitliche Rechtsprechung des BFH zu § 30a AO für Rechtsunsicherheit gesorgt habe.89 Mit dem Verbot von Kontrollmitteilungen werde der Finanz Verwaltung eines der wirksamsten Mittel zur Sachverhaltsaufklärung genommen.90 Kontrollmitteilungen seien jedenfalls ohne begründeten Anlass unzulässig.91 Nach einer Darstellung der Kontrollmöglichkeiten bei den anderen Einkünften stellt das BVerfG fest, im Vergleich dazu lade die Erhebung bei Spekulationseinkünften zu rechtswidrigem Handeln geradezu ein. 92 Dem Gesetzgeber seien die Vollzugsdefizite auch zuzurechnen, die durch fehlende kontrollfördernde Vorschriften und er83 Birk, StuW 2004, 277 (278). 84 BVerfG, Fn. 74, BVerfGE 110, 94 (119). 85 Zum Fehlen einer Pflicht zur Aufbewahrung und Vorlage von diesbezüglichen Unterlagen vgl. schon BFH v. 16. 7. 2002 - IX R 62/99, BFHE 199,451 (465). 86 Zur Zulässigkeit von Sammelauskunftsersuchen z. B. BFH v. 21. 3. 2002 - V I I B 152/01, BFHE 198, 42 ff.; FG Münster v. 25. 6. 2004 - 11 K 6956/02 AO (rkr.), DStRE 2004, 1137 ff.; Messner, DB 2001, 560 ff.; Teubner/Wattenberg, BB 2003, 444 ff.; von Wedelstädt, DB 2004, 948 ff. Auskunftsersuchen sind jedenfalls für die Jahre 1997 und 1998 wegen der Nichtigkeit der Wertpapierbesteuerung unzulässig. Vgl. BFH v. 21.10.2003 V n B 85/03, BStBl. I I 2004, 36 (38). Zur Beschränkung von Sammelauskunftsersuchen bei § 208 I Nr. 3 AO durch § 30a I I AO auch bei hinreichendem Anlass vgl. Tipke, in: Tipke/Kruse, § 30a AO Rn. 11. 87 BVerfG, Fn. 74, BVerfGE 110, 94 (119). 88 BVerfG, Fn. 74, BVerfGE 110, 94 (137). Vgl. Selmer, JuS 2004, 719 (720). 89 BVerfG, Fn. 74, BVerfGE 110, 94 (126). Siehe auch Selmer, JuS 2004, 719 (720): Die Rechtsprechung des BFH habe nichts Entscheidendes zur Vermeidung des Vollzugsdefizits beigetragen. Kritisch dazu, dass das BVerfG den Streit zwischen den BFH-Senaten offen gelassen hat, Hey, DB 2004, 724 (725). 90 BVerfG, Fn. 74, BVerfGE 110, 94 (132); ebenso Tipke, in: Tipke/Kruse, § 30a AO Rn. 20 (März 2004). 91 BVerfG, Fn. 74, BVerfGE 110, 94 (126). 92 BVerfG, Fn. 74, BVerfGE 110, 94 (132 ff.).
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D. Verfassungsrechtliche Fragen bei Ausgestaltung des § 23 EStG
mittlungsbeschränkende Regelungen entstanden seien. Ihm habe sich die Erkenntnis aufdrängen müssen, dass die Gleichheit im Belastungserfolg prinzipiell nicht erreicht werde.93 Dabei wird insbesondere auf das Zinsurteil und die Erkenntnisse der Arbeitsgruppe Steuerausfälle verwiesen.94 Im Ergebnis sprach das BVerfG daher die Nichtigkeit des § 23 11 Nr. 1 b) EStG a. F. für die Jahre 1997 und 1998 aus.95 Die Einräumung einer Übergangsfrist käme wegen der seit dem Zinsurteil erfolgten Klärung der verfassungsrechtlichen Lage und der Unmöglichkeit der nachträglichen Beseitigung der Verfassungswidrigkeit nicht in Betracht.96 Auf die Folgejahre lasse sich die Entscheidung nicht ohne weiteres übertragen.97 Wegen der gewandelten einfachgesetzlichen Lage und der negativen Kursentwicklung an den Kapitalmärkten wirkten sich fortbestehende Vollzugsdefizite unter Umständen nicht mehr in verfassungsrechtlich erheblicher Weise aus. (2) Konsequenzen aus dem Urteil Wegen § 79 II 1 i. V. m. § 82 I BVerfGG ist die Nichtigerklärung ohne Einfluss auf bestandskräftige Verwaltungsentscheidungen, nur eine Vollstreckung daraus ist gemäß § 79 II 2 BVerfGG nicht möglich (vgl. § 251 II AO). 9 8 Bei Vorliegen bestandskräftiger Bescheide kann der Steuerpflichtige also nicht durch Änderung des Bescheides vom Urteil profitieren. 99 Bescheide, die insoweit vorläufig ergangen sind, können jedoch geändert werden, 100 ebenso Bescheide unter dem Vorbehalt der Nachprüfung, 101 sofern keine Festsetzungsveijährung eingetreten ist (§ 164 n, 93 BVerfG, Fn. 74, BVerfGE 110, 94 (136). Kritisch Birk, StuW 2004, 277 (280): Darauf, ob ein Verschulden des Gesetzgebers vorliege, komme es nicht an, denn die Feststellung der Verfassungswidrigkeit sei keine Sanktion gegen den Gesetzgeber. Die Verfassungswidrigkeit entstehe allein durch die Kollision mit höherrangigem Recht. 94 BVerfG, Fn. 74, BVerfGE 110, 94 (136). 95 BVerfG, Fn. 74, BVerfGE 110, 94 (95, 137). Kritisch zur Rechtsfolge der Nichtigkeit Bilsdorfer, NJW 2003, 2509 (2510), der nur bei den steuerehrlichen Steuerpflichtigen die Benachteiligung durch das Vollzugsdefizit beseitigen will. 96 BVerfG, Fn. 74, BVerfGE 110, 94 (138 f.). Mit dieser Rechtsfolge und Begründung hatte auch der BFH gerechnet, BFH v. 11. 6. 2003 - IX B 16/03, BFHE 202, 53 (55 f.). 97 BVerfG, Fn. 74, BVerfGE 110, 94 (140 f.). Dazu unten D.I.2.c)cc). 98 Hintergrund dieser Regelung ist der Gedanke, dass eine nichtige Norm jedenfalls für zukünftige hoheitliche Eingriffe keine Grundlage mehr sein kann. Vgl. Seipl/Wiese, Stbg 2004, 234. 99 Vgl. Blümich /Glenk, § 23 EStG Rn. 17 (März 2005); Harenberg, KFR F. 3 EStG § 23, 2/04, S. 181 (183); ders., GStB 2004, 116 (117); Hey, DB 2004, 724 (726); zu den einzelnen Änderungsnormen von Wedelstädt, DB 2004, 848. Auch ein Erlass wegen sachlicher Unbilligkeit kommt nicht in Betracht, so auch BMF-Schreiben v. 19. 3. 2004 - IV D 2 S 0338-11/04, DStR 2004, 604. 100 BMF-Schreiben v. 19. 3. 2004 - IV D 2 - S 0338-11/04, DStR 2004, 604. 101 Ebenso Harenberg, KFR F. 3 EStG § 23, 2/04, S. 181 (183); Kayser/Rothbart, 5/2004,20 (22).
BBV
I. Vollzugsdefizite bei der Besteuerung privater Veräußerungsgeschäfte
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IV 1 AO). In Rechtsbehelfsverfahren ist die Besteuerung privater Veräußerungsgeschäfte für 1997 und 1998 rückgängig zu machen, sofern der Rechtsbehelf zulässig ist. 102 Da somit nur wenige Steuerpflichtige von der Nichtigkeit profitieren, relativiert dies den Unterschied zum Zinsurteil, das lediglich die Unvereinbarkeit festgestellt hatte. Sofern aufgrund der Nichtigkeit nun Verluste aus 1997 und 1998 nicht berücksichtigt werden, 103 erscheint dies zwar zunächst nachteilig, doch wegen des Ausschlusses der Verlustverrechnung nach § 23 III 4 EStG a. F., der bis Ende 1998 galt, konnten die Steuerpflichtigen ohnehin nicht auf die Verrechenbarkeit der Verluste vertrauen. 104 Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit der Vorschrift entstanden auch erst nach der Entscheidung des BVerfG vom 30. 9. 1998 105 zu § 22 Nr. 3 EStG. 106 (3) Kritik
der Literatur und eigene Stellungnahme zum Urteil
Auf einige besonders auffallige und unter Umständen kritikwürdige Aspekte des Urteils soll im Folgenden näher eingegangen werden. (a) Keine Feststellung der Verfassungswidrigkeit des § 30a AO Fraglich ist, warum das BVerfG nicht sowohl die materielle Vorschrift in § 23 EStG als auch die verfahrensrechtliche Regelung des § 30a AO als verfassungswidrig eingeordnet hat. 107 Die Erklärung ist wahrscheinlich, dass das BVerfG sich schon im Zinsurteil nicht zu einer deutlichen Aussage über die Verfassungswidrigkeit des Bankenerlasses und des § 30a AO durchringen konnte.108
102 Harenberg, NWB Fach 3, 12869 (12872); BMF-Schreiben v. 19. 3. 2004 - IV D 2 S 0338 - 1 1 / 0 4 , DStR 2004, 604. 103 Vgl. auch BMF-Schreiben v. 31. 1. 2005 - I V A 7 - S 0338-8/05, DStR 2005, 291. 104 BFH v. 14. 7. 2004 - IX R 13/01, BFHE 206, 316 (320). Allerdings ist wegen der Verfassungswidrigkeit des Ausschlusses der Verlustverrechnung nach § 23 III 4 EStG a. F. (dazu unten D.V.2.) auch eine andere Sichtweise denkbar. los BVerfG v. 30. 9. 1998 - 2 BvR 1818/91, BVerfGE 99, 88 ff. 106 BFH, Fn. 104, BFHE 206, 316 (320). 107 Kritisch dazu auch Tipke, in: Tipke/Kruse, § 30a AO Rn. 1 (März 2004). Auch Blümich /Glenk, § 23 EStG Rn. 16 (März 2005) kritisiert, dass das BVerfG nicht auf die Verfassungsmäßigkeit des § 30a AO eingegangen ist. i° 8 Zudem hat die 3. Kammer des 2. Senats eine Verfassungsbeschwerde mit Bezug zu § 30a AO nicht angenommen, siehe Tipke, in: Tipke/Kruse, § 30a AO Rn. 5, 30 (März 2004). Zur Problematik der fehlenden Entscheidungserheblichkeit von Vorlagen und der Unzulässigkeit von Verfassungsbeschwerden bei Nichtigerklärung einer verfassungswidrigen Drittbevorzugung Wernsmann, Das gleichheitswidrige Steuergesetz, S. 229 ff., 270 ff.
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D. Verfassungsrechtliche Fragen bei Ausgestaltung des § 23 EStG
§ 30a AO begrenzt die Ermittlung von Kapitaleinkünften und Veräußerungsgeschäften bei Wertpapieren. 109 Die Reichweite des § 30a AO - insbesondere des Abs. 3 - ist im Einzelnen zwar streitig. 110 Aber bereits diese Rechtsunsicherheit über die Befugnisse steht mit der Argumentation des BVerfG einer effektiven Kontrolle entgegen. Nach vorzugswürdiger Ansicht schränkt § 30a III AO § 194 III AO ein. 111 Das BVerfG hatte schon die Nr. 3 des Bankenerlasses als Verbot von Kontrollmitteilungen gewertet. 112 Dies hat das BVerfG auch für den wörtlich identischen § 30a III AO wiederholt. 113 Dadurch wird der Finanzverwaltung also ein Kontrollinstrument per Gesetz genommen. Denn Kontrollmitteilungen sind grundsätzlich nach § 194 m AO möglich und mit den Grundrechten der Banken und Bankkunden vereinbar. 114 Sonst könnten die Finanzämter die Angaben des Steuerpflichtigen überprüfen. Die Vorschrift ist - jedenfalls im Zusammenwirken mit dem Fehlen einer Quellensteuer - der Hauptgrund für die Völlzugsdefizite. 115 Zudem behindert § 30a V AO Einzel- und Sammelauskunftsersuchen an Kreditinstitute, auch wenn im Einzelnen unklar ist, worin die Rücksicht auf das Vertrauensverhältnis bestehen soll. 116 Faktisch ungleich behandelt infolge von § 30a AO werden aber nicht nur die ehrlichen und unehrlichen Steuerpflichtigen mit Einkünften aus Wertpapierveräußerungen. Unabhängig davon, wie weit die Einschränkungen der Kontrollinstrumente durch § 30a AO genau gehen, ist auch wegen der ungerechtfertigten Einschränkung ge-
109 Tipke, in: Tipke/Kruse, § 30a AO Rn. 1, 8 (März 2004): „Verfahrens-Sonderrecht", uo Vgl. z. B. BFH v. 18. 2. 1997 - VIII R 33/95, BFHE 183, 45 (55 ff.); gegen die verfassungskonforme Auslegung des VIII. Senats BFH v. 28. 10. 1997 - V I I B 40/97, DStRE 1998, 241 (245 f.); BFH v. 16. 7. 2002 - IX R 62/99, BFHE 199, 451 (466 ff.). Vgl. z. B. auch BVerfG v. 9. 3. 2004 - 2 BvL 17/02, BVerfGE 110, 94 (124 ff.); Eckhoff, S. 354 ff.; Tipke, in: Tipke /Kruse, § 30a AO Rn. 1 (März 2004); Wernsmann/Stalbold, StuB 2000, 252 ff. und 302 ff. in BFH v. 28. 10. 1997 - V ü B 40/97, DStRE 1998, 241 (244 f.); BFH v. 25. 7. 2000 V n B 28/99, BStBl. I I 2000, 643 (648); Eckhoff, S. 355; Tipke, in: Tipke/Kruse, § 30a AO Rn. 12, 17 m. w. N. (März 2004); Balmes, FR 2000, 1069 (1072). A. A. BFH v. 18. 2. 1997 VIII R 33/95, BFHE 183, 45 (LS 2 und S. 59): Bei hinreichendem Anlass seien Kontrollmitteilungen möglich; zustimmend von Wedelstädt, DB 2004, 948 (950 f.). Kritisch zu dieser Auslegung z. B. Wernsmann/Stalbold, StuB 2000, 302 (305 ff.); Tipke, in: Tipke/Kruse, § 30a AO Rn. 17 (März 2004), der den Grund dafür in der Vermeidung einer Vorlage ans BVerfG sieht. Vgl. auch BFH v. 21. 3. 2002 - V I I B 152/01, BFHE 198,42 (54 f.). ii2 BVerfG v. 27. 6. 1991 - 2 BvR 1493/89, BVerfGE 84, 239 (278). "3 BVerfG v. 9. 3. 2004 - 2 BvL 17/02, BVerfGE 110, 94 (125, 132). Zur Zulässigkeit von Kontrollmitteilungen bei Verdacht einer Steuerverkürzung BFH v. 28. 10. 1997 - V I I B 40/97, DStRE 1998, 241 (244). ii4 BVerfG v. 27. 6. 1991 - 2 BvR 1493/89, BVerfGE 84, 239 (279). Iis So z. B. auch Kraft/Bäuml, DB 2004, 615 (620): „Wurzel allen Übels". Die Arbeitsgruppe „Steuerausfälle" hatte schon im Jahre 1994 Mängel bei der Erklärung und Überprüfung von Spekulationsgewinnen festgestellt und die Aufhebung von § 30a III AO vorgeschlagen, Arbeitsgruppe „Steuerausfälle" Landesfinanzministerium NRW, StB 1994,446 (450). Tipke, in: Tipke/Kruse, § 30a AO Rn. 22 (März 2004).
I. Vollzugsdefizite bei der Besteuerung privater Veräußerungsgeschäfte217
genüber anderen Einkünften jede Einschränkung der Befugnisse durch § 30a AO unzulässig. Die „Rücksicht auf den Kapitalmarkt" 117 und die Förderung der Bankwirtschaft durch Verzicht auf Besteuerung im Wege eines Kontrollverzichts ist kein die Ungleichbehandlung rechtfertigender Grund. 118 Der teilweise auch als Regelung eines Bankgeheimnisses119 bewertete § 30a AO ist somit verfassungswid•
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ng.
Daher hätte es an sich nahe gelegen, zusätzlich zur Verfassungswidrigkeit der Besteuerung der Wertpapierveräußerungen nach § 23 EStG die Verfassungswidrigkeit von § 30a AO festzustellen, auch wenn dies zu der bemerkenswerten Feststellung geführt hätte, dass zunächst durch den Bankenerlass und dann durch § 30a AO von 1949 bis 2004 ein verfassungswidriger Zustand bestand. Als Ursache dafür, dass dies nicht geschah, wird vermutet, das BVerfG habe nicht in die Gestaltungsfreiheit des Gesetzgebers eingreifen wollen. 121 Auch durch eine Unvereinbarerklärung des § 30a AO verbunden mit einer Fristsetzung für eine Neuregelung hätte jedoch sichergestellt werden können, dass der Gesetzgeber zwischen mehreren Möglichkeiten zur Beseitigung des Vollzugsdefizits wählen kann. Als weiterer Grund wird die Rücksichtnahme darauf vermutet, dass bei § 30a AO zudem der hoch umstrittene Bereich des Datenschutzes berührt ist. 122 (b) Verlagerung des Schwerpunkts bei der Feststellung eines Vollzugsdefizits von der Gesetzeslage auf den tatsächlichen Normvollzug Das BVerfG hat sich trotz der Erwähnung der uneinheitlichen und unklaren Rechtsprechung des BFH nicht eingehend mit § 30a A O 1 2 3 befasst, obwohl dessen Auslegung für die Frage entscheidend ist, ob bzw. inwieweit das Vollzugsdefizit in "7 Tipke, in: Tipke/Kruse, § 30a AO Rn. 2 (März 2004); ebenso Birk, StuW 2004, 277
(281).
H8 Vgl. zu „gesamtwirtschaftlichen Gründen" BVerfG v. 27. 6. 1991 - 2 BvR 1493/89, BVerfGE 84, 239 (273 f.); Tipke, in: Tipke/Kruse, § 30a AO Rn. 10 (März 2004). 119 So z. B. Wenglorz/Bäuml, BB 2003, 286 (290); Jacob/Vieten, FR 2004, 482 (483); a. A. Tipke, in: Tipke/Kruse, § 30a AO Rn. 22 (März 2004), der nur von einzelnen Ermittlungsbeschränkungen spricht. Vgl. Fn. 6. 12° Im Ergebnis ebenso Tipke, in: Tipke/Kruse, § 30a AO Rn. 4, 7 m. w. N. und Rn. 25 ff. (März 2004); ders., in: FS für Offerhaus, S. 819 (824); Hey, DB 2004, 724 (724 f.); Laule, WuB 2004, 465 (468); Wernsmann/Stalbold, StuB 2000, 302 (308). Zur Verfassungswidrigkeit des normativen Verzichts auf eine gleichmäßige Steuererhebung Birk, StuW 2004, 277 (282); Eckhoff, S. 358. Bedenken gegen die Verfassungsmäßigkeit äußerte auch der BFH v. 28. 10. 1997 - V n B 40/97, DStRE 1998, 241 (245). 121 Hey, DB 2004, 724 (725). 122 Hey, DB 2004, 724 (725), die als weiteren Vorteil einer Erklärung der Verfassungswidrigkeit des § 30a AO herausstellt, dass damit der Gesetzgeber aus der Schusslinie gewesen wäre. 123 Siehe dazu z. B. Tipke, in: Tipke/Kruse, § 30a AO Rn. 11 (zu Abs. 2) und 12 ff. (zu Abs. 3) (März 2004).
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D. Verfassungsrechtliche Fragen bei Ausgestaltung des § 23 EStG
dieser Norm angelegt ist. 124 Das BVerfG hat allerdings, wie gesagt, die Nr. 3 des Bankenerlasses125 und auch § 30a III A O 1 2 6 als Verbot von Kontrollmitteilungen gewertet. Zudem hat das BVerfG festgestellt, mit dem Verbot von Kontrollmitteilungen werde der Finanzverwaltung eines der wirksamsten Mittel zur Sachverhaltsaufklärung genommen, und § 30a AO als Hauptursache des Vollzugsdefizits genannt.127 Daher hätte es bei § 30a AO ohne weitere Feststellungen tatsächlicher Art ein strukturelles bzw. normatives Defizit schon aufgrund dieser Verfahrensbehinderung annehmen können.128 In allgemeiner Hinsicht stellt sich die weitere Frage, ob und gegebenenfalls inwieweit bei der Feststellung struktureller Völlzugsdefizite neben den gesetzlichen Regelungen auf die tatsächliche Vollzugssituation abzustellen ist. Denn als Neuerung durch das Spekulationsurteil wird angesehen, dass das BVerfG stärker die faktischen Wirkungen und weniger das reine Normprogramm berücksichtige.129 So sind z. B. die Ausführungen über die Nachbesserungsmaßnahmen der Verwaltung 130 und über die Maßgeblichkeit der Relation zwischen Norm und Vollzugsrealität bei strukturellen Vollzugsdefiziten 131 als Hinweise darauf anzusehen, dass es neben den Normen selbst auch auf den tatsächlichen Vollzug ankommen könnte. Außerdem deuten die Äußerungen des BVerfG stellenweise darauf hin, dass zunächst das Bestehen eines tatsächlichen Vollzugsdefizits und dann dessen Verursachung durch das Verfahrensrecht geprüft werden soll. 132 Diese Berücksichtigung der tatsächlichen Vollzugssituation wird teilweise akzeptiert, aber dahingehend kritisiert, dass die Rechtsfolge dann nicht die Verfassungswidrigkeit, sondern nur die vorübergehende Unanwendbarkeit der Norm sein 124 Hey, DB 2004, 724 (725). 125 BVerfG v. 27. 6. 1991 - 2 BvR 1493/89, BVerfGE 84, 239 (278); zustimmend Tipke, in: Tipke/Kruse, § 30a AO Rn. 20 (März 2004). 126 BVerfG v. 9. 3. 2004 - 2 BvL 17/02, BVerfGE 110,94 (132). 127 BVerfG, Fn. 126, BVerfGE 110, 94 (132); ebenso Tipke, in: Tipke/Kruse, § 30a AO Rn. 20 (März 2004). 128 Ähnlich Laule, WuB 2004, 465 (468). Vgl. Hey, DB 2004, 724, für die bereits aus der Verhinderung der effektiven Verifikation durch § 30a AO die Übertragbarkeit des Zinsurteils auf diesen Fall folgt. Vgl. auch Seiler, JZ 2004, 481 (486), der moniert, dass der Verweis auf die offenkundig vollzugshemmende Wirkung des parlamentsgesetzlichen § 30a AO nicht deutlicher ausfiel. 129 Seiler, JZ 2004, 481 (485). Dem BVerfG zustimmend FG Rheinland-Pfalz v. 24. 8. 2004 - 2 K 1633/02, DStRE 2005, 79 (80). 130 BVerfG v. 9. 3. 2004 - 2 BvL 17/02, BVerfGE 110, 94 (116, 134 f.). Das Abstellen auf die Nachbesserungsversuche soll nach dem BVerfG auch zeigen, ob das bestehende Instrumentarium bis dahin nur von der Verwaltung unzureichend angewendet wurde. Insoweit können diese Nachbesserungsversuche jedenfalls für die Frage relevant sein, ob bestehende Vollzugsdefizite dem Bereich des Gesetzgebers oder dem der Verwaltung zuzurechnen sind. 131 BVerfG, Fn. 130, BVerfGE 110, 94 (139). 132 BVerfG, Fn. 130, BVerfGE 110, 94 (117 f.).
I. Vollzugsdefizite bei der Besteuerung privater Veräußerungsgeschäfte219
könne.133 Nach anderer Ansicht müssen dagegen Vollzugsdefizite gerade im gesetzlichen Vollzugsrecht angelegt sein. Das Korrektiv zu der Weite möglicher Vollzugsdefizite sei der erforderliche qualifizierte Zusammenhang zwischen Gesetzgebung und Rechtsanwendung.134 Ein Abstellen auf die faktischen Wirkungen hätte zwar die positive Folge, dass der Bürger auf diese Weise auch den bloßen Normvollzug der gerichtlichen Überprüfung zuführen könnte. Nicht nur die Norm an sich könnte überprüft werden, sondern auch ihr tatsächlicher Vollzug. 135 Die damit verbundene Ausweitung des Rechtsschutzes ist aber nicht unproblematisch. Jeder von einer Norm Betroffene könnte so den allgemeinen Vollzug einer Norm angreifen. 136 Die objektive Gesetzesbindung der Verwaltung soll nach dem System subjektiven Rechtsschutzes aber gerade nicht von jedem eingeklagt werden können. Außerdem ist die Kritik berechtigt, dass das BVerfG zwar eingangs empirische „Ineffizienz" nicht für ausreichend hält, sondern das normative Defizit des widersprüchlich auf Ineffektivität angelegten Rechts für entscheidend erachtet,137 dann aber trotzdem auf empirische Befunde über die Vollzugswirklichkeit und auf Detailfragen der Verwaltungsarbeit abstellt, obwohl diese in originärer Verantwortung der Verwaltung und nicht des Gesetzgebers liegen.138 Ebenso stellt sich im Hinblick auf die Berücksichtigung von Nachbesserungsversuchen der Verwaltung die Frage, wie die Verwaltung Mängel aus dem Bereich des Gesetzgebers beseitigen können soll. 139 Es empfiehlt sich daher, das Verhalten des Gesetzgebers und der Verwaltung getrennt zu untersuchen. Denn beiden Gewalten können jeweils nur Unzulänglichkeiten des eigenen Verantwortungsbereiches vorgeworfen werden. Dem BVerfG ist eindeutig zuzustimmen, dass eine Verletzung der steuerlichen Lastengleichheit auch aufgrund verfahrensrechtlicher Regelungen eintreten kann. Eine dem Gesetzgeber zurechenbare Verletzung der Rechtsanwendungsgleichheit kann einen Verstoß gegen die Rechtsetzungsgleichheit darstellen.140 Dann steht 133 Birk, StuW 2004, 277 (282). 134
Seiler, JZ 2004,481 (486), der die konkreten Voraussetzungen aufstellt, dass die Beeinträchtigung der gleichheitskonformen Anwendung gerade gesetzlich verursacht und das Vollzugsdefizit offenkundig sein muss. 135 Vgl. Seiler, JZ 2004, 481 (485), der dies als Verschiebung der Gewichte zur dritten Gewalt betrachtet. 136 Vgl. Seiler, JZ 2004, 481 (484 f.); Wernsmann, Das gleichheitswidrige Steuergesetz, S. 303 f. 137 BVerfG, Fn. 130, BVerfGE 110, 94 (113). Dies wird noch dadurch betont, dass diese Aussage auch im zweiten Leitsatz zu finden ist. Ein entsprechender Hinweis auf die Vollzugsrealität fehlt dort aber. 138 Seiler, JZ 2004,481 (486). Vgl. dazu Eckhoff, S. 528. 139 Birk, StuW 2004, 277 (280). Ähnlich BFH v. 16. 7. 2002 - IX R 62/99, BFHE 199, 451 (472). 140 Seiler, JZ 2004,481 (483).
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D. Verfassungsrechtliche Fragen bei Ausgestaltung des § 23 EStG
das einfache Recht im Gegensatz zur Verfassung und ist daher verfassungswidrig. Bestehen aber ausreichende Verfahrensregeln, die allerdings von der Verwaltung unter Umständen auch systematisch - nichtrichtigangewendet werden, 141 kann es sich immer nur um einen Verstoß der Verwaltung gegen ihre Gesetzesbindung handeln, die aber nie zur Verfassungswidrigkeit des materiellen Gesetzes führen kann. Ein planmäßiger Nichtvollzug eines Gesetzes führt daher nur dann zur Verfassungswidrigkeit der materiellen Norm, wenn er in einer gesetzlichen Regelung angelegt ist. Der tatsächliche Nichtvollzug einer Norm kann deswegen nur ein schwaches Indiz für ein normatives Defizit sein. Das normative Defizit sollte bereits durch Auslegung der betreffenden Vorschriften feststellbar sein und hängt dann nicht mehr von den tatsächlichen Auswirkungen ab. Dem Gesetzgeber zuzurechnende Vollzugsdefizite können also nur anhand der Analyse der Verfahrensregeln festgestellt werden. Ob die Norm tatsächlich durch die Verwaltung vollzogen wird, liegt außerhalb seines Einflussbereiches. Davon zu unterscheiden sind die der Verwaltung zuzurechnenden strukturellen Vollzugsdefizite. Die Folge der Verfassungswidrigkeit der materiellen Vorschrift erscheint zwar auch für den systematischen Nichtvollzug einer Norm durch die Verwaltung erforderlich, denn eine weitgehend nicht vollzogene Norm würde bei Anwendung nur in wenigen Fällen gegen den Gleichheitssatz und das rechtsstaatliche Willkürverbot verstoßen und kann daher insgesamt keine Geltung mehr beanspruchen.142 Da es sich hierbei jedoch um gesetzwidriges Handeln der Verwaltung und nicht um einen Verfassungsverstoß durch ein Gesetz handelt, ist die Nichtanwendbarkeit der materiellen Norm, nicht deren Verfassungswidrigkeit die richtige Rechtsfolge. 143 Dies kann aber wegen des Grundsatzes „keine Gleichheit im Unrecht" nur in absoluten Ausnahmefallen gelten. Nur ein gesetzlich begründetes Vollzugsdefizit führt also zur Verfassungswidrigkeit des Gesetzes. Demzufolge hätte das BVerfG nach der hier vertretenen Ansicht nur die im Gesetz angelegten Mängel des Vollzugs untersuchen dürfen und daher in erster Linie auf § 30a AO abstellen müssen. Die tatsächlichen Feststellungen hätten nur ergänzende oder bestätigende Bedeutung haben sollen. Die weiteren Kriterien des BVerfG, die eher tatsächlicher Natur sind (Abstellen auf den Regelfall, Höhe des Entdeckungsrisikos, Fehlen von Gegenmaßnahmen der Verwaltung), sollten nur in den Fällen überprüft werden, in denen sich ein strukturelles Vollzugsdefizit - an141 Vgl. aber Eckhoff, S. 528, nach dessen Ansicht eine Pflicht des Gesetzgebers besteht, dem Gesetz widersprechende Verfahrensregelungen der Verwaltung zu beseitigen. Er dürfe diesen Zustand nicht tolerieren. 142 Vgl. Eckhoff, S. 539, zu gesetzlichen Vollzugsdefiziten: Wenn das materielle Recht und das Verfahrensrecht in einem Ausmaß nicht mehr vollzogen werden, dass es der Aufgabe der Steuergerechtigkeit offenkundig nicht mehr genügt, verliere es auch in den übrigen Fällen seinen rechtfertigenden Grund. 143 Dazu bereits oben D.I.l.c). Vgl. Birk, StuW 2004, 277 (282).
I. Vollzugsdefizite bei der Besteuerung privater Veräußerungsgeschäfte
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ders als bei § 30a AO - nicht bereits eindeutig durch die gesetzlichen Erhebungsregeln feststellen lässt. (c) Zur Rechtsfolge der Nichtigkeit und ihrer Begründung Auffällig ist des Weiteren die vom BVerfG ausgesprochene Rechtsfolge der Nichtigkeit und nicht bloß der Unvereinbarkeit, wodurch die Spekulationsgeschäfte in dem Zeitraum von 1997 bis 1998 nicht zu besteuern sind. Die Nichtigerklärung stellt an sich nach §§ 78 S. 1, 82 I BVerfGG den Regeltatbestand dar. Darin liegt aber der Hauptunterschied zum Zinsurteil. 144 Der Ausspruch der Nichtigkeit wurde vom BVerfG vor allem mit der Unmöglichkeit einer gleichmäßigen rückwirkenden Erfassung der Spekulationseinkünfte gerechtfertigt. 145 Dabei wurde insbesondere der drohende Ablauf der Festsetzungsfrist als Hindernis genannt.146 Hinzu kommt, dass die Möglichkeit einer rückwirkenden Verpflichtung der Banken zu Kontrollmitteilungen in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht zweifelhaft ist. Gegen eine rückwirkende Änderung wurde eingewandt, sie verletze das Vertrauen in die bislang lasche Haltung der Finanzverwaltung, auch wenn § 30a AO nicht legitim gewesen sei. 147 Geht man daher mit dem BVerfG von den Prämissen aus, dass sich die Entscheidung nur auf die Jahre 1997 und 1998 und damit nur auf die Vergangenheit beziehen soll und dass eine gleichmäßige Erfassung nicht mehr möglich ist, fragt sich, welche Entscheidungsmöglichkeiten des BVerfG bei diesem Verstoß gegen Art. 3 G G 1 4 8 bestanden haben. Entgegen dem allgemeinen Grundsatz der Nichtigkeit verfassungswidriger Gesetze (§ 78 BVerfGG) kehrt das BVerfG bei den für das Steuerrecht besonders relevanten Verstößen gegen Art. 3 GG das Regel-Ausnahme-Verhältnis um und kommt regelmäßig zur Unvereinbarerklärung 149.150 Grund hierfür ist entweder die auf den 144 Ebenso Harenberg, NWB Fach 3,12869. Zum Zinsurteil siehe oben D.I.l. 145 BVerfG v. 9. 3. 2004 - 2 BvL 17/02, BVerfGE 110, 94 (139); zustimmend zur Unmöglichkeit der rückwirkenden Herstellung einer gleichmäßigen Belastung Hey, DB 2004, 724 (726); Blümich / Glenk, § 23 EStG Rn. 16 (März 2005). 146 BVerfG, Fn. 145, BVerfGE 110, 94 (139). 147 Tipke, in: Tipke/ Kruse, § 30a AO Rn. 10, 27, 31 (März 2004). Dabei wird die Rechtslage definiert als das Gesetz, wie es von den Gerichten und der Verwaltung über längere Zeit tatsächlich praktiziert worden ist und damit zur Vertrauensgrundlage für den Bürger geworden ist. Das hat zur Folge, dass es insoweit gar nicht mehr auf den beabsichtigten Regelungsgehalt von § 30a AO ankommt, sondern auf dessen tatsächliche Wirkung. 148
Eingehend dazu Wernsmann, Das gleichheitswidrige Steuergesetz, S. 75 ff. 149 Auch die Bezeichnung Feststellung der Verfassungswidrigkeit ist gebräuchlich, z. B. BVerfG v. 6. 3. 2002 - 2 BvL 17/99, BVerfGE 105, 73 (133); BVerfG v. 4. 12. 2002 - 2 BvR 400/98, 2 BvR 1735/00, BVerfGE 107, 27 (57). 150 Hey, DB 2004, 724 (725); Birk, StuW 2004, 277 (281). Kritisch zu dieser Praxis z. B. Seer, NJW 1996, 284 (288 ff.). Zur Rechtsfolge von Verstößen gegen den Gleichheitssatz allgemein z. B. BVerfG v. 9. 3. 2004 - 2 BvL 17/02, BVerfGE 110, 94 (138 f.) m. w. N.
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D. Verfassungsrechtliche Fragen bei Ausgestaltung des § 23 EStG
Grundsatz der Gewaltenteilung zurückgehende Überlegung, dass der Gesetzgeber insbesondere bei Verletzungen des Gleichheitssatzes mehrere Möglichkeiten zur Beseitigung der Verfassungswidrigkeit h a t , 1 5 1 oder dass die Nichtigkeit die Ungleichheit vertiefen würde. 1 5 2 Teilweise wird auch das Bedürfnis nach Verlässlichkeit der Finanz- und Haushaltsplanung angeführt. 153 Bei der Unvereinbarerklärung kommen als Unterfälle eine Pflicht zur rückwirkenden Neuregelung 154 , eine Weitergeltung mit Pflicht zur Neuregelung innerhalb einer Übergangsfrist 155 und auch eine Weitergeltungsanordnung 156 für die Vergangenheit in Betracht. Wegen der Unmöglichkeit der rückwirkenden Erfassung entfallt hier die Unvereinbarerklärung mit rückwirkender Neuregelung. Da sich die Entscheidung nur auf die Vergangenheit bezieht, kommt auch die Unvereinbarerklärung verbunden mit einer Übergangsfrist nicht in Frage. 1 5 7 Damit verblieben nur noch die Möglichkei-
151 BVerfG v. 4. 12. 2002 - 2 BvR 400/98, 2 BvR 1735/00, BVerfGE 107, 27 (57); BVerfG v. 6. 3. 2002 - 2 BvL 17/99, BVerfGE 105, 73 (133); BVerfG v. 11. 11. 1998 2 BvL 10/95, BVerfGE 99, 280 (298); BVerfG v. 22. 6. 1995 - 2 BvL 37/91, BVerfGE 93, 121 (148); BVerfG v. 22. 6. 1995 - 2 BvR 552/91, BVerfGE 93,165 (178). 152 BVerfG v. 25. 9. 1992 - 2 BvL 5, 8, 14/91, BVerfGE 87, 153 (177 f.). Vgl. zur Entstehung einer verfassungswidrigen lückenhaften Rechtslage BVerfG v. 6. 3. 2002 - 2 BvL 17/99, BVerfGE 105, 73 (133). 153 Dies wird vom BVerfG allerdings in erster Linie als Argument gegen eine rückwirkende Neuregelung bei einer Unvereinbarerklärung angeführt. Dazu BVerfG v. 6. 3. 2002 2 BvL 17/99, BVerfGE 105, 73 (134); BVerfG v. 22. 6. 1995 - 2 BvL 37/91, BVerfGE 93, 121 (148); ausführlich BVerfG v. 25. 9. 1992 - 2 BvL 5, 8, 14/91, BVerfGE 87, 153 (178 f.); BVerfG v. 24. 6. 1986 - 2 BvF 1, 5, 6/83 u. a., BVerfGE 72, 330 (422). Generell kritisch zu diesem Kriterium Hey, DB 2004,724 (725) m. w. N.; Seer, NJW 1996, 284 (288 f.). 154 Bei einer Unvereinbarerklärung besteht zwar grundsätzlich eine Pflicht zur rückwirkenden Änderung, z. B. BVerfG v. 11. 11. 1998 - 2 BvL 10/95, BVerfGE 99, 280 (298 f.); BVerfG v. 6. 3. 2002 - 2 BvL 17/99, BVerfGE 105, 73 (134); BVerfG v. 4. 12. 2002 - 2 BvR 400/98, 2 BvR 1735/00, BVerfGE 107, 27 (58); BVerfG v. 9. 3. 2004 - 2 BvL 17/02, BVerfGE 110, 94 (138). Regelmäßig wird aber wegen des Belangs einer verlässlichen Finanz- und Haushaltsplanung eine Weitergeltung angeordnet, damit keine Erstattung der Steuern erfolgen muss. So Hey, DB 2004, 724 (725); vgl. z. B. BVerfG v. 22. 6. 1995 - 2 BvR 552/91, BVerfGE 93, 165 (178); ausführlich BVerfG v. 25. 9. 1992 - 2 BvL 5, 8, 14/91, BVerfGE 87,153 (178 f.). Auch der Vertrauensschutz kann einer rückwirkenden Neuregelung entgegenstehen, BVerfG v. 11.11. 1998 - 2 BvL 10/95, BVerfGE 99, 280 (298). 155 Z. B. BVerfG v. 25. 9. 1992 - 2 BvL 5, 8, 14/91, BVerfGE 87, 153 (181); BVerfG v. 22. 6. 1995 - 2 BvL 37/91, BVerfGE 93, 121 (148 f.); BVerfG v. 22. 6. 1995 - 2 BvR 552/91, BVerfGE 93, 165 (178); BVerfG v. 9. 3. 2004 - 2 BvL 17/02, BVerfGE 110, 94 (138). 156 Diese Möglichkeit wird im Spekulationsurteil nicht genannt. Sie muss es aber in den Fällen geben, in denen die rückwirkende Behebung der Verfassungswidrigkeit nicht möglich ist und die Nichtigkeit der betroffenen Norm zu einem noch schwerer wiegenden Unrechtszustand führen würde. 157 Möglicherweise hat das BVerfG wegen § 24c EStG die jetzige Rechtslage als verfassungsgemäß angesehen und wollte deswegen nur über in der Vergangenheit liegende Zeiträume entscheiden. Dann wäre also die Möglichkeit einer Unvereinbarerklärung mit Neurege-
I. Vollzugsdefizite bei der Besteuerung privater Veräußerungsgeschäfte223
ten einer Unvereinbarerklärung mit Fortgeltungsanordnung für die Vergangenheit oder einer Nichtigerklärung. Das für die Unvereinbarerklärung oft angeführte Argument, dass der Gesetzgeber mehrere Möglichkeiten zur Beseitigung der gleichheitswidrigen Rechtslage habe, greift hier wegen der Unmöglichkeit einer rückwirkenden Regelung nicht. 158 Gegen die verlässliche Finanz- und Haushaltsplanung als Grund für die Weiteranwendung verfassungswidriger Normen wird in diesem Fall eingewendet, dass für die Jahre 1997 und 1998 die Bescheide im Regelfall bestandskräftig seien.159 Schließlich würde für eine Unvereinbarerklärung mit Fortgeltungsanordnung der verfassungswidrigen Norm für die Vergangenheit sprechen, wenn bei Nichtigkeit der Norm infolge der entstehenden Lücke eine ihrerseits verfassungswidrige Rechtslage einträte. 160 Zwar entsteht im Fall der Nichtigkeit eine Ungleichbehandlung der Einkünfte aus Wertpapiergeschäften mit den übrigen Wirtschaftsgütern und den übrigen Einkünften, die weiterhin besteuert werden (dazu näher unter (d)). Diese betrifft aber nur die kleine Gruppe von Steuerpflichtigen mit Veräußerungsgewinnen aus Wertpapieren, deren Bescheide noch nicht bestandskräftig sind. Zugleich hat die Nichtigkeit aber den Vorteil, dass die beschwerdeführenden Steuerpflichtigen nicht im Vergleich zu den unehrlichen Steuerpflichtigen mit Wertpapierveräußerungsgewinnen ungleich belastet werden. Da keine deutlichen Gründe für eine reine Unvereinbarerklärung bestehen, hat das BVerfG zu Recht den Regelfall der Nichtigkeit als Rechtsfolge der Verfassungswidrigkeit gewählt. Fraglich ist allerdings das vom BVerfG neben der Unmöglichkeit der rückwirkenden Herstellung einer gleichheitsgerechten Besteuerung für die Nichtigkeitsfolge herangezogene Argument der Erkennbarkeit der Verfassungswidrigkeit für den Gesetzgeber. Dass nicht wie im Zinsurteil die Unvereinbarkeit ausgesprochen wurde, hat das BVerfG nämlich auch mit der inzwischen geklärten verfassungsrechtlichen Lage lungspflicht für die Zukunft wegen der Verfassungsmäßigkeit des geltenden Rechts verbaut gewesen. 158 Ebenso Hey, DB 2004, 724 (726), die formuliert, die Gestaltungsfreiheit des Gesetzgebers sei für 1997 und 1998 auf null reduziert. Dagegen wäre eine Erklärung der Unvereinbarkeit mit Pflicht zur Neuregelung für die Zukunft in Betracht gekommen, wenn auch über das geltende Recht entschieden worden wäre und das BVerfG dieses ebenfalls für verfassungswidrig gehalten hätte. Denn dann hätte der Gesetzgeber mehrere Möglichkeiten zur Beseitigung des Gleichheitsverstoßes, z. B. könnte auf die Besteuerung der privaten Veräußerungsgeschäfte insgesamt verzichtet werden oder Kontrollmitteilungen oder eine Quellensteuer eingeführt werden. 159 Birk, StuW 2004, 277 (281), der dies zudem mit der Neufassung der Norm ab 1999 begründet. 16° Dies prüft das BVerfG normalerweise bei der Entscheidung zwischen Nichtigerklärung und Feststellung der Unvereinbarkeit. Vgl. BVerfG v. 6. 3. 2002 - 2 BvL 17/99, BVerfGE 105, 73 (133).
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D. Verfassungsrechtliche Fragen bei Ausgestaltung des § 23 EStG
begründet.161 Damit greift das BVerfG seine Argumentation aus dem Zinsurteil für eine Übergangsfrist auf, dass die Rechtslage bislang nicht erkannt worden und deshalb das bisherige Recht noch für eine Übergangszeit hinzunehmen sei. 162 Die Übergangsfrist wurde damals insbesondere mit dem rechtsstaatlichen Kontinuitätsgebot gerechtfertigt. 163 Durch den Hinweis auf die geklärte Rechtslage klingt im Spekulationsurteil somit an, dass die Nichtigerklärung auch mit der Erkennbarkeit der Verfassungswidrigkeit für den Gesetzgeber begründet wird. Die Nichtigkeit erscheint also gewissermaßen als Sanktion für den Gesetzgeber. Zwar sind von diesem Urteil nur die noch offenen Fälle betroffen, so dass ohnehin kaum eine nachteilige Wirkung für den Haushalt eintritt. 164 Trotzdem erscheint diese Begründung fraglich. Denn diese Begründung der Nichtigkeitsfolge mit der Kenntnis des Gesetzgebers von den verfassungsrechtlichen Anforderungen wird zu Recht dahingehend kritisiert, dass es für den Schutz des Bürgers nicht auf ein Verschulden des Gesetzgebers ankommen könne.165 (d) Ungleichbehandlung der Wertpapiergeschäfte gegenüber anderen Spekulationsgeschäften und anderen Einkunftsarten Durch die Nichtigkeit der Vorschrift hinsichtlich der Wertpapiere bewirkt das Urteil eine Ungleichbehandlung der Wertpapierveräußerungen gegenüber anderen Spekulationsgeschäften, vor allem solchen mit Grundstücken. Spekulationsgeschäfte werden 1997 und 1998 nur noch zum Teil besteuert. Teilweise wird außerdem die Ungleichbehandlung mit den anderen Einkunftsarten trotz gleicher Leistungsfähigkeit moniert. 166 Die Ungleichbehandlung ist allerdings auf die noch offenen Fälle begrenzt. 167 161 BVerfG v. 9. 3. 2004 - 2 BvL 17/02, BVerfGE 110, 94 (138). Auch der BFH v. 11. 6. 2003 - IX B 16/03, BFHE 202, 53 (55 f.), hatte deswegen angenommen, eine Übergangsfrist werde es nicht geben. 162 Die heutige Begründung der Nichtigkeit ist also jedenfalls die konsequente Fortführung der Argumentation im Zinsurteil. Die Frage ist daher, ob das BVerfG schon damals die Weitergeltung besser anders begründet hätte als mit der Unvorhersehbarkeit der Verfassungswidrigkeit. 163 BVerfG v. 27. 6. 1991 - 2 BvR 1493/89, BVerfGE 84, 239 (285). Kritisch Hey, DB 2004, 724 (725, Fn. 23), mit der Begründung, für verfassungswidrige Gesetze könne es keine Kontinuität geben. !64 Zu den geringen haushaltspolitischen Auswirkungen der Entscheidung siehe auch Birk, StuW 2004, 277 (281); Hey, DB 2004, 724 (726). 165 Hey, DB 2004, 724 (726). Kritisch auch Birk, StuW 2004, 277 (281 f.), der wegen der Mangelhaftigkeit der Normanwendung und nicht der Norm selbst als Rechtsfolge die Unanwendbarkeit der Norm für die Dauer des Bestehens der Vollzugsmängel vorschlägt. Eine verfassungswidrige Norm könne rechtslogisch nicht durch Änderung der Vollzugspraxis wieder verfassungsgemäß werden. Zur Unerheblichkeit der Erkennbarkeit der Verfassungswidrigkeit für den Gesetzgeber vgl. Wernsmann, Das gleichheitswidrige Steuergesetz, S. 49 f., 73. 166 Seiler, JZ 2004,481 (486). 167 Dazu oben D.I.2.c)aa)(2).
I. Vollzugsdefizite bei der Besteuerung privater Veräußerungsgeschäfte225
Eine insgesamt gleichheitsgerechte Besteuerung auch in der Vergangenheit ließe sich nur durch die rückwirkende Erfassung aller Wertpapierveräußerungen erreichen, die aber unmöglich erscheint. Eine fortbestehende Ungleichbehandlung war daher unvermeidlich. Das BVerfG hatte gewissermaßen die Wahl zwischen zwei Ungleichbehandlungen. Bei einer Unvereinbarerklärung mit Pflicht zur Neuregelung nur für die Zukunft bliebe die faktische Ungleichbehandlung der ehrlichen Beschwerdeführer und der bei Wertpapierveräußerungen unehrlichen Steuerpflichtigen in der Vergangenheit bestehen.168 Bei einer Nichtigerklärung entstünde eine Ungleichbehandlung der noch offenen Wertpapierveräußerungen mit anderen Veräußerungen und mit den übrigen Einkünften. Durch die Nichtigerklärung profitieren vom Urteil aber wenigstens diejenigen, die gegen ihre ungleiche Belastung vorgegangen sind. (e) Reichweite der gesetzgeberischen Gewährleistungspflicht Der Gesetzgeber ist nach dem BVerfG verfassungsrechtlich verpflichtet, die steuerliche Erfassung und die Gleichheit im Belastungserfolg durch geeignete Erhebungsregeln abzusichern. Damit stellt sich die Frage, wie weit diese Pflicht reicht. 169 Nach dem allgemeinen Rechtsgrundsatz „ultra posse nemo obligatur" kann der Gesetzgeber nicht zur Gewährleistung des gleichmäßigen Belastungserfolgs verpflichtet werden, wenn ihm dies rechtlich oder tatsächlich unmöglich ist. 170 Die Unverhältnismäßigkeit der Kontrolle erzwingt nach dem BVerfG eine Quellensteuer. Auch diese ist aber nicht überall möglich, z. B. bei Verkäufen unter Privatpersonen. Dann scheint die Belastungsgleichheit zu gebieten, dass der nicht gleichmäßig durchsetzbare Steuertatbestand schon nicht aufgestellt werden darf. Hier kollidiert die Gewährleistung tatsächlicher Lastengleichheit aber mit der folgerichtigen Umsetzung der Belastungsentscheidung. Der Gesetzgeber muss entweder innerhalb des nicht durchsetzbaren Tatbestandes die ehrlichen und unehrlichen (faktisch) ungleich behandeln oder den nicht durchsetzbaren Tatbestand gegenüber den übrigen Steuertatbeständen durch Nichtbesteuerung. Für welches Prinzip sich der Gesetzgeber bei der Lösung der Kollision entscheidet, steht ihm frei. Zudem ist auch in anderen Rechtsgebieten, insbesondere im Strafrecht, das Bestehen von Vollzugsdefiziten in gewissem Umfang unvermeidbar. 171 Der Gesetzgeber kann 168
Den bei Wertpapierveräußerungen ehrlichen Steuerpflichtigen, die ihre Steuerbescheide nicht offen gehalten hatten, konnte ohnehin wegen der Unmöglichkeit einer rückwirkenden Neuregelung für alle Fälle nicht geholfen werden. 169 Muss der Gesetzgeber z. B. Händler verpflichten, Goldverkäufe Privater dem Finanzamt zu melden oder Quellensteuer, die kaum am Veräußerungsgewinn ausgerichtet werden kann, einzubehalten, damit etwaige Gewinne nicht durch Nichterklärung unbesteuert bleiben? 170 Vgl. Eckhoff, S. 530: Auch der Gleichheitssatz dürfe vom Gesetzgeber nicht etwas verlangen, was dieser nicht erfüllen könne. 15 Dechant
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D. Verfassungsrechtliche Fragen bei Ausgestaltung des § 23 EStG
daher auf folgerichtige, aber nicht effektiv durchsetzbare Tatbestände verzichten, muss es aber nicht. 172 bb) Folgerungen für die vorangegangenen Jahre (Veranlagungszeiträume bis 1996) Zur Beurteilung der Jahre vor 1997 hat das BVerfG keine Hinweise gegeben. Diese Beschränkung ist auf zum Teil heftige Kritik gestoßen. Dem BVerfG wurde vorgeworfen, diese Begrenzung provoziere neue Verfahren für die vor und nach 1997 und 1998 liegenden Zeiträume. 173 Nach einhelliger Auffassung bestanden die verfassungswidrigen Vollzugsdefizite gleichermaßen in den Jahren vor 1997. 174 Dieser Zustand reicht aufgrund des seit 1949 geltenden Bankenerlasses sogar Jahrzehnte zurück. 175 Teilweise wird daher vertreten, im Wege der Auslegung des Urteils könne eine Erstreckung der Nichtigkeitsfolge auf diese Jahre erreicht werden. 176 Dem steht jedoch schon der eindeutige Tenor des Urteils entgegen, der nur die Jahre 1997 und 1998 nennt. Für 1994 hat der BFH trotz der Vollzugsdefizite die Anwendbarkeit der Besteuerung von Wertpapierveräußerungen gemäß § 23 EStG angenommen.177 Zuvor hatte der BFH bereits die Anwendbarkeit des § 23 I Nr. 1 b) EStG (a. F.) für die Jahre bis einschließlich 1993 festgestellt. 178 Trotz eines bestehenden Vollzugsdefizits in 171
Das bloße Bestehen eines Vollzugsdefizits kann daher nicht zur Verfassungswidrigkeit der materiellen Vorschrift führen. Vgl. Bilsdorfer, NJW 2003,2509 (2510). 172 Daher war die Nichtigkeit nicht auch auf diejenigen anderen Wirtschaftsgüter zu erstrecken, deren Besteuerung ebenfalls nicht durchsetzbar ist. Z. B. bestehen Erfassungsprobleme auch bei Verkäufen von Gegenständen unter Privaten - bspw. bei Sammelobjekten. Darauf wird unten bei den Vollzugsdefiziten bei den einzelnen Veräußerungsgegenständen unter D.I.3.e) näher eingegangen. ™ Hey, DB 2004, 724 (726). Kritisch auch Seipl/Wiese, Stbg 2004, 234 (235), nach deren Ansicht die Entscheidung über die Vorjahre zur Wahrung der Rechtsordnung erforderlich gewesen wäre. Das FG Münster hat (mit Beschluss vom 5. 4. 2005 - 8 K 4710/01 E, EFG 2005, 1117 (LS, 1127 f.), Az. des BVerfG: 2 BvL 8/05) dem BVerfG die Frage vorgelegt, ob § 23 I 1 Nr. 1 b) EStG a. F. auch im Jahr 1996 mit Art. 3 GG unvereinbar und nichtig ist. Ein weiterer Vorlagebeschluss des FG Münster betrifft nicht nur 1996, sondern auch die Jahre 1994 und 1995, FG Münster v. 13. 7. 2005 - 10 K 6837/03 E, EFG 2005, 1542 (LS), Az. des BVerfG: 2 BvL 12/05. i™ Z. B. Hey, DB 2004, 724 (726); Seipl/Wiese, Stbg 2004, 234 (235); Bäuml, System und Reform, S. 71, Fn. 238. ™ Vgl. Tipke, in: Tipke/Kruse, § 30a AO Rn. 4 (März 2004). Die Steuerfahndung ging erst ab 2000 den Veräußerungseinkünften nach (a. a. O., Rn. 5). Blümich/G/eTifc, § 23 EStG Rn. 17 (März 2005); Harenberg, KFR F. 3 EStG § 23, 2/04, S. 181 (183); Hey, DB 2004, 724 (730). Auch wenn man von der Nichtigkeit auch für die Jahre vor 1997 ausgeht, hat dies nur für die noch offenen Fälle Auswirkungen, vgl. die Ausführungen zu den Jahren 1997 und 1998 unter D.I.2.c)aa). >77 BFH v. 29. 6. 2004 - DC R 26/03, BFHE 206,418 (LS 4 und S. 422 f.).
