Die Bereicherungsbeschränkung des § 818 Abs. 3 BGB bei nichtigen gegenseitigen Verträgen [1 ed.] 9783428451807, 9783428051809


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German Pages 164 Year 1982

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Die Bereicherungsbeschränkung des § 818 Abs. 3 BGB bei nichtigen gegenseitigen Verträgen [1 ed.]
 9783428451807, 9783428051809

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DIETER BREMECKER

Die Bereicherungsbeschränkung des § 818 Abs. 3 BGB bei nichtigen gegenseitigen Verträgen

Schriften zum Bürgerlichen Recht

Band 72

Die Bereicherungsbeschränkung des § 818 Abs. 3 BGB bei nichtigen gegenseitigen Verträgen

Von

Dr. Dieter Bremecker

DUN C K E R & H U M.B LOT / B E R L I N

Alle Rechte vorbehalten © 1982 Duncker & Humblot, Berlin 41 Gedruckt 1982 bei Berliner Buchdruckerei Union GmbH., Berlin 61 Prlnted in Germany ISBN 3 428 05180 7

Inhaltsverzeichnis 1.

Einführung: Die Funktion des § 818 Abs. 3 im geltenden Bereicherungsrecht, aufgezeigt anhand seiner Entstehungsgeschichte ................

9

2.

Ausgangspunkt: Die Beschränkung der Bereicherungshaftung bei nur einseitiger Bereicherung, § 818 Abs. 3 ...................................... 15

21.

Der Bereicherungsbegriff der herrschenden Auffassung ........

15

211.

Die Haftungsformel ............................................

15

212.

Die Anrechenbarkeit der Nachteile ............................

17

213.

Anwendungsfälle ............................... . ...... . .......

19

22.

Abweichende Auffassungen zum Bereicherungsbegriff ..........

20

221.

Von Tuhr .......... . ...........................................

20

222.

Wilburg ...................................................... ,

21

223.

Flume. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ..

22

224.

Flessner ...................................................... ,

24

23.

Zusammenfassung

25

3.

Hauptteil: Die Beschränkung der Bereicherungshaftung bei nichtigen gegenseitigen Verträgen. . ... . . . . . ... .. .. . . . . .. . . . . . . .. .. ... . .........

26

31.

Die Zweikondiktionenlehre ....................................

27

32.

Die Saldotheorie ..............................................

28

321.

Der Inhalt .....................................................

28

322.

Die Aussagen in concreto ......................................

30

323.

Die Begründungen zur Saldo theorie ............................

32

3231.

Der Wortlaut des § 812 Abs. 1 und der Begriff "Bereicherung" ..

32

6

Inhaltsverzeichnis

3232.

Der Kausal- bzw. Motivationszusammenhang zwischen Leistung und Gegenleistung ............................................. 34

3233.

Die Einheit von Leistung und Gegenleistung im nichtigen Vertrag 35

3234.

Das faktische Synallagma ......................................

36

3235. 3236.

Schadensersatzrechtldche Parallelen ...................... . ..... Die Billigkeit ................................................ . .

39 41

3237.

"Die Natur der Sache" als Rechtsquelle ........................

42

3238.

Zusammenfassung .............................................

44

324.

Einschränkungen und Wertungswiderspruche der Saldotheorie

45

3241. 3242. 3243. 32431. 32432. 3244. 3245.

Der Schutz der Geschäftsbeschränkten und Geschäftsunfähigen Vorleistungsfälle .............................................. Der Wertungswiderspruch mit dem Rücktrittsrecht. . . . . . . ... . . .. BGHZ 53, 144 .................................................. BGHZ 57, 137 .................................................. Der Wertungswiderspruch zur dinglichen Rechtslage. . . . . . . . . . .. Die an einen Dritten erbrachte Ge~enleistung

45 46 48 49 54 58 61

325. 3251. 3252. 3253. 3254.

Weitere Einwendungen gegen die Saldotheorie .................. Die Fälle ungleichartiger Leistungen ............................ Die Umkehr der Gefahrtragung ......................... . ...... Die Aufrechterhaltung des nichtigen Vertrages .................. Der Unterschied der Ergebnisse, je nachdem, wer zuerst klagt ..

64 65 66 68 69

Die Saldotheorie dn der Rechtsprechung ........................ Allgemeine Grundsätze ........................................ Die Rechtsprechung zu Einzelfällen ............................ Der Gesichtspunkt, wer den Bereicherungswegfall zu vertreten hat Der Gesichtspunkt der jeweils unterschiedlichen Nichtigkeitsanordnung ..................................................... 32623. Die Rechtsprechung zu den Sonderfällen ........................ 3263. Zusammenfassende Betrachtung der Rechtsprechung ............

70 70 71 72

326. 3261. 3262. 32621. 32622.

75 79 81

33.

Zu.sammenfassendes Ergebnis der Auseinandersetzung mit der Zweikondiktionenlehre und der Saldotheorie ....................

82

331.

Die Zwei'kondiktionenlehre ....................................

82

332.

Die Saldotheorie ...............................................

82

34.

Neuere. 4nsichten ~um Problem der Rückabwicklung nichtiger gegensetttger Vertrage .........................................

85

341.

Wilburg. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ..

85

342.

Flume.. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

86

Inhaltsverzeichnis

7

343.

Blomeyer

89

344.

Von Caemmerer ...............................................

90

345.

Leser. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ..

94

346.

Diesselhorst ...................................................

96

347.

Esser, Larenz, Medicus ........................................

98

348.

Wieling

100

349.

Rengier

102

35.

Der eigene Lösungsvorschlag .................................. 106

351. 3511. 3512. 3513.

Ausgangspunkt ................................................ Der Standort des Problems .................................... Die Notwendigkeit, Wertungsparallelität zu erzielen ............ Der konkrete Ansatzpunkt .....................................

352.

Die "Unbilligkeit" der gesetzlichen Lösung und deren Ursachen (bei Sachuntergang bzw. wesentlicher Verschlechterung) ........ 111

3521.

Untergang oder Verschlechterung des Bereicherungsgegenstandes dnfolge des Mangels ............................................ 112

3522.

Untergang bzw. Verschlechterung der Sache durch Zufall ohne jegliches Zutun des EmpfängeI'S ................................ 115

106 106 108 110

35221. Die gewisse Unbilligkeit jeder Gefahrentscheidung .............. 115 35222. Der Vergleich zwischen ein- und gegenseitiger Bereicherung .... 115 35223. Die Gefahrentlastung des Empfängers .......................... 119 3523.

Unmöglichkeit unversehrter Rückgabe der Sache infolge eines freien, nicht vorwerfbaren Verhaltens des Empfängers, insbesondere des üblichen Sachgebrauchs ............................ 124

3524.

Die vom Empfänger verschuldete Unmöglichkeit, die Sache in einwandfreiem Zustand zurückzugeben ............................ 35241. Die Wandlungsabwicklung ........ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 352411. Der Verschuldensbegriff des § 351 .............................. 352412. Die Fallgruppen des § 351 ...................................... - Vor jeder Kenntnis vom Wandlungsgrund .................... - Nach positiver Kenntnis der Rücktrittsvoraussetzungen ...... - Bei Vermutung der Mangelhaftigkeit der Sache .............. 35242. Die bereicherungsrechtliche Abwicklung

132 132 132 134 134 137 138 140

353.

Das Haftungsschema der neuen Lösung

146

354.

Zusammenfassende Betrachtung des Lösungsvorschlags

150

4.

Ausblick ....................................................... 156

Literaturverzeiclmis .................................................. 158

EINFüHRUNG

1. Die Funktion des § 818 Abs. 3 1 im geltenden Bereicherungsrecht, aufgezeigt anhand seiner Entstehungsgeschichte Die Haftung aus "ungerechtfertigter Bereicherung" erfolgt nach dem Bürgerlichen Gesetzbuch in zwei Schritten: Zunächst wird durch eine Norm - in den meisten Fällen ist dies die Vorschrift des § 812 Abs.l Satz 1 - die grundsätzliche Anordnung einer Haftung getroffen, der Verpflichtung zur Herausgabe des Erlangten. Erst danach bestimmt § 818 den endgültigen Umfang der Haftung!. Nach § 818 Abs.l erstreckt sich die Pflicht zur Herausgabe auf die gezogenen Nutzungen und auf das nicht rechtsgeschäftliche Surrogat3. Ist eine Herausgabe in natura nicht möglich und auch kein Surrogat vorhanden, so bestimmt § 818 Abs.2, daß Wertersatz zu leisten ist. Besondere Bedeutung bei der Feststellung des Haftungsausmaßes kommt Abs.3 des § 818 zu, da dadurch die Haftung auf die noch vorhandene Bereicherung beschränkt wird: "Die Verpflichtung zur Herausgabe oder zum Ersatz des Wertes ist ausgeschlossen, soweit der Empfänger nicht mehr bereichert ist." Aufgrund des § 818 Abs.3 ist demnach allein die Sphäre des Bereicherungsschuldners zur Feststellung des Haftungsumfanges ausschlaggebend. Nur unter den sehr engen Voraussetzungen der §§ 818 Abs.4 bzw. 819 Abs. 1, 819 Abs.2 schließt das Bürgerliche Gesetzbuch das von § 818 Abs. 3 angeordnete Prinzip aus, um eine verschärfte Haftung nach den allgemeinen Vorschriften zu erreichen. Auf der einen Seite des gerade aufgezeigten Systems der Bereicherungshaftung, im Bereich der Haftungsanordnung durch § 812 Abs. 1 Satz 1, ist nach lebhaften Diskussionen insbesondere in den letzten zwei Jahrzehnten eine modeme Bereicherungslehre entstanden, die innerhalb kurzer Frist auch die Praxis beeinflußt hat. Aufbauend auf den Studien Wilburgs4 und von Caemmerers5 ist ihr wesentlicher Inhalt, 1

!

II

3,4.

Paragraphen ohne nähere Angaben sind die des BGB. Vgl. Koppensteiner / Kramer S. 122; Erman / Westermann § 812 Rdn.3. Vgl. Erman / Westermann § 818 Rdn. 9, 14; Palandt / Thomas § 818 Anm.

4 Wilburg, Die Lehre von der ungerechtfertigten Bereicherung nach österreichischem und deutschem Recht. S Von Caemrnerer, Festschrift Lewald S. 443 ff.; ders., Festschrift Böhmer, S. 145 ff.; ders., Festschrift Doelle I, S. 135 ff.; ders., JZ 1962, 385 ff.

10

1. Die Funktion des § 818 Abs. 3 im geltenden Bereicherungsrecht

daß die Generalklausel des Bereicherungsrechts, § 812, eigenständige Kondiktionstypen in sich versammelt, die in ihren Voraussetzungen und Funktionen durchaus unterschiedlich zu beurteilen sind. Die neue Lehre stellt klar, daß in den verschiedenen Fällen ungerechtfertigter Bereicherung für den Mangel des Rechtsgrundes jeweils andere Gesichtspunkte bestimmend sind: bei der Bereicherung durch Leistung (Leistungskondiktion) das Fehlen eines internen Schuldverhältnisses, kraft dessen die Leistung dem Empfänger gebührt hätte; bei der Bereicherung aus fremdem Gut der Zuweisungsgehalt des betroffenen Rechts'. Durchgesetzt hat sich ferner eine gegenstandsbezogene Betrachtungsweise des Bereicherungsanspruchs7• Voraussetzung für die Entstehung eines Bereicherungsanspruchs im Sinne von § 812 Abs. 1 Satz 1 ist nicht eine "Bereicherung" in Gestalt einer geldwerten Verbesserung der Gesamtvermögenslage, sondern lediglich, daß der Bereicherungsschuldner durch den bereicherungsbegründenden Vorgang unmittelbar und primär "Etwas" im weitesten Sinne des Sprachgebrauchs erlangt. Erst soweit dieses "Etwas" nachträglich weggefallen ist und daher nicht mehr in natura zurückerstattet werden kann, stellt sich im Rahmen eines auf Geld gerichteten Wertersatzanspruchs gemäß § 818 Abs.2 die Frage nach der "Bereicherung" im Sinne von § 818 Abs. 38 • Auf der anderen Seite des Systems, beim Haftungsausmaß, steht dagegen noch weiterhin die traditionelle Lehre zu § 818 Abs. 3, wenn auch in erheblichem Umfang bestritten', im Vordergrund. Danach ist zwar auch der Bereicherungsausgleich zunächst gegenstandsbezogen - soweit Naturalrestitution möglich ist _10, die "Bereicherung" im Sinne des § 818 Abs. 3 ist jedoch als Vermögensdifferenz aufzufassen, als überschuß aller dem gutgläubigen nicht verklagten Empfänger aus dem Bereicherungsvorgang entstandenen Vorteile über die damit zusammenhängenden Nachteile11 • Aus dieser Überlegung leitet man her, daß der Empfänger als Minderung der Bereicherung alle Nachteile absetzen darf, die ihm anläßlich oder als Folge des Erwerbs entstanden sind oder durch die Rückgewähr entstehen würden. Das Risiko für den Fortbestand der Vermögensmehrung bei dem Bereicherungsempfänger trägt damit allein 11

Wilburg, S. 10 ff.; von Caemmerer, Festschrift Rabel, S. 342 ff. (353); Esser

§§ 101 II 3, 104 I 3; Fikentscher § 99 II 1 u. IV; Larenz, Schuldrecht § 68 I u. II. 7 Von Caemmerer, Festschrift Rabel S.368; Erman / Westermann § 812 Rdn. 3; Koppensteiner / Kramer S. 121; Larenz, Schuldrecht § 70 I, II; Lieb, Ehe-

gattenmitarbeit S. 98 ff.; Batsch NJW 1972, 611 ff. 8 Batsch NJW 1972, 612. 9 Vgl. die übersichten bei Flessner S. 25 ff.; Palandt / Thomas § 818 Anm.6. 10 Koppensteiner / Kramer S. 121. 11 RGZ 163, 348 (360); BGHZ 1, 75 (81); 9, 333 (335); Erman / Westermann § 818 Rdn. 32; Palahdt / Thomas § 818 Anm. 6; Soergel / Mühl § 818 Anm. 22 und 33.

LDie Funktion des § 818 Abs. 3 im geltenden Bereicherungsrecht

11

der Bereicherungsgläubiger12 - eine Schlußfolgerung, die den Bereicherungsanspruch zu einem Anspruch von wirtschaftlich minderer Qualität gemacht hat l3. Ihre Ursache findet diese Betrachtungsweise in der Entstehungsgeschichte des Bereicherungsrechts. Die Bereicherungshaftung des Bürgerlichen Gesetzbuches hat sich in enger Anlehnung an das Kondiktionensystem des Gemeinen Rechts entwickelt. Für die gemeinrechtliche Lehre war Grund und gleichzeitig auch Gegenstand aller Kondiktionsklagen die ungerechtfertigte "Bereicherung"l4, die Kondiktionen waren Anspruche aus der Bereicherung auf die Bereicherungl5 . Die Kondiktionen bezweckten dabei nicht, einen ungerechtfertigten Erwerbsvorgang zu korrigieren oder einen bestimmten Vermögensgegenstand dem eigentlich zuständigen Vermögen wieder zuzuführen, sondern sie waren darauf gerichtet, dem Beklagten die Werterhöhung zu nehmen, die der wie auch immer entstandene Vorteil seinem Gesamtvermögen gebracht hatte lll • Weiterhin mußte die Bereicherung, um Gegenstand einer Kondiktionsklage sein zu können, "fortdauern", d. h. sie mußte bei Rechtshängigkeit noch vorhanden seinl7. Bemerkenswert ist, daß dagegen die condictio des klassisch-römischen Rechts, auf die sich die gemeinrechtliche Lehre berufen zu können glaubte, von der Rückgabe des vollen Erlangten ausging und damit eine Orientierung "am gleitenden Betrag der jeweiligen Bereicherung"18 nicht kannte. Insbesondere beim Empfang von Geldbeträgen oder von vertretbaren Sachen befreiten Untergang oder Verbrauch nicht, da von vornherein nach Art des Darlehens Rückgewähr einer gleichen Summe oder Sache geschuldet wurde l9 . Die Ursprünge des Dogmas von der unterschiedslosen Beschränkung der Haftung auf die verbliebene Bereicherung liegen dagegen wohl eher 12 Flessner S. 2 mit weiteren Nachweisen. 13 Fikentscher § 100 VI "ein Anspruch von wirtschaftlich minderer Quali-

tät"; Bosch FamRZ 1966, 57 "bekanntlich die denkbar schwächste Anspruchsbasis". 14 Vgl. Glück S.71; von Savigny S.564f.; Windscheid §§421,424. 15 Von Mayr, Condictio S. 12. 16 Die unter Fußn.14 Genannten, außerdem: Mommsen S.320; Wendt S. 681; von Mayr, Condictio S. 3. 17 Windscheid § 424 Nr. 3; Wendt S. 680; Mandry AcP 48, 233, 240. 18 Von Lübtow S. 21, 22. 18 Von Tuhr, Festschrift Bekker S. 297 ff.; Siber, Schuldrecht S. 218 ff.; von Lübtow S. 20 ff.; Niederländer S. 1 ff.; Flume, Festschrift Niedermayer S.103 ff.

12

1. Die Funktion des § 818 Abs. 3 im geltenden Bereicherungsrecht

in der nachklassisch-byzantinischen Jurisprudenz20 : Der allgemeine Billigkeitssatz "niemand dürfe sich mit dem Schaden des anderen bereichern" (nam hoc natura aequum est neminem cum alterius detrimento fieri locupletioreml!l), mit dem alle Kondiktionsfälle begründet wurden22 , soll auch Ursache für die Einführung der allgemeinen Haftungsbeschränkung gewesen sein: Wenn es billig sei, daß die ungerechtfertigte Bereicherung eine Verpflichtung zur Herausgabe erzeuge, so sei es auch billig, daß diese Verpflichtung nicht länger dauere als die Bereicherung selbst!3. Versuche, die auf dem römischen Recht beruhende Unterscheidung zwischen der Kondiktion auf Geld und vertretbare Sachen einerseits und der auf Herausgabe einer Speziessache andererseits auch in das deutsche Recht aufzunehmen, gab es zwar bis in die zweite Hälfte des 19. Jahrhundert;s24, sie änderten aber nichts mehr an der von Windscheid geführten herrschenden Doktrin einer Orientierung der Haftung am gleitenden Betrag der Bereicherung. In der Folge zeigten dann die Verfasser des Bürgerlichen Gesetzbuches kaum Zweifel an der Richtigkeit der gemeinrechtlichen Lehre. Wie die Beratungen der Ersten Kommission beweisen, unterschied man jedoch - anders als das Gemeine Recht - zwischen Gegenstand und Umfang des Bereicherungsanspruchs25 • In erster Linie sei Naturalrestitution zu leisten und erst in zweiter Linie könnten Fragen des Wegfalls der Bereicherung Berücksichtigung finden28• Auf den Begriff der Bereicherung im einzelnen wollte man sich nicht festlegen, um "einer Klärung der denkbar verschiedenen Fälle durch die Wissenschaft und Praxis nicht vorzugreifen"!1. Zusammenfassend läßt sich feststellen, daß die vom deutschen Bereicherungsrecht vorgenommene Orientierung des Umfangs der Haftung am gleitenden Betrag der Bereicherung zu einer wesentlichen Bevorzugung des Bereicherungsempfängers führt. Das Risiko des Bereicherungsverbleibs trägt damit allein der Bereicherungsläubiger!8. Verständlich wird diese einseitige Risikoverteilung erst unter Berücksichtigung der Aufgabenstellung des Bereicherungsrechts: Nach modernem Verständnis läßt sich das Bereicherungsrecht nicht länger als bloße 20

21 22 23 24 25 26

21

28

Von Lübtow S. 22. Pomponius D. 12,6, 14. Pringsheim SavZ 52, 139 ff. (148); Schwarz S. 305 f.; von Lübtow S.22. So von Lübtow S. 23. z. B. Encleben I S.182 ff.; Witte S. 139 ff.; Mandry AcP 48, 227 ff. Mot. II S. 829 ff. Mot. II S. 836. Mot. II S. 837. Statt vieler Esser § 105 II 1.

1. Die Funktion des

§ 818 Abs. 3 im geltenden Bereicherungsrecht

13

Billigkeitshaftung zugunsten des Bereicherungsgläubigers deuten. Die insbesondere in der Rechtsprechung28 noch verbreitete Betonung des Billigkeitsgrundsatzes ist zurückzuführen auf die - nicht zutreffende Vorstellung, daß unbillige Entscheidungen des "gewöhnlichen" Rechts durch das Bereicherungsrecht korrigiert würden30 • Heute dagegen ist man sich weitgehend einig, daß die Bereicherungsansprüche überwiegend dazu dienen, vorläufige, um der Eindeutigkeit willen vom Gesetz, hauptsächlich vom Sachenrecht begründete Rechtspositionen im schuldrechtlichen Verhältnis rückgängig zu machen31 • Beruht demnach die Haftung des Bereicherungsschuldners, auch nach neuerem Verständnis, allein auf einer fehlerhaften Güterzuordnung31! und nicht, wie etwa im Schadensersatzrecht, auf einem vorwerfbaren bzw. schuldhaften Verhalten des Betroffenen, so scheint es gerechtfertigt, den redlichen Bereicherungsschuldner weitgehend vom Risiko des Bereicherungswegfalls zu entlasten. Im schuldlosgelösten Bezugssystem des Bereicherungsrechts gibt es keinen Grund, den gutgläubigen Ausgleichspflichtigen mit dem durch den Bereicherungsausgleich entstandenen "Schaden" zu belasten31l • Zweifelhaft ist aber, ob die Bevorzugung so weit gehen darf, daß sich der Empfänger der Leistung bei der Rückabwicklung nichtiger gegenseitiger Verträge einerseits nach § 818 Abs.3 auf den Wegfall seiner Bereicherung berufen darf, er aber andererseits die von ihm erbrachte Gegenleistung in voller Höhe vom Vertragspartner zurückverlangen kann. Überwiegend wird dieses durch eine starre Anwendung des § 818 Abs. 3 erzielte Ergebnis für unbillig gehaltenM. Die synallagmatische Verknüpfung von Leistung und Gegenleistung müsse bei der Frage der Risikoverteilung besonders berücksichtigt werden35• Gegenstand der vorliegenden Arbeit soll es sein, Umfang und Ursachen der von § 818 Abs.3 im Bereich der Rückabwicklung nichtiger gegenseitiger Verträge erzielten "Unbilligkeit" zu untersuchen. Der anschließend zu erarbeitende Lösungsvorschlag wird wesentlich von der Feststellung dessen abhängen, 1. ob und inwieweit die vom Gesetzgeber in § 818 Abs. 3 getroffene Risikozuweisung auch für die Rückabwicklung nichtiger gegenseitiger Verträge verbindlich ist, RGZ 135, 374; BGHZ 36, 233; BGH MDR 58, 686; BGH JZ 60, 603. Vgl. Fikentscher § 98 I. 31 Von Caemmerer, Festschrift Rabel S. 342 ff.; Koppensteiner / Kramer S.16; Erman/Westermann vor § 812 Rdn. 2. 32 Vgl. Larenz, Schuldrecht § 70 H. 33 Koppensteiner / Kramer S. 122. 34 Vgl. z. B. Fikentscher § 100 VI 3; Larenz, Schuldrecht § 70 IH. 35 Esser §105H2; Larenz, Schuldrecht §70HI; Medicus §12H3b; Palandt/ Thomas § 818 Anm. 6 D b. 29

30

14

1. Die Funktion des § 818 Abs. 3 im geltenden Bereicherungsrecht

2. ob und wie die synallagmatische Verknüpfung von Leistung und Gegenleistung innerhalb der Anordnung des § 818 Abs. 3 ihren Niederschlag finden kann. Die Basis zu einer solchen Untersuchung kann - wie im folgenden zu zeigen ist - nur eine genauere Überprüfung der Grundsätze des § 818 Abs. 3 in seinem Regelfall, d. h. bei einseitiger Bereicherung bilden.

AUSGANGSPUNKT

2. Die Beschränkung der Bereicherungshaftung bei nur einseitiger Bereicherung, § 818 Abs. 3 21. Der Bereicherungsbegriff der herrschenden Auffassung Eine Klärung des Begriffs "Bereicherung" kann aus zwei Richtungen erfolgen. Einmal erscheint es möglich, die Bereicherung gegenständlich, d. h. an der erlangten Sache bzw. ihrem Wert zu orientieren1• Auf der anderen Seite bietet sich als Ansatzpunkt an, die Auswirkungen des ungerechtfertigten Vermögenszuwachses auf das Gesamtvermögen des Bereicherten, insbesondere die entstandenen Nachteile, mitzuberücksichtigen%. Der Bereicherungsempfänger erlangt durch die Vermögensverschiebung ein Doppeltes, den genau bestimmbaren - im erlangten Gegenstand manüestierten - Wert des Vermögenszuwachses und eine mit dem Wert dieses Erwerbs nicht identische Wertsteigerung des Gesamtvermögens3 • 211. Die Haftungsformel

Wie bereits festgestellt4, findet sich im Gesetz keine Bestimmung des Begriffs "Bereicherung". Die Verfasser des Bürgerlichen Gesetzbuches haben vielmehr eine Klärung des Begriffs ausdrücklich der Wissenschaft und Praxis überlassen. In Erfüllung dieses Auftrages hat sich eine - wohl noch - herrschende Auffassung entwickelt, die den Begrüf "Bereicherung" auf der Grundlage einer wirtschaftlichen Betrachtungsweise festlegt5. Für die Feststellung der Bereicherung sei nicht auf die konkret erlangte Sache, sondern auf die gesamte Vermögenslage des Bereicherten abzustellen; es müsse die Reflexwirkung des Bereicherungserwerbes auf dessen Vermögen untersucht werden6 • Der Umfang der Bereicherung ergebe sich aus dem Vergleich zweier VermögensSo z. B. Rengier AcP 177, 418 ff. (430 ff.). So z. B. Erman / Westermann § 818 Rdn. 32; Palandt / Thomas § 818 Anm. 6 A; Soergel / Mühl § 818 Anm.22. 3 Marx S. 17. , Vgl. oben 1. 5 RGZ 54, 137(141); 75, 361 (362); RG JW 1932, 1044; BGHZ 1, 75 (81); 9, 333 (335); Erman / Westermann § 818 Rdn.32; Soergel / Mühl § 818 Anm.22, 33; Staudinger / Seufert § 818 Anm.28. B Von Mayr S. 590. 1

%

16

2. Die Bereicherungsbeschränkung bei einseitiger Bereicherung

lagen, der Lage, die ohne die ungerechtfertigte Vermögensverschiebung bestehen würde, mit der Vermögenssituation, die infolge des Erwerbes im Zeitpunkt der Herausgabe wirklich besteht7. Bereicherung sei der Überschuß der Aktiv- über die Passivposten8 • Demnach kann die Bereicherung wegfallen oder sich mindern, auch wenn das rechtsgrundlos Erlangte noch vorhanden ist und sich im Vermögen des Empfängers befindet, sofern der Empfänger bedingt durch den Erwerb eine Einbuße an seinem Restvermögen erlitten hat'. Eine weitere Folge der reclmerischwirtschaftlichen Betrachtungsweise ist, daß der Umfang der Bereicherung in jedem Augenblick des Bestandes des Schuldverhältnisses ein verschiedener sein kannlO• Die Bereicherung sei "ein variabler, abstrakter Vermögenswert"11, "eine gleitende Skala"!!. Eine Fixierung trete erst im Zeitpunkt der Rechtshängigkeit bzw. der Bösgläubigkeit (§§ 819, 818 Abs.4) einlS • Teilweise hält man die Bereicherung in diesem Sinne für einen so zentralen Begriff, daß man sie als den eigentlichen Gegenstand der Kondiktionsansprüche ansieht14. Danach ist schon das erlangte "Etwas" im Sinne von § 812 Abs.1 Satz 1 nicht der konkret zugeflossene Vorteil, sondern bereits der "Überschuß", die endgültige Verbesserung der Vermögenslage; der Bereicherungsanspruch sei von vornherein "in sich beschränkt"15 auf die Vermögensdifferenz zwischen Vorteilen und Nachteilen. Diese Ansicht verkennt aber wohl die Grenzen einer Anwendung des "Bereicherungsprinzips"16 (§ 818 Abs. 3). Der Bereicherungsanspruch ist kein allgemeiner Wertersatzanspruch17, sondern primäre Aufgabe 7 Vgl. Soergel! Mühl § 818 Anm.22; Fischer, Festschrift Zitelmann S. 11; ähnlich die sog. "Saldotheorie" des Reichsgerichts: "Bereicherung ist die Mehrung des gesamten Vermögens des Empfängers, die sich als Folge eines konkreten Erwerbsvorganges ergibt", RGZ 54, 137 (141); 75, 361 (362); 105, 29 (31); 114, 342 (344); 118, 185 (187); 139, 208 (213); 163, 348 (360); 170, 65 (67); BGHZ 1, 75 (81 f.). 8 Vgl. Horst S. 13 m. w. N. o Staudinger / Seufert § 818 Anm. 35. 10 Stieve S. 28; von Mayr S. 589. 11 Stieve S.28; von Mayr S. 589; Fischer, Festschrift Zitelmann S. 10, 11. 12 Flume, Festschrift Niedermeyer S. 103; Enneccerus / Lehmann S. 910 f. 13 RGRK / Scheffler § 818 Anm. 57; Weintraud S. 6. 14 Vgl. RGZ 54, 137 (141); Fischer, Festschrift Zitelmann S. 10; Staudinger / Seufert § 812 Anm. 9. 15 RGZ 137, 324 (336); RGZ 163, 348 (360); BGHZ 1, 75 (81); BGH LM Nr.6 zu § 818 Abs.3 BGB; Flume, Festschrift Niedermeyer S.175: "die Formulierungen des Gesetzes ... dürfen nicht darüber hinwegtäuschen, daß der Bereicherungsanspruch auf den Wert der Vermögensmehrung abgestellt ist." 18 Die Begriffe "Bereicherungsprinzip" des § 818 Abs. 3 und "Restitutionsprinzip" des § 812 Abs. 1 Satz 1 wurden von Marx geprägt, Marx S. 8 ff., 16 ff. 17 Palandt / Thomas § 818 Anm. 6 A; Larenz, Schuldrecht § 70 II.

21. Der Bereicherungsbegriff der herrschenden Auffassung

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des Bereicherungsrechts ist es, einen unrechtmäßigen Güteraustausch rückabzuwickeln18• Eine solche Zielsetzung wird naturgemäß bestmöglich durch eine Rückgabe des Bereicherungsgegenstandes in natura erreicht, wie auch die Anordnung des Gesetzgebers in § 812 Abs. 1 Satz 1 zeigt: Ein ohne rechtlichen Grund geleistetes oder in sonstiger Weise erlangtes "Etwas" soll herausgegeben werden, also das erlangte Gut. Erst wenn die Naturalrestitution einen gerechten Ausgleich nicht mehr gewährleisten kann, greift die Beschränkung des § 818 Abs.3 ein. Sie stellt "die Grenze der Haftung, nicht den Rechtsgrund des entstehenden Anspruchs"19 dar; es handelt sich nur um eine ausnahmsweise Begünstigung des gutgläubigen Empfängers2°. Der geschilderten Ansicht entgegengesetzt gibt es neuerdings Stimmen, die die gegenständliche Orientierung des § 812 auf § 818 Abs. 3 übertragen wollen21 . Man wird jedoch angesichts der klaren Konzeption der §§ 818 Abs. 3, 818 Abs. 4, 819, den gutgläubigen Ausgleichspflichtigen von allen im Zusammenhang mit dem Bereicherungsausgleich in seinem Vermögen eintretenden "Schäden" freizustellen, - zumindest im Grundsatz - an der Differenzbetrachtung festhalten müssenl!l!. 212. Die Anredlenbarkeit der Nadlteile

Die herrschende Lehre faßt die Bereicherung also als Vermögensdifferenz aus den Vor- und Nachteilen auf, die den Schuldner im Zusammenhang mit dem ungerechtfertigten Erwerb getroffen haben. Umstritten ist dabei, wie geartet die Verbindung mit dem ungerechtfertigten Erwerb sein muß, damit die Vor- bzw. Nachteile berücksichtigt werden dürfen. Ausgehend von der Überlegung, daß allein der wirtschaftliche Gesamterfolg der Vermögensänderung entscheidend seil!3, verlangte die Rechtsprechung bisher überwiegend nur das Vorliegen eines ursächlichen Zusammenhangs24. Sowohl der Ausgangspunkt dieser Überlegungen als auch deren Folgerung sind in der Literatur kritisiert worden: Zu Recht wird darauf 18

Dazu Esser § 100 I 2; Fikentscher § 97 II 1.

19 So wörtlich bereits Oertmann DJZ 20 (1915), 1066.

20 Von Caemmerer, Festschrift Rabel S.368; Larenz, Schuldrecht § 70 II; Enneccerus I Lehmann S. 910, 911. 21 So vor allem Rengier AcP 177, 418 ff. (432). 22 So die h. M., vgl. z. B. Koppensteiner / Kramer S.122; Erman I Westermann § 812 Rdn. 3; näher dazu unten 349. 23 Der Bereicherungsbegriff sei "wirtschaftlicher Natur" BGH LM Nr.6 zu § 818 Abs. 3 BGB. 24 z. B. RGZ 94, 253 (254); 106, 4 (7); 139, 208 (213); RG HRR 1933, Nr.1180; BGH LM Nr.7 zu § 818 Abs.3 BGB; BGH WM 1967, 395; gelegentlich wird gefordert, daß ein adäquater Ursachenzusammenhang gegeben sein müsse, BGH WM 1961, 273 (275), Soergel / Mühl § 818 Anm. 33.

2 Bremecker

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2. Die Bereicherungsbeschränkung bei einseitiger Bereicherung

hingewiesen, daß der Bereicherungsbegrüf nicht allein wirtschaftlichrechnerischer Natur ist, sondern daß auch Wertungen bei der Anwendung des § 818 Abs. 3 Eingang findenl!5. So wird in den Fällen, in denen das ursprünglich Erlangte nicht mehr vorhanden ist, also rein rechnerisch (wirtschaftlich) die Bereicherung weggefallen ist, dennoch eine Berufung auf § 818 Abs.3 versagt, wenn der Bereicherte durch die Verwendung des Erlangten Aufwendungen erspart hat. Bei Verwendung des Empfangenen für außergewöhnliche Dinge (Luxusausgaben) bleibt es dagegen beim Wegfall der Bereicherungl!6. Demnach beeinflussen Wertungen den "wirtschaftlichen" Vermögensbegriff. Zudem erweist sich das Kriterium des ursächlichen Zusammenhangs als zu unbestimmt und teilweise als zu weitgehendl!7. Eine Kausalität ist in derart verschiedenen Formen denkbar und möglich, daß der Bereicherungsgläubiger kaum die Richtigkeit einer behaupteten Ursächlichkeit überprüfen kann. Daneben entwertet die großzügige Anrechnung von Nachteilen, wie sie die Rechtsprechung vornimmt, den ohnehin wirtschaftlich schwachen Bereicherungsanspruch zu Lasten des Bereicherungsgläubigers noch weiter. Geeignet erscheint dagegen der von Esserll 8 und Larenz2u stammende Vorschlag, aus dem Normzusammenhang mit der verschärften Haftung der §§ 818 Abs. 4, 819 f. eine Einschränkung des § 818 Abs. 3 herzuleiten. Dieser sich immer mehr durchsetzende30 Einschränkungsversuch beruht auf folgender Überlegung: Der Grund für die verschärfte Haftung des bösgläubigen oder verklagten Bereicherungsempfängers nach §§ 818 Abs. 4, 819 f. liegt darin, daß der Empfänger in den genannten Fällen mit der Herausgabe des Erlangten rechnen muß. Demgegenüber kann sich der gutgläubige, auf die Endgültigkeit seines Erwerbs vertrauende Empfänger bei Sachverschlechterung bzw. -untergang auf den Wegfall der Bereicherung berufen. Zweck der Privilegierung des § 818 Abs.3 ist also der "Schutz des Vertrauens des gutgläubigen Bereicherungsempfängers". Die Haftungsfreistellung des § 818 Abs. 3 erfaßt demnach nur solche Vermögensnachteile und Aufwendungen, die der Bereicherungsschuldner (= Empfänger) "im Vertrauen auf die Unwiderruflichkeit des vermeintlichen Vermögenszuwachses" gemacht hat. Folgeschäden im Vermögen des Empfängers fallen damit aus dem Re25 Vgl. Diederichsen JurA 1970 (ZR), 404 f. l!6 So BGH MDR 1959, 109; BVerwG MDR 1961, 535. 27 Vgl. Palandt / Thomas § 818 Anm. 6 A. :28 Esser, Schuldrecht § 105 II 1 c. :2U Larenz, Schuldrecht § 70 11. 30 Palandt / Thomas § 818 Anm. 6 A; Soergel / Mühl § 818 Anm.33; Staudinger / Seufert § 818 Anm. 35; Koppensteiner / Kramer S. 135.

21. Der Bereicherungsbegriff der herrschenden Auffassung

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gelungsbereich des § 818 Abs.3 heraus. Auch dieser Vorschlag kann jedoch nicht völlig zufriedenstellen, da nicht in allen Fällen des Sachverlustes das Vertrauen in die Dauerhaftigkeit des Erwerbs zur Entlastung des Empfängers führen darf, so z. B. nicht bei mutwilliger Zerstörung des Bereicherungsgegenstandes31 • 213. Anwendungsfälle

Im einzelnen sind nach der herrschenden Auffassung in folgenden Fallgruppen Nachteile als Minderungsposten im Rahmen von § 818 Abs. 3 berücksichtigt worden32 : Der Bereicherungsschuldner wird frei, wenn das ursprünglich Erlangte oder sein nach § 818 Abs. 1 herauszugebendes Surrogat bei ihm ersatzlos untergeht oder abhandenkommt - sei es durch Zufall oder durch eigenes Verhalten33• Weiter wird dem Empfänger eine Berufung auf § 818 Abs. 3 gestattet, wenn er das Erhaltene oder - auf der Grundlage des Erwerbs - andere Gegenstände seines Vermögens verwendet, ohne sich dadurch den Wert des Verwendeten zu erhalten. So etwa, wenn er durch den Erwerb veranlaßt wird, Schenkungen zu machen34 ; vor allem aber, wenn er das Erlangte mit Verlust weiterveräußert. Das gleiche gilt, wenn der Bereicherte die empfangene Leistung gemäß der mit dem Leistenden verabredeten Zweckbestimmung verwendet oder weitergibt und dadurch Einbußen erleidet35• Eine wesentliche Gruppe, in der der Empfänger durch § 818 Abs. 3 entlastet wird, bilden auch die von ihm im Vertrauen auf den Erwerb gemachten Ausgaben. In der Regel sind das solche Ausgaben, die an sich geeignet sind, vollen Nutzen zu bringen, die dem Kondiktionsschuldner aber dann zum Nachteil ausschlagen, wenn sich herausstellt, daß er das Erlangte zurückgewähren muß. Hierhin gehören unter anderem alle Verwendungen des Empfängers auf das grundlos Erlangte, gleichgültig, ob sie notwendig oder nützlich waren oder zu einer noch fortdauernden Werterhöhung geführt haben36• Weiterhin greift § 818 Abs.3 ein, wenn der Empfänger durch den Erwerb veranlaßt worden ist, Verpflichtungen einzugehen, aus denen er sich nicht oder nur unter Verlusten wieder lösen kann37 • Heute bestritten ist, ob auch solche Schäden, die der erlangte Gegenstand im Ähnlich Koppensteiner / Kramer S. 135 f. Näheres zu diesen Fallgruppen bei Flessner S. 13 ff. 33 RGRK / Scheffler § 818 Anm.40; Staudinger / Seufert § 818 Anm.28. 34 RG WarnRspr. 1917, 211 (Nr.140). 36 RGZ 60, 284 (291 f.); RGZ 92,227; OLG Koblenz DRZ 1949, 112. 36 RGZ 117, 112 (113); RG WarnRspr. 1919, 307 (Nr. 196); Erman / Westermann § 818 Rdn.39; Palandt / Thomas § 818 Anm. 6 Ba; RGRK / Scheffler § 818 Anm. 4l. 37 RG JW 1914, 301 f.; RG JW 1928, 2444; BGHZ 26,185 (194 ff.). 31 32

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2. Die Bereicherungsbeschränkung bei einseitiger Bereicherung

Vermögen des Bereicherungsschuldners anrichtet, abzugsfähig sind38• Eindeutig bereicherungsmindernd wirken dagegen die Erwerbsunkosten, d. h. alle Aufwendungen, die der Bereicherte zur Vorbereitung des endgültigen Erwerbs gemacht hat: Maklergebühren, Kosten der Vertragsbeurkundung, Frachten und Zölle39• Ob aber auch die Kosten und Risiken der Rückgabe innerhalb der Bereicherungsbeschränkung berücksichtigt werden dürfen, ist zweifelhaft. Nach Rechtsprechung und herrschender Lehre soll beides nach § 818 Abs. 3 zu Lasten des Gläubigers gehen40 • Schließlich soll Entlastung wegen Wegfalls der Bereicherung nach herrschender Meinung dem Schuldner auch dann zugestanden werden, wenn er sein ganzes Aktivvermögen verloren hat oder dies jedenfalls den Betrag der Bereicherungsschuld nicht mehr deckt41 • 22. Abweichende Auffassungen zum Bereicherungsbegriff 221. Von Tuhr

Ausgehend von seiner Grundthese, daß alle mit dem ungerechtfertigten Erwerb zusammenhängenden Nachteile für den Bereicherten eine Form des Vertrauensschadens darstellen!, will von Tuhr die Grundsätze der Irrtumsanfechtung auch in der Bereicherungshaftung heranziehen2 • Die Rückforderung einer nicht geschuldeten Leistung sei wie eine Irrtumsanfechtung eine Störung des Rechtsfriedens3. Für Vermögenseinbußen hafte bei der Leistungskondiktion daher der Bereicherungsgläubiger analog § 122. In den Fällen der Eingriffskondiktion dagegen werde der Bereicherte nur durch ersatzlosen Verlust oder Untergang des Erhaltenen entlastet. In den übrigen Fällen verdiene er keinen Schutz; er müsse den durch die Bereicherung in seinem Vermögen entstandenen Schaden selber tragen, da er widerrechtlich in einen fremden Rechtskreis eingegriffen habe4 • Der Versuch von Tuhrs, die Risikozuweisung des § 818 Abs.3 unter Bewertung des die Bereicherungshaftung auslösenden Parteiverhaltens 38 Dafür: Planck / Landois § 818 Anm. 5 c m. w. N.; RGRK / Scheffler § 818 Anm.50; ablehnend: Esser § 105 II 1 c; Larenz, Schuldrecht § 70 II; Soergel/ Mühl § 818 Anm. 39; Flume, Festschrift Niedermeyer, S.155. 39 RGZ 72, 1; RG JW 1918, 132; Erman / Westermann § 818 Rdn. 39; RGRK / Scheffler § 818 Anm. 41; Staudinger / Seufert § 818 Anm. 36. 40 RGZ 96, 345 (347); OGHZ 4, 81 (86f.); Erman/Westermann §818 Rdn.39; RGRK / Scheffler § 818 Anm. 54. 41 RGZ 68, 269; RG HRR 1927, Nr. 2182; BGH LM Nr.7 zu § 818 Abs. 3 BGB = MDR 1957, 598; BGH LM Nr.30 zu § 134 BGB = NJW 1958, 1725 = WM 1958, 1016; Staudinger / Seufert § 818 Anm.28; Soergel / Mühl § 818 Anm.22. 1 Von Tuhr, Festschrift Bekker S. 294 ff. 2 Von Tuhr S. 314 ff. :I Von Tuhr S. 316. " Von Tuhr S. 316, 317, 320.

22. Abweichende Auffassungen zum Bereicherungsbegriff

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einzuschränken, ist nur zum Teil gelungen. Daß bei der Eingriffskondiktion die Schäden, die der Bereicherungsschuldner im Zusammenhang mit dem Bereicherungsvorgang erlitten hat, nur letzterem zuzurechnen sein können, ist eingängig. Denn in bezug auf den Gläubiger der Eingriffskondiktion, der willentlich keinerlei Beziehung zum Vermögen des Bereicherungsschuldners angeknüpft hat, fehlt jeglicher Zurechnungsgesichtspunkt. Weniger geglückt sind von Tuhrs Erwägungen zur Leistungskondiktion. Es erscheint zu einseitig, den Leistenden immer auf Ersatz des Vertrauensschadens haften zu lassen. Zwar tritt der Leistende von sich aus zum Empfängervermögen in Kontakt, was unter Umständen für eine Zurechnung zu seinen Lasten sprechen mag. Die Gründe, die zur Leistungskondiktion führen, sind jedoch derart verschieden, daß sich daraus kaum eine unterschiedslose Haftung des Bereicherungsgläubigers rechtfertigen läßt. So kann der "Irrtum des Gläubigers über das Bestehen einer Verbindlichkeit" - mit Hilfe dieses Kriteriums lastet von Tuhr dem Gläubiger den Schaden an - durchaus vom Bereicherungsschuldner selbst veranlaßt sein5• Selten wird auch das Einstehenmüssen des Gläubigers für die schädlichen Folgen des "Irrturns" angemessen sein in den Fällen der Zweckverfehlung oder des späteren Wegfalls des Rechtsgrundes'. 222. Wilburg

Auch Wilburg akzeptiert als haftungsbefreienden Wegfall der Bereicherung den ersatzlosen Verlust des erlangten Gegenstandes7 • Hinsichtlich der Nachteile im sonstigen Vermögen des Bereicherten seien nur echte Vertrauensschäden zu ersetzen8 , und diese könnten dem Kondiktionsgläubiger auch nur dann auferlegt werden, wenn letzterer die ungerechtfertigte Vermögensverschiebung verschuldet oder durch ein objektiv von den Regeln des Verkehrs abweichendes Verhalten verursacht ("veranlaßt") habe 9• Die Ansichten Wilburgs und von Tuhrs gleichen sich insoweit, als beide die Berufung auf § 818 Abs.3 uneingeschränkt nur bezüglich des Wegfalls des erlangten Gegenstandes zulassen wollen. Daß Wilburg den weitergehenden Vertrauensschaden dem Bereicherungsgläubiger nicht in allen Fällen der Leistungskondiktion, sondern nur wenn letzterer die Vermögensverschiebung verschuldet, mindestens jedoch "veranlaßt" hat, zurechnen will, stellt gegenüber der Auffassung von Tuhrs einen Fort5 Rengier AcP 177, 418 ff. (423 f.). , Horst S. 27 ff. 7 Wilburg S. 138 ff. (153). 8 Wilburg S. 153. 11 Wilburg S. 147 ff.

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2. Die Bereicherungsbeschränkung bei einseitiger Bereicherung

schritt dar, da damit eine gewisse Differenzierung in der Schadenszurechnung möglich wird. Man fragt sich jedoch, ob die bloße "Veranlassung" der Vermögensverschiebung durch die eine oder die andere Partei, also ein lediglich objektiv verkehrswidriges und damit weder rechtswidriges noch schuldhaftes Verhalten, zur Haftungszurechnung ausreichen darf. Insbesondere der Kondiktionsschuldner wird es nicht verstehen, weshalb er, dem im Normalfall die Haftungsfreistellung des § 818 Abs.3 voll zugute kommt, plötzlich den gesamten Vertrauensschaden tragen soll, wenn er, ohne sich irgendeinem Vorwurf auszusetzen, die Vermögensverschiebung lediglich veranlaßt hat10• Zudem ist die Risikozuweisung Wilburgs bedenklich, weil sie den Vorgang der ungerechtfertigten Vermögensverschiebung zusätzlichen Wertungen unterwirft, Wertungen, die über die Tatbestandsvoraussetzungen des § 812 Abs. 1 Satz 1 hinausgehen. § 812 Abs. 1 Satz 1 läßt bewußt Wertungen des Verhaltens der Beteiligten außer Betracht, damit die Haftung aus ungerechtfertigter Bereicherung ihre Aufgabe im Gesamthaftungssystem überhaupt erfüllen kann11• Verschuldens- und Vorwerfbarkeitsfragen dürfen demnach bei ·der Verursachung der Vermögensverschiebung, d. h. im Bereich der Haftungsanordnung des § 812 Abs. 1 Satz 1, keine Berücksichtigung finden. Sie können allenfalls vom Zeitpunkt nach Eintritt der Bereicherung an relevant werden. 223. Flome

Flume 12 übernimmt von Wilburg die Trennung zwischen dem Verlust des erlangten Gegenstandes und den sonstigen Vermögensschäden des Bereicherungsschuldners. Was den Untergang oder die Verschlechterung des erlangten Gegenstandes angehe, so sei entscheidend, ob der causalose Erwerb in Kontakt mit dem bisherigen Vermögen des Empfängers stehe13• Sei das nicht der Fall, etwa bei unentgeltlichem Erwerb der Sache, so könne sich der Empfänger auf § 818 Abs.3 berufen. Dagegen bestehe ein solcher Kontakt beim Erwerb aufgrund nichtigen gegenseitigen Vertrages14• Daher dürfe dort die Risikozuweisung des § 818 Abs. 3 nicht gelten, vielmehr müsse der Bereicherungsschuldner die Konsequenzen seiner Entscheidung, für den Erwerb der Leistung eine Gegenleistung aufzuwenden, selbst tragen15• 10

11 12 13

14 111

Ähnlich Flume, Festschrift Niedermeyer S. 151. VgI. unten 3521. Flume, Festschrift Niedermeyer S. 103 ff. Flume S. 158. Flume S. 159 f. Näher unten 342.

22. Abweichende Auffassungen zum Bereicherungsbegriff

23

Bei den Vermögensschäden dagegen ist nach Auffassung Flumes die der Vermögensminderung bzw. dem Wegfall der Bereicherung zugrunde liegende "Willensentscheidung" des Empfängers zur Abgrenzung heranzuziehen. Es gehe nicht an, die vermögensmäßigen Entscheidungen, die der Bereicherungsschuldner "in eigener Sache unter dem Gesichtspunkt seines Interesses treffe, allgemein im Falle des Mißerfolges dem Kondiktionsgläubiger aufzuerlegen" 16. Als Minderung der Bereicherung im Sinne von § 818 Abs.3 sollen demnach nur Nachteile anzurechnen sein, die aufgrund von der causa des Erwerbs beeinflußten Vermögensentscheidungen getroffen wurden17• Flumes Vorschlag zur Beschränkung der Haftungsfreistellung des § 818 Abs. 3 ist der bis dahin tiefgreifendste. Flume gibt sich nicht damit zufrieden, die Haftung bezüglich der Schäden im Restvermögen des Empfängers zu modifizieren. Erstmals will er auch das Risiko bezüglich des Verlustes bzw. der Verschlechterung der Sache selbst abweichend von § 818 Abs. 3 verteilen. Mag die Einbeziehung des Sachverlustes in die Haftungsdifferenzierung als solche konsequent sein, so bestehen gegenüber dem von Flume zur Differenzierung vorgeschlagenen Kriterium doch Bedenken. Es ist nicht einsichtig, daß der unentgeltliche Erwerber durch § 818 Abs. 3 in seinem Vertrauen auf die Rechtsbeständigkeit des Vermögenszuwachses geschützt werden soll, während das. bei entgeltlichem Erwerb nicht der Fall sein solp8. Auch das Vertrauen des gutgläubigen entgeltlichen Erwerbers ist schutzwürdig. Verursacht wird das kaum interessengerechte Ergebnis durch die Prämisse Flumes, die ausschlaggebende vermögensmäßige Entscheidung liege bereits im Abschluß des Vertrages. Flume verwendet hier wie Wilburg einen Gesichtspunkt, der im Bereich der Haftungsanordnung des § 812 Abs.1 Satz 1 angesiedelt ist und damit nach dem Willen des Gesetzgebers einer erneuten Verwertung zur Feststellung der Risikoverteilung, einer Frage des Haftungsumfangs, entzogen ist. Im praktischen Ergebnis führte die Berücksichtigung haftungsbegründender Umstände bei Ermittlung der Risikoverteilung zur Beschränkung des Anwendungsbereiches der Haftung aus ungerechtfertigter Bereicherung und damit zur Gefährdung ihrer Aufgabenstellung im Gesamthaftungssystemlll• Beachtenswert ist dagegen Flumes grundsätzliche Erkenntnis, der Empfänger müsse die Folgen seiner eigenen vermögensmäßigen Entscheidung tragen. Soweit man die Einschränkung macht "seiner eigenen vermögensmäßigen Entscheidung im Umgang mit der empfangenen Sa16 17

18 19

Flume S. 152; vgl. schon Fischer, Festschrift Zitelmann S. 32, 33. Flume S. 154, 155. Vgl. Flume S. 157 ff. Vgl. oben 222.

2. Die Bereicherungsbeschränkung bei einseitiger Bereicherung

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che", wird das haftungsbegründende Verhalten des Empfängers ausgespart und damit auch nicht die Aufgabenstellung der §§ 812 ff. tangiert. Es ist durchaus naheliegend, denjenigen, der allein im eigenen Interesse über die Verwendung der in seinem Besitz befindlichen Sache entscheidet, auch für die Folgen seines Handeins einstehen zu lassen. 224. FIessner

Flessner betrachtet den Wegfall der Bereicherung als Problem der Schadensanlastung2o• Er lehnt die herrschende Differenzbetrachtung bei § 818 Abs. 3 ab2t, da sie den Bereicherten zu weitgehend schone. Statt dessen will er die Anwendung des § 818 Abs. 3 nach materiellen Zurechnungsgesichtspunkten22 ausrichten, so z. B. Verursachung und Verschulden auf beiden Seiten, Lokalisierung der Schadensursache nach Sphären, Verbindung von Nutzen und Gefahr, Art des Schadens, Belastungsfähigkeit der Parteien, Sinn und Tragweite der kondiktionsbegründenden Norm. Entscheidend sei letztlich, welcher Seite nach dem jeweiligen Einzelfall der Vermögensverlust anzulasten sei. Flessner hält das Problem des Wegfalls der Bereicherung insgesamt für ein Schadensproblem. Er verkennt dabei, daß § 818 Abs.3 bezüglich des erlangten Gegenstandes selbst eine Gefahrtragungsregel enthält, die unabhängig von jedem Verschulden dem Bereicherungsgläubiger das Haftungsrisiko zuweist. Schadensersatzfragen werden in diesem Zusammenhang erst relevant, soweit die verschärfte Haftung nach §§ 818 Abs.4, 819 eingreift. Im Rahmen einer Gefahrtragungsregel aber ist ein gerechter Schadensausgleich, wie ihn Flessner anstrebt, nicht zu verwirklichen. Für eine Abwägung verschiedener Zurechnungsgesichtspunkte nach Art des § 254 ist somit kein Raum23 • Verständlich wird die Konzeption des § 818 Abs.3 als Gefahrtragungsregelung, wenn man berücksichtigt, daß die Bereicherungshaftung lediglich ergänzend zum verschuldensabhängigen Schadensersatzrecht, das den "gerechten Schadensausgleich" im Sinne Flessners sucht, einen objektiven Ausgleich des Vorhandenen gewährleisten willl!4. Wenn nicht für den Verlust der Sache selbst, so doch für die Schäden im Restvermögen des Empfängers könnte Flessners Auffassung geeignete Zurechnungsgesichtspunkte liefern. Aber auch diesbezüglich kann Flessners Haftungssystem nicht ohne Vorbehalte übernommen werden: Mag es sich dort auch um Vertrauensschäden handeln, so darf doch nicht 20 21

22 1!3 24

Flessner S. 108. Flessner S. 111 und 162. Flessner S. 112 ff. Rengier AcP 177, 428. Vgl. Palandt / Thomas § 818 Anm. 6 A c.