I. Vollzugsdefizite bei der Besteuerung privater Veräußerungsgeschäfte
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diesen Jahren werde das BVerfG auf keinen Fall die Nichtigkeit für diese Jahre feststellen, da wie im Zinsurteil 1991 die Verfassungsrechtslage bei § 23 EStG zunächst nicht erkannt worden und die verfassungswidrige Lage daher für eine Übergangszeit hinzunehmen sei. 179 Diese Übergangszeit beinhalte auch die Jahre bis 1993 sowie 1994. 180 Im Zinsurteil habe das BVerfG die Anpassung spätestens ab dem 1.1. 1993 gefordert, aber bei § 23 EStG sei die Frage des Vollzugsdefizits später aufgeworfen worden, so dass die Übergangszeit länger zu bemessen sei. 181 Das Problem der Vollzugsdefizite bei § 23 EStG war jedenfalls nach dem Bericht der Arbeitsgruppe „Steuerausfälle" im Jahre 1994 bekannt,182 so dass die Übergangszeit keinesfalls länger als bis Ende 1995 zu bemessen ist. 183
cc) Beurteilung der Folgejahre (Veranlagungszeiträume 1999-2003) Das BVerfG war für die Folgejahre nicht von der Verfassungswidrigkeit der Regelung überzeugt und hat daher nicht von der nach §§ 82 I, 78 S. 2 BVerfGG bestehenden Möglichkeit zur Nichtigerklärung der Folgeregelung184 Gebrauch gemacht.185 Die Verfassungswidrigkeit sei nicht ohne weiteres auch für die Jahre ab 1999 feststellbar. Begründet wurde dies mit den ab 1999 geltenden Gesetzesänderungen und der veränderten Börsenlage. Angedeutet wurde auch, dass die zunehmende Kontrolltätigkeit der Verwaltung Auswirkungen haben könnte.186 Über die Folgejahre wurde also noch nicht entschieden.187 ™ BFH v. 1. 6. 2004 - IX R 35/01, BFHE 206, 273 (LS 2); zustimmend BlümichIGlenk, § 23 EStG Rn. 17 (März 2005). 179 BFH, Fn. 178, BFHE 206, 273 (276 f.); BFH v. 29. 6. 2004 - IX R 26/03, BFHE 206, 418 (423). 180 BFH, Fn. 178, BFHE 206, 273 (277). Für das Jahr 1993 allein hatte der BFH schon kurz zuvor entsprechendes festgestellt, BFH v. 30. 4. 2004 - IX B 14/04, BFH/NV 2004, 1105 f. Zu 1994 siehe BFH v. 29. 6. 2004 - IX R 26/03, BFHE 206, 418 (LS 4 und S. 423). A. A. FG Münster v. 13. 7. 2005 - 10 K 6837/03 E, EFG 2005, 1542 (1544), Az. des BVerfG: 2 BvL 12/05. Auch das Jahr 1995 soll nach Ansicht des BFH noch innnerhalb der Übergangszeit liegen, so jetzt BFH v. 29 11. 2005 - IX B 80/05, BFH/NV 2006, 719. 181 BFH, Fn. 178, BFHE 206, 273 (276 f.). Ähnlich BFH v. 29. 6. 2004 - IX R 26/03, BFHE 206, 418 (423). A.A. FG Münster v. 13. 7. 2005 - 10 K 6837/03 E, EFG 2005, 1542 (1544), Az. des BVerfG: 2 BvL 12/05. 182 Arbeitsgruppe „Steuerausfälle" Landesfinanzministerium NRW, StB 1994,446 ff. 183 Vgl. auch Schleswig-Holsteinisches FG v. 1. 12. 2004 - 2 V 365/04 (rkr.), DStRE 2005, 196 (197 f.), das für das Jahr 1996 ernstliche Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit der Vorschrift hat. Nach Ansicht des FG Münster ist jedenfalls eine Übergangszeit über 1994 hinaus nicht gerechtfertigt, FG Münster v. 5. 4. 2005 - 8 K 4710/01 E, EFG 2005, 1117 (1129), Az. des BVerfG: 2 BvL 8/05. 184 Vgl. Hey, DB 2004, 724 (726 f.); Jacob/Vielen, FR 2004,482. Vgl. auch Kraft/Bäuml, DB 2004, 615, die §§ 821, 78 S. 1 BVerfGG für anwendbar halten. iss BVerfG v. 9. 3. 2004 - 2 BvL 17/02, BVerfGE 110, 94 (140 f.). 186 BVerfG, Fn. 185, BVerfGE 110, 94 (140). 15*
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D. Verfassungsrechtliche Fragen bei Ausgestaltung des § 23 EStG
Die Ausführungen, warum die Beurteilung in den folgenden Veranlagungszeiträumen von den Entscheidungsjahren abweichen könnte, sind jedoch nicht überzeugend, da sich die verfahrensrechtliche Lage erst nach dem 31. 12. 2003 wesentlich geändert hat. Das BVerfG hat selbst festgestellt, dass erst mit § 24c EStG eine nennenswerte Änderung stattgefunden hat. Sogar bei dieser im Folgenden näher zu untersuchenden Regelung ist streitig, ob die Vollzugsdefizite dadurch beseitigt werden. Die zum Zeitpunkt der Entscheidung bereits beschlossene Einführung des Kontenabrufverfahrens nach § 93 VII AO und § 93b AO durch das Gesetz zur Förderung der Steuerehrlichkeit vom 23. 12. 2003 hat das BVerfG nicht als entscheidend angesehen - offenbar auch weil es ihm keine rückwirkende Bedeutung beimaß.188 Hinsichtlich der Gesetzesänderungen ab 1999 wird vom BVerfG in diesem Zusammenhang nur die Möglichkeit der Verlustverrechnung ab 1999 ausdrücklich genannt.189 Relevant ist aber auch die Verlängerung der Veräußerungsfrist. Die Verlängerung der Spekulationsfrist kann als allein materiell-rechtliche Regelung das für die Verfassungswidrigkeit entscheidende normative Umfeld nicht beeinflussen. 190 Zwar können infolgedessen mehr steuerbare Veräußerungsgeschäfte 191 vorliegen. Die Verifikationsmöglichkeit durch die Verwaltung bleibt aber unverändert. Das Völlzugsdefizit besteht daher fort 192 und nimmt höchstens in seiner politischen bzw. wirtschaftlichen Bedeutung zu. Die Verlustvortragsmöglichkeit bietet zwar einen Anreiz zur Erklärung der Spekulationseinkünfte. Voraussichtlich werden deswegen aber auch nur die Verluste verstärkt erklärt, während es für die Gewinne dadurch keinen Anreiz zur Erklärung 193 gibt. Nur soweit auf diese Gewinne wegen festgestellter Verlustvorträge keine Steuern zu zahlen sind, ist ihre Erklärung nicht unmittelbar nachteilig. Allerdings ist selbst dann die Erhaltung des Verlustvortrags zur späteren Verwendung vorteilhafter. Der Verlustabzug kann zwar die Zahl der Fälle verringern, in denen 187 So z. B. auch Rohde, StuB 2004, 559 (560). In einer Pressemitteilung des BMF vom 9. 3. 2004 war dagegen unzutreffenderweise behauptet worden, das BVerfG habe die Beseitigung des Vollzugsdefizits ab 1999 hervorgehoben. iss Der BFH hält jetzt allerdings die Besteuerung ab 1999 wegen der am 1. 4. 2005 in Kraft getretenen Einführung des Kontenabrufverfahrens für verfassungsmäßig, BFH v. 29. 11. 2005 - D i R 49/04, DStR 2006, 79 (LS, 80 ff.). 189 BVerfG, Fn. 185, BVerfGE 110, 94 (140). 190 Vgl. Harenberg, KFR F. 3 EStG § 23, 2/04, S. 181 (183). 191 Blümich IGlenk, § 23 EStG Rn. 19 (März 2005). Vgl. Hey, DB 2004, 724 (727): Erhöhung der Zahl der potentiellen Steuerfälle und daher Verschärfung des Problems. 192 A. A. Kraft/Bäuml, DB 2004, 615 (615, 618); dies., FR 2004, 443 (444), die in Folge der Tatbestandserweiterung eine Verschärfung des Völlzugsdefizits annehmen. 193 Ebenso Schleswig-Holsteinisches FG v. 1. 12. 2004 - 2 V 365/04 (rkr.), DStRE 2005, 196 (197); Jacob/Vieten, FR 2004, 482. A. A. Harenberg, KFR F. 3 EStG § 23, 2/04, S. 181 (183), nach dessen Ansicht die Einführung des Verlustabzuges zu einer erhöhten Erklärungsbereitschaft geführt hat; ebenso FG Rheinland-Pfalz v. 24. 8. 2004 - 2 K 1633/02, DStRE 2005, 79 (80).
I. Vollzugsdefizite bei der Besteuerung privater Veräußerungsgeschäfte229
steuerpflichtige Einkünfte aus privaten Veräußerungsgeschäften vorliegen, oder die Höhe der Einkünfte daraus. 194 Für die Frage, ob bei Vorliegen von Gewinnen deren Erfassung sichergestellt werden kann, gibt jedoch auch der Verlustabzug nichts her. 195 Die vom BVerfG zudem angefühlte schlechtere Lage am Aktienmarkt und das dadurch vermutlich geringere Aufkommen aus Spekulationsgeschäften kann zwar das Gewicht der Ungleichheit und die Bedeutung der Verfassungswidrigkeit verringern, aber nicht das Vollzugsdefizit 196 an sich. Die Verfassungswidrigkeit einer Norm kann nicht von der Entwicklung der Börsenindices abhängen.197 Die Argumentation des BVerfG, dass die Norm materiell leer laufe, ohne dass es auf das zusätzlich vorhandene Defizit bei der Erhebung ankäme, überzeugt zudem schon tatsächlich nicht. Dass von 1998 bis 2003 überhaupt kein Gewinn aus Wertpapiergeschäften entstand, ist kaum vorstellbar. Zudem wird darauf hingewiesen, die negative Börsenentwicklung habe erst im Frühjahr 2000 eingesetzt,198 so dass das Argument für 1999 keinesfalls greift. Die seit 2003 wieder ansteigenden Börsenkurse 199 müssten dann wiederum die Beurteilung der Verfassungsmäßigkeit beeinflussen. Die Verfassungsmäßigkeit hinge dann jähre- oder sogar monatsweise von der Börsenentwicklung ab. Hinzu kommt, dass ab 1999 auch Termingeschäfte besteuert wurden, bei denen ebenfalls Vollzugsdefizite möglich sind und durch die auch bei einem Abwärtstrend an der Börse Gewinne erzielt werden können. Zudem ist dem BVerfG zu widersprechen, wenn es für die Folgejahre die bloße Verbesserung der Verwaltungspraxis als Argument für die Verfassungsmäßigkeit andeutet. Wie ausgeführt, sollten nur gerade in den gesetzlichen Erhebungsregeln angelegte Vollzugsdefizite die Verfassungsmäßigkeit der materiellen Norm berühren. Auf die bloße Verwaltungspraxis kann es dann nicht bzw. nur als Indiz für 194 Vgl. Hey, DB 2004, 724 (727); Seipl/ Wiese, Stbg 2004, 234 (236). 195 Vgl. Seiler, JZ 2004, 481 (487): Durch die Erweiterung des Verlustausgleichs werde zwar die Zahlungspflicht vermindert, der Vollzug der verbleibenden Zahlungspflicht bleibe aber unberührt. Vgl. Blümich IGlenk, § 23 EStG Rn. 19 (März 2005); Hey, DB 2004, 724 (727), nach deren Ansicht das Erhebungsdefizit nicht beeinflusst wird. Kritisch auch Birk, StuW 2004, 277 (281); Jacob/Vieten, FR 2004, 482; Seipl/Wiese, Stbg 2004, 234 (236); Bäuml, System und Reform, S. 72. 196 Vgl. Blümich IGlenk, § 23 EStG Rn. 19 (März 2005). 197 Kay ser/ Rothbart, BBV 5/2004, 20 (23). Nach Seiler, JZ 2004,481 (487), ist die Kursentwicklung für die Beurteilung der Normen bedeutungslos. Gesetze seien unabhängig von der Zahl ihrer Anwendungsfälle gleichheitskonform oder nicht. Vgl. auch Bäuml, System und Reform, S. 72 f.; Harenberg, GStB 2004,116 (118); Seipl/Wiese, Stbg 2004, 234 (236). A. A. FG Rheinland-Pfalz v. 24. 8. 2004 - 2 K 1633/02, DStRE 2005, 79 (80), wonach bei einer nur geringen Zahl von Hinterziehungen, z. B. wegen geringer Gewinne, keine relevante tatsächliche Ungleichbehandlung vorliegt. 198 Schleswig-Holsteinisches FG v. 1. 12. 2004 - 2 V 365/04 (rkr.), DStRE 2005, 196 (197); FG Düsseldorf v. 27. 7. 2004 - 8 V 2806/04 A (E), DStRE 2004, 1415; ebenso Kindshof er/Wegner, PStR 2004, 196. 199 Kay ser/ Rothbart, BBV 5/2004, 20 (23).
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D. Verfassungsrechtliche Fragen bei Ausgestaltung des § 23 EStG
Mängel des Gesetzes ankommen, entscheidend ist letztlich die gesetzliche Regelung. Geringe Wirkung hat auch die zwischenzeitliche Änderung des § 45d I I EStG. Die an das Bundesamt für Finanzen mitgeteilten Daten konnten in der Fassung des StEntlG und des StÄndG 2001 im Veranlagungsverfahren verwendet werden. 200 Die nach § 45d I EStG mitzuteilenden Daten wurden 2001 zwar z. B. um Dividenden erweitert. Daraus ergaben sich aber nur vage Anhaltspunkte für die Erfassung privater Veräußerungsgeschäfte, da kaum Rückschlüsse auf den Haltezeitraum und auf Veräußerungseinkünfte aus Wertpapieren ohne Dividendenzahlung möglich waren. Deswegen wurde § 45d EStG trotz der Erweiterung ab 1999 zu Recht lediglich als theoretische Möglichkeit zur Ermittlung der Einkünfte aus privaten Veräußerungsgeschäften angesehen.201 Das BVerfG hat § 45d EStG ebenfalls für ungeeignet zur Verbesserung der Erfassung gehalten.202 Das Haupthindernis für eine wirksame Kontrolle in § 30a A O 2 0 3 blieb in den Folgejahren unverändert bestehen. Auch der Bundesrechnungshof hat im vom BVerfG zitierten Bericht nicht zwischen 1997 und 1999 unterschieden.204 Das Verfahrensrecht und die Verifikationsmöglichkeiten der Verwaltung haben sich also bis auf die unwesentliche Änderung in § 45d EStG ab 1999 nicht verändert. 205 Daher kann festgehalten werden, dass sich das entscheidende normative Umfeld der Besteuerung von Wertpapierveräußerungen von 1999 bis 2003 nicht geändert hat. Die strukturellen Vollzugsdefizite bestehen in diesem Zeitraum fort. 206 Auch einige Finanzgerichte207 haben - anders das FG Rheinland-Pfalz in einem Hauptsacheverfahren 208 - nach der Entscheidung des BVerfG in Aussetzungsver200 N a c h § 45d I I EStG 2005 kann nur noch an Sozialleistungsträger eine Mitteilung erfolgen. 201 BFH v. 16. 7. 2002 - IX R 62/99, BFHE 199, 451 (471); Kayser/Rothbart, BBV 5/2004,20 (23). 202 BVerfG v. 9. 3. 2004 - 2 BvL 17/02, BVerfGE 110, 94 (127); zustimmend Hey, DB 2004, 724 (727). 203 Harenberg, KFR F. 3 EStG § 23, 2/04, S. 181 (183); Hey, DB 2004, 724 (730). Vgl. FG Rheinland-Pfalz v. 24. 8. 2004 - 2 K 1633/02, DStRE 2005, 79 (80). Vgl. Selmer, JuS 2004, 719 (721), der eine Änderung des § 30a III AO für dringlich hält. 204 Bericht des BRH, BT-Drucks. 14/8863, S. 11 f. 205 Ebenso Hey, DB 2004, 724 (727); Jacob/Vieten, FR 2004,482 (483). 206 So z. B. auch Seipl/Wiese, DStR 2005, 98 (100); Rohde, StuB 2004,559 (560). 207 Schleswig-Holsteinisches FG v. 1. 12. 2004 - 2 V 365/04 (rkr.), DStRE 2005, 196 (196 f.); FG Düsseldorf v. 27. 7. 2004 - 8 V 2806/04 A (E), DStRE 2004, 957 und 1415; FG Brandenburg v. 24. 5. 2004 - 3 V 974/04, DStRE 2004, 956 (Die dagegen eingelegte Beschwerde wurde vom BFH aus verfahrensrechtlichen Gründen als unbegründet angesehen, BFH v. 23. 11. 2004- IX B 88/04). 208 FG Rheinland-Pfalz v. 24. 8. 2004 - 2 K 1633/02, DStRE 2005, 79 (80), das aus den vom BVerfG genannten tatsächlichen und rechtlichen Änderungen die Verfassungsmäßigkeit
I. Vollzugsdefizite bei der Besteuerung privater Veräußerungsgeschäfte231 fahren ernstliche Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit in den Folgejahren bekund e t . 2 0 9 Denn das BVerfG habe lediglich abgelehnt, die Nichtigkeit auch auf die Folgejahre zu erstrecken, aber nicht die Verfassungsmäßigkeit der Besteuerung ab 1999 festgestellt. 210 Für die Folgejahre habe der B F H in seinem Vorlagebeschluss und in weiteren Verfahren Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit der Wertpapierbesteuerung auch ab 1999 geäußert. 211 In der Tagespresse wurden die Erfolgschancen des Rückerhalts gezahlter Steuern auf Spekulationsgeschäfte in den Folgejahren im Anschluss an diese Entscheidungen positiv beurteilt, sofern die Steuerbescheide offen gehalten wurden 2 1 2 Der B F H ist auch nach der Entscheidung des BVerfG 2 1 3 in Aussetzungsverfahren unter Hinweis auf die Feststellungen im Vorlagebeschluss vom 16. 7. 2002 vom Fortbestehen ernstlicher Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit der Besteuerung privater Veräußerungsgeschäfte ausgegangen. 214 Nähere Feststellungen wurden im einstweiligen Rechtsschutz aber abgelehnt. 215 Allerdings hat der B F H jetzt im Jahr 1999 gefolgert hat. Das FG hat in diesem Hauptsacheverfahren leider keine eigenen Feststellungen zur Entwicklung ab 1999 getroffen, sondern sich nur auf die Ausführungen des BVerfG gestützt, die sich allerdings nur auf die Erforderlichkeit einer eingehenden Prüfung bezogen. Kritisch auch Seipl/Wiese, DStR 2005, 98 (99). Ohne nähere Begründung für Verfassungsmäßigkeit ab dem Jahr 1999 auch FG Berlin v. 22. 6. 2004 - 7 K 7500/02, EFG 2004, 1842, Az. des BFH: IX R 31 /04. 209 Das BMF meinte dagegen zunächst, ab 1999 komme eine Aussetzung der Vollziehung nicht mehr in Betracht und die Festsetzungen seien für endgültig zu erklären, BMF-Schreiben v. 19. 3. 2004 - IV D 2 - S 0338-11 /04, DStR 2004, 604. Kritisch dazu Harenberg, NWB Fach 3,12869 (12872). Als „schlicht unzutreffend" kritisiert von Wiese, DStR 2004,1420. Das BMF hat seine Auffassung jedoch geändert und das Ruhen der Einspruchsverfahren für die Jahre ab 1999 angeordnet, BMF-Schreiben v. 19. 7. 2004 - IV D 2 - S 0338-73/04, DStR 2004, 1341. Aussetzung der Vollziehung wurde zunächst nicht gewährt, Wiese, DStR 2004, 1420 (1422); vgl. Seipl/Wiese, DStR 2005, 98 (101). Das BMF hat dann Anfang 2005 die Vorläufigkeit der Festsetzung hinsichtlich der Veräußerungsgeschäfte nach Nr. 2 und Termingeschäfte ab 2000 angeordnet, ebenso die Aussetzung der Vollziehung bei entsprechendem Antrag und Einlegung eines Rechtsbehelfs (ab 1999), BMF-Schreiben v. 31. 1. 2005 IV A 7 - S 0338 - 8 / 0 5 , DStR 2005, 291. 2 10 FG Brandenburg v. 24. 5. 2004 - 3 V 974/04, DStRE 2004, 956 (957); FG Düsseldorf v. 27. 7. 2004 - 8 V 2806/04 A (E), DStRE 2004,957 (958).
FG Düsseldorf v. 27. 7. 2004 - 8 V 2806/04 A (E), DStRE 2004, 957 (958) und 1415. Das FG wies zudem darauf hin, dass der Bundesrechnungshof in seinem auch vom BFH berücksichtigten Bericht für das Jahr 1999 gleichermaßen strukturelle Vollzugsdefizite festgestellt habe. 212 FAZ v. 6. 8. 2004, S. 23. 213 Zum Jahr 2000 vor Entscheidung des BVerfG BFH v. 4. 8. 2003 - IX B 45/03, BFH/NV 2004, 37 f. 214 Zum Jahr 1999 BFH v. 30. 11. 2004 - IX B 120/04, BFHE 208, 213 (214) = DStR 2005, 61 (62). In einem zunächst als Musterverfahren angesehenen Verfahren wurde dagegen aus verfahrensrechtlichen Gründen nicht zur Verfassungsmäßigkeit Stellung genommen, BFH v. 23. 11. 2004 - IX B 88 /04, DStR 2005, 62 f. 215 Eine Vorlagepflicht im Anordnungsverfahren würde dessen Wesen als Eilverfahren widersprechen, so z. B. BFH v. 28. 10. 1997 - V I I B 40/97, DStRE 1998, 241 (245).
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D. Verfassungsrechtliche Fragen bei Ausgestaltung des § 23 EStG
in einem Hauptsache verfahren über die Jahre ab 1999 entschieden und die Besteuerung insoweit als verfassungsmäßig beurteilt. Entgegen den Erwartungen 216 hat er die Besteuerung von Wertpapieren nach § 23 EStG nicht auch hinsichtlich der Jahre nach 1998 dem BVerfG vorgelegt. Er hält die Besteuerung vielmehr in den Jahren ab 1999 im Hinblick auf die Einführung des am 1. 4. 2005 in Kraft getretenen Kontenabrufverfahrens nach § 93 VII AO und § 93b AO für verfassungsgemäß.217 Diese Entscheidung kann insbesondere wegen der erheblichen Rückwirkung der Anwendung des Kontenabrufverfahrens und der dadurch entstandenen Wertungswidersprüche zu den vom BVerfG entschiedenen Jahren 1997 und 1998 aber nicht überzeugen.218 Zu den Konsequenzen für die Besteuerung in den Jahren zwischen 1999 und 2003 ist festzuhalten, dass im Falle einer Nichtigerklärung für die Steuerbescheide das oben zu 1997 und 1998 Gesagte gilt. 219 Bei bloßer Unvereinbarerklärung mit Anordnung zeitlich begrenzter Weitergeltung käme eine Änderung der Steuerbescheide ohnehin nicht in Betracht.
d) Änderung der Rechtslage durch die Einführung des § 24c EStG sowie von § 93 VII AO und § 93b AO und die Frage des Bestehens von Vollzugsdefiziten ab 2004 aa) Jahresbescheinigung nach § 24c EStG Die durch § 24c EStG eingeführte Jahresbescheinigung ähnelt den Regelungen im Entwurf des StVergAbG. (1) § 23a und § 24b EStG nach dem Entwurf des StVergAbG als Vorläufer des § 24c EStG Die Kreditinstitute sollten nach § 24b EStG-E Jahressteuerbescheinigungen über Kapitalerträge und Veräußerungsgeschäfte nach § 23 I 1 Nr. 2 bis 4 EStG ausstellen. Daneben sah der Entwurf des StVergAbG in § 23a EStG-E eine jährliche Mitteilungspflicht für Kreditinstitute über Veräußerungsgeschäfte i. S. d. § 23 11 Nr. 2 216 Seipl/Wiese, Stbg 2004, 234 (236); dies., DStR 2005, 98 (101); Handelsblatt v. 27. 12. 2004, S. 5, und v. 5. 1. 2005, S. 30. Vgl. Hey, DB 2004, 724 (730); Tipke, in: Tipke/Kruse, § 30a AO Rn. 1 (März 2004). 217 BFH V. 29. 11. 2005 - DC R 49/04, DStR 2006, 79 (LS und S. 80 ff.). 218 Dazu auch unten unter d)bb). 219 Bei gesondert festgestellten Verlusten wirkt sich eine etwaige Nichtigerklärung wegen § 1761 Nr. 1 AO nicht aus. Vgl. auch Kom I Carié, EStG, § 23 Rn. 11.5 (Aug. 2004). Fraglich ist aber, ob in den noch offenen Fällen bei späterer Nichtigerklärung schutzwürdiges Vertrauen des Steuerpflichtigen in die Verlustberücksichtigung existieren kann. Offen gelassen von BFH v. 14. 7. 2004 - IX R 13/01, BFHE 206, 316 (320). Vgl. dazu Hey, DStJG 27 (2004), 91 ff.
I. Vollzugsdefizite bei der Besteuerung privater Veräußerungsgeschäfte
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S. 1 und Nr. 4 EStG an das Bundesamt für Finanzen vor. Zudem sollte ursprünglich § 30a AO aufgehoben werden. 220 Nach der Gesetzesbegründung sollten dadurch mögliche Erhebungsdefizite bei privaten Veräußerungsgeschäften beseitigt werden und durch § 24b EStG-E dem Steuerpflichtigen die für die Besteuerung der Kapitaleinkünfte und Veräußerungseinkünfte erforderlichen Angaben erleichtert werden 2 2 1 Mit der Verpflichtung der Kreditwirtschaft zu umfassenden Kontrollmitteilungen sah der Entwurf eine Möglichkeit für die Finanzverwaltung zur Verifikation der Angaben des Steuerpflichtigen vor. Dadurch wäre eine vollständige Kontrolle der inländischen bankbezogenen Veräußerungsgeschäfte erreicht worden. Die verfassungsrechtliche Zulässigkeit der Vorschrift war nach den Aussagen des BVerfG im Zinsurteil, dass der Gesetzgeber verfahrensrechtliche Absicherungen vorsehen müsse, nicht zweifelhaft. Meldepflichten für die Kreditinstitute bzw. Ermittlungsbefugnisse der Finanzbehörden sind wegen der Wahrung des grundrechtlichen Datenschutzes durch das Steuergeheimnis gemäß § 30 AO möglich.222 Insbesondere Kontrollmitteilungen sind mit den Grundrechten der Banken und der Kunden vereinbar. 223 Außerdem sind Kontrollmitteilungen bei anderen Einkünften unbestritten zulässig. Dementsprechend wurde betont, die Anordnung von Kontrollmitteilungen durch den Entwurf des StVergAbG stehe durch die Sicherstellung einer gleichmäßigen Besteuerung auf einem soliden verfassungsrechtlichen Fundament.224 Kritik am Entwurf wurde vor allem aus Gründen der Praktikabilität und der Zweckmäßigkeit225 geübt. Die Umsetzung in der Praxis durch die Finanzverwaltung wurde als sehr schwierig eingeschätzt,226 vermutlich in erster Linie im Hinblick auf den Personalaufwand. Technisch wäre es jedoch möglich, die Kontrollmitteilungen dem Finanzbeamten elektronisch zur Überprüfung der Angaben bei Kapitaleinkünften zur Verfügung zu stellen. Eine überschlagartige Kontrolle der Angaben durch den Finanzbeamten nimmt nicht viel Zeit in Anspruch. 220 BT-Drucks. 15/119, S. 14. Auch ohne Aufhebung des § 30a AO wäre er durch diese Kontrollmöglichkeiten jedenfalls zu einem erheblichen Teil in seiner Wirkung eingeschränkt worden. 221 BT-Drucks. 15/119, S. 39. 222 Vgl. BVerfG v. 27. 6. 1991 - 2 BvR 1493/89, BVerfGE 84, 239 (279 f.). 223 BVerfG v. 27. 6. 1991 - 2 BvR 1493/89, BVerfGE 84, 239 (279). 224 So Lang, zitiert nach Welling/Kayser, StB 2003, 383 (385). Auch der 57. Deutsche Juristentag hatte keine verfassungsrechtlichen Bedenken gegen Mitwirkungspflichten von Kreditinstituten zur Realisierung des materiellen Steuerrechts, 57. Deutscher Juristentag: Die Beschlüsse, NJW 1988, 2998 (3006). Kontrollmitteilungen sollten für alle Kapitaleinkünfte ermöglicht werden. 225 Weiterhin stoße die geplante Regelung auf einen sehr hohen Widerstand der Steuerpflichtigen und habe negative Auswirkungen auf den Kapitalmarkt, Bachem, in: Bo/Br, EStG, § 23 Rn. 27 (Aug. 2003); vgl. die Stellungnahme des Bundesrates, BT-Drucks. 15/287, S. 8. 226 Bachem, in: Bo/Br, EStG, § 23 Rn. 27 (Aug. 2003).
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D. Verfassungsrechtliche Fragen bei Ausgestaltung des § 23 EStG
Festzuhalten ist daher, dass der Entwurf des StVergAbG wegen der Mitteilungspflicht zur Beseitigung der verfassungswidrigen Situation bei Einkünften aus Wertpapierveräußerungen geeignet gewesen wäre. (2) Regelungsgehalt von § 24c EStG Für den Veranlagungszeitraum 2004 und die folgenden Veranlagungszeiträume wird vielfach davon ausgegangen, dass die durch die Vollzugsdefizite verursachte verfassungswidrige Lage durch § 24c EStG 227 beseitigt wurde. 228 Auch das BVerfG tendiert offenbar in diese Richtung, denn es bemängelt, es habe früher keine Übermittlung der Informationen an die Finanzbehörden - wie durch eine Jahresbescheinigung nach § 24c EStG - gegeben.229 Teilweise wird dagegen betont, auch aus § 24c EStG ergebe sich keine unmittelbare Erhöhung der Kontrolldichte. 2 3 0 Deswegen sei aufgrund des Fortbestehens struktureller Defizite auch die Nachfolgeregelung verfassungsrechtlich nicht völlig zweifelsfrei 231 Hauptgrund für das strukturelle Erhebungsdefizit sei § 30a A O . 2 3 2 Daher wird in der Abschaffung des Bankgeheimnisses die Lösung mit dem geringsten Aufwand gesehen.233 Als damit vergleichbare Kritik an der Änderung wird zudem angebracht, eine klare und folgerichtige Lösung hätte in der Einführung einer Befugnis zu verstärkten Kontrollmitteilungen gelegen.234
227 Vgl. dazu BVerfG v. 9. 3. 2004 - 2 BvL 17/02, BVerfGE 110, 94 (132). 228 FAZ v. 6. 8. 2004, S. 23; FAZ v. 18. 12. 2004, S. 19; Best, DStR 2004, 1819 (1821); Kirchhof/Kube, EStG, § 23 Rn. 1; Seipl/Wiese, DStR 2005,98 (100). Ohne nähere Angaben Seipl/Wiese, Stbg 2004, 234 (236, Fn. 25). Vgl. zum „Leerlaufen von § 30a AO" Tipke, in: Tipke/Kruse, § 30a AO Rn. 1 (März 2004), der aber trotzdem für dessen Aufhebung plädiert. 229 BVerfG v. 9. 3. 2004 - 2 BvL 17/02, BVerfGE 110, 94 (131 f.). Vgl. Rohde, StuB 2004, 559 (560). 230 Kayser/Rothbart, BBV 5/2004, 20 (23). Vgl. S. Wagner, INF 2004, 457 (457, 460): Eine lückenlose Besteuerung sei noch nicht sichergestellt. § 24c EStG sei kein geeignetes Mittel gegen Vollzugsdefizite. Vgl. auch Jacob/Vieten, FR 2004,482 (484). 231 Blümich/Glenk, § 23 EStG Rn. 18 (März 2005); Kayser/Rothbart, BBV 5/2004, 20 (23). Für ein Fortbestehen des strukturellen Erhebungsdefizits auch Hey, DB 2004, 724 (730). Auch Harenberg, NWB Fach 3, 12869 (12871 f.), sieht keine wesentliche Verbesserung durch § 24c EStG. 232 Hey, DB 2004, 724 (730). Ebenso für § 30a I ü AO Harenberg, NWB Fach 3, 12869 (12871 f.). 233 Nickel, BBV 7/2004, 17 (19 f.). Die Möglichkeit von Aufbewahrungs- und Vorlagepflichten und der Außenprüfung bei Privatpersonen wird im Vergleich dazu als aufwändige Form der Kontrolle angesehen. 234 Z. B. Seiler, JZ 2004, 481 (487), der aber eine Abgeltungssteuer zur Lösung des Vollzugsproblems bevorzugt. Vgl. auch Hey, DB 2004, 724, zur Erforderlichkeit einer Reform der Besteuerung von Kapitaleinkommen und zu den beiden Möglichkeiten der Abschaffung des Bankgeheimnisses und der Abgeltungssteuer.
I. Vollzugsdefizite bei der Besteuerung privater Veräußerungsgeschäfte235
§ 24c EStG 235 wurde durch das Steueränderungsgesetz 2003 2 3 6 eingefügt. Er sieht für Kreditinstitute, Finanzdienstleistungsinstitute, Wertpapierhandelsunternehmen und Wertpapierhandelsbanken die Verpflichtung vor, eine zusammenfassende Jahresbescheinigung auszustellen, die die für die Besteuerung nach §§ 20, 23 I 1 Nr. 2 bis 4 EStG erforderlichen Angaben enthält.237 Damit sind die in den Anlagen KAP, AUS und SO geforderten Angaben gemeint.238 Daraus ergibt sich, dass die Bescheinigung sich schon nach dem Wortlaut nur auf private, nicht aber auf betriebliche Konten und Depots bezieht.239 Hinsichtlich der Veräußerungsgeschäfte sind vor allem das Datum und der Preis aufzunehmen. 240 Den Gewinn oder Verlust kann die Bank nicht in allen Fällen ermitteln, 241 z. B. dann nicht, wenn der Steuerpflichtige die Wertpapiere bei einer anderen Bank gekauft hat. 242 Probleme ergeben sich insbesondere bei Wertpapieren in Girosammelverwahrung, wenn für die innerhalb eines Jahres angeschafften und veräußerten Wertpapiere Durchschnittspreise zu berechnen sind. 243 Ab 1. 1. 2005 gilt in diesen Fällen aber gemäß § 23 I 1 Nr. 2 S. 2 EStG die Berechnung nach der Fifo-Methode. 244 Dadurch wird die Frist- und Gewinnberechnung wesentlich erleichtert. Die Erfordernisse für die Jahresbescheinigung ergeben sich im Einzelnen aus dem amtlichen Muster und den diesbezüglichen Hinweisen des BMF. 2 4 5 Nach dem Hinweisblatt ist z. B. die Prüfung, ob es sich um ein steuerpflichtiges Veräußerungsgeschäft innerhalb der Jahresfrist handelt, vom Steuerpflichtigen durchzuführen. 246 235 im Gesetzentwurf noch § 24b EStG, siehe BT-Drucks. 15 /1562, S. 4. 236 Zweites Gesetz zur Änderung steuerlicher Vorschriften (Steueränderungsgesetz 2003 StÄndG 2003) vom 15. Dezember 2003, BGBl. 12003,2645 ff. 237 Gemäß § 52 Abs. 39a EStG gilt § 24c EStG für Kapitalerträge, die nach dem 31. 12. 2003 zufließen, für Veräußerungsgeschäfte, bei denen die Veräußerung auf einem nach dem 31. 12. 2003 rechtswirksam abgeschlossenen obligatorischen Vertrag oder gleichstehenden Rechtsakt beruht, und für Termingeschäfte, bei denen der Erwerb des Rechts auf einen Differenzausgleich, Geldbetrag oder Vorteil nach dem 31. 12. 2003 erfolgt. 238 BR-Drucks. 630/03, S. 54. 239 Ebenso Harenberg, NWB Fach 3,12869 (12871); Nickel, BBV 7/2004, 17. 240 Blümich /Lindberg, § 24c EStG Rn. 2 (März 2004). 241 Die Bank muss nur bereits vorhandene Informationen in die Bescheinigung aufnehmen, so auch Nickel, BBV 7/2004, 17 (18); Kirchhof/ von Beckerath, EStG, § 24c Rn. 1. Zur Beschaffung von Informationen ist sie dagegen nicht verpflichtet. 242 Blümich /Lindberg, § 24c EStG Rn. 2 (März 2004). 243 Nickel, BBV 7/2004,17 (19). 244 Nach dem Gesetzestext gilt die Regelung für alle Veräußerungen nach dem 1.1. 1999, trotzdem soll nach Ansicht des Bundesfinanzministeriums die Regelung erst ab dem 1.1.2005 in Kraft treten, FAZ v. 18. 12. 2004, S. 19; BMF-Schreiben v. 5. 4. 2005 - IV A 3 S 2259-7/05, DStR 2005, 650. Die Anwendung des Fifo-Verfahrens schon im Veranlagungszeitraum 2004 wird aber nicht beanstandet. Zu den möglichen Unterschieden Maier/ Wengenroth, ErbStB 2005, 52 (53). 245 BMF-Schreiben v. 31. 8. 2004 - IV C 1 - S 2401-19/04 und IV C 3 S 2256-206/04, BStBl. I 2004, 854 ff. (mit Muster der Jahresbescheinigung und Hinweisblatt in der Anlage).
236
D. Verfassungsrechtliche Fragen bei Ausgestaltung des § 23 EStG
Nach der Gesetzesbegründung soll die Regelung ausschließlich eine Erleichterung für den Steuerpflichtigen bewirken und damit der Steuervereinfachung dienen. 247 Auch wenn das - soweit möglich - berechnete Ergebnis nicht zwingend auch dem steuerpflichtigen Gewinn entspricht,248 kann die Aufstellung zumindest auf mögliche Gewinne hinweisen. Bei einer großen Zahl von An- und Verkäufen ist es nach wie vor schwierig, die Veräußerungsgewinne zutreffend zu berechnen, insbesondere weil der Steuerpflichtige die Jahresfrist selbst überprüfen muss. Die Vereinfachungswirkung für ihn beim Ausfüllen der Steuererklärung ist daher begrenzt. Im Vordergrund steht eher der nicht mehr genannte249 Zweck der tatsächlichen Erfassung der Veräußerungsgewinne aus Wertpapieren. 250 Dieser Zweck ist im Hinblick auf die Steuergleichheit zwar begrüßenswert. Fraglich ist jedoch, ob § 24c EStG dieses Ziel erreicht. (3) Bestehen einer Aufbewahrung s- und Vorlagepflicht für die Jahresbescheinigung Zur Beurteilung der Effektivität der Maßnahme stellt sich die Frage, in welchen Fällen die Bescheinigung vorgelegt werden muss oder ob dadurch andere Kontrollmöglichkeiten des Finanzamtes begründet werden. Dies wird bislang unterschiedlich beurteilt. Teilweise wird in der Einführung des § 24c EStG die Beseitigung der Vollzugsdefizite gesehen.251 Das Finanzamt könne von jedem Steuerpflichtigen die Vorlage der Jahresbescheinigung verlangen. 252 Andere verneinen dagegen, 246 Hinweisblatt in der Anlage zum BMF-Schreiben v. 31. 8. 2004 - IV C 1 S 2401-19/04 und IV C 3 - S 2256-206/04, BStBl. I 2004, 854 (859). Ebenso Nickel, BBV 7/2004,17 (18 f.). Vgl. auch FAZ v. 18. 12. 2004, S. 19. 247 BR-Drucks. 630/03, S. 53 f.; BT-Drucks. 15/1562, S. 33. Vgl. auch das Hinweisblatt in der Anlage zum BMF-Schreiben v. 31. 8. 2004 - IV C 1 - S 2401 - 1 9 / 0 4 und IV C 3 S 2256-206/04, BStBl. 12004, 854 (859). 248 Denn nur soweit die Daten vorhanden sind, wird das Ergebnis von Anschaffungs-, Veräußerungspreis und Werbungskosten berechnet. 249 Die Begründung des Entwurfs zum StVergAbG berief sich zur Begründung der entsprechenden Vorschrift und der daneben vorgesehenen Mitteilungspflicht der Banken noch ausdrücklich auf die verfassungsrechtlichen Anforderungen der zutreffenden Erfassung der Einkünfte, siehe oben D.I.2.d)aa)(l). 250 Ebenso Best, DStR 2004, 1819 (1821); Harenberg, ErbStB 2004, 130; Geurts, in: Bo/Br, EStG, § 24c Rn. 3, 15 (Jan. 2005): „vorgeschobener Grund" der Erleichterung für den Steuerpflichtigen; ähnlich Korn / Hamacher, EStG, § 24c Rn. 1 (Dez. 2004). A. A. Nickel, BBV 7/2004, 17. Blümich I Lindberg, § 24c EStG Rn. 1 (März 2004), geht von einem doppelten Zweck der verbesserten Erfassung und Erleichterung für den Steuerpflichtigen durch Hilfestellung für die Erklärung aus; ebenso Kirchhof/ von Beckerath, EStG, § 24c Rn. 1; Schmidt/Weber-Grellet, EStG, § 24c Rn. 1; vgl. Götzenberger, BBV 1/2005, 16. Vgl. auch Loschelder, in: H / H / R , Jb. 2004, § 24c EStG Anm. J 03 - 5 (April 2004). 251 So FAZ v. 18. 12. 2004, S. 19: Die Spekulationssteuer gelte ab 2004 als „wasserdicht". Vgl. auch Götzenberger, BBV 1/2005, 16 (19 f.).
I. Vollzugsdefizite bei der Besteuerung privater Veräußerungsgeschäfte237
wie gesagt, die Möglichkeit einer effektiven Kontrolle durch die Verwaltung. 253 Der Steuerpflichtige sei nicht zur Aufbewahrung oder Vorlage der Bescheinigung verpflichtet. 254 Für Unterlagen über private Veräußerungsgeschäfte hat auch das BVerfG zumindest für 1997 und 1998 festgestellt, dass insoweit keine Aufbewahrungspflicht und jedenfalls bei nicht mehr vorhandenen Unterlagen auch keine Vorlagepflicht bestand.255 Daher sollen die hinsichtlich der Jahresbescheinigung bestehenden Pflichten näher untersucht werden. Zunächst stellt sich die Frage, ob eine Vorlagepflicht der Jahresbescheinigung nach der Abgabenordnung besteht. Dies wird zum Teil ausdrücklich, aber vereinzelt auch ohne nähere Begründung verneint. 256 § 150 IV 1 AO regelt die Beifügung von Unterlagen zur Steuererklärung, bezieht sich aber nur auf Unterlagen, für die nach den Steuergesetzen eine Vorlagepflicht besteht. Auch für die Jahresbescheinigung nach § 24c EStG ist also die gesetzliche Regelung einer Vorlagepflicht erforderlich. 257 Eine ausdrückliche Vorlagepflicht besteht aber nicht. § 24c EStG müsste beispielsweise selbst eine Vorlagepflicht anordnen.258 Eine Vorlagepflicht kann sich daneben vor allem aus § 97 AO ergeben; denn § 60 EStDV betrifft nur die Einreichung von Unterlagen bei Gewinneinkünften. Bei § 97 AO ist streitig, ob die Vorlagepflicht sich nur auf Unterlagen bezieht, für die auch eine Aufbewahrungspflicht besteht.259 Bejaht man dies, muss man 252 FAZ V. 6. 8. 2004, S. 23; FAZ v. 18. 12. 2004, S. 19; Seipl/Wiese, DStR 2005, 98 (100) (jeweils ohne nähere Begründung). Für die Anordnung der Vorlage der Jahresbescheinigung als Auskunft nach § 92 S. 2 Nr. 1 AO Götzenbergen BBV 1/2005,16 (20). 253 Jacob/Vieten, FR 2004, 482 (482 ff.); vgl. S. Wagner, DStZ 2005, 251 (252 f.). 254 Blümich / Glenk, § 23 EStG Rn. 18 (März 2005); Harenberg, NWB Fach 3, 12869 (12871); ders., GStB 2004, 116 (118); von Wedelstädt, DB 2004, 408. So jetzt auch BFH v. 7. 9. 2005 - VIH R 90/04, DStR 2005, 1984 (1988); BFH v. 29. 11. 2005 - IX R 49/04, DStR 2006, 79 (81). 255 BVerfG v. 9. 3. 2004 - 2 BvL 17/02, BVerfGE 110, 94 (122, 130). 256 Blümich / Glenk, § 23 EStG Rn. 18 (März 2005); Harenberg, KFR F. 3 EStG § 23, 2/04, S. 181 (183); Hey, DB 2004, 724 (728); Loschelder, in: H / H / R , Jb. 2004, § 24c EStG Anm. J 03 - 3 (April 2004), wonach zudem der Schutz des § 30a I I AO unterlaufen würde; von Wedelstädt, DB 2004, 408; ausführlicher S. Wagner, INF 2004, 457 (458 f.); Jacob/Vieten, FR 2004,482 (483); Bäuml, System und Reform, S. 75. 257 Vgl. S. Wagner, INF 2004, 457 (458); ders., DStZ 2005, 251 (252 f.); Jacob/Vieten, FR 2004,482 (483). 25» Vgl. s. Wagner, INF 2004,457 (460); ders., DStZ 2005, 251 (252). 259 So FG Rheinland-Pfalz v. 25.4.1988 - 5 K 351 / 87, EFG 1988,502 (LS 2 und S. 502); Beermann/Hartmann, § 97 AO Rn. 4 (Okt. 1998); Tipke, in: Tipke/Kruse, § 97 AO Rn. 5 (Okt. 2000). A. A. wohl BFH v. 23. 10. 1990 - VIII R 1/86, BFHE 162, 539 (540 f.); FG München v. 16. 10. 1996 - 1 K 983/92, EFG 1997, 42. Für Vorlage auch ohne Aufbewahrungspflicht Schuster, in: H / H / S p , § 97 AO Rn. 5, 8 (Juni 2004). Im Ergebnis gegen diese Beschränkung Wünsch, in: Pahlke / Koenig, AO, § 97 Rn. 3. Ohne Einschränkung der Urkundendefinition auch Klein I Brockmeyer, AO, § 97 Rn. 2.