23. Zusammenfassung

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übersehen werden, daß diese lediglich einen Posten der bereicherungsrechtlichen Abwicklung darstellen und sich damit der Aufgabenstellung der Bereicherungshaftung unterzuordnen haben. Die Aufgabenstellung der Bereicherungshaftung, im Haftungssystem des Bürgerlichen Gesetzbuches ergänzend zur umfassenden Schadensersatzhaftung einen objektiven (Wert-)Ausgleich zu gewährleisten, läßt es jedoch nicht zu, Umstände im haftungsbegründenden Verhalten der Parteien, die von der Haftungsanordnung des § 812 Abs. 1 Satz 1 bewußt unbewertet bleiben, bei Ermittlung des Haftungsumfangs plötzlich einer Partei zum Vorwurf zu machen1!5. So verbietet es sich, Umstände wie etwa das Verschulden bezüglich der Vertragsnichtigkeit zur bereicherungsrechtlichen Haftungsverteilung heranzuziehen. Zudem ist Flessner der Vorwurf nicht zu ersparen, daß seine Methode, eine Vielzahl unterschiedlicher Zurechnungsgesichtspunkte zusammenzutragen, bei Gesamtbetrachtung zu einer erheblichen Rechtsunsicherheit führt. Dem jeweiligen Richter bzw. dessen persönlicher Anschauung bleibt es überlassen, sich die im Einzelfall passenden Zurechnungskriterien nach eigenem Gutdünken herauszusuchen. 23. Zusammenfassung

Die Interpretation des§ 818 Abs.3 im Sinne der herrschenden Differenztheorie stößt immer wieder auf Kritik, da sie den Bereicherungsschuldner in teilweise fragwürdigem Umfang auf Kosten des Bereicherungsgläubigers entlastet. Innerhalb dieser kritischen Auseinandersetzungen, die freilich bisher auf die Praxis nur geringen Einfluß gehabt haben, treten im wesentlichen zwei Gesichtspunktel!6 hervor: Einmal der Gedanke, daß nur wirkliche Vertrauensschäden angerechnet werden dürften, zum anderen die Überlegung, daß der Bereicherungsempfänger für eigene Vermögensentscheidungen selbst einzustehen habe und nicht daraus entstandene Mißerfolge ohne weiteres auf den Bereicherungsgläubiger abwälzen dürfe. Möglicherweise ergeben sich bei Überprüfung dieser Gedanken zugleich auch Ansatzpunkte, mit Hilfe deren sich das Problem der Berücksichtigung der Gegenleistung bei nichtigen Verträgen zufriedenstellend lösen läßt.

25

l!6

Vgl. oben 222. Vgl. dazu auch Flessner S. 35, 36.

HAUPTTEIL

3. Die Beschränkung der Bereicherungshaftung bei nichtigen gegenseitigen Verträgen Die bisher geschilderten Auffassungen zum Begriff der Bereicherung gehen allein vom Vorliegen einer einseitigen Bereicherung aus. In den betroffenen Beziehungen steht - eindeutig trennbar - auf der einen Seite der Bereicherungsgläubiger und auf der anderen der Bereicherungsschuldner. Nur von diesem Ausgangspunkt her wirken auch die Begriindungsversuche für die Risikoverteilung des § 818 Abs. 3 verständlichl. Bei der Rückabwicklung beiderseits erfüllter nichtiger gegenseitiger Verträge dagegen liegt eine abweichende Interessengestaltung vor. Beide "Vertragspartner" haben ungerechtfertigt erworben, der eine die Leistung, der andere die Gegenleistung2. Es ergibt sich demnach das Problem, ob die beiderseits erbrachten Leistungen beim Bereicherungsausgleich jede für sich, isoliert, oder als durch den Austauschzweck miteinander verbunden und insoweit als einheitlich zu wertender Gesamtvorgang zu betrachten sind3 • Konkreter formuliert: Entstehen bei der Rückabwicklung nichtiger gegenseitiger Verträge zwei voneinander völlig unabhängige Bereicherungsansprüche oder bewirkt die Abhängigkeit von Leistung und Gegenleistung im nichtigen Grundgeschäft, daß nur ein Bereicherungsanspruch, gerichtet auf den Wertüberschuß, gegeben ist? Die Verschiedenheit dieser Betrachtungsweisen tritt hervor, wenn die Leistung des einen Teils beim Empfänger noch vorhanden, dessen Gegenleistung aber bei ihrem Empfänger ersatzlos untergegangen ist4. K. hat von V. ein Fahrrad gekauft, den Kaufpreis bezahlt und das Fahrzeug erhalten. Der Kaufvertrag erweist sich als nichtig. Inzwischen ist dem K. aber ohne sein Verschulden das Rad gestohlen worden, während V. den Kaufpreis noch in seinem Vermögen hat. Muß V. den Kaufpreis in voller Höhe zurückzahlen, ohne daß er die von ihm erVgl. oben die Zusammenfassung zu 1. Wenn im folgenden die Begriffe "Bereicherungsgläubiger" und "Bereicherungsempfänger" ohne nähere Spezifizierung gebraucht werden, beziehen sie sich auf die ungerechtfertigte Erbringung der Leistung. Soll die Gegenleistung als Bereicherungsgegenstand zugrunde liegen, so wird der Bezug ausdrücklich hergestellt. 3 Vgl. Larenz, Schuldrecht § 70 UI. , - ohne daß die Voraussetzungen einer verschärften Haftung vorliegen. 1

:I

31. Die Zweikondiktionenlehre

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brachte Leistung zurückerhält? Mit anderen Worten: Kann K. sich nach § 818 Abs.3 auf den Wegfall seiner Bereicherung berufen, gleichzeitig aber die von ihm geleistete Kaufsumme voll von V. herausverlangen? 31. Die Zweikondiktionenlehre Zu diesem Ergebnis kommen die Vertreter der Zweikondiktionenlehre 6• Nach der Zweikondiktionenlehre hat bei der Rückabwicklung nichtiger gegenseitiger Verträge jeder Vertragsteil einen selbständigen Bereicherungsanspruch auf Herausgabe des Hingegebenen. Die uneingeschränkte Selbständigkeit der beiden Bereicherungsansprüche bewirke, daß bei der Kondiktion der eigenen Leistung die Gegenleistung unberücksichtigt bleiben müsse. Ein Ausgleich zwischen den beiden Empfängern finde nur im Wege der Aufrechnung oder Zurückbehaltung statt. Für die Zweikondiktionentheorie wird angeführt, daß das Gesetz in den §§ 812 ff. vom einseitigen Bereicherungsanspruch ausgehe', somit für die Fälle gegenseitiger Bereicherung keine Besonderheiten anordnen wolle. Außerdem verbiete es sich, bei der Durchführung des Bereicherungsausgleichs das nichtige Grundgeschäft in irgendeiner Form zu berücksichtigen. Wo die Rechtsordnung einem Ereignis - dem nichtigen Vertrag - die rechtliche Wirkung geradezu versage, dürfe dieses Ereignis auf dem Umweg über die Folgenbeseitigung nicht doch wieder Eingang in die rechtlichen Erwägungen finden 7• Der nichtige Vertrag sei nicht einmal conditio sine qua non für die bereicherungsrechtliche Abwicklung, denn auch wenn der Erwerber den Gegenstand ohne jede geschäftliche Grundlage in die Hand bekommen habe, blieben die Wirkungen der Bereicherungshaftung die gleichen8 • Nicht aus dem nichtigen Vertrag ergebe sich die Bereicherung, sondern sie trete allein aufgrund der Leistung des Gegenstandes, genauer der Eigentumsübertragung, ein9 • Der mit Hingabe der Gegenleistung eingetretene Vermögensschaden sei keinesfalls eine Folge dieser Eigentumsübertragung1o•

5 Grundlegend Oertman DJZ 20 (1915), 1063 ff.; ders., Kommentar § 818 Anm.3 a; von Tuhr, Festschrift Bekker S. 291 ff. (306 ff.); ders., DJZ 21 (1916), 582 ff.; ders., Allg. Teil des BGB Ir. Bd., 1. Hälfte S.358; ferner Oertmann, Recht 1919, 329; ders. JW 1918, 132; ders. JW 1919, 377; Schneider JheringsJ 61,179 ff.; Siber, Schuldrecht S. 446; Kress, Schuldrecht S. 372. , Vgl. dazu auch Esser § 105 Ir 2. 7 So Oertmann DJZ 20 (1915), 1066. 8 Oertmann DJZ 20 (1915), 1066. t Von Tuhr, Festschrift Bekker S. 308, 309. 10 Von Tuhr S. 309.

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3. Die Bereicherungsbeschränkung bei gegenseitigen Verträgen

32. Die Saldotheorie 321. Der Inhalt

Die Vertreter der in Rechtsprechung1 und wohl auch noch Literatur2 herrschenden Saldotheorie geben sich mit dem von der Zweikondiktionenlehre erzielten Ergebnis nicht zufrieden. Sie empfinden es als unbillig3, daß bei der Rückabwicldung nichtiger gegenseitiger Verträge allein einer Partei das volle Risiko des Bereicherungswegfalls aufgebürdet werden soll. Bei der Durchführung eines gegenseitigen Vertrages leiste der eine Teil, um die Gegenleistung zu erhalten, während der andere Teil die Gegenleistung erbringe, um die Leistung behalten zu können. Diese Verknüpfung von Leistung und Gegenleistung wirke auch im Falle der Nichtigkeit des Grundgeschäftes weiter. Daher sei, wie es die wirtschaftliche Bestimmung des Bereicherungsbegriffs vorschreibe, entsprechend dem Grundsatz, daß die Bereicherung durch jede mit dem Erwerb ursächlich verbundene Einbuße gemindert werde, die vom Empfänger erbrachte Gegenleistung auf die Bereicherung anzurechnen'. Die grundsätzlich bei den kausalbedingten Vermögenseinbußen stattfindende Saldierung greife auch in diesem Fall Platz5 • Demnach bestehen nicht, wie von der Zweikondiktionenlehre angenommen, zwei voneinander unabhängige Bereicherungsansprüche, sondern nur ein Anspruch6 , gerichtet auf den Überschuß des Bestandes oder Wertes der empfangenen Leistung über die Gegenleistung bzw. ihren Wert7• Notwendig richte sich dieser einzige - in sich beschränkte - Bereicherungsanspruch gegen den Empfänger der höherwertigen Leistungs. Die Höhe des Abzugspostens stehe durch den Wert der Gegen1 RGZ 54, 141; 86, 344; 94, 253; 105, 29; 137, 336; 139, 208; 141, 310; 163, 360; RG JW 1910, 283; 1915, 918; 1931, 529 mit Anm. Oertmann; BGHZ 1, 75 (81) = LM Nr. 1 zu § 818 Abs.3 BGB mit Anm. Wilde = JZ 1951, 333 mit Anm. Coing; BGHZ 9, 333 = LM Nr.3 zu § 816 BGB mit Anm. Ascher; BGHZ 53, 144; BGH LM Nr. 6, 7 zu § 818 Abs. 3 BGB = MDR 1957, 598. \! Weintraud S. 66 ff.; Ebbecke, Recht 1912, 745 (750); von Caemmerer, Festschrift Rabel S. 384 ff.; Leser, Saldotheorie S. 9 ff.; Larenz, Schuldrecht § 70 III; Esser § 105 II 2; Fikentscher § 100 VI 3; Medicus § 12 II 3 b; Enneccerus I Lehmann § 227 III 3; Staudinger I Seufert § 818 Anm. 45; Planck I Landois § 818 Anm. 5 e; Soergell Mühl § 818 Anm. 41 ff.; RGRK I Scheffler vor § 812 Anm. 18 ff. u. § 818 Anm. 39; Palandt I Thomas § 818 Anm. 6 D. :I So z. B. Larenz, Schuldrecht § 70 III; Fikentscher § 100 VI 3. 4 RGZ 75, 362; RG WarnRspr. 1917, 211 (Nr. 140); Staudinger I Seufert § 818 Anm. 45; Planck I Landois § 818 Anm. 5 e. 11 Unter vielen Planck/Landois § 818 Anm. 5e; Soergel/Mühl § 818 Anm.41. 6 Fikentscher § 100 VI 3; Soergell Mühl § 818 Anm.42; RGRK I Scheffler vor § 812 Anm. 19. 7 Enneccerus I Lehmann § 227 III 3; Lehmann, Festschrift Nipperdey S.35. S Enneccerus I Lehmann § 227 III 3; Larenz, Schuldrecht § 70 III; Planck I Landois § 818 Anm. 5 e.

32. Die Saldotheorie

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leistung im Zeitpunkt ihrer Hingabe fest und werde von ihrem weiteren Schicksal nicht mehr berührt9 • Falls eine Leistung nicht mehr vorhanden oder im Wert gemindert sei, so trete an ihre Stelle für die Durchführung der Rückabwicklung eine Wertersatzpflicht nach § 818 Abs.2. Unerheblich sei auch, ob der Partner des gegenseitigen Vertrages die Gegenleistung tatsächlich erhalten habe10• Bedeutung komme nur der Tatsache zu, daß der Empfänger einen Wert in Höhe der Gegenleistung aus seinem Vermögen weggegeben habe. Teilweise erkennen die Vertreter der Saldotheorie, daß ein Kausalzusammenhang zwischen Leistung und Gegenleistung nicht immer gegeben ist11• Sie begnügen sich dann mit einem wirtschaftlichen Zusammenhang oder mit einer "psychisch vermittelten Kausalität" 12. Maßgebend sei der wirtschaftliche Gesamterfolg des nichtigen beiderseitig erfüllten Geschäfts. Leistung und Gegenleistung seien in eine einheitliche Betrachtung einzubeziehen und die daraus erwachsenen Vor- und Nachteile gegeneinander abzuwägen13• Schwierigkeiten tauchen für die Saldotheorie auf, wenn der Austausch ungleichartiger Leistungen, die beide noch vorhanden sind, rückabzuwickeln ist. Konsequent durchführen ließe sich das Prinzip der Saldierung in diesen Fällen nur, wenn man die Herausgabe der empfangenen Leistungen in Natur nicht gestattete. Statt dessen wäre allein wirtschaftlich-rechnerisch der Wertüberschuß aus Leistung und Gegenleistung zu ermitteln und in der errechneten Höhe ein Geldanspruch zu gewähren. Bei gleichwertigen Posten entfiele demnach mangels eines Überschusses notwendig ein Bereicherungsanspruch. Die herrschende Auffassung lehnt es jedoch ab, diese allein folgerichtige Fortführung des Prinzips der Saldierung - auch als "strenge Saldotheorie" bezeichnet14 - anzuerkennen. Sie läßt - wohl um sich nicht völlig mit der in § 812 Abs.l Satz 1 angeordneten Naturalrestitution in Widerspruch zu setzen16 - bei Ungleichartigkeit eine gegenseitige Rückgabe der empfangenen Leistungen ZU H1 • Eine gewisse Verknüpfung beider Leistungen erreicht sie mit Hilfe der Konstruktion einer Verurteilung auf Leistung 11 Enneccerus / Lehmann § 227 III 3 (5.911); Esser § 105 II 2; Planck / Landois § 818 Anm. 5 e. 10 Weintraud S.48; RG GruchBeitr. 55, 963 ff.; RGZ 98, 64 (65 f.). 11 Vor allem Weintraud s. 56 ff.; Bolze AcP 76, 233 (242). 12 Planck / Landais § 818 Anm. 5 e; RGRK I Scheffler vor § 812 Anm. 19 ff. 13 Ebbecke Recht 1912, 750; Maenner DJZ 21 (1916),282; RG GruchBeitr. 55, 963 (965, 966); RGZ 94, 253 (254, 255). 14 z. B. Horst S. 106. 15 So auch Ordemann S. 133. 16 RGSeuffArch. 76, 42 (44 f.); RGZ 137, 324 (336 f.); Weintraud S. 83 ff.; Enneccerus / Lehmann § 227 III 3; RGRK / Scheffler vor § 812 Anm. 14,20.

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3. Die Bereicherungsbeschränkung bei gegenseitigen Verträgen

Zug um Zug gegen Rückerstattung der Gegenleistung oder ihres Wertes17• Die ursprünglich für die Fälle des nichtigen, aber beiderseits gültig erfüllten gegenseitigen Vertrages entwickelte Saldotheorie erfuhr später eine Ausdehnung: Auch wenn das Erfüllungsgeschäft selbst nichtig ist, soll eine Saldierung möglich sein, sobald sich der dem Veräußerer zustehende Eigentumsherausgabeanspruch infolge wirksamer Weiterveräußerung oder Umgestaltung der Sache in einen Wertersatzanspruch gewandelt habe 18• Diese Ausweitung der Saldotheorie führte dazu, daß sich die Rechtsstellung des Empfängers einer aufgrund nichtigen Kausal- und Übereignungsgeschäfts erlangten Sache durch eine Verarbeitung oder Veräußerung wesentlich verbesserte. Gegenüber dem Vindikationsanspruch kann der Empfänger die von ihm erbrachte Gegenleistung nur durch Zurückbehaltungsrecht und auch nur soweit geltend machen, als sein Partner um diese Gegenleistung noch bereichert ist. Gegenüber dem aus § 816 Abs. 1 Satz 1 oder § 951 entstehenden Wertersatzanspruch dagegen kann er die aufgeopferte Gegenleistung ohne Rücksicht auf ihren Bestand beim Gegner abziehen. 322. Die Aussagen in concreto

Im wesentlichen beinhaltet die Saldotheorie zwei Aussagen19 : Die erste dieser beiden Aussagen stellt lediglich eine unwesentliche Abwicklungsmodalität da:r2°. Soweit sich gleichartige Bereicherungsansprüche gegenüberstehen, werden sie ohne Aufrechnungserklärung ipso iure saldiert.

Beispiel: K. hat aufgrund eines Kaufvertrages DM 100,- als Kaufpreis gezahlt und aus der ihm übergebenen Kaufsache Gebrauchsvorteile im Wert von DM 20,- gezogen. Der Vertrag war nichtig. An sich könnte K. von V. DM 100,- verlangen, umgekehrt V. von K. die Kaufsache und zusätzlich DM 20,- (§§ 818 Abs. 1 und 2) fordern. Infolge der Saldierung der gleichartigen Ansprüche kann K. von V. aber nur DM 80,- und V. von K. nur die Kaufsache verlangen. Die zweite Aussage der Saldotheorie dagegen hat wesentlich mehr Bedeutung: Ist eine Partei nach § 818 Abs. 3 nicht mehr zur Rückgewähr der von ihr empfangenen Leistungs verpflichtet, so wird, wenn diese 17 BGH LM Nr.11 zu § 818 Abs.3 BGB = NJW 1963, 1870; Soergel / Mühl § 818 Anm. 41; Palandt / Thomas § 818 Anm. 6 E. 18 RGZ 60, 284 (291); RG Recht 1918, Nr.232; Enneccerus / Lehmann § 227 !Ir 3; RGRK / Scheffler vor § 812 Anm.22; Planck / Landois § 818 Anm. 5 e;

Fischer, Festschrift Zitelmann S. 53 ff.; Maenner DJZ 21 (1916), 282 (284 ff.). 19 Vgl. dazu Medicus § 12 II 3 b. 20 Medicus § 12 !I 3 b.

32. Die Saldotheorie

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Partei ihrerseits einen Bereicherungsanspruch geltend macht, der Wert der weggefallenen Bereicherung von diesem Anspruch abgezogen.

Beispiel: v. hat ein Auto, das DM 1000,- wert ist, für DM 1200,nichtig an K. verkauft. V. hat geliefert, K. bezahlt. Das Auto ist bei dem redlichen K. ersatzlos untergegangen. Nach der Zweikondiktionenlehre hätte V. wegen § 818 Abs. 3 keinen Gegenanspruch mehr und könnte sich demnach gegen das Rückzahlungsverlangen des K. nicht verteidigen. Demnach trüge V. das Risiko des zufälligen Sachuntergangs. Die Saldotheorie dagegen will den V. besserstellen: Zwar hat V. hier wegen § 818 Abs. 3 keinen Anspruch mehr gegen K., aber K. muß sich DM 1000,-, den Wert des bei ihm untergegangenen Autos, von seinem Anspruch auf Rückzahlung des Kaufpreises in Höhe von DM 1200,abziehen lassen. K. kann von V. also nur DM 200,- verlangen. Nach der Saldotheorie fällt also K. - bis auf die Wertdifferenz von DM 200,- das Risiko des Sachverlustes zu. Die Anordnung des § 818 Abs.3 behält im Ergebnis damit nur noch Gewicht bezüglich der Wertdifferenz zwischen Leistung und Gegenleistung21 • Die Tatsache, daß die Saldotheorie die Anordnung des § 818 Abs. 3 nicht vollkommen unberücksichtigt läßt, sondern lediglich einschränkt!!, ist Ursache einer weiteren wesentlichen Folgerung: Die Saldotheorie ist für die herrschende Meinung stets nur ein Mittel zur Berechnung des Abzugspostens23 • Die Saldierung kann nicht etwa einen Anspruch gegen den Entreicherten begründen2 '.

Beispiel: Das Auto, das V. für DM 1200,- an K. verkauft hat, war DM 1400,- wert. Nach der Übereignung geht der Wagen ersatzlos beim redlichen K. unter, während der Kaufpreis noch bei V. vorhanden ist, als sich der Vertrag als nichtig erweist. Der hier vorliegende "Negativsaldo" - vom Anspruch des K. auf Rückzahlung des Kaufpreises in Höhe von DM 1200,- sind DM 1400,- als wahrer Wert des untergegangenen Fahrzeuges abzuziehen - bewirkt lediglich, daß K. von V. nichts verlangen kann. Der Entreicherte kann in seinen Ansprüchen also höchstens 'auf Null herabgedrückt werden. Auf der anderen Seite hat auch V. keinen Anspruch, da insofern § 818 Abs. 3 voll gilt. Der Sachwert von DM 1400,- erfüllt keine weitere Funktion, als lediglich Abzugsposten im Hinblick auf den Bereicherungsanspruch des Entreicherten zu sein. Näher unten 3252. Fikentscher § 100 VI 3; Medicus § 12 II 3 b. 23 RGZ 139, 208; 141, 312; 163, 360; BGHZ 1, 75; BGH NJW 1963, 1870; Fikentscher § 100 VI 3; Esser § 105 II 2; a. A. Flume, Festschrift Niedermeyer 8.148: "das 8ynallagma muß immer voll abgewickelt werden". 24 Medicus § 12 II 3 b. 21

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3. Die Bereicherungsbeschränkung bei gegenseitigen Verträgen

323. Die Begründung zur Saldotheorie

Teil weise werden zur Rechtfertigung der Saldotheorie allgemeine Formeln herangezogen, wie etwa: Maßgebend sei der Vergleich der Vermögenslage im Zeitpunkt des Empfanges mit dem Zeitpunkt der Rechtshängigkeit25 • Der Ausgleichsanspruch richte sich notwendig allein gegen den, der bereichert sei im Verhältnis zum Vermögensstand vor der auf Kosten des anderen stattgefundenen Überführung des Erlangten in sein Vermögen26• Entscheidend sei das aus der Vergleichung ersichtliche Gesamtergebnis, das nur unter Ausgleichung aller beiderseitigen, aus der gleichen Wurzel hervorgegangenen Vermögenszu- und -abgänge festgestellt werden könne27• Die dem Empfänger durch Leistung und Gegenleitung erwachsenen Vor- und Nachteile seien gegeneinander auszugleichen28• All diese Formulierungen können kaum eine befriedigende Begründung für die Saldierung von Leistung und Gegenleistung liefern, da sie lediglich Abwicklungsmodalitäten schildern, nicht aber die entscheidende Frage beantworten, warum die Hingabe der Gegenleistung berücksichtigt werden muß. Man hat daher mit Recht die geschilderten Formeln sämtlich als "inhaltsleer" bezeichnet29• Wegen ihres unrichtigen Ansatzpunktes erübrigt sich eine eingehendere Auseinandersetzung mit diesen Begründungsversuchen.

3231. Der Wortlaut des § 812 Abs.1 und der Begriff "Bereicherung" Es wird unternommen, die Einbeziehung der Gegenleistung aus dem Begriff "Bereicherung" herzuleiten3o • Ausgehend von der Auffassung, daß eine "Bereicherung" schon begrifflich nur die Resultante aus Gewinn und Verlust, der Überschuß, sein könne3 t, werde auch die Berücksichtigung der Gegenleistung von der Wortbedeutung mit eingeschlossen. Eine Bereicherung, die die Gegenleistung nicht einbeziehe, lasse sich nicht einmal konstruieren32 • 25 RGZ 75, 361 (362); Planck / Landois § 818 Anm. 5 e; Fischer, Festschrift Zitelmann S. 11. 26 RGRK / Scheffler vor § 812 Anm. 19. 27 RGZ 60, 284 (291); RG JW 1927, 1931 (1932); Planck / Landois § 818 Anm. 5 e; RGRK / Scheffler vor § 812 Anm. 19. 28 RGZ 105, 29 (31); 139, 208 (213); Staudinger / Seufert § 818 Anm.45; Ebbecke Recht 1912, 750. 29 Weintraud S.63. 30 So Ebbecke Recht 1912, 750; Bolze AcP 76, 233 (243); RGRK I Sclleffler § 818 Anm. 33. 31 Von Mayr S. 625. 32 Bolze AcP 76, 243.