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D. Verfassungsrechtliche Fragen bei Ausgestaltung des § 23 EStG
eine Vorlagepflicht für private Kontounterlagen verneinen, da für private Kontounterlagen jedenfalls insoweit keine Aufbewahrungspflicht besteht 260 und auch für die Bescheinigung nach § 24c E S t G 2 6 1 keine solche angeordnet w i r d . 2 6 2 Bereits mangels einer Aufbewahrungspflicht für die Jahresbescheinigung wäre dann kein Vorlageverlangen zulässig. Auch wenn man trotz Fehlens einer Aufbewahrungspflicht eine Vorlagepflicht als möglich ansieht, sind deren weitere Voraussetzungen zu beachten. Nur in atypischen Ausnahmefallen kann das Finanzamt unmittelbar die Vorlage der Urkunden verlangen. 263 Die Vorlage kann gemäß § 97 I I 1 A O nur angeordnet werden, wenn die zuvor geforderte Auskunft 2 6 4 nicht erteilt wurde, diese unvollständig war oder Bedenken gegen deren Richtigkeit bestehen. 265 Entscheidend ist, welche Kriterien für Bedenken gegen die Richtigkeit aufgestellt werden. Ließe man die allgemeine Möglichkeit unrichtiger Angaben ausreichen, könnte die Verwaltung stets die Vorlage verlangen. Bereits der Vergleich mit den anderen Einschränkungen deutet aber darauf hin, dass nur durch konkrete Anhaltspunkte begründete Zweifel genügen. 266 Sonst würde die Einschränkung zudem leer laufen, denn die 260 Vgl. FG Rheinland-Pfalz v. 25. 4. 1988 - 5 K 351/87, EFG 1988, 502 (502 f.), wonach Auszüge eines privaten Bankkontos nur nach § 147 I Nr. 5 AO aufzubewahren sein sollen, wenn geschäftsbezogene Vorgänge über das private Bankkonto laufen. Vgl. auch BFH v. 23. 10. 1990 - V i n R 1 / 86, BFHE 162, 539 (540 f.), wonach eine Vorlage privater Kontounterlagen (jedenfalls) bei einem Gewerbetreibenden unter bestimmten Voraussetzungen verlangt werden kann. Nach der Arbeitsgruppe „Steuerausfälle" Landesfinanzministerium Nordrhein-Westfalen, StB 1994, 446 (449 f.), besteht bei privaten Konten im Gegensatz zu den Konten Buchführungspflichtiger keine Aufbewahrungspflicht (zu § 1471 Nr. 5 AO 1994). 261 Ebenso Jacob/Vieten, FR 2004, 482 (483); zustimmend Bäuml, System und Reform, S. 75. 262 Tipke, in: Tipke/Kruse, § 97 AO Rn. 5 (Okt. 2000), sieht den Grund für das Fehlen der Anordnung einer Aufbewahrungspflicht bei privaten Kontounterlagen darin, dass § 30a AO nicht unterlaufen werden solle. 263 Schuster, in: H / H / S p , § 97 AO Rn. 18 (Juni 2004). 264 Die Anforderung von Auskünften setzt nicht voraus, dass eine lückenhafte oder Bedenken begründende Steuererklärung vorliegt oder Anhaltspunkte für das Entstehen einer Steuerschuld bestehen. Unzulässig sind aber Auskunftsverlangen „ins Blaue hinein", BFH v. 23. 10. 1990 - V m R 1 / 86, BFHE 162, 539 (541) m. w. N. Vgl. dazu BVerfG v. 9. 3. 2004 2 BvL 17/02, BVerfGE 110, 94 (129 f.). Nach dem BVerfG setzen Auskunftsersuchen einen hinreichenden Anlass voraus. Dazu muss eine Steuerverkürzung aufgrund konkreter Anhaltspunkte oder allgemeiner Erfahrungen möglich erscheinen, BVerfG v. 22. 3. 2005 - 1 BvR 2357/04, 1 BvQ 2/05, BVerfGE 112,284 (295) = DStRE 2005,482 (484). 265 Kritisch Tipke, in: FS für Offerhaus, S. 819 (825 f.), und ders., in: Tipke/Kruse, § 97 AO Rn. 9 (Okt. 2000), der eine unmittelbare Vorlagepflicht de lege ferenda für vorzugswürdig hält. Ebenso Arbeitsgruppe „Steuerausfälle" Landesfinanzministerium NRW, StB 1994, 399 (404). Bei einer Außenprüfung gelten die Einschränkungen des § 97 I I AO gemäß § 200 I 4 AO nicht. Vgl. zur Außenprüfung BFH v. 23.10. 1990 - V I I I R 1 / 86, BFHE 162, 539 (541). 266 Ob Bedenken bestehen, entscheidet dabei allein die Finanzbehörde im Rahmen der Beweiswürdigung. Die Bedenken der Finanzbehörde müssen jedoch zumindest möglich sein, Schuster, in: H / H / S p , § 97 AO Rn. 22 (Juni 2004).
I. Vollzugsdefizite bei der Besteuerung privater Veräußerungsgeschäfte
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abstrakte Möglichkeit unrichtiger Angaben besteht immer. Die Anforderung von Urkunden ins Blaue hinein ist daher immer unzulässig. 267 Soll ein unbekannter Steuerfall erforscht werden, muss für eine Ermittlungsmaßnahme ein begründeter Anlass vorliegen. 268 Macht der Steuerpflichtige also schlüssige Angaben, hat das Finanzamt regelmäßig keinen Grund, daran zu zweifeln 2 6 9 und kann die Vorlage der Jahresbescheinigung nicht verlangen. 270 Die Kontrolle erschwerend kommt hinzu, dass das Finanzamt kaum Anhaltspunkte dafür erlangen kann, dass der Steuerpflichtige Einkünfte aus Wertpapierveräußerungen erzielt hat. Aufgrund der Subsidiarität der Inanspruchnahme Dritter kommt eine Nachfrage beim Kreditinstitut dann erst recht nicht in Betracht. 271 Selbst wenn man vom Bestehen einer Vorlagepflicht nach § 97 A O 2 7 2 ausginge, fragt sich, ob das Finanzamt bei Nichtvorlage der Jahresbescheinigung ausreichende Handlungsmöglichkeiten hat; denn der Steuerpflichtige ist zur Aufbewahrung nicht verpflichtet. Besteht keine Aufbewahrungspflicht und besitzt der Steuerpflichtige die Unterlagen daher nicht, darf dies aber nicht zu seinem Nachteil gewertet werden. 2 7 3 Zudem stehen für eine Schätzung der Veräußerungseinkünfte keine Daten zur Verfügung, selbst Daten aus Voijahren sind aufgrund der Abhän267 Schuster, in: H / H / S p , § 97 AO Rn. 39 f. (Juni 2004). 268 Schuster, in: H / H / S p , § 97 AO Rn. 39 (Juni 2004). Die Voraussetzung konkreter Anhaltspunkte für ein Vorlageverlangen ergibt sich auch daraus, dass ein Vorlageverlangen geeignet, erforderlich, verhältnismäßig sowie erfüllbar und zumutbar sein muss. So Beermann / Hartmann, § 97 AO Rn. 7 (Okt. 1998); Schuster, in: H / H / S p , § 97 AO Rn. 8, 32 ff. (Juni 2004); siehe z. B. auch BFH v. 21. 10. 2003 - V I I B 85/03, BStBl. I I 2004, 36 (38); BFH v. 23. 10. 1990 - VIII R 1/86, BFHE 162, 539 (541) m. w. N. Vgl. auch Wünsch, in: Pahlke/ Koenig, AO, § 97 Rn. 3, wonach das Verlangen der Vorlage von privaten Kontoauszügen ohne konkrete Anhaltspunkte unverhältnismäßig sein kann. 269 Vgl. BVerfG v. 9. 3. 2004 - 2 BvL 17/02, BVerfGE 110, 94 (131); Bericht des BRH, BT-Drucks. 14/8863, S. 11. 270 Vgl. Komi Hamacher, EStG, § 24c Rn. 7 (Dez. 2004). Vgl. auch die Einschränkung von Harenberg, NWB Fach 3, 13141 (13142), wonach bei plausiblen Angaben des Steuerpflichtigen die Verhältnismäßigkeit der Ermittlungsmaßnahmen zu beachten ist. 271 Vgl. auch BVerfG, Fn. 269, BVerfGE 110, 94 (131). 272 Die Vorlagepflicht bedeutet i. d. R. Überlassung des Gewahrsams an der Urkunde an die Finanzbehörde, z. B. durch Zusendung per Post, 71pke, in: Tipke/Kruse, § 97 AO Rn. 7, 13 (Okt. 2000). Vgl. auch Schuster, in: H / H / S p , § 97 AO Rn. 47, 51 (Juni 2004). Also müsste auch die Jahresbescheinigung nach § 24c EStG an das Finanzamt geschickt werden (Grundsätzlich im Original, siehe Beermann I Hartmann, § 97 AO Rn. 12 (Okt. 1998). Kopien genügen nur dann, wenn für die Erbringung des Beweises unerheblich ist, ob Original oder Kopie vorgelegt wird, Klein/Brockmeyer, AO, § 97 Rn. 4; Schuster, in: H / H / S p , § 97 AO Rn. 8 (Juni 2004)). 273 Schuster, in: H / H / S p , § 97 AO Rn. 8 (Juni 2004). Vgl. auch Rn. 53: Verweigert der Steuerpflichtige die Vorlage, kann dies unter Umständen dahingehend gewürdigt werden, dass die Urkunde nicht den von ihm behaupteten Inhalt hat. Eine Bewertung zum Nachteil des Steuerpflichtigen ist aber nur dann möglich, wenn er diese Unterlagen führen und/oder aufbewahren musste. Vgl. auch Tipke, in: Tipke/Kruse, § 97 AO Rn. 5 (Okt. 2000): Aus der Weigerung, private Konten vorzulegen, kann nicht ohne weiteres geschlossen werden, dass Steuern verkürzt wurden.
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D. Verfassungsrechtliche Fragen bei Ausgestaltung des § 23 EStG
gigkeit der Veräußerungseinkünfte von der Börsenentwicklung und ihrer unregelmäßigen Erzielung wenig aussagekräftig. Eine Nachfrage bei der B a n k 2 7 4 ist jedenfalls dann nicht möglich, wenn keine konkreten Anhaltspunkte für die Unrichtigkeit der Angaben bestehen. 275 Dafür genügt der Verlust bzw. die bloße Nichtvorlage der Jahresbescheinigung nicht. Die Regelung der Vorlagepflicht von Urkunden mit speziellen Voraussetzungen spricht dafür, dass ein Rückgriff auf die allgemeinen Mitwirkungspflichten insoweit ausgeschlossen i s t . 2 7 6 Die Anordnung der Vorlage der Jahresbescheinigung ist daher im Regelfall nicht möglich. In Betracht kommt lediglich noch eine faktische Vorlagepflicht in den Fällen, in denen der Steuerpflichtige die in der Jahresbescheinigung ausgewiesene Kapitalertragsteuer auf die Einkommensteuer angerechnet bekommen möchte. Für diese Anrechnung ist gemäß § 36 I I Nr. 2 S. 2 EStG (ebenso § 44b I 2 EStG für die Steuerbescheinigung nach § 45a I E EStG) die Bescheinigung nach § 45a II, I I I EStG erforderlich. 277 Die Bescheinigung nach § 24c EStG genügt nach dem Wortlaut also nicht. 2 7 8 Der Steuerpflichtige kann jedenfalls in diesen Fällen die Kapitalertragsteuerbescheinigung beantragen. 279 274 Vgl. Jacob/Vieten, FR 2004,482 (483): Allein bei Weigerung zur Vorlage oder Verlust der Bescheinigung liege kein hinreichender Anfangsverdacht für eine Prüfungshandlung bei der Bank vor. Vereinzelt wird auch angeführt, eine Anforderung der Jahresbescheinigung durch das Finanzamt verstoße gegen § 30a IV AO (S. Wagner, INF 2004, 457 (459)), wonach in Vordrucken für Steuererklärungen grundsätzlich keine Angabe von Konten- und Depotnummern gefordert werden soll. Diese Regelung wird jedoch allenfalls unterlaufen, denn es handelt sich bei der Jahresbescheinigung schon nicht um einen Vordruck für Steuererklärungen. 275 Nach dem FG München v. 16. 10. 1996 - 1 K 983/92, EFG 1997, 42 f., kann sich das Finanzamt zwar an die Bank halten, wenn der Steuerpflichtige nicht willens oder in der Lage ist, angeforderte Unterlagen vorzulegen. In diesem Fall war jedoch zuvor wegen konkreter Anhaltspunkte auch ein Auskunfts- und Vorlageersuchen gegen den Steuerpflichtigen zulässig. Zu dem Problem bei Einzelauskunftsersuchen, worin die Rücksichtnahme auf das Vertrauensverhältnis bestehen soll, und der Bedeutung von § 30a V AO Tipke, in: Tipke/Kruse, § 30a AO Rn. 22 (März 2004). Nach dem AEAO zu § 93 AO Rn. 1.6 (BMF-Schreiben v. 10. 3. 2005 - IV A 4 - S 0062 - 1 / 0 5 , DStR 2005, 522) soll § 30a AO Auskunftsersuchen an Kreditinstitute nicht entgegenstehen. 276 Dagegen wird aber vereinzelt trotz Fehlens einer Vorlagepflicht bei der Steuererklärung für zulässig gehalten, dass das Finanzamt zur Überprüfung der Angaben die Bescheinigung nach § 90 AO anfordert. So Nickel, BBV 7/2004,17 (19 f.). 277 in den Gesetzentwürfen war dagegen zunächst die Aufnahme von § 24b EStG in § 36 II Nr. 2 S. 2 EStG vorgesehen, BT-Drucks. 15/119, S. 6; BT-Drucks. 15/1562, S. 4, vgl. auch S. 33. Zur Änderung wegen der Gefahr doppelter Berücksichtigung der Kapitalertragsteuer BT-Drucks. 15/1945, S. 10. 278 Ebenso Götzenberger, BBV 1/2005, 16 (17); Gürch, NWB Fach 3, 12733 (12734); Harenberg, NWB Fach 3, 13141. Anders Geurts, in: Bo/Br, EStG, § 24c Rn. 7 (Jan. 2005); Schmidt / Weber-Grellet, EStG, § 24c Rn. 2. Danach soll die Bescheinigung nach § 45a II, m
I. Vollzugsdefizite bei der Besteuerung privater Veräußerungsgeschäfte241
Im Ergebnis ist der Steuerpflichtige daher nach derzeit geltendem Recht weder zur Aufbewahrung noch - jedenfalls im Regelfall - zur Vorlage 280 der Jahresbescheinigung verpflichtet. Dabei ist durchaus denkbar, dass es sich um ein gesetzgeberisches Versehen handelt. Eine Behebung dieser misslichen Lage für die Zukunft ist auf einfache Weise möglich. Es müsste gesetzlich eine Vorlagepflicht für die Bescheinigung geregelt werden, die ohne weitere Voraussetzungen unabhängig davon besteht, ob der Steuerpflichtige angibt, Einkünfte aus privaten Veräußerungsgeschäften erzielt zu haben. Diese Vorlagepflicht könnte schon für die Abgabe der Steuererklärung oder erst für Nachfragen des Finanzamtes gelten. Erst dadurch würde die Jahresbescheinigung ein effektives Kontrollmittel für die Besteuerung von Wertpapierveräußerungen. Als nächster Schritt des Gesetzgebers erscheint die Regelung einer solchen Vorlagepflicht der Bescheinigung oder eine entsprechende Meldepflicht der Kreditinstitute und anderen Verpflichteten, die demgegenüber den Umweg über den Steuerpflichtigen einsparen würde, sehr wahrscheinlich. Zu vermuten ist, dass der Gesetzgeber das Verfahren zur Erfassung der Veräußerungs- und Kapitaleinkünfte nur langsam verbessern will, um den Widerstand bei der jedenfalls faktischen Abschaffung des Bankgeheimnisses zu verringern.
bb) Einfügung der Abrufmöglichkeit der Kontoinformationen gemäß § 93 VII AO und § 93b AO Bei der Abrufmöglichkeit der Kontoinformationen gemäß § 24c KWG nach § 93 VII AO und § 93b A O 2 8 1 handelt sich um ein Auskunftsersuchen gegenüber den Kreditinstituten über das Bundesamt für Finanzen.282 Die Abrufmöglichkeit bezieht sich nur auf die Feststellung der Kontostammdaten, nicht auf Kontostände und Kontobewegungen, für deren Feststellung weitere Ermittlungen erforderlich EStG nur für bestimmte Zwecke (z. B. Notaranderkonten) erforderlich sein. Auch nach dem Hinweisblatt in der Anlage zum BMF-Schreiben zu § 24c EStG v. 31. 8. 2004 - IV C 1 S 2401 - 1 9 / 0 4 und IV C 3 - S 2256 - 206/04, BStBl. I 2004, 854 (859), ist aber für die Anrechnung von Kapitalertragsteuer weiterhin die Steuerbescheinigung nach § 45a II, I I I EStG notwendig. 279 Da der Steuerpflichtige beide Steuerbescheinigungen hat und keine Vorlagepflicht besteht, soll er über die Auswahl der Bescheinigungen bestimmen können, was besteuert wird, von Wedelstädt, DB 2004,408; zustimmend S. Wagner, INF 2004,457. 2 *o So z. B. auch Blümich/Glenk, § 23 EStG Rn. 18 (März 2005); Bäuml, System und Reform, S. 75; Harenberg, NWB Fach 3, 12869 (12871); ders., GStB 2004, 116 (118); ders., NWB Fach 3,13141; S. Wagner, INF 2004,457 (458); ebenso wohl Hey, DB 2004,724 (728). 281 Eingeführt durch das Gesetz zur Förderung der Steuerehrlichkeit vom 23. 12. 2003, BGBl. 12003, 2928. In-Kraft-Treten am 1. 4. 2005. 2*2 BT-Drucks. 15/1309, S. 12. Vgl. Schuster, in: H / H / S p , § 93 AO Rn. 102 (März 2005). 16 Dechant
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D. Verfassungsrechtliche Fragen bei Ausgestaltung des § 23 EStG
sind. 2 8 3 Daher können die abgewickelten Transaktionen mit Wertpapieren ohnehin nicht ermittelt werden. 2 8 4 Nach der Gesetzesbegründung sollte § 30a A O auch nicht eingeschränkt werden. 2 8 5 Dieser habe solche Ermittlungen bereits nach alter Rechtslage zugelassen. 286 Diesbezüglich wird kritisiert, dass ohne Einschränkung des § 30a A O das strukturelle Vollzugsdefizit bestehen bleibe. 2 8 7 Die Abrufmöglichkeit ist zudem nicht ,4ns Blaue hinein", sondern nur bei konkreten Anhaltspunkten zulässig. 288 Hat die Finanzverwaltung keinen Grund, an der Angabe des Steuerpflichtigen zu zweifeln, dass er kein Depot habe, 2 8 9 kann sie daher nicht einmal die Existenz von Depots überprüfen. Deswegen ist der Kritik zuzustimmen, dass durch die Änderung ein verwirrendes Nebeneinander aus erweiterten, aber bislang nicht effektiven Kontrollmöglichkeiten bei gleichzeitiger Fortgeltung von § 30a A O entstanden i s t . 2 9 0
283 BT-Drucks. 15/1309, S. 12. Ebenso AEAO zu § 93 AO Rn. 2.1; S. Wagner, INF 2004, 457 (459). So jetzt auch BFH v. 29. 11. 2005 - D i R 49/04, DStR 2006, 79 (81). Vgl. Seipl/ Wiese, DStR 2005, 98 (100), wonach erst in Kombination mit der Jahresbescheinigung Feststellungen über Veräußerungsgeschäfte möglich werden. 284 Ebenso Jacob/Vieten, FR 2004, 482 (483); zustimmend Bäuml, System und Reform, S. 74. A. A. Best, DStR 2004, 1819 (1820), nach dessen Ansicht über Auskunftsersuchen bei der Bank alle Konten- und Depotbewegungen abgefragt werden können; ebenso jetzt BFH v. 29. 11. 2005 - IX R 49/04, DStR 2006, 79 (81). Der BFH will für ein Auskunftsersuchen bereits genügen lassen, dass jahrelang ein Depot bestand und keine privaten Veräußerungsgeschäfte deklariert wurden (obwohl dies auch allein den Grund haben kann, dass die Wertpapiere über den Ablauf der Veräußerungsfrist hinaus gehalten wurden). 285 BT-Drucks. 15/1309, S. 12. Kritisch Hilgers-Klautzsch, StuW 2003, 297 (304), die meint, das Bankgeheimnis werde zwar nicht aufgehoben, aber ausgehebelt, was ebenso den Ankündigungen widerspreche. 286 BT-Drucks. 15/1309, S. 12. 287 Hey, DB 2004, 724 (728). Wenn eine Einschränkung erfolge, gebiete dagegen die Widerspruchsfreiheit die Abschaffung des § 30a AO. 288 Ebenso BVerfG v. 22. 3. 2005 - 1 BvR 2357/04, 1 BvQ 2/05, BVerfGE 112, 284 (297) = DStRE 2005, 482 (485); S. Wagner, INF 2004, 457 (459); vgl. Jacob/Vieten, FR 2004, 482 (483): Indiz, dass steuerlich relevante Informationen nicht erklärt wurden; zustimmend Bäuml, System und Reform, S. 74. A. A. Hilgers-Klautzsch, StuW 2003, 297 (304); Handelsblatt v. 3. 11. 2004, S. 22; Spiegel online v. 18. 11. 2004, Der lautlose Tod des Bankgeheimnisses; a. A. wohl auch Seipl/Wiese, DStR 2005, 98 (100). Nach dem AEAO zu § 93 AO Rn. 2.3 muss der Kontenabruf aufgrund konkreter Momente oder allgemeiner Erfahrungen angezeigt sein, aber kein begründeter Verdacht von Unregelmäßigkeiten bestehen. 289 Ähnlich Bäuml, System und Reform, S. 74. Zur Subsidiarität vgl. Schuster, in: H / H / S p , § 93 AO Rn. 102 (März 2005). 290 Hey, DB 2004, 724 (727). Der BFH nimmt dagegen jetzt an, aufgrund der Einführung des Kontenabrufverfahrens bestehe kein normatives Defizit mehr. Er hält die Besteuerung ab 1999 für verfassungsmäßig (s. o.), BFH v. 29. 11. 2005 - IX R 49/04, DStR 2006, 79 (LS, 80 ff.).
I. Vollzugsdefizite bei der Besteuerung privater Veräußerungsgeschäfte
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cc) Zwischenergebnis Die Rechtslage ist somit auch ab dem Jahr 2004 noch undurchsichtig.291 Legt man die Argumentation des BVerfG aus dem „Spekulationsurteil" zugrunde, kann man schon aus der Rechtsunsicherheit im Hinblick auf die Kontrollmöglichkeiten auf das Fortbestehen der Völlzugsdefizite schließen. Nach der hier vertretenen Auffassung besteht das Vollzugsdefizit ohnehin wegen des Fehlens einer Vorlagepflicht für die Bescheinigung fort. 292 Eine Verbesserung der Rechtslage ließe sich einfach durch eine Vorlagepflicht des Steuerpflichtigen bzw. durch eine Mitteilungspflicht der Bank 293 für diese Daten erreichen. Die Banken könnten die Angabe der Steuernummer von den Kunden fordern und die Daten den Finanzbehörden gegebenenfalls auch elektronisch zur Verfügung stellen.294 Dies würde - selbst wenn man entgegen der hier vertretenen Ansicht von einem hohen damit verbundenen Verwaltungsaufwand ausgeht - wenigstens stichprobenartige Kontrollen ermöglichen und so die Sanktionswahrscheinlichkeit wesentlich erhöhen. Auch ein Quellensteuerabzug ist grundsätzlich denkbar und wurde auch vom BVerfG angesprochen.295 Im Vergleich zu den bereits bestehenden Pflichten der Kreditinstitute wäre der damit verbundene Aufwand auch nicht wesentlich höher, sofern klare Regelungen für die Berechnung der Gewinne geschaffen werden. Dann würde sich die nächste Frage stellen, ob die Quellensteuer Abgeltungswirkung haben soll oder nicht. 296 Nichtsdestotrotz ist § 30a AO verfassungswidrig und abzuschaffen. 297 291 Ebenso Hey, DB 2004, 724 (728). 292 Für die Verfassungswidrigkeit der geltenden Regelung ebenso Bäuml, System und Reform, S. 76,78. Für das Fortbestehen der Erhebungsdefizite trotz § 24c EStG auch S. Wagner, DStZ 2005,251 (252 f.). 293 Vgl. dazu Jacob/Vieten, FR 2004, 482 (484); Hey, DB 2004, 724 (728 f.). Das BMF lehnte allerdings das vom BRH als zweite mögliche Lösung vorgeschlagene Kontrollmitteilungsverfahren unter Hinweis auf den dadurch entstehenden Verwaltungsaufwand, den Widerstand der Kreditinstitute und die drohende Kapitalflucht ab, Bericht des BRH, BT-Drucks. 14/8863, S. 4, 11. 294 Ahnlich ist die Rechtslage in den USA mit der Taxpayer Identification Number. Dazu Jacob/Vieten, FR 2004,482 (484). 295 So schon der Bericht des BRH, BT-Drucks. 14/8863, S. 3 f. (zu den damit verbundenen Schwierigkeiten siehe S. 11). Siehe auch Jacob/Vieten, FR 2004, 482 (484). Gegen eine Quellensteuer Hey, DB 2004, 724 (729), die diese bei Veräußerungsgeschäften nicht für geeignet hält. Der Gewinn sei für die Bank kaum berechenbar und ein Abzug vom Veräußerungspreis führe zu willkürlichen Ergebnissen. Zur Diskussion um eine abgeltende Spekulationsertragsteuer in Österreich vgl. z. B. Sendlhofer, ÖStZ 1999, 534 ff.; Wurmsdobler, ÖStZ 2000, 113 ff. 296 Für eine niedrige abgeltende Quellensteuer mit Veranlagungs Wahlrecht Jacob /Vieten, FR 2004,482 (484). 297 Vgl. auch Kraft/Bäuml, DB 2004, 615 (620): Eine Lockerung des Bankgeheimnisses sei unverzichtbar. Für die Aufhebung des § 30a AO ebenfalls Bäuml, System und Reform, S. 88,92. 1*
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D. Verfassungsrechtliche Fragen bei Ausgestaltung des § 23 EStG
Da die verfassungsrechtlichen Zweifel bei § 23 EStG noch nicht vollständig ausgeräumt sind, ist für die von der Entscheidung nicht erfassten Jahre ab 1999 mit einem erneuten Verfahren vor dem BVerfG zu rechnen. 298 Insofern hätte das BVerfG unter Umständen besser auch über die Folgejahre entscheiden sollen, zumal diese vom BFH in der Vorlage bereits gewürdigt worden waren. Das hätte neben der Vermeidung weiterer Verfahren schneller Rechtssicherheit geschaffen.
3. Übertragung der Grundsätze bei Wertpapierveräußerungen auf andere Veräußerungsgeschäfte Aufgrund dieser für Wertpapierveräußerungen gewonnenen Erkenntnisse stellt sich die Frage, welche Gegenstände in die Besteuerung privater Veräußerungsgeschäfte einbezogen werden können, insbesondere welche Auswirkungen ein nicht zu beseitigendes Vollzugsdefizit hat. Dabei ist nach den verschiedenen Wirtschaftsgütern zu differenzieren. a) Veräußerungsgeschäfte
im Betriebsvermögen
Im Betriebsvermögen ist wegen der dort regelmäßig erforderlichen Bilanzierung von der Erfassung der Veräußerungsgeschäfte und insbesondere der Wertpapierveräußerungen auszugehen.299 Durch die hier ohne weitere Voraussetzungen mögliche Außenprüfung (§ 193 I A O ) steht ein effektives Kontrollinstrument zur Verfügung. Insoweit bestehen also höchstens vereinzelt Vollzugsdefizite. b) Grundstücke und grundstücksgleiche
Rechte
Nach § 18 I GrEStG müssen Gerichte, Behörden und Notare dem zuständigen Finanzamt schriftlich nach amtlich vorgeschriebenem Vordruck Anzeige über die unter das GrEStG fallenden Rechtsvorgänge erstatten. Zu nennen sind gemäß § 20 I GrEStG vor allem Veräußerer, Erwerber, Art des anzeigepflichtigen Vorgangs und die Gegenleistung. Dadurch lässt sich bei Grundstücksgeschäften der steuerpflichtige Sachverhalt für die Finanzverwaltung leichter ermitteln als bei anderen Gegenständen des Privatvermögens. Das BVerfG hat in seiner Entscheidung zu § 23 EStG ebenfalls auf die Unterschiede bei der Besteuerung von Grundstücken und Wertpapieren hingewiesen.300 Auch der BFH hat bei Grundstücken in den Anzeigepflichten aus § 181, II GrEStG 298 Ebenso z. B. Harenberg, KFR F. 3 EStG § 23, 2/04, S. 181 (183). 299 So auch Seiler, JZ 2004,481 (Fn. 5). 300 BVerfG v. 9. 3. 2004 - 2 BvL 17/02, BVerfGE 110, 94 (132). Vgl. auch Saathoff, FR 1998, 917 (926), der wegen der gesicherten Erfassung und der Unmöglichkeit der Steuerflucht eine fristunabhängige Besteuerung von Grundstücksveräußerungen fordert.
I. Vollzugsdefizite bei der Besteuerung privater Veräußerungsgeschäfte245
eine ausreichende Vorsorge des Gesetzgebers gesehen und ein strukturelles Vollzugsdefizit abgelehnt.301 Aufgrund der eine Kontrolle ermöglichenden Mitteilungspflichten vor allem der Notare besteht also im Bereich der Grundstücksgeschäfte kein strukturelles Vollzugsdefizit. c) Anteile an Kapitalgesellschaften,
insbesondere GmbH-Anteile
§ 54 EStDV sieht vor, dass die Notare den Finanzbehörden vor allem bei der Verfügung über Anteile an Kapitalgesellschaften, aber auch bei Gründung, Auflösung und in weiteren Fällen eine beglaubigte Abschrift der aufgenommenen Urkunden zusenden. Damit ist insoweit die Besteuerung sichergestellt. Lediglich bei Beurkundungen im Ausland ist dies nicht der Fall. 3 0 2 d) Termingeschäfte Zu Termingeschäften hat das BVerfG in seiner Entscheidung nicht Stellung genommen, da sich die Entscheidung nur auf die Jahre 1997 und 1998 bezieht und die Besteuerung der Termingeschäfte durch das StEntlG erst mit Wirkung ab 1999 eingeführt wurde. 303 In der Literatur wird kritisiert, auch bei den Termingeschäften stehe den Finanzbehörden kein Ermittlungsinstrumentarium zur Verfügung, um eine gleichmäßige und vollständige Steuerfestsetzung sicherzustellen.304 Festzustellen ist, dass für die Jahre 1999 bis 2003 auch bei Termingeschäften § 30a AO und das oben zu Wertpapieren Gesagte gilt. Zwar bestehen unter Umständen in Einzelfällen wegen besonderer Anhaltspunkte Kontrollmöglichkeiten der Verwaltung. Eine effiziente und im Massenverfahren praktikabel durchführbare Kontrollmöglichkeit existiert jedenfalls nicht, vor allem wegen der durch § 30a AO 301 BFH v. 16. 12. 2003 - IX R 46/02, BFHE 204, 228 (258). 302 Korn ¡Carié, EStG, § 23 Rn. 44 (Aug. 2004). Beurkundungen im Ausland sind nur dann zulässig, wenn die Ortsform mit der notariellen Beurkundung in Deutschland ungefähr gleichwertig ist (str.), so Lutter/Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, GmbH-Gesetz, § 15 Rn. 16, § 2 Rn. 16 m. w. N. Vgl. zu § 54 EStDV auch Schmidt/Weber-Grellet, EStG, § 17 Rn. 19, der offen lässt, ob der Vollzug der Besteuerung gemäß § 17 EStG dadurch ausreichend abgesichert ist. Für ein erhebliches Vollzugsdefizit auch bei § 17 EStG und für die Erforderlichkeit von Aufzeichnungs- und Anzeigepflichten van Lishaut, StuW 2000, 182 (192). Ferner ist nach Ansicht des BVerfG, sofern die 1 %-Grenze des § 17 EStG überschritten wird, wegen des gewerblichen Charakters dieser privaten Veräußerungsgewinne eine Außenprüfung möglich, BVerfG v. 9. 3. 2004 - 2 BvL 17/02, BVerfGE 110, 94 (133). A. A. aber überzeugend Eckhoff, in: H / H / S p , § 193 AO Rz. 61 (Sept. 2003). 303 Dazu oben B.V. (S. 45). 304 Blümich / Glenk, § 23 EStG Rn. 10 (Aug. 2004, a. F.). Vgl. auch Frotscher!Lindberg, EStG, § 23 Rn. 21 (Nov. 2004); Jakob, Einkommensteuer, § 3 Rn. 461.
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D. Verfassungsrechtliche Fragen bei Ausgestaltung des § 23 EStG
verursachten Einschränkungen bzw. Rechtsunsicherheit bei Kontrollmitteilungen und Auskunftsersuchen. Die Rechtslage hat sich - wie oben dargestellt - gegenüber 1997 und 1998 nicht entscheidend verändert. Vor allem greift hier nicht das vom BVerfG gegen eine Übertragbarkeit der Entscheidung auf die Folgejahre herangezogene Argument der verschlechterten Börsenlage, die keine wesentlichen Erträge mehr erwarten lasse, denn mit Termingeschäften lassen sich gerade auch bei deutlichen Abwärtsbewegungen der Börse hohe Gewinne erzielen. Die ab 2004 nach § 24c EStG auszustellende zusammenfassende Jahresbescheinigung enthält auch die für die Besteuerung der Termingeschäfte nach § 2311 Nr. 4 EStG erforderlichen Angaben. Damit ist jedoch auch bei bankbezogenen Termingeschäften die Besteuerung nur dann gewährleistet, wenn man annimmt, dass das Finanzamt die Vorlage der Jahresbescheinigung vom Steuerpflichtigen oder der Bank verlangen und dies effektiv durchsetzen kann. 305 Nach der hier vertretenen Ansicht ist das nach gegenwärtiger Rechtslage nicht der Fall. 3 0 6 Eine entsprechende Pflicht könnte aber leicht ins Gesetz eingefügt werden und so eine effektive Kontrollmöglichkeit schaffen. Somit bestehen auch bei den Termingeschäften verfassungswidrige strukturelle Vollzugsdefizite. Dies gilt jedenfalls für die Jahre 1999 bis 2003. Ab 2004 ist die Rechtslage wegen § 24c EStG schwieriger zu beurteilen, nach hier vertretener Auffassung bleiben die Vollzugsdefizite auch zukünftig bis zur Einführung einer Vorlagepflicht für die Jahresbescheinigung oder Abschaffung des § 30a AO bestehen. e) Veräußerungen sonstiger privater Gegenstände Auch bei Veräußerungen von sonstigen Gegenständen des Privatvermögens stellt sich die Frage nach deren gleichmäßiger tatsächlicher Erfassung. 307 Zu diesen Gegenständen gehören z. B. Schmuck, Autos, Kunstgegenstände und Antiquitäten. Betroffen sind dabei Veräußerungen unter Privaten und von Privaten an Geschäftsleute. In der Literatur wird die Auffassung vertreten, dass sich in der privaten Konsumsphäre eine gleichmäßige Besteuerung der Veräußerungseinkünfte praktisch nicht verwirklichen lasse.308 Die Verfassungswidrigkeit der bestehenden Besteuerung wird jedoch teilweise ausdrücklich abgelehnt.309 Es fehle an der Voraussetzung, dass das normative Umfeld Kontrolle und Ermittlung unmöglich macht. 310 305 Dazu oben D.I.2.d). 306 Zur Frage der Vollzugsdefizite bei Termingeschäften vgl. auch Harenberg, KFR F. 3 EStG § 23, 2/04, S. 181 (184), der eine anhaltende Rechtsunsicherheit konstatiert. 307 Vgl. z. B. Herzig/Lutterbach, DStR 1999, 521 (527). 308 Lang, in: Tipke/Lang, § 9 Rz. 597. 309 Lademann /Warnke, EStG, § 23 Rn. 34 (März 1998). Siehe aber auch Müller-Franken, in: GS für Trzaskalik, S. 195 (212 f.), nach dessen Ansicht die Besteuerung von rein privat genutztem beweglichem Vermögen wegen fehlender Kontrollmöglichkeiten unzulässig ist.
I. Vollzugsdefizite bei der Besteuerung privater Veräußerungsgeschäfte247
Die Frage, wie eine Besteuerung der übrigen Wirtschaftsgüter im Hinblick auf mögliche Vollzugsdefizite auszusehen hat, soll im Folgenden näher untersucht werden. Nach den oben genannten Grundsätzen ist zunächst zu klären, ob ein Vollzugsdefizit besteht, und danach festzustellen, ob dieses normativ bedingt und dem Gesetzgeber zuzurechnen ist. aa) Bestehen eines Vollzugsdefizits Es ist zu vermuten, dass der Steuerpflichtige nur dann bereit ist, die Gewinne zu deklarieren, wenn er mit deren Entdeckung durch die Finanzbehörden rechnet.311 Im Einzelfall können die Anzeigepflichten von Vermögensverwahrern, Vermögensverwaltern, Gerichten, Behörden, Beamten, Notaren u. a. nach §§ 33, 34 ErbStG, §§ 1 ff. ErbStDV die Finanzverwaltung vom Vorliegen eines Veräußerungsgeschäftes in Kenntnis setzen.312 Die Finanzbehörden werden ansonsten bei Verkäufen unter Privaten oder von Privaten an Händler jedoch nicht ohne die Angabe des Steuerpflichtigen in seiner Steuererklärung von dem Veräußerungsgeschäft erfahren. Private sind ebenso wie Gewerbetreibende nicht zur Anzeige oder Aufzeichnung des Namens des Geschäftspartners verpflichtet. Eine effektive Kontrollmöglichkeit der Finanzverwaltung bzgl. der Angaben des Steuerpflichtigen in seiner Steuererklärung besteht daher nicht. 313 Auch eine Quellensteuer, die ebenso zur Sicherstellung der Besteuerung in Betracht käme, 314 wird nicht erhoben. 3 ' 5 Ein Teil der Gewinne wird allerdings unter der Freigrenze des § 23 III 6 EStG i. H. v. 512 € liegen und damit bei Fehlen anderweitiger Gewinne nicht steuerbar sein. Oftmals werden diese Gegenstände auch nicht mit Gewinn veräußert und oft auch außerhalb der Jahresfrist. Insbesondere bei privaten Gebrauchsgegenständen findet regelmäßig ein Wertverzehr statt, so dass keine Veräußerungsgewinne erzielt werden. Insoweit besteht schon kein Vollzugsdefizit. Die Bedeutung des verbleibenden Vollzugsdefizits 316 ist dadurch begrenzt, dass diese übrigen Gegenstände gegenüber dem Aufkommen aus Grundstücken und Wertpapieren eine untergeordnete Rolle spielen. 310 Harenberg, NWB Fach 3, 12869 (12870). 311 Korn ¡Carié, EStG, § 23 Rn. 42 (Aug. 2004). 312 Vgl. Crezelius, in: K / S / M , EStG, § 23 Rn. A 52 (Jan. 1995). 313 Nach Förster, in: FS für Flick, S. 721 (733 f.), bestehen insbesondere bei privaten Veräußerungen ohne Beteiligung eines Dritten keine hinreichenden Kontrollmöglichkeiten. 314 Vgl. BVerfG v. 9. 3. 2004 - 2 BvL 17/02, BVerfGE 110, 94 (113 f.). 315 Dabei ist auch bereits zweifelhaft, ob eine Quellensteuer insoweit überhaupt möglich wäre. Bei der Bemessung nach dem tatsächlichen Gewinn entstehen erhebliche Schwierigkeiten. 316 Im Ergebnis geht auch Korn ¡Carié, EStG, § 23 Rn. 42 (Aug. 2004), davon aus, dass die Erfassung privater Veräußerungsgeschäfte (ausgenommen Geschäftsanteile und Wertpapiere) äußerst gering ist.
248
D. Verfassungsrechtliche Fragen bei Ausgestaltung des § 23 EStG
bb) Zurechenbarkeit des Vollzugsdefizits Nach der Rechtsprechung des BVerfG tritt die Verfassungswidrigkeit der materiellen Steuernorm nur unter der zweiten Voraussetzung ein, dass ein etwaiges Vollzugsdefizit dem Gesetzgeber zuzurechnen ist. Allein das Bestehen immer wieder auftretender Vollzugsmängel genügt nicht. 317 Schließlich gibt es in allen Bereichen des Steuerrechts und auch in anderen Rechtsgebieten Vollzugs- bzw. Erhebungsdefizite. Die empirische Ineffektivität von Rechtsnormen führt nicht ohne weiteres zu einem Verstoß gegen den Gleichheitssatz, wohl aber das normative Defizit des widersprüchlich auf Ineffektivität angelegten Rechts.318 Der Gesetzgeber muss verfahrensrechtlich die Gleichheit im Belastungserfolg absichern, indem er ein entsprechendes normatives Umfeld für die materielle Regelung schafft. 319 Verboten sind zunächst Normen, die das Besteuerungsverfahren behindern. Das BVerfG hat im Spekulationsurteil aber auch das Fehlen ermittlungsfördernder Verfahrensregeln moniert, 320 also ein Unterlassen des Gesetzgebers. Der Gesetzgeber müsse die materielle Steuervorschrift in ein normatives Umfeld einbetten, das die tatsächliche Lastengleichheit gewährleiste.321 Ebenso wird in der Literatur angenommen, auch ein Schweigen des Gesetzgebers könne vollzugshemmend sein. 322 Damit stellt sich die Frage, ob es dem Gesetzgeber überhaupt möglich wäre, durch gesetzliche Maßnahmen sicherzustellen, dass die Angaben des Steuerpflichtigen über sonstige Veräußerungsgegenstände verifiziert werden können. Denn nicht zu beseitigende Vollzugsdefizite können dem Gesetzgeber nicht zugerechnet werden. 323 Zunächst erscheinen Meldepflichten der am Geschäft Beteiligten wie bei Grundstücken denkbar. In diesen Fällen ist aber ein Notar vorhanden, der verpflichtet werden kann. Hier kämen nur Meldepflichten für Händler in Betracht, die von Privaten Schmuck, Antiquitäten etc. ankaufen. 324 Zudem könnte man noch an Melde317 BVerfG v. 9. 3. 2004 - 2 BvL 17/02, BVerfGE 110, 94 (113); BVerfG v. 27. 6. 1991 2 BvR 1493/89, BVerfGE 84, 239 (272). 318 BVerfG, Fn. 317, BVerfGE 110, 94 (113). 319 Vgl. oben D.I.2.c)aa). 320 BVerfG, Fn. 317, BVerfGE 110, 94 (119,136 f.). 321 BVerfG, Fn. 317, BVerfGE 110, 94 (113). 322 Seilen JZ 2004,481 (486). 323 Dazu oben D.I.2.c)aa)(3). Vgl. Eckhoff, S. 530, demzufolge dem Gesetzgeber nichts Unmögliches abverlangt werden dürfe. Andererseits könnte man annehmen, der Gesetzgeber dürfe keine Steuertatbestände aufstellen, die unkontrollierbar sind. Dazu Eckhoff, S. 534, 275 f. Vgl. Arbeitsgruppe „Steuerausfälle", StB 1994, 399 (400, 402): Es sollten nur noch verifizierbare Sachverhalte mit steuerlichen Rechtsfolgen belegt werden. 324 N u r insoweit wäre auch eine Quellensteuer denkbar. Gegen diese spricht aber bereits, dass der Händler nicht die Anschaffungskosten kennt und die Quellensteuer daher nur pauschaliert vom Veräußerungserlös erhoben werden könnte und im Veranlagungsverfahren korrigiert werden müsste.
I. Vollzugsdefizite bei der Besteuerung privater Veräußerungsgeschäfte249
pflichten für gewerbliche Vermittler wie Internet-Auktionshäuser denken, denen teilweise die Daten der Beteiligten und der Einzelheiten der Veräußerung zur Verfügung stehen. Damit wäre aber zumeist nur der Veräußerungserlös bekannt und ohnehin allenfalls eine ausschnittsweise Kontrolle der Veräußerungsgeschäfte möglich. Zudem ist der damit verbundene Verwaltungsaufwand sehr hoch. In vielen Fällen werden etwaige Gewinne auch unter der jährlichen Freigrenze von 512 € nach § 23 IE 6 EStG liegen. Bei Veräußerungen unter Privaten ist ohnehin keine effektive Kontrolle möglich. Selbst bei einer Anzeige- oder Aufzeichnungspflicht für private Veräußerungsgeschäfte könnte deren Einhaltung kaum überprüft werden. Denkbar wäre noch, dass auch Private zur Führung eines Vermögensverzeichnisses (zumindest für Gegenstände ab einem bestimmten Wert) verpflichtet werden. An der Verhältnismäßigkeit dieser Maßnahme ist aber wegen des Schutzes der Privatsphäre zu zweifeln, insbesondere da mit Kunstgegenständen, Sammelobjekten und Antiquitäten auch Gegenstände der privaten Lebensführung betroffen sein können.325 Die Maßnahmen dienen zwar der Herstellung von Steuergerechtigkeit, die weitreichenden Aufzeichnungspflichten erscheinen gegenüber den geringen zu erwartenden Veräußerungsgewinnen aber nicht angemessen. Abgesehen davon wäre ohne eine effektive Überprüfungsmöglichkeit der Finanzverwaltung, die dann das Betreten der Wohnung, die Einsichtnahme in die Kontoführung und den Abgleich mit dem Vermögensverzeichnis umfassen müsste, selbst dann die zutreffende Deklaration nicht sicherzustellen. Die Gründe für das insoweit bestehende Vollzugsdefizit sind somit in erster Linie tatsächlicher Art. Der Gesetzgeber hat in diesem Bereich keine geeigneten Möglichkeiten zur Verifikation. Das in begrenztem Umfang bestehende Vollzugsdefizit ist dem Gesetzgeber nicht zurechenbar. Im Ergebnis besteht demzufolge bei sonstigen Vermögensgegenständen zwar ein Vollzugsdefizit. Dies könnte aber allenfalls für Veräußerungen an Geschäftsleute und nur mit hohem Verwaltungsaufwand durch den Gesetzgeber beseitigt werden. In weiten Teilen ist es dem Gesetzgeber aus tatsächlichen Gründen unmöglich, effektive Kontrollmöglichkeiten oder eine Quellensteuer einzurichten. Das Vollzugsdefizit ist dem Gesetzgeber daher nicht zuzurechnen und die Besteuerung deswegen insoweit nicht verfassungswidrig. Insbesondere bei einer fristunabhängigen Besteuerung privater Veräußerungen ist aber zu überlegen, ob nicht de lege ferenda eine Beschränkung der Besteuerung auf bestimmte Veräußerungsgegenstände erfolgen sollte, um die aufgezeigten Vollzugsdefizite zu verhindem. 326
325 Vgl. dazu oben C.I.4.c)bb)(2). 326 Dazu unten D.VII. Für die Nichtberücksichtigung von mit verhältnismäßigen Mitteln nicht erfassbaren Sachverhalten Tipke, StRO II, S. 733.
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D. Verfassungsrechtliche Fragen bei Ausgestaltung des § 23 EStG
4. Zusammenfassung Die Entscheidung des BVerfG zu den bankbezogenen privaten Veräußerungsgeschäften überzeugt hinsichtlich der Feststellung der Verfassungswidrigkeit. Eine klare Aussage zur Verfassungswidrigkeit des § 30a AO wäre jedoch wünschenswert gewesen.327 Dann hätten die in diesem Bereich bestehenden Vollzugsdefizite schon wesentlich früher beseitigt werden können. Hinsichtlich der Tragweite der Abschaffung des sog. Bankgeheimnisses ist die Zurückhaltung des BVerfG verständlich. Zur politischen Rücksichtnahme ist es aber nicht verpflichtet, sondern nur zur Überprüfung der Verfassungsmäßigkeit der Regelungen. Jedenfalls ist nun schnellstmöglich eine Abschaffung des § 30a AO geboten.328 Bei grundstücksbezogenen Geschäften und insbesondere bei GmbH-Anteilen ist die Besteuerung durch die Mitteilungspflichten der Notare sichergestellt. Bei den übrigen Wirtschaftsgütern kann der Gesetzgeber aus tatsächlichen Gründen die Finanzverwaltung nicht in die Lage versetzen, jedes Veräußerungsgeschäft überprüfen zu können. Bestehende Vollzugsdefizite sind dem Gesetzgeber daher nicht zuzurechnen. Eine Ausnahme für die betroffenen Veräußerungsgeschäfte hätte allerdings den Vorteil, dass die Ehrlichen nicht benachteiligt würden.
I I . Erforderlichkeit eines Inflationsausgleichs bei § 23 EStG 1. Auswirkungen der Inflation auf die Besteuerung Im Vergleich zu anderen Ländern war die Geldentwertung in Deutschland bislang gering. Nach Einführung des Euro wird allerdings eine Steigerung der Inflati329
onsraten erwartet. Das Nominalwertprinzip (oder Nennwertprinzip oder Grundsatz Euro = Euro) 330 bedeutet, dass Geldeinheiten unabhängig vom Zeitablauf gleichgesetzt werden und die unterschiedliche Kaufkraft zu unterschiedlichen Zeitpunkten unbeachtlich ist. 331 Die Inflation führt aufgrund dieses Nominalwertprinzips bei der Besteuerung dazu, dass sog. Scheingewinne332 erfasst werden. 333 Denn bei Ansatz der his327 Vgl. Tipke, in: Tipke/Kruse, § 30a AO Rn. 1 (März 2004). 328 Ebenso Tipke, in: Tipke/Kruse, § 30a AO Rn. 38 (März 2004); Birk, StuW 2004, 277
(282).
329 Z. B. Seicht, in: FS für Fischer, S. 207 (209 f.). 330 Siehe z. B. BFH v. 14. 5. 1974 - VIII R 95/72, BFHE 112, 546 (554); Birk/Barth, H / H / S p , § 4 AO Rz. 483 ff. (Nov. 1997); Kirchhof/Kirchhof, EStG, § 2 Rn. 77.
in:
331 Ruppe, in: H / H / R , Einf. ESt Anm. 550 (Febr. 1990). Vgl. Tipke, StRO I, S. 513. 332 Zu Berechnungen für die Besteuerung von Scheingewinnen am Beispiel von Bauland und Aktien Watrin/Lühn, DB 2003, 168 (170 f.). 333 Crezelius, in: K / S / M , EStG, § 23 Rn. A 23 (Jan. 1995); Seicht, in: FS für Fischer, S. 207 (215), der die Bedeutung der Anschaffungspreisregel betont. Dazu schon oben C.I.4.d).
II. Erforderlichkeit eines Inflationsausgleichs bei § 23 EStG
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torischen Anschaffungskosten mit dem nominellen Wert bleibt unberücksichtigt, dass dieser eine höhere Kaufkraft hatte als eine gleiche Summe heutiger Währung. 334 Daher spiegelt bei einer nominellen Wertsteigerung jedenfalls ein Teil lediglich die verminderte Kaufkraft des Geldes wider. Betroffen davon sind aber auch bei § 23 EStG nur langfristig erwirtschaftete Veräußerungsgewinne,335 also Grundstücke und grundstücksgleiche Rechte gemäß Abs. 1 S. 1 Nr. 1. Im Extremfall besteht nur ein nomineller Gewinn, aber ein realer Verlust, der durch die Besteuerung noch intensiviert wird. Folge des Nominalwertprinzips ist jedoch nicht nur die Scheingewinnbesteuerung, sondern auch die Steuerentlastung336 bei langfristigen Verbindlichkeiten (nicht steuerbare Schuldnergewinne), Rückstellungen und Steuerstundungen.337
2. Verfassungsrechtliche Erforderlichkeit einer Inflationsbereinigung Die Nichtberücksichtigung der Inflationsrate wird zum Teil als Verletzung des Leistungsfähigkeitsprinzips angesehen.338 Dieses sei ein Realwertprinzip, kein Nominalwertprinzip. 339 Rein nominelle Kapitalgewinne erhöhten nicht die reale Kaufkraft und daher auch nicht die Leistungsfähigkeit. 340 Die Besteuerung von Scheingewinnen bewirke Substanzverluste.341 Zur Erfassung der realen Leistungsfähigkeit müsste bei Veräußerungen die Inflation als Aufwand berücksichtigt werden, ebenso wäre bei den Einkünften aus Kapital die Einbeziehung der Schuldnergewinne und Gläubigerverluste erforderlieh. 342 334 Vgl. BVerfG v. 19. 12. 1978 - 1 BvR 335, 427, 811/76, BVerfGE 50, 57 (95); Tipke, StRO I, S. 513. Vgl. zur Bewertung von Vermögenseinsatz und Vermögensertrag in Geldeinheiten mit unterschiedlicher Kaufkraft Ruppe, in: H / H / R , Einf. ESt Anm. 39 (Febr. 1990). 335 Vgl. Lang, Reformentwurf, S. 66. 336 Vgl. dazu Blümich /Ehmcke, § 6 EStG Rn. 46 (Okt. 2003); zu Geldwertgewinnen bei Schulden oben C.I.4.d) sowie Seicht, in: FS für Fischer, S. 207 (216); Kirchhof/Kirchhof, EStG, § 2 Rn. 77; BFH v. 14. 5. 1974 - V I I I R 95/72, BFHE 112, 546 (566). 337 Das Problem der Inflation besteht insbesondere auch bei Zinseinkünften und im Tarif, wo eine inflationsbedingte heimliche Steuererhöhung („kalte Progression") stattfindet, vgl. zu Letzterer Bachem, in: Bo/Br, EStG, § 2 Rn. 127 (Juli 1998); Birk/Barth, in: H / H / S p , § 4 AO Rz. 483 (Nov. 1997); Seicht, in: FS für Fischer, S. 207 (223 f.). 338 Tipke, in: Tipke/Kruse, § 30a AO Rn. 34 (März 2004); Seicht, in: FS für Fischer, S. 207 (223). Vgl. zur Kollision von Nominalwertprinzip und Leistungsfähigkeitsprinzip bei Scheingewinnen Watrin/Lühn, DB 2003,168 (169). 339 z. B. Tipke, StRO I, S. 512; ders., in: Tipke/Kruse, § 30a AO Rn. 34 (März 2004); Lang, in: Tipke/Lang, § 4 Rz. 15, 103, § 9 Rz. 56, 564; Blümich/Stuhrmann, § 20 EStG Rn. 24 (Febr. 2001). 340 Sendlhofer, ÖStZ 1999,534 (535). 341 Tipke, StRO I, S. 514. 342 Lang, Bemessungsgrundlage, S. 177.