32. Die Saldotheorie

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Solche Begründungsversuche sind indes bloße Behauptungen. Das schwer fuderbare Wort "Bereicherung" ist verschiedener Auslegung zugänglich. So ist nicht einmal die Prämisse, daß die "Bereicherung" zwangsläufig den Überschuß aus Gewinn und Verlust des Gesamtvermögens darstelle, die einzig mögliche Betrachtungsweise. Herausgabe der noch vorhandenen Bereicherung (§ 818 Abs.3) kann auch dahin ausgelegt werden, daß der erlangte Gegenstand oder erzielte Wert um die der Empfänger schließlich bereichert ist - herausgegeben werden muß, soweit er noch vorhanden ist, ohne Rücksicht auf die im sonstigen Vermögen enstandenen Einbußen33 • Es ist demnach nicht vertretbar, dem Begriff "Bereicherung" einen zwingenden Hinweis auf die Berücksichtigung der Gegenleistung zu entnehmen34• Auf der gleichen Linie befand sich das Reichsgericht35 , als es den Grundsatz der Saldierung aus dem Begriff "Etwas" in § 812 Abs. 1 Satz 1 entnehmen wollte. Aus § 818 Abs. 3 und der Überschrift des Titels "Ungerechtfertigte Bereicherung" ergebe sich, daß unter dem nach § 812 herauszuverlangenden "Etwas" "nicht ein beliebiger einzelner aus dem Vermögen des einen in das des anderen hinübergeflossener Wert, sondern nur die Gesamtheit des Hinübergelangten unter gleichzeitiger Berücksichtigung der dafür gegebenen Werte" zu verstehen sei, mithin also auch die Gegenleistung Abzug finden müsse. Der Begriff "Etwas" in § 812 Abs. 1 Satz 1 spricht aber mehr gegen als für eine Saldierung von Leistung und Gegenleistung, da gerade dieser Begriff ersichtlich macht, daß der Gesetzgeber primär Naturalrestitution, d. h. eine Rückgabe des konkreten Erlangten ohne Rücksicht auf die im sonstigen Vermögen des Bereicherten entstandenen Nachteile, anordnef36. Erst § 818 Abs. 3 beschränkt dann die von § 812 Abs. 1 Satz 1 festgelegte Haftung und gibt so eine gewisse Handhabe, auch die im übrigen Vermögen des Bereicherten eingetretenen Nachteile zu berücksichtigen. Daneben hätte die Ansicht des Reichsgerichts auch eine untragbare Konsequenz: Wenn unter dem nach § 812 Abs. 1 Satz 1 herauszugebenden Etwas bereits allein der Saldo zu verstehen wäre, brauchte auch der bösgläubige Empfänger nur den Überschuß herauszugeben. Damit würde die Haftungsverschärfung des § 819 Abs.1 weitgehend unterlaufen37 •

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So von Tuhr, Festschrift Bekker S. 314. Ähnlich auch Weintraud S. 56; Horst S. 119. RGZ 54, 137 (141); 86, 343 (346). Näher dazu oben 211. Weintraud S. 55; Ordemann S. 146; Horst S. 119 f.

3 Bremecker

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3. Die Bereicherungsbeschränkung bei gegenseitigen Verträgen

3232. Der Kausal- bzw. Motivationszusammenhang zwischen Leistung und Gegenleistung Einige Vertreter der Saldotheorie versuchen die Anrechenbarkeit der Gegenleistung damit zu begründen, daß zwischen Leistung und Gegenleistung ein Kausalzusammenhang bestehe38• Der eben genannten Auffassung liegt eine allzu grobe Vereinfachung des Entscheidungsprozesses auf seiten des Leistungsempfängers zugrunde. Keinesfalls erbringt der Empfänger die Gegenleistung immer nur, weil er die Leistung bereits erhalten hat oder noch erhalten will39 • Dieser Fall mag zwar vorkommen, in der Regel jedoch trifft der Empfänger der Leistung eine neue selbständige Entscheidung darüber, ob und wann er die Gegenleistung erbringen so1140• Die Berücksichtigung des Leistungserhalts ist dabei lediglich eines von mehreren möglichen Kriterien, die die Entscheidungsentwicklung beeinflussen können, aber nicht müssen. Es erscheint nämlich durchaus denkbar, daß die Gegenleistung im Einzelfall allein erbracht wird, um die zugrunde liegende vertragliche Verpflichtung zu erfüllen. Die bloße Möglichkeit, auf den Willensbildungsprozeß des Empfängers Einfluß ausgeübt zu haben, reicht jedenfalls nicht aus, um daraus den Grundsatz einer Kausalität zwischen Leistung und Gegenleistung herzuleiten. Die Richtigkeit dieser Folgerung beweist auch eine Überprüfung der Fälle, in denen die Gegenleistung gleichzeitig oder vor Erhalt der Leistung erbracht wurde. Hier versagt eine konsequente Durchführung der Kausalitätsformel ohnehin, da die Entgegennahme der Leistung sehr wohl hinweggedacht werden kann, ohne daß der Erfolg, die Erbringung der Gegenleistung, entfiele41 • Angesichts der Schwierigkeiten, die einem Begründungsversuch mit Hilfe des Kausalbegriffs in den letztgenannten Fällen entgegenstehen, hat das Reichsgericht42 und ihm folgend ein Teil der Literatur4l' versucht, einen Zusammenhang über die Psyche der Parteien zu konstruieren. Der ursächliche Zusammenhang wird darin gefunden, daß der eine Teil leiste, um die Gegenleistung zu erhalten, während die Nachleistung erfolge, um die empfangene Leistung behalten zu können. Auch demgegenüber ist einzuwenden, daß es nicht angeht, einen der vielfältigen inneren Beweggründe der Parteien herauszugreifen und 38 Vgl. RGRK / Scheffler vor § 812 Anm. 19 ff.; § 818 Anm. 30 ff.; Planck / Landois § 818 Anm. 5 e. 39 So aber Planck / Landois § 818 Anm. 5 e . .&0 Ahnlich Horst S. 123. 41 Vgl. von Tuhr, Festschrift Bekker S.308; Weintraud S. 56 ff. 42 u. a. RGZ 32, 319 (320); 60, 284 (292). 43 Enneccerus / Lehmann S. 912; Planck / Landois § 818 Anm. 5 e; RGRK / Scheffler vor § 812 Anm. 22; Staudinger / Seufert § 818 Anm. 45.

32. Die Saldotheorie

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ohne Rücksicht auf die besondere Gestaltung des Einzelfalles als das entscheidende Motiv für die Erbringung von Leistung und Gegenleistung der Entscheidung zugrunde zu legen44 • Weiterhin ist auch nicht einzusehen, daß die rein innerlich gebliebene und somit kaum fuderbare Motivation des Empfängers Anlaß genug sein darf, eine so schwerwiegende Rechtsfolge wie die Anrechnung der Gegenleistung zu rechtfertigen. Der Gesichtspunkt des Kausal- bzw. Motivationszusammenhangs zwischen Leistung und Gegenleistung ist daher zur Begründung der Saldotheorie nicht geeignet".

3233. Die Einheit von Leistung und Gegenleistung im nichtigen Vertrag Sucht man die wirkliche Grundlage des Zusammenhangs von Leistung und Gegenleistung, so stößt man nahezu zwangsläufig auf den Sachverhalt des zugrunde liegenden nichtigen Vertrages. Die oben erwähnten Vorstellungen und Motive der Parteien finden in irgendeiner Form immer ihre Ursache in den Vereinbarungen des Grundgeschäftes. Da sich oft nur schwer eine Kausalität zwischen Leistung und Gegenleistung oder ein Zusammenhang über die Psyche der Parteien konstruieren läßt, hat das Reichsgericht in einigen Fällen den gerade gezeigten Gedanken aufgegriffen46. Formulierungen wie "alle Nachteile, die mit dem die Grundlage des Bereicherungsanspruches bildenden Tatbestand in einem ursächlichen Zusammenhang stehen, müssen als Vermögensminderung berücksichtigt werden"47 schufen die Voraussetzung dafür, den gesamten zugrunde liegenden Lebenssachverhalt, und somit insbesondere auch den nichtigen gegenseitigen Vertrag48, bei der Ermittlung des Bereicherungsumfanges einzubeziehen. Nach dieser Rechtsprechung liefert die Abhängigkeit von Leistung und Gegenleistung im nichtigen Vertrag eine ausreichende Begründung für deren bereicherungsrechtliche Saldierung. Der Einwand, ein solcher Zusammenhang der Bereicherung mit dem Grundgeschäft sei schon deshalb abzulehnen, weil der unwirksame Vertrag zumindest in den Fällen, in denen die Bereicherung erst durch einen besonderen Erwerbsakt eintrete, nicht einmal conditio sine qua 44 Vgl. Descombes S. 35; Preissler S. 26; Weintraud S. 58 ff. 45

Weintraud S. 56, 57; Ordemann S. 148; Horst S. 123 f.

46 z. B. RGZ 54, 137 (140); 60, 284; 94, 253 (254).

RGZ 94, 253 (254 f.). Aus dem Zusammenhang der Entscheidung RGZ 94, 253 ergibt sich, daß mit dem "die Grundlage des Bereicherungsanspruchs bildenden Tatbestand" der nichtige gegenseitige Vertrag gemeint war. 47

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3. Die Bereicherungsbeschränkung bei gegenseitigen Verträgen

non für den Eintritt der Bereicherung sei49 , geht fehl. Denn die Betrachtungsweise, der Bereicherte hätte das Eigentum auch aufgrund eines anderen tatsächlichen Lebensvorganges erworben haben können50, ist methodisch falsch, da die Bestimmung des Kausalverlaufes allein das Hinwegdenken des betreffenden Ereignisses erlaubt, nicht dagegen das Hinzudenken eines völlig anderen hypothetischen Geschehens51 • Vielmehr ist zu bedenken, daß ohne den tatsächlichen, auch den nichtigen Vertrag erfassenden Lebenssachverhalt wohl keiner der beiden Partner die ihm "obliegende" Leistung erbracht hätte. Somit ist der Vertrag Grund und Motiv für den Leistungsaustausch. Aus dieser Tatsache läßt sich aber keinesfalls ohne weiteres die Anrechnung der geringerwertigen Leistung auf die höherwertige im Sinne der Saldotheorie herleiten, denn das Band, das Leistung und Gegenleistung verknüpft hat, der Vertrag, ist ja gerade wegen Nichtigkeit weggefallen. Ein Zusammenhang zwischen Bereicherung und nichtigezn Grundgeschäft, wie ihn die geschilderte Ansicht des Reichsgerichts konstruieren muß, besteht in Wahrheit nicht. Nicht das unwirksame Grundgeschäft, sondern die Erfüllungshandlung bzw. der spätere besondere Erwerb haben die Bereicherung herbeigeführt52 • Der zugrunde liegende Vertrag ist ein für alle Mal aus anderem Anlaß vom Gesetz für nichtig erklärt worden. Das Bereicherungsrecht beschränkt sich im Anschluß daran allein auf die Aufgabe, die rein tatsächlich durchgeführten Vermögensverschiebungen rückabzuwickeln. Bereicherungsrechtlich zeigt das Grundgeschäft nur eine einzige Auswirkung: Die Nichtigkeitsanordnung als solche beweist die Rechtsgrundlosigkeit, die Fehlerhaftigkeit des Vermögenszuwachses im Sinne von § 812 Abs.1 Satz 1. Irgendwelche konkreten Hinweise oder Tatsachen dürfen dem unwirksamen Vertrag dagegen nicht mehr entnommen werden, denn dadurch würde die Nichtigkeitsanordnung beeinträchtigt. Der vom Reichsgericht zitierte "die Grundlage des Bereicherungsanspruchs bildende Tatbestand" muß demnach, bedingt durch seine Natur als bereicherungsrechtliche Regelung, seine Grenze finden, wo die Unwirksamkeit vertraglicher Vereinbarungen einsetzt. 3234. Das faktische Synallagma

Eine in neuerer Zeit im Vordringen begriffene Ansicht rechtfertigt das Prinzip der Saldierung von Leistung und Gegenleistung aus dem 49 50 51

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Oertmann DJZ 20 (1915), 1066 f.; Oertmann Recht 1919, 322. So nämlich Oertmann DJZ 20 (1915), 1066. Weintraud S. 65; Horst S. 128. Von Tuhr, Festschrift Bekker S. 308, 309; Oertmann DJZ 20 (1915), 1067.

32. Die Saldotheorie

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Gesichtspunkt des sog. "faktischen Synallagmas"53. Daß die Leistungen als gegenseitige gewollt und bewirkt waren, sei trotz der Unwirksamkeit des vereinbarten Synallagmas bei der Rückabwicklung zu beachten. Trotz der Nichtigkeit des Vertrages dürfe man die Augen nicht davor verschließen, daß er faktisch durchgeführt sei54• Wie im Gesellschaftsrecht ein fehlerhafter Vertrag nicht etwa zur Kondiktion sämtlicher erbrachter Einzelleistungen, sondern nach ganz herrschender Ansicht zur Liquidation der "faktischen Gesellschaft" führe 55, dürften auch beim nichtigen Vertrag die Leistungen nicht isoliert zurückverlangt werden. Die Anrechnung der Gegenleistung beinhalte den Gedanken der Rückabwicklung eines faktisch durchgeführten Vertragsverhältnisses". Die geschilderte Ansicht erkennt zunächst richtig, daß infolge der Nichtigkeit des Grundgeschäfts dieses keine weiteren Rechtswirkungen haben darf. Infolgedessen ergibt sich als Anknüpfungspunkt nur das tatsächliche Verhalten der vormaligen Vertragspartner: Es bleibe die Tatsache bestehen, daß die Parteien nun einmal ihre Leistungen nach ihrem eigenen Verständnis gegeneinander ausgetauscht hätten67• Erheblichen Zweifeln dagegen unterliegt die anschließende Folgerung, das natürliche Verhalten der Parteien rechtfertige es, die Rechtsfolge einer Saldierung von Leistung und Gegenleistung anzuordnen. Diese Überlegung verkennt, daß faktische Verhältnisse nur in äußerst engen Grenzen gesetzlich nicht festgelegte Rechtsfolgen zeigen dürfen, um nicht zu einer Durchlöcherung des herrschenden Rechtssystems zu führen. Im viel zitierten Parallelfall der Liquidation einer "faktischen Gesellschaft" ist eine solche Ausnahmesituation gegeben, die eine Angleichung an die Abwicklung der rechtswirksamen Gesellschaft notwendig macht: Bedingt durch die Tatsache, daß die oft unerkennbar fehlerhafte Gesellschaft unter Umständen über eine längere Zeitspanne hinweg eine Vielzahl von Rechtsbeziehungen eingegangen ist - deren jeweilige Auswirkungen im Nachhinein ohnehin nur äußerst schwer getrennt zu beseitigen wären - erfordert der Schutz des gutgläubigen S3 Grundlegend von Caemmerer, Festschrift Rabel S.386; Esser § 105 I! 2; Fikentscher § 100 VI 3; Larenz, Schuldrecht § 70 II!; Medicus § 12 I! 3; Palandt / Thomas § 818 Anm. 6 D b; mit abweichenden Ergebnissen Leser, Saldotheorie S. 45 ff. 54 Von Caemmerer, Festschrift Rabe! S.386; ähnlich Larenz, Schuldrecht § 70 III. 65 Mag die Bezeichnung "faktisch" dabei auch umstritten sein, vgl. BGHZ 3, 285; Hueck, OHG § 7 (S. 75 ff.); Sudhoff Al d (S. 13, 14); Weipert in RGRK zum HGB § 105 HGB Anm. 87 ff. " Von Caemmerer, Festschrift Rabel S. 386. 67 Larenz, Schuldrecht § 70 II!.

3. Die Bereicherungsbeschränkung bei gegenseitigen Verträgen

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Verkehrs58, den "faktischen Vollzug" der Gesellschaft als rechtserheblich anzuerkennen. Daß daneben auch im Innenverhältnis das Gesellschaftsrecht auf die fehlerhafte Gesellschaft angewendet wird, ist auf die besondere Situation der Gesellschafter zurückzuführen. Diese haben meist über längere Zeit Vermögen und Arbeitsaufwand der tatsächlich ins Wirtschaftsleben getretenen Gesellschaft gewidmet. Damit sind besonders schutzwürdige personenrechtliche Beziehungen59 entstanden, die eine Rückabwicklung nach allgemeinen Normen, insbesondere nach den §§ 812 ff., nur ungenügend berücksichtigen kann. Der Leistungsaustausch aufgrund eines nichtigen synallagmatischen Vertrages dagegen weist keine entsprechende Interessenlage auf: Es fehlt das entscheidende Merkmal der Dauer des Verhältnisses, da es sich in aller Regel nur um einmalige rechtsgrundlose Vermögensverschiebungen handelt. Schließlich sind auch keine besonderen schutzwürdigen personenrechtlichen Beziehungen der Beteiligten vorhanden. Unter Einbeziehung des strengen Maßstabes zur rechtlichen Verwertbarkeit tatsächlichen Geschehens60 reicht der bei gegenseitigen Verträgen existente "faktische" Ansatzpunkt keinesfalls aus, eine so tiefgreifende Rechtsfolge wie die Risikoumkehrung der Saldotheorie zu rechtfertigen. Vom faktischen Ansatzpunkt eher vergleichbar ist die Situation des nichtigen gegenseitigen Vertrages der der Haftung aus culpa in contrahendo~l1. Auch dort ist der Kontakt zwischen den Betroffenen auf die knappe Sachabwicklung eines - sich zudem nur anbahnenden - alltäglichen Vertrages beschränkt. Entsprechend der geringen Intensität des in Anspruch genommenen Vertrauens wird aus dem tatsächlichen Geschehen lediglich eine gewisse relativ geringfügige Sorgfaltsverpflichtung der Parteien gefolgert, zumindest geringfügig im Vergleich zu den sich aus der Abwicklung eines wirksamen Vertrages ergebenden Verhaltenspflichten. Das faktische Geschehen beim Abschluß eines nichtigen Vertrages mag eine völlige Umkehrung der Risikozuweisung des § 818 Abs. 3 nicht tragen können, unter Umständen läßt sich daraus aber eine weniger einschneidende Modifikation der ausufernden Haftungsfreistellung des § 818 Abs. 3 herleiten, etwa indem nach dem Beispiel der Haftungaus culpa in contrahendo dem Bereicherungsempfänger gewisse Sorgfaltspflichten im Umgang mit dem Bereicherungsgegenstand abverlangt werden. Ob und in welchem Umfang eine derartige Haftungsmodifizierung möglich ist, wird noch festzustellen sein.

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Vgl. Hueck, Gesellschaftsrecht S. 61 ff. (65). Vgl. auch BGHZ 8, 157 (167). Vgl. Horst S. 136, 137. Zum Begriff Medicus § 10 II 1.

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3235. Schadensersatzrechtliche Parallelen Ausgehend von der wirtschaftlichen Betrachtungsweise hat die herrschende Ansicht den Bereicherungsbegriff in enger Anlehnung an den Differenzbegriff des Schadens ausgestaltet. Es bot sich daher an, auch die Anrechnung der Gegenleistung mit schadensersatzrechtlichen Parallelen zu begründen. Insbesondere wird in diesem Zusammenhang die Lehre von der Vorteilsausgleichung analog zur Rechtfertigung herangezogen63• Es handele sich um quasi spiegelbildliche Vorgänge, wenn einerseits in der Person des Geschädigten ein Verlust und damit zusammenhängend ein Gewinn eintrete und andererseits beim Bereicherungs-schuldner zunächst Gewinn und wiederum damit zusammenhängend ein Verlust entstehe. Im Grunde genommen unterscheidet sich die geschilderte Auffassung kaum von dem bereits diskutierten Begründungsversuch über einen Kausalzusammenhang63 zwischen Leistung und Gegenleistung, da auch die Lehre von der Vorteilsausgleichung auf einen adäquaten Kausalzusammenhang zwischen Gewinn und Verlust abstellt bzw. darauf, daß Schaden und Vorteil durch das gleiche Ereignis verursacht worden sind6 '. Somit ergeben sich dieselben Bedenken wie gegenüber der Rechtfertigung über einen Kausalzusammenhang; insbesondere könnte die Gegenleistung nur dann berücksichtigt werden, wenn sie zeitlich der Leistung nachfolgte. Neben diesen speziell auf die Analogie zur Vorteilsausgleichung bezogenen Einwendungen tauchen auch Zweifel grundsätzlicher Art auf: Dürfen schadensersatzrechtliche Erwägungen - in welcher Form auch immer - überhaupt Eingang in die bereicherungsrechtliche Abwicklung finden? Eine solche Einbeziehung, insbesondere in Form einer Analogie, setzt eine Gleichheit oder zumindest Ähnlichkeit der Sachverhalte voraus86• Ob dieses Erfordernis hier erfüllt ist, soll im folgenden überprüft werden. Ein erster Vorbehalt ergibt sich, wenn man die Haftungsabwicklung beider Rechtsgebiete miteinander vergleicht: Die §§ 812 ff. sind primär auf Naturalrestitution gerichtet68 , d. h. sie ordnen in erster Linie eine Rückgabe des unberechtigt erlangten Gegenstandes an. Auch die Haf62

RGZ 54, 137 (140 f.); von Mayr S.626; Fischer, Festschrift Zitelmann

S. 47 ff.

Vgl. oben 3232. Vgl. zur Lehre von der Vorteilsausgleichung Erman / Sirp § 249 Rdn. 108 bis 125 mit Nachweisen aus der Rechtsprechung. 66 Von Tuhr, Allg. Teil des BGB, Bd.1, S.40; Larenz, Allg. Teil des BGB S.60. 66 Vgl. oben 211. 63

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tung auf Schadensersatz bemüht den Begriff "in natura"; sie verlangt, soweit möglich, Naturalherstellung, § 249 Satz 1. Was auf den ersten Blick so ähnlich klingt, unterscheidet sich bei genauerem Hinsehen doch ganz erheblich: Das Schadensrecht meint eine Herstellung in natura, während das Bereicherungsrecht von einer Rückgabe in natura ausgeht. Es werden also völlig unterschiedliche Handlungsweisen angeordnet. Ein anderer Ansatzpunkt zeigt diese Verschiedenheit noch deutlicher auf: Die Saldotheorie, deren Begründung ja hier in Frage steht, ist letztlich allein eine Frage der Risikozuteilung1l7• Man war mit der Form, in der § 818 Abs. 3 das Risiko des Bereicherungswegfalls in voller Höhe dem Bereicherungsgläubiger zuwies, für den Bereich der Rückabwicklung gegenseitiger Verträge nicht mehr einverstanden. Nach dem Prinzip der Saldierung von Leistung und Gegenleistung sollte daher dieses Risiko neu verteilt werden. Versucht man nun im Schadensersatzrecht, eine parallele Risikoregelung zu finden, so stößt man auf Schwierigkeiten. Zunächst ist die der Schadenshaftung zugrunde liegende Situation eine völlig andere. Eine Güterverschiebung hat dort nicht stattgefunden, sondern der zu Schaden gekommene Gegenstand ist in aller Regel beim Geschädigten verblieben. Folglich kann dort auch ein die Rückgabe ausschließender Wegfall des betroffenen Gegenstandes nicht berücksichtigt sein. Die Frage. wer das Risiko für einen solchen Wegfall zu tragen habe, stellt sich demnach im Schadensrecht erst gar nicht. Selbst wenn man den Begriff der "Risikozuweisung" weiter fassen will, so wird eine solche im Schadensrecht allenfalls von der haftungsanordnenden Norm, z. B. § 823 Abs.1, getroffen. Letztere bestimmt, daß in Berücksichtigung seines vorwerfbaren Verhaltens der Schädiger jegliches "Risiko" zu tragen hat, d. h. den von ihm verursachten Schaden voll zu ersetzen hat. Kein Raum bleibt dagegen bei der Ermittlung des Schadensumfanges, um noch einmal auf die "Risikozuweisung" einzugehen. Insoweit ist die Wertung der haftungsanordnenden Norm abschließend. Soweit bei der Feststellung des Schadensumfanges einer Risikozuweisung verwandte Fragen auftauchen, wie etwa die Vor- bzw. Nachteilsanrechnung, werden diese immer von der einmal zu Lasten des Schädigers getroffenen Wertung beeinflußt~8. Anders die Situation im Bereicherungsrecht: Die Haftungsanordnung des § 812 Abs.1 Satz 1 begnügt sich damit, lediglich die Beseitigung der ungerechtfertigt erfolgten Güterzuordnung zu verlangen. Sie geht dabei nicht im geringsten auf eine mögliche Vorwerfbarkeit im haftungsbegründenden Ver67 Vgl. Larenz, Schuldrecht § 70 III; von Caemmerer, Festschrift Larenz S.635. 68 Das tritt bereits in Formulierungen zutage wie etwa, die Vorteils ausgleichung dürfe "den Schädiger nicht unbillig entlasten", vgl. RGZ 146, 289; BGHZ 8, 329; Palandt / Heinrichs vor § 249 Anm. 7 a.

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halten der Parteien ein69 • Das Risikozuweisungsproblem taucht erst im Anschluß daran bei der Festlegung des Bereicherungsumfanges auf. Inhaltlich ergibt sich dadurch die Konsequenz, daß die bereicherungsrechtliche Risikozuweisung - mag sie auch gerade für den Bereich nichtiger gegenseitiger Verträge umstritten sein - sich jedenfalls nicht, wie die schadensersatzrechtliche Regelung, an einer Vorwerfbarkeit bzw. einem Verschulden im haftungsbegründenden Verhalten der Parteien orientieren darf. Die Aufgabenstellung des Bereicherungsrechts läßt sich nur ohne die Berücksichtigung einer solchen Vorwerfbarkeit verwirklichen70• Weitere Indizien für die Verschuldensunabhängigkeit bilden die Fassung des § 812 Abs.1 Satz 1 und der Weg, den § 818 Abs.3 hinsichtlich der Risikozuweisung bei einseitiger Bereicherung weist. Es erscheint unvertretbar,zur Beantwortung der Frage, welcher Partei das Risiko des Bereicherungswegfalls bei nichtigen gegenseitigen Verträgen auferlegt werden muß, Parallelen zum Schadensersatzrecht zu ziehen, zu einem Rechtsgebiet, in dem das Dilemma einer echten Risikozurechnung nicht auftauchen kann, weil aufgrund der. abweichenden Aufgabenstellung einer Partei von vornherein jegliches "Risiko" zugewiesen ist. Da die bereicherungsrechtliche Situation und Interessengestaltung erheblich von der des Schadensersatzrechts abweicht, verbietet sich eine analoge Berücksichtigung des schadensersatzrechtlichen Haftungsumfangs. 3236. Die Billigkeit Nicht selten wird auf eine differenzierte Begründung verzichtet und zur Rechtfertigung der Saldotheorie lediglich auf die Billigkeit verwiesen71 • Naturgemäß steht dabei der Fall im Vordergrund, in dem die von einer Partei empfangene Leistung ganz oder teilweise weggefallen ist. Es widerspreche dem Rechtsgefühl und der Billigkeit, daß die von der Haftung befreite Partei gleichwohl ihre eigene, beim Gegner zufällig noch vorhandene Leistung ganz zurückverlangen könne7l!. Ob das von § 818 Abs.3 für den Fall der gegenseitigen Bereicherung erzielte Ergebnis wirklich unbillig ist, ist schwer zu entscheiden. Insbesondere muß in diesem Zusammenhang der Vergleich zur einseitigen Bereicherung, für die die Anordnung des § 818 Abs.3 - wenn auch in 69 Ähnlich auch Esser § 100 I, der feststellt, im Schadensersatzrecht gehe es um Verhaltenssanktionen, im Bereicherungsrecht dagegen um Zustandskorrektur. 70 Vgl. oben 222. 71 RGZ 94, 253 (254); Enneccerus / Lehmann S. 912; Planck / Landois § 818 Anm. 5 e; von Caemmerer, Festschrift Rabel S. 386; Rubensohn S. 56, 57. 72 Lehmann, Festschrift Nipperdey S. 35.

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streitigem Umfang73 - anerkannt gilt, Berücksichtigung finden. Auch dort stellt die Auswirkung des Bereicherungswegfalls für den Anspruchsgläubiger in manchen Fällen eine echte Härte dar. Eine überprüfung dieser Problematik erübrigt sich hier jedoch, da das Kriterium der Unbilligkeit allein nicht ausreicht, um die Anwendung des Prinzips der Saldierung zu rechtfertigen. Zunächst ist es schon bedenklich, die Richtigkeit des Prinzips der Anrechnung der Gegenleistung aus einer einzigen "billig entschiedenen" Fallkonstruktion herzuleiten. Eine weitere überlegung macht deutlich, daß der Gesichtspunkt der Billigkeit kaum geeignet ist, die Thesen der Saldotheorie in voller Konsequenz zu unterstützen: Es ist schwerlich möglich, daß die Billigkeit, die bereits zur Begründung der extrem weitgehenden Beschränkung der einseitigen Bereicherungshaftung zugunsten des Bereicherungsschuldners dienen mußte74 , nun plötzlich eine nahezu entgegengesetzte Folgerung rechtfertigen soll. Im Ergebnis schneidet die Saldotheorie nämlich dem eben noch bevorzugten Bereicherungsschuldner den Einwand des Wegfalls der Bereicherung bis zur Höhe der weggegebenen Leistung wieder ab 75 • Die zugrunde liegenden Interessenlagen mögen zwar voneinander abweichen, sie sind aber keinesfalls so verschieden, daß das eben noch als richtig erkannte Prinzip in sein Gegenteil verkehrt werden darf76 • Letztlich entscheidend gegen die geschilderte Auffassung spricht, daß die bloße Erkenntnis einer Unbilligkeit nicht ausreicht, um sich ohne weiteres in Widerspruch zu einem gesetzlich angeordneten Prinzip, hier der Risikoregelung des § 818 Abs. 3, zu setzen. Das Vorhandensein einer unbilligen Situation wird nur dann rechtlich relevant, wenn die Unbilligkeit in irgendeiner Form, sei es über eine Generalklausel, sei es über eine analoge Anwendung verwandter Vorschriften, Berücksichtigung innerhalb des gesetzlichen Systems finden kann. Auf solche oder ähnliche Voraussetzungen geht der zu prüfende Begründungsversuch aber mit keinem Wort ein. Ungeklärt bleibt auch, warum das Prinzip der Billigkeit gerade die spezielle Differenzierung der Saldotheorie nach sich ziehen soll; anderweitige Beseitigungen der Unbilligkeit müßten nämlich ebenso zulässig sein. Eine Rechtfertigung über die Billigkeit ist demnach nicht haltbar.

3237. "Die Natur der Sache" als RechtsquelZe Inhaltlich eng verwandt mit der Begründung über die Billigkeit ist die neuerdings geäußerte Auffassung, die Saldotheorie sei als eine "die Vgl. vor allem Flessner S. 25 ff. Vgl. die Ausführungen oben 1. 75 Schneider, JheringsJ 62, 18'7; Fischer, Festschrift Zitelmann S.7, 55; Eckelt S. 51 ff. 76 Im Ergebnis ebenso Horst S. 122. 73

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Natur der Sache" berücksichtigende richterliche Rechtsfortbildung anzusehen77• Die gesetzliche Betrachtungsweise, die rechtsgrundlos empfangenen Leistungen - jede für sich - bis zur Höhe der noch vorhandenen Bereicherung zurückzugewähren, führe zu unbilligen Ergebnissen. Diejenige Partei, die selbst nichts mehr zurückzuerstatten brauche, weil sie das von ihr Erlangte oder einen Gegenwert dafür nicht mehr in ihrem Vermögen habe, könne dennoch ihre eigene Leistung in voller Höhe zurückverlangen und damit die Verlustgefahr demjenigen aufbürden, bei dem der Verlust nicht eingetreten sei. Nach der gesetzlichen Auffassung sei der Vertrag ein "Nichts", damit entfalle jede rechtliche Verknüpfung der beiderseitigen Leistungen. Ebendiese Betrachtungsweise widerspreche aber der unbefangenen Anschauung der Verhältnisse, lIder Natur der Sache". Es seien nicht einzelne Leistungen erbracht, sondern Leistungen ausgetauscht worden. Die Erfassung der rechtlichen Struktur eines Geschehens werde vom typischen Sinn der Lebensvorgänge, d. h. von lIder Natur der Sache", mitbeeinflußt78 • Diesem Sinn der Vorgänge werde man nur gerecht, wenn man den gesamten Leistungsaustausch als eine Einheit sehe7'. Ob und inwieweit "die Natur der Sache" eine Rechtsquelle für die Saldotheorie darstellen kann, ist zweifelhaft. Jedem Geschehen liegen natürliche Lebensvorgänge zugrunde. Diese werden von der Rechtsordnung, aufbauend auf ihrer Ordnungsfunktion und beeinflußt von der herrschenden Ethik und Moral, nach gewissen grundsätzlichen Prinzipien bewertet. Naturgemäß kann es vorkommen, daß der zugrunde liegende Lebenssachverhalt bei der Bewertung durch den Gesetzgeber in seinen Eigenarten und Besonderheiten nur ungenügend Berücksichtigung gefunden hat bzw. sogar übersehen wurde. In diesem Fall muß zur Vermeidung von Unbilligkeiten eine von der ausdrücklichen gesetzlichen Anordnung abwei.chende, interessengerechte rechtliche Bewertung erfolgen. Es bietet sich an - wie die Vertreter des gesc.~ilderten Begründungsversuchs richtig erkennen -, diese an lIder Natur der Sache", dem Sinn der tatsächlich gegebenen Lebensvorgänge, anknüpfen zu lassen. Keinesfalls aber darf man soweit gehen, aus der zugrunde liegenden Situation ohne weiteres eine bestimmte Rechtsfolge zu entnehmen. Die neu erkannten Besonderheiten des Lebenssachverhalts müssen zunächst an ihnen entsprechenden bzw. ähnlichen bereits fixierten Wertungen des Gesetzgebers gemessen werden. Erst in Anlehnung an eine solche verwandte Regelung dürfen dann die Rechtsfolgen be77 Larenz, Schuldrecht § 70 III; ders., Methodenlehre 2. Aufl. S. 392 ff.; einschränkend in Methodenlehre 3. Auf!. 5.406 ff.; Diesselhorst 5.32 ff. mit teilweise von der Saldotheorie abweichenden Ergebnissen. 78 So Larenz, Methodenlehre 2. Aufl. S. 393. 78 Larenz ebd.

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stimmt werden, etwa in Form einer Analogie oder der Einbeziehung in eine Generalklausel. Wollte man allein aus der Natur der Sache eine beliebige Rechtsfolge entnehmen, so würde das gesetzliche System, was Art und Anzahl der Rechtswirkungen angeht, bald durchlöchert sein. Auf längere Sicht wäre eine Rechtsunsicherheit kaum zu vermeiden. Auf die Saldotheorie bezogen heißt das: Der Gesetzgeber mag die besondere Situation der bereicherungsrechtlichen Abwicklung gegenseitiger Verträge übersehen oder nur ungenügend geregelt haben. Eine daraus entstehende erhebliche Unbilligkeit sei unterstellt. Kaum aber ergibt sich aus dem bloßen Lebensvorgang des Leistungsaustauschs gerade der Weg, den die Saldotheorie zur Beseitigung der Unbilligkeit beschreitet. Es fehlt der Schritt der Vergleichung mit einer bereits fixierten ähnlichen gesetzlichen Regelung. Die Konstruktion der Saldotheorie, den Wert der weggegebenen Leistung von dem Kondiktionsanspruch der anderen Partei abzuziehen, findet in keinem anderen Gegenseitigkeitsverhältnis eine Parallele. Im Gegenteil, die Einschränkungen und Ausnahmen, die die Saldotheorie machen muß, um überhaupt durchführbar zu sein80 , zeigen, daß sich ihre Rechtsfolgen offensichtlich nicht in das gesetzliche System einfügen, ja den anderweitigen gesetzlichen Wertungen sogar widersprechen. Die "Natur der Sache" kann aber - wenn überhaupt - nur Rechtsquelle für mit der übrigen Rechtsordnung in Einklang stehende Wirkungen sein. Die Tatsache des Leistungsaustauschs bei nichtigen gegenseitigen Verträgen, die hier als "Natur der Sache" zu bezeichnen ist, verlangt lediglich, daß die Erbringung der Gegenleistung überhaupt irgend wie Einfluß auf die rechtliche Würdigung nehmen muß. über die konkrete Form und Intensität einer solchen Einflußnahme kann in der Folge dagegen nur entschieden werden im Vergleich zur Art und Weise, in der verwandte gesetzliche Fixierungen eine Berücksichtigung der Gegenleistung für zulässig erklären. Nur so ist eine nahtlose Einordnung in das übrige Haftungssystem des Bürgerlichen Gesetzbuches gewährleistet. Eine Begründung speziell für den von der Saldotheorie beschrittenen Weg kann der Gesichtspunkt der "Natur der Sache" also nicht liefern. 3238. Zusammenfassung

Die vorstehenden Ausführungen haben gezeigt, daß eine ausreichende Begründung für die Saldotheorie bisher nicht gefunden wurde. Die besprochenen Rechtfertigungsversuche wählen entweder einen unrichtigen Ansatzpunkt, oder ihre Gedankenentwicklung überzeugt nur zum Teil. Solange jedoch die inhaltlichen Aussagen der Saldotheorie nicht zufrie80 In den Fällen des Minderjährigenschutzes, der Vorleistung, des Wertungswiderspruchs zu §§ 350, 351 und §§ 985 ff., vgl. unten 324.

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denstellend begründet werden können, hilft auch die Tatsache, daß die RechtsprechungS1 und der weitaus überwiegende Teil der Literatu:r82 deren Thesen unbeirrt durchführen, wenig weiter. Man zeigt damit nur, daß eine der Rechtsordnung besser entsprechende Lösung bisher nicht gefunden wurde, d. h. noch zu suchen ist. 324. Einschränkungen und Wertungswidersprüche der Saldotheorie

Wie bereits angedeutet, stehen die Aussagen der Saldotheorie in manchen Bereichen im Widerspruch zu anderweitig getroffenen gesetzlichen Wertungen. Man sah sich daher gezwungen, den Anwendungsbereich der Saldotheorie teilweise einzuschränken.

3241. Der Schutz der Geschäftsbeschränkten und Geschäftsunfähigen Einer der Fälle, in denen die Anwendung der Saldotheorie zu fragwürdigen Ergebnissen führt, ist die Rückabwicklung von Verträgen mit Geschäftsunfähigen oder Geschäftsbeschränkten. Der Vertragspartner eines unwirksamen Geschäfts mit einem Minderjährigen kann sich nach den Grundsätzen der Saldotheorie gegenüber der Kondiktion durch den gesetzlichen Vertreter stets auf die Hingabe der Gegenleistung berufen, einer Gegenleistung, die auf seiten des Minderjährigen selten lange von Bestand ist, weil besonders Minderjährige oft Verträge über unnütze und überflüssige Gegenstände schließeni. Im Ergebnis würde letzterem Personenkreis demnach in vielen Fällen der Einwand des Wegfalls der Bereicherung entzogen. Wollte man die Saldotheorie auch gegenüber Geschäftsbeschränkten und Geschäftsunfähigen durchführen, so wären diese gerade in bezug auf solche Geschäfte schutzlos, die ihnen keinen bleibenden Vorteil bringen, vor denen sie eben deshalb besonders geschützt werden müssen. Die Anrechnung der Gegenleistung darf nicht zu einer Vergütung durch den Minderjährigen führen2 • Das Prinzip der Saldierung steht hier im Widerspruch zu den Grundsätzen des Minderjährigenschutzes. Man ist sich daher weitgehend einig darüber, daß eine Anwendung der Saldotheorie zuungunsten des Geschäftsunfähigen bzw. Geschäftsbeschränkten zu unterbleiben hat3. Die Argumentation im Minderjährigenbeispiel zeigt deutlich, daß auch die Vertreter der Saldotheorie eine wesentliche, gefahrvolle Aus81 Vgl. oben fußnote 1, die Saldotheorie wird häufig sogar als "richterliche RechtsfortbiIdung" bezeichnet, Larenz, Schuldrecht § 70 III, ders. Methodenlehre, 2. Aufi. S. 392 ff. 82 Vgl. oben Fußnote 2. 1 Vgl. dazu Horst S. 143. 2 So auch Medicus § 12 II 3 d. 3 Larenz, Schuldrecht § 70 III; Medicus § 12 II 3 d; Fikentscher § 100 VI 3; Palandt I Thomas § 818 Anm. 6 D c; Flume, Festschrift Niedermeyer S. 164 f.

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wirkung ihrer Ansicht erkannt haben. Nach der Saldotheorie hat die Tatsache, daß eine Leistung nicht mehr vorhanden ist, zur Folge, daß die Rückabwicklung des Vertrages - abgesehen von der Ausgleichung der in den meisten Fällen ohnehin nicht vorhandenen Wertdifferenz völlig unterbleibt. Damit wird die ursprüngliche Nichtigkeitsanordnung weitgehend unterlaufen. Eines der Grundprobleme der Diskussion um die Saldotheorie läuft folglich auf die Frage hinaus, ob der Inhalt der Nichtigkeitsanordnung wirklich so geringwertig bemessen werden darf, daß sich die bereicherungsrechtliche Folgenbeseitigung ohne großen Aufwand darüber hinwegsetzen kann. Zum Teil beantwortet die herrschende Auffassung diese Frage bereits selbst, wenn sie zugibt, daß in gewissen Fällen, wo die hinter der Nichtigkeitsanordnung stehende gesetzliche Wertung auf unverzichtbaren Prinzipien beruht - wie etwa dem Minderjährigenschutz -, eine Saldierung unterlassen werden muß. Sie erkennt damit an, daß zumindest in einigen Fällen die Nichtigkeitsanordnung ihre Aufgabe nur erfüllen kann, wenn Leistung und Gegenleistung getrennt rückabgewickelt werden. Das heißt, hier geben auch die Vertreter der Saldotheorie zu, daß die Rechtswirkungen der Nichtigkeit jeglichen Zusammenhang zwischen Leistung und Gegenleistung zerstört haben. Um dem Prinzip der Saldierung trotz dieser Erkenntnis noch einen Anwendungsbereich zu erhalten, geht die Saldotheorie einen zweifelhaften Weg: Sie splittert den Begriff der Nichtigkeit in zwei unterschiedlich starke Ausprägungen auf. Nur die obengenannte Nichtigkeitsabstufung soll eine derart intensive Rechtswirkung haben, daß die Verbindung von Leistung und Gegenleistung völlig ausgelöscht ist, während die andere Abstufung, die Nichtigkeit im Normalfall, sich mit einer Rechtswirkung zu begnügen hat, die sogar den Leistungsaustausch bestehen läßt. Äußerst fraglich muß erscheinen, ob die Beseitigung einer allein in der bereicherungsrechtlichen Abwicklung auftauchenden Unbilligkeit - das erklärte Ziel der Saldo theorie - ausreichender Anlaß sein darf, einen der Grundbegriffe des bürgerlichen Rechts, die Nichtigkeit, so erheblich zu verwischen.

3242. Vorleistungsjälle Problematisch ist die Anwendung der Saldotheorie auch bei nur einseitig ausgeführten Verträgen. Wenn die vorgeleistete Sache ersatzlos beim Käufer 4 untergeht, besteht die Möglichkeit einer Saldierung nicht, da dem Käufer seinerseits kein Kondiktionsanspruch zusteht - er hat den Kaufpreis noch nicht bezahlt -, von dem der Wert der untergegangenen Sache abgezogen werden könnte. Vielfach wird daher in diesen 4

Hier sei als Beispiel ein Kaufvertrag gewählt.

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Fällen mit dem Argument, eine synallagmatische Verknüpfung von Leistung und Gegenleistung sei hier schon begrifflich unmöglich, eine Anwendung der Saldotheorie abgelehnt5• Das heißt, § 818 Abs.3 soll in voller Schärfe den Bereicherungsanspruch des Vorleistenden treffen. Wer vorleiste, tue das auf eigene Gefahr. Die Unanwendbarkeit der Saldotheorie in den Vorleistungsfällen ist mit Recht beanstandet worden6 • Die Unbilligkeit einer Lösung allein über § 818 Abs. 3, mit der die Existenz der Grundsätze der Saldotheorie immer wieder gerechtfertigt wird, ist bei nur einseitig ausgeführten Verträgen in gleichem Maße gegeben wie im Normalfall gleichzeitiger Leistungserbringung. Auch die Vorleistung wird erbracht, um die Gegenleistung - wenn auch erst etwas später - zu erhalten. Und wenn der Empfänger das Vorgeleistete verwertet, so tut er dies keinesfalls etwa im guten Glauben daran, daß er die Gegenleistung nicht mehr werde erbringen müssen7 , sondern er hält sich ja gerade aufgrund des vermeintlich wirksamen Vertrages zu ihrer Erbringung verpflichtet8 • Ob die Gegenleistung gleichzeitig mit der Leistung erbracht wird oder ihr nur wenig später nachfolgen soll - auch letzterer Fall stellt eine Vorleistung dar - kann nicht darüber entscheiden, wer die Gefahr des Bereicherungswegfalls zu tragen hat9 • Der mehr oder weniger zufällige Zeitabstand zwischen Leistungs- und Gegenleistungserbringung beeinflußt in keiner Weise die Tatsache, daß ein Leistungsaustausch beabsichtigt war. Die herrschende Ansicht verkennt die bereicherungsrechtliche Bedeutung einer Vorleistung. Den Vorleistenden trifft allgemein nur das Risiko der Vermögenslosigkeit des Partners, im übrigen aber besteht kein Grund, ihn gegenüber dem Normalfall gleichzeitiger Leistungserbringung zu benachteiligen10 • Andererseits läßt sich jedoch der Anwendungsbereich der Saldotheorie nicht ohne weiteres auf die Vorleistungsfälle ausdehnen, wie es teilweise versucht wirdl1 . Dem steht in voller Schärfe das Ausgangs5 So die h. M., z. B. BGH LM Nr.2 zu § 813 Abs.3 BGB; Fikentscl1er § 100 VI 3,; Larenz, SchuldTecht § 70 TII; Medicus § 12 n 3 b; Palandt I Thomas § 818 Anm. 6 D c; Soergell Mühl § 818 Anm. 42. 6 Esser § 105 II 2; Diesselhorst S. 48 f.; Flume, Festschrift Niedermeyer S. 103 ff. (S. 162); Wieling AcP 169, 137 (150 ff.). 7 Vgl. Esser § 105 II 2; Diesselhorst S. 48 f. 8 Von der Nichtigkeit des Grundgeschäftes kann der Empfänger bei der ersatzlosen Verwertung noch keine Kenntnis gehabt haben, sonst griffe ohnehin die verschärfte Haftung des § 819 Abs. 1 ein. e So auch Flume, Festschrift Niedermeyer S. 103 ff. (162). 10 So vor allem Pawlowski S. 72 f.; Esser § 105 n 2. 11 So Esser § 105 II 2, über eine sog. "restriktive" Anwendung des § 818 Abs. 3; ähnlich Diesselhorst S.202

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argument der herrschenden Ansicht entgegen: Im Falle der Vorleistung besteht eine Saldierungsmöglichkeit erst gar nicht, da der Empfänger keinen Kondiktionsanspruch geltend machen kann, von dem der Wert der untergegangenen Sache abgezogen werden könnte. Mit anderen Worten, eine Abwicklung im Sinne der Saldotheorie ist undenkbar, solange ein Leistungsaustausch nicht vorgenommen wurde. Die Ansichten, die lediglich von einer "Erweiterung der Saldotheorie auf die Vorleistungsfälle" sprechen, vergessen entweder, den Vorgang der Saldierung zu schildern12, oder sie geben die gesamten Abwicklungsmodalitäten der Saldotheorie preis, d. h. sie vertreten in Wahrheit völlig abweichende Lösungsversuche 13,14. Dennoch kommt den genannten kritischen Auseinandersetzungen ein wesentliches Verdienst zu. Sie haben aufgezeigt, daß von der zugrunde liegenden Interessenlage her der Fall des nur einseitig ausgeführten Vertrages sich nicht wesentlich von dem des beiderseitig ausgeführten unterscheidet. Daß die herrschende Ansicht trotz dieser Feststellung eine unterschiedliche Behandlung beider Fälle vornehmen muß, eben weil das Prinzip der Saldierung ohne einen Leistungsaustausch nicht auskommt, läßt nur die Folgerung zu, daß zumindest der Weg, den die Saldotheorie beschreitet, an den Ursachen der Unbilligkeit vorbeigeht. Nicht die bloße Tatsache des Leistungsaustausches, das Synallagma, macht das von der Zweikondiktionentheorie erzielte Ergebnis unbillig, sondern wenn überhaupt, dann reicht dazu bereits die Vorstellung einer jeden Partei, die eigene Leistung in Erwartung der Gegenleistung zu erbringen, aus. Eine mögliche Unbilligkeit findet ihre Ursache also in der Bewußtseinsebene der Parteien16 • Geprägt wird das Bewußtsein dabei durch die Tatsache des Vertragsschlusses selbst.

3243. Der Wenungswiderspruch mit dem Rücktrittsrecht Schwierigkeiten bereitet den Vertretern der Saldotheorie auch die Einordnung der Fälle, in denen der arglistig getäuschte Käufer sowohl wandeln wie auch anfechten kann. Zu diesem Problemkreis sind in den Jahren 1970 und 1971 zwei Entscheidungen des Bundesgerichtshofes z. B. Esser § 105 II 2. B. Diesselhorst S. 202. 14 Auch Medicus § 12 II 3 b dd stellt fest, daß eine Erweiterung des Synallagmas und somit des Anwendungsbereichs der Saldotheorie höchstens ausnahmsweise zulässig sein darf. 16 Daher gehen letztlich auch die von Medicus § 12 II 3 b dd gegen die Ansicht Essers vorgebrachten Argumente fehl. Sie treffen nur insoweit zu, als sie eine Erweiterung des Synallagmas ausschließen; die entscheidende Frage, ob der Leistungsaustausch wirklich Ursache der oft empfundenen Unbilligkeit ist, prüft Medicus dagegen nicht. 12

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ergangenl6 , die in der Literatur zu lebhaften Diskussionen geführt haben11• 32431. BGHZ 53, 144 Im ersten Fall verkauft V. an K. einen gebrauchten PKW und täuscht den K. dabei arglistig über die bereits vom Fahrzeug zurückgelegte KilometerzahP8. Einen Tag nach der Auslieferung wird der Wagen ohne Verschulden des K. schwer beschädigt. K. ficht nun den Kaufvertrag nach § 123 an und verlangt den gezahlten Kaufpreis zurück. Neben schadensersatzrechtlichen Aspekten enthält dieser Sachverhalt vor allem eine für die vorliegende Arbeit relevante bereicherungsrechtliche Problematik: Folgt man konsequent den Grundsätzen der herrschenden Saldotheorie, so müßte bei einer Anfechtung vom Kaufpreisrückerstattungsanspruch des K. der Wert des Wagens abgezogen werden. Hätte K. dagegen nicht angefochten, sondern nur gewandelt, so hätte er den vollen Kaufpreis zurückverlangen können, weil nach § 35019, der über § 467 anwendbar ist, die unverschuldete Zerstörung des Wagens durch K. ohne Berücksichtigung bleibt. Die Gefahr des zufälligen Untergangs der Sache trägt bei der Anfechtung also der Käufer, bei der Wandlung dagegen der Verkäufer. Diese widersprüchliche Risikozuweisung hat den Bundesgerichtshof dazu veraniaßt, für die Fälle der arglistigen Täuschung eine Ausnahme von der Saldotheorie zu machen und die aus der Anfechtung resultierenden Bereicherungsansprüche nach der Zweikondiktionenlehre abzuwickeln, die über § 818 Abs. 3 zur gleichen Risikotragung führt wie § 350. Für "normale" Bereicherungsfälle sei zwar die Risikoregelung der Saldotheorie der des § 350 vorzuziehen, im Sonderfall der arglistigen Täuschung dürfe aber der Betrüger - auch bei der Abwicklung nach der Anfechtung durch seinen Vertragsgegner - nicht besser stehen als ein Rücktrittsschuldner2°. 16 BGHZ 53, 144 = LM Nr ..1.5 zu § 818 Abs.3 BGB = NJW 1970, 656 = JZ 1970, 416 = MDR 1970, 408 = BB 1970, 229 = Betr. 1970,392; BGHZ 57, 137 = NJW 1972, 36 = JR 1972, 110 = BB 1972, 14 = WM 1971, 1476. 11 Medicus § 12 II 3 c; Flume NJW 1970,1161; Honsell MDR 1970, 717; Diesselhorst, Urteilsanm. JZ 1970,418; Weitnauer, Urteilsanm. NJW 1970, 637; von Caemmerer, Festschrift Larenz S. 621; Flessner NJW 1972, 1777; Huber JuS 1972,439; Honsell NJW 1973,350; Lieb, Urteilsanm. JZ 1972,442. 18 Beide Sachverhalte werden hier in erheblich vereinfachter Form geschildert. 18 § 351 findet auf den unverschuldeten Untergang nach der Lösung des Gesetzes keine Anwendung; auf die Versuche, den Anwendungsbereich des § 350 durch erweiternde Auslegung des § 351 einzuschränken, wird später eingegangen, vgl. unten 35223. 20 BGHZ 53, 144 (148), im Ergebnis zustimmend Weitnauer NJW 1970, 637; Diesselhorst, Urteilsanm. JZ 1970, 418.

4 Bremecker

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Widersprochen worden ist dem Ergebnis des Bundesgerichtshofes vor allem von Flume und von von Caemmerer2 1• Wenn der Käufer mit dem Auto im Verkehr fahre, so übernehme er bewußt ein Risiko, dessen negative Folgen er allein zu tragen habeU. Infolgedessen habe der Verkäufer nur dann für die Unfallfolgen einzustehen, wenn der Unfall auf einem Mangel des gelieferten Wagens beruhe; alle anderen Unfallschäden müsse der Käufer selbst tragen, wobei es unerheblich sei, ob letzterer den Unfall verschuldet habe oder nicht2ll • Dieser Auffassung muß zugestanden werden, daß sie zu ohne weiteres vertretbaren Ergebnissen führt. Der Unfall geschieht allein in der Sphäre des Käufers, also völlig unbeeinflußbar vom Verkäufer. Es erscheint daher nur konsequent, den Käufer, von dessen Entscheidungen und Fähigkeiten Fahrt und Fahrverhalten primär abhängen, mit dem geschilderten Schadensrisiko zu belasten. Aber auch für die Ansicht des Bundesgerichtshofes spricht eine nicht von der Hand zu weisende Überlegung: Wenn die beim Käufer untergegangene Sache schlicht mangelhaft war, darf dieser wegen §§ 467, 350 den Kaufpreis uneingeschränkt zurückfordern - soweit er den Untergang nicht selbst verschuldet hat, § 351. Dann muß der Käufer, der über die Mangelhaftigkeit zusätzlich noch getäuscht wurde, unter mindestens den gleichen Voraussetzungen behandelt werden. Aus der im letzteren Fall zusätzlich gegebenen Anfechtungsmöglichkeit dürfen dem Käufer keine Nachteile entstehen. Letztlich läuft der Meinungsstreit also auf die grundsätzliche Frage hinaus, ob die in § 350 gesetzlich angeordnete Risikozuweisung, wonach bei zufälligem Untergang ein Rücktritt nicht ausgeschlossen ist, eine interessengerechte Lösung bietet!4. Die Regelung des § 350 ist, insbesondere in der näheren Vergangenheit, häufig als rechtspolitisch verfehlt bezeichnet worden25• Soweit die Kritik sich darauf bezieht, in den Fäl21 Flume NJW 1970, 1161; von Caemmerer, Festschrift Larenz S.639; ebenso ablehnend Honsell MDR 1970, 717. 22 Flume führt hier konsequent die von ihm entwickelten, von der h. M. abweichenden Grundsätze zu § 818 Abs. 3 durch, ausführlich unten 342. 211 Von Caemmerer S.633. Von Caemmerer erreicht dieses Ergebnis über eine differenzierte Auslegung des Verhältnisses der §§ 350, 351; näher dazu unten 344. 24 Auf die Besonderheiten des Vorliegens einer arglistigen Täuschung braucht in diesem Zusammenhang nicht eingegangen zu werden, da nach § 350 der Verkäufer bei einer "gewöhnlichen" Schlechtlieferung ohnehin schon das volle Risiko trägt. 25 Enneccerus / Lehmann § 39 II; Esser, 2. Aufl. § 82 8, § 199 4 b; Schwenn AcP 152, 138 (143 ff.); E. Wolf AcP 153, 97 (142 ff.); Blomeyer AcP 154, 527 (544): heute noch: Soergel / Reimer / Schmidt § 350 Anm. 1; Palandt I Heinrichs § 350 Anm.2; Honsell MDR 1970, 717 (719). Ausführlich zu § 350 auch unten 35223.