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D. Verfassungsrechtliche Fragen bei Ausgestaltung des § 23 EStG
Nach dem BVerfG ist die Besteuerung nach dem Nominalwertprinzip insbesondere im Hinblick auf Art. 3 I, 14 GG jedoch zulässig.343 Die Entscheidung bezieht sich zwar in erster Linie auf Kapitaleinkünfte 344, für die Besonderheiten gelten,345 enthält aber auch allgemeine Aussagen zur Geldentwertung. Das Nominalwertprinzip wird als tragendes Ordnungsprinzip der Wirtschaftspolitik und Währungsordnung eingestuft. 346 Dafür wird angeführt, dass so die Steuerlast und das Aufkommen für Bürger und Staat schon vor Jahresablauf vorhersehbar und berechenbar seien.347 Außerdem müsste ansonsten der Inflation bei allen Einkünften Rechnung getragen werden. 348 Eine Indexierung auch in anderen Bereichen des Einkommensteuerrechts könne aber zu großen praktischen Schwierigkeiten führen. 349 Da alle Steuerpflichtigen von der Inflation betroffen seien, sei denkbar, dass sich durch die Nichtberücksichtigung der Inflation kein nennenswerter Belastungsunterschied gegenüber einer Indexierung mit gleichzeitiger Steuererhöhung ergebe. 350 Auch wegen der schwer abzusehenden Folgen wie etwa einer möglichen Verstärkung der Inflation sei eine Indexierung fragwürdig. 351 Im Hinblick auf das Leistungsfähigkeitsprinzip soll die Nichtberücksichtigung der Geldentwertung nur dann verfassungswidrig sein, wenn dies hinsichtlich der Steuergerechtigkeit zu unerträglichen Ergebnissen führt. 352 Die Nichtberücksichtigung der Inflation liege ansonsten im Rahmen der gesetzgeberischen Gestaltungsfreiheit. 353 Art. 14 GG sei nicht verletzt, da die Entwertung des Vermögens nicht Folge der Besteuerung sei. 354 Wegen der Bemessung der Steuer nach den Zinsen sei ein Ein343 Zur Zinsbesteuerung BVerfG v. 19. 12. 1978 - 1 BvR 335, 427, 811/76, BVerfGE 50, 57 (LS und S. 76). Bei Art. 3 GG wurde nur eine Kontrolle am Willkürverbot vorgenommen und das Bestehen sachgerechter Gründe bejaht (S. 77, 80). Vgl. dazu auch oben C.I.4.d). 344 für die Verfassungsmäßigkeit der nominellen Zinsbesteuerung z. B. auch Blümich/ Stuhrmann, § 20 EStG Rn. 23 (Febr. 2001). 345 Die Schwächung der Leistungsfähigkeit beruhe nicht auf der Besteuerung, sondern auf der Entwertung des Kapitalstamms. Das private Kapitalvermögen als solches sei aber nicht steuerbar, BVerfG v. 19. 12. 1978 - 1 BvR 335,427, 811/76, BVerfGE 50,57 (81). 346 BVerfG v. 19. 12. 1978 - 1 BvR 335,427, 811/76, BVerfGE 50,57 (92). 347 BVerfG, Fn. 346, BVerfGE 50,57 (92 f.). 348 BVerfG, Fn. 346, BVerfGE 50, 57 (83, 94); kritisch zu diesem Argument Vogel, NJW 1979, 1158. 349 BVerfG, Fn. 346, BVerfGE 50, 57 (83, 97). 350 BVerfG, Fn. 346, BVerfGE 50, 57 (103). 351 BVerfG, Fn. 346, BVerfGE 50, 57 (97 ff.). 352 BVerfG, Fn. 346, BVerfGE 50, 57 (103, 78). 353 BVerfG, Fn. 346, BVerfGE 50, 57 (103). 354 BVerfG, Fn. 346, BVerfGE 50, 57 (106). Vgl. auch BFH v. 14. 5. 1974 - VIII R 95/72, BFHE 112, 546 (565). Kritisch Lang, Bemessungsgrundlage, S. 180 f. (Fn. 718), wonach die Geldentwertung des Kapitals bzgl. der Leistungsfähigkeit als Teil der Werbungskosten anzusehen ist, um die Zinsen erzielen zu können. Kritisch auch Tipke, StRO I, S. 515, denn es gehe nicht um Kausalität oder Verantwortlichkeit der Besteuerung für die Geldentwertung, sondern um die Berücksichtigung der Inflation wegen der Leistungsfähigkeit.
II. Erforderlichkeit eines Inflationsausgleichs bei § 23 EStG
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griff in die Kapitalsubstanz durch die Besteuerung ausgeschlossen.355 In anderem Zusammenhang hat das BVerfG ausgeführt, der Staat könne nicht den Geldwert garantieren, sondern nur die institutionelle Grundlage und die individuelle Zuord„ „ „ „ 356
nung. Dies bedeutet auch für private Veräußerungsgeschäfte, dass eine Berücksichtigung der Inflation nicht verfassungsrechtlich geboten ist. 357 Der BFH hat das Nominalwertprinzip im Einkommensteuerrecht im Hinblick auf Art. 3 I GG und Art. 14 GG ebenfalls nicht beanstandet.358 Es wird als grundlegendes und unverzichtbares Prinzip der Rechts- und Wirtschaftsordnung bezeichnet. 359 Die Bewältigung von Massenvorgängen im Steuerrecht erfordere Typisierungen und Pauschalierungen.360 Ob es sich bei Nominalgewinnen nur um Scheingewinne handelt, sei daher unerheblich.361 Auch speziell zu § 23 EStG hat der BFH die fehlende Bereinigung der Veräußerungsgewinne um inflationsbedingte Wertsteigerungen unter Hinweis auf die Rechtsprechung des BVerfG für verfassungsmäßig gehalten und eine Einbeziehung des Veräußerungsgewinns in § 34 I I Nr. 1 EStG abgelehnt.362 In der Literatur wird die Ermittlung der Einkünfte nach dem Nominalwertprinzip ebenso für zulässig bzw. sogar für erforderlich gehalten.363 Eine Aufgabe des Nominalwertprinzips wird aus währungspolitischen Gründen abgelehnt.364 Eine Indexierung könne die Inflation beschleunigen.365 Auch wegen der praktischen Schwierigkeiten einer Inflationsbereinigung, insbesondere bei der Ermittlung der Auswirkungen der Geldwertveränderung, 366 soll am Nominalwertprinzip festgehalten werden. 367 Weiterhin sei aus volkswirtschaftlichen Gründen am Nominal355 BVerfG v. 19. 12. 1978 - 1 BvR 335,427, 811/76, BVerfGE 50,57 (105). 356 im Hinblick auf die Einführung des Euro BVerfG v. 31. 3. 1998 - 2 BvR 1877/97, 2 BvR 50/98, BVerfGE 97, 350 (371). 357 Vgl. dazu BVerfG v. 16. 8. 1977 - 1 BvR 836/76, HFR 1977,510. 358 BFH v. 17. 1. 1980 - IV R 156/77, BFHE 130, 258 (260)); BFH v. 14. 5. 1974 VIII R 95/72, BFHE 112, 546 (554 f., 562 ff.), mit der Einschränkung, dass die Inflation ein gewisses Ausmaß nicht übersteigen dürfe (S. 556). 359 BFH v. 14. 5. 1974 - VIII R 95/72, BFHE 112, 546 (555, 562). Vgl. FG Nürnberg v. 13. 10. 1999 - V I 212/99, EFG 2000, 505 (506), wonach das Steuer- und Wirtschaftssystem auf dem Nominalwertprinzip beruht. 360 BFH v. 14. 5. 1974- V I I I R 95/72, BFHE 112, 546 (563). 361 BFH v. 17.1. 1980 - IV R 156/77, BFHE 130,258 (260). 362 BFH v. 16. 12. 2003 - DC R 46/02, BFHE 204, 228 (256). 363 Kirchhof/ Kirchhof, EStG, § 2 Rn. 77; für den Fall niedriger Inflationsraten Tipke, StRO I, S. 515. Offengelassen wird die Zweckmäßigkeit einer Inflationsanpassung von Ruppe, in: H / H / R , Einf. ESt Anm. 39 (Febr. 1990). 364 Lang, in: Tipke/Lang, § 4 Rz. 103; ders., Reformentwurf, S. 66 f. Allerdings wird eine Freistellung jährlich steigender Gewinnanteile befürwortet. 365 Lang, in: Tipke /Lang, § 9 Rz. 57. 366 Schmidt / Glanegger, EStG, § 6 Rn. 16.
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D. Verfassungsrechtliche Fragen bei Ausgestaltung des § 23 EStG
wertprinzip festzuhalten. 368 Beachtlich ist auch das Argument, dass eine Berücksichtigung der Inflation allein im Steuerrecht und nicht in anderen Bereichen einen systematischen Bruch darstellen würde. 369 Ein Inflationsausgleich bei § 23 EStG ist demnach zwar möglich und wünschenswert, aber jedenfalls bei normalen Inflationsraten nicht zwingend erforderlich.
3. Möglichkeiten der Inflationsbereinigung Die Inflationsbereinigung ist nicht nur wünschenswert, sondern auch im Hinblick darauf aktuell, dass zahlreiche Reformvorschläge eine erweiterte Besteuerung privater Veräußerungsgeschäfte vorsehen. Im Kölner Entwurf wird die Inflation insbesondere durch die Indexierung der Erwerbskosten und die nachgelagerte Besteuerung berücksichtigt.370 Nach geltendem Recht fehlt ein Inflationsausgleich vollständig. Wegen der kurzen einjährigen Frist bei sonstigen Wirtschaftsgütern kommt eine Inflationsbereinigung bei privaten Veräußerungsgeschäften nach den geltenden Fristen nur bei Grundstücken in Betracht. Um die Inflation auszugleichen, müsste bei Veräußerungseinkünften der Gesamtbetrag der Inflationsraten als Aufwand berücksichtigt werden. 371 Als Methoden zur Vermeidung der Scheingewinnbesteuerung werden vor allem eine Indexierung oder ein ermäßigter Steuersatz, aber auch andere Steuererleichterungen für Veräußerungsgewinne vorgeschlagen.372 Die Indexierung der Anschaffungskosten und weiteren Kosten leistet einen genauen und angemessenen Ausgleich der Inflation. Möglicherweise bewirkt sie jedoch eine Beschleunigung der Inflation. 373 In einigen anderen Ländern wie Frankreich 374 , Großbritannien 375 und Spanien wurde sie allerdings ohne größere Proble367
Lang, in: Tipke/Lang, § 4 Rz. 103; ders., Reformentwurf, S. 66 f. Für eine Rechtfertigung bei niedrigen Inflationsraten aus Gründen der Praktikabilität Tipke, StRO I, S. 515. 368 Schmidt / Glanegger, EStG, § 6 Rn. 16. 369 Ruppe, in: H / H / R , Einf. ESt Anm. 39 (Febr. 1990). 370 FAZ v. 10. 10. 2003, S. 15, und Kölner Entwurf, Rn. 244 ff., 425 f., 130,132 und § 281 EStG-E. 371 Lang, Bemessungsgrundlage, S. 177. Siehe oben Fn. 342. 372 Zur Vermeidung von Scheingewinnbesteuerung durch nachgelagerte Besteuerung vgl. Lang, in: Tipke/Lang, § 9 Rn. 597, 57; ders., DStJG 24 (2001), 49 (77 ff.). Das bedeutet, dass Kapitalanlagen zunächst abgezogen werden können und erst beim Konsumieren der Anlage besteuert werden, vgl. z. B. Birk, Steuerrecht, Rn. 94e. Damit wird aber eine Neuausrichtung der Einkommensteuer von der Einkünfteerzielung auf die Einkommensverwendung, also ein Systemwechsel vollzogen. 373 Vgl. BVerfG v. 19. 12. 1978 - 1 BvR 335, 427, 811/76, BVerfGE 50, 57 (100 ff.). Zur Beschleunigung der Inflation durch Indexierung in Südamerika Lang, in: Tipke/Lang, § 9 Rz. 57.
I
Erforderlichkeit eines Inflationsausgleichs bei § 23 EStG
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me praktiziert. Verwaltungstechnisch ist die Indexierung zwar aufwändiger, aber durchaus möglich. Als relativ genauer Inflationsausgleich kann auch eine Freistellung jährlich steigender Anteile der Veräußerungsgewinne ausgestaltet werden. 376 Die Abschläge sollten aber nicht dazu führen, dass die Veräußerungsgewinne irgendwann gänzlich nicht steuerbar sind, 377 da sonst zum einen ein Lock-in-Effekt eintritt und zum anderen auch reale Gewinne nicht mehr erfasst werden. In England werden maximal 40 % Abschlag nach zehn Jahren gewährt. 378 Für das deutsche Recht wäre zu empfehlen, dass sich der steuerbare Anteil zwar immer weiter verringert, aber mit zunehmender Haltedauer immer weniger, so dass ein Teil des Gewinns immer zu versteuern ist. Dagegen führen zu pauschale Steuererleichterungen auch da zu einem Ausgleich, wo gar keine Scheingewinne bestehen. Dies gilt insbesondere für die Einführung eines ermäßigten Steuersatzes für Veräußerungseinkünfte. 379 Dabei bleibt die tatsächliche Inflationsbelastung unberücksichtigt, da nicht an die Haltedauer oder die Inflationsrate angeknüpft wird. Das hat zur Folge, dass kaum mit Inflation belastete Einkünfte trotzdem vom niedrigen Steuersatz profitieren. Andererseits werden auch Scheingewinne weiterhin besteuert, wenngleich mit einem geringen Steuersatz. Dieses Problem besteht hinsichtlich der langfristig erzielten privaten Veräußerungsgewinne auch dann, wenn der geringere Steuersatz nicht auf kurzfristige Veräußerungsgeschäfte angewendet wird, sondern diese ungemildert mit dem normalen Steuersatz besteuert werden, wie dies in den USA der Fall ist. 380 Ein ermäßigter Steuersatz für alle Veräußerungseinkünfte ist daher kein adäquates Mittel zur Inflationsbereinigung. 381 Durch einen zu pauschalen Inflationsausgleich werden Abweichungen vom Leistungsfähigkeitsprinzip, die ohne Inflationsausgleich durch Scheingewinnbesteuerung entstehen, nur durch andere Abweichungen vom Leistungsfähigkeitsprinzip, z. B. durch Nichtbesteuerung realer Gewinne, ersetzt.
374 Watrin/Lühn, DB 2003, 168 (172): Aufzinsung der Anschaffungskosten mit dem Lebenshaltungsindex. Daneben werden zudem Steuererleichterungen für langfristige Veräußerungsgeschäfte eingeräumt. 375 Tipke, StRO I, S. 515. Später wurde aber die sog. „taper relief'-Regelung eingeführt, d. h. ein steigender Anteil von der Steuer befreit. Dazu Reimer, Veräußerungsgewinne, S. 101 f. 376 Lang, Reformentwurf, S. 66 f. Ebenso für Grundstücke Tipke, StRO II, 1. Aufl., 1993, S. 655. Vgl. Förster, in: FS für Flick, S. 721 (736); Reimer, Veräußerungsgewinne, S. 154. 377 Für eine solche Möglichkeit aber Lang, Reformentwurf, S. 67. 378 Reimer, Veräußerungsgewinne, S. 101. 379 Kritisch dazu wegen im Laufe der Zeit zunehmender Scheingewinnanteile Reimer, Veräußerungsgewinne, S. 153. 380 Z. B. Reimer, Veräußerungsgewinne, S. 119. 381 So zutreffend Tipke, StRO II, 1. Aufl., 1993, S. 655 (Fn. 336).
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D. Verfassungsrechtliche Fragen bei Ausgestaltung des § 23 EStG
Aus Gleichheitsgründen müsste eine Inflationsbereinigung jedenfalls bei allen Einkünften erfolgen. 382 Sie müsste insbesondere auch für nicht nur kurzfristig gehaltenes Betriebsvermögen gelten. 3 8 3 Beim Betriebsvermögen existiert bislang ebenfalls keine Regelung zum Inflationsausgleich. 384 Zwar gibt es für das Betriebsvermögen Vorteile z. B. durch nicht steuerbare Schuldnergewinne, Betriebsaufgabevergünstigungen und die Möglichkeit der Übertragung stiller Reserven nach §§ 6b, 6c EStG. Der fehlende Inflationsausgleich bei Scheingewinnen kann damit aber nicht pauschal verrechnet werden. 3 8 5 Denn grundsätzlich muss jede Regelung für sich gerechtfertigt werden können. 3 8 6
4. Zusammenfassung Für die Bemessung der Leistungsfähigkeit kann bei wirtschaftlicher Betrachtung nur an den realen, nicht an den nominalen Wert angeknüpft werden. Die Argumente des BVerfG für die Nichtberücksichtigung der Inflation können diese Abweichung vom Leistungsfähigkeitsprinzip jedoch rechtfertigen. 387 Ein Inflationsausgleich bei Wirtschaftsgütern, die mehrere Jahre gehalten wurden, erscheint zwar wünschenswert und z. B. durch besitzzeitabhängige Minderung der Bemessungsgrundlage auch möglich. Dann müsste allerdings im betrieblichen 382 Ebenso Lang, Bemessungsgrundlage, S. 183. Zur Problematik einer nur auf bestimmte Bereiche begrenzten Berücksichtigung der Inflation Ruppe, in: H / H / R , Einf. ESt Anm. 39 (Febr. 1990). Vgl. BFH v. 14. 5. 1974 - VIH R 95/72, BFHE 112, 546 (557); BVerfG v. 19. 12. 1978 - 1 BvR 335,427, 811/76, BVerfGE 50,57 (82 f.). 383 Vgl. M. Wendt, FR 1999, 333 (351, Fn. 94). Vgl. Sendlhofer, ÖStZ 1999, 534 (535): Die Inflationsanpassung müsste auf alle Einkunftsarten ausgedehnt werden. A. A. Reimer, Veräußerungsgewinne, S. 154 f., wonach im Betriebsvermögen die Scheingewinnbesteuerung durch Realgewinne der Unternehmer, die volkswirtschaftliche Nettoschuldner darstellen, ausgeglichen wird. Ähnlich Durchlaub, S. 103 f. 3 «4 Ebenso z. B. Pöllath, DB 1998, 2033 (2034). 3 «5 A. A. Reimen Veräußerungsgewinne, S. 154 f.; vgl. Durchlaub, S. 99 ff., insb. S. 104. Geht man dagegen von einem Ausgleich der Scheingewinnbesteuerung im Betriebsvermögen durch die Nichtsteuerbarkeit der Schuldnergewinne aus, läge im geltenden Recht eine Ermäßigung für Grundstücke im Privatvermögen, das in geringerem Umfang von Schuldnergewinnen profitiert (vgl. z. B. Reimer, Veräußerungsgewinne, S. 59; Durchlaub, S. 106; vgl. auch BVerfG v. 19. 12. 1978 - 1 BvR 335, 427, 811/76, BVerfGE 50, 57 (82)), nahe. Z. B. könnten in Abhängigkeit von der Behaltedauer etwa 1 - 3 % pro Jahr vom Veräußerungsgewinn abgezogen werden. Zwar ist auch dies ein pauschaler, aber noch relativ genauer Ausgleich der Inflation. 386 Für ein Verbot der Saldierung des durch eine Norm gewährten Vorteils mit Benachteiligungen durch eine andere Norm bei der verfassungsrechtlichen Prüfung z. B. auch Lang, DStJG 24 (2001), 49 (104). Dazu oben Teil C., Fn. 273. 387 Darüber hinausgehend kann man argumentieren, der Gesetzgeber halte sich bei normalen Inflationsraten innerhalb seines Spielraums zur Konkretisierung der Leistungsfähigkeit, wenn er Leistungsfähigkeit nominell und nicht real definiert. Dann läge bei Nichtberücksichtigung der Inflation bereits keine Abweichung vom Leistungsfähigkeitsprinzip vor.
III. Progressionsausgleich bei Grundstücken
257
Bereich das Gleiche gelten und nach dem Grundsatz der Folgerichtigkeit die Inflation insgesamt konsequent berücksichtigt werden, z. B. auch bei Zinseinkünften. Eine solche umfassende Berücksichtigung etwa auch von Schuldnergewinnen ist jedoch praktisch schwer bzw. kaum möglich und muss vom Gesetzgeber daher nicht umgesetzt werden. 388
I I I . Progressionsausgleich bei Grundstücken und grundstücksgleichen Rechten, § 23 1 1 Nr. 1 EStG Geht man davon aus, dass § 34 EStG die Tarifprogression durch die Zusammenballung und Besteuerung von Einkünften, die aus mehreren Jahren stammen, in einem Veranlagungszeitraum abmildern soll, 389 dann wäre es konsequent, auch Veräußerungsgewinne bei über mehrere Jahre gehaltenen Wirtschaftsgütern einzubeziehen.390 Eine stärkere Belastung der Veräußerungsgewinne gegenüber periodischen Einkünften trotz gleicher Leistungsfähigkeit ist unbillig.391 In § 34 II EStG wird aber § 23 EStG bei der abschließenden Aufzählung außerordentlicher Einkünfte nicht genannt. Nach den geltenden Fristen in § 23 EStG kommt ein Progressionsausgleich wegen der einjährigen Frist für die anderen Wirtschaftsgüter nicht in Betracht, sondern nur bei Grundstücken und grundstücksgleichen Rechten gemäß § 23 I 1 Nr. 1 EStG. Die Frage des Progressionsausgleichs bei privaten Veräußerungsgeschäften stellt sich in dieser Deutlichkeit zwar erst seit der Fristverlängerung durch das StEntlG von zwei auf zehn Jahre. 3 9 2 Gegen die in der Nichtberücksichtigung der Progressionsnachteile bei § 23 I 1 Nr. 1 EStG liegende Ungleichbehandlung der Einkunftsarten im geltenden Recht bestehen aber erhebliche Bedenken, da keine dies rechtfertigenden Gründe erkennbar sind. An § 34 EStG ist zu kritisieren, dass die sog. Fünftel-Regelung keinen präzisen Progressionsausgleich bewirkt. 393 Etwaige unterschiedliche Grenzsteuersätze wäh388 Beim Grundfreibetrag ist eine Berücksichtigung der Inflation aber wegen des verfassungsrechtlichen Schutzes des existenzsichernden Bedarfs nötig. BFH v. 14. 10. 2004 - V I R 46/99, BFHE 206, 573 (575) m. w. N.; SchmidtISeeger, EStG, § 34 Rn. 1 f.; Lang, Bemessungsgrundlage, S. 516; vgl. M. Wendt, FR 1999, 333 (351). 390 Ähnlich Af. Wendt, FR 1999, 333 (351). Für die Zulässigkeit der Nichteinbeziehung der privaten Veräußerungsgeschäfte in § 34 EStG aber ohne nähere Begründung BFH v. 16. 12. 2003 - IX R 46/02, BFHE 204, 228 (256), nach dessen Ansicht der Spielraum des Gesetzgebers eingehalten wurde.
391 Vgl. Altorfer, Geschäfts- und Privatvermögen, S. 187; Blümich ILindberg, § 34 EStG Rn. 21, 38 (Okt. 2004); Merkenich, Einkünfteermittlung, S. 96. Vgl. ebenso zu interperiodisch schwankendem Einkommen Tipke, StRO I, S. 503. 392 Bei zwei Jahren Fristlänge war eine Zusammenballung der Einkünfte mit nachteiliger Progressionswirkung auch schon möglich, aber von deutlich geringerer Bedeutung. Vgl. zur Anwendbarkeit des § 34 EStG schon bei Einkünften, die aus zwei Veranlagungszeiträumen stammen, BFH v. 14. 10. 2004 - V I R 46/99, BFHE 206, 573 (LS und S. 574). 17 Dechant
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D. Verfassungsrechtliche Fragen bei Ausgestaltung des § 23 EStG
rend der Erzielung der außerordentlichen Einkünfte werden nicht relevant. Dadurch ist die Regelung zwar praktikabler als ein sog. averaging, bei dem der Veräußerungsgewinn auf die Besitzzeit verteilt wird. 394 Sie erspart die Berücksichtigung der Steuerbescheide und -sätze vergangener Veranlagungszeiträume bei der Berechnung der Steuer. Dies wäre mittels EDV jedoch ohne größeren Aufwand möglich. Ein averaging könnte durch Anknüpfung an die Besitzzeit bzw. allgemein an die Zeit der Erwirtschaftung der außerordentlichen Einkünfte einen etwas genaueren395 Progressionsausgleich gewährleisten.396 Bei einer Reform mit einer erweiterten Besteuerung privater Veräußerungsgeschäfte müsste auch insoweit ein angemessener Progressionsausgleich wie durch das angesprochene averaging sichergestellt werden.
IV. Ungleichbehandlung verschiedener der Besteuerung unterliegender Vermögensgegenstände innerhalb von § 23 EStG 1. Unterschiedliche Länge der Veräußerungsfristen für Grundstücke sowie grundstücksgleiche Rechte und für andere Wirtschaftsgüter Innerhalb von § 23 EStG bedarf der Rechtfertigung, warum unterschiedliche Fristen für Grundstücke sowie grundstücksgleiche Rechte einerseits und für die übrigen Wirtschaftsgüter andererseits sinnvoll bzw. notwendig sind. Denn die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit hängt nicht davon ab, ob ein Gewinn aus der Veräußerung von Grundstücken oder Wertpapieren stammt.397 In letzter Zeit wird § 23 EStG aber zunehmend über die Besteuerung der Leistungsfähigkeit gerechtfertigt, z. B. in der Gesetzesbegründung zur Verlängerung der Fristen durch das StEntlG. 393 Zu weiterer Kritik an § 34 EStG und zu anderen Möglichkeiten der Progressionsglättung Henning/Hundsdoerfer/Schult, DStR 1999, 131 (131 ff.; 135 f.); zu weiteren Möglichkeiten eines Progressionsausgleichs auch Merkenich, Einkünfteermittlung, S. 97 f. Für die Verfassungswidrigkeit der Fünftel-Regelung Jahndorf/Lorscheider, FR 2000,433 (440). 394 Dazu bereits Altorf er, Geschäfts- und Privatvermögen, S. 190 f.; Merkenich, Einkünfteermittlung, S. 97 f. 395 Auch das averaging ist pauschal, da sich letztlich nicht feststellen lässt, in welchem Veranlagungszeitraum welche Wertsteigerung erzielt wurde. Denkbar sind auch zwischenzeitliche Wertverluste. Das averaging fingiert eine gleichmäßige Verteilung des Veräußerungsgewinns auf die Besitzzeit. 396 Zur möglichen Ausgestaltung eines (zeitlich begrenzten) averaging z. B. Altorf er, Geschäfts- und Privatvermögen, S. 191; Merkenich, Einkünfteermittlung, S. 97 f.; Reimer, Veräußerungsgewinne, S. 156 ff.; Henning/Hundsdoerfer/Schult, DStR 1999, 131 (135 f.). 397 Bspw. wird ein Steuerpflichtiger mit einem Gewinn von 100.000 € aus Wertpapierveräußerungen bei einer Haltezeit von drei Jahren nicht besteuert, bei einem gleich hohen Gewinn aus der Veräußerung eines oder mehrerer Grundstücke dagegen schon. Die Besteuerung hängt insoweit nur von der Anlageform ab.
IV. Ungleichbehandlung innerhalb von § 23 EStG
259
Als Argument für die Unterscheidung drängt sich auf, dass Grundstücke üblicherweise länger gehalten werden bzw. dass regelmäßig ein längerer Zeitraum erforderlich ist, um Wertsteigerungen bei Grundstücken erzielen zu können. Zudem unterscheiden sich die Vermögensgegenstände im Hinblick auf die Möglichkeit der Wertrealisierung. Die Fungibilität ist bei Wertpapieren sehr hoch. 398 Im Rahmen einer Spekulationsbesteuerung könnten unterschiedliche Fristen deswegen gerechtfertigt werden, sofern die Fristen kürzer als die durchschnittliche Haltedauer eines Wirtschaftsgutes oder in Abhängigkeit vom typischen Spekulationsverhalten bemessen werden. Geht man dagegen - wie hier vertreten - davon aus, dass § 23 EStG nicht mit der Besteuerung der Spekulation begründet werden kann, sind unterschiedliche Fristlängen jedoch nicht überzeugend. Die unbestrittene unterschiedliche Fungibilität und durchschnittliche Haltedauer z. B. von Grundstücken und Wertpapieren kann eine unterschiedliche Behandlung jedenfalls dann nicht rechtfertigen, wenn der allgemeine Belastungsgrund bei § 23 EStG die im Veräußerungsergebnis zum Ausdruck kommende Leistungsfähigkeit sein soll.
2. Gewährung von Steuerfreiheit nur für die eigengenutzte Wohnung Eine Ausnahme von der grundsätzlichen Besteuerung aller privaten Vermögensgegenstände enthält § 23 I 1 Nr. 1 S. 3 EStG für zu eigenen Wohnzwecken399 genutzte Wirtschaftsgüter. 400 Dadurch werden diese gegenüber anderen Wirtschaftsgütern begünstigt. Die Steuerbefreiung setzt voraus, dass das Wirtschaftsgut zwischen Anschaffung bzw. Fertigstellung und Veräußerung ausschließlich zu eigenen Wohnzwecken (1. Alt.) oder im Veräußerungsjahr und den beiden vorangegangenen Jahren zu eigenen Wohnzwecken genutzt wurde (2. Alt.). Gerechtfertigt wurde die Ausnahme mit dem Beispiel des Arbeitsplatzwechsels. Die Besteuerung wurde bei Aufgabe eines Wohnsitzes als ungerechtfertigt angesehen.401 Verallgemeinernd wird von 398
Allerdings werden auch im Rahmen der Nr. 2 Wirtschaftsgüter mit geringer Fungibilität besteuert, z. B. GmbH-Anteile. 399 Auch in anderen Ländern gibt es Befreiungen des selbst genutzten Wohneigentums, z. B. in den USA, Frankreich, Großbritannien und Österreich, vgl. Watrin/Lühn, DB 2003, 168 (172). Zur Rechtslage in den USA Reimer, Veräußerungsgewinne, S. 114 f., 127. In Österreich gewährt § 30 I I Nr. 1 öEStG Steuerfreiheit, wenn das Wirtschaftsgut seit mindestens zwei Jahren durchgehend als Hauptwohnsitz genutzt wurde. 400 Vereinzelt wird der Gedanke der Vorschrift dahingehend als verallgemeinerungsfähig angesehen, dass alle privat genutzten Wirtschaftsgüter nicht steuerlich relevant sein sollen. So Valentin, EFG 2004, 267 (268). Dagegen spricht bereits der eng begrenzte Wortlaut. Zudem hat der Gesetzgeber auch keine allgemeine Begründung der Regelung gewählt, sondern vor allem auf das Beispiel des Verkaufs der Wohnung wegen eines Arbeitsplatzwechsels abgestellt. 401 BT-Drucks. 14/23, S. 180. Die Steuerreformkommission hatte zwar auch die Besteuerung beim Arbeitsplatzwechsel für problematisch gehalten, daraus aber nur die Erforderlich17*
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D. Verfassungsrechtliche Fragen bei Ausgestaltung des § 23 EStG
manchen vom Normzweck der Freistellung zwingender Wohnsitzwechsel gesprochen. 402 Die Ausnahme erfasst aber nicht nur Veräußerungen aus zwingenden Gründen, sondern alle. a) Einwände gegen die geltende Regelung und ihre Voraussetzungen Zwar ist die Wirkung der Ausnahmeregelung403 billigenswert, dass der Steuerpflichtige bei Veräußerung seiner Wohnung den vollen Betrag zur Verfügung hat, um eine gleichwertige neue Wohnung kaufen zu können, und dadurch Wohnsitzwechsel nicht durch steuerliche Folgen behindert werden. Als Entlastung würde insoweit aber eine Stundung der auf den Gewinn entfallenden Steuerlast bis zur Veräußerung des Ersatzwirtschaftsgutes genügen.404 Soweit der Veräußerungserlös nicht reinvestiert wird, könnte er sofort besteuert werden. Zudem überrascht zunächst, dass mit der Ausnahme für selbst genutztes Wöhneigentum eine Ausnahme für einen Fall aufgestellt wird, in dem die Spekulationsabsicht fehlt, 405 obwohl es bei § 23 EStG nicht auf Spekulationsabsicht ankommt. 406 Während einerseits die geänderte Überschrift klarstellen sollte, dass eine Spekulationsabsicht bei § 23 EStG nicht erforderlich ist, wird andererseits ein Fall ausgenommen, den gerade die fehlende Spekulationsabsicht kennzeichnet.407 Außerdem entspricht die Rücksichtnahme auf zwingende Veräußerungen an sich nicht § 23 EStG. 408 Der Grund der Veräußerung ist unbeachtlich, auch Veräußerungen unter Zwang werden von § 23 EStG grundsätzlich erfasst. 409 keit einer steuerneutralen Übertragung des Veräußerungsgewinns auf andere Wohnungen gefolgert, Gutachten der Steuerreformkommission 1971, Abschnitt II, Tz. 104. Teilweise wird als Grund für die Befreiung der Wohnung auch vermutet, die Kapitalgewinnbesteuerung sei politisch leichter durchsetzbar, wenn sie nur wenige betreffe. So Muten, Capital Gains Tax, S. 34 (42). 402 Schmidt / Weber-Grellet, EStG, § 23 Rn. 18. 403 Zur erheblichen Mehrbelastung der Finanzämter durch die Vorschrift Jansen, in: H / H / R , § 23 EStG Anm. 128 (Nov. 2002). 404 So auch das Gutachten der Steuerreformkommission 1971, Abschnitt n, Tz. 104. Auch in Spanien wird nur eine Stundung der Steuer bis zur Veräußerung des neu erworbenen Wohneigentums gewährt, soweit der Veräußerungsgewinn reinvestiert wurde, Art. 36 I LIRPF. 405 Die fehlende Spekulationsabsicht wird teilweise als einer der Gründe für die Steuerbefreiung des Eigenheims angesehen. So zum österreichischen Recht Doralt / Doralt/Kempf, § 30 öEStG Rn. 75.1 (Okt. 2002). 406 Vgl. Höck, FR 2000, 764. 407 Höck, FR 2000, 764. 408 Vgl. die Kritik von Höck, FR 2000, 764 (766), dass auch bei Veräußerungen aufgrund einer Versetzung wegen des erzielten Gewinns keine milderungswürdige Zwangslage bestehe und daher die Notwendigkeit der Regelung fraglich sei. 409 BFH v. 29. 6. 1962 - V I 82/61 U, BFHE 75, 330 (333); Schmidt/Weber-Grellet, EStG, § 23 Rn. 55 ff.; Kirchhof IKube, EStG, § 23 Rn. 16.
IV. Ungleichbehandlung innerhalb von § 23 EStG
261
Kritisiert wird weiterhin, dass die Ausnahme nach dem Gesetzeswortlaut auch Zweitwohnungen erfasst, obwohl dies dem Sinn und Zweck der Ausnahme der Freistellung zwingender Wohnsitzwechsel nicht entspreche.410 Diese Kritik an der Regelung ist insbesondere im Hinblick darauf berechtigt, dass die Befreiung von Zweitwohnungen weitere Gestaltungsmöglichkeiten eröffnet. Ohnehin bestehen aufgrund der Ausnahmeregelung erhebliche Gestaltungsmöglichkeiten, steuerfreie Veräußerungsgewinne mit Wohneigentum zu erzielen. Diese werden insbesondere durch die 2. Alt. ermöglicht, wonach die eigene Nutzung im Jahr der Veräußerung und in den beiden vorangegangenen Jahren für Steuerfreiheit genügt. Eine vorherige Fremdnutzung ist unschädlich,411 es erfolgt keine Aufteilung. 412 Bei der geltenden Regelung sollte man daher versuchen, ein Grundstück mit bereits eingetretener Wertsteigerung im Jahr der Veräußerung und in den beiden Jahren davor selbst zu nutzen, um Steuerfreiheit des Veräußerungsgewinns zu erreichen. 413 Bei Wechseln zwischen Eigennutzung und Einkünfteerzielung wäre eine anteilige Steuerfreistellung des Gewinns nach der jeweiligen Besitzzeit414 genauer 415 als die geltende Vorschrift. 416 Die Gestaltungsmöglichkeiten könnten außerdem durch einen Freibetrag für Wohnhäuser, wie er z. B. in den U S A 4 1 7 gewährt wird, begrenzt werden. 418 Alle Steuerpflichtigen hätten dann die Möglichkeit, in gleichem Umfang von der Befreiung zu profitieren. Ein Freibetrag hätte auch den Vorteil, dass die Wahl des Wohnsitzes dann nicht steuerlich beeinflusst würde. 419 Denn derzeit bietet sich an, 4
'0 Schmidt / Weber-Grellet, EStG, § 23 Rn. 18. Gegen eine Steuerbefreiung für einen Zweitwohnsitz auch Reimer, Veräußerungsgewinne, S. 141,143. 411 Vgl. auch Reimer, Veräußerungsgewinne, S. 139, die die Steuerfreiheit trotz Verwendung zur Einkünfteerzielung kritisiert. 412 Nur im Fall der 2. Alt. steht eine zeitweilige anderweitige Nutzung der Steuerfreiheit nicht entgegen. Vgl. Blümich IGlenk, § 23 EStG Rn. 52, 54 (März 2005). Bei der 1. Alt. schließt schon eine zeitweilige anderweitige Nutzung die Steuerfreiheit des Veräußerungsgewinns aus. 413 Zudem bietet sich vor allem das Abwarten der zehnjährigen Frist an, um Nichtsteuerbarkeit des Veräußerungsgewinns zu erreichen. 414 Ebenso Reimer, Veräußerungsgewinne, S. 140 f. 415 Für eine präzise Abgrenzung von Lebensführungsvermögen und Erwerbsvermögen wäre bei jeder Nutzungsänderung eine Wertfeststellung notwendig, was kaum praktikabel ist. 416 Diese Überlegungen gewinnen dann noch an Bedeutung, wenn eine zeitlich unbegrenzte Erfassung von Grundstücksveräußerungen eingeführt wird. 4
'7 Nach See. 121(a) IRC wird in den USA ein Freibetrag von 250.000 US$ für die Veräußerung des als Hauptwohnsitz selbst genutzten Wohnraums gewährt. Dieser kann nach mehr als zwei Jahren erneut in Anspruch genommen werden. Dazu Jacobsen/Stange, IStR 2005, 11 (13). Zur Regelung in den USA auch Reimer, Veräußerungsgewinne, S. 114 f., 127; Watrin/Lühn, DB 2003, 168 (172). 418 Bspw. könnte ein einmaliger Freibetrag für Immobilien Veräußerungen innerhalb eines bestimmten Zeitraums (z. B. i. H. v. maximal 100.000 € in zehn Jahren) gewährt werden. Das wäre auch verwaltungstechnisch eine einfache und praktikable Lösung.
262
D. Verfassungsrechtliche Fragen bei Ausgestaltung des § 23 EStG
das Grundstück selbst zu nutzen, bei dem die höchste Wertsteigerung zu erwarten ist. b) Rechtfertigung
der Ausnahme
Trotz der Kritik drängt sich als Begründung der Ausnahme jedoch auf, dass die eigene Wohnung zur Lebensführung genutzt wird. Das Bewohnen der eigenen Immobilie gehört zur Einkommensverwendung und zur Konsumsphäre.420 Einkommensverwendung und Konsumsphäre sind im Gegensatz zur steuerbaren Einkünfteerzielung steuerlich unbeachtlich. Mit dem Wohneigentum wird der regelmäßig bedeutendste Fall des LebensführungsVermögens 421 von der Ausnahme erfasst. Bedenken gegen die vollständige Steuerbefreiung könnten sich aus der Überlegung ergeben, dass die eigengenutzte Wohnung regelmäßig zugleich eine Kapitalanlage darstellt. 422 Die Preise auf dem Immobilienmarkt sind bis dato stetig gestiegen. Wenn man das eigengenutzte Wohneigentum daher nicht als reines Lebensführungsvermögen, sondern zugleich als Vermögen zur Einkünfteerzielung einordnet, könnte man auf die Steuerbefreiung verzichten, selbst wenn das Lebensführungsvermögen ansonsten nicht besteuert wird. Da die private Nutzung aber gegenüber der Einkünfteerzielung deutlich im Vordergrund steht 423 kann das Wohneigentum vereinfachend ganz dem Lebensführungsvermögen zugeordnet werden und die mögliche Wertsteigerung unberücksichtigt bleiben.424 Die Nichtsteuerbarkeit selbst genutzter Immobilien ließe sich daher jedenfalls dann rechtfertigen, wenn das Lebensführungsvermögen insgesamt nicht steuerbar wäre. Im geltenden Recht bleibt jedoch im Hinblick auf die Folgerichtigkeit unklar, warum die übrigen Wirtschaftsgüter des Lebensführungsvermögens bei 419 Vgl. zur Abschirmung privater Entscheidungen gegen steuerliche Einflussnahme Kirchhof, in: K / S / M , EStG, § 2 Rn. A 665. 4 20 Jehner, BB 1984, Beilage 16, S. 1 (5); Merkenich, Einkünfteermittlung, S. 78, 92, 94. Auch nach Lang, in: Tipke/Lang, § 9 Rz. 595, gehört das selbst genutzte Wohneigentum nicht zum Erwerbsvermögen. Allgemein zu Wirtschaftsgütern der privaten Lebensführung als reine Privatangelegenheit Kirchhof, in: K / S / M , EStG, § 2 Rn. A 665. 421
So z. B. Lang, Bemessungsgrundlage, S. 515. Vgl. ferner Kölner Entwurf, Rn. 342, der die Veräußerung von Eigenheimen ebenfalls nicht besteuert. Für eine Steuerbefreiung für die Fälle eines Wohnungswechsels aufgrund des Bezugs zur Lebensführung auch Widmann, in: FS für Klein, S. 865 (872 f.). 422 So z. B. Reimer, Veräußerungsgewinne, S. 137; Tipke, StRO II, 1. Aufl., 1993, S. 652. Vgl. auch Lang, Bemessungsgrundlage, S. 60. Mitschke, Erneuerung, Rn. 165, ordnet selbst genutztes Wohneigentum als Investitionsgut ein und schlägt deswegen die Besteuerung des Mietwerts vor. 423 Ebenso Reimer, Veräußerungsgewinne, S. 137 f. Für eine Zuordnung allein zur Einkommensverwendung Merkenich, Einkünfteermittlung, S. 94. 424
Im Ergebnis ebenso Tipke, StRO ü, S. 734. Vgl. ferner dens., StRO II, 1. Aufl., 1993, S. 652, wonach die Steuerfreiheit eigengenutzter Grundstücke wegen der gleichzeitigen Funktion der Kapitalanlage nicht zwingend ist.
V. Beschränkung der Verlustverrechnung durch § 23 III 8,9 EStG
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§ 23 EStG nicht steuerbefreit sind. 425 Wenn man typisierend annimmt, diese hätten eine wirtschaftlich und fiskalisch zu vernachlässigende Bedeutung, spräche das aus Gründen der Klarheit erst recht dafür, das Lebensführungsvermögen insgesamt tatbestandlich auszugrenzen. Schließlich ist auch eine Rechtfertigung der Ausnahme als steuerliche Förderung von Eigenheimen denkbar. 426 Allerdings existieren bereits andere Förderungen des Eigenheims (z. B. Eigenheimzulage und Förderung von Bausparverträgen) und eine gezieltere und gleichmäßigere Förderung wäre möglich. Außerdem besteht gegenwärtig rechtspolitisch eine Tendenz zur Aufhebung steuerlicher Vergünstigungen und zur Beseitigung von Lenkungsnormen im Einkommensteuerrecht 4 2 7 Vörzugswürdig gegenüber der Ausnahme für selbst genutztes Wöhneigentum im geltenden Recht erscheint daher, das Lebensführungsvermögen insgesamt freizustellen. Dafür sprechen insbesondere die typisierte Abgrenzung der steuerbaren von der nicht steuerbaren Sphäre, die Verwaltungserleichterung und die ansonsten drohenden Vollzugsdefizite. Bei selbst genutztem Wohneigentum wäre auch ein Freibetrag als Alternative zur geltenden Steuerbefreiung denkbar. Dieser wäre verwaltungstechnisch einfach und würde die Gestaltungsmöglichkeiten reduzieren. Wird das restliche Lebensführungsvermögen nicht freigestellt, sollte die Regelung in eine Steuerstundung bis zum Verkauf der Ersatzwohnung geändert werden.
V. Beschränkung der Verlustverrechnung durch § 23 I I I 8, 9 EStG Eine weitere systematische und verfassungsrechtliche Besonderheit bei § 23 EStG ist die Beschränkung der Verlustverrechnung durch § 23 III 8 und 9 EStG. Denn grundsätzlich ergibt sich die volle Berücksichtigung der Verluste aus der Steuerbarkeit der entsprechenden Gewinne.428 Gleichwohl hat der Gesetzgeber bei § 23 EStG - wie z. B. auch bei § 2b, § 15 IV, § 15a EStG - eine spezielle Begren425 Vgl. Entwurf des StVergAbG, der eine Steuerbefreiung aller Gegenstände des täglichen Gebrauchs vorsah, BT-Drucks. 15/119, S.5. Eine Begründung dafür fehlt jedoch im Gesetzentwurf. 426 Zur Rechtfertigung der Steuerbefreiung aus wirtschaftspolitischen Gründen vgl. Reimer, Veräußerungsgewinne, S. 139. 427 Vgl. insb. Wernsmann, Verhaltenslenkung, S. 489. 428 Gegen eine Beschränkung z. B. Sendlhofer, ÖStZ 1999, 534 (535): Werden realisierte Kapitalgewinne als Einkommen betrachtet, sollten realisierte Wertminderungen in vollem Umfang abzugsfähig sein. Vgl. auch Kanzler, FR 2000, 1245 (1249 f.), nach dessen Ansicht das Leistungsfähigkeitsprinzip eine synchrone Behandlung von Veräußerungsgewinnen und -Verlusten gebietet.
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D. Verfassungsrechtliche Fragen bei Ausgestaltung des § 23 EStG
zung der Verlustverrechnung eingeführt. Die Verfassungsmäßigkeit der Regelung wird in der Literatur jedoch zunehmend bezweifelt. 429 Die Abziehbarkeit der Verluste aus Veräußerungsgeschäften war dem Gesetzgeber schon beim EStG 1920 ein Dorn im Auge. 430 Die Gründe für die Begrenzung waren 431 - und sind vermutlich noch heute - in erster Liniefiskalischer Natur. Dadurch wird deutlich, dass sich private Veräußerungsgeschäfte möglicherweise im Hinblick auf das Aufkommen nicht als Besteuerungsgegenstand eignen. Bei Spekulationsgeschäften kommt noch hinzu, dass das Risiko der Spekulation durch die Steuerersparnis bei verrechenbaren Verlusten verringert wird. 432 Die Fristregelung des § 23 EStG ermöglicht zudem, dass Gewinne nach Ablauf der Frist ohne Besteuerung realisiert werden können, während Verluste gezielt innerhalb der Frist realisiert werden können, um so verrechenbare Verluste zu generieren. Aus diesen Gründen gab es seit jeher im deutschen Einkommensteuerrecht Beschränkungen der Verlustverrechnung. Lange Zeit durften Spekulationsverluste nur mit Spekulationsgewinnen desselben Veranlagungszeitraums verrechnet werden (§ 42 III EStG 1925, § 23 IV 3 EStG 1934, § 23 III 4 EStG 1997). Die geltende Regelung in § 23 III 8, 9 EStG ist zwar im Verhältnis zur bisherigen Rechtslage eine Erweiterung, aber gegenüber den übrigen Einkunftsarten immer noch eine Einschränkung der Verlustberücksichtigung. Hier soll zuerst auf die allgemeinen Grundsätze der Verlustberücksichtigung und sodann auf die Besonderheiten bei privaten Veräußerungsgeschäften eingegangen werden. 429 So Herzig/Lutterbach, DStR 1999, 521 (527), die für eine Verrechenbarkeit mit anderen Einkünften plädieren. Für Verfassungswidrigkeit z. B. Korn / Carle, EStG, § 23 Rn. 87 (Aug. 2004); Strahl/Fuhrmann, FR 2003, 387 ff.; zu § 23 IV 3 EStG a. F. Hecht, AG 1975, 70 (75 f.). Kritisch zu den Verlustabzugsverboten und -beschränkungen bei Veräußerungsgeschäften Kanzler, FR 2000, 1245 (1248). Für eine Aufhebung der Begrenzung auch Urban, INF 1999, 389 (392). Für die Verfassungsmäßigkeit dagegen z. B. FG Köln v. 15. 9. 2004 - 7 K 1268/03, DStRE 2004, 1460 (1461), Az. des BFH: IX R 45/04; zustimmend ohne weitere Begründung FG München v. 22. 7. 2005 - 8 K 4787/03, EFG 2006, 27 (LS 2 und S. 28), Az. des BFH: IX R 28/05; ohne nähere Begründung unter Verweis auf andere Entscheidungen FG Berlin v. 22. 6. 2004 - 7 K 7500/02, EFG 2004, 1842 (1843), Az. des BFH: IX R 31/04; BFH v. 1. 6. 2004 - IX R 35/01, BFHE 206, 273 (281). Ebenso wegen der späteren Verlustberücksichtigung Schmidt/Heinicke, EStG, 23. Aufl., § 23 Rn. 97. 430 Verhandlungen der verfassunggebenden Deutschen Nationalversammlung, Band 340, Anlagen zu den Stenographischen Berichten, Berlin 1920, Nr. 1624 (Entwurf eines Reichseinkommensteuergesetzes), S. 23. 43
1 Die Begrenzung wurde 1921 eingeführt, da bei privaten Veräußerungsgeschäften die Gewinne selten angegeben, die Verluste aber geltend gemacht wurden. Zudem war die Verminderung der Steuer durch Spekulationsverluste unerwünscht. Dazu oben B.Ü.2.; vgl. auch BFH v. 1. 6. 2004 - IX R 35/01, BFHE 206, 418 (281), der den ursprünglichen Grund der Beschränkung in der Verhinderung steuersparender Gestaltungen sieht. Entscheidend war damals wohl, dass die Spekulation als missbilligenswert angesehen wurde. Diese Wertung lässt sich heute jedoch nicht aufrechterhalten. 432 Auf die Frage, ob dies eine Besonderheit der privaten Veräußerungsgeschäfte darstellt, ist aber im Folgenden noch einzugehen.