32. Die Saldotheorie

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len des vertraglich vereinbarten Rücktrittsvorbehalts sei es unbillig, den Rücktrittsberechtigten zusätzlich zu der vereinbarten Berechtigung auch noch über § 350 einseitig zu bevorzugen, mag sie angebracht sein. Im Bereich der Sachmängelhaftung dagegen, der hier relevant ist, ist die zugrunde liegende Situation eine andere. Der Rücktritt bzw. die Wandlung wurde nicht von vornherein zugunsten einer Partei vereinbart, sondern keiner der beiden Geschäftspartner hat bis zum Zeitpunkt der Entdeckung des Sachmangels mit einer Rückabwicklung des Vertrages rechnen könnenu. Aus dieser Abweichung resultieren einige wesentliche Argumente für die Richtigkeit der gesetzlichen Risikoverteilung, wie vor allem Flessner und Diesselhorst überzeugend nachgewiesen haben27 : Zunächst ist darauf hinzuweisen, daß eine Gefahrtragungsvorschrift niemals ganz "gerecht" in dem Sinne sein kann, daß nicht gute Gründe für die gegenteilige Lösung vorhanden wären28 • Der Sinn der Wandlung überhaupt ist, dem Käufer die völlige Rückabwicklung des Vertrages zu ermöglichen, damit im Endeffekt der die minderwertige Sache zurückerhält, der für den Fehler einzustehen hat, nämlich der Verkäufer. Nur konsequent ist es daher, daß demjenigen, der die Vertragsauflösung allein verursacht hat, auch die Gefahr des zufälligen Untergangs als eine der wesentlichen Folgen des Vertrages zurückgeschoben wird29 • Zuvor war der ursprünglich wirksame Vertrag der Anlaß, die Gefahr des zufälligen Untergangs vom Verkäufer auf den Käufer übergehen zu lassen (§§ 446, 448). Wenn nun ebendieser Vertrag aufgrund der Wandlung in seinen wesentlichen Wirkungen30 aufgehoben wird, so entfällt damit jede Rechtfertigung für eine Gefahrtragung des Käufers31• Sicherlich entsteht durch die Risikozuweisung des § 350 eine gewisse Härte für den Verkäufer, da er ja nicht nur den Gewinn aus dem Vertrag, sondern auch den Substanzwert der Kaufsache verlieren soll. Doch wenn nun einmal einer der beiden den Schaden tragen muß, warum sollte dies der vertragstreue und auch sonst schuldlose Käufer sein und nicht der schlechtliefernde, somit vertragsbrüchige Verkäufer? Der Gesetzgeber entscheidet sachgerecht, wenn er die Gefahrzuweisung in § 350 an der Vorwerfbarkeit im Verhalten der 26 Sogar Leser, S.24, als Kritiker des § 350, gesteht der Vorschrift für das Sachmängelrecht ihre Bedeutung zu. 27 Grundlegend zunächst Glass, Gefahrtragung und Haftung beim gesetzlichen Rücktritt; Diesselhorst S.76; ders. JZ 1970, 419 Fußn.14; Weitnauer NJW 1970, 1164 f.; Flessner NJW 1972, 1780; wohl jetzt auch Blomeyer, Schuldrecht § 35 III 2; Larenz, Schuldrecht § 26 b, C. 28 So vor allem Glass S. 28; Flessner NJW 1972, 1780. 29 Vgl. mit ausführlicher Begründung Flessner NJW 1972,1780. 30 Nach h. M. hebt der Rücktritt das Vertragsverhältnis nicht als Ganzes auf, sondern wandelt es in ein Abwicklungsverhältnis um; vgl. Palandt / Heinrichs vor § 346 Anm. 1; näher zu §§ 346 ff. unten 35242. 81 Flessner S. 23.

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3. Die Bereicherungsbeschränkung bei gegenseitigen Verträgen

Parteien ausrichtet. Die Schlechterfüllung ist dem Verkäufer vorwerfbar; kein Vorwurf dagegen kann dem Käufer gemacht werden, weil er den Kaufgegenstand in Gebrauch genommen hat, denn allein zu diesem Zweck hat er ihn schließlich erworben. Und damit rechnen, daß der Vertrag wegen eines vom Verkäufer zu vertretenden Sachmangels rückabzuwickeln sein könnte, brauchte der Käufer nicht. Teilweise wird auch gegen § 350 angeführt, daß durch diese Vorschrift der Käufer die Möglichkeit erhalte, den Sachmangel zu benutzen, um sich von einem Schaden zu entlasten, den er unter normalen Umständen selbst zu tragen hätte32• Eine solche Situation taucht aber praktisch nur dann auf, wenn der Mangel erst infolge der Zerstörung des Kaufgegenstandes erkannt wird. In allen übrigen Fällen wird der Käufer sich unverzüglich nach Feststellung eines erheblichen Fehlers für eine Wandlung oder Minderung entscheiden. Die gerade geschilderte Ausnahmesituation ist nicht geeignet, die Richtigkeit der Gefahrzuweisung des § 350 für den Regelfall zu beeinträchtigen. Schließlich erfüllt § 350 auch einen rechtspolitischen Zweck. Die für den Verkäufer im Falle einer Wandlung ungünstige Gefahrverteilung wird diesen veranlassen, soweit eben möglich von vornherein mangelfrei zu liefern, ein wünschenswertes Ergebnis! Demnach erweist sich die von § 350 angeordnete Risikoverteilung als durchaus sinnvoll. Die immer wieder gegen die Vorschrift geäußerte Kritik ist hauptsächlich aus deren Widerspruch zur Risikoregelung der lange Zeit nahezu unumstritten herrschenden Saldotheorie zu erklären1l3• Jedenfalls sind ausreichend gute Gründe vorhanden für die Entscheidung des Gesetzgebers, den Verkäufer mit dem Risiko des zufälligen Sachuntergangs zu belasten. Ob man angesichts dieser klaren Aussage des § 350 eine Risikoverteilung überhaupt vertreten kann, die im Grundsatz dem Käufer die Gefahr zuweist, ist äußerst zweifelhaft, soll aber an dieser Stelle noch nicht abschließend entschieden werden". Mag noch soviel für die Folgerung sprechen, das Fahren mit dem gekauften Wagen und die damit verbundenen Unfallgefahren müßten allein auf das Risiko des über den Fahrzeugeinsatz entscheidenden Käufers gehen35 , an der Risikoanordnung des Gesetzgebers in § 350 kann man nicht ohne weiteres vorbei. § 350 und dem hinter der Vorschrift stehenden Gedankengut wird man weder gerecht durch eine Gefahrumkehrung zu Lasten des Käufers, noch dadurch, daß man die So z. B. Blomeyer AcP 154, 544. Vgl. Flessner NJW 1973, 1780; heute dagegen ist die Saldotheorie oft herber Kritik ausgesetzt, vor allem durch Flume, Festschrift Niedermeyer S. 103 ff. (148 ff.); ders. NJW 1970, 1161 ff. (1162). 34 Dazu unten ausführlicher 3523. 35 Vgl. Flume NJW 1970, 1163; von Caemmerer. Festschrift Larenz S.639. 32

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Aussage der Vorschrüt zwar formal aufrecht erhält, inhaltlich aber völlig entwertet - etwa über eine ausufernde "Auslegung" des § 351 auf Kosten des § 35()3t. Eine erweiternde Auslegung des § 351 mag nützlich sein können, eine Entscheidung contra legern wird jedoch nur vermieden, soweit im Grundsatz die Aussage des § 350 wirklich erhalten bleibt. Auf den ursprünglichen Meinungsstreit bezogen bedeutet dies: Eine Risikozuweisung an den Käufer stünde im Widerspruch zu der mit guten Gründen vom Gesetzgeber für den Bereich der Sachmängelhaftung angeordneten Gefahrverteilung des § 350. Wegen der auch auf das Bereicherungsrecht ausstrahlenden Wirkung dieser Vorschrift - die bereicherungsrechtliche Abwicklung darf nicht entgegen der sachmängelrechtlichen entscheiden87 - muß auch bereicherungsrechtlich der Verkäufer das Risiko tragen. Gefolgt werden soll daher dem Bundesgerichtshof, der im Falle der arglistigen Täuschung zur Zweikondiktionenlehre zurückkehren will, da deren Risikoregelung, § 818 Abs. 3, der des § 350 entspricht. Die Erörterungen zu § 350 treffen aber nicht nur auf die Situation bei der arglistigen Täuschung zu, sondern sie haben für alle Fälle der Wandlung, ja in leicht abgewandelter Form sogar für alle Fälle des gesetzlichen Rücktritts Gültigkeit. Der Bundesgerichtshof sollte folglich überprüfen, ob nicht § 350 allgemein zu einer Korrektur der Saldotheorie führen mußlI8. Auch wenn die Erwägungen des Bundesgerichtshofes zur vorliegenden Fallkonstellation vom Ergebnis her richtig sind, kann ihnen ein Vorwurf nicht erspart werden: Mit welcher dogmatischen Begründung die Anwendung der Zweikondiktionenlehre, d. h. eine Ausnahme vom Prinzip der Saldierung, zu erklären sein soll, bleibt zweüelhaft, denn auch im Falle einer arglistigen Täuschung besteht aufgrund des kaufvertraglichen Leistungsaustausches ein Synallagma, eine wechselseitige Abhängigkeit der beiderseitigen Rückgewährleistungen. Darüber kann man sich nicht einfach hinwegsetzenllo • Festzuhalten ist an dieser Stelle, daß mit § 350 eine gesetzliche Wertung gefunden wurde, zu der die Saldotheorie in Widerspruch steht. Um dennoch billige Ergebnisse zu erzielen, müssen die Vertreter der 50 aber Wieling JuS 1973, 399; näher dazu unten 348. Vgl. oben 32431. 38 Wie es Medicus § 12 II 3 c aa vorschlägt. 38 Von Caemmerer ist daher der Auffassung, daß die arglistige Täuschung kein hinreichender Anlaß sei, um die wechselseitige Abhängigkeit der erbrachten Leistungen außer acht zu lassen; daher soll die Saldotheorie grundsätzlich auch bei arglistiger Täuschung gelten, Festschrift Larenz S. 637 m.w.N. 38 37

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3. Die Bereicherungsbeschränkung bei gegenseitigen Verträgen

Saldotheorie ein weiteres Mal deren Anwendungsbereich einschränken, ein Indiz dafür, daß die Saldierung von Leistung und Gegenleistung einen zweifelhaften Weg darstellt. Andererseits zeigt § 350 eine Risikoregelung auf, die der Gefahrzuweisung des § 818 Abs. 3 entspricht, gleichzeitig aber für den Bereich nichtiger gegenseitiger Verträge eine vertretbare Lösung anbietet.

32432. BGHZ 57, 137 Noch umstrittener ist die zweite Entscheidung: V. verkauft an K. einen gebrauchten Pkw und versichert dabei wahrheitswidrig, der Wagen sei unfallfrei. Einen Monat später erleidet K. durch einen von ihm allein verschuldeten Unfall Totalschaden. Auch hier ficht K. den Kaufvertrag an und verlangt den gezahlten Kaufpreis zurück. Den wesentlichen Unterschied zu Fall 1 bildet die Tatsache, daß dort das Fahrzeug ohne Verschulden des Käufers untergegangen ist, während das Kfz hier durch Alleinverschulden des Käufers zerstört wird. Der Bundesgerichtshof hat auch im vorliegenden Fall eine Anwendung der Saldotheorie abgelehnt, obwohl hier eine widersprüchliche Risikozuweisung nicht gegeben ist. Wegen §§ 467, 351 40 ist eine Wandlung durch K. ohnehin ausgeschlossen. Eine Berücksichtigung der Saldotheorie innerhalb der Anfechtungsfolgeansprüche ergäbe die gleiche Gefahrtragung 41 : K. müßte für sein Verschulden einstehen, da V. sich auf die Hingabe des Kfz berufen könnte. Daß der Senat trotz dieses fehlenden Risikowiderstreits zugunsten des arglistig Getäuschten die Zweikondiktionenlehre durchführen will, wirkt kaum verständlich. Insbesondere weil der Bundesgerichtshof in BGHZ 53, 144 für die Fälle arglistiger Täuschung die Wertung des § 350 der der Saldotheorie vorzieht, hätte es zumindest nahegelegen, hier durch Heranziehung des Rechtsgedankens aus § 351 das Ergebnis des § 818 Abs. 3 zugunsten des Verkäufers zu modifizieren4.2. Dieser Weg ist dem Senat anscheinend nicht flexibel genug, er läßt eine Berücksichtigung der arglistigen Täuschung durch V. nicht zu. Wohl aus diesem Anlaß läßt der Bundesgerichtshof zuvor postulierte schadensersatzrechtliche Erwägungen in die bereicherungsrechtliche Bemessung einfließen: K. habe wegen der arglistigen Täuschung des V., die gleichzeitig einen Betrug darstelle, 40 Wobei das Verschulden hier als zurechenbare Unachtsamkeit in eigener Angelegenheit zu verstehen ist, Erman / Westermann § 351 Rdn.4; Palandt / Heinrichs § 351 Anm. 2. 41 Sogar bezüglich des Minderwertes der Kaufsache tauchte kein Unterschied auf: Der Anspruch, den K. nach der Saldotheorie auf den Minderwert des Kfz hat, entspricht dem ihm nach § 462 zustehenden Minderungsanspruch, denn letzterer wird durch § 351 nicht ausgeschlossen. 4.2 Ähnlich Lieb, Urteilsanmerkung JZ 1972,444; Erman / Westermann § 818 Rdn.46.

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einen Schadensersatzanspruch aus §§ 826, 823 Abs. 2 BGB, 263 StGB gegen V. Der Unfall des K. sei adäquate Folge der Täuschung. Daß K. den Unfall verschuldet habe, mindere seinen Schadensersatzanspruch nach § 254. Bereicherungsrechtlich bedeute dies: Wegen des Totalschadens könne sich K. auf § 818 Abs. 3 berufen; gegen V. habe er dagegen einen Kaufpreisrückzahlungsanspruch. Für diesen Anspruch gelte zwar nicht § 254, dafür sei er aber - mit gleichem Ergebnis - nach § 242, von dem § 254 nur eine besondere Ausprägung sei, herabzusetzen43 • Der Argumentation des Bundesgerichtshofes kann nicht gefolgt werden. Bereits die vorgetragenen schadensersatzrechtlichen Erwägungen treffen nicht zu. Die Adäquanz zwischen Täuschung und Unfall mag man noch bejahen können44 , wenn man mit der Rechtsprechung den Adäquanzbegriff so weit faßt, daß nur ganz unwahrscheinliche Schadensfolgen ausgeschieden werden45 • Denn es ist nicht ganz unwahrscheinlich, daß jemand, der ein Auto benutzt, also auch der getäuschte Käufer, mit diesem Wagen einen Unfall erleidet. Die Unfallfolge liegt jedoch nicht mehr innerhalb des Schutz bereiches der angeführten Schadensersatznormen". Weder von § 823 Abs.2 BGB i. V. m. § 263 StGB, noch von § 826 soll der Getäuschte oder Betrogene davor geschützt werden, den Wagen aus eigener, freier Entscheidung den Gefahren des Straßenverkehrs auszusetzen47 , Für weitere Unfallfolgen hat das der Bundesgerichtshof sogar selbst anerkannt48 • Auch die Anwendung des § 254 auf den vorliegenden Fall unterliegt erheblichen Bedenken, denn § 254 setzt voraus, daß sich das gegenseitige Verschulden auf das gleiche Schadensereignis bezieht. Das sich in der Täuschung manifestierende Verschulden des V. steht in einem so entfernten, losen Zusammenhang zum Unfall, daß sich eine Heranziehung des § 254 kaum rechtfertigen läßt49 • Die jeweiligen Verschuldensformen betreffen so unterschiedliche Verhaltensweisen und weichen in ihrer Vorwerfbarkeit derart voneinander ab, daß ein "Zusammenspiel" in § 25460 unvertretbar erscheint5 1• Inkonsequent ist es daneben, über 43 Begrüßt wurde diese Entscheidung von Kühne, Urteilsanm. JR 1972, 112; Kritik übten Lieb, Urteilsanm. JZ 1972, 438; Huber JuS 1972, 439; Honsell NJW 1973, 350; von Caemmerer, Festschrift Larenz S. 620 ff. 44 a. A. Medicus § 12 II 3 c bb. 45 BGHZ 7, 198 (204) = NJW 1953, 700; Esser § 44 III 1; Larenz, Schuldrecht § 27 III b 1; Palandt I Heinrichs vor § 249 Anm. 5 b. 4G Ebenso Lieb, Urteilsanm. JZ 1972, 443; Huber JuS 1972, 440 f.; Flessner NJW 1972,1778 f.; von Caemmerer, Festschrift Larenz S. 641. 47 Näher dazu Flessner NJW 1972, 1778f. 48 BGHZ 57, 143. 49 Ahnlich Honsell NJW 1973, 352; Huber JuS 1972,442. 60 Der Ausdruck stammt von Honsell NJW 1973, 352. 61 Vgl. auch Lieb, Urteilsanm. JZ 1972, 443 f.

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3. Die Bereicherungsbeschränkung bei gegenseitigen Verträgen

§ 242 die Grundsätze des § 254 doch ins Bereicherungsrecht zu übernehmen, obwohl die Rechtsprechung bereits mehrfach für dieses Rechtsgebiet eine Abwägung und eventuelle Schadensteilung nach § 254 abgelehnt hatU ,

Vor allem muß dem Bundesgerichtshof aber entgegengehalten werden, daß sich die vorliegende Entscheidung völlig in Widerspruch zu dem bisher praktizierten Verständnis der §§ 818 Abs.3, 819 setzt, denn aufgrund dieser Regelung wäre der Käufer auch im Falle fahrlässiger oder vorsätzlicher Verschlechterung oder Zerstörung der Sache ohne weiteres entlastet. Und die vom Bundesgerichtshof für billig erkannte Schadensaufteilung geschieht nicht etwa durch eine offene Korrektur des § 818 Abs.3, sondern mit Hilfe der allzu unübersichtlichen Grundsätze des § 24263, Die Suche nach einer zufriedenstelIenden Lösung muß in einer Interessenabwägung ansetzen: Da nach bereicherungsrechtlichen Grundsätzen in der vorliegenden Fallkonstellation eine Schadensteilung unmöglich erscheint3", ist im Ergebnis der entstandene Schaden entweder voll35 dem arglistig täuschenden Verkäufer oder voll dem den Unfall verschuldenden Käufer zuzuweisen56• Für die Alternative, dem Verkäufer auch die Gefahr des vom Käufer verschuldeten Untergangs der Kaufsache aufzubürden, spricht kaum ein Argument. Entgegen der Anschauung Pawlowskis57 erscheint es nicht angebracht, in die zivilrechtliche Abwicklung Gesichtspunkte der Strafe und Abschreckung hineinzutragen58• Das Instrumentarium des Bürgerlichen Gesetzbuches ist nicht geeignet, das Maß der Vorwerfbarkeit von Verhaltensweisen zu ermitteln und im Anschluß daran ein "gerechtes" Urteil zu fällen. Weshalb sollte zum Beispiel der Betrüger nur dann "bestraft" werden, wenn die von ihm erbrachte Leistung nicht mehr vorhanden ist"? Damit ist gleichzeitig festgestellt, daß die gegenüber einer gewöhnlichen Schlechtlieferung möglicherweise erhöhte Vorwerfbarkeit einer arglistigen Täuschung zivilrechtlich keine besondere Ausprägung finden darf, sondern lediglich innerhalb bestehender Haftungsformen zu berück52 BGHZ 57, 151 f. unter Bezugnahme auf BGHZ 14, 7; BGHZ 37, 363; BGH WM 1970, 1297. 63 Wie Honsell NJW 1973, 352 zu Recht bemerkt, eröffnet der BGH damit den Weg "zu einem Ermessen, das an Willkür grenzt". 54. Vgl. die Ausführung zu § 254 und Fußn. 52. 55 Abgesehen von dem Minderwertausgleich, vgl. oben Fußn. 41. 56 Ebenso Lieb, Urteilsanm. JZ 1972, 443 f.; Huber JuS 1972,443. 57 Pawlowski S. 51. 58 Ebenso Honsell MDR 1970, 720; ders. NJW 1973, 351; von Caemmerer, Festschrift Larenz S. 637. sv Honsell NJW 1973, 351.

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sichtigen ist. Konkreter ausgedrückt: Die Systematik der Rechtsfolgen der Wandlung bzw. des Bereicherungsausgleichs darf wegen der Arglist des V. nicht verändert werdeneG • Bereicherungsrechtlich betrachtet ist demnach der arglistigen Täuschung über die Tatsache, daß sie einen Anfechtungsgrund liefert, d. h. die Vertragsnichtigkeit bewirkt, hinaus keinerlei Bedeutung zuzumessentl. Somit bleibt allein das Verschulden des K. als relevante Besonderheit. Ob die Tatsache des Verschuldens des Käufers dazu führen muß, das zuvor dem Verkäufer aufgebürdete Risiko jetzt auf den Käufer überzuwälzen, ist fraglich. Im Falle des zufälligen, also unverschuldeten Untergangs des Bereicherungsgegenstandes wurde dem Verkäufer die Gefahr allein deshalb zugewiesen, weil die Wertung des § 350 dies verlangteS!. Wird dagegen der Kaufgegenstand durch ein Verschulden des Käufers zerstört, so ist die Vorschrift des § 350 nicht mehr einschlägig. An ihre Stelle tritt nach rücktrittsrechtlicher Betrachtung mit § 351 eine Regelung, die auf die vorliegende Problematik genau zugeschnitten ist. Die rücktrittsrechtliche Parallele, die zuvor Anlaß war, die Anwendung der Saldotheorie in Frage zu stellen, weist hier dem Käufer das Risiko der Sachzerstörung zu. Es besteht daher keinerlei Notwendigkeit, das von der Saldotheorie erzielte Ergebnis wegen eines möglichen Wertungswiderspruchs in Frage zu stellen. Mit der Wertung des § 351 bietet sich eine Lösung an, deren Folgerungen durchaus billig zu nennen sind63 , denn irgendwo muß auch die Risikozuweisung an den arglistigen Verkäufer ihre Grenze finden. Es ist nicht einzusehen, daß allein aufgrund der von der Sphäre des Käufers völlig unabhängigen Tatsache der Täuschung diesem ein Freibrief zu jeglichem noch so vorwerfbaren, exzessiven Verhalten zugeteilt werden soll. Das Beispiel des § 351 zeigt ein vernünftiges Maß auf, in dessen Rahmen eine Schadensüberwälzung auf den Käufer gestattet werden kann. Einen Weg, die Wertung des § 351 ins Bereicherungsrecht einfließen zu lassen, bietet im vorliegenden Fall die Saldotheorie. Zwar berücksichtigt sie nicht das schuldhafte Verhalten des Käufers, aber sie erzielt - wie bereits dareG Ähnlich Flume NJW 1970, 1166 "die Rechtsfolgen der Wandelung haben mit der Arglist des Verkäufers nichts zu tun". Auf verwandten Überlegungen beruht auch die Argumentation von Caemmerers, die einmal als richtig erkannte Saldotheorie dürfe bei arglistiger Täuschung nicht einfach außer acht gelassen werden; vgl. oben Fußn. 39. 61 Honsell verweist in diesem Zusammenhang darauf, daß auch "hinter der Fehlentscheidung des BGH keine andere ratio stehe als die haltlose Strafidee", NJW 1973, 352. 62 Vgl. auch die Ausführungen zu BGHZ 53, 144 oben 32431. 63 Mag auch der BGH ein anderes Ergebnis für billig erachten, vgl. BGHZ 57,149.

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3. Die Bereicherungsbeschränkung bei gegenseitigen Verträgen

gestellt64 - über das Prinzip der Saldierung von Leistung und Gegenleistung zumindest das gleiche Ergebnig65. Zusammenfassend läßt sich feststellen: Die Rückkehr des Bundesgerichtshofs zur Zweikondiktionenlehre ist kaum darauf zurückzuführen, daß er im vorliegenden Fall deren Risikoregelung für sinnvoller erkannt hat, sondern sie geschah wohl nur, weil der Senat glaubte, auf diesem Wege eine Schadensteilung erreichen zu können". Da eine solche im Bereicherungsrecht für die gegebene Sachlage aber undurchführbar erscheint, bestehen wenig Zweifel an dem von der Literatur nahezu einhellig vertretenen Ergebnis, wonach der Käufer für den von ihm verschuldeten Schaden selbst einzustehen hat. Daß auch die Saldotheorie dieses Ergebnis erzielt, ist keinesfalls ein Argument für ihre dogmatische Richtigkeit, denn die Theorie ist nicht in der Lage, die Besonderheit des erörterten Falles, das Verschulden des Käufers, in irgendeiner Form zu berücksichtigen. Vielmehr spricht die Tatsache, daß die von der Saldotheorie grundsätzlich angeordnete Risikoverteilung auch die hier gegebene Ausnahmesituation interessengerecht lösen kann, eher gegen als für ihre Richtigkeit im Normalfall. Die rücktrittsrechtlichen Vorschriften der §§ 350, 351 verwerten dagegen die Besonderheiten im Verhalten des Käufers in bezug auf die Kaufsache angemessen.