V. Beschränkung der Verlustverrechnung durch § 23 I 8,9 EStG
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1. Verfassungsmäßigkeit der Verlustverrechnungsbeschränkung in § 23 I I I 8, 9 EStG auf eine interne Verrechnung und einen Verlustabzug bei privaten Veräußerungsgeschäften Nach § 23 III 8 EStG dürfen Verluste nur bis zur Höhe des Gewinns, den der Steuerpflichtige im gleichen Kalendeijahr aus privaten Veräußerungsgeschäften erzielt hat, ausgeglichen werden. Der vertikale bzw. externe Verlustausgleich433 wird also vollständig verboten, der horizontale bzw. interne auf sonstige Einkünfte aus privaten Veräußerungsgeschäften (§ 22 Nr. 2 EStG) begrenzt. 434 Damit besteht durch die Beschränkung des Verlustausgleichs auf die Einkünfte aus privaten Veräußerungsgeschäften kein vollständiges, sondern ein zwar weitreichendes, aber begrenztes Verlustausgleichs verbot. 435 Der Verlustabzug nach § 10d EStG wird dagegen in § 23 m 8 EStG zunächst ganz verboten. 436 § 23 m 9 EStG ordnet dann aber an, dass die Verluste nach Maßgabe des § 10d EStG die Einkünfte mindern, die der Steuerpflichtige in dem unmittelbar vorangegangenen Veranlagungszeitraum oder in den folgenden Veranlagungszeiträumen aus privaten Veräußerungsgeschäften nach § 23 I EStG erzielt hat bzw. erzielt. Damit ähnelt die Regelung § 2b S. 4 EStG, der für bestimmte Einkunftsquellen 437 eine Verlustausgleichs- und Verlustabzugsbeschränkung enthält. Auch im Ausland sind Beschränkungen der Verrechenbarkeit privater Veräußerungsverluste üblich. 438 Diese Verrechnungsbeschränkung in § 23 III 8, 9 EStG wirkt sich aus, wenn die privaten Veräußerungsgewinne eines Veranlagungszeitraums hinter den Veräußerungsverlusten zurückbleiben. Dabei sind zwei Wirkungen hervorzuheben. Zunächst können trotz der Möglichkeit des Verlustabzugs innerhalb der Einkünfte aus privaten Veräußerungsgeschäften die Verluste nicht verrechnet werden, wenn im Voijahr und später keine Gewinne aus privaten Veräußerungsgeschäften erzielt werden. 439 Der Verlustvortrag und -rücktrag des § 23 III 8, 9 EStG gewähr433 Während der horizontale Verlustausgleich die Verrechnung von Verlusten innerhalb derselben Einkunftsart und der vertikale Verlustausgleich die Verrechnung zwischen verschiedenen positiven und negativen Einkünften desselben Jahres betrifft, ermöglicht der Verlustabzug eine jahresübergreifende Verlustverrechnung mit dem Vorjahr und den Folgejahren. 434 Vgl. dazu auch Jansen, in: H / H / R , § 23 EStG Anm. 320 (Nov. 2002); Kirchhof/ Kube, EStG, § 23 Rn. 23. 435 Vgl. FG Düsseldorf v. 29. 4. 2004 - 14 K 2210/03 Kg, EFG 2004, 1306 (ausdrücklicher Ausschluss des vertikalen bzw. horizontalen Verlustausgleichs durch § 23 III 8 EStG); Hecht, AG 1975, 70 (74): „eingeschränktes Ausgleichsverbot". Siehe aber Lang, in: Tipke/ Lang, § 9 Rz. 596: „Verlustausgleichs- und -abzugsverbot".
«6 Vgl. oben B.VI. 437 Dort erfolgt die Begrenzung auf bestimmte Einkunftsquellen (Verlustzuweisungsgesellschaften und ähnliche Modelle), bei § 23 EStG dagegen auf Einkünfteteile, nämlich auf Einkünfte aus privaten Veräußerungsgeschäften als Teile der sonstigen Einkünfte. 438 Förster, in: FS für Flick, S. 721 (732 f.); Muten, Capital Gains Tax, S. 34 (41). 439 Vgl. auch Strahl/Fuhrmann,
FR 2003, 387 (388).
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D. Verfassungsrechtliche Fragen bei Ausgestaltung des § 23 EStG
leistet also nicht in allen Fällen die Verrechenbarkeit der Verluste. Dies wird aber nur eine geringe Zahl von Steuerpflichtigen betreffen. Auf den Effekt, Verluste nicht sofort, sondern erst in der Zukunft 440 verrechnen zu können und dadurch einen Zinsnachteil zu erleiden, wird kaum eingegangen.441 Mit der Verlagerung der Verlustnutzung in die Zukunft können aber erhebliche Liquiditäts-442 und Zinsnachteile für den Steuerpflichtigen entstehen.443 Solche Fälle sind auch bei § 23 EStG möglich. Der BFH hat jedoch für § 2 III EStG a. F. die wirtschaftliche Wirkung der Mindestbesteuerung als vorgezogene Einkommensteuerzahlung bezeichnet und lapidar festgestellt, der erlittene Zinsnachteil sei angesichts der Bedeutung des Anliegens des Gesetzgebers hinzunehmen.444 Für die Rechtfertigungsbedürftigkeit dieser Verrechnungsbeschränkung kommen verschiedene Gründe in Betracht.
a) Allgemeine Anforderungen an Beschränkungen der Verlustverrechnung Welche Grenzen für Beschränkungen der Verlustverrechnung gelten, ist z. B. angesichts der ungeklärten Frage der Unterscheidung von „echten" und „unechten" Verlusten bislang noch stark umstritten.445 Als den Gesetzgeber einschränkende Grundsätze kommen hier das Leistungsfähigkeitsprinzip und das objektive Nettoprinzip einerseits sowie die Gebote der Folgerichtigkeit und der Gleichbehandlung der Einkunftsarten andererseits in Betracht. Dabei ist jedoch keine scharfe Trennung möglich, da diese Grundsätze auch deutliche Überschneidungen aufweisen. Denn die Einkunftsarten sind vor allem deswegen gleich zu behandeln, weil die Einkünfte daraus dieselbe Leistungsfähigkeit vermitteln. Eine Zusammenführung dieser Grundsätze erscheint daher wünschenswert.
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Dieser Nachteil entspricht spiegelbildlich dem für den Steuerpflichtigen günstigen Steuerstundungseffekt, wenn es ihm - z. B. durch den Wertverzehr übersteigende Abschreibungen - gelingt, die Steuerzahlung in die Zukunft zu verlagern. Dazu z. B. M. Wendt, DStJG 28 (2005), 41 (69), der einen zeitnahen Verlustabzug oder einen Zinsausgleich fordert. 442 Der BFH v. 17. 10. 1990 - I R 182/87, BStBl. I I 1991, 136 (140), sieht den Liquiditätsnachteil als durch den Ermessensspielraum des Gesetzgebers bei der Verlustberücksichtigung gerechtfertigt an. 443 Vgl. Herzig/Briesemeister, DStR 1999, 1377 (1383). 444 BFH v. 9. 5. 2001 - X I B 151 /00, BFHE 195,314(323). 445 Siehe dazu insbesondere den Tagungsband der DStJG, die die 29. Jahrestagung im September 2004 dem Thema Verluste im Steuerrecht widmete (DStJG 28 (2005)), sowie Lehner (Hrsg.), Verluste im nationalen und Internationalen Steuerrecht, MSIStR 24 (2004).
V. Beschränkung der Verlustverrechnung durch § 23 I 8,9 EStG
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aa) Rechtfertigungsbedürftigkeit aufgrund des Gebots der Folgerichtigkeit und der Gleichbehandlung der Einkunftsarten Zunächst ergeben sich aus dem Gebot der Gleichbehandlung der Einkunftsarten Grenzen für Verlustverrechnungsbeschränkungen. Die Gleichbehandlung der Einkunftsarten ist zwar inzwischen ein verselbständigter Grundsatz.446 Das Gleichbehandlungsgebot ist aber nur Ausfluss des Gebots der Folgerichtigkeit. Nach dem BVerfG ist die einmal getroffene Belastungsentscheidung folgerichtig 447 umzusetzen.448 Das EStG belaste die Einkunftsarten grundsätzlich gleich. 449 Daher müssten unterschiedliche Rechtsfolgen bei den Einkunftsarten durch besondere sachliche Gründe 450 gerechtfertigt werden 4 5 1 Allein die systematische Unterscheidung der Einkunftsarten könne Ungleichbehandlungen nicht rechtfertigen. 452 Für Verlustverrechnungsbeschränkungen bedeutet dies Folgendes: Das Einkommensteuerrecht sieht grundsätzlich eine Verlustverrechnung 453 vor. Negative Einkünfte aus einer Einkunftsart sind mit positiven Einkünften dieser Einkunftsart oder anderer Einkunftsarten grundsätzlich verrechenbar (sog. horizontaler und vertikaler Verlustausgleich).454 Dies ergibt sich aus der Saldierung der Einkünfte gemäß § 2 m EStG, 455 wodurch ein vertikaler Verlustausgleich stattfindet. Der Aus446 Vgl. BVerfG v. 30. 9. 1998 - 2 BvR 1818/91, BVerfGE 99, 88 (96). 447 Das Gebot der Folgerichtigkeit kann sowohl aus dem Leistungsfähigkeitsprinzip als auch aus dem Rechtsstaatsprinzip hergeleitet werden, M. Wendt, DStJG 28 (2005), 41 (46, Fn. 24, 57). 448 z. B. BVerfG v. 30. 9. 1998 - 2 BvR 1818/91, BVerfGE 99, 88 (95). Vgl. dazu auch Teil C., Fn. 304. 449 BVerfG v. 30. 9. 1998 - 2 BvR 1818/91, BVerfGE 99, 88 (95). 450 Vgl. dazu auch BFH v. 24. 2. 1999 - X R 171 /96, BFHE 188, 69 (86), wonach das Gewicht der Gründe für die Abweichung der Intensität der Ausnahmeregel entsprechen muss. 451 BVerfG v. 30. 9. 1998 - 2 BvR 1818/91, BVerfGE 99, 88 (95); BVerfG v. 10.4. 1997 2 BvL 77/92, BVerfGE 96, 1 (6), allerdings ohne Bezug auf das Gebot der Folgerichtigkeit; Strahl/Fuhrmann FR 2003, 387 (388); FG Münster v. 11. 6. 1999 - 4 K 5776/98 E, DStRE 2000, 12 (16). Nach dem BFH v. 24. 2. 1999 - X R 171 / 96, BFHE 188, 69 (88), müssen diese Gründe eine andere Belastbarkeit indizieren oder lenkungsrechtlicher Art sein oder das Allgemeinwohl berühren. 452 BVerfG v. 30. 9. 1998 - 2 BvR 1818/91, BVerfGE 99, 88 (95); BVerfG v. 10.4. 1997 2 BvL 77/92, BVerfGE 96, 1 (6). 453 Das BVerfG verwendet Verlustverrechnung als Oberbegriff für Verlustausgleich und Verlustabzug, siehe z. B. BVerfG v. 30. 9. 1998 - 2 BvR 1818/91, BVerfGE 99, 88 (89). Diese Terminologie soll auch im Folgenden verwendet werden. Ebenso Blümich / Stuhrmann, § 2 EStG Rn. 16 (Aug. 2004); Lang, in: Tipke/Lang, § 9 Rz. 61 f. A. A. Handzik, in: L / B / P , EStG, § 2 Rn. 201 (Mai 2002), der Verlustverrechnung als Synonym für Verlustausgleich ansieht. 454 Vgl. BVerfG v. 30. 9. 1998 - 2 BvR 1818/91, BVerfGE 99, 88 (89); Strahl/Fuhrmann, FR 2003,387; M. Wendt, DStJG 28 (2005), 41 (46 f.).
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D. Verfassungsrechtliche Fragen bei Ausgestaltung des § 23 EStG
gleich negativer und positiver Einkünfte innerhalb einer Einkunftsart wird zwar nicht ausdrücklich genannt, aber vorausgesetzt.456 Zudem sind Verluste grundsätzlich bei allen Einkunftsarten nach § 10d EStG abziehbar (sog. Verlustabzug).457 Schließlich wird auch § 2 II EStG, wonach gemäß dem Nettoprinzip Erwerbsaufwendungen abziehbar sind, als Ausdruck der Gleichbehandlung der Einkunftsarten angesehen.458 Von dieser grundsätzlichen Gleichbehandlung weichen die speziellen Verlustverrechnungsbeschränkungen ab. 4 5 9 Solche Ausnahmen sind z. B. in § 2a, § 15 IV, § 15a, § 22 Nr. 3 EStG normiert. Aus dem Grundsatz der Gleichbehandlung der Einkunftsarten ergibt sich daher, dass Verlustverrechnungsbeschränkungen nur bei besonderen sachlichen Gründen zulässig sind. 460 Spezielle Verlustregeln sind dementsprechend zu rechtfertigen. Daher hat das BVerfG in der Entscheidung zu laufenden 461 Vermietungseinkünften bei § 22 Nr. 3 EStG die dortige Beschränkung für verfassungswidrig gehalten. Bei § 22 Nr. 3 EStG bestand die Besonderheit, dass auch der Abzug von Verlusten innerhalb derselben Einkunftsart ausgeschlossen war. 462 Dadurch wurde die Verlustverrechnung völlig ausgeschlossen.463 Nicht einmal eine Verrechnung mit gleichartigen Gewinnen war möglich.464 Erwerbsaufwendungen wurden dadurch in einigen Fällen überhaupt nicht berücksichtigt.465 455 Vgl. BVerfG v. 30. 9. 1998 - 2 BvR 1818/91, BVerfGE 99, 88 (89); BFH v. 16. 5. 2001 - I R 76/99, BStBl. I I 2002, 487 (488). Vgl. Weber-Grellet, Stbg 2004, 31 (32). Vgl. auch Strahl/Fuhrmann, FR 2003, 387: In der Aufzählung der Einkunftsquellen in § 2 I EStG und der Summenbildung nach § 2 III EStG werde die Gleichwertigkeit der Einkünfte sowohl für positive als auch für negative Einkünfte zum Ausdruck gebracht. 456 M. Wendt, DStJG 28 (2005), 41 (47). Vgl. Weber-Grellet, Stbg 2004, 31 (32). 457 Siehe auch BVerfG v. 30. 9. 1998 - 2 BvR 1818/91, BVerfGE 99, 88 (89,96). 458 BVerfG v. 30. 9. 1998 - 2 BvR 1818/91, BVerfGE 99, 88 (96). 459 Vgl. Strahl/Fuhrmann, FR 2003, 387 (388 f.): Es bestehe also eine Ungleichbehandlung negativer Einkünfte bei Gleichbehandlung der positiven Einkünfte. 460 Ebenso Raupach/Böckstiegel, FR 1999, 617 (625, 628); Arndt/Jenzen, DStR 1998, 1818 (1820); Lang, in: Tipke/Lang, § 9 Rn. 67, der daher auch die Neuregelung in § 22 Nr. 3 S. 3,4 EStG für verfassungswidrig hält; FG Münster v. 11. 6. 1999 - 4 K 5776/98 E, DStRE 2000, 12 (16). Vgl. auch BFH v. 17. 10. 1990 - I R 182/87, BStBl. II 1991, 136 (138), wo die Beschränkung nach § 2a EStG als Ungleichbehandlung mit anderen Verlusteinkünften darauf überprüft wird, ob Unterschiede bestehen, die nach Art und Gewicht die Ungleichbehandlung rechtfertigen können. Vgl. Strahl/Fuhrmann, FR 2003, 387 (391). 461 Die Rechtsprechung hat bei einmaligen Leistungen dagegen alle Einnahmen und Aufwendungen unabhängig vom Kalenderjahr berücksichtigt. Auch bei § 23 EStG ergab sich diese Möglichkeit gemäß der Rechtsprechung des BFH entgegen § 11 EStG, BVerfG v. 30. 9. 1998 - 2 BvR 1818/91, BVerfGE 99, 88 (90); BFH v. 17. 7. 1991 - X R 6/91, BFHE 165, 85 (LS 2): Alle durch ein Spekulationsgeschäft veranlassten Werbungskosten seien bei Zufluss des Veräußerungserlöses zu berücksichtigen. 462 BVerfG v. 30. 9. 1998 - 2 BvR 1818/91, BVerfGE 99, 88 (90); zustimmend FG Thüringen v. 13.12. 2000 - I I I 1121 /00, DStRE 2001, 913 (915). 463 BVerfG v. 30. 9. 1998 - 2 BvR 1818/91, BVerfGE 99, 88 (LS und S. 95). 464 Bei § 23 III 4 EStG a. F. war zumindest im gleichen Jahr eine Verrechnung möglich. Vgl. Take/Take, DStR 1998, 1746.
V. Beschränkung der Verlustverrechnung durch § 23 III 8, 9 EStG
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Bei einer Schedulenbesteuerung wäre es dagegen möglich, die Verlustverrechnung auf die jeweilige Schedule zu begrenzen.466 Nicht ganz eindeutig ist allerdings, was das BVerfG mit besonderen sachlichen Gründen meint. Da das BVerfG nicht auf die ansonsten verwendete Formel von Gründen, die nach Art und Gewicht die Ungleichbehandlung rechtfertigen können, zurückgreift, könnte man annehmen, dass hier jeder sachliche Grund genügen soll. 467 Da bei der Einkünfteerzielung Freiheitsgrundrechte berührt sind und die Erzielung von Einkünften einer bestimmten Art nicht beliebig gestaltet werden kann, 468 ist allerdings zu überlegen, ob darüber hinausgehend verlangt werden sollte, dass die Ungleichbehandlung nicht außer Verhältnis zu den Gründen für die Abweichung steht.469 Denn die Unterscheidung nach Einkunftsarten ist nicht lediglich verhaltensbezogen.470 Es handelt sich um eine Ungleichbehandlung von Personengruppen, für die sich aus Art. 3 I GG strenge Maßstäbe ergeben.471 Ebenso hat auch der BFH bei der Anwendung der Grundsätze der Entscheidung zu § 22 Nr. 3 EStG auf § 23 EStG geprüft, ob die Abweichung vom Grundsatz der Gleichbehandlung der Einkunftsarten in diesem Ausmaß erforderlich ist, und damit eine Verhältnismäßigkeitsprüfung vorgenommen.472
465 BVerfG v. 30. 9. 1998 - 2 BvR 1818/91, BVerfGE 99, 88 (96 f.). Bei anderen Einkunftsaiten sind dagegen Erwerbsaufwendungen nicht nur im Veranlagungszeitraum der Erwerbseinnahmen, sondern auch in anderen Veranlagungszeiträumen abziehbar. 466 Tipke, StRO II, S. 780. Insbesondere soll die Begrenzung der Verrechnung bei Bestehen von Sondertarifen möglich sein. Dies gilt jedenfalls für den Aspekt der Folgerichtigkeit. Aus Gründen der Leistungsfähigkeit erscheint dagegen auch denkbar, dass trotzdem eine Verrechnungsmöglichkeit bestehen muss, die dann die unterschiedlichen Tarife berücksichtigt. Für eine zwingende Abschottung der Schedulen M. Wendt, DStJG 28 (2005), 41 (46 f.). Zunächst ist aber die Entscheidung für eine Schedulenbesteuerung zu rechtfertigen. 467 Dazu Tipke, StRO U, S. 782. So wohl auch M. Wendt, DSÜG 28 (2005), 41 (49). 468 Ebenso BFH v. 24. 2. 1999 - X R 171/96, BFHE 188, 69 (85); Wernsmann, NJW 2000, 2078 (2079). 469 Anders Tipke, StRO II, S. 783: Rechtfertigend könnten nur solche Gründe wirken, deren Gemeinwohlwert zumindest gleichwertig mit der Abweichung vom Grundprinzip der Gleichbelastung sei. 470 Vgl. BFH v. 24. 2. 1999 - X R 171 /96, BFHE 188, 69 (84 f.). 471 Zur Privilegierung gewerblicher Einkünfte durch § 32c EStG a. F. ebenso Wernsmann, NJW 2000, 2078 (2079). Für eine strenge Bindung des Gesetzgebers bei der Ungleichbehandlung von Personengruppen z. B. BVerfG v. 2. 3. 1999 - 1 BvL 2/91, BVerfGE 99, 367 (388 f.); BVerfG v. 26. 1. 1993 - 1 BvL 38/92 u. a., BVerfGE 88, 87 (96 f.). 472 BFH v. 1. 6. 2004 - IX R 35/01, BFHE 206, 418 (278 ff.). Bei der durch das StVergAbG eingefügten Verlustverrechnungsbeschränkung nach § 15 IV 6 EStG stellte der BFH nur auf die Frage der Zulässigkeit der Rückwirkung ab, nicht aber auf die Beschränkung der Verlustverrechnung an sich, BFH v. 3. 2. 2005 - 1 B 208/04, FR 2005, 428 ff.
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D. Verfassungsrechtliche Fragen bei Ausgestaltung des § 23 EStG
bb) Rechtfertigungsbedürftigkeit von Verlustverrechnungsbeschränkungen unter dem Gesichtspunkt der Abweichung vom Leistungsfähigkeitsprinzip und vom objektiven Nettoprinzip Schwieriger und streitig erscheint demgegenüber die Beurteilung der Grenzen, die sich aus dem Leistungsfähigkeitsprinzip für Beschränkungen der Verlustberücksichtigung ergeben. Das BVerfG hat bislang keine allgemeingültigen Voraussetzungen für die Berücksichtigung von Erwerbsaufwendungen und Verlusten aufgestellt, sondern nur auf den Einzelfall bezogen entschieden und beim objektiven Nettoprinzip im Vergleich zum subjektiven geringere Anforderungen aufgestellt.473 Die Besteuerung muss an der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit des Steuerpflichtigen ausgerichtet werden. 474 Dieses Prinzip wird aus unterschiedlichen Verfassungsnormen hergeleitet. Teilweise werden Art. 2, Art. 3 I, Art. 14 4 7 5 und Art. 20 GG im Zusammenwirken genannt.476 Andere stellen nur auf den Gleichheitssatz ab. 4 7 7 Hier kann die Herleitung aus weiteren Normen offen bleiben. Jedenfalls ergibt sich das Leistungsfähigkeitsprinzip unstreitig aus Art. 3 I GG. Umstritten ist aber, welche Folgerungen sich aus dem Leistungsfähigkeitsprinzip insbesondere für die Berücksichtigung von Erwerbsaufwendungen und die Verlustverrechnung ergeben. Insbesondere werden teilweise unterschiedliche Folgerungen aus dem Leistungsfähigkeitsprinzip und dem objektiven Nettoprinzip für die Verlustberücksichtigung gezogen. Umstritten ist vor allem, ob im objektiven Nettoprinzip eine verfassungsrechtlich verbindliche Sachgesetzlichkeit liegt. 478 In der Literatur wird dies oft bejaht.479 473 Vgl. Lehner, MSIStR 24 (2004), 1 (2 f.). Vgl. auch Birk, StuW 2000, 328: Der Grundsatz der Leistungsfähigkeit sei im Hinblick auf die objektive Leistungsfähigkeit in der Rechtsprechung des BVerfG „merkwürdig blass" geblieben. 474 BVerfG v. 5. 2. 2002 - 2 BvR 305, 348/93, BVerfGE 105, 17 (46) m. w. N.; BVerfG v. 23. 1. 1990 - 1 BvL 4/ 87 u. a., BVerfGE 81,228 (236) m. w. N. Siehe auch Birk, StuW 2000, 328 (328 f.). 475 Zur Herleitung des objektiven Nettoprinzips aus Art. 14 GG Lehner, MSIStR 24 (2004), 1 (7 ff.). 476 Vgl. BFH v. 9. 5. 2001 - X I B 151/00, BFHE 195, 314 (318); FG Münster v. 11. 2. 2004 - 7 K 5227/00 E, EFG 2004, 996 (997), Az. des BFH: X I R 26/04. Vgl. dazu auch Weber-Grellet, ZRP 2003, 279 (283); M. Wendt, DSUG 28 (2005), 41 (50 ff.). 477 FG Berlin v. 4. 3. 2002 - 6 B 6333/01, DStRE 2002, 616 (LS 2 und S. 617); Birk, StuW 2000, 328 (329), der auch die Entwicklung der Begründung durch das BVerfG darstellt; Jakob, Einkommensteuer, § 1 Rn. 7. 478 Vgl. z. B. Blümich/Stuhrmann, § 2 EStG Rn. 13 (Okt. 2002). 479 Zur Verankerung des objektiven Nettoprinzips in Art. 14 GG siehe Lehner, MSIStR 24 (2004), 1 (7). Für eine verfassungsrechtliche Verankerung wohl auch Lang, in: Tipke/Lang, § 9 Rz. 54 f., 60 ff., 67 (Durchbrechungen des objektiven Nettoprinzips seien am Gleichheitssatz zu messen); ebenso Isensee, 57. DJT, Band II, Sitzungsberichte Teil N, S. 46. Vgl. auch Tipke, StRO II, S. 763: Das objektive Nettoprinzip entspreche dem Leistungsfähigkeitsprinzip. Vgl. ferner Heintzen, DStJG 28 (2005), 163 (173): Das Nettoprinzip sei als Teil des Leis-
V. Beschränkung der Verlustverrechnung durch § 23
8, 9 EStG
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(1) Weiter Spielraum des Gesetzgebers bei der Ausgestaltung der Verlustverrechnung Vom BVerfG wurde die verfassungsrechtliche Verbindlichkeit des objektiven Nettoprinzips immer wieder offen gelassen.480 Auch in der Entscheidung zu § 22 Nr. 3 EStG wurden leider keine allgemeinen Voraussetzungen für Beschränkungen der Verlustberücksichtigung aufgestellt. Das BVerfG hat bislang nur aus dem Gebot der Folgerichtigkeit der Umsetzung der Belastungsentscheidung für das objektive Nettoprinzip gefolgert, dass dessen Durchbrechungen eines besonderen, sachlich rechtfertigenden Grundes bedürfen, s. o. 4 8 1 In neueren Entscheidungen weist das BVerfG sogar darauf hin, dass die Bemessung der finanziellen Leistungsfähigkeit nach dem objektiven und subjektiven Nettoprinzip eine Entscheidung des einfachen Gesetzgebers sei 4 8 2 Damit wird angedeutet, dass diese Prinzipien als solche nicht verfassungsrechtlich geboten sind. 483 In der älteren Rechtsprechung hat das BVerfG sogar festgestellt, der Gesetzgeber sei verfassungsrechtlich nicht verpflichtet, überhaupt einen Verlustabzug zuzulassen.484 Andererseits deutet die Aussage des BVerfG, der periodenübergreifende Verlustabzug stehe im Spannungsverhältnis zwischen der Abschnittsbesteuerung und dem Grundsatz des abschnittsübergreifenden Nettoprinzips als Ausfluss des Leistungsfähigkeitsprinzips, 485 auf eine verfassungsrechtliche Verankerung des Nettoprinzips hin. tungsfähigkeitsprinzips grundsätzlich verfassungsrechtlich verankert, aber durchsetzungsschwach. Zudem sieht er das objektive Nettoprinzip lediglich als einfachgesetzliche Ausprägung des Nettoprinzips an. 480 z. B. BVerfG v. 4. 12. 2002 - 2 BvR 400/98, 2 BvR 1735/00, BVerfGE 107, 27 (48); BVerfG v. 23. 1. 1990 - 1 BvL 4/87 u. a., BVerfGE 81, 228 (237); BVerfG v. 2. 10. 1969 1 BvL 12/68, BVerfGE 27, 58 (65) m. w. N.: Dort wurde festgestellt, dass verkehrspolitische Erwägungen einen sachlichen Grund darstellen. In der Entscheidung des BVerfG v. 7. 11. 1972 - 1 BvR 338/68, BVerfGE 34, 103 (115, 117), wurde sogar abgelehnt, dass dem EStG überhaupt das Nettoprinzip als Grundregel zugrunde liege. 481 BVerfG v. 4. 12. 2002 - 2 BvR 400/98, 2 BvR 1735/00, BVerfGE 107, 27 (48); ebenso Kanzler, FR 2000, 1245 (1250 f.). Ohne den Hinweis auf die Folgerichtigkeit für die Zulässigkeit von Durchbrechungen beim Vorliegen von gewichtigen Gründen BVerfG v. 23. 1. 1990- 1 BvL 4/87 u. a., BVerfGE 81, 228 (237). 482 BVerfG v. 8. 6. 2004 - 2 BvL 5/00, NJW-RR 2004, 1657 (1658); BVerfG v. 4. 12. 2002 - 2 BvR 400/98, 2 BvR 1735/00, BVerfGE 107, 27 (47). Ähnlich auch BVerfG v. 7. 12. 1999 - 2 BvR 301/98, BVerfGE 101, 297 (310): Der Gesetzgeber lege der Einkommensteuer das Nettoprinzip zugrunde, dass Erwerbseinnahmen abzüglich Erwerbsaufwendungen besteuert werden. 483 Auch in einer dieser Entscheidungen wurde diese Frage aber ausdrücklich offen gelassen, BVerfG v. 4. 12. 2002 - 2 BvR400/98, 2 BvR 1735/00, BVerfGE 107, 27 (48). 484 BVerfG v. 8. 3. 1978 - 1 BvR 117/78, DB 1978, 1764. Vgl. auch BVerfG v. 7. 11. 1972 - 1 BvR 338/68, BVerfGE 34, 103 (115, 117). Dort wurde das Nettoprinzip als Grundprinzip abgelehnt, s. o. 485 BVerfG v. 22. 7. 1991 - 1 BvR 313/88, NJW 1992, 168 (169). Das BVerfG weist zudem darauf hin, das Nettoprinzip sei Ausdruck der materiellen Richtigkeit des Steueranspruchs.
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D. Verfassungsrechtliche Fragen bei Ausgestaltung des § 23 EStG
Danach resultieren bei Zugrundelegung der Rechtsprechung des BVerfG aus dem Leistungsfähigkeitsprinzip und dem objektiven Nettoprinzip keine unmittelbaren Anforderungen an die Verlustverrechnung, sondern Anforderungen bestehen nur über die Grundsätze der Folgerichtigkeit und der Gleichbehandlung der Einkunftsarten. Geringe Anforderungen ergeben sich auch aus der Rechtsprechung des BFH, nach der das Leistungsfähigkeitsprinzip nicht eine sofortige Berücksichtigung der Verluste verlangt, sondern nur dass die Verluste überhaupt steuerlich berücksichtigt werden. 486 Die zeitliche Streckung des Verlustabzugs wurde bei § 2 m EStG a. F. als zulässig angesehen,487 der Verlustausgleich als solcher werde nicht versagt.488 Ferner sei Leistungsfähigkeit normativ, nicht faktisch zu bestimmen.489 Das Leistungsfähigkeitsprinzip sei im Rahmen der Rechts- und Sozialordnung zu interpretieren. Daher könne der Gesetzgeber danach differenzieren, ob Verluste bewusst und planmäßig zur Verrechnung mit positiven Einkünften herbeigeführt werden. 490 Auch für den Abzug der Erwerbsaufwendungen wird festgestellt, dieser müsse nicht notwendig in jedem Veranlagungszeitraum erfolgen. 491 Das Leistungsfähigkeitsprinzip soll aber verlangen, dass ein Steuerpflichtiger bei einem infolge von Verlusten negativen verfügbaren Nettoeinkommen in einem Veranlagungszeitraum nicht mehr zur Zahlung von Einkommensteuer herangezogen wird. 492 In der Rechtsprechung finden sich jedoch ebenfalls Formulierungen, die auf eine verfassungsrechtliche Verankerung des objektiven Nettoprinzips hindeuten. Das Nettoprinzip wird teilweise als Ausprägung des Leistungsfähigkeitsprinzips bezeichnet.493 Diese Formulierung spricht wegen der Verankerung des Leistungs486 BFH v. 9. 5. 2001 - X I B 151 /00, BFHE 195, 314 (318 f.). Ähnlich Heintzen, DStJG 28 (2005), 163 (176): Verluste dürften nicht gänzlich ignoriert werden. Ähnlich auch WeberGrellet, Stbg 2004, 31 (38), nach dem das objektive Nettoprinzip aber eine zeitgerechte Erfassung fordert. Vgl. auch FG Berlin v. 4. 3. 2002 - 6 B 6333/01, DStRE 2002, 616 (618): Das Nettoprinzip müsse nicht in Reinform verwirklicht werden, es bestehe ein weiter Spielraum. Vgl. auch FG des Saarlandes v. 1. 3. 2001 - 2 V 400/00, JURIS-Nr. STRE200170613 (unter 2.1.2.), das § 23 III 4 EStG a. F. als dem Nettoprinzip und Leistungsfähigkeitsprinzip entsprechend eingestuft hat, da der Verlustabzug nicht vollständig ausgeschlossen war. 487 BFH v. 6. 3. 2003 - X I B 7/02, BFHE 202, 141 (143). 488 Vgl. FG Münster v. 11. 2. 2004 - 7 K 5227/00 E, EFG 2004, 996 (997), Az. des BFH: X I R 26/04: Das objektive Nettoprinzip sei von Verfassungs wegen nicht notwendigerweise in jedem einzelnen Veranlagungszeitraum zu berücksichtigen, durch die grundsätzliche Abziehbarkeit von Verlusten würde das objektive Nettoprinzip respektiert. 489 BFH v. 9. 5. 2001 - X I B 151 /00, BFHE 195, 314 (319). Zustimmend FG Münster v. 11.2. 2004 - 7 K 5227/00 E, EFG 2004, 996 (997), Az. des BFH: X I R 26/04. 490 BFH, Fn. 489, BFHE 195, 314 (320). 491 BFH, Fn. 489, BFHE 195, 314 (318). 492 FG Berlin v. 4. 3. 2002 - 6 B 6333/01, DStRE 2002, 616 (617). Ebenso, aber im Hinblick auf die Gewährleistung des Existenzminimums in Art. 1 I i. V. m. Art. 20 I GG bei „echten" Verlusten BFH v. 6. 3. 2003 - X I B 7/02, BFHE 202, 141 (143 f.).
V. Beschränkung der Verlustverrechnung durch § 23
8,9 EStG
273
fähigkeitsprinzips in Art. 3 I GG dafür, dass auch das Nettoprinzip verfassungsrechtlich geboten ist. Die Aussage des BFH, dass für das subjektive Nettoprinzip strengere Maßstäbe als für das aus dem allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 31 GG abgeleitete objektive Nettoprinzip gelten,494 deutet gleichfalls auf eine solche verfassungsrechtliche Verankerung hin. Zusammenfassend ist festzuhalten, dass nach der Rechtsprechung im Hinblick auf das Leistungsfähigkeitsprinzip und das objektive Nettoprinzip bislang nur geringe Anforderungen an spezielle, auf Einkunftsarten oder Einkunftsteile bezogene Verlustverrechnungsbeschränkungen bestehen. (2) Verfassungsrechtliche
Verankerung
des objektiven Nettoprinzips
In der Literatur finden sich dagegen häufiger Hinweise auf eine verfassungsrechtliche Verankerung des objektiven Nettoprinzips. Beispielsweise wird argumentiert, Leistungsfähigkeit entstehe erst nach Schaffung der Erwerbsvoraussetzungen und der zwangsläufigen Daseinsvoraussetzungen.495 Dies deutet darauf hin, dass das objektive und subjektive Nettoprinzip Teile des Leistungsfahigkeitsprinzips sind. Dann wären Abweichungen vom objektiven Nettoprinzip als Abweichungen vom Leistungsfähigkeitsprinzip zu rechtfertigen. 496 Auch die häufig zu findende Aussage, das objektive Nettoprinzip sei eine Konkretisierung des Leistungsfähigkeitsprinzips, 497 spricht dafür, für jede Beschränkung des objektiven Nettoprinzips und der Verlustverrechnung eine Rechtfertigung gemäß Art. 3 I GG zu fordern. Teilweise wird sogar ausdrücklich festgestellt, als Konkretisierung des Leistungsfähigkeitsprinzips nehme das objektive Nettoprinzip an dessen verfassungsrechtlicher Verankerung teil. 498
493 BFH V. 9. 5. 2001 - X I B 151 /00, BFHE 195, 314 (318); FG Münster v. 11. 2. 2004 7 K 5227/00 E, EFG 2004, 996 (997), Az. des BFH: X I R 26/04. 494 BFH v. 6. 3. 2003 - X I B 7/02, BFHE 202,141 (144). 495 Birk, Steuerrecht, Rn. 154 m. w. N., vgl. auch Rn. 543. Vgl. auch Jachmann, DStJG 23 (2000), 9(12): Nicht disponibel sei der für die Erzielung von Leistungsfähigkeit notwendige Aufwand. 496 Vgl. zum Verlustausgleich und -abzug als Teil der Bemessung der Leistungsfähigkeit Lang, in: Tipke/Lang, § 9 Rz. 60 f. 497 So z. B. Birk, StuW 2000, 328 (331); Birk/Barth, in: H / H / S p , § 4 AO Rz. 471 m. w. N. (Nov. 1997); Lehner, MSIStR 24 (2004), 1 (3); Weber-Grellet, Stbg 2004, 31 (37). 498 M. Wendt, DStJG 28 (2005), 41 (50) m. w. N. Für verfassungsrechtliche Wirkkraft des objektiven Nettoprinzips Lang, in: Tipke/Lang, § 4 Rz. 14. Vgl. Birk, StuW 2000, 328 (331), nach dessen Ansicht Abzugsbeschränkungen beim Erwerbsaufwand als Durchbrechung des Leistungsfähigkeitsprinzips der Rechtfertigung bedürfen. Siehe ferner Schön, StuW 1995, 366 (369), nach dessen Ansicht das objektive Nettoprinzip zum finanzverfassungsrechtlichen Kern der Einkommensteuer gehört. 18 Dechant
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D. Verfassungsrechtliche Fragen bei Ausgestaltung des § 23 EStG
Da Beschränkungen der Verlustverrechnung das objektive Nettoprinzip durchbrechen, 499 wären dann strengere gleichheitsrechtliche Anforderungen an diese Beschränkungen zu stellen. (3) Eigene Stellungnahme Das BVerfG und die genannte Ansicht aus der Literatur unterscheiden sich vor allem in den Voraussetzungen für Durchbrechungen des objektiven Nettoprinzips. Im Grunde besteht zwar Übereinstimmung, dass das objektive Nettoprinzip aus dem Leistungsfähigkeitsprinzip folgt. Fraglich ist aber, welcher Spielraum dem Gesetzgeber zuzubilligen ist. Darüber, dass das objektive Nettoprinzip nicht ausnahmslos umzusetzen ist, besteht ohnehin Einigkeit. Überzeugend erscheint folgende von Art. 3 I G G ausgehende Argumentation: Art. 3 I GG gebietet, wie gesagt, die Besteuerung nach der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit. 500 Jede Abweichung vom Leistungsfähigkeitsprinzip ist zu rechtfertigen. 501 Dazu kommen alle verfassungsrechtlich legitimen Zielvorstellungen in Betracht. 502 Für Abweichungen vom Leistungsfähigkeitsprinzip ergeben sich aus Art. 3 I GG gegenüber dem bloßen Willkürverbot erhöhte Anforderungen. Denn Einkommenserzielung ist regelmäßig von der Berufsfreiheit oder jedenfalls von der allgemeinen Handlungsfreiheit gedeckt.503 Einkünfte sind zudem auch nur in sehr engen Grenzen gestaltbar. Wer beispielsweise kein Kapital hat, kann bestimmte Einkünfte nicht durch Gestaltung erzielen. Daher ist die Bedeutung des mit der Abweichung vom Leistungsfähigkeitsprinzip verfolgten Zwecks mit der Schwere der Abweichung vom Leistungsfähigkeitsprinzip abzu504
wagen. Erwerbsaufwendungen mindern das, was dem Steuerpflichtigen vom Erzielten zur privaten Verwendung verbleibt, und damit dessen Leistungsfähigkeit. 505 Daher sind sie grundsätzlich zu berücksichtigen.506 Da Verluste durch Erwerbsaufwen499 Ebenso, aber im Hinbück auf Art. 14 GG Lehner, MSIStR 24 (2004), 1 (8). A. A. aber z.B. M. Wendt, DStJG 28 (2005), 41 (53). Danach gebietet das objektive Nettoprinzip keinen Verlustausgleich, sondern betrifft nur die jeweilige Erwerbsquelle. 500 BVerfG v. 23. 1. 1990 - 1 BvL 4/87 u. a., BVerfGE 81, 228 (236) m. w. N. Für die Leistungsfähigkeit als Maßstab der Steuergerechtigkeit z. B. Strahl/Fuhrmann, FR 2003, 387; Weber-Grellet, ZRP 2003, 279 (283). 501 Birk, StuW 2000, 328 (330); Birk/Barth, in: H / H / S p , § 4 AO Rz. 504, 486 ff. (Nov. 1997). 502 Vgl. Birk, StuW 2000, 328 (329 f.). Vgl. dazu auch Jachmann, DStJG 23 (2000), 9 (13): Abweichungen vom Leistungsfähigkeitsprinzip müssten durch die Erzielung besonderer steuerlicher Gestaltungswirkungen (Sozialzwecke) gerechtfertigt werden. 503 Vgl. Jachmann, DStJG 23 (2000), 9 (15): Die Ertragserzielung basiere auf wirtschaftlicher Freiheitsausübung (Art. 12, 14 GG). 504 Birk/Barth, in: H / H / S p , § 4 AO Rz. 504,441 (Nov. 1997). 505 Gl. A. Birk, StuW 2000, 328 (331).
V. Beschränkung der Verlustverrechnung durch § 23 m 8,9 EStG
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düngen entstehen, sind auch Verluste als Minderungen der Leistungsfähigkeit 507 grundsätzlich voll zu berücksichtigen. 508 Wenn das objektive Nettoprinzip die Berücksichtigung der Erwerbsaufwendungen verlangt, 5 0 9 durchbrechen Beschränkungen der Verlustberücksichtigung auch das objektive Nettoprinzip. Das objektive Nettoprinzip ist also Teil des Leistungsfähigkeitsprinzips. 510 Für die verfassungsrechtliche Verbindlichkeit des objektiven Nettoprinzips spricht auch der Vergleich mit dem subjektiven Nettoprinzip. Wenn bei unvermeidbaren privaten Aufwendungen unabwendbare Sonderbelastungen realitätsgerecht berücksichtigt werden müssen, 5 1 1 kann für die Minderung der Leistungsfähigkeit durch unvermeidbare Erwerbsaufwendungen nichts anderes gelten. Die Leistungsfähigkeit ist bezogen auf die Person zu bestimmen, nicht auf einzelne Einkunftsquellen. 512 Daher sind alle Einkünfte für die Bestimmung der Leistungsfähigkeit zu saldieren. 513 Das objektive Nettoprinzip 5 1 4 und das Leistungs506 Teilweise wird auch darauf hingewiesen, die Verschonung des erwerbssichernden Aufwands solle nach traditioneller Begründung dem Staat eine gleich bleibende Einnahmequelle sichern, weniger die Minderung persönlicher individueller Zahlungsfähigkeit durch die Erwerbsausgaben berücksichtigen. So Kirchhof, in: K / S / M , EStG, § 2 Rn. A 9. Vgl. zum Nettoprinzip als „Klugheitsregel" Tipke, StRO II, S. 764. 507 Zur Minderung der Leistungsfähigkeit durch Verluste Heintzen, DStJG 28 (2005), 163 (173); M. Wendt, DStJG 28 (2005), 41 (42). 508 Verluste können aber aufgrund der Finanzierungsfunktion der Steuer nur berücksichtigt werden, soweit verrechenbare positive Einkünfte vorliegen. 509 Vgl. Tipke, StRO II, S. 762: Nach dem objektiven Nettoprinzip sei nicht das Bruttoeinkommen, sondern das für die Steuerzahlung disponible, um die Erwerbsaufwendungen geminderte Einkommen relevant. 510 Zu Durchbrechungen des objektiven Nettoprinzips als Durchbrechungen des Leistungsfähigkeitsprinzips siehe auch Birk/Barth, in: H / H / S p , § 4 AO Rz. 473 (Nov. 1997). 511 BVerfG v. 22. 2. 1984 - 1 BvL 10/80, BVerfGE 66, 214 (223) m. w. N.; ähnlich zu Unterhaltsaufwendungen für das Existenzminimum von Kindern BVerfG v. 10. 11. 1998 2 BvL 42/93, BVerfGE 99, 246 (259 f.); BVerfG v. 29. 5. 1990 - 1 BvL 20/86 u. a., BVerfGE 82, 60 (87 f.). 512 Ebenso Birk, StuW 2000, 328 (330 f.): Daher entspreche dem Leistungsfähigkeitsprinzip der synthetische Einkommensbegriff. Vgl. zur Beurteilung der Leistungsfähigkeit nach dem Gesamteinkommen BVerfG v. 19. 12. 1978 - 1 BvR 335,427, 811/76, BVerfGE 50, 57 (84). 513 Vgl. Weber-Grellet, DStR 1998, 1781 (1782), nach dessen Ansicht der Ausgleich negativer und positiver Einkünfte dem verfassungsrechtlich fundierten Prinzip der Besteuerung nach der finanziellen Leistungsfähigkeit entspricht. A. A. wohl Birk/Barth, in: H / H / S p , § 4 AO Rz. 472 (Nov. 1997), wonach der externe Verlustausgleich nicht aus dem objektiven Nettoprinzip folgt. Vgl. auch M. Wendt, DStJG 28 (2005), 41 (53): Das objektive Nettoprinzip gebiete weder einen horizontalen noch einen vertikalen Verlustausgleich. 514 Blümich/Stuhrmann, § 2 EStG Rn. 13 (Okt. 2002); Lang, in: Tipke/Lang, § 9 Rz. 60 f., siehe auch Rz. 54 (Nach dem objektiven Nettoprinzip seien Erwerbsaufwendungen und daher auch Verluste zu berücksichtigen). Vgl. auch Birk, Steuerrecht, Rn. 544: Der Ausgleich von Verlusten folge ebenso wie die Abziehbarkeit von Aufwendungen aus dem objektiven Nettoprinzip. Vgl. auch Arndt/Jenzen, DStR 1998, 1818 (1820): Verlustausgleich und Verlustabzug seien Ausdruck des Nettoprinzips; ebenso Strahl/Fuhrmann, FR 2003, 387 (387 f.). 18*
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D. Verfassungsrechtliche Fragen bei Ausgestaltung des § 23 EStG
fähigkeitsprinzip 515 gebieten damit grundsätzlich auch den Verlustausgleich 516 . Beschränkungen der Verlustverrechnung sind Beschränkungen des Nettoprinzips und des Leistungsfähigkeitsprinzips. 517 Daher müssen dafür stets rechtfertigende Gründe bestehen. 518 Demnach sind sowohl Erwerbsaufwendungen als auch daraus unter Umständen entstehende Verluste grundsätzlich voll zu berücksichtigen. Dies entspricht dem objektiven Nettoprinzip, das sich aus dem Leistungsfähigkeitsprinzip aus Art. 3 I GG ergibt. Daneben wird es teilweise auch noch aus Art. 14 GG hergeleitet.519 Anders ist die Berücksichtigung bei bewussten und gezielten Minderungen der Leistungsfähigkeit, die man als unechte Verluste bezeichnen kann, zu beurteil e n . 5 2 0 Diese müssen nicht zwingend berücksichtigt werden, da dem Grund für die Minderung der Leistungsfähigkeit Rechnung getragen werden kann bzw. schon keine Minderung der Leistungsfähigkeit vorliegt 5 2 1 . Damit werden nicht etwa unüberwindliche Anforderungen an den Gesetzgeber gestellt, denn bei Bestehen ausreichender 522 Gründe 5 2 3 kann das objektive NettoA. A. aber z. B. M. Wendt, DStJG 28 (2005), 41 (53), nach dessen Ansicht nur eine Abziehbarkeit von Erwerbsaufwendungen innerhalb derselben Einkunftsquelle durch das objektive Nettoprinzip geboten ist, aber kein Verlustausgleich. 515 Zum Verlustausgleich als Akt richtiger Leistungsfähigkeitsbemessung siehe auch Tipke, StRO II, S. 764; Lang, in: Tipke/Lang, § 9 Rn. 61; ebenso Herzig/Briesemeister, DStR 1999, 1377 (1382). Vgl. FG Köln v. 15. 9. 2004 - 7 K 1268/03, DStRE 2004, 1460 (1462), Az. des BFH: IX R 45/04. 516
Zur Frage, ob auch der Verlustabzug verfassungsrechtlich geboten ist, vgl. Birk, Steuerrecht, Rn. 547; Lang, in: Tipke/Lang, § 9 Rn. 62; Tipke, StRO II, S. 780. 517 Arndt/Jenzen, DStR 1998,1818 (1820); Weber-Grellet, Stbg 2004, 31 (38). 518 Arndt/Jenzen, DStR 1998, 1818 (1820); Weber-Grellet, Stbg 2004, 31 (38). Vgl. dens., DStR 1998, 1781 (1782): Ausgleichsverbote bedürfen besonderer Legitimation. Ebenso aufgrund der Gleichwertigkeit der sieben Einkunftsarten Herzig/Briesemeister, DStR 1999, 1377(1382). 519 Dazu Lehner, MSIStR 24 (2004), 1 (7 ff.). 520 Vgl. Birk, StuW 2000, 328 (331): Der Steuerpflichtige dürfe nicht Einkunftsarten zur Minderung seiner Leistungsfähigkeit instrumentalisieren und sog. unechte Verluste schaffen, denn sonst fehle die Gleichwertigkeit dieser Einkünfte, auf der der synthetische Einkommensbegriff aufbaue. Zur Bekämpfung unechter Verluste sollen verhältnismäßige Maßnahmen im Hinblick auf die Leistungsfähigkeit zulässig sein. Zu nicht realen Verlusten Af. Wendt, DStJG 28 (2005), 41 (46, Fn. 29), nach dessen Ansicht die Nichtberücksichtigung nicht realer Verluste stets zulässig ist. Zu unechten Verlusten siehe auch Lehner, MSIStR 24 (2004), 1 (9). 521 So für den Regelfall Birk, JZ 1988, 820 (823). 522 Zur Einschränkung verfassungsrechtlich gebotener Gründe bei der Verfolgung von Lenkungszielen Lehner, MSIStR 24 (2004), 1 (17 f.). 523 Für die Erforderlichkeit verhältnismäßiger Gründe bei Durchbrechungen der vollen Verlustverrechnung Arndt/Jenzen, DStR 1998, 1818 (1822), wobei offen gelassen wird, ob dies sich aus der neuen Formel des Art. 3 I GG, dem Rechtsstaatsprinzip nach Art. 20 III GG oder aus den Freiheitsgrundrechten ergeben soll. Nach der Ansicht von Tipke sind Beschrän-
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8, 9 EStG
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prinzip durchbrochen werden. Zulässig sind bei Einhaltung der weiteren Voraussetzungen etwa Beschränkungen aus Vereinfachungs- und Typisierungsgründen oder zu Lenkungszwecken. Ein Vorteil dieses Lösungsansatzes ist zudem, dass die Voraussetzungen solcher Beschränkungen der Berücksichtigung von Erwerbsaufwendungen und Verlusten einheitlich mit anderen Abweichungen vom Leistungsfähigkeitsprinzip verbunden und stark zersplitterte Anforderungen vermieden werden. Die allgemeinen Voraussetzungen der Abweichung von der Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit gelten auch für Verlustverrechnungsbeschränkungen. Zusammenfassend ist daher Folgendes festzuhalten: Die Grenzen für Beschränkungen der Verlustverrechnung sind vom BVerfG noch nicht vollständig herausgearbeitet worden. Das objektive Nettoprinzip und damit der Verlustausgleich sind nach hier vertretener Ansicht im Grundsatz aus dem Leistungsfähigkeitsprinzip des Art. 3 I GG geboten, so dass Beschränkungen mit nach Art und Gewicht ausreichenden Gründen zu rechtfertigen sind. Selbst wenn man keine unmittelbare verfassungsrechtliche Grundlage für die Verlustberücksichtigung sieht, ergibt sich bei Beibehaltung des gegenwärtigen Systems jedenfalls aus dem Gebot der Folgerichtigkeit und der Gleichbehandlung der Einkunftsarten eine Pflicht zur Rechtfertigung von speziellen Verlustverrechnungsbeschränkungen 524 durch besondere sachliche Gründe. Damit müssen bei § 23 III 8, 9 EStG zumindest besondere sachliche Gründe die Beschränkung rechtfertigen. Im Einzelfall können sich auch aus der Grenze der Besteuerung des Existenzminimums verfassungsrechtliche Bedenken525 bei § 23 III 8, 9 EStG ergeben. Denn auch bei § 23 EStG ist denkbar, dass hohe Verluste aus privaten Veräußerungsgeschäften die Gewinne aus anderen Einkünften übersteigen und dass wegen der Nichtberücksichtigung der Veräußerungsverluste in diesem Veranlagungszeitraum dem Steuerpflichtigen durch die Steuerbelastung nicht das Existenzminimum verbleibt.
kungen und Verbote der Verlustverrechnung nicht schon bei Vorhegen eines sachlichen Grundes, sondern nur bei Bestehen von Gründen zu rechtfertigen, die mindestens den Gemeinwohlwert einer gleichmäßigen Besteuerung erreichen, Tipke, StRO II, S. 782 f.; ders., StRO I, S. 306 f., 329 ff. 524 Aus der Rechtsprechung des BVerfG ergibt sich, dass auch der periodenübergreifende Verlustabzug aus Gründen der Gleichbehandlung erforderlich ist, so Arndt/Jenzen, DStR 1998,1818 (1819 f.). 525 Dazu näher BFH v. 6. 3. 2003 - X I B 7/02, BFHE 202, 141 (143 f.); M. Wendt, DStJG 28 (2005), 41 (55 ff.). Siehe auch BFH v. 29. 4. 2005 - X I B 127/04, (unter II.2.d)), wonach der Schutz des Existenzminimums nur im Entstehungsjahr der Verluste deren Berücksichtigung verlangt.
278
D. Verfassungsrechtliche Fragen bei Ausgestaltung des § 23 EStG
b) Rechtfertigung
der Beschränkung der Verlustverrechnung in § 23 III 8, 9 EStG
Die Beschränkung der Verlustverrechnung in § 23 III 8, 9 EStG muss im Hinblick auf die Rechtsprechung des BVerfG zumindest durch das Vorliegen besonderer sachlicher Gründe gerechtfertigt werden. 526 Zu berücksichtigen ist dabei der weite Beurteilungs- und Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers bei der Rechtfertigung von Ungleichbehandlungen.527 Nach der hier vertretenen Ansicht sollten sogar in angemessenem Verhältnis zur Schwere der Abweichung vom Leistungsfähigkeitsprinzip und von der Gleichbehandlung der Einkunftsarten stehende Gründe gefordert werden. Die Abweichung von der Leistungsfähigkeit bzw. von der grundsätzlichen Verlustberücksichtigung müsste dann geeignet, erforderlich und angemessen sein im Hinblick auf das erstrebte Ziel. Erste Bedenken gegen die Vorschrift bestehen schon insoweit, als sich nicht eindeutig sagen lässt, was der Zweck dieser Verlustverrechnungsbeschränkung ist. 528 Im Schrifttum wird teilweise bezweifelt, dass ausreichende Gründe für die Einschränkung bestehen.529 In der Rechtsprechung wurde die Verfassungsmäßigkeit der Neuregelung aber bejaht. 530 Hier sollen die diskutierten Rechtfertigungsgründe im Folgenden auf ihre Überzeugungskraft untersucht werden. 526 Vgl. zu Aufwendungen BVerfG v. 30. 9. 1998 - 2 BvR 1818/91, BVerfGE 99, 88 (96 f.); BVerfG v. 23. 1. 1990 - 1 BvL 4/87 u. a., BVerfGE 81, 228 (237). Vgl. M. Wendt, DStJG 28 (2005), 41 (49), wonach sachliche Gründe für Einschränkungen der Verlustberücksichtigung erforderlich sind. Vgl. auch FG Köln v. 15. 9. 2004 - 7 K 1268/03, DStRE 2004, 1460 (1461 f.), Az. des BFH: IX R 45/04. 527 BVerfG v. 23. 1. 1990 - 1 BvL 4/87 u. a., BVerfGE 81, 228 (237). 528 Für die Verfassungswidrigkeit von Regelungen, deren Zweck - insbesondere bei kurzfristigem Beschluss im Vermittlungsausschuss - nicht erkennbar ist, Heintzen, DStJG 28 (2005), 163 (183). 529 Strahl/Fuhrmann, FR 2003, 387 (388). Nach Lang, in: Tipke/Lang, § 9 Rz. 596, stellt die zu dürftige Reaktion des Gesetzgebers mit der Einführung des Verlustabzuges nach Satz 9 noch keinen verfassungsmäßigen Zustand her (ohne nähere Begründung). Siehe auch Herzig /Lutterbach, DStR 1999, 521 (526 f.), nach deren Ansicht vor dem Hintergrund der verminderten wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit zweifelhaft ist, ob die Regelung ausreichend ist. Es sollte eine Verrechnung mit anderen Einkünften zugelassen werden. Auch Korn / Carié, EStG, § 23 Rn. 87 (Aug. 2004), hält die Regelung nicht für berechtigt. Wegen der späteren Verlustberücksichtigung für Verfassungsmäßigkeit aber Schmidt/ Heinicke, EStG, 23. Aufl., § 23 Rn. 97. Für die Verfassungsmäßigkeit, aber trotzdem kritisch Blümich/Glenk, § 23 EStG Rn. 21, 231, 233 (März 2005), der wegen der Erweiterung der Besteuerung privater Veräußerungsgeschäfte in Richtung einer vollständigen Besteuerung eine Gleichbehandlung mit den übrigen Einkunftsarten bei der Verlustverrechnung für vorzugswürdig hält. 530 Ohne nähere Begründung für die Verfassungsmäßigkeit FG Berlin v. 4. 3. 2002 - 6 B 6333/01, DStRE 2002, 616 (617). Für die Verfassungsmäßigkeit auch BFH v. 1. 6. 2004 IX R 35/01, BFHE 206, 273 (281).
V. Beschränkung der Verlustverrechnung durch § 23 I
8,9 EStG
279
aa) Fiskalische Gründe Als erstes ist zu betonen, dass fiskalische Gründe 531 eine Ungleichbehandlung jedenfalls nicht rechtfertigen können.532 Der Finanzbedarf des Staates muss gerade durch eine gleichmäßige und gerechte Besteuerung gedeckt werden, 533 nicht durch eine willkürliche. Insbesondere bei § 23 EStG ist aber zu vermuten, dass der wahre Grund für die Beschränkung der Verlustverrechnung die Sicherung eines nennenswerten Aufkommens aus dieser Norm ist. 534 Teilweise wird auch angenommen, die komplizierte Beschränkung der Verlustverrechnung solle davon abschrecken, Einkünfte aus privaten Veräußerungsgeschäften zu erzielen. 535 Der Grund für die ursprüngliche Einführung einer Verlustverrechnungsbeschränkung im Jahr 1921 wurde seinerzeit darin gesehen, dass eine Minderung der Besteuerung anderer Einkünfte durch Spekulationsverluste verhindert werden sollte.536 Maßgebend waren also damals im weiteren Sinne fiskalische Gründe.
bb) Erforderlichkeit der Regelung zur Missbrauchsabwehr, zur Verhinderung der Spekulation auf Kosten der Allgemeinheit und zur Verhinderung unerwünschter Steuergestaltungen Als Rechtfertigung kommen zunächst die eng miteinander zusammenhängenden Aspekte der Missbrauchsabwehr, der Verhinderung unerwünschter Steuergestaltungen und der Verhinderung von Spekulation auf Kosten der Allgemeinheit in Frage. 5 3 7 Gemeinsamer Anknüpfungspunkt dieser Ansätze ist, dass der Steuerpflichtige Verluste gezielt noch innerhalb der Frist realisieren kann. 531 Zur Tendenz zur eingeschränkten Berücksichtigung von Verlusten im Gegensatz zu Gewinnen aufgrund der Funktion der Steuer der Staatsfinanzierung vgl. Heintzen, DStJG 28 (2005), 163 (164). 532 Ebenso z. B. BVerfG v. 29. 5. 1990 - 1 BvL 20/86 u. a., BVerfGE 82, 60 (89); Arndt/ Jenzen, DStR 1998,1818 (1821 f.); Heintzen, DStJG 28 (2005), 163 (175). 533 Vgl. BVerfG v. 27. 6. 1991 - 2 BvR 1493/89, BVerfGE 84, 239 (268 f.); BVerfG v. 29. 5. 1990 - 1 BvL 20/86 u. a., BVerfGE 82, 60 (89); Lang, in: Tipke/Lang, § 4 Rz. 79; Tipke, StRO I, S. 329; Wernsmann, NJW 2000, 2078. 534 Schon Hecht, AG 1975, 70 (76), kritisierte wegen des eingeschränkten Verlustausgleichsverbots und des Verlustabzugsverbots, der Fiskus partizipiere ungleichmäßig und willkürlich an den Spekulationsgeschäften. Gewinne würden besteuert, Verluste blieben dagegen unberücksichtigt. Zustimmend Strahl/Fuhrmann, FR 2003, 387 (388). Angesichts der mit Wirkung ab 1999 eingeführten Verlustabzugsmöglichkeit bei Einkünften aus privaten Veräußerungsgeschäften gilt diese Kritik zwar noch dem Grunde nach, aber nur noch in abgemilderter Form. 535 Raupach/Böckstiegel, FR 1999, 617 (628). 536 Dazu oben B.II.2. 537 Ferner ließe sich als Grund für eine Beschränkung ansehen, dass nur wirtschaftlich getragene Verluste (wie bei § 15a EStG) abzugsfähig sein sollen. Bei § 23 EStG sind Verluste aber stets wirtschaftlich zu tragen, so zutreffend Strahl/Fuhrmann, FR 2003, 387 (389). Denn der Anschaffungspreis muss selbst gezahlt oder kreditfinanziert werden.
280
D. Verfassungsrechtliche Fragen bei Ausgestaltung des § 23 EStG
(1) Verlustzuweisungsmodelle Zunächst ist die vorliegende Problematik von den Verlustzuweisungsmodellen abzugrenzen. Für Verlustzuweisungsmodelle wird oft eine Verlustverrechnungsbeschränkung als zulässig angesehen.538 So gebietet das Leistungsfähigkeitsprinzip nach Ansicht des BFH nicht, eine Tätigkeit steuerlich zu berücksichtigen, die vornehmlich auf Steuerersparnis durch Erzielen von Verlusten gerichtet ist. 539 Bei privaten Veräußerungsgeschäften sollen aber Gewinne erzielt und nicht von vornherein planmäßig Verluste geschaffen werden. Bereits erlittene Verluste werden höchstens noch gezielt innerhalb der Frist realisiert. Es liegt allenfalls eine andere Art einer unerwünschten Gestaltung vor. (2) Verhinderung
der Spekulation auf Kosten der Allgemeinheit
Der B F H 5 4 0 und das BVerfG 541 haben in älteren Entscheidungen - ebenso wie einige Stimmen in der Literatur 542 - die Verhinderung von Spekulationen auf Kosten der Allgemeinheit als legitimen Grund für Beschränkungen der Verlustverrechnung angesehen. Gegen die Berücksichtigung dieses Arguments spricht aber bereits, dass angesichts der Zehnjahresfrist und der Änderung der Bezeichnung bei § 23 EStG zumindest bei Grundstücken nicht mehr von einer Besteuerung der Spekulation gesprochen werden kann. Daher wird auch gegen die Annahme der Hemmung der
538 Der BFH hat die Beseitigung von Steuersparmöglichkeiten durch Verlustzuweisungsmodelle im Ausland bei § 2a EStG als zulässige Lenkungsnorm angesehen, BFH v. 17. 10. 1 9 9 0 - I R 182/87, BStBl. I I 1991,136(139). Auch Lang hält bei Verlustzuweisungsmodellen - aber wohl nur in diesen Fällen - die Ausnahme vom Grundsatz der Verrechenbarkeit der Verluste für gerechtfertigt, Lang, in: Tipke/Lang, § 9 Rz. 67. Nach Lang ist jedoch speziellen Verlustverrechnungsbeschränkungen für die Fälle von Verlustzuweisungsmodellen durch die Regelung in § 2b EStG die Rechtfertigung entzogen. 539 BFH v. 17. 10. 1 9 9 0 - I R 182/87, BStBl. I I 1991, 136(139). 540 BFH v. 17. 10. 1990 - I R 182/87, BStBl. I I 1991, 136 (139). So wohl auch FG des Saarlandes v. 1. 3. 2001 - 2 V 400/00, JURIS-Nr. STRE200170613 (unter 2.1.3.), das als Rechtfertigung der Beschränkung angesehen hat, dass mit kurzfristigen Erwerben und Veräußerungen von Wertpapieren Verluste geschaffen werden können, die dann mit den übrigen positiven Einkünften verrechnet werden können. 541 BVerfG v. 8. 10. 1975 - 1 BvR 141 /75, HFR 1975, 581, zu § 23 IV 3 EStG a. F. 542 Schwendy, INF 1998,737 (740), der sogar den Ausschluss der Verlustverrechnung nach § 23 III 4 EStG a. F. als zulässig ansah. Siehe auch Kirchhof, in: K / S / M , EStG, § 2 Rn. B 104 (April 1992), der diese Begrenzung der Verlustverrechnung auf Gewinne desselben Jahres damit begründete, so werde das Verlustrisiko beim Steuerpflichtigen isoliert; zustimmend FG Thüringen v. 13. 12. 2000 - III 1121/00, DStRE 2001, 913 (915). Kritisch Korn!Carle, EStG, § 23 Rn. 87 (Aug. 2004), denn § 23 EStG unterstelle keine Spekulationsabsicht und sei keine Strafnorm; ebenso Strahl, StbJb. 1999/2000, 327 (355).
V. Beschränkung der Verlustverrechnung durch § 23 I 8,9 EStG
281
Spekulation als Beschränkungsgrund543 eingewendet, seit der Fristverlängerung diene § 23 EStG nicht mehr diesem Zweck. 544 Zudem wird in erster Linie auf eigene Kosten „spekuliert". Auch der Steuerpflichtige, nicht nur der auf das Aufkommen bedachte Staat, hat im Allgemeinen und bei § 23 EStG ein Interesse daran, Verluste zu vermeiden. Die Allgemeinheit ist nur mittelbar betroffen. Eine solche nachteilige Wirkung ist im Steuerrecht insgesamt nicht auszuschließen. Wirtschaftlich unsinnige oder nicht notwendige Ausgaben eines Unternehmers sind trotzdem abziehbar und daraus resultierende Verluste verrechenbar. Auch in diesen Fällen wird die Allgemeinheit in der Weise „belastet", dass sie andernfalls Steuern auf höhere Gewinne erhalten hätte. (3) Verhinderung
unerwünschter Steuergestaltungen und Missbrauchsabwehr
Das BVerfG hat in einer Entscheidung aus dem Jahr 1998 angedeutet, dass die Verhinderung unerwünschter Steuergestaltungen als Rechtfertigung von Beschränkungen der Verlustverrechnung 545 in Betracht kommt, indem es bei § 22 Nr. 3 EStG das Bestehen solcher unerwünschter Steuergestaltungen in besonderem Umfang verneint hat. 546 Einkünfte müssen danach typischerweise für unerwünschte Steuergestaltungen547 genutzt werden, die in stärkerem Maße eingedämmt werden müssen als bei anderen Einkunftsarten. Ebenso hat der BFH das Unterbinden steuersparender Gestaltungen grundsätzlich als Rechtfertigungsgrund anerkannt, indem er zu § 23 IV 3 EStG a. F. entschieden hat, zur Verhinderung solcher Gestaltungen sei diese Regelung nicht erforderlich gewesen, eine Beschränkung auf einen Verlustabzug innerhalb der Einkunftsart, wie es ihn auch bei anderen Einkünften gibt, hätte genügt.548 Damit hat 543 Bei bereits erzielten und festgestellten Veräußerungsverlusten besteht sogar ein gewisser Anreiz zur Spekulation, da etwaige Gewinne im Rahmen der Höhe des Verlustvortrages nicht besteuert werden und die Verluste bei anderen Einkünften nicht genutzt werden können. 544 Strahl/Fuhrmann, FR 2003, 387 (389). Zudem werde der Erwerb von Wertpapieren zur Unternehmensfinanzierung und zur Altersvorsorge heute als wünschenswert beurteilt. Die Annahme, § 23 EStG bezwecke die Bestrafung von Spekulanten, lehnt auch Strahl, StbJb. 1999/2000, 327 (355), ab, da Spekulationsabsicht nicht unterstellt werde.
545 Nach einem anderen Ansatz werden die Verlustverrechnungsbeschränkungen als der Verhinderung von Steuerumgehung und damit der folgerichtigen Umsetzung der getroffenen Belastungsentscheidung dienend angesehen, so dass die übliche Form der Gleichheitsprüfung nicht einschlägig sei, sondern eine Prüfung der Verhältnismäßigkeit anhand der gesetzgeberischen Ziele. So Heintzen, DSÜG 28 (2005), 163 (178 ff.). 546 BVerfG v. 30. 9. 1998 - 2 BvR 1818/91, BVerfGE 99, 88 (97); zustimmend Arndt/ Jenzen, DStR 1998, 1818 (1821); Raupach/Böckstiegel, FR 1999, 617 (625). Vgl. hierzu auch Weber-Grellet, Stbg 2004, 31 (38): § 23 III EStG sei nicht verfassungswidrig, wenn der Steuerpflichtige seine Leistungsfähigkeit bewusst durch eine unerwünschte steuerrechtlichen Wertungen widersprechende Steuergestaltung mindert. 547 Zu beachten ist dabei, dass die Unerwünschtheit einer Gestaltung schon aus fiskalischen Gründen denkbar wäre. Fiskalische Gründe sind aber gerade nicht ausreichend, s. o.
282
D. Verfassungsrechtliche Fragen bei Ausgestaltung des § 23 EStG
der BFH indirekt festgestellt, dass die Gestaltungsverhinderung bei § 23 EStG zwar nicht einen völligen Ausschluss der Verlustverrechnung, aber eine Begrenzung auf einen internen Verlustabzug wie in § 23 III 8,9 EStG rechtfertigt. Teilweise wird dieser Rechtfertigungsansatz der Gestaltungsverhinderung auch so umschrieben, dass die Missbrauchsanfälligkeit einer bestimmten Einkunftserzielung Beschränkungen der Verlustverrechnung rechtfertigen könne.549 Auch bei § 23 EStG ist daher eine solche Rechtfertigung des Unterbindens steuersparender Gestaltungen bzw. der Missbrauchsverhinderung in Betracht zu ziehen. Denn in der Verlustrealisierung innerhalb der Frist könnte man unter Umständen eine solche unerwünschte Steuergestaltung sehen. Verluste können nämlich gezielt innerhalb der Frist realisiert werden, um Verrechnungspotential zu erhalten. 550 Die Papiere können dann später wieder zurückgekauft werden, wenn eine Kursverbesserung erwartet wird. Daher wird der Grund für Verlustverrechnungsbeschränkungen bei Veräußerungen teilweise im sog. Lock-out-Effekt 551 gesehen: Der Investor habe bei Verlusten einen Anreiz, die Wertminderung sofort zu realisieren und damit seine Steuerbemessungsgrundlage zu verringern. Dem begegne der Steuergesetzgeber mit einer beschränkten Ausgleichsfähigkeit der Kapitalverluste (i. d. R. auf Kapitalgewinne). 552 Gegen diese Argumentation, § 23 III 8, 9 EStG sei eine typisierte Missbrauchsvermeidungsvorschrift bzw. verhindere typisiert unerwünschte Gestaltungen, sind aber sowohl auf der Ebene der Annahme eines Missbrauchs als auch im Hinblick auf die Typisierung des Missbrauchs Einwände zu erheben. (a) Einwände gegen die Qualifikation der Verlustrealisierung als Missbrauch oder unerwünschte Gestaltung Zwar erscheint grundsätzlich eine Rechtfertigung von Verlustverrechnungsbegrenzungen durch häufigen Missbrauch denkbar. Doch der Unterschied zu § 2b EStG liegt hier darin, dass es dort ausschließlich um künstlich und gezielt geschaffene Verluste geht, während bei § 23 EStG echte Verluste steuerlich „genutzt" werden sollen. Die Realisierung wirtschaftlich erlittener Verluste, um sie wenigstens steuerlich nutzen zu können, erscheint allein nicht als missbräuch548 BFH v. 1. 6. 2004 - IX R 35 /Ol, BFHE 206, 273 (281). Zudem weist der BFH (S. 278) ausdrücklich darauf hin, § 23 IV 3 EStG a. F. sei „in seinem Ausmaß" nicht zu rechtfertigen. Eine gewisse Beschränkung ist also aber möglich. 549 M. Wendt, DStJG 28 (2005), 41 (49). 550 Ebenso z. B. Messner, DB 2001, 560 (562). 551 Zu den durch eine Kapitalgewinnbesteuerung entstehenden Anreizen Muten, Capital Gains Tax, S. 34 (41). 552 Sendlhofer, ÖStZ 1999, 534 (536).
V. Beschränkung der Verlustverrechnung durch § 23 I 8,9 EStG
283
lieh. 553 Die Verluste werden nicht von vornherein gezielt erzeugt wie bei Verlustzuweisungsmodellen. Für die Fälle des § 23 EStG, in denen Verluste tatsächlich missbräuchlich geschaffen werden, sollte die allgemeine Vorschrift in § 42 AO ausreichen. Indiz für einen Missbrauch von Gestaltungsmöglichkeiten kann beispielsweise eine zeitnahe Wiederanschaffung derselben Papiere sein, 554 weil die Wertpapiere wirtschaftlich dann über das Fristende hinaus gehalten werden. 555 Dementsprechend hat die Rechtsprechung jetzt die Voraussetzungen des Missbrauchs von rechtlichen Gestaltungsmöglichkeiten nach § 42 AO für private Veräußerungsgeschäfte konkretisiert. 556 Zwar besteht bei privaten Veräußerungsgeschäften - insbesondere bei Wertpapieren - erwiesenermaßen die Tendenz zur Verlustmitnahme, damit die Verluste wenigstens die Steuerlast mildern. Die Rechtfertigung über eine Gestaltungsverhinderung trägt aber jedenfalls schon deswegen nicht, weil das bloße Abwarten der Frist, um Gewinne ohne Besteuerung realisieren zu können, keine Umgehung darstellt. Entsprechendes gilt für die Verlustrealisierung innerhalb der Frist. Der Steuerpflichtige nimmt keine aufwändige Gestaltung vor, sondern wählt lediglich ein Verhalten, das den steuerlichen Tatbestand erfüllt. Diese Möglichkeit ergibt sich aus der Fristregelung in § 23 EStG und ist mit der bereits angesprochenen Grenze des § 42 AO legitim. Nur wenn der Steuerpflichtige den mit Verlust veräußerten Gegenstand wirtschaftlich über die Frist hinaus hält, liegt eine Umgehung bzw. ein Missbrauch vor, z. B. bei sofortigem Rückkauf. Der Anreiz zur Verlustrealisierung ist also bloße Folge der (kritikwürdigen) Ausgestaltung des steuerlichen Tatbestandes mit einer Fristlösung. Es ist daher widersprüchlich, wenn der Gesetzgeber das Ausnutzen der von ihm geschaffenen Regelung verhindern will und sozusagen nach der „Rosinentheorie" vorgeht, indem er Verluste nur stark begrenzt berücksichtigt, Gewinne aber besteuert. Schließlich gibt es auch im betrieblichen Bereich Anreize, nicht oder noch nicht erforderliche Ausgaben zu tätigen, um die Steuerlast zu minimieren. Trotzdem erfolgt dort keine Abzugsbeschränkung.
553
Ähnlich Strahl/Fuhrmann, FR 2003, 387 (389), nach deren Ansicht missbräuchliche Gestaltungen bei § 23 EStG regelmäßig nicht denkbar sind, denn Verluste aus privaten Veräußerungsgeschäften seien reale Verluste und nicht nur reine Buchverluste. 554 Die Verlustrealisierung kurz vor Fristende ist dagegen nicht zwingend ein Indiz für Missbrauch. 555 in den USA können Verluste bei sog. wash sales, bei denen Verluste nur für steuerliche Zwecke realisiert werden sollen, nur bei der Veräußerung der in zeitlichem Zusammenhang neu erworbenen substanziell gleichen Aktien berücksichtigt werden. Vgl. dazu Jacobsen/ Stange, IStR 2005,11 (16). 556 Jedenfalls beim Verkauf und Ankauf gleichartiger Wertpapiere am selben Tag ohne erkennbares Kursrisiko mit dem alleinigen Zweck der Erzielung eines Spekulationsverlustes liegt ein Gestaltungsmissbrauch vor. So FG Hamburg v. 9. 7. 2004 - VII52/02, DStRE 2004, 1334(1335).
284
D. Verfassungsrechtliche Fragen bei Ausgestaltung des § 23 EStG
Schließlich würde die Annahme der Missbräuchlichkeit der Verlustrealisierung erfordern, dass diese Verluste aus privaten Veräußerungsgeschäften überhaupt nicht abzugsfähig sind, und nicht, dass sie nur beschränkt verrechnet werden können. Nur ein völliger Ausschluss der Verlustberücksichtigung wäre dann konsequent. (b) Einwände gegen eine derartige Typisierung Gegen die Typisierung einer Gestaltungsverhinderung bei § 23 EStG bestehen zudem Einwände im Hinblick auf die Zulässigkeit einer solchen Typisierung. Eine Typisierung missbräuchlich erzielter Verluste ist zwar grundsätzlich denkbar. 557 Hier sind aber neben den künstlichen Verlusten, die der Schaffung verrechenbarer Verluste dienen sollen, gleichermaßen alle echten Verluste betroffen. Mit der Erfassung nicht missbräuchlicher Verluste geht die Regelung über ihr Ziel hinaus.558 Es handelt sich also allenfalls um eine sehr grobe Typisierung, die auf der Annahme basiert, dass Verluste nur aus Missbrauchsgründen entstehen. Eine zulässige Typisierung muss aber den Regelfall 559 realitätsgerecht zugrunde legen. 560 Diese Voraussetzung ergibt sich sowohl aus dem Begriff der Typisierung561 als auch aus der Angemessenheit der Typisierung zu Vereinfachungszwecken. Hier ist schon zu bezweifeln, dass die „missbräuchliche" Verlustrealisierung den Regelfall darstellt. Wer nur kurzfristig investieren kann oder will, ist gezwungen, etwaige Verluste innerhalb der Frist zu realisieren. Diese Verluste sind nicht Folge einer Gestaltung. Typisierungen müssen zudem zur Vereinfachung geeignet, erforderlich und angemessen sein. 562 Damit die Regelung erforderlich 563 ist, dürfte eine Unterscheidung echter und missbräuchlicher Verluste 564 also nicht möglich sein; denn eine Begrenzung auf 557 So bspw. zur Typisierung missbräuchlicher Verluste bei § 2a EStG BFH v. 17.10.1990 I R 182/87, BStBl. I I 1991,136 (139). 558 Zur Erfassung von Personen, die nach den gesetzgeberischen Zielen nicht betroffen sein sollen, bei anderen Beschränkungen (insbesondere bei § 15a EStG) vgl. Heintzen, DStJG 28 (2005), 163 (172 f.). 559 Auch bei der Beschränkung in § 22 Nr. 3 S. 3 EStG fragte das BVerfG, ob Einkünfte aus Leistungen typischerweise für unerwünschte Steuergestaltungen genutzt werden, BVerfG v. 30. 9. 1998 - 2 BvR 1818/91, BVerfGE 99, 88 (97). 560 Birk, Steuerrecht, Rn. 179; Birk/Barth, in: H / H / S p , § 4 AO Rz. 494 (Nov. 1997). Vgl. BVerfG v. 7. 12. 1999 - 2 BvR 301 / 98, BVerfGE 101, 297 (310); BVerfG v. 10. 4. 1997 - 2 BvL 77/92, BVerfGE 96, 1 (6 f.) m. w. N., wonach sich der Gesetzgeber am Regelfall bzw. am typischen Lebensvorgang orientieren darf.
561 Birk/Barth, in: H / H / S p , § 4 AO Rz. 494 (Nov. 1997). 562 Birk, Steuerrecht, Rn. 179; Birk/Barth in: H / H / S p , § 4 AO Rz. 493 (Nov. 1997). So auch BVerfG v. 4. 4. 2001 - 2 BvL 7/98, BVerfGE 103, 310 (319), wonach Typisierungen verhältnismäßig sein müssen. 563 D. h. es besteht kein milderes, gleich wirksames Mittel. Siehe nur Jarass, in: Jarass/ Pieroth, GG, Art. 20 Rn. 85 m. w. N.
V. Beschränkung der Verlustverrechnung durch § 23 I 8,9 EStG
285
Verluste aus Steuerspargründen wäre milder. 565 Daher müssen Kriterien entwickelt werden, um Verluste infolge einer Gestaltung auszugrenzen. Dabei könnte z. B. an den Rückkauf verlustbringend veräußerter Gegenstände innerhalb einer bestimmten Frist gedacht werden. Schließlich erscheint es unverhältnismäßig, wenn wegen eines etwaigen Missbrauchs einzelner die verminderte Leistungsfähigkeit bei den übrigen Steuerpflichtigen ignoriert wird. 566 Zudem bestehen Bedenken, ob Härten nur für eine geringe Zahl von Betroffenen entstehen, wie es für eine zulässige Typisierung erforderlich ist. 567 Die typisierte Verhinderung von Gestaltungen bzw. Missbrauch kann daher die Regelung in § 23 III 8,9 EStG nicht rechtfertigen. (4) Besonderheiten der Fristregelung
des § 23 EStG
Der Missbrauchsverhinderung ähnelt ein weiteres Argument für die Beschränkung: § 23 III 8, 9 EStG könne damit gerechtfertigt werden, dass der Steuerpflichtige nicht zugleich die Möglichkeit haben solle, Gewinne erst nach dem Ablauf der Frist, Verluste aber noch innerhalb der Jahresfrist zu realisieren. 568 Diese Möglichkeit ist zwar zugegebenermaßen unerwünscht, ergibt sich aber allein als Folge der Auswahl des gesetzlichen Tatbestandes.569 Diese Anreize zeigen nur, dass eine Fristregelung auch insoweit nicht sinnvoll ist. Zudem kann die Verlustausgleichsbeschränkung nicht verhindern, dass in diesem Sinne künstliche Verluste geschaffen und - wenn auch gegebenenfalls später - durch Verrechnung mit Veräußerungsgewinnen genutzt werden, so dass man bereits an der Eignung der Beschränkung zur Erreichung dieses Ziels zweifeln kann. 564 Bei § 2 III EStG a. F. hat der BFH offen gelassen, ob der Gesetzgeber zwischen „echten" Verlusten und Verlusten insbesondere aus der Inanspruchnahme von Sonderabschreibungen unterscheiden muss, BFH v. 9. 5. 2001 - X I B 151 /00, BFHE 195, 314 (320 f.). 565 Vgl. zu § 2 i n EStG a. F. Birk/Kulosa, FR 1999, 433 (438 f.), und zustimmend M. Wendt, DStJG 28 (2005), 41 (72), die die Regelung nicht für erforderlich und zur Lenkung schon für ungeeignet halten, da auch der Ausgleich nicht künstlicher, sondern echter Verluste betroffen ist. 566 Vgl. zur Verhältnismäßigkeit beim Missbrauchsverdacht bei Einzelnen Arndt/Jemen, DStR 1998, 1818(1821). 567 Dazu Jarass, in: Jarass/Pieroth, GG, Art. 3 Rn. 31 m. w. N. Außerdem kann man an der weiteren Voraussetzung zweifeln, dass die Ungleichbehandlung durch die Typisierung nicht sehr intensiv sein darf. 568 Tipke, StRO II, S. 783, Fn. 522. Die Situation sei wegen der Jahresfrist eine besondere. Zustimmend FG Köln v. 15. 9. 2004 - 7 K 1268/03, DStRE 2004, 1460 (1461), Az. des BFH: IX R 45/04. Vgl. zur Möglichkeit der Verlustrealisierung auch Doralt / Doralt/Kempf, § 30 öEStG Rn. 141 (Okt. 2002). 569 Fuhrmann, DStZ 2004, 841 (842), weist darauf hin, dass z. B. auch beim gewerblichen Grundstückshandel für den Steuerpflichtigen die Möglichkeit bestehe, durch Abwarten über die Steuerbarkeit des Veräußerungsgeschäftes zu entscheiden, und dass dort trotzdem die Verlustverrechnung nicht beschränkt werde.
286
D. Verfassungsrechtliche Fragen bei Ausgestaltung des § 23 EStG
cc) Typisierung nicht steuerbarer Einkünfte Weiterhin wird als Rechtfertigung angeführt, die Begrenzung der Verlustverrechnung typisiere die Vermutung, dass planmäßige Vorkehrungen bei Spekulationsgeschäften nur auf die Erzielung positiver Einkünfte gerichtet seien, negative Einkünfte seien daher typischerweise nicht steuerbare Einkünfte, für die kein Verlustausgleich und -abzug in Betracht komme. 570 Dagegen spricht aber zuerst, dass - abgesehen von der Veräußerung von Jahreswagen und ähnlichen Gebrauchsgegenständen571 - kaum vorstellbar erscheint, dass bei privaten Veräußerungsgeschäften aus persönlichen Gründen Verluste hingenommen werden. Verluste entstehen insbesondere durch das erhebliche Risiko bei Spekulationsgeschäften bzw. privaten Veräußerungsgeschäften, das durch die naturgemäßen Unsicherheiten einer Prognose der Preisentwicklung entsteht. Des Weiteren greift der grundsätzliche Einwand des BVerfG gegen diese Argumentation. Bei Leistungen gemäß § 22 Nr. 3 EStG hat es das Argument, dass typischerweise keine Überschüsse zu erwarten seien, als Rechtfertigung der Verlustverrechnungsbeschränkung generell abgelehnt, da die Liebhaberei mit Erträgen und Aufwendungen nicht einkommensteuerbar sei. 572 Vor allem spräche die Annahme, dass Verluste aus privaten Veräußerungsgeschäften regelmäßig aus Gründen der Liebhaberei hingenommen werden, dafür, dass Verluste gar nicht geltend gemacht werden können und ihr Abzug nicht nur begrenzt wird. Das Argument ist also jedenfalls im geltenden Recht 573 nicht stimmig.
dd) Berührung der unerheblichen Vermögenssphäre Vereinzelt wurde die Begrenzung der Verlustverrechnung bei § 23 EStG auch damit begründet, so werde der Gedanke der einkommensteuerlich unerheblichen Vermögenssphäre bei den negativen Einkünften fortgeführt. 574 Gegen dieses Argu570 Kirchhof in: K / S / M , EStG, § 2 Rn. B 104 (April 1992); zustimmend FG Thüringen v. 13. 12. 2000 - in 1121/00, DStRE 2001, 913 (915); FG Köln v. 15. 9. 2004 - 7 K 1268/03, DStRE 2004, 1460 (1462), Az. des BFH: IX R 45/04. A. A. BFH v. 1. 6. 2004 D i R 35/01, BFHE 206, 273 (280 f.). Vgl. femer Strahl/Fuhrmann, FR 2003, 387 (390 f.), die die teilweise geäußerte Annahme, bei privaten Veräußerungsgeschäften würden regelmäßig keine Überschüsse erzielt, für unzutreffend halten. 571 Vgl. dazu die Ausführungen zur Einkünfteerzielungsabsicht bei § 23 EStG unter D.VI. 572 BVerfG v. 30. 9. 1998 - 2 BvR 1818/91, BVerfGE 99, 88 (99), denn Leistungen setzten eine auf das Erzielen eines Überschusses angelegte Erwerbsgrundlage voraus. 573 Bei der Regelung in § 23 III 4 EStG a. F. wurde die Verlustverrechnung dagegen weitgehend ausgeschlossen. Auch hier hätte das Argument nicht steuerbarer Einkünfte aber dafür gesprochen, Verluste gar nicht zu berücksichtigen, d. h. nicht einmal mit Spekulationsgewinnen desselben Jahres zu verrechnen. 574 So zu § 23 IV 3 EStG a. F. Kirchhof, in: K / S / M , EStG, § 2 Rn. B 104 (April 1992); zustimmend FG Thüringen v. 13. 12. 2000 - I I I 1121 /00, DStRE 2001, 913 (915); FG Köln v. 15. 9. 2004- 7 K 1268/03, DStRE 2004, 1460 (1462), Az. des BFH: IX R 45/04.
V. Beschränkung der Verlustveechnung durch § 23 III 8,9 EStG
287
ment spricht bereits, dass bei den privaten Veräußerungsgeschäften die private Vermögenssphäre ausnahmsweise steuerbar ist. Auch die besondere volkswirtschaftliche Schädlichkeit einer bestimmten Einkunftserzielung wird vereinzelt als Rechtfertigung für Begrenzungen der Verlustverrechnung angesehen.575 Von Schädlichkeit kann man jedoch selbst bei eindeutig vorliegender Spekulation nicht sprechen. Heute wird auch der kurzfristige Wertpapierkauf als sinnvolle Form der Kapitalanlage und der Vermögensbildung angesehen.576 Festzuhalten ist daher, dass keine ausreichenden Gründe für die Begrenzung der Verlustverrechnung in § 23 IE 8, 9 EStG bestehen.
2. Verfassungsmäßigkeit des bis 1998 geltenden § 23 I I I 4 EStG a. F. und der fehlenden rückwirkenden Anwendung der Regelung in § 23 D I 8, 9 EStG auf Altfälle Während ab 1999 VeräußerungsVerluste nach § 23 III 9 EStG Veräußerungsgewinne aus dem Voijahr und späteren Jahren mindern, war in den Jahren vor 1999 der Verlustabzug nach § 10d EStG durch § 23 III 4 EStG a. F. völlig ausgeschlossen. Ein Verlustausgleich war nur mit Spekulationsgewinnen aus demselben Kalenderjahr möglich.577 Den völligen Ausschluss des Verlustabzugs und des Verlustausgleichs hat das BVerfG im Fall der laufenden Vermietung beweglicher Gegenstände für nichtig erklärt, s. o. 5 7 8 Anfangs war die Übertragbarkeit dieser Entscheidung auf § 23 EStG streitig. 579 Der BFH hat die Frage zunächst offen gelassen.580 Allerdings hat er gleichzeitig die Nichterstreckung der neu geregelten Verlustverrechnung auf Altfalle ohne sachliche Gründe für verfassungswidrig gehalten.581 Der Gesetzgeber sei zunächst davon ausgegangen, dass die Einbeziehung der noch 575 M. Wendt, DStJG 28 (2005), 41 (49). 576 Siehe auch Strahl/Fuhrmann, FR 2003, 387 (389). 577 Vgl. nur Schmidt / Weber-Grellet, EStG, § 23 Rn. 97. 578 BVerfG v. 30. 9. 1998 - 2 BvR 1818/91, BVerfGE 99, 88 (LS), zu § 22 Nr. 3 S. 3 EStG a. F. Deswegen sollen Verluste für vergangene Veranlagungszeiträume insoweit ohne Einschränkung zu berücksichtigen sein. 579 Dazu näher Jacobs-Soyka, in: L / B / P , EStG, § 23 Rn. 13 (Febr. 2003). 580 BFHv. 15.12. 2 0 0 0 - I X B 128/99, BFHE 194, 157(159). 581 BFH, Fn. 580, BFHE 194, 157 (LS und S. 159); Lang, in: Tipke/Lang, § 9 Rz. 596; ebenso Groß, DStR 2001, 1553 (1554); Jansen, in: H / H / R , § 23 EStG Anm. 324 (Nov. 2002). Vgl. auch Kirchhof / Fischer, EStG, 4. Aufl., § 23 Rn. 23, der die zeitliche Anwendung der Neuregelung in verfassungsrechtlicher Hinsicht als sehr zweifelhaft ansieht. Die Finanzverwaltung hatte eine Anwendung von § 23 III 9 EStG auf Altverluste vor 1999 abgelehnt. Altverluste sollten nur mit Gewinnen desselben Kalenderjahres verrechnet werden können. So BMF-Schreiben v. 5. 10. 2000 - IV C 3 - S 2256 - 263/00, DStR 2000, 1867, Tz. 43.
288
D. Verfassungsrechtliche Fragen bei Ausgestaltung des § 23 EStG
offenen Altfälle geboten sei, habe diese dann aber später ohne erkennbare Gründe für entbehrlich gehalten.582 In einem späteren Urteil wurde die Verfassungswidrigkeit von § 23 III 4 EStG a. F. dann ausdrücklich festgestellt. 583 Dem BFH ist zuzustimmen, dass eine verfassungskonforme Auslegung wegen des eindeutigen Wortlauts der Anwendungsregel nicht möglich ist. 584 Für die Veranlagungszeiträume vor 1999 sollen daher die allgemeinen einkommensteuerlichen Regeln über Verlustausgleich und Verlustabzug anzuwenden sein, soweit § 23 EStG im Hinblick auf die Entscheidung des BVerfG noch anwendbar585 sei. 586 Der Beschluss des BVerfG zu § 22 Nr. 3 S. 3 EStG a. F. sei unberücksichtigt geblieben, obwohl seine Grundsätze auf § 23 IV 3 EStG a. F. übertragbar seien.587 Eine sachliche Rechtfertigung für ein derart weitgehendes Verlustausgleichs- und -abzugsverbot liege nicht vor. 588 Gegen das Argument der Vermeidung steuersparender Gestaltungen spreche, dass dazu auch die Beschränkung auf einen Verlustabzug innerhalb der Spekulationseinkünfte, also ein Verbot des Verlustausgleichs mit anderen Einkünften, genügt hätte. 589 Eine solche Regelung sei bei anderen der Verhinderung unerwünschter Gestaltung dienenden Sondervorschriften (z. B. §§ 2b S. 4, 15a II, 211 2 EStG) auch üblich. 590 Dadurch wird deut582 BFH v. 15. 12. 2 0 0 0 - I X B 128/99, BFHE 194, 157 (159 f.). 583 BFH v. 14. 7. 2004 - IX R 13/Ol, BFHE 206, 316 (319 f.). Für die Verfassungsmäßigkeit von § 23 III 4 EStG a. F. dagegen noch FG München v. 29. 10. 1999 - 8 K 3914/96, DStRE 2000, 350 (351); ebenso mit knappem Hinweis auf die unterschiedliche Einkünfteermittlung FG Thüringen v. 13. 12. 2000 - I I I 1121/00, DStRE 2001, 913 (914), aufgehoben; FG des Saarlandes v. 1. 3. 2001 - 2 V 400/00, JURIS-Nr. STRE200170613 (unter 2.1.2.). 584 BFH v. 1. 6. 2004 - D i R 35/01, BFHE 206, 273 (282); ebenso Blümich IGlenk, § 23 EStG Rn. 236 (März 2005). 585 Wegen der Nichtigkeit für 1997 und 1998 sind insoweit keine steuerlich relevanten Verluste möglich, BFH v. 14. 7. 2004 - IX R 13/01, BFHE 206, 316 (320). Auch aus Vertrauensschutzgründen ergibt sich keine Berücksichtigung der Verluste, denn ein Verlustausgleich war nach damaligem Recht nicht möglich und Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit dieser Regelung kamen erst später auf. 586 BFH v. 1. 6. 2 0 0 4 - I X R 35/01, BFHE 206, 273 (LS 1 und S. 283); darauf verweisend BFH v. 14. 7. 2004 - IX R 13/01, BFHE 206, 316 (320); BFH v. 7. 9. 2004 - IX R 73/00, unveröffentlicht (unter II.3.); BFH v. 16. 6. 2004 - X R 22/00, DStR 2004, 1477 (1480). Kritisch Blümich IGlenk, § 23 EStG Rn. 231 (März 2005). Für die Fortgeltung des Ausschlusses von Verlustausgleich und Verlustabzug OFD Düsseldorf, Vfg. v. 6. 7. 1999 S 2256 A - S t 121, DB 1999, 1631 f. 587 BFH v. 1. 6. 2004 - IX R 35/01, BFHE 206, 273 (276). A. A. unter Hinweis auf die bei § 23 EStG erfolgende Berücksichtigung von in früheren Veranlagungszeiträumen abgeflossenen Werbungskosten FG München v. 29. 10. 1999 - 8 K 3914/96, DStRE 2000, 350 (351), aufgehoben. Die Finanzverwaltung hielt ebenso die Übertragung der B VerfG-Entscheidung auf § 23 EStG wegen der unterschiedlichen Berücksichtigung der Werbungskosten nicht für gerechtfertigt, OFD Düsseldorf, Vfg. v. 6. 7. 1999 - S 2256 A - St 121, DB 1999, 1631 f. 588 BFH v. 1. 6. 2004 - IX R 35 / 01, BFHE 206, 273 (278). 589 BFH, Fn. 588, BFHE 206, 273 (281). 590 BFH, Fn. 588, BFHE 206, 273 (281).
V. Beschränkung der Verlustverrechnung durch § 23 I 8,9 EStG
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lieh, dass der BFH das Unterbinden steuersparender Gestaltungen bei § 23 EStG grundsätzlich als Rechtfertigungsgrund genügen lassen will, obwohl keine Nachweise für einen besonderen Umfang des Missbrauchs bei privaten Veräußerungsgeschäften angeführt wurden. Dagegen sprechen die oben genannten Einwände.591 Insbesondere ist die Verlustrealisierung innerhalb der Frist kein Missbrauch, sondern legitime Sachverhaltsgestaltung, die durch die Fristregelung in § 23 EStG möglich wird und höchstens Anlass zu Zweifeln am Sinn dieser Fristregelung bietet. Trotz der Annahme der Verfassungswidrigkeit der Beschränkung in § 23 IV 3 EStG a. F. lehnte der BFH eine Vorlage an das BVerfG ab und gelangte im Wege einer den Anwendungsbereich einschränkenden verfassungskonformen Auslegung zur bereits angesprochenen Anwendung der allgemeinen Grundsätze der Verlustverrechnung 592 für die Jahre vor 1999. 593 Für die noch offenen Altfalle bei § 23 EStG sollen die Grundsätze der Entscheidung des BVerfG zu § 22 Nr. 3 EStG entsprechend gelten.594 Der Gesetzgeber habe § 22 Nr. 3 EStG und § 23 EStG auch hinsichtlich der Altverluste nicht unterschiedlich behandeln wollen, sondern das Normkonzept verfolgt, für beide Vorschriften eine verfassungskonforme Berücksichtigung von Verlusten herzustellen.595 In der Literatur wurde dagegen teilweise die Verfassungswidrigkeit der Anwendungsregel in § 52 I EStG a. F. angenommen, wonach die Neuregelung erst ab 1999 gilt, und für die offenen Altfälle die Anwendbarkeit der allgemeinen Regeln über Verlustausgleich und Verlustabzug auch bei § 23 EStG befürwortet. 596 Zu kritisieren ist dabei, dass die Annahme der Verfassungswidrigkeit der Anwendungsregel deren Vorlage an das BVerfG gemäß Art. 1001GG verlangt hätte, auch wenn dies im Ergebnis wahrscheinlich ebenfalls die Anwendung der allgemeinen Regeln angeordnet hätte. Auch in der Literatur wurde vielfach die Verfassungswidrigkeit des früheren fast vollständigen Ausschlusses der Verrechnung in § 23 III 4 EStG a. F. angenommen. 597 Denn wie bei § 22 Nr. 3 EStG a. F. bestehe eine Benachteiligung derjeni591 Dazu oben D.V.l.b)bb)(3). 592 Kritisch Blümich / Glenk, § 23 EStG Rn. 231 (März 2005). A. A. zur Anwendung der allgemeinen Grundsätze zuvor Frotscher ILindberg, EStG, § 23 Rn. 160 (Sept. 2003). 593 Da nicht eindeutig ist, dass der Gesetzgeber für die Altfälle bei § 23 EStG von der Anwendbarkeit der allgemeinen Verlustverrechnungsregeln ausging, ist zu überlegen, ob eine Vorlage der klar verfassungswidrigen Anwendungsregel vorzugswürdig gewesen wäre, denn für die Altfälle fehlte eine gezielte Regelung. Für das Fehlen von Vorschriften für die Jahre vor 1999 auch Groß, DStR 2001, 1553 (1555), der dann aber die allgemeinen Grundsätze anwenden will. 594 BFH v. 1. 6. 2004 - IX R 35/01, BFHE 206, 273 (283) m. w. N. 595 BFH, Fn. 594, BFHE 206, 273 (284). 596 Balmes, DStR 2000,1047 (1048). Für die Anwendbarkeit der allgemeinen Regeln auch Groß, DStR 2001,1553 (1555); Risthaus/Plenker, DB 1999, 605 (610). 597 Balmes, DStR 2000, 1047 (1048); Risthaus/Plenker, DB 1999, 605 (610); Schmidt/ Weber-Grellet, EStG, § 23 Rn. 95, 97. Ebenso Hecht, AG 1975, 70 (75 f.), der bei § 23 IV 3 19 Dechant
290
D. Verfassungsrechtliche Fragen bei Ausgestaltung des § 23 EStG
gen, die nicht im selben, sondern in unterschiedlichen Veranlagungszeiträumen Gewinne und Verluste erzielen. 598 Nach der hier vertretenen Ansicht fehlen schon für die weniger restriktive Neuregelung in § 23 III 8, 9 EStG rechtfertigende Gründe. Dies gilt erst recht für die weiter gehende Beschränkung der Verlustverrechnung in § 23 i n 4 EStG a. F. Im Ergebnis ist daher der überwiegenden Ansicht zuzustimmen, dass die Regelung verfassungswidrig war. Es wäre allerdings gemäß Art. 100 I GG eine Vorlage der verfassungswidrigen Anwendungsvorschrift an das BVerfG notwendig gewesen.
3. Zwischenergebnis Für die Beschränkung der Verlustverrechnung in § 23 m 8, 9 EStG lassen sich keine rechtfertigenden Gründe finden. Insbesondere ist auch die kurzfristige Wiederveräußerung weder gemeinwohlschädlich noch erfolgt sie auf Kosten der Allgemeinheit. Als Grund für die Vorschrift sind in erster Linie fiskalische Motive zu vermuten, die aber keine Rechtfertigung darstellen. Die bestehenden Gestaltungsmöglichkeiten mit Verlusten zeigen die Fragwürdigkeit der fristabhängigen Besteuerung in § 23 EStG insgesamt. Daher bestehen schwerwiegende verfassungsrechtliche Bedenken gegen die Regelung in § 23 i n 8, 9 EStG.
V I . Z u r steuerlichen Relevanz von Veräußerungsverlusten bei Wirtschaftsgütern des täglichen Gebrauchs i m geltenden Recht Schließlich stellt sich die Frage, ob im Rahmen des § 23 EStG Veräußerungsverluste steuerlich relevant sind, die bei Wirtschaftsgütern des täglichen Gebrauchs entstehen und allein auf dem Wertverlust durch Gebrauch beruhen. Das praktisch relevanteste Beispiel sind Jahreswagen.599 Die Frage wird dadurch aufgeworfen, dass § 23 EStG nach seinem Wortlaut alle Wirtschaftsgüter erfasst und die BeEStG a. F. sogar von einem Verstoß gegen das Willkürverbot ausging: Der Staat partizipiere an den Gewinnen, Verluste blieben dagegen unberücksichtigt. Für Verfassungswidrigkeit wegen Verstoßes gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz Groß, DStR 2001, 1553 (1555). Vgl. Kom¡Carié, EStG, § 23 Rn. 16.3 (Aug. 2004), nach dessen Ansicht ein völliger Ausschluss der Verlustverrechnung gegen Art. 3 GG verstößt. Vgl. dazu auch Arndt /Jemen, DStR 1998, 1818 (1819, Fn. 14), mit dem Hinweis, die historischen Erörterungen zu § 22 Nr. 3 EStG seien weitgehend nicht auf § 23 EStG übertragbar. Für die Verfassungsmäßigkeit der Beschränkung dagegen Schwendy, INF 1998, 737 (740); Kirchhof, in: K / S / M , EStG, § 2 Rn. B 104 (April 1992). 598 Zutreffend Groß, DStR 2001,1553 (1554). 599 Von der hier behandelten Frage ist der Fall zu unterscheiden, dass Jahreswagen aufgrund eines bei der Anschaffung erhaltenen Rabattes trotz des Gebrauchs noch gewinnbringend veräußert werden können.