3244. Der Wertungswiderspruch zur dinglichen Rechtslage Vor kaum lösbaren Schwierigkeiten stehen die Befürworter der Saldotheorie in Anbetracht der Tatsache, daß deren Risikozuweisung der des § 985 widerspricht: Der Käufer, der den erhaltenen Kaufgegenstand nach § 985 herausgeben muß, kann den beim Verkäufer inzwischen weggefallenen Kaufpreis nicht in Anrechnung bringen. Hat er die erlangte Sache dagegen weiterveräußert, verarbeitet, vermischt oder ähnliches, hat sich der gegen ihn gerichtete Anspruch aus § 985 also in einen Bereicherungsanspruch gewandelt - nach §§ 951, 812 oder 816 Abs. 1 -, so wird nach den Grundsätzen der Saldotheorie der beim Vgl. oben 32432. Die Lösung über die Saldotheorie vertreten Medicus § 12 II 3 c bb; wohl auch Honsell NJW 1973, 350 ff.; Lieb, Urteilsanm. JZ 1972, 444. Flume NJW 1970, 1166 und von Caemmerer, Festschrüt Larenz S.639 erzielen im vorliegenden Fall zwar das gleiche Ergebnis, hier, beim verschuldeten Untergang, wird aber noch deutlicher, daß ihre Ansicht contra legern entscheidet: Sowohl die Regelung des § 351 als auch die des § 819 zeigen auf, daß der Käufer nicht grundsätzlich für jede Folge der Teilnahme am Verkehr einzustehen hat, sondern daß eine solche Risikozuweisung nur unter ganz besonderen Voraussetzungen ausnahmsweise zulässig ist. 66 Denn das vom BGH letztlich für billig erkannte Ergebnis weicht ganz erheblich von dem der Zweikondiktionenlehre ab. 64

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Verkäufer untergegangene Kaufpreis vom eben genannten Bereicherungsanspruch abgezogen. Dadurch, daß der Käufer die Sache weiterveräußert, kann er also die Gefahr für die weggegebene Gegenleistung, die ihn zunächst nach § 818 Abs.3 traf, rückwirkend dem Verkäufer zuschieben. Eine so tiefgreifende Wirkung auf die Risikoverteilung zwischen den ursprünglichen Geschäftspartnern darf die Weiterveräußerung als völlig neuer unabhängiger Vorgang zwischen Dritten keinesfalls haben67 • In dieser Wirkung der Saldotheorie findet ein Großteil der gegen sie vorgetragenen Angriffe ihren Ansatzpunkt88• Insbesondere wird darauf hingewiesen, daß die §§ 816 Abs.1, 951 die Aufgabe haben, den Eigentumsschutz des § 985 lediglich zu ergänzen89, und sich daher nicht zu der von §§ 985,818 Abs.3 getroffenen Wertung in Widerspruch setzen dürfen70 • Zu Recht stellt man infolgedessen fest, daß sich eine einheitliche Abwicklung des nichtigen Vertrages auch bezüglich der dinglichen Ansprüche nicht umgehen läßt71 • Daß die Zweikondiktionenlehre diese Voraussetzung erfüllt, braucht nicht weiter ausgeführt zu werden, denn die oben als Risikoverteilung des § 985 geschilderte Situation ist die der Zweikondiktionenlehre. Eine Vereinheitlichung kann aber auch mit entgegengesetzter Gefahrzuweisung erreicht werden, wenn man mit der Lehre vom faktischen Synallagma den dinglichen Anspruch aus § 985 mit in die Saldierung einbezieht?:!. Nach dieser Auffassung könnte der Käufer sich auch gegenüber dem Anspruch aus § 985 auf die Hingabe der Gegenleistung berufen. Ohne Umschweife ist zuzugeben, daß die Lehre vom faktischen Synallagma ein wesentliches Bedenken gegen die Saldotheorie ausräumt. Der Widerspruch der Saldotheorie zu außerbereicherungsrechtlichen gesetzlichen Regelungen wird weitgehend vermieden, indem man die Saldierung gegenüberstehender Ansprüche auf die betreffenden parallelen Abwicklungen ausdehnt. Andererseits kann ebengenannter Auffassung der Vorwurf nicht erspart bleiben, daß ihr Ergebnis, die bevorzugte Behandlung des Käufers, nicht recht mit dem hinter § 985 Leser S. 26. Enneccerus / Lehmann S.912; Preissler S.37; SteIler S.44; von Caemmerer, Festschrift Rabel S. 387; Flume, Festschrift Niedermeyer S. 170 ff.; Lehmann, Festschrift Nipperdey S.34; von Tuhr, Festschrift Bekker S.307; Oertmann Recht 1919, 336; ders. DJZ 20 (1915), 1063. 69 Von Caemmerer, Festschrift Rabel S. 385, 386. 70 Vgl. z. B. Leser S.63: "die Funktion der Kondiktion wegen Bereicherung aus fremdem Gut ist die Ergänzung des Schutzes der dinglichen Rechte im Schuldrecht". 71 Eine einheitliche Abwicklung befürworten u. a. von Caemmerer, Festschrift Rabel S. 387; Flume, Festschrift Niedermeyer S. 170 ff. 72 So Leser S. 61 ff.; Diesselhorst S. 64 ff. 67

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stehenden Prinzip des Eigentumsschutzes73 vereinbar ist. Der Anspruch aus § 985 hat die Aufgabe, für eine klare dingliche Rechtslage zu sorgen. Der Eigentümer einer Sache soll sich auch in deren Besitz setzen können. Schuldrechtliche Gegenansprüche gewinnen dabei nur insoweit Relevanz, wie sie die Voraussetzungen des § 986 erfüllen. Mag die Skala der nach § 986 zu berücksichtigenden schuldrechtlichen Ansprüche auch relativ weit gefaßt sein, insbesondere weil nach herrschender Auffassung das Zurückbehaltungsrecht aus § 273 unter § 986 fällt74, so bedeutet das noch lange nicht, daß schuldrechtliche und dingliche Ansprüche vollkommen auf einer Ebene stehen. Nicht umsonst nimmt das Bürgerliche Gesetzbuch eine Zweigliederung in schuldrechtliche und dingliche Ansprüche vor, nicht umsonst führt es das Abstraktionsprinzip so konsequent durch: Die Eigentumslage an einer Sache soll möglichst transparent sein. Daher darf der oft umstrittene schuldrechtliche Hintergrund der Berechtigung nicht unmittelbar Einfluß auf sie ausüben. Bezöge man den Anspruch aus § 985 mit in die Saldierung ein, so büßte die Vorschrift einen erheblichen Teil ihrer Funktion, dem Eigentümer einer Sache der Klarheit wegen auch deren Besitz zuzuordnen, ein. Der Besitzer einer Sache brauchte seinen schuldrechtlichen Gegenanspruch nicht einmal mehr geltend zu machen76• Es ist demnach, vor allem wegen der andernfalls eintretenden Durchlöcherung des Abstraktionsprinzips, unzulässig, den Anspruch aus § 985 mit in die Saldierung einzubeziehen. Muß aber der Anspruch aus § 985 als unverzichtbares Prinzip weiterhin isoliert betrachtet werden, so lassen sich Wertungswidersprüche nur mit dem von der Zweikondiktionenlehre vertretenen Ergebnis vermeiden. Die geschilderte Problematik, insbesondere die Tatsache, daß die herrschende Auffassung den Wertungswiderspruch zwischen der von ihr vertretenen Saldotheorie und der Situation bei § 985 zwar konstatiert, einen Lösungsweg aber nicht anbieten kann7t, gibt erstmalig etwas deutlichere Hinweise auf den wohl entscheidenden Fehler der Saldotheorie: §§ 812, 818 Abs. 3 und § 985 ergänzen sich, was die jeweilige Aufgabenstellung und die daraus resultierenden Ergebnisse angeht. Basis dieser gegenseitigen Ergänzung ist eine gemeinsame Abwick73 Vgl. Erman I Hefermehl vor § 985 Rdn. 1; Soergell Mühl vor § 985 Anm.1. 74 BGH WM 1966, 1086; 1970, 1366; dagegen, wegen der abweichenden Struktur des Zurückbehaltungsrechts wohl mit Recht, Diederichsen S. 18 ff.; Palandt I Bassenge § 986 Anm. 2 d. 76 Dagegen ist nach einhelliger Ansicht das "Recht zum Besitz" aus §§ 986, 273 in jedem Fall einredeweise geltend zu machen, statt vieler: BGH WM

1966, 1086 (1088).

76 z. B. Planck I Landois § 818 Anm. 5 e; RGRK I Scheffler vor § 812 Anm. 22; Maenner DJZ 21 (1916), 283.

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lungsform. Beiden Vorschriften liegt eine getrennte Beurteilung ven Leistung und Gegenleistung zugrunde. Eine solche Trennung ist im Bürgerlichen Gesetzbuch die Regel. Das nahtlose Ineinandergreifen der entsprechend ihrer Aufgabenstellung unterschiedlichen Regelungen des Gesetzes geht von diesem Prinzip aus, und auch auf außergewöhnliche Interessenlagen wird nur in Berücksichtigung dieser Prämisse eingegangen. Selbst wenn, wie in den §§ 323 H. oder §§ 346 ff. ausnahmsweise Gegenseitigkeitsverhältnisse geregelt sind, wird der eben geschilderte Grundsatz nicht verlassen. Es besteht in allen Fällen ein Anspruch nur auf eine Leistung, die Erbringung der Gegenleistung wird entweder durch Anerkennung eines selbständigen Gegenanspruchs berücksichtigt77 oder sie findet als Ausschlußgrund in bezug auf den ursprünglichen Anspruch Beachtung7B. Eventuell vorgeschriebene Anrechnungen von Vorteilen oder Minderungen erfolgen erst, nachdem der Grundanspruch feststeht, als Feststellung des Haftungsumfangs. Daß Leistung und Gegenleistung zunächst verrechnet werden und dann von vornherein ein Anspruch in Höhe der WertdiHerenz entsteht - wie es die Saldotheorie vorschreibt -, ist im Gesetz beispiellos. Die Schwierigkeiten der Saldotheorie sind also - neben anderem - darauf zurückzuführen, daß ihre Abwicklung Leistung und Gegenleistung an der falschen Stelle, d. h. zu früh, miteinander verknüpft. Anders ausgedrückt, auftauchende Wertungswidersprüche sind mit der Systemwidrigkeit des Prinzips der Saldierung zu erklären.

3245. Die an einen Dritten erbrachte Gegenleistung Ob die Entscheidung der herrschenden Auffassung, die an einen Dritten erbrachte Gegenleistung nicht mit in die Saldierung einzubeziehen79, eine echte "Einschränkung der Saldotheorie" darstellt, ist zweifelhaft und soll noch erörtert werden. Jedenfalls rechtfertigt ihre Verwandtschaft zu den übrigen Wertungswidersprüchen eine Einordnung unter der genannten überschrift. Zugrunde liegt der Problematik etwa folgende Fallkonstellation: K. hat von V. eine dem Eigentümer E. abhanden gekommene Ware gekauft und diese anschließend zu neuen Erzeugnissen verarbeitet. E. verlangt von K. Wertersatz für die verarbeitete Ware nach §§ 951, 812. Es stellt sich nun die Frage, ob K. sich 77 Vgl. §§ 323, 324. 78 Vgl. §§ 350, 351. 79 So RGZ 106, 4 (7); RG SeuffArch. 66, 261 (Nr. 132); BGHZ 9, 333 (335 f.) = NJW 1953, 1020; BGHZ 14, 7 (9 f.) = NJW 1954, 1194 = MDR 1954, 470; BGH NJW 1960, 1713 (1715); BGH NJW 1970, 2059; BGHZ 55, 176 ("Jungbullenfall"); Palandt / Thomas § 818 Anm.6 C; Soergel/ Mühl § 818 Anm. 44; von Caemmerer, Festschrift Rabel S. 385 f.; Flume, Festschrift Niedermeyer 5.172; Lehmann, Festschrift Nipperdey 5.31 ff.; ders. JZ 1954, 701; Strutz NJW 1968, 141.

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gegenüber diesem Anspruch damit entlasen kann, er habe dem V., dem "Dritten" , ein Entgelt gezahlt. Die Rechtsprechung begründet ihre Auffassung, die Zahlung an den Dritten nicht als Minderung der Bereicherung zu berücksichtigen, vor allem damit, daß der Verarbeiter ja kaufrechtliche Gewährleistungsansprüche bzw. - im Falle der Nichtigkeit des Kaufvertrages - Bereicherungsansprüche gegen den Dritten erworben habe80• Wenn der Verarbeiter sich gegenüber der Kondiktion des ursprünglichen Eigentümers auf die Hingabe seiner Gegenleistung berufen wolle, so sei das eine Einwendung aus einem Rechtsverhältnis zu einem Dritten, die grundsätzlich unzulässig sei. Dieser Begründungsversuch übersieht, daß der Anspruch gegen den Dritten sehr oft nicht realisierbar ist81 • Tritt ein solcher Fall ein, so verlangen die Grundsätze der Saldierung, die nach herrschender Auffassung auch die Ansprüche aus §§ 951, 812 und 816 Abs.1 erfassen, eine Anrechnung der erbrachten Gegenleistung. Auf der gleichen Ebene liegt das Argument, es bestehe gar keine Vermögensminderung des Verarbeiters, weil letzterer die eingekaufte Ware in Besitz habe. Der bloße Besitz einer Ware, die man dem Eigentümer herausgeben muß, ist keinesfalls ein Äquivalent für den in der Regel dem Wert der Sache angemessenen Kaufpreis82• Kaum haltbar ist weiterhin die Rechtfertigung, daß zwischen der Minderung des Vermögens durch die Gegenleistung und dem Vorgang, der zur Bereicherung geführt hat, kein ursächlicher Zusammenhang bestehe83• Zu Recht wird dem entgegengehalten, daß der ursächliche und wirtschaftliche Zusammenhang zwischen Erwerb und dafür erbrachter Gegenleistung dem des Normalfalles der Saldotheorie, in dem die Gegenleistung an den vormaligen Vertragspartner erbracht wird, genau entspricht84 • Überhaupt ist die Situation des Empfängers, wie von Caemmerer zutreffend feststellt 86 , in beiden Fällen völlig gleich: Immer hat der Empfänger vertragsgetreu eine Gegenleistung erbracht; er wird es nicht einsehen, wenn er den aufgrund des Vertrages erhaltenen Kaufgegenstand wieder herausgeben muß, ohne letztere anrechnen zu können. Wollte man die Saldotheorie konsequent durchführen, so wäre demnach auch im vorliegenden Fall von einer Absetzbarkeit auszugehen. z. B. BGHZ 9, 333 (336); BGHZ 14, 7 (9 f.); BGHZ 34, 128. So auch Lehmann JZ 1954, 702; Strutz NJW 1968, 142. 82 Ebenso Lehmann JZ 1954, 702. 83 RGZ 106,4 und 7; 141,312; BGHZ 1, 75 (81); Liermann NJW 1951, 156. 84 Enneccerus / Lehmann § 227 III 4; Staudinger / Seufert § 818 Anm.35; Flume, Festschrift Niedermeyer S.154; von Caemmerer, Festschrift Rabel S.385. 85 Insbesondere von Caemmerer, Festschrift Rabel S. 385,386. 80

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Bezieht man jedoch die Interessen des Bereicherungsgläubigers ein und berücksichtigt auch die Aufgabenstellung der Kondiktion wegen Bereicherung aus fremdem Gut - nur diese ist hier betroffen -, so läßt sich nachweisen, daß die an einen Dritten erbrachte Gegenleistung den Kondiktionsschuldner nicht entlasten darf. Vor der Weiterveräußerung, dem Vebrauch oder der Verarbeitung war der Besitzer des Kaufgegenstandes der rei vindicatio des Eigentümers ausgesetzt, ohne wegen des gezahlten Preises ein Zurückbehaltungsrecht ausüben zu können. Diese Lage darf sich für den entreicherten Eigentümer nach Eintritt der eben genannten Tatbestände nicht grundlos verschlechtern, denn wie bereits festgestellt 86, erfüllt die Bereicherung aus fremdem Gut als schuldrechtliche Verlängerung des dinglichen Anspruches ausschließlich den Zweck, den Eigentumsschutz der §§ 985 ff. fortzuführen bzw. zu ergänzen87• Würde man einen Abzug der an einen Dritten erbrachten Gegenleistung zulassen, so wären die Ansprüche auf Wertersatz oder Erlösherausgabe nach §§ 812, 951, 816 Abs. 1 weitgehend ihrer Funktion beraubt. Zudem darf die Wertung des § 935 nicht übersehen werden, die auch den gutgläubigen Erwerber der Eingrüfskondiktion des ehemaligen Eigentümers aussetzt. Diese Wertung würde ihrer Wirkung beraubt, wenn dem Bereicherten die Anrechnung des Kaufpreises gestattet würde88• Unübersehbar ist auch der von Lehmann gegen eine Anrechnung vorgetragene Einwand89 • Es geht nicht an, den entreicherten Eigentümer mit dem Risiko des vom Bereicherten mit dem Dritten abgeschlossenen Erwerbsgeschäfts zu belasten. Der ehemalige Eigentümer konnte auf das Geschäft des Bereicherungsempfängers mit dem Dritten keinerlei Einfluß nehmen. Der Bereicherungsempfänger dagegen kannte alle Umstände und Einzelheiten des Geschäfts, insbesondere war er in der Lage, durch eine sorgfältige Auswahl des Lieferanten das Risiko einer Nichtdurchsetzbarkeit seiner Gewährleistungsansprüche möglichst gering zu halten. Eine Risikozuweisung kann hier also nur interessengerecht genannt werden, wenn sie letzteren belastet. Mit anderen Worten, der Abzug der an den Dritten erbrachten Gegenleistung ist nicht zulässig. Auf die Saldotheorie bezogen heißt das: Es ist ein weiterer Bereich gefunden worden, in dem sich die Grundsätze der Saldierung nicht

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Vgl. oben 3244.

So vor allem BGHZ 55, 176 (179); auch von Caemmerer, Festschrift Rabel S. 385,386; Leser, Saldotheorie S. 68. 88 Koppensteiner / Kramer S. 140. 8V Lehmann JZ 1954, 701. 87

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durchführen lassen9o• Ein dogmatisch vertretbarer Weg für die .hier notwendige Einschränkung der Saldotheorie ist nicht auffindbar. Die Lehre vom faktischen Synallagma aber glaubt, einen solchen anbieten zu können91 • Zwischen entreichertem Eigentümer und bereichertem Käufer liege kein faktisches Synallagma vor, da eine Beziehung schuldrechtlicher Art zwischen den Parteien zuvor nie bestanden habe. Doch auch diese Ansicht unterliegt erheblichen Vorbehalten. Sie beurteilt die den §§ 985 ff. zugrunde liegende gesetzliche Wertung widersprüchlich, wenn sie die dinglichen Ansprüche bzw. die zu ihrer Ergänzung angeordneten Bereicherungsansprüche einerseits von einer Saldierung ausschließt - wie vorliegend geschehen -, sie aber andererseits darin einbezieht, wenn die Parteien zuvor durch einen nichtigen Vertrag verbunden warenll2 • Hier soll die den §§ 985 ff. zugewiesene Aufgabe des Eigentumsschutzes so überragend wichtig sein, daß sogar gewisse Unbilligkeiten auf seiten des Empfängers in Kauf genommen werden, dort soll bereits die Tatsache eines nichtigen Vertragsschlusses ausreichen, dieselben Prinzipien unbeachtet zu lassen. Die Lehre vom faktischen Synallagma überschätzt damit die Bedeutung der nichtigen schuldrechtlichen Vereinbarung auf Kosten wesentlich relevanterer Prinzipien. Der Gesetzgeber hat nicht umsonst klar und eindeutig zwischen dinglichen und schuldrechtlichen Ansprüchen unterschieden. § 985 kann seine Funktion, überschaubare Eigentumsverhältnisse zu schaffen, nur erfüllen, wenn er weitgehend unabhängig von schuldrechtlichen Verknüpfungen98 durchgeführt wird. Mag die Lehre vom faktischen Synallagma die hier erörterte Problematik zutreffend entscheiden, ihre insgesamt widersprüchliche Stellungnahme zur Wertung des § 985 zeigt, daß auch ihr dogmatischer Vorschlag die Ergebnisse des Prinzips der Saldierung nicht retten kann. 325. Weitere Einwendungen gegen die Saldotheorie

Die Kritik an der Saldotheorieerschöpft sich nicht in den innerhalb der Diskussion um die Ausnahmen, Einschränkungen und Wertungswidersprüche gewonnenen Erkenntnissen, sondern es werden daneben noch andere Einwendungen vorgetragen, deren Relevanz im folgenden zu überprüfen ist. 80 Ebenso Diesselhorst S. 201: "die Saldotheorie kann die Nichtanrechnung von Entgeltleistungen an einen Dritten nicht begründen". 91 Leser, Saldotheorie S. 69. 92 Vgl. oben 3244. 93 § 986 zeigt den Weg auf, auf dem schuldrechtliche Gegenansprüche berücksichtigt werden können. Vgl. auch oben 3244.

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3251. Die Fälle ungleichartiger Leistungen Bereits erwähnt wurde die Problematik, die sich für die Saldotheorie auftut, wenn - wie im Regelfall - der Austausch ungleichartiger Leistungen riickabzuwickeln ist!. Eine folgerichtig durchgeführte Saldotheorie müßte hier wirtschaftlich-rechnerisch den Wertüberschuß aus Leistung und Gegenleistung ermitteln und in der errechneten Höhe einen Geldanspruch gewähren. Bei Gleichwertigkeit der ausgetauschten Leistungen entfiele demnach mangels eines überschusses notwendig ein Bereicherungsanspruch. Die Tatsache, daß die herrschende Auffassung eine solch konsequente Anwendung des Prinzips der Saldierung nicht zulassen will - sie behilft sich statt dessen mit einer Verurteilung auf Leistung Zug um Zug gegen Rückerstattung der Gegenleistung oder ihres Wertes2 - , zeigt deutlich, daß man die bei Ungleichartigkeit der Leistungen zutage tretenden Schwächen der Saldotheorie gesehen hat: Wenn Leistung und Gegenleistung von vornherein miteinander verrechnet werden, bleibt für eine Naturalrestitution kein Raum mehr. Die §§ 812 ff. können aber ihre Aufgabe, ungerechtfertigte Güterbewegungen zu korrigieren3 , nur bestmöglich erfüllen, wenn sie von einer Naturalrestitution ausgehen'. Nur eine Rückgabe des Bereicherungsgegenstandes in natura kann dem persönlichen, individuellen Interesse des Berechtigten an der ihm zustehenden Sache vollauf gerecht werden. Eine bloße Werterstattung dagegen, deren Umfang naturgemäß nach objektiven Kriterien ermittelt werden muß, erweist sich nicht nur als die erheblich aufwendigere Abwicklungsform, sondern ist vielfach auch wenig geeignet, dem eben angesprochenen Interesse des Berechtigten zu dienen. Nicht umsonst hat also der Gesetzgeber in den §§ 812 ff. primär die Naturalrestitution angeordnet, § 812 Abs.1 Satz 1, und die Werterstattung erst in zweiter Linie berücksichtigt, nämlich auf die Fälle beschränkt, in denen eine Sachherausgabe aus irgendeinem Anlaß nicht mehr möglich ist, § 818 Abs. 2. Selbst § 818 Abs. 3, der oft als Indiz für eine rein abstrakte Ermittlung der Bereicherung herangezogen wird', ändert diese grundsätzliche Betrachtungsweise nicht. Die Vorschrift macht lediglich deutlich, daß die Vermögenslage des Empfängers im Blickpunkt der bereicherungsrechtlichen Regelung stehtG. Befindet sich der erlangte Gegenstand noch im Vermögen des Empfängers lOben 321. 2 ygl. oben 321. 3 So Esser § 100 I 2; Larenz, Schuldrecht § 70 I; Fikentscher § 9711 1. 4 Vgl. dazu auch oben 222. 11 z. B. Staudinger I Seufert § 812 Anm. 9. 6 Esser § 100 I 1 c. 5 Bremecker

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3. Die Bereicherungsbeschränkung bei gegenseitigen Verträgen

und liegt auch keine sonstige Beschränkung der Bereicherungshaftung vor, so bleibt es bei einer Herausgabe des Gegenstandes in natura. Mag der Umfang der Bereicherung auch abstrakt, d. h. am Gesamtvermögen des Bereicherten, zu ermitteln sein7 , so bedeutet das noch lange nicht, daß die bereicherungsrechtliche Abwicklung insgesamt abstrakt zu erfolgen hat, d. h. sich nur auf den Wert der Sache beziehen darf. Der Bereicherungsanspruch ist kein abstrakter Wertersatzanspruch, sondern er ist konkret auf Rückgabe des Bereicherungsgegenstandes gerichtet, und das auch bei gegenseitiger Bereicherung. Eine konsequent durchgeführte Saldierung von Leistung und Gegenleistung kann aber nicht umhin, den Bereicherungsanspruch als reinen Wertersatzanspruch zu verstehen. Unverständlich bleibt, daß die herrschende Auffassung den Verstoß gegen den unverzichtbaren Grundsatz der Naturalrestitution8 zwar erkennt, sich aber lediglich mit einer Hilfskonstruktion zufriedengibt, anstatt das Prinzip der Saldierung als solches in Frage zu stellen. 3252. Die Umkehr der Gefahrtragung

Vielfach wird der Saldotheorie entgegengehalten, ihre Ergebnisse wichen erheblich von den Prinzipien der Gefahrverteilung ab, die sonst bei der Rückabwicklung von Verträgen gelten; insbesondere harmonisiere sie nicht mit den §§ 346 ff., 350, 327, 467 9 • Obwohl dieses Bedenken teilweise schon unter dem Gesichtspunkt des Wertungswiderspruchs mit dem Rücktrittsrecht behandelt wurde 10, soll hier noch einmal darauf eingegangen werden, um die Auswirkungen der von der Saldotheorie bewirkten Risikoverteilung deutlich zu machen. Bei einseitiger Bereicherung trägt der Leistende das Risiko, seine Leistung wieder zurückzubekommen, § 818 Abs.3. Als Folge der Saldotheorie tritt bei gegenseitiger Bereicherung zu diesem sog. "Leistungs'risiko" noch das sog. "Gegenleistungsrisiko"l1. Der Käufer12 eines Fahrzeugs erhält den Kaufpreis nur zurück, wenn einerseits der Kaufpreis noch beim Verkäufer vorhanden ist (Leistungsrisiko) und andererseits Vgl. oben 21l. Die Naturalrestitution wird als eines der tragenden Prinzipien des Bereicherungsrechts bezeichnet, z. B. Larenz, Schuldrecht § 70 II; von Caemmerer, Festschrift Rabel S. 368. 9 Enneccerus / Lehmann S.913; von Caemmerer, Festschrift Rabel S.387; Flume, Festschrift Niedermeyer S. 162; Lehmann, Festschrift Nipperdey S.36, 37; Oertmann JR 1931,232. 10 Vgl. oben 3243. 11 Vgl. Leser, Saldotheorie S. 173. 12 Gewählt ist wiederum das Beispiel eines Kaufvertrages. 7

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er selbst noch in der Lage ist, das gekaufte Fahrzeug vollwertig zurückzugeben. Ist letzteres dagegen untergegangen, so kann der Käufer seinen Anspruch auf Herausgabe des Kaufpreises nicht mehr durchsetzen (Gegenleistungsrisiko). Eine Gesamtbetrachtung der beiden genannten Risiken zeigt, daß die Saldotheorie eine dem § 818 Abs.3 völlig entgegengesetzte Risikotragung beinhaltet13 • Nach der Zweikondiktionenlehre, die § 818 Abs.3 entsprechend seinem gesetzlichen Wortlaut anwendet, trägt der Verkäufer das Risiko für den Untergang des Fahrzeugs beim Käufer. Nach der Saldotheorie trägt zwar formal wegen § 818 Abs.3 auch der Verkäufer dieses Risiko, da der Käufer sich aber von seinem Anspruch auf Kaufpreisrückerstattung den Wert des untergegangenen Fahrzeugs abziehen lassen muß, trägt er in Wahrheit den durch den Bereicherungswegfall entstandenen Schaden. Der Verkäufer kann nämlich den Kaufpreis behalten. Die Saldotheorie versucht, den Widerspruch zur Risikozuweisung des § 818 Abs. 3 etwas abzumildern und die gesetzliche Risikoanordnung wenigstens zu einem geringen Teil aufrechtzuerhalten, indem sie den Käufer nur in Höhe des wirklichen Wertes der bei ihm untergegangenen Kaufsache haften lassen will. Den über Wert gezahlten Kaufpreis soll der Käufer zurückverlangen dürfen. In Anbetracht der Tatsache, daß im Normalfall des gegenseitigen Vertrages Leistung und Gegenleistung sich wertmäßig weitgehend entsprechen, erweist sich die Haftungsbeschränkung auf den wirklichen Wert als nahezu überflüssiges Anhängsel der Saldotheorie, das lediglich ihre Durchführung noch weiter kompliziert. Das Zugeständnis einer solchen Haftungseinschränkung zeigt, daß auch den Vertretern der Saldotheorie nicht ganz wohl dabei ist, einerseits die Abwicklungsform des § 818 Abs.3 aufrechtzuerhalten und andererseits die Risikoentscheidung genau entgegengesetzt zu der des § 818 Abs. 3 zu treffen. Die von der Saldotheorie angeordnete Risikoverteilung beinhaltet eine in doppelter Hinsicht bedenkliche Wirkung: Bei einseitiger Bereicherung trägt der Geber das Risiko des Leistungswegfalls, bei gegenseitiger Bereicherung dagegen der Empfänger. Ob zwischen ein- und zweiseitiger Bereicherung ein so erheblicher Interessenunterschied besteht, daß eine vollkommen entgegengesetzte Risikotragung notwendig ist, ist äußerst fraglich, soll an dieser Stelle aber noch dahingestellt bleiben. Weiterhin darf nicht übersehen werden, daß die Risikoanordnung des § 350 und des § 818 Abs.3 übereinstimmen. Wenn die Saldotheorie eine zu § 818 Abs. 3 entgegengesetzte Risikozuweisung vornimmt, so durchbricht sie damit das bezüglich der Rückabwicklung 13 So auch von Caemmerer, Festschrift Larenz S.635; Leser S.173 spricht von der "gefahrüberwälzenden Wirkung der Saldotheorie" .