VI. Zur steuerlichen Relevanz von Veräußerungsverlusten
291
Steuerung nicht auf das Einkünfteerzielungsvermögen oder in sonstiger Weise beschränkt. 600 I m Ergebnis besteht überwiegend Einigkeit, dass diese Verluste steuerlich nicht anzuerkennen sind. 6 0 1 Es existieren jedoch verschiedene Lösungswege. Die Finanzverwaltung geht in diesen Fällen vom Fehlen der Einkünfteerzielungsabsicht aus. 6 0 2 Das FG Schleswig-Holstein hat dazu den Begriff des Wirtschaftsgutes teleologisch reduziert. 603
1. Einkünfteerzielungsabsicht bei § 23 EStG Einkünfteerzielungsabsicht ist der Oberbegriff für Gewinnerzielungsabsicht und Überschusserzielungsabsicht. 604 Ausdrücklich gesetzlich genannt ist die Einkünfteerzielungsabsicht 605 nur in § 15 I I I EStG und als Gewinnerzielungsabsicht in § 15 I I 1 EStG. Sie ist aber grundsätzlich bei allen Einkunftsarten erforderlieh.606
600 Dazu oben B.VI. 601 A. A. Kirchhof / Kirchhof, EStG, § 2 Rn. 53: Steuerbarkeit auch von Veräußerungen, bei denen typischerweise nur Verluste entstehen können. A. A. wegen des als klar angesehenen Gesetzeswortlauts auch Korn ¡Carié, EStG, § 23 Rn. 41.3 (Aug. 2004). 602 OFD München, Vfg. v. 19. 7. 2002 - S 2256 - 21 St 41, DStR 2002, 1529; OFD Hannover, Vfg. v. 12. 3. 2001 - S 2256-57 - StO 223/S 2256-79 - StH 215, DB 2001, 785. 603 Schleswig-Holsteinisches FG v. 2. 10. 2003 - 5 K 429/02, EFG 2004,265 (266). Siehe auch oben B.VI. Dies widerspricht der bislang üblichen Definition des Wirtschaftsgutsbegriffs wie bei den Gewinneinkünften. 604 S c h m i d t / 5 ^ / ; EStG, § 2 Rn. 22; Handzik, in: L / B / P , EStG, § 2 Rn. 71 (Nov. 2004). 605 Zur Funktion der Einkünfteerzielungsabsicht vgl. Weber-Grellet, DStR 2002, 492 (493): Die Gewinnerzielungsabsicht habe nur die Funktion klarzustellen, dass auch bei fehlendem Erfolg eine einkunftsrelevante Tätigkeit gegeben ist, dass also auch Verluste zu berücksichtigen sind. Sei ein Gewinn erzielt worden, spiele die Absicht überhaupt keine Rolle. Für eine Einordnung der Einkünfteerzielungsabsicht als fiskalisches Instrument Jakob, in: FS für Schmidt, S. 115(123). 606 Schmidt! Seeger, EStG, § 2 Rn. 22; BFH v. 1. 6. 2004 - DC R 35/01, BFHE 206, 273 (280 f.); BFH v. 2. 5. 2000 - DC R 74/96, BFHE 192, 88 (91). Kritisch zur Einkünfteerzielungsabsicht als subjektives Tatbestandsmerkmal generell Schmidt I Seeger, EStG, § 2 Rn. 23 : Es genüge die Vermögensmehrung, ein darauf gerichteter Wille sei nicht erforderlich. Für das Merkmal der anhand objektiver Beweisanzeichen festzustellenden Erwerbsgerichtetheit Kirchhof / Kirchhof, EStG, § 2 Rn. 48 ff. Vgl. auch Kirchhof in: K / S / M , EStG, § 2 Rn. A 367: Unerheblich sei die Absicht Einkünfte zu erzielen. Steuerbar sei ein objektiv geldwerter Zuwachs, nicht eine Willensbildung des Steuerpflichtigen für oder gegen einen Erwerb. Vgl. auch BVerfG v. 30. 9. 1998 - 2 BvR 1818/91, BVerfGE 99, 88 (99), wonach Leistungen nach § 22 Nr. 3 EStG eine auf das Erzielen eines Überschusses angelegte Erwerbsgrundlage voraussetzen. Dies deutet die Ablehnung des subjektiven Merkmals der Einkünfteerzielungsabsicht und eine objektive Prüfung wie bei der sog. Erwerbsgerichtetheit an.
19*
292
D. Verfassungsrechtliche Fragen bei Ausgestaltung des § 23 EStG
Der Tatbestand des § 23 EStG weist jedoch einige Besonderheiten auf, aus denen sich Modifikationen dieser allgemeinen Grundsätze ergeben könnten. Auswirkungen hat die Frage der Einkünfteerzielungsabsicht bei § 23 EStG vor allem auf die hier angesprochene Steuerbarkeit von Verlusten bei Wirtschaftsgütern des täglichen Gebrauchs. Bedeutung wird der Einkünfteerzielungsabsicht aber auch für die Frage beigemessen, ob bei einer Tätigkeit, die bis auf die Gewinnerzielungsabsicht als gewerblich einzustufen ist, Veräußerungsverluste dann im Rahmen von § 23 EStG steuerlich relevant werden können.607
a) Erforderlichkeit
einer Einkünfteerzielungsabsicht
bei § 23 EStG
Zunächst ist zu überlegen, ob bei § 23 EStG überhaupt eine Einkünfteerzielungsabsicht bestehen muss, danach ist gegebenenfalls zu fragen, ob Modifikationen erforderlich sind. Einkünfteerzielungsabsicht ist die Absicht, durch die Erwerbstätigkeit bzw. Vermögensnutzung auf Dauer gesehen ein positives Ergebnis zu erzielen. 608 Demzufolge wird Gewinnerzielungsabsicht bei gewerblichen Unternehmen als Streben nach einer Betriebsvermögensmehrung in Gestalt eines Totalgewinns definiert. 609 Entsprechendes gilt für die Überschusserzielungsabsicht.610 Die Gewinnerzielungsabsicht fehlt, wenn die Prognose des Totalgewinns negativ ist und der Steuerpflichtige die Tätigkeit nur aus persönlichen Gründen und Neigungen ausübt, die im Bereich seiner privaten Lebensführung liegen 611 (sog. subjektiver Liebhabereibegriff 612).
607 Für die Anwendbarkeit von § 23 EStG, wenn die Veräußerung der Wirtschaftsgüter aus Gründen der Liebhaberei keinen Gewerbebetrieb darstellt, Crezelius, in: K / S / M , EStG, § 23 Rn. A 28, D 6 (Jan. 1995); differenzierend nach anfänglicher Liebhaberei und deren späterem Eintreten Jacobs-Soyka, in: L / B / P , EStG, § 23 Rn. 22 (Febr. 2003). 608 BFH v. 26. 2. 2004 - IV R 43/02, NJW 2004, 2614 (2615); BFH v. 30. 9. 1997 - IX R 80/94, DStR 1997, 2013 (2014). Ähnlich Handzik, in: L / B / P , EStG, § 2 Rn. 72 (Nov. 2004).
609 BFH v. 21. 7. 2004 - X R 33/03, DStR 2004, 1956 (1957); BFH v. 25. 6. 1984 GrS 4/82, BFHE 141,405 (434). Siehe auch Birk, Steuerrecht, Rn. 630. 610 Vgl. zum Totalüberschuss z. B. BFH v. 30. 9. 1997 - IX R 80/94, DStR 1997, 2013 (2014); BFH v. 25. 1. 1994 - IX R 139/92, BFH/NV 1995, 11; BFH v. 25. 6. 1984 GrS 4/82, BFHE 141,405 (435). 611 BFH v. 21. 7. 2004 - X R 33/03, DStR 2004, 1956 (1957); BFH v. 26. 2. 2004 - IV R 43/02, NJW 2004, 2614 (2615), wonach aus der objektiv negativen Prognose nur bei dieser weiteren Voraussetzung gefolgert werden könne, dass der Steuerpflichtige keinen Totalgewinn erzielen wollte; BFH v. 25. 6. 1984 - GrS 4/82, BFHE 141, 405 (436). Vgl. BVerfG v. 30. 9. 1998 - 2 BvR 1818/91, BVerfGE 99, 88 (99). Siehe auch Schmidt/Weber-Grellet, EStG, § 15 Rn. 28, 32 m. w. N. 612 BFH v. 21. 7. 2 0 0 4 - X R 33/03, DStR 2004,1956(1958).
VI. Zur steuerlichen Relevanz von Veräußerungsverlusten
293
Die Finanzverwaltung hält die Einkünfteerzielungsabsicht auch bei § 23 EStG für erforderlich. 613 Sie schließt Verluste aus der Veräußerung von Wirtschaftsgütern des täglichen Gebrauchs vom Abzug aus. Deren Wertverzehr sei der privaten Lebensführung zuzurechnen.614 An der erforderlichen Überschusserzielungsabsicht bezogen auf das einzelne Wirtschaftsgut fehle es, da potentielle Wertsteigerungen bei Wirtschaftsgütern des täglichen Gebrauchs im Regelfall ausgeschlossen seien.615 Daran wird kritisiert, die Abgrenzungsproblematik sei vorprogrammiert, z. B. im Hinblick auf normal genutzte PKW, nach sechs Monaten mit Gewinn veräußerte Jahres wagen und Oldtimer. 616 Der BFH lehnt die Notwendigkeit einer Einkünfteerzielungsabsicht bei § 23 EStG ab bzw. sieht sie stets als gegeben an. Die alle Einkunftsarten kennzeichnende Einkünfteerzielungsabsicht werde durch die verhältnismäßig kurzen Spekulationsfristen 617 in typisierender Weise objektiviert 618 Der BFH hat dies auch in einer neueren Entscheidung bestätigt.619 Diese Aussagen des BFH zeigen zwar eindeutig, dass die Einkünfteerzielungsabsicht bei § 23 EStG nicht zu prüfen sein soll. Sie sollten aber in erster Linie deutlich machen, dass keine Spekulationsabsicht erforderlich ist. Auch in der Literatur wird vertreten, § 23 EStG setze als Ausnahmefall keine Einkünfteerzielungsabsicht voraus. 620 Teilweise wird dies damit begründet, bei § 23 EStG sei kein subjektives Tatbestandsmerkmal, insbesondere keine Spekulationsabsicht,621 erforderlich. Es komme allein auf die objektive Erfüllung der Tatbestandsvoraussetzungen des § 23 EStG an. 622 Dem ist entgegenzuhalten, dass die 613 OFD München, Vfg. v. 19. 7. 2002 - S 2256 - 21 St 41, DStR 2002, 1529; OFD Hannover, Vfg. v. 12. 3. 2001 - S 2256-57 - StO 223/S 2256-79 - StH 215, DB 2001, 785; ebenso Gottwald, BB 1997, 2085 (2086); a. A. Jacobs-Soyka, in: L / B / P , EStG, § 23 Rn. 11 (Febr. 2003); Walter/Stümper, DB 2001, 2271 (2273). 614 OFD München, Vfg. v. 19. 7. 2002 - S 2256 - 21 St 41, DStR 2002, 1529. 615 Zu allen Gebrauchsgegenständen und insbesondere zu Jahreswagen OFD München, Vfg. v. 19. 7. 2002 - S 2256 - 21 St 41, DStR 2002, 1529; OFD Hannover, Vfg. v. 12. 3. 2001 - S 2256-57 - StO 223/S 2256-79 - StH 215, DB 2001, 785; zustimmend Jakob, Einkommensteuer, § 3 Rn. 467, Fn. 341; kritisch Schmidt / Weber-Grellet, EStG, § 23 Rn. 14. 616 Schmidt / Weber-Grellet, EStG, § 23 Rn. 14. 617 Seit dem StEntlG 1999/2000/2002 sollte eher von Veräußerungsfristen gesprochen werden. 618 BFH v. 2. 5. 2000 - IX R 74/96, BFHE 192, 88 (91); einschränkend SchleswigHolsteinisches FG v. 2. 10. 2003 - 5 K 429/02, EFG 2004, 265 (266 f.): Nur wenn eine Wertsteigerung objektiv möglich erscheint. Vgl. zur Typisierung der Spekulation durch Fristen Lang, Bemessungsgrundlage, S. 506,513, 55 f. 619 BFH v. 1. 6. 2 0 0 4 - I X R 35/01, BFHE 206, 273 (281). 620 Strahl/Fuhrmann, FR 2003, 387 (390, Fn. 39); Walter/Stümper, DB 2001, 2271 (2273); kk, KÖSDI 2001, 12832. Siehe auch Korn/Carle, EStG, § 23 Rn. 41.1 (Aug. 2004), und Schmidt / Weber-Grellet, EStG, § 23 Rn. 2, 14,55, wonach § 23 EStG weder eine Spekulation- noch eine Einkünfteerzielungsabsicht voraussetzt. 621 kk, KÖSDI 2001,12832.
294
D. Verfassungsrechtliche Fragen bei Ausgestaltung des § 23 EStG
Abschaffung der Spekulationsabsicht als subjektives Tatbestandsmerkmal nicht zwingend auch das Tatbestandsmerkmal der Einkünfteerzielungsabsicht ausschließt, das bei allen anderen Einkunftsarten erforderlich ist. Andere argumentieren, Einkünfteerzielungsabsicht sei bei § 23 EStG kein Tatbestandsmerkmal, weil diese Vorschrift eine Spezialregelung darstelle. 623 Die Tatbestandmerkmale Anschaffung, Veräußerung und Veräußerungsfrist schlössen ein ungeschriebenes subjektives Merkmal Einkünfteerzielungsabsicht aus. 624 Schließlich wird auch angenommen, die Einkünfteerzielungsabsicht sei bei Veräußerungsgeschäften im Rahmen des § 23 EStG irrelevant, 625 da sie sich in erster Linie auf die Erzielung laufender Einkünfte beziehe. Die Frage der Einkünfteerzielungsabsicht stelle sich in der Regel nur bei Dauersachverhalten, bei denen zu beurteilen ist, ob ein gegenwärtiger Aufwand und Verlust unter Einbeziehung der zukünftigen Entwicklung ein positives Gesamtergebnis erwarten lässt.626 Bei § 23 EStG handele es sich um zeitpunktbezogene Einkünfte. Im Veräußerungszeitpunkt ziele das Handeln nur auf einen höchstmöglichen Preis, nicht auf eine Differenz. 627 Diese zeitpunktbezogenen Einkünfte seien unabhängig von einer Erwerbsgerichtetheit bzw. Einkünfteerzielungsabsicht steuerbar. Dies gelte auch für Veräußerungen, bei denen typischerweise nur Verluste entstehen können.628 Entscheidend für die Beurteilung der Erforderlichkeit einer Einkünfteerzielungsabsicht bei § 23 EStG sind also die Fragen nach dem Verhältnis von Spekulationsabsicht und Einkünfteerzielungsabsicht sowie nach den Besonderheiten des Tatbestandes der privaten Veräußerungsgeschäfte. Spekulationsabsicht ist bei § 23 EStG nicht notwendig.629 Dies ergibt sich aus der Gesetzesänderung 1934. Zuvor konnte bei Unterschreitung der Fristen das Fehlen von Spekulationsabsicht nachgewiesen werden. Entscheidend ist allein die Verwirklichung des objektiven Merkmals der Veräußerung innerhalb der Frist. Was sich daraus für die Einkünfteerzielungsabsicht ergibt, hängt davon ab, wie man beide Absichten definiert. Spekulationsabsicht bedeutet, dass beim Erwerb die Absicht der gewinnbringenden Wiederveräußerung vorherrschend ist. 630 Sie stellt den Gegensatz zur Absicht
622 Jacobs-Soyka, in: L / B / P , EStG, § 23 Rn. 11 (Febr. 2003); Bachem, in: Bo/Br, EStG, § 23 Rn. 149 (Aug. 2003); Walter/Stümper, DB 2001, 2271 (2273). 623 Jansen, in: H / H / R , § 23 EStG Anm. 271, vgl. Anm. 146 (Nov. 2002). 624 Jansen, in: H / H / R , § 23 EStG Anm. 271, vgl. Anm. 146 (Nov. 2002). 625 Jacobs-Soyka, in: L / B / P , EStG, § 23 Rn. 11 (Febr. 2003). 626 Kirchhof / Kirchhof, EStG, § 2 Rn. 49b. 627 Kirchhof / Kirchhof, EStG, § 2 Rn. 53. 628 Kirchhof / Kirchhof EStG, § 2 Rn. 53.
629 z. B. BFH v. 2. 5. 2000 - IX R 74/96, BFHE 192, 88 (91) m. w. N.; BlümichIGlenk, § 23 EStG Rn. 8 (März 2005). A. A. Crezelius, in: K / S / M , EStG, § 23 Rn. B 120, B 4 (Jan. 1995); Neeb, StuW 1991, 52 (57, 60).
VI. Zur steuerlichen Relevanz von Veräußerungsverlusten
295
der Fruchtziehung durch langfristige Nutzung dar. 6 3 1 Einkünfteerzielungsabsicht setzt dagegen, wie gesagt, eine positive Prognose des Totalüberschusses bzw. -gewinns voraus und ist dadurch objektiviert 632 . Also sind die Begriffe nicht deckungsgleich. 633 Z. B. kann Einkünfteerzielungsabsicht wegen einer günstigen Prognose für die Preisentwicklung vorliegen, obwohl es dem Erwerber auf die langfristige Nutzung ankommt, nicht auf eine Wiederveräußerung, und damit Spekulationsabsicht fehlt. Wegen der objektiven Beurteilung der Einkünfteerzielungsabsicht greift auch das Argument nicht, subjektive Merkmale hätten bei § 23 EStG ausweislich der Änderung im Jahr 1934 durch Abschaffung des Nachweises der fehlenden Spekulationsabsicht keine Rolle mehr spielen sollen. Zudem eignet sich die allgemeine Abgrenzung der steuerbaren Erwerbssphäre von der nicht steuerbaren privaten Einkommensverwendung 634 durch das Merkmal der Einkünfteerzielungsabsicht 635 auch für § 23 EStG. Die Veräußerung von Gebrauchsvermögen zeigt, dass auch bei § 23 EStG Bedarf für die Funktion der Einkünfteerzielungsabsicht der Abgrenzung der steuerbaren von der nicht steuerbaren Sphäre besteht. 636 Ebenso wie bei anderen Einkunftsarten Verluste aus Gründen der persönlichen Lebensführung hingenommen werden können, besteht diese Möglichkeit auch bei § 23 E S t G . 6 3 7 In den USA werden dementsprechend Verluste 630 Vgl. Jacobs-Soyka, in: L / B / P , EStG, § 23 Rn. 11 (Febr. 2003). Danach ist das Anstreben von Überschüssen durch kurzfristige Vermögensumschichtungen gemeint. 631 Vgl. Lang, Bemessungsgrundlage, S. 56. Vgl. auch die Definition des preußischen Finanzministers bei Fuisting, EStG, 1899, § 8 Rn. 3, S. 60: Spekulation liege nur dann vor, wenn jemand einen Gegenstand in der Absicht kaufe, ihn nicht als Gebrauchswert zu behandeln, sondern als Verkaufswert. 632 Vgl. BFH v. 25. 6. 1984 - GrS 4/82, BFHE 141, 405 (435); Kirchhof, in: K / S / M , EStG, § 2 Rn. B 188 (April 1992); Blümich/Stuhrmann, § 2 EStG Rn. 37 (Okt. 2002). 633 Für die Übereinstimmung von Überschusserzielungsabsicht und Spekulationsabsicht dagegen Crezelius, in: K / S / M , EStG, § 23 Rn. A 18, B 120 (Jan. 1995): Einkünfteerzielungsabsicht setze ein finales Verhalten auf Einnahmeüberschuss voraus. Für Spekulationsgeschäfte bedeute dies, dass der Erwerb in der Absicht erfolgen müsse, künftige Wertsteigerungen zu realisieren. Zustimmend Walter/Stümper, DB 2001, 2271 (2273). Gegen eine gleiche Bedeutung von Einkünfteerzielungsabsicht und Spekulationsabsicht Jacobs-Soyka, in: L / B / P , EStG, § 23 Rn. 11 (Febr. 2003). Ebenso Lademann/Warnke, EStG, § 23 Rn. 29 (März 1998), denn die Einkünfteerzielungsabsicht müsse kein spekulatives Element enthalten und zudem nur im Zeitpunkt der Veräußerung bestehen. Vgl. auch Gottwald, BB 1997, 2085 (2086). 634 Lang, Bemessungsgrundlage, S. 514 f.; Jakob, Einkommensteuer, § 1 Rn. 15. Zu der Erforderlichkeit dieser Abgrenzung vgl. z. B. Kölner Entwurf, Rn. 342,136 f., 207,452. 635 Für diese Funktion der Liebhaberei und Einkünfteerzielungsabsicht Jakob, Einkommensteuer, § 2 Rn. 91; Raupach/Schencking, in: H / H / R , § 2 EStG Anm. 371 (Mai 1990). 636 Die Begrenzung der Verlustverrechnung in § 23 III 8, 9 EStG genügt zum Ausschluss solcher Veräußerungsverluste bei Gebrauchsvermögen nicht. Denn die Verluste könnten dann mit Veräußerungsgewinnen verrechnet werden. Wegen der Unbeachtlichkeit privater Aufwendungen dürfen solche Verluste aber überhaupt nicht berücksichtigt werden. 637 A. A. zur Rechtslage in Österreich Doralt / Doralt/Kempf, § 30 öEStG Rn. 12 (Okt. 2002), nach deren Ansicht Liebhaberei bei Einkünften aus Spekulationsgeschäften nicht
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D. Verfassungsrechtliche Fragen bei Ausgestaltung des § 23 EStG
aus der Veräußerung von Wirtschaftsgütern des privaten Gebrauchs grundsätzlich nicht berücksichtigt.638 Verluste sind außer bei sog. Unglücksfällen nur bei Handlungen mit Gewinnerzielungsabsicht relevant, See. 165(c)(2, 3) IRC. 6 3 9 Liebhaberei fällt unter keine Einkunftsart. 640 Kennzeichnend für alle Einkunftsarten ist nach der Rechtsprechung des BFH, dass die ihnen zugrunde liegenden Tätigkeiten oder Vermögensnutzungen langfristig der Erzielung positiver Einkünfte oder Überschüsse dienen. Fehlt es an dieser Voraussetzung, so fallen die wirtschaftlichen Ergebnisse auch dann nicht unter eine Einkunftsart, wenn sie sich ihrer Art nach unter § 2 I 1 EStG einordnen lassen641 (Liebhaberei). Die Nichtberücksichtigung folgt aus dem Zweck des EStG, Mittel für die öffentliche Hand zu beschaffen und den Steuerpflichtigen entsprechend seiner Leistungsfähigkeit heranzuziehen.642 Diese Argumente der Staatsfinanzierung und der Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit sprechen auch bei § 23 EStG für die Nichtberücksichtigung der Verluste. Insbesondere ist die private Nutzung von Gebrauchsgütern Einkommensverwendung, die nicht die Leistungsfähigkeit mindert bzw. als existenznotwendiger Bedarf bereits im Grundfreibetrag berücksichtigt ist. 643 Das Bestehen einer Einkünfteerzielungsabsicht ist daher auch bei § 23 EStG grundsätzlich erforderlich.
b) Anforderungen
an die Einkünfteerzielungsabsicht
bei § 23 EStG
Aufgrund der Besonderheiten des Tatbestandes des § 23 EStG ist aber denkbar, dass Modifikationen der Einkünfteerzielungsabsicht erforderlich sind. Bei § 23 EStG handelt es sich nicht wie bei vielen anderen Einkünften um einen Dauertatbestand, sondern um einen gestreckten, aus Anschaffung und Veräußerung bestehenden zweiaktigen Tatbestand. Bei der Totalüberschussprognose ist statt auf möglich ist. Vgl. dazu auch Jakob, Einkommensteuer, § 2 Rn. 91, wonach die Einkünfteerzielungsabsicht Kennzeichen jeder steuerbaren Tätigkeit ist. 638 Jacobsen/Stange, IStR2005, 11 (15). 639 Vgl. Lang, Bemessungsgrundlage, S. 515 (Fn. 251). 640 BFH v. 25. 1. 1994 - D i R 139/92, BFH/NV 1995, 11; BFH v. 25. 6. 1984 GrS 4/82, BFHE 141, 405 (435); zustimmend Bachem, in: Bo/Br, EStG, § 2 Rn. 123 (Juli 1998). 641 BFH v. 25. 1. 1994 - IX R 139/92, B F H / N V 1995, 11; BFH v. 25. 6. 1984 GrS 4/82, BFHE 141,405 (435). 642 BFH v. 25. 1. 1994 - IX R 139/92, BFH/NV 1995, 11; BFH v. 25. 6. 1984 GrS 4/82, BFHE 141, 405 (435). Zustimmend im Hinblick auf die Begründung über die Leistungsfähigkeit Raupach/Schencking, in: H / H / R , § 2 EStG Anm. 371 (Mai 1990). Vgl. dazu auch Kirchhof, in: K / S / M , EStG, § 2 Rn. B 191 (April 1992). 643 Vgl. zur Möglichkeit der Einordnung der Veräußerungsverluste z. B. bei Hausrat als nichtabziehbarer Konsum Lang, Bemessungsgrundlage, S. 57.
VI. Zur steuerlichen Relevanz von Veräußerungsverlusten
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den Zeitraum zwischen Beginn und Ende der Erwerbstätigkeit auf das Halten dieses Wirtschaftsgutes zwischen Anschaffung und Veräußerung abzustellen. Dabei muss die Erzielung eines Überschusses wahrscheinlich sein. Entscheidend bei diesem gestreckten zweiaktigen Tatbestand des § 23 EStG ist der Erwerb. 644 Damit sind die wesentlichen Entscheidungen getroffen und der Steuerpflichtige hat nur noch begrenzten Handlungsspielraum. Er kann lediglich die Preisentwicklung abwarten. Die Ergebnisprognose oder Totalüberschussprognose muss daher auf den Erwerbszeitpunkt abstellen. Trotz des mitunter sehr hohen Risikos bei Veräußerungsgeschäften fällt die Totalüberschussprognose zu diesem Zeitpunkt regelmäßig positiv aus, da dem Risiko hohe Renditechancen gegenüber stehen. Nicht anders verhält es sich z. B. im Rahmen gewerblicher Einkünfte bei riskanten Start-up-Unternehmen, bei denen die Einkünfteerzielungsabsicht zu bejahen ist. Außerdem darf für die Ablehnung der Einkünfteerzielungsabsicht nicht ein hohes Verlustrisiko genügen, sonst wäre der riskante Teilbereich der Termin- und Fixgeschäfte teilweise - entgegen dem in § 23 I 1 Nr. 3, 4 EStG erkennbaren Willen des Gesetzgebers - von der steuerbaren Sphäre ausgeschlossen. Zudem spricht zunächst eine Vermutung für das Bestehen einer Einkünfteerzielungsabsicht. 645 Überschusserzielungsabsicht erfordert nicht, dass mit Überschüssen objektiv sicher gerechnet werden kann. 646 Die Einkünfteerzielungsabsicht fehlt demnach nur in den Fällen, in denen bereits im Zeitpunkt der Anschaffung ein Gewinn bei der Wiederveräußerung nahezu ausgeschlossen erscheint. So ist beispielsweise bei privaten Gebrauchsgegenständen ein Wertverlust durch den Gebrauch und damit ein drohender Veräußerungsverlust bereits beim Erwerb sicher. Außerdem wird der Verlust entsprechend der zweiten allgemeinen Voraussetzung für das Fehlen der Einkünfteerzielungsabsicht aus Gründen der persönlichen Lebensführung hingenommen. Damit fehlen bei Gebrauchsgegenständen die allgemeinen Voraussetzungen der Einkünfteerzielungsabsicht. Diese führen auch zu einer sachgerechten Abgrenzung: Bei Wirtschaftsgütern des täglichen Gebrauchs kann man aufgrund des stetigen Wertverzehrs schon beim Erwerb davon ausgehen, dass mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit Verluste eintreten. Diese Verluste werden aus Gründen der privaten Lebensführung hingenommen und sind deshalb mangels Einkünfteerzielungsabsicht nicht abziehbar. In den übrigen Fällen des § 23 EStG ist dagegen die Einkünfteerzielungsabsicht regelmäßig nicht zweifelhaft. Nur in den wenigen 644 A. A. Lademann / Warnke, EStG, § 23 Rn. 29 (März 1998), wonach Einkünfteerzielungsabsicht nur im Zeitpunkt der Veräußerung bestehen müsse. Dagegen ist einzuwenden, dass es dann kaum anerkennungsfähige Verluste bei § 23 EStG gäbe. Denn wenn inzwischen ein Wertverlust eingetreten ist, kann im Zeitpunkt der Veräußerung kein Veräußerungsüberschuss mehr erwartet werden, so dass keine Einkünfteerzielungsabsicht mehr vorläge. 645 Die Einkünfteerzielungsabsicht kann unterstellt werden, wenn die Tätigkeit oder Vermögensnutzung typischerweise zur Einkünfteerzielung geeignet ist, Blümich / Stuhrmann, § 2 EStG Rn. 37 (Okt. 2002). 646 BFH v. 30. 3. 1999 - V I I I R 70/96, BFH/NV 1999,1323.
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D. Verfassungsrechtliche Fragen bei Ausgestaltung des § 23 EStG
klaren Fällen des Erwerbs von Gegenständen, die sicher an Wert verlieren, fehlt die Einkünfteerzielungsabsicht.
2. Verbot des Abzugs von Aufwendungen für die Lebensführung, § 12 Nr. 1 EStG Daneben stellt sich die Frage, ob auch § 12 Nr. 1 EStG der steuerlichen Berücksichtigung derartiger Veräußerungsverluste entgegensteht.647 Im Gegensatz zur Einkünfteerzielungsabsicht betrifft § 12 EStG die Einkünfteverwendungsseite. 648 § 12 EStG dient der Abgrenzung der Erwerbs- von der Privatsphäre. 649 Kosten der Lebensführung sind nach § 12 Nr. 1 S. 2 EStG auch dann nicht abziehbar, wenn sie der Förderung des Berufs dienen.650 Auch reine Lebensführungskosten 651 sind grundsätzlich nicht abziehbar, es sei denn, etwas anderes ist gesetzlich geregelt. 652 Das Abzugsverbot ist in § 12 EStG ausdrücklich und nach dessen systematischer Stellung für alle Einkunftsarten geregelt. Diese Regelung ist im Regelfall nur deklaratorisch. 653 Denn schon aus der Definition der Betriebsausgaben und der Werbungskosten ergibt sich, dass private Aufwendungen nicht abziehbar sind. § 12 EStG hat dementsprechend nach dem Wortlaut (nur) zur Folge, dass die Aufwendungen nicht als Werbungskosten oder Betriebsausgaben abgezogen werden können. Diese Folge passt aber bei § 23 EStG wegen der besonderen Einkünfteermittlung nicht. Maßgeblich für die Ermittlung ist in erster Linie die Differenz zwi647
Zur Ähnlichkeit von Liebhaberei und Lebensführung i. S. v. § 12 Nr. 1 EStG Blümich/ Stuhrmann, § 2 EStG Rn. 33 (Okt. 2002). Zur Nichtabziehbarkeit von privaten Aufwendungen für ein Kfz gemäß § 12 Nr. 1 S. 1 EStG (allerdings nur allgemein und nicht ausdrücklich auch für Veräußerungsverluste) siehe Arndt, in: K / S / M , EStG, § 12 Rn. B 18 (Okt. 2002). 648 Handzik, in: L / B / P, EStG, § 2 Rn. 69 (Nov. 2004). 649 BlümichILindberg, § 12 EStG Rn. 12 (Aug. 2004); Nolde, in: H / H / R , § 12 EStG Anm. 3, 6 (März 1992); Arndt, in: K / S / M , EStG, § 12 Rn. A 1, 24 (Okt. 2002); Schmidt/ Drenseck, EStG, § 12 Rn. 1 (mit dem Hinweis, dass „Privat" und „Lebensführung" nicht gleichbedeutend sind, Rn. 6). 650 Siehe auch Birk, Steuerrecht, Rn. 881, 885. Ähnlich schon Becker, Die Grundlagen der Einkommensteuer, S. 205. 651 Diese sind zwar nur in S. 2 genannt, bilden aber den Oberbegriff für die in S. 1 beispielhaft genannten Fälle, Blümich I Lindberg, § 12 EStG Rn. 41, 65 (Aug. 2003). Alle nicht betrieblich oder beruflich veranlassten Aufwendungen sind grundsätzlich nicht abziehbar, nicht nur die genannten. So auch Nolde, in: H / H / R , § 12 EStG Anm. 1, 3 (März 1992). 652 Nolde, in: H / H / R , § 12 EStG Anm. 31 (März 1992); Lang, in: Tipke/Lang, § 9 Rz. 242. Vgl. Blümich / Lindberg, § 12 EStG Rn. 11 (Aug. 2004): Kosten des Lebensunterhalts dürften die Bemessungsgrundlage nicht schmälern; ähnlich Nolde, in: H / H / R , § 12 EStG Anm. 1 (März 1992). Zur Erforderlichkeit der Ausschaltung der Kosten der Lebensführung vgl. bereits Becker, Die Grundlagen der Einkommensteuer, S. 11 f. Vgl. auch BVerfG v. 4. 12. 2002 - 2 BvR 400/98, 2 BvR 1735/00, BVerfGE 107, 27 (47). 653 Blümich/Lindberg, § 12 EStG Rn. 41 (Aug. 2003); Arndt, in: K / S / M , EStG, § 12 Rn. A 1 (Okt. 2002). Vgl. BFH v. 19. 10. 1970 - GrS 2/70, BFHE 100, 309 (312).
VI. Zur steuerlichen Relevanz von Veräußerungsverlusten
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sehen Veräußerungs- und Anschaffungspreis, nur daneben sind noch Werbungskosten zu berücksichtigen. Die Anschaffungskosten stellen also nach § 23 III 1 EStG keine Werbungskosten dar. Nach dem § 12 EStG zugrunde liegenden Gedanken muss aber sichergestellt werden, dass private Aufwendungen nicht berücksichtigt werden. 654 Dies bedeutet für Veräußerungsverluste bei Gebrauchsgegenständen655, dass entweder der Veräußerungsverlust insoweit nicht zu berücksichtigen ist, als der Wert des Gegenstandes aufgrund privater Nutzung verzehrt wurde, 656 oder dass die Anschaffungskosten nur um den privat verursachten Wertverzehr gekürzt zu berücksichtigen sind. Bei Gegenständen des Gebrauchsvermögens basiert der Wertverlust regelmäßig vollständig auf der privaten Nutzung.657 Dann ist der gesamte Verlust nicht abziehbar. Wertsteigerungen sind dagegen beim Gebrauchsvermögen selten. Diese Überlegungen bedeuten nicht, dass das Gebrauchsvermögen bei § 23 EStG insgesamt ausgeschlossen wird. 658 Nur der Verlust aus der Veräußerung von Gebrauchsvermögen, der auf die private Nutzung zurückzuführen ist, ist nicht abzugsfähig. 659 Etwaige Veräußerungsgewinne, die auf einer Wertsteigerung basieren, wie dies z. B. bei Antiquitäten denkbar ist, sind steuerbar. Damit ist im Ergebnis die Berücksichtigung von Veräußerungsverlusten bei Wertverlust durch privaten Gebrauch schon durch das Fehlen der auch bei § 23 EStG erforderlichen Einkünfteerzielungsabsicht ausgeschlossen. Zudem würde jedenfalls § 12 Nr. 1 EStG einer Berücksichtigung entgegenstehen.
654 Vgl. BFH v. 19. 10. 1970 - GrS 2/70, BFHE 100, 309 (311), wonach es bei den Aufwendungen für die Lebensführung unerheblich ist, ob es sich um Anschaffungskosten oder um laufende Aufwendungen handelt. Vgl. auch BVerfG v. 29. 5. 1990 - 1 BvL 20/86 u. a., BVerfGE 82, 60 (87). 655 Ob Aufwendungen für die Lebensführung vorliegen, bestimmt sich nach der tatsächlichen Verwendung des Wirtschaftsgutes im Einzelfall. Der objektive Charakter des Wirtschaftsgutes ist aber bei der Beweiswürdigung von Bedeutung. Vgl. BFH v. 19. 10. 1970 GrS 2/70, BFHE 100, 309 (312); zustimmend Nolde, in: H / H / R , § 12 EStG Anm. 31 (März 1992). 656 Denkbar wäre auch, zum Veräußerungsergebnis zur Bewertung der privaten Nutzung die AfA hinzuzurechnen, die für das Wirtschaftsgut gelten würde. 657 Vgl. zum regelmäßigen Wertverlust von Gütern des privaten Lebensbedarfs mit Ausnahme von Antiquitäten, Kunstgegenständen und Sammlungen Tipke, StRO II, S. 733. Vgl. mch Reimer, Veräußerungsgewinne, S. 132. 658 Missverständlich OFD München, Vfg. v. 19. 7. 2002 - S 2256 - 21 St 41, DStR 2002, 1529, wonach von § 23 EStG solche Wirtschaftsgüter nicht erfasst sein sollen, deren Wertverzehr typischerweise der privaten Lebensführung zuzurechnen ist. 659 Wertverluste, die aus anderen Gründen als dem privaten Gebrauch eintreten, können dagegen steuerlich relevant werden. Für die Unbeachtlichkeit von Wertminderungen bei Gütern des privaten Gebrauchs und Verbrauchs wegen des Abzugsverbots für private Aufwendungen de lege ferenda Tipke, StRO II, S. 733.
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D. Verfassungsrechtliche Fragen bei Ausgestaltung des § 23 EStG
V I I . Der Besteuerung unterliegende Vermögensgegenstände de lege ferenda Nach geltendem Recht fallen grundsätzlich die Veräußerungen aller privaten Vermögensgegenstände unter § 23 EStG, so dass hinsichtlich der erfassten Vermögensgegenstände keine Ungleichbehandlung besteht. Überlegenswert ist aber trotzdem eine Begrenzung der privaten Veräußerungsgewinnbesteuerung auf bestimmte Wirtschaftsgüter. In diesem Abschnitt sollen aus den oben gewonnenen Erkenntnissen die entsprechenden Folgerungen für die Besteuerung de lege ferenda gezogen werden. Teilweise wird eine Begrenzung der besteuerten Gegenstände schon dem geltenden Recht entnommen. Ein Finanzgericht hat den Begriff des Wirtschaftsguts in § 23 EStG auf mit Wertpapieren vergleichbare Gegenstände teleologisch reduziert und vor allem tägliche Gebrauchsgegenstände ausgenommen.660 Für einen planwidrig zu weit gefassten Wortlaut bestehen jedoch keine Anhaltspunkte. Vielmehr wurden - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - immer alle Wirtschaftsgüter erfasst. 661 Eindeutig der Lebensführung zuzurechnende Veräußerungsverluste bei Gebrauchsgegenständen sind allerdings wegen fehlender Einkünfteerzielungsabsicht und wegen § 12 Nr. 1 EStG von der Anerkennung als steuerlich relevante Verluste ausgeschlossen.662 De lege ferenda liegt im Hinblick auf den Umfang der steuerlich erfassten Gegenstände vor allem nahe, nur Veräußerungen des gesamten Erwerbsvermögens zu besteuern. Dafür sprechen insbesondere die bereits dargestellten Aspekte der in der Konsumsphäre drohenden Vollzugsdefizite, der Abgrenzung der steuerbaren von der nicht steuerbaren Sphäre und der Rücksichtnahme auf die Privatsphäre. Dies entspricht auch den neueren Reformentwürfen, die sich i. d. R. auf die Besteuerung von Veräußerungen des Erwerbsvermögens beschränken.663 660 Schleswig-Holsteinisches FG v. 2. 10. 2003 - 5 K 429/02, EFG 2004, 265 (266); zustimmend Kirchhof/ Kube, EStG, § 23 Rn. 7. Vgl. ferner Valentin, EFG 2004, 267 (268), der die Ausnahme für die eigengenutzte Wohnung dahingehend verallgemeinem will, dass alle privat genutzten Wirtschaftsgüter nicht unter § 23 EStG fallen sollen. 661 Auch nach Tipke, StRO II, S. 733, differenziert § 23 EStG nicht zwischen Erwerbsund Lebensführungsvermögen; ebenso Kom¡Carle, EStG, § 23 Rn. 41, 18 (Aug. 2004). Zur Ausnahme für Gebrauchsgegenstände siehe aber Schmidt / Weber-Grellet, EStG, § 23 Rn. 12 (zur Kritik daran Rn. 14). 662 Dazu oben D.VI. Valentin, EFG 2004, 267, weist zutreffend darauf hin, dass die Problematik abgesehen von den Gebrauchtwagenfallen dadurch nur in wenigen Fällen von Bedeutung ist, dass die meisten privat genutzten Gegenstände nicht innerhalb eines Jahres veräußert werden. Bei einer zeitlichen Ausdehnung der Besteuerung gewinnt die Frage aber erheblich an Bedeutung. 663 §§ 2 I, 13 Karlsruher Entwurf; zum EStGB Kirchhof, DStR 2003, Beihefter 5 zu Heft 37, 1 (2 f.). Siehe auch Lang, Bemessungsgrundlage, S. 515; Merkenich, Einkünfteermittlung, S. 77, 147; Tipke, StRO ü, S. 733. Auch der 57. Deutsche Juristentag schlug eine Ausnahme für persönlich genutzte Wirtschaftsgüter vor, NJW 1988, 2998 (3006). Näher dazu unter E.
VII. Besteuerung von Vermögensgegenständen de lege ferenda
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Daneben ist noch ein weiteres Modell denkbar. Mit der Besteuerung nur von Grundstücken, Gesellschaftsanteilen, Wertpapieren und ähnlichen Kapitalanlagen, wie sie bereits die Steuerreformkommission 1971 vorgeschlagen hatte, 6 6 4 würde sich die Besteuerung auf Veräußerungsgegenstände beschränken, bei denen nennenswerte Gewinne zu erwarten sind. 6 6 5 So würden die Veränderungen der Leistungsfähigkeit durch Veräußerungsgeschäfte im Wesentlichen zutreffend erfasst. Eine solche Lösung ließe sich außerdem mit der guten Möglichkeit der tatsächlichen Erfassung in diesen Bereichen und mit den ansonsten bestehenden Erfassungsproblemen rechtfertigen. 666 Wie bereits ausgeführt wurde, bestehen für Grundstücks- und Anteilsveräußerungen Meldepflichten, die die Besteuerung sicherstellen. Bei Wertpapieren und Termingeschäften werden inzwischen Jahresbescheinigungen ausgestellt. Durch eine Vorlagepflicht des Steuerpflichtigen oder eine Mitteilungspflicht der Bank an die Finanzverwaltung kann die Besteuerung abgesichert werden. Da Wertpapiere i. d. R. über Banken veräußert werden, ist eine Erfassung von Wertpapierveräußerungen und ähnlichen Geschäften auf diese Weise weitgehend möglich. Bei anderen Gegenständen wie Antiquitäten, Schmuck und Edelsteinen ist die tatsächliche Erfassung dagegen wesentlich schwieriger zu bewerkstelligen bzw. kaum möglich, 6 6 7 weil Veräußerungen hier auf verschiedenste Weise erfolgen können. 6 6 8 Wo es zum Konflikt zwischen Folgerichtigkeit und 664 Die Kommission hatte eine Freistellung derjenigen privaten Veräußerungsgeschäfte vorgeschlagen, die sich nicht auf Grundstücke, Wertpapiere oder Anteile an Kapitalgesellschaften beziehen, Gutachten der Steuerreformkommission 1971, Abschnitt II, Tz. 96. Dieser Vorschlag ist heute um die weiteren auf Veräußerungsgeschäften aufbauenden Finanzinstrumente und Möglichkeiten zur Einkünfteerzielung an der Börse, insbesondere Termingeschäfte, zu ergänzen. 665 Auch das preußische EStG erwähnte nur bestimmte Vermögensgegenstände ausdrücklich. Gemäß §§ 8, 12 lit. d pr. EStG wurden jedenfalls Einnahmen aus dem zu Spekulationszwecken unternommenen Verkauf von Grundstücken sowie „Wertpapieren, Forderungen, Renten, u. s. w." ausnahmsweise als Kapitaleinkünfte besteuert. Teilweise wurde angenommen, dass auch Spekulationsgeschäfte mit weiteren Gegenständen von § 12 lit. d pr. EStG erfasst wurden. So Fuisting, EStG, 1899, § 12 Rn. 13 d), S. 124, § 8 Rn. 3 B, S. 61. Siehe auch Art. 9 der Anweisung des Finanzministers v. 5. 8. 1891. 666
Vgl. zur Begrenzung auf bestimmte Wirtschaftsgüter Förster, in: FS für Flick, S. 721 (733 f.); Reimer, Veräußerungsgewinne, S. 133; Tipke, StRO II, S. 733 (für eine Begrenzung auf mit verhältnismäßigen Mitteln gleichmäßig erfassbare Gegenstände); Schleswig-Holsteinisches FG v. 2. 10. 2003 - 5 K 429/02, EFG 2004, 265 (266). Abzulehnen ist dagegen die Ansicht des Schleswig-Holsteinischen FG, eine einschränkende Auslegung sei verfassungsrechtlich geboten, denn das insoweit bestehende Völlzugsdefizit kann dem Gesetzgeber, der hier über keine Verifikationsmöglichkeit verfügt, nicht zurechnet werden. 667 Zu den Erfassungsproblemen privater Veräußerungsgewinne vgl. das Gutachten der Steuerreformkommission 1971, Abschnitt II, Tz. 96, 47, die auf die Besteuerung sonstiger privater Veräußerungsgewinne verzichten wollte, da eine vollständige Erfassung fast unmöglich sei. Zu den Erfassungsproblemen beim Konsumvermögen Lang, Bemessungsgrundlage, S. 59. Auch im US-amerikanischen Steuerrecht kann die Besteuerung beim privaten Lebensführungsvermögen nicht sichergestellt werden, Reimer, Veräußerungsgewinne, S. 130. 668 Dazu oben D.I.3.e).
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D. Verfassungsrechtliche Fragen bei Ausgestaltung des § 23 EStG
Vollziehbarkeit kommt, sind beide möglichen Entscheidungen zulässig.669 Nicht durchsetzbare Steuertatbestände sollten jedoch schon nicht aufgestellt werden. 670 Wegen des Gegenprinzips der Steuergerechtigkeit und der Folgerichtigkeit darf die Beschränkung aber nur soweit gehen, wie die Undurchsetzbarkeit reicht. Daher bietet sich eine Beschränkung der Besteuerung auf bestimmte Wirtschaftsgüter an, bei denen eine einfache Erfassung durchführbar ist. Deswegen könnte man auf die Besteuerung der übrigen Wirtschaftsgüter verzichten, 671 auch wenn dazu gewinnträchtige Gegenstände wie z. B. Schmuck, Kunstgegenstände und Sammelobjekte gehören. 672 Es wären zwar Meldepflichten für Auktionshäuser und Händler möglich, aber die Anschaffungspreise können oft kaum oder nur mit hohem Aufwand nachgehalten werden. Insbesondere wären bei jedem Steuerpflichtigen für zahlreiche Gegenstände die Anschaffungskosten festzuhalten. Es müsste ein sehr hoher Aufwand getrieben werden, um festzustellen, ob überhaupt Gewinne erzielt wurden. Auch dieses Missverhältnis673 rechtfertigt eine steuerliche Nichtberücksichtigung dieser Gegenstände.674 Für die Begrenzung auf leicht erfassbare Gegenstände des Privatvermögens spricht auch die Rücksichtnahme auf die Privatsphäre. 675 Zwar rechtfertigt die Steuergerechtigkeit verhältnismäßige Eingriffe zur Verifikation der deklarierten Einkünfte. Um auf Ermittlungen im privaten Bereich möglichst weitgehend verzichten zu können, sollten aber typisierend nur diejenigen Wirtschaftsgüter besteuert werden, bei denen mit Leistungsfähigkeitssteigerungen in erheblichem Umfang gerechnet werden kann. Diese Argumentation über die Rücksichtnahme auf die Privatsphäre lässt sich mit den Aussagen des BVerfG zur Typisierung von Erwerbsaufwendungen stützen, die damit gerechtfertigt wurde, dass so Ermittlungen im Privatbereich eingegrenzt werden. 676 Die Abgrenzung zu den Kosten der privaten Lebensführung wurde als Grund für eine Typisierung anerkannt.677 669 Dazu oben D.I.2.c)aa)(3)(e). 670 Ebenso Tipke, StuW 2000, 148 (157). Vgl. Reimer, Veräußerungsgewinne, S. 131. Tipke, StRO I, S. 431, folgert aus dem Zinsurteil, dass nicht durchsetzbare materielle Steuernormen nicht bestehen dürften, sie wären verfassungswidrig. 671 Zu den Befreiungen für bewegliche Wirtschaftsgüter in Großbritannien Reimer, Veräußerungsgewinne, S. 98 f. Vgl. auch Tipke, StuW 2000,148 (157), wonach sich Einkünfte in der Lebensführungssphäre nicht mit verhältnismäßigen Mitteln erfassen lassen und deswegen nicht besteuert werden sollten. 672 Vgl. Tipke, StRO II, S. 733: Wertsteigerungen des Lebensführungsvermögens seien konsequenterweise nicht zu berücksichtigen, wenn Verluste nicht steuerbar sind. 673 Ähnlich im Hinblick auf etwaige Aufbewahrungspflichten Reimer, Veräußerungsgewinne, S. 132. 674 Alternativ könnte die Besteuerung auf sonstige Gegenstände mit hohem Wert beschränkt werden (z. B. bei Wirtschaftsgütern, deren Veräußerungspreis 10.000 € übersteigt). Für diese Veräußerungen sollten dann Meldepflichten insbesondere für Händler und Auktionshäuser normiert werden. Unter Privaten ist eine effektive Kontrolle aber nicht möglich, ähnlich Reimer, Veräußerungsgewinne, S. 137. 675 Vgl. dazu schon oben C.1.4.c). 676 BVerfG v. 7. 12. 1999 - 2 BvR 301 /98, BVerfGE 101, 297 (310).
VII. Besteuerung von Vermögensgegenständen de lege ferenda
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Bei einer Beschränkung der Besteuerung auf Gegenstände, bei denen der Ermittlungsaufwand und die Intensität des Nachforschungseingriffs gering und bei denen Gewinne typisch sind, könnte das (derzeit von § 23 EStG erfasste) private Lebensführungsvermögen 678 zu weiten Teilen ausgenommen werden. 679 So wird berücksichtigt, dass Aufwendungen für die Lebensführung grundsätzlich steuerlich irrelevant sind. Einkünfteerzielung und Einkommensverwendung sind zu trennen. 680 Über das Ziel der steuerlichen Ausgrenzung des Lebensführungsvermögens besteht heute, wie gesagt, weitgehend Einigkeit.681 Unklar ist nur die genaue Grenzziehung. Das Erwerbsvermögen könnte außerhalb der unternehmerischen Einkünfte mit Grundstücken, Anteilen an Kapitalgesellschaften und Wertpapieren bzw. Kapitalanlagen typisiert werden. Zwar können darüber hinaus auch typische Gegenstände des Lebensführungsvermögens zur Einkünfteerzielung eingesetzt werden, 682 diese können aber vernachlässigt werden. 683 Denn Feststellungen, ob ein Gegenstand ganz oder vorwiegend der Kapitalanlage oder der Lebensführung dienen soll, sind kaum möglich. Außerdem führt eine klare Regelung zu Rechtssicherheit und Praktikabilität. Die Beschränkung auf typische Veräußerungsgegenstände, bei denen die Erfassung leicht fällt, könnte schließlich auch durch Vereinfachungszwecke gerechtfertigt werden. Nicht erfasst würden nur kleine Gruppen mit einem geringen Volumen 677 BVerfG, Fn. 676, BVerfGE 101,297 (310). 678 Teilweise wird die private Nutzung mit der Begründung als Unterscheidungskriterium für die Besteuerung des Privatvermögens ausgewählt, dass die Selbstnutzung indiziere, dass es nicht um die Ertragserzielung gehe. So Valentin EFG 2004, 267 (268). Dies kann aber nur vereinfachend gelten, denn wo Eigennutzung und Gewinnerzielung zugleich möglich sind, wie es z. B. bei Schmuck und Kunstgegenständen der Fall ist, wird oftmals auch eine gemischte Zwecksetzung bestehen. 679 Vgl. Muten, Capital Gains Tax, S. 34 (41 f.), der darauf hinweist, dass Gebrauchsgüter wie etwa PKW, deren Wertverlust allein auf den Gebrauch zurückgeht, in den wohl meisten Fällen von der Besteuerung ausgenommen werden. Vgl. Lang, zitiert nach Welling/Kayser, StB 2003, 383 (385), der beim StVergAbG bemängelte, willkürlich sei die Besteuerung der Konsumgüter, die nicht selbst genutzte Wohnungen oder Gegenstände des täglichen Gebrauchs sind. Für eine Nichtsteuerbarkeit von Veräußerungen von Gütern des privaten Gebrauchs und Verbrauchs (Lebensführungs- oder Konsumvermögen) wegen des Leistungsfähigkeitsprinzips de lege ferenda Tipke, StRO II, S. 733. Für die Unbeachtlichkeit der Güter der privaten Lebensführung ebenso Lang, Reformentwurf, S. 66; Kölner Entwurf, Rn. 342. 680 Merkenich, Einkünfteermittlung, S. 77; Reimer, Veräußerungsgewinne, S. 136 f. 681 §§ 2 I, 13 Karlsruher Entwurf; zum EStGB Kirchhof, DStR 2003, Beihefter 5 zu Heft 37, 1 (2 f.); Lang, Bemessungsgrundlage, S. 515; Reimer, Veräußerungsgewinne, S. 129 ff.; Tipke, StRO II, S. 733. 682 Z. B. Schmuck, Kunst, Antiquitäten. Diese können gleichzeitig sowohl der Lebensführung als auch der Kapitalanlage dienen, so auch Lang, Bemessungsgrundlage, S. 55. Eine Entscheidung des Gesetzgebers, die Gegenstände mit doppelter Funktion der Privatsphäre zuzuweisen, wäre zulässig (S. 60). Für eine Steuerbefreiung Reimer, Veräußerungsgewinne, S. 136 f., mit der Begründung, dass insoweit die privaten Zwecke im Vordergrund stünden. 683 Ebenso Merkenich, Einkünfteermittlung, S. 95 f.
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D. Verfassungsrechtliche Fragen bei Ausgestaltung des § 23 EStG
an Veräußerungsgewinnen, so dass die Intensität der Ungleichbehandlung gering wäre. Für die Zukunft erscheint daher alternativ zu einer Besteuerung der Veräußerungen des gesamten Erwerbsvermögens ebenfalls sinnvoll, die Besteuerung auf Gegenstände zu beschränken, bei denen der Ermittlungsaufwand und die Intensität des Nachforschungseingriffs gering und Gewinne typisch sind. Dazu bietet sich eine Beschränkung auf Grundstücke, Anteile an Kapitalgesellschaften 684 sowie auf Wertpapiere, Kapitalanlagen und diesen ähnliche börsen- oder bankbezogene Finanzinstrumente, die derzeit als Termingeschäfte besteuert werden, an. 685 Durch eine solche Beschränkung könnten bei § 23 EStG Eingriffsintensität, Verwaltungsaufwand und Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit zu einem optimalen Ausgleich gebracht werden.
684 Für Personengesellschaften sollte die Regelung des § 23 14 EStG beibehalten werden, dass die Anschaffung oder Veräußerung einer Beteiligung an einer Personengesellschaft als Anschaffung oder Veräußerung der anteiligen Wirtschaftsgüter gilt. 685 Die Veräußerungsgeschäfte könnten dabei den anderen Überschusseinkünften zugewiesen werden, soweit die Wutschaftsgüter dort zur Einkünfteerzielung genutzt werden (z. B. Besteuerung der Veräußerung eines vermieteten Gebäudes im Rahmen des § 21 EStG). Vgl. Merkenich> Einkünfteermittlung, S. 93, 95 f.
E. Reformvorschläge zur Besteuerung privater Veräußerungsgeschäfte Die vorgenommene systematische und verfassungsrechtliche Untersuchung hat die Probleme der Besteuerung privater Veräußerungsgeschäfte und die dringende Reformbedürftigkeit des geltenden Rechts im Hinblick auf § 23 EStG dargelegt. Den aufgezeigten Kritikpunkten am Dualismus sowie an § 23 EStG wird von einigen Vorschlägen zur Reform der Einkommensbesteuerung zumindest teilweise Rechnung getragen. Daher soll eine kurze Darstellung der wichtigsten Reformvorschläge aus der Wissenschaft zur Besteuerung privater Veräußerungen erfolgen. Auf die zahlreichen, oftmals kurzlebigen parteipolitischen Vorschläge kann nicht eingegangen werden. 1 In den letzten Jahren lässt sich eine Tendenz zu einer möglichst umfassenden Besteuerung von Veräußerungen durch Private feststellen. Zentrales Argument dabei ist, dass die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit nahe legt, alle privaten Veräußerungsgewinne zur Einkommensteuer heranzuziehen. 2 Überwiegend soll die Veräußerungsbesteuerung auf das Erwerbsvermögen beschränkt und nicht auf das gesamte Privatvermögen erstreckt werden. 3 Die generelle Besteuerung im Sinne ei1 Hingewiesen sei aber auf den Vorschlag der FDP zur Einkommensteuerreform, der wegen seines vierten Platzes beim von der Frankfurter Humanistischen Stiftung ausgeschriebenen Wettbewerb beispielhaft genannt werden soll, BT-Drucks. 15/2349, S. 1 ff.: Entwurf eines Gesetzes zur Einführung einer neuen Einkommensteuer und zur Abschaffung der Gewerbesteuer. Nach § 8 I des Entwurfs sollen als Einnahmen auch die Erlöse aus der Veräußerung von Wirtschaftsgütern, die der wirtschaftlichen Betätigung gedient haben, erfasst werden. 2 Blümich / Ebling, § 17 EStG Rn. 6 (Febr. 2001, a. F.); Lang, Bemessungsgrundlage, S. 514. Vgl. BT-Drucks. 15/119, S. 38 (zum Entwurf des StVergAbG, der die zeitlich unbegrenzte Besteuerung mit dem durch die Veräußerung eintretenden Zuwachs an wirtschaftlicher Leistungsfähigkeit rechtfertigte). Zudem soll die gleichmäßige Besteuerung der Veräußerungseinkünfte steuerinduzierte wirtschaftliche Fehlgestaltungen verhindern, Lang, Reformentwurf, S. 67. 3 So z. B. Birk, zitiert nach Welling/Kay ser, StB 2003, 383 (386). Für die Besteuerung des privaten Erwerbsvermögens bspw. Lang, Reformentwurf, S. 96 f. (in §§ 24 I Nr. 2, 26), S. 65 ff. (m. w. N. in Fn. 281 f.); ders., DStJG 24 (2001), 49 (119); Jachmann, DStJG 23 (2000), 9 (48 f.); Kirchhof, 57. DJT, Gutachten F, S. 31; Widmann, in: FS für Klein, S. 865 (872). Vgl. auch Lang, in: Tipke/Lang, § 9 Rz. 597: In der privaten Konsumsphäre lasse sich eine gleichmäßige Besteuerung der Veräußerungseinkünfte praktisch nicht verwirklichen. Andere vertreten, zumindest die Veräußerung von Erwerbsvermögen sei gleich zu behandeln. So Tipke, StRO II, S. 724; Bäuml, System und Reform, S. 59, 64. Vgl. ferner Ruppe, in: H / H / R , Einf. ESt Anm. 81 (Febr. 1990), der die Besteuerung nur des Erwerbsvermögens als vermittelnde Lösung bezeichnet.
20 Dechant
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ner zeitlich unbeschränkten Besteuerung nach dem Entwurf des StVergAbG ist zwar zunächst gescheitert. Gleichwohl ist die Lösung der fristunabhängigen Besteuerung des Erwerbsvermögens in der Diskussion noch immer vorherrschend.4 Schon 1967 kritisierte der Wissenschaftliche Beirat beim BMF die lückenhafte Besteuerung der Veräußerungsgewinne und schlug - abgesehen von Freigrenzen eine steuerliche Erfassung sämtlicher Veräußerungsgewinne vor.5 Im Jahr 2004 betonte er erneut, dass die Nichtsteuerbarkeit von Veräußerungen des privaten Einkünfteerzielungsvermögens aufgehoben werden müsse, als er seine beiden Reformvorschläge einer Fiat Tax und einer Dualen Einkommensteuer vorstellte.6 Auch Lang forderte bereits in den achtziger Jahren die Besteuerung privater Veräußerungen, um dadurch die unterschiedliche Besteuerung der Veräußerung von Erwerbsvermögen zu beseitigen.7 Ebenso verlangte der 57. Deutsche Juristentag die (teilweise) Besteuerung privater Veräußerungseinkünfte und die Streichung des § 23 EStG.8 Auch der Entwurf eines EStG von Mitschke aus dem Jahr 2004 erfasst bei allen Einkunftsarten fristunabhängig die Veräußerung von Wirtschaftsgütern der jeweiligen Einkunftsart durch § 7 I I des Entwurfs, der die aus Veräußerungen zufließenden Zahlungen und geldwerten Vorteile den Erwerbsbezügen zurechnet.9 Wertpapierveräußerungen werden den Kapitaleinkünften zugerechnet.10 Veräußerungen von konsumtiven Verbrauchs- und Gebrauchsgütern sind dagegen nicht steuerpflichtig. 11 Die Besteuerung erfolgt erst nachgelagert bei der Verwendung für Konsumzwecke.12 Durch diese konsumorientierte Berechnungsweise erfolgt zugleich ein Ausgleich für den Kaufkraftverlust. 13 Ebenso besteuert der Kölner Entwurf (2005) alle Veräußerungen von Wirtschaftsgütern, sofern es sich nicht um privates Konsumvermögen handelt.14 Die Besteuerung erfolgt vorrangig im Rahmen der jeweiligen Einkunftsart, ansonsten 4 Bereits bei der Fristverlängerung im StEntlG wurde vermutet, sie gehe in die Richtung einer vollständigen Erfassung privater Veräußerungsgeschäfte, M. Wendt, FR 1999, 333 (351); Lang, in: Tipke/Lang, § 9 Rz. 595. Vgl. Prinz/Ommerborn, FR 2001, 977 (981). 5 Gutachten zur Reform der direkten Steuern, S. 25. Die Steuerreformkommission 1971 plädierte dagegen im Wesentlichen für eine Beibehaltung des alten Zustandes, Gutachten der Steuerreformkommission 1971, Abschnitt II, Tz. 96 ff. 6 Gutachten des Wissenschaftlichen Beirats 2004, S. 24. 7 Lang, Reformentwurf, S. 66 f., 96 f. (in §§ 24 I Nr. 2, 26); ders., Bemessungsgrundlage, S. 501,515. 8 57. Deutscher Juristentag, NJW 1988, 2993 (3006). Es sollte allerdings eine Beschränkung auf bestimmte Wirtschaftsgüter erfolgen, dazu sogleich. 9 Mitschke, Erneuerung, Rn. 59,127 f., 160,164. 10
Mitschke, Erneuerung, Rn. 160. Mitschke, Erneuerung, Rn. 159. 12 Für eine nachgelagerte Besteuerung auch Lang, in: Tipke/Lang, § 9 Rz. 597. 13 Mitschke, Erneuerung, Rn. 127. 14 Kölner Entwurf, Rn. 243,245, 342. 11
E. Reformvorschläge zur Besteuerung privater Veräußerungsgeschäfte
307
im Rahmen der Einkunftsart Veräußerungseinkünfte ( § 2 1 Nr. 4 i. V. m. § 7 des Entwurfs). 15 Der Entwurf will die unterschiedliche Steuerbelastung einzelner Einkünfte wie z. B. bei den durch §§ 17, 22 Nr. 2, 23 EStG unvollständig erfassten Veräußerungseinkünften beseitigen.16 Zu nennen ist außerdem der Entwurf eines Einkommensteuergesetzbuchs von Kirchhof (2003). Nach § 2 I, II, III des Entwurfs sind die Einkünfte aus Erwerbshandeln zu besteuern. Darunter fallen auch alle Veräußerungen, die der Erwerbssphäre zugehörig sind. Nicht steuerbar sind dagegen Einkünfte aus Veräußerungen, die der Privatsphäre zuzuordnen sind, wie z. B. bei der Veräußerung des Eigenheims.17 Nach dem zuvor vorgelegten Karlsruher Entwurf 18 sollten im Erwerbsvermögen alle Veräußerungen besteuert werden (§§ 2, 13 I des Entwurfs), während im Lebensführungsvermögen nur Grundstücke und grundstücksgleiche Rechte besteuert werden sollten.19 Für das selbst genutzte Wohneigentum normierte § 2 II 2 eine Ausnahme von der Besteuerung. Eine umfassende Besteuerung privater Veräußerungen könnte auch unter Anwendung eines Pauschalsteuersatzes erfolgen. 20 So sah der Entwurf des StVergAbG21 durch die Aufhebung der Veräußerungsfristen in § 23 EStG eine generelle Steuerpflicht privater Veräußerungen zum reduzierten Steuersatz von 15 % (§ 32a VII des Entwurfs) vor. 22 Der Entwurf bewegte sich mit der Besteuerung grundsätzlich aller Wirtschaftsgüter des Privatvermögens zwar in die Richtung einer einheitlichen Besteuerungsgrundlage, allerdings wäre durch den niedrigen Steuersatz im Ergebnis eine Schedulenbesteuerung eingeführt worden.23 Das Prin15 Kölner Entwurf, Rn. 245, 250. >6 Kölner Entwurf, Rn. 9 f., 39. 17 Kirchhof Einkommensteuergesetzbuch, § 2 Rn. 21 f. Veräußerungen von Anteilen an steueijuristischen Personen sind in § 13 in einem eigenen Tatbestand erfasst und unterliegen Sonderregelungen. Insbesondere wird gesetzlich vermutet, dass Veräußerungskosten in Höhe von 90 % des Veräußerungserlöses entstanden sind, sog. Kostenpauschale (§ 13 I I 3). Zum Entwurf siehe auch Kirchhof DStR 2003, Beihefter 5, S. 1 ff. 18 Zur Kritik am Karlsruher Entwurf siehe bspw. Tipke, StuW 2000,148 (157), und WeberGrellet, ZRP 2003, 279 ff. 19 Kirchhof DStR 2001,913 (915). Vgl. Karlsruher Entwurf, S. 29 f. 20
Für eine einheitliche Besteuerung betrieblicher und privater Veräußerungsgewinne mit einem Pauschalsteuersatz Kanzler, FR 2003, 1 (9 ff.). 21 Dazu eingehend Welling/Kayser, StB 2003, 383 ff. (Bericht über das 5. Berliner Steuergespräch). Kritisch Bäuml, System und Reform, S. 104, der den Entwurf für verfassungswidrig hält. 22
Als Übergangsregel für Altfälle, d. h. Anschaffungen vor dem Gesetzesbeschluss und Veräußerung danach, ordnete § 23 III 5 des Entwurfs an, dass als Gewinn pauschal 10 % des Veräußerungspreises ohne Minderung um die AfA angesetzt werden. Der Grund hierfür war, dass sich bei lange zurückliegenden Anschaffungen oft keine Anschaffungskosten mehr ermitteln lassen, Schmidt /Heinicke, EStG, 22. Aufl., § 23 Rn. 86. 2 3 Vgl. Lang, zitiert nach Welling/Kayser, StB 2003, 383 (384), der im Entwurf des StVergAbG das Ende des Konzeptes einer synthetischen Einkommensteuer sieht. Eine capital gains taxation sei aber international üblich. 20*
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zip einer synthetischen Einkommensteuer würde also zugleich um eine Ausnahme bereinigt und auf eine neue Art und Weise eingeschränkt. Eine Schedule für private Veräußerungen hätte zudem den Nachteil, dass die Abgrenzung zwischen privater Vermögensverwaltung und Gewerbebetrieb weiterhin relevant bleibt und daher der Beratungsbedarf fortbesteht. 24 In Betracht kommt auch die Variante einer Abgeltungssteuer25 für alle Einkünfte aus Kapitalvermögen und Veräußerungen.26 Dies bedeutet zwar ebenfalls eine Schedulenbesteuerung. Nach dem Zinsurteil des BVerfG soll der Gesetzgeber aber der gesteigerten Inflationsanfälligkeit der Einkünfte aus Kapitalvermögen Rechnung tragen dürfen. Eine definitive Quellensteuer auf Kapitalzinsen soll möglich sein, d. h. eine Abgeltungssteuer.27 Diese Argumentation ließe sich auch auf private Veräußerungsgeschäfte übertragen.28 Erhebliche Schwierigkeiten entstehen aber bei der für den Quellenabzug erforderlichen Berechnung des Veräußerungsgewinns.29 Der BFH hat einige Vorschläge zu möglichen Übergangsregelungen gemacht, die zeigen, dass ein Systemwechsel zu einer generellen Besteuerung privater Veräußerungen praktikabel durchgeführt werden kann.30 Wenn eine umfassende Besteuerung auch der Veräußerungen im Privatvermögen erfolgt, hätte die Reinvermögenszugangstheorie bzw. Markteinkommenstheorie sich gegenüber der Quellentheorie durchgesetzt.31 Eine umfassende Besteuerung 24 Rodin, zitiert nach Welling/Kayser, StB 2003, 383 (387). 25 Zur Diskussion um eine Spekulationsertragsteuer in Österreich siehe z. B. Sendlhofer, ÖStZ 1999, 534 ff.; Wurmsdobler, ÖStZ 2000,113 ff. 26 Für eine einheitliche Abgeltungssteuer auf Kapitaleinkünfte und Veräußerungseinkünfte Kayser/Rothbart, BBV 5 / 2004,20 (24); Nickel, BBV 7 / 2004,17 (20); Harenberg, KFR F. 3 EStG § 23, 2/04, S. 181 (184). Für die Anwendung eines Pauschalsteuersatzes zugleich auch auf Zinsen bzw. Kapitaleinkünfte wegen der Abgrenzungsprobleme bei Kapitalanlagen zwischen Kapitalertrag und Veräußerungsgewinn Krause, zitiert nach Welling/Kayser, StB 2003, 383 (386). Der Bund der Steuerzahler schlägt für den Fall der Einführung einer Abgeltungssteuer auf Zinsen deren Anwendung jedenfalls auch auf Veräußerungsgewinne bei Wertpapieren vor, abgerufen am 12. 5. 2005 unter http://www.steuerzahler.de/uploads/Pressestatements/4_Reform.pdf (S. 5); ebenso Jachmann, BB 2003, 2712 (2717, 2719). Der BRH hat eine Quellensteuer - gegebenenfalls mit Abgeltungswirkung - als Abhilfe für die Vollzugsdefizite bei Wertpapierveräußerungen vorgeschlagen, Bericht des BRH, BT-Drucks. 14/8863, S. 3, 10. Für eine Abgeltungssteuer mit einem verringerten Steuersatz und Veranlagungsoption Suhrbier-Hahn, DStR 2003, 354 (360 f.). Gegen eine Abgeltungssteuer z. B. Bäuml, System und Reform, S. 123. 27 BVerfG v. 27. 6. 1991 - 2 BvR 1493/89, BVerfGE 84, 239 (282 f.). Ebenso Tipke, in: Tipke/Kruse, § 30a AO Rn. 40 (März 2004). 28 Zur wirtschaftlichen Doppelbelastung von Kapitalerträgen als Rechtfertigung für eine niedrige Abgeltungssteuer Jachmann, BB 2003, 2712 (2716 f.). 29 Vgl. dazu z. B. Hey, DB 2004, 724 (729); Bäuml, System und Reform, S. 80. 30 BFH v. 16. 12. 2003 - IX R 46/02, BFHE 204, 228 (254 ff.). 31 Vgl. aber Wenglorz/Bäuml, BB 2003, 286 (288), nach deren Ansicht die Einführung einer Wertzuwachssteuer nur auf der einkommenstheoretischen Grundlage der Reinver-
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privater Veräußerungen mit dem allgemeinen Steuersatz würde insoweit das Ende des materiellen Dualismus bedeuten.32 Der begriffliche Dualismus der Gewinnund Überschusseinkünfte bliebe dagegen unter Umständen erhalten.33 Hinsichtlich des ermittlungstechnischen Dualismus ist zu bemerken, dass ein Vermögensvergleich für das gesamte Privatvermögen zwar nicht zu erwarten und auch nicht möglich ist. Denkbar wäre aber ein Vermögensvergleich für das Erwerbsvermögen, also auch für das bei den Überschusseinkünften eingesetzte Vermögen. Möglich wäre ebenso eine einheitliche Überschussrechnung für alle Einkunftsarten. 34 Beides würde die Aufhebung des ermittlungstechnischen Dualismus bedeuten. Bei einer umfassenden Besteuerung privater Veräußerungen würde sich der durch die Einkommenstheorien geprägte Dualismus der Einkunftsartengruppen des geltenden Rechts also zu einem Vermögensartendualismus oder Dualismus von einkommensteuerbarer Erwerbssphäre und nicht steuerbarer Privatsphäre wandeln.35 Während demzufolge die Besteuerung von Veräußerungen des ErWerbsvermögens in der Diskussion vorherrschend ist, wird nur vereinzelt gefordert, private Veräußerungen überhaupt nicht zu besteuern,36 wie es einem konsequent durchgeführten Dualismus der Gewinn- und Überschusseinkünfte auf dem Boden der Reinvermögenszugangstheorie und der Quellentheorie entspräche. Der Bund der Steuerzahler hält aus Gründen der Praktikabilität und der Gleichmäßigkeit der Besteuerung den Verzicht auf die Besteuerung privater Wertzuwächse für die beste Lösung.37 mögenszugangstheorie erfolgen könnte. Auch nach Jakob, Einkommensteuer, § 2 Rn. 65, würde eine fristunabhängige Besteuerung die Reinvermögenszugangstheorie umsetzen. 32 Vgl. Kanzler, FR 2003, 1: Verabschiedung des Dualismus der Einkunftsarten. Vgl. zum StVergAbG Bachem, in: Bo/Br, EStG, § 23 Rn. 31 (Aug. 2003), der im Entwurf faktisch eine Aufhebung des Dualismus der Einkünfteermittlung sieht. Anders von Bornhaupt, BB 2003, 125 (128), der von einem erweiterten Bruch mit dem dualen System spricht. Der Gesetzgeber hätte ein Einkunftserzielungsvermögen schaffen müssen und den Bestandsvergleich als Berechnungsweise einführen müssen, um Überschusseinkünfte und Gewinneinkünfte gleich zu behandeln. Zustimmend Bäuml, System und Reform, S. 90 f. Vgl. auch Kraft/Bäuml, DB 2004, 615 (619), die zum Teil von einer Einebnung und zum Teil von einer Abschwächung des Dualismus durch Einbeziehung des privaten Erwerbsvermögens sprechen. Ähnlich dies., FR 2004,443 (449 f.); Bäuml, a. a. O., S. 89. 33 So z. B. beim Entwurf des StVergAbG. 34 Bspw. sieht der Kölner Entwurf, Rn. 300 f., eine allgemeine Überschussrechnung vor. Unternehmer können aber auch den Bestandsvergleich wählen. Vgl. auch Jachmann, DStJG 23 (2000), 9 (50). Zur Steuervereinfachung durch Einführung einer Überschussrechnung als Ersatz für die Bilanzierung siehe auch Weber-Grellet, ZRP 2003, 279 (285). Zu einer allgemeinen Besteuerung des Cashflow vgl. Wenger, in: Einkommen versus Konsum, S. 37 (46 ff.). 35 Vgl. zur Abgrenzung der steuerbaren Erwerbssphäre von der nicht steuerbaren privaten Konsumsphäre der Einkommensverwendung Kölner Entwurf, Rn. 136, 207, 342, 452; Lang, Bemessungsgrundlage, S. 515. 36 So Sendlhofer, ÖStZ 1999, 534 (537).
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Auch das früher mehrfach diskutierte Modell der Besteuerung bestimmter privater Wirtschaftsgüter wird gegenwärtig seltener vertreten. Das Gutachten der Steuerreformkommission 1971 schlug vor, die Besteuerung privater Veräußerungen auf Grundstücke, Wertpapiere und Anteile an Kapitalgesellschaften bei wesentlicher Beteiligung zu beschränken.38 Auch der 57. Deutsche Juristentag beschränkte seinen Reformvorschlag auf die steuerliche Berücksichtigung von Gewinnen und Verlusten aus der Veräußerung von vermieteten und verpachteten Grundstücken und Kapitalvermögen unter Einführung großzügiger Freigrenzen. 39 Nach Reimer sollten nur Veräußerungen von Grundstücken und Finanzanlagen besteuert werden.40 Festzuhalten ist daher, dass die Tendenz zu einer gegenüber dem geltenden Recht erweiterten steuerlichen Erfassung privater Veräußerungen - insbesondere zur Aufhebung der fristabhängigen Besteuerung - geht. Trotz der Reformansätze gilt bedauerlicherweise noch immer die stark veraltete Regelung des § 23 EStG. Es sind aber geeignete Vorschläge vorhanden, um das geltende Recht, gegen das die aufgezeigten schweren Bedenken bestehen, zu reformieren.
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Abgerufen am 12.5.2005 unter http://www.steuerzahler.de/uploads/Pressestatements/4_Reform.pdf (S. 3). Auch bei einer umfassenden, auf Gleichbehandlung angelegten Neuregelung sei zu befürchten, dass Wertzuwächse nur ungleichmäßig erfasst und besteuert würden. Auf Grund dieser Gefahr seien die durch den Besteuerungsverzicht möglichen Ungleichmäßigkeiten zwischen den Einkunftsarten gerechtfertigt. 38 Gutachten der Steuerreformkommission 1971, Abschnitt II, Tz. 96 ff. Die Erfassung sollte zudem zeitlich begrenzt werden, bei Grundstücken auf acht Jahre, bei Wertpapieren auf sechs Monate (a. a. O., Tz. 99,102). 59 57. Deutscher Juristentag, NJW 1988, 2993 (3006). 40 Reimer, Veräußerungsgewinne, S. 131 ff. Dabei stellen sich die Probleme der Begriffsbestimmung der Finanzanlagen und der Abgrenzung zu den Kapitaleinkünften. Siehe dazu auch Förster, in: FS für Flick, S. 721 (733), die forderte, nur solche Vermögensgegenstände zu besteuern, bei denen Veräußerungsvorgang und -preis überprüfbar sind.
F. Abschließende Bewertung sowie Folgerungen für eine gesetzliche Neuregelung Bei der Untersuchung der fristabhängigen Besteuerung privater Veräußerungen nach § 23 EStG ist als erstes nach einer Rechtfertigung für den Grundsatz der unterschiedlichen Behandlung von Betriebsvermögen und Nicht-Betriebsvermögen zu fragen. Überzeugende Gründe für diese Ungleichbehandlung, insbesondere für die Nichtsteuerbarkeit privater Veräußerungen, lassen sich angesichts der erheblichen Abweichung von der Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit, unabhängig davon wie man diese konkretisiert, jedoch nicht finden. Legt man im Hinblick auf die Gleichbehandlung der Einkunftsarten und die folgerichtige Umsetzung der einmal getroffenen Belastungsentscheidung an die unterschiedliche Erfassung von Veräußerungseinkünften strengere Maßstäbe an als bislang das BVerfG mit dem Maßstab eines weiten Spielraums des Gesetzgebers bei der Auswahl des Steuergegenstandes, bestehen insoweit erhebliche verfassungsrechtliche Bedenken. Geht man trotzdem mit dem BVerfG von der verfassungsrechtlichen Zulässigkeit des Dualismus der Einkunftsaitengruppen aus, stellt sich als zweites die Frage nach der Zulässigkeit der Durchbrechung dieser Grundentscheidung durch § 23 EStG. Auch hier existieren keine überzeugenden Differenzierungskriterien. Nur das Anknüpfen an eine Veräußerung innerhalb der kürzeren Fristen nach alter Rechtslage konnte als grobe Typisierung der Spekulation angesehen werden. Für die zehnjährige Frist bei Grundstücken und grundstücksgleichen Rechten gilt dies nicht mehr. Außerdem sind keine Gründe erkennbar, warum Spekulationsgeschäfte anders zu besteuern sein sollten als andere Veräußerungsgeschäfte. Auch der Markteinkommenstheorie fällt es schwer, diese Ausnahme vom Dualismus der Einkunftsarten zu erklären. Richtete man sich allein nach Leistungsfähigkeitsgesichtspunkten, müsste eine fristunabhängige Besteuerung erfolgen, um einerseits Betriebsvermögen und Privatvermögen und andererseits alle Arten nichtunternehmerischer Einkünfte durch Aufhebung der Begünstigung der privaten Vermögensverwaltung gleich zu behandeln. § 23 EStG erfasst daher ohne überzeugende Rechtfertigung nur einen Ausschnitt privater Veräußerungen. Dies hat vor allem historische Gründe und ist unsystematisch sowie verfassungsrechtlich bedenklich. Es bestehen also schon Bedenken gegen die Grundentscheidung für den Dualismus. Zudem ist auch die Regelung des § 23 EStG fragwürdig. Zu Recht sehen daher die meisten Reformvorschläge eine Besteuerung von Veräußerungen auch des im Rahmen der Überschusseinkünfte genutzten Vermögens
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vor. Bei der Verbesserung des geltenden Systems durch eine erweiterte Besteuerung privater Veräußerungsgeschäfte würde eine Vielzahl von Steuergestaltungsmöglichkeiten verbaut oder zumindest unattraktiver gemacht. Private (Groß-)Vermögen könnten nicht mehr in nicht steuerbarer Weise vermehrt werden. Durch die (weitgehende) Abschaffung des materiellen Dualismus würde das Einkommensteuerrecht in seinen Grundprinzipien verändert und leistungsfähigkeitsgerechter ausgestaltet. Bereits die Verlängerung der Fristen durch das StEntlG wurde als Zwischenschritt hin zu einer umfassenden Besteuerung privater Veräußerungen gesehen. Dies wurde durch den - allerdings gescheiterten - Entwurf des StVergAbG, der das Ziel einer sehr weitgehenden, wenn auch begünstigten Besteuerung von Veräußerungen im Privatvermögen verfolgte, bestätigt. Neben der Forderung nach einer Gleichbehandlung mit den betrieblichen Veräußerungseinkünften durch Besteuerung privater Veräußerungen legt auch der internationale Vergleich eine generelle oder zumindest deutlich erweiterte Besteuerung privater Veräußerungen nahe. Daher ist - nicht zuletzt wegen der fiskalischen Begehrlichkeiten auf lange Sicht eine umfassende Steuerbarkeit privater Veräußerungen zu erwarten. Die Erfassung der Veräußerungen im privaten Erwerbsvermögen wäre ermittlungstechnisch durchaus möglich. Vorzugswürdig gegenüber der bloßen Streichung der Fristen in § 23 EStG ist die Besteuerung im Rahmen der jeweiligen Einkunftsart. Dies könnte beispielsweise durch die Einführung einer Überschussrechnung mit einem Verzeichnis der Wirtschaftsgüter in Anlehnung an die Einnahmenüberschussrechnung nach § 4 III EStG erfolgen. So bliebe Privaten die kompliziertere kaufmännische Buchführung erspart. Statt langfristiger Aufzeichnungs- und Aufbewahrungspflichten würde auch eine Mitteilungs- und Nachweispflicht für die Anschaffungskosten im Zeitpunkt der Anschaffung genügen, dann wäre keine Aufbewahrung der Unterlagen durch den Steuerpflichtigen erforderlich. Eine Überschussrechnung mit Anlageverzeichnis sieht auch der Kölner Entwurf vor (§§ 9 I, 161 EStG-E). Bei einer Beschränkung des Verzeichnisses auf das Erwerbsvermögen (oder auf bestimmte Wirtschaftsgüter) und bei Einführung einer Bagatellgrenze kann der durch die Einkünfteermittlung verursachte Aufwand gering gehalten werden. Durch die Normierung von Mitteilungspflichten insbesondere für Kreditinstitute an die Finanzverwaltung würden die Steuerpflichtigen weiter entlastet. Ohnehin erfordert die tatsächliche Durchsetzung einer generellen Besteuerung privater Veräußerungen als verfahrensrechtliche Absicherung neben den Erklärungspflichten die Einführung entsprechender Kontrollmöglichkeiten der Finanzverwaltung. Termingeschäfte und Finanzinstrumente sind ergänzend zu besteuern, auch um die Umgehung der Besteuerung von Wertpapierveräußerungen zu verhindern. Bei Vermietung und Verpachtung hätte eine derartige Besteuerung der Veräußerungen zudem den Vorteil, dass die durch zu hohe AfA entstandenen stillen Reserven aufgedeckt bzw. die durch die Ungenauigkeit der AfA bewirkten Verzerrungen beseitigt würden.
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Zweckmäßig erscheint die Nichtbesteuerung von Veräußerungen des Lebensführungsvermögens wegen der engen Persönlichkeitsbezüge, wegen des einkommensteuerlichen Grundsatzes der Unbeachtlichkeit der Einkommensverwendung und wegen der geringen entgehenden Steuereinnahmen bzw. der nur geringfügigen Abweichung vom Leistungsfähigkeitsprinzip. Denkbar wäre alternativ dazu auch eine Beschränkung der fristunabhängigen Besteuerung im Privatvermögen auf praktisch besonders relevante Wirtschaftsgüter wie Grundstücke und grundstücksgleiche Rechte, Wertpapiere und Finanzinstrumente sowie Anteile an Kapitalgesellschaften. Damit könnte die Veräußerung von Erwerbsvermögen typisiert erfasst werden, da Vermietung und Verpachtung von Grundstücken und Wertpapierveräußerungen die wichtigsten Fälle von Erwerbsvermögen bei den Überschusseinkünften sind. Deren zentrale Bedeutung zeigt auch die streitanfällige Abgrenzung von gewerblichem Wertpapier- und Grundstückshandel und privater Vermögensverwaltung. Durch diese Einschränkung würden die ohne Besteuerung möglichen Veräußerungen auf den Bereich des Lebensführungsvermögens und seltenere Fälle des zur Einkünfteerzielung eingesetzten Vermögens (z. B. die einmalige oder gelegentliche Vermietung beweglicher Gegenstände bei sonstigen Leistungen oder der Erwerb etwa von Antiquitäten oder Kunstgegenständen im Hinblick auf eine beabsichtige Wertsteigerung, also zur Einkünfteerzielung) begrenzt und die bei Veräußerungen bestehenden Belastungsunterschiede wesentlich verringert. Die verbleibende Ungleichbehandlung könnte mit der Rücksichtnahme auf die Privatsphäre, den Erfassungsproblemen und der Vereinfachung durch Typisierung gerechtfertigt werden. Damit entfiele die schwierige Abgrenzung von Erwerbs- und Konsumsphäre im Einzelfall, also die Frage, ob ein Gegenstand zur Einkünfteerzielung eingesetzt wird. Eine Ausnahme für Gegenstände der Lebensführung wäre dann nicht erforderlich. Für diese Lösung sprechen auch der geringe Ermittlungsaufwand und die verminderte Intensität des Steuereingriffs, und dass zumindest in den wichtigen Bereichen eine Gleichbehandlung von betrieblichen und privaten Veräußerungen erfolgt. Allerdings weist dieses Modell die Nachteile auf, dass Besteuerungslücken entstehen und dass die Besteuerung - in begrenztem Umfang - durch Gestaltung umgangen werden kann, indem in nicht steuerbare Wirtschaftsgüter investiert wird, um nicht steuerbare Veräußerungsgewinne erzielen zu können. Schwerwiegende Bedenken gegen die Regelung in § 23 EStG bestehen außerdem insoweit, als die tatsächliche Besteuerung der privaten Veräußerungsgeschäfte nicht sichergestellt wird. Soweit Maßnahmen möglich sind, um die tatsächliche Lastengleichheit zu gewährleisten, muss der Gesetzgeber diese ergreifen. Sind Vollzugsdefizite dagegen unvermeidbar, kann der Gesetzgeber insoweit auf die betroffenen Steuertatbestände verzichten, muss es aber nicht. Derzeit besteht nur bei Grundstücken und grundstücksgleichen Rechten sowie bei den von § 54 EStDV betroffenen Anteilen an Kapitalgesellschaften (insbesondere GmbH-Anteilen) eine effektive Kontrolle. Die vom BVerfG für 1997 und
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1998 festgestellten verfassungswidrigen Vollzugsdefizite bei Wertpapieren bestanden auch in den Jahren 1999 bis 2003 fort. Gleiches gilt trotz § 24c EStG auch ab 2004, da keine Vorlagepflicht oder Mitteilungspflicht besteht und durch die Jahresbescheinigung auch keine anderweitigen Kontrollmöglichkeiten entstehen. Auch bei Termingeschäften (§ 23 11 Nr. 4 EStG) sind die Jahre 1999 bis 2003 und trotz § 24c EStG auch die Jahre ab 2004 von den Vollzugsdefiziten betroffen. Bei banken- und börsenbezogenen Termingeschäften und Veräußerungsgeschäften könnten entweder Mitteilungspflichten oder eine Vorlagepflicht für die Jahresbescheinigung nach § 24c EStG eingeführt werden, um die Vollzugsdefizite zu beseitigen. Mit einer entsprechenden gesetzlichen Regelung ist für die Zukunft auch zu rechnen. Bei sonstigen Gegenständen, insbesondere beim Lebensführungsvermögen, kann der Gesetzgeber eine effektive Kontrolle weitgehend nicht ermöglichen, so dass ihm Vollzugsdefizite in diesem Bereich nicht zuzurechnen sind und die Besteuerung deswegen insoweit nicht verfassungswidrig wird. Vorzugswürdig wäre aber eine Ausnahme von der Besteuerung für die betroffenen Gegenstände, um die ehrlichen Steuerpflichtigen nicht faktisch zu benachteiligen. Für einen Verzicht auf eine Besteuerung des Lebensführungsvermögens sprechen auch die Abgrenzung der steuerbaren Einkünfteerzielung von der nicht steuerbaren Einkommensverwendung und die geringe fiskalische Relevanz von Veräußerungen in diesem Bereich. Bei Grundstücken, Wertpapieren und anderen bankbezogenen Veräußerungen sowie Anteilen an Kapitalgesellschaften ist dagegen eine effektive Kontrolle möglich, zu der der Gesetzgeber auch verfassungsrechtlich verpflichtet ist. Ein Inflationsausgleich ist bei § 23 EStG zwar bei Inflationsraten von etwa 2 - 3 % pro Jahr nicht verfassungsrechtlich geboten. Gleichwohl wäre ein Inflationsausgleich wünschenswert, der dann aber alle Einkunftsarten einbeziehen müsste. Es sind jedoch keine Gründe erkennbar, warum nach § 23 11 Nr. 1 EStG besteuerte Grundstücke und grundstücksgleiche Rechte nicht in die Progressionsentlastung für außerordentliche Einkünfte nach § 34 EStG einbezogen werden. Insbesondere bei einer Erweiterung der Besteuerung privater Veräußerungen ist ein Progressionsausgleich wegen der Gleichbehandlung der Einkunftsarten erforderlich, vorzugsweise durch ein averaging. Im Hinblick auf die Kernprobleme der Inflation und der Progression bei der Besteuerung von Veräußerungsgeschäften liegt nahe, nach dem Vorbild der USA zwischen kurz- und langfristig erzielten Gewinnen zu unterscheiden. Denn nur ab Haltezeiträumen von über zwölf Monaten kann sich die Progression nachteilig auswirken. Auch die Inflation wirkt bei den derzeitigen Raten erst ab einem Jahr in nennenswerter Weise. Die unterschiedliche Länge der Fristen in § 23 EStG erscheint zwar bei einer Besteuerung der Spekulation im Sinne „kurzfristiger", unterdurchschnittlicher Haltezeiten denkbar. Nach hier vertretener Ansicht lässt sich § 23 EStG aber nicht als
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Spekulationsbesteuerung rechtfertigen. Bei einer Begründung des § 23 EStG über die Leistungsfähigkeit sind unterschiedlich lange Fristen ohnehin nicht plausibel. Statt der Steuerbefreiung für selbst genutztes Wohneigentum sollte besser das Lebensführungsvermögen insgesamt nicht besteuert werden. Auch ein Freibetrag oder eine Steuerstundung ist anstelle der Steuerbefreiung für die eigene Wohnung gut vorstellbar. Die Verlustverrechnungsbeschränkung in § 23 III 8, 9 EStG lässt sich nicht rechtfertigen. Insbesondere ergibt sich die Möglichkeit, Verluste innerhalb der Frist zu realisieren, aus der Eigenart der Regelung in § 23 EStG und stellt regelmäßig keinen Missbrauch, sondern lediglich ein steuergünstiges Verhalten dar. Lägen missbräuchlich geschaffene Verluste vor, dürften die Verluste zudem überhaupt nicht berücksichtigt werden. Zusammenfassend ist demnach festzuhalten, dass im Privatvermögen eine fristunabhängige Besteuerung von Veräußerungen des Erwerbsvermögens ratsam wäre, bei der wegen der Progressionsnachteile haltefristabhängige Ermäßigungen gewährt werden. Alternativ dazu könnte das Erwerbsvermögen typisiert durch eine Beschränkung auf bestimmte, besonders relevante Wirtschaftsgüter (insbesondere Grundstücke und Kapitalanlagen) besteuert werden. In beiden Varianten müsste die Durchführung der Besteuerung durch ein geeignetes Kontrollinstrumentarium der Finanzverwaltung sichergestellt werden. Besteuerungslücken sind insoweit in Kauf zu nehmen, als die Durchsetzung der Besteuerung nicht zu gewährleisten ist (z. B. bei Verkäufen von Schmuck unter Privaten). Es gibt also verschiedene Möglichkeiten zur Besteuerung privater Veräußerungen. Der Gesetzgeber hat mit der Besteuerung privater Veräußerungsgeschäfte nach § 23 EStG eine nicht überzeugende sowie unsystematische und verfassungsrechtlich sehr bedenkliche Regelung getroffen.
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der
Freigrenze
des
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Literaturverzeichnis Wittmann, Rolf: Besteuerung des Markteinkommens - Grundlinien einer freiheitsschonenden Besteuerung, StuW 1993, 35 ff. Wurmsdobler, Norbert: Die Spekulationsertragsteuer im Lichte einer ökonomisierten Einkommensbesteuerung, ÖStZ 2000, 113 ff.
Sachwortregister Abgeltungswirkung 243, 308 Abgeordnetenbezüge 118 Allgemeines Persönlichkeitsrecht 125 Anschaffung 50 Anschaffungs- und Herstellungskosten 51 Anteile an Kapitalgesellschaften 159 f., 245 Äquivalenzgedanke 117 Aufbewahrungspflicht 213, 237 ff. Aufwendungen für die Lebensführung 298 ff. Aufzeichnungspflichten 127 ff., 140,249 Auskunftsersuchen 216, 241 Außenprüfung 244 Averaging 30, 142, 258 Bankenerlass 203, 204 f. Bankgeheimnis 202, 217 Belastungsgrund 150, 155 Belastungsunterschiede 34, 61, 73 f., 106, 135,145, 148,176 Bemessungsgrundlage 155 Bequemlichkeit der Steuererhebung 125 Besteuerungsgleichheit 103, 203 Betriebsaufgabe 45 Betriebsausgaben 154 Betriebsvermögen 34, 52, 145 ff., 244 Capital Gains Tax 153, 193 Datenschutz 125 f. Daytrader 189 Deklarationsprinzip 203,212 Drei-Objekt-Grenze 144,192 Dualismus 157 ff. - begrifflicher 73, 83 - ermittlungstechnischer 77 f., 83 ff. - geschichtliche Entwicklung 81 ff. - materieller 77, 87 ff.
Eigenheimförderung 263 Einkommensbegriff 26 f., 40, 54, 63, 94, 97, 110, 150 ff. Einkommensteuergesetzbuch 307 Einkünfte aus Leistungen 65 Einkünfteerzielungsabsicht291 ff. Einlage 46, 50 Einnahmenüberschuss 199 Entnahme 45 Ermäßigter Steuersatz 254 Ermittlungstechniken 61,75 f., 84 Erwerbsaufwendungen 274 ff. Erwerbseinkünfte 111, 113 Erwerbssphäre 143 Erwerbsvermögen 128 ff., 300, 306 Existenzminimum 277 Fifo-Methode 52 Fiskalische Gründe 279 f. Fixgeschäft 47 Folgerichtigkeit 100, 107, 152, 155, 157, 161 f., 179, 262, 267 Freigrenze 37 f., 46, 247 Fristlänge 36,44,47, 257, 258 f. Fristverlängerung 1, 41, 43, 44, 53, 148, 160, 166, 192,201,228 Fruchtziehung 182 f., 185 Fruchtziehungsthese 94 Fünftel-Regelung 257 Fungibilität 259 Gebot realitätsgerechter Tatbestandsgestaltung 96 Geldleistungseinkünfte 95 Generelle Besteuerung privater Veräußerungsgeschäfte 24, 98 f., 104, 163, 186 Gesetzesbindung der Verwaltung 219 Gestaltungsanreize 144,149
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Sachwortregister
Gestaltungsmissbrauch siehe Missbrauch von Gestaltungsmöglichkeiten Gewährleistungspflicht des Gesetzgebers 225 Gewerbliche Einkünfte 160,184 Gewinneinkünfte 63, 67 ff., 116 Gewinnerzielungsabsicht 291, 292 Girosammeiverwahrung 51 Gleichbehandlung der Einkunftsarten 146, 267 ff. GmbH-Anteile 49, 245 Grundstücke und grundstücksgleiche Rechte 40,47, 244, 258 Halbeinkünfteverfahren 46, 159 Haltefrist 163 Indexierung der Erwerbskosten 133,254 Ineffektivität 212, 248 Inflation 132 ff., 255 ff. Intensität der Vermögensnutzung 116 Jahresbescheinigung 53, 234 Karlsruher Entwurf 307 Kölner Entwurf 254, 306 Konsumsphäre 246, 262, 300 Kontenabrufverfahren 241 Kontrollmitteilungen 205, 209 f., 213, 216, 233 Lebensführungsvermögen 101, 127, 130 f., 157,262 Leistungsfähigkeitsprinzip 100, 102, 108, 117,145, 155,161, 171, 191, 251, 274 ff. Lenkungszwecke 143, 163 Liebhaberei 292, 296 Lock-in-Effekt 192, 255 Lock-out-Effekt 282 Markteinkommenstheorie 66, 112 Meldepflichten 248 Missbrauch von Gestaltungsmöglichkeiten 190, 283 Mitteilungspflicht 232 Mitwirkungspflicht 212 Nachgelagerte Besteuerung 254, 306
Nämlichkeit 50 Nennwertprinzip siehe Nominalwertprinzip Nichtigerklärung 214, 221 Nichtsteuerbarkeit privater Veräußerungen 54, 75,103, 145, 162,191, 197 Nominalwertprinzip 132 f., 250 Normatives Defizit 206, 220 Normatives Umfeld 203, 212, 248 Objektives Nettoprinzip 270 ff. Pauschalierung 137 Preußisches Einkommensteuergesetz 27 ff., 81,83 Private Equity 121, 149 Private Veräußerungsgeschäfte 46 Privatsphäre 123 ff., 302 Privatvermögen 145 ff., 149 Progressionsausgleich 142 f., 257 ff. Quellenabzug 209, 212 Quellensteuer 212, 243 Quellentheorie 26 f., 31, 39, 61, 151 f., 187 f. Recht auf informationelle Selbstbestimmung 125 Rechtsanwendungsgleichheit 219 Rechtsetzungsgleichheit 219 Rechtsnachfolge 45 Reformvorschläge 305 ff. Reichseinkommensteuergesetze 33 ff. Reinvermögenszugangstheorie 39 f., 39, 62, 151 f. Rückwirkung 201 Sächsisches Einkommensteuergesetz 81, 83 Scheingewinnbesteuerung 132,250 Schuldnergewinne 134 Sonstige Einkünfte 46 Spekulation 28, 162, 164 ff. Spekulationsabsicht 32, 36, 42, 48, 165, 260, 293 ff. Spekulationsfrist 200 Spekulationsgeschäfte 27 f., 32, 35,40 Spielraum des Gesetzgebers 103 ff., 177 ff. Stammvermögen 27, 34,62,188
Sachwortregister Steueraufkommen 189 Steuerentlastungsgesetz 1999 / 2000 / 2002 44, 192 Steuergegenstand 150 Steuergeheimnis 126 Steuergerechtigkeit 103,161 Steuerquellen, Auswahl 103 ff., 177 ff. Steuervergünstigungsabbaugesetz 25, 232 f. Subjektives Nettoprinzip 271, 275 Subsidiarität 52 Synthetische Einkommensteuer 146, 308 Termingeschäfte 44,47, 166,245 f. Theorie des Erwerbseinkommens 114 Totalüberschussprognose 296 f. Typisierung 36, 42, 53, 136 ff., 168, 179 ff., 284 f., 286 f. Überschusseinkünfte 63,67 ff., 73, 116,151, 187 ff. Überschussrechnung 61, 73, 90, 309 ultra posse nemo obligatur 225 Unanwendbarkeit einer Norm 218 Unterhaltszahlungen 118 Unvereinbarerklärung 205, 221 ff. Veräußerung 50 Veräußerungsergebnis 199 Veräußerungsfrist 200 Veräußerungsgewinn 199 Veräußerungsüberschuss 199 Vereinfachung 36, 138, 303 Vereinfachungszwecknormen 141
Verhinderung der Spekulation 280 Verifikationsprinzip 203,212 Verlustabzug 52,265 Verlustausgleich 265, 276 Verluste bei Wirtschaftsgütern des täglichen Gebrauchs 50,290 ff. Verlustverrechnungsbeschränkungen 34, 263 ff. Verlustzuweisungsmodelle 280 Vermögenseinsatz 91 ff. Vermögensgegenstände, sonstige 246 ff. Vermögensvergleich 32, 84, 90 Vermögensverwaltung 94, 96,115,139,153, 182 ff. Vermögensverzeichnis 140 Vollzugsdefizite 33, 99 ff., 202 ff. Vollzugsrealität 218 Werbungskosten 51, 154 Werbungskostenüberschuss 199 Wertänderungen des Vermögens 62, 96 Wertpapiere 169, 207 ff. Wiederkehrende Bezüge 119 Wiederveräußerungsabsicht 28, 36, 169, 172 ff. Willkürverbot 105 f. Wirtschaftsgut 46,49, 300 Wirtschaftsgüter des täglichen Gebrauchs 50 Wohnung, eigengenutzte 45, 49, 259 ff. Zinsnachteil 266 Zinsurteil 203 ff. Zu- und Abflussprinzip 51