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gegenseitiger Verträge in sich geschlossene, einheitliche gesetzliche System14• Zu Recht wird der Saldotheorie also vorgeworfen, die Risikoanordnung des § 818 Abs. 3 dürfe nicht ohne weiteres umgekehrt werden.

3253. Die Aujrechterhaltung des nichtigen Vertrages Als entscheidendes Argument gegen die Saldotheorie wird immer wieder vorgetragen, daß sie in der Richtung der Aufrechterhaltung des nichtigen Vertrages wirke16• Wird die Saldierung konsequent durchgeführt, so geht der Bereicherungsanspruch allein auf die Wertdifferenz zwischen Leistung und Gegenleistung. Bei Gleichwertigkeit beider Leistungen - dem Normalfall eines synallagmatischen Vertrages wäre ein Bereicherungsanspruch begrifflich ausgeschlossen. Jede Vertragspartei behielte die empfangene Leistung. Damit bliebe es, trotz der Nichtigkeit, bei einer Erfüllung des zugrunde liegenden Vertrages. Dieses Ergebnis der Saldotheorie widerspricht sowohl der in § 812 Abs. 1 Satz 1 angeordneten Naturalrestitution als auch der gesetzgeberischen Erwägung, dem nichtigen Geschäft in jeder Form den rechtlichen Bestand zu versagen. Der überwiegende Teil der Vertreter der Saldotheorie16 wird - wohl aus diesen Gründen - seiner eigenen These untreu und läßt eine gegenseitige Rückgabe der empfangenen Leistungen zu, soweit sie noch in Natur vorhanden sind. Ist aber eine der beiden gleichwertigen Leistungen weggefallen, so soll die Gegenleistung nach einheitlicher Aussage der Saldotheorie endgültig in Händen der Partei bleiben, an die sie aufgrund des nichtigen Vertrages zunächst erbracht worden war. Bei ungleichwertigen Leistungen wird dieses Ergebnis nur insofern etwas abgemildert, als der Empfänger, bei dem die Leistung untergegangen ist, die von ihm erbrachte Gegenleistung nur zu dem Teil zurückverlangen kann, zu dem ihr Wert den der weggefallenen Leistung übersteigt. Im übrigen bleibt auch hier die einmal erbrachte Gegenleistung, wie im nichtigen Vertrag vereinbart, im Besitz des Vertragspartners. Die Tatsache der Aufrechterhaltung des Leistungsaustausches läßt sich, da sie eine der wesentlichen Wirkungen der Saldotheorie darstellt, auch durch etwaige Einschränkungen nicht beseitigen. Sie führt dazu, daß die hinter der Nichtigkeitsanordnung stehende Wertung des Gesetzgebers häufig unterlaufen wird17, denn oft will die Nichtigkeit ihrem Sinne nach gerade die vertragliche Risikoverteilung18 bzw. die Zweckvereinbarung der gegenseitigen Leistungserbringung erfas14 15 16

17 18

Vgl. auch oben 3244. Von Tuhr DJZ 21 (l!H6), 584; Schneider JheringsJ 62, 190. Vgl. oben 32 Fußn. 16. Vgl. oben 3241. Medicus § 12 II 3 b dd.

32. Die Saldotheorie

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sen. Selbst die Vertreter der Saldotheorie gestehen den Vorrang der Nichtigkeitsanordnung in einigen Fällen zu, wenn sie etwa bei Unwirksamkeit infolge Geschäftsunfähigkeit oder infolge Anfechtung wegen arglistiger Täuschung zur Zweikondiktionenlehre zurückkehren. Daß sie damit den vom Bürgerlichen Gesetzbuch einheitlich verstandenen Nichtigkeitsbegriff, was dessen Rechtswirkung angeht, in zwei unterschiedlich intensive Ausprägungen aufsplittern, wird ihnen anscheinend nicht bewußtl9 • Festzustellen bleibt, daß die hinter der Nichtigkeitsanordnung stehende gesetzliche Wertung, die ja erst ein Eingreifen der Bereicherungshaftung notwendig macht, absolut vorrangig sein muß gegenüber allen zu § 818 Abs. 3 vorgetragenen Prinzipien. Bei der Bestimmung des Bereicherungsumfanges darf nicht außer acht gelassen werden, was zuvor das Eingreifen der§§ 812 ff. überhaupt erst ennöglicht hat. Wenn die Saldotheorie den ursprünglichen Vertrag - zumindest teilweise - aufrechterhält, so überschreitet sie die Grenzen, denen sie als bloße bereicherungsrechtliche Abwicklungsregelung unterworfen ist, bei weitem. Die Nichtigkeitsanordnung bewirkt, daß die vertragliche Bindung als nicht vorhanden gilt. Damit besteht keinerlei Grund und Anlaß Il).ehr, der eine Aufrechterhaltung des Leistungsaustausches rechtfertigen könnte. Ergeben sich durch den Wegfall einer Leistung irgendwelche Unbilligkeiten, so kann deren Beseitigung regelmäßig nur unter Berücksichtigung des Rückaustausches der Leistungen, d. h. in Ansehung der Nichtigkeitswertung erfolgen. Im Einzelfall mag einmal eine Aufrechterhaltung des Leistungsaustausches ausnahmsweise zulässig sein. Keinesfalls darf aber innerhalb der bereicherungsrechtlichen Abwicklung die Beibehaltung des Leistungsaustausches zum Regelfall werden, wie es das Prinzip der Saldierung beinhaltet.

3254. Der Unterschied der Ergebnisse, je nachdem, wer zuerst klagt Gegen die Saldotheorie wird auch geltend gemacht, sie führe zu unterschiedlichen Ergebnissen, je nachdem, wer zuerst klage. Im Vorteil sei derjenige, der die Klage des Gegners abwarte 20• Wer im Falle beiderseitigen Leistungsaustausches klage, bekomme gemäß § 818 Abs. 3 nur das beim Gegner noch Vorhandene. Wenn er dagegen die Klage abwarte, so dürfe er den vollen Wert der von ihm erbrachten Gegenleistung auf die empfangene Bereicherung anrechnen, obwohl er diesen mit einer selbständigen Klage nicht mehr geltend machen könne. Das Gegenargument der Vertreter der Saldotheorie, es bestehe immer nur ein Bereicherungsanspruch auf den Aktivsaldo, somit sei auch nur eine Partei klageberechtigt2t, trifft nur bedingt zu, und zwar für die Fälle 19 20 21

Näher oben 3241 am Ende. Oertmann DJZ 20 (1915), 1065; ders. Recht 1919, 335; ders. JR 1931, 929. Weintraud S. 94, 95; Descombes S. 37,38.

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3. Die Bereicherungsbeschränkung bei gegenseitigen Verträgen

ungleichwertiger Leistungen, weil nur dort ein Aktivsaldo und damit eine Anspruchsberechtigung bestehen kann22 • Letztlich führt die Saldotheorie diesen Gedanken aber nicht einmal im Bereich ungleichwertiger Leistungen durch, da sie sowohl bei ungleichartigen als auch bei Ullgleichwertigen Leistungen eine beiderseitige Rückgabe in Natur zuläßt, d. h. auch der Geber der geringerwertigen Leistung hat einen eigenen Anspruch auf Rückgabe Zug um Zug gegen Rückgewähr des Empfangenen23 • Aus dem Vorstehenden ergibt sich: Da in nahezu allen Fällen beiden Parteien ein Bereicherungsanspruch zusteht, läuft nach der Saldotheorie der Kläger Gefahr, mit seiner Klage abgewiesen zu werden. Er steht sich besser, wenn er die Klage seines Gegners abwartet, da er dann die weggegebene Gegenleistung in jedem Falle und in voller Höhe von seiner Bereicherung abziehen kann. Daß die Saldotheorie ein so absonderliches Ergebnis erzielt, erklärt sich aus einem von ihr gemachten Konstruktionsfehler: Man kann nicht einerseits die für eine nur einseitige Bereicherung konzipierte Abwicklung des § 818 Abs.3 aufrechterhalten und anschließend innerhalb dieser Abwicklung plötzlich Leistung und Gegenleistung miteinander verrechnen. Wenn man schon eine Saldierung vornehmen will, so muß diese völlig unabhängig vom Wegfall der Bereicherung und somit von § 818 Abs.3 von vornherein rein rechnerisch durchgeführt werden. Beim nichtigen gegenseitigen Vertrag müßten zunächst Leistung und Gegenleistung miteinander verrechnet werden. Nur in Höhe der Wertdifferenz entstünde schließlich der - einzige - Bereicherungsanspruch. Damit wäre die Naturalrestitution aber völlig aufgegeben. 326. Die Saldotheorie in der RedltspredrUDI

Auf eine ausführliche Darstellung der Rechtsprechung zur Saldotheorie kann im folgenden verzichtet werden, da in neuerer Zeit bereits Leser1 und Diesselhors~ die einschlägigen Entscheidungen detailliert und übersichtlich zusammengestellt habenlI.

3261. Allgemeine Grundsätze Entgegen dem Wortlaut des Bürgerlichen Gesetzbuches, der von der Unabhängigkeit gegenüberstehender Bereicherungsansprüche ausgehV, Vgl. Horst S. 147. Weintraud S. 96; Staudinger / Seufert § 818 Anm. 45 C. 1 Leser, Saldotheorie S. 92 ff. l! Diesselhorst S. 32 ff. II Eine weitere ausführliche übersicht findet sich in der grundlegenden Darstellung Weintrauds S. 31 ff. 4 VgL hierzu wie auch zum folgenden Leser, Saldotheorie S. 172. 22

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32. Die Saldotheorie

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hat sich die Rechtsprechung von Anfang an zu einer Verknüpfung dieser Bereicherungsanspruche bekannt. Man beschritt den Weg der Saldierung von Leistung und Gegenleistung, weil es als unbillig angesehen wurde, daß der Empfänger einer Leistung seine Gegenleistung sollte herausverlangen dürfen, ohne zur Herausgabe des seinerseits Empfangenen bereit oder imstande zu seinfi • Der wirtschaftliche Bereicherungsbegriff bot die Möglichkeit, diese Billigkeitserwägung in bereicherungsrechtliche Grundsätze einfließen zu lassen: Die Gesamtberucksichtigung aller die Bereicherung mehrenden oder mindernden Umstände erfasse auch die Gegenleistung'. Die Gegenleistung des Empfängers bildet demnach einen Minderungsposten bei der Ermittlung seiner Bereicherung. Es wird dabei der Wert angesetzt, mit dem die Gegenleistung das Vermögen des Bereicherungsschuldners verlassen hat, d. h. ihr späteres Schicksal bleibt ohne Berucksichtigung7 • Die Rechtsprechung weist besonders darauf hin, daß aus dem fehlgeschlagenen Leistungsaustausch nur ein Bereicherungsanspruch resultiert. Dieser sei "in sich beschränkt" auf den überschuß der Aktiv- über die Passivposten8 • Die Erklärung der Aufrechnung bzw. die Geltendmachung eines Zuruckbehaltungsrechts erubrige sich folglich 9 • Im Konkurs sichere die Verknüpfung der beiden Bereicherungsanspruche den Gläubiger bei ungleichartigen Leistungen über § 54 KO hinauslO • Die wohl wesentlichste Auswirkung der Saldotheorie, die Gefahruberwälzung - nicht mehr der Verkäufer trägt das Risiko des Bereicherungswegfalls, sondern dieses geht nach dem Ergebnis der Saldotheorie faktisch auf den Käufer über11 - , wird durch zahlreiche Entscheidungen bestätigti!.

3262. Die Rechtsprechung zu Einzelfällen Die Vielfältigkeit der Rechtsprechung zur Saldotheorie ist nur überschaubar, wenn eine gewisse Schematisierung der betroffenen Entscheidungen vorgenommen wird. Ein sinnvolles Ordnungsschema läßt sich dabei schwer erstellen, da die zu schildernden Entscheidungen teils im Verhalten des Bereicherungsempfängers, teils in der Unterschiedlichkeit der jeweiligen Nichtigkeitsanordnung ihre Besonderheit finden. fi Wiederholt hat sich das RG ausdrücklich auf die Billigkeit gestützt, vgl. etwa RG Recht 1910, 2817. 6 RG WarnRspr. 1922, 149 (Nr. 122); RG JW 1915, 918; RGZ 139, 208. 7 RG GruchBeitr. 64, 717; RG WarnRspr. 1926,55 (Nr.46). 8 RG SeuffArch. 76, 42 (Nr. 26); RGZ 141,310; RGZ 139,208. 9 RG Recht 1916, 393. 10 RGZ 140, 156. 11 VgL näher dazu die Ausführungen oben 32152. 12 RG BankArch. 1905/06, 262; RG WarnRspr. 1926, 55 (Nr.46); RGZ 60, 284; RG WarnRspr. 1911, 363 (Nr. 325); RG JW 1918, 132; OLG FfM. JW 1929, 791; OLG Hamburg SeuffArch. 76, 34 (Nr. 21). 1

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3. Die Bereicherungsbeschränkung bei gegenseitigen Verträgen

Der Klarheit wegen sollen im folgenden beide Gesichtspunkte getrennt verwertet werden13• 32621. Der Gesichtspunkt, wer den Bereicherungswegfall zu vertreten hat Es bietet sich an, eine Einordnung zunächst unter dem Gesichtspunkt, welche Partei den Wegfall der Bereicherung zu vertreten hat, zu versuchen14 , da auf der Hand liegt, daß eine unter Umständen gegebene vorwerfbare Verursachung des Untergangs des Bereicherungsgegenstandes durchaus Richtung und Umfang der Risikozuweisung beeinflussen kann. - Eine erste Gruppe bilden die Entscheidungen16, in denen der Wegfall bzw. die Beschränkung der Bereicherung durch ein Verhalten des Bereicherungsempfängers hervorgerufen wurde, das einen Verstoß gegen die in eigenen Angelegenheiten erforderliche Sorgfalt, wenn nicht sogar ein echtes Verschulden darstellt. In dieser Fallgruppe18 wird die eigentliche Ursache für die Abkehr der Rechtsprechung von der Zweikondiktionenlehre deutlich. Die Risikozuweisung der Zweikondiktionenlehre, d. h. der Lösung nach dem Wortlaut des Gesetzes, führt hier in der Tat zu einem kaum vertretbaren Ergebnis, was am Beispiel eines Kaufvertrages gezeigt werden so1117 : Obwohl allein der Käufer den Untergang oder die Verschlechterung des Kaufgegenstandes in vorwerfbarer Weise verursacht hat, kann er sich nach § 818 Abs. 3 auf den Wegfall seiner Bereicherung berufen, gleichzeitig aber den von ihm gezahlten Kaufpreis voll zurückverlangen. In der Endabrechnung hätte demnach der Verkäufer für das vorwerfbare Verhalten des Käufers einzustehen. Eine Risikoverteilung, nach der die die Sache bewahrende Partei sich jeglichen Leichtsinn im Umgang mit dem Bereicherungsgegenstand, ja sogar dessen bewußte Zerstörung auf Kosten des letztlich an der Sache Berechtigten, des Kondiktionsgläubigers, erlauben kann, ist nicht mehr interessengerecht zu nennen. Es erscheint daher nur verständlich, daß alle Entscheidungen dieser Fa11gruppe die Risikozuweisung der Saldotheorie statt der der Zweikondiktionenlehre18 für richtig erkennen. Zwar kann sich danach der Käufer gegenüber dem 13 Naturgemäß werden einige Entscheidungen dabei· mehrfach erwähnt werden. 14 Unter diesem Gesichtspunkt nimmt auch Diesselhorst S. 51- 89 die Eingruppierung vor. 1S Vgl. die Zusammenstellung bei Diesselhorst § 10 (S. 51 ff.). 10 Insbesondere in RG JW 1931, 529; RG WarnRspr. 1926, 55 (Nr.46). 17 Das Beispiel basiert auf RG JW 1931, 529. 18 Die Saldotheorie beinhaltet als wesentlichste Wirkung eine Umkehrung der Risikozuweisung der Zweikondiktionenlehre, vgl. oben 3252.

32. Die Saldotheorie

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Bereicherungsanspruch des Verkäufers ebenso auf § 818 Abs. 3 berufen, da der Käufer sich aber von seinem Gegenanspruch auf Rückerstattung des Kaufpreises den Wert der untergegangenen Kaufsache abziehen lassen muß, trägt er letztlich doch das Risiko des Sachuntergangs. Vom Ergebnis her betrachtet, gibt die Rechtsprechung hier also völlig zu Recht der Saldotheorie den Vorzugl9 • Die dogmatische Begründung dieses Ergebnisses, die Abwicklung über das Prinzip der Saldierung, kann dagegen nicht überzeugen, da auf diese Weis.e der wahre Anlaß der Risikoumkehrung, das vorwerfbare Verhalten des Käufers, vollkommen unerwähnt bleibt. Ebenso erweisen sich Differenzierungen nach Maß und Umfang des angesprochenen Verschuldens des Empfängers als undurchführbar. Lediglich in einer Entscheidung20 wird erkennbar, daß die Rechtsprechung die Vorwerfbarkeit im Verhalten des Empfängers nicht völlig unberücksichtigt .läßt. Wenn dort auch formal eine Anwendung der Saldotheorie befürwortet wird, so zeigen die in der Entscheidung angeordneten Rechtsfolgen, wie Diesselhorst überzeugend nachweist21 , daß ein Verschulden gegen die in eigenen Angelegenheiten übliche Sorgfalt - wie in § 351 niedergelegt - den Kondiktionsanspruch des Empfängers völlig ausschließen k ann2.Z. Mag das Reichsgericht in seiner Begründung eine Anwendbarkeit des § 351 auch ausdrücklich abgelehnt haben23 , so bleibt tragender Gesichtspunkt des erzielten Ergebnisses doch der in § 351 zum Ausdruck kommende Gedanke des "venire contra factum proprium". - Die zweite Gruppe setzt sich zusammen aus Entscheidungen, in denen keine von beiden Parteien den Bereicherungswegfall bzw. die Bereicherungsbeschränkung zu vertreten hat, d. h. aus Fällen, in denen der Empfänger zufällig entreichert ist. An sich müßte diese Fallkonstellation den Normalfall für die Anwendung der Saldotheorie bilden. Vor allem erwartet man von der Rechtsprechung, daß sie an dieser Stelle wo keiner von beiden Parteien der Bereicherungswegfall vorzuwerfen ist - eine klare Begründung für die grundsätzliche Risikozuweisung an den Empfänger liefert. Bei näherer Musterung der einschlägigen Entscheidungen ist jedoch festzustellen, daß den Grundsätzen der Saldotheorie gar nicht so eindeutig zugesprochen wird. In dem Urteil Ebenso Diesselhorst S.52; für einen Einzelfall ähnlich Leser S.104. RG GruchBeitr. 64, 717 ff. 21 Diesselhorst S. 93 ff.; Diesselhorst ordnet die geschilderte Entscheidung allerdings unter einem anderem Gesichtspunkt ein, dem des "venire contra factum proprium". 22 Die Grundsätze der Saldierung bleiben also unangewendet. 2S RG GruchBeitr. 64, 719. 18

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3. Die Bereicherungsbeschränkung bei gegenseitigen Verträgen

OGHZ 1, 242 wird übersehen, daß an sich ein Anwendungsfall der Saldotheorie vorgelegen hätte%4. Folglich fehlt auch die Begründung dafür, daß bei der gegebenen Interessenverteilung eine synallagmatische Verknüpfung nur deshalb außer Anwendung zu bleiben hat, weil sie ein unbilliges Ergebnis nach sich ziehen würde2 5• Eine weitere einschlägige Entscheidung, diesm::ll des ReichsgerichtsU , folgt zwar formal dem Prinzip der Saldierung, ohne aber zu erkennen, daß dessen Grundsätze als Begründung des erzielten Ergebnisses niCht ausreichen27 • In Wahrheit sind es nämlich der Gesichtspunkt des "venire contra factum proprium" und die Tatsache, daß der Kläger die Vertragsnichtigkeit zu vertreten hatte, die zur Klageabweisung führten28• Argumente für eine grundsätzliche Risikozuweisung im Sinne der Saldotheorie finden sich also in den geschilderten Entscheidungen nicht. Im Gegenteil, die jeweils zugrunde liegenden Fallkonstellationen machen deutlich, daß die Rechtsprechung die Saldotheorie, die Verrechnung von Leistung und Gegenleistung, lediglich als dogmatisches Mittel versteht, eine aus anderen Gründen für billig erachtete Risikozuweisung einigermaßen vertretbar zu manifestieren. - Übrig bleibt die Gruppe von Entscheidungen, in denen nicht der die Sache bewahrende Empfänger, sondern dessen Anspruchsgegner den Wegfall bzw. die Beschränkung der Bereicherung zu vertreten hat. Hierher gehört zum Beispiel der Fall, in dem der Wert der Bereicherung infolge einer vom Verkäufer zu vertretenden Schlechtlieferung gemindert wurde!9. In dieser Entscheidungsgruppe vertieft sich die eben gewonnene Erkenntnis, wonach die Rechtsprechung die Saldotheorie nur heranzieht, wenn deren Risikozuweisung aus anderen Gründen ohnehin als billig festgestellt wurde. Trotz eines formellen Bekenntnisses zu den Grundsätzen der Saldotheorie soll hier nämlich die Gegenleistung nicht angerechnet werden30• Vom Ergebnis her betrachtet, ist diese Rechtsprechung sicherlich evident zutreffend31 , denn es wäre kaum einzusehen, wenn der Empfänger letztlich für den vom Bereicherungsgläubiger vorwerfbar verursachten Schaden einzustehen hätte. Wie allerdings von der Saldotheorie her eine solche Risikozuweisung überzeugend begründet werden soll, ist nicht zu ersehen. Im GegenVgl. Diesselhorst S. 80. Beachtenswerte Gesichtspunkte für die Außerachtlassung des Synallagmas finden sich bei Leser S. 123 und Diesselhorst S. 80 f. 26 RG JR 1927, 1443 (Nr.2182). 27 Leser S. 108 f.; Diesselhorst S. 74. 28 Diesselhorst S. 75, 76. 29 RGZ 94, 253 ff. 30 RG JW 1910, 283 (Nr. 11); RGZ 94, 253 ff. 81 So auch Diesselhorst S. 83 ff. 24

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32. Die Saldo theorie

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teil, die Rechtsprechung muß hier in aller Deutlichkeit zugestehen, daß auch die Saldotheorie zu völlig unbilligen Ergebnissen führen kann. Insgesamt bleibt festzustellen, daß die Rechtsprechung, auch wenn es sich oft nicht ausdrücklich aus dem Wortlaut der Entscheidungen entnehmen läßt, die Risikozuweisung wesentlich an dem Gesichtspunkt, wer den Bereicherungswegfall zu vertreten hat, orientiert. Daß dabei die mühsam entwickelten Grundsätze einer Saldierung von Leistung und Gegenleistung immer wieder unbeachtet bleiben müssen, wird kaum als störend empfunden. Praktisch bedeutet die Berücksichtigung von Verschuldensgesichtspunkten, daß auch die Rechtsprechung die Notwendigkeit sieht, den Anwendungsbereich des § 818 Abs. 3 über die Ausschlußwirkung des § 819 hinausgehend weiter einzuengen. Eine Berufung auf § 818 Abs. 3 ist jedenfalls auch dem zu verwehren, der den Wegfall der Bereicherung zu vertreten hat. 32622. Der Gesichtspunkt der jeweils unterschiedlichen Nichtigkeitsanordnung Die den Mittelpunkt der Betrachtungen bildende bereicherungsrechtliche Rückabwicklung wird allein notwendig, weil die zugrunde liegende vertragliche Vereinbarung für unwirksam erklärt wurde. Unter Umständen resultieren die für die Rechtsprechung immer wieder auftauchenden Schwierigkeiten daraus, daß die von ihr vertretene Saldotheorie nicht geeignet ist, auf die Unterschiede und Besonderheiten der hinter der jeweiligen Nichtigkeitsanordnung stehenden Prinzipien einzugehen32• Im folgenden soll daher eine Einordnung unter dem Gesichtspunkt der unterschiedlichen Nichtigkeitsanordnungen versucht werden33 • - Eine erste Gruppe bilden dabei die Entscheidungen, in denen ein Formmangel die Nichtigkeitsursache ist. Da in diesen Fällen meist beide Parteien den Mangel gleichmäßig zu vertreten haben, ergeben sich hier in der Regel aus Billigkeitsgesichtspunkten keine besonderen Anforderungen34 • Die einmal von der Saldotheorie verbindlich getroffene Risikozuweisung an den Empfänger kann demnach ohne weiteres aufrechterhalten werden. Folgerichtig hat die Rechtsprechung in dieser 32 .Ähnlich wohl Leser S. 174, wenn er die Saldotheorie als zu starre, zu wenig flexbile Abwicklungsregel bezeichnet. 33 Unter diesem Gesichtspunkt gliedert auch Leser S. 94 ff. seine Rechtsprechungsübersicht. 34 Daß nach der Rspr. ein "Vertretenmüssen" des zugrunde liegenden vertraglichen Mangels die Risikoabwägung beeinflussen kann, wurde bereits festgestellt, vgl. oben 32621 am Ende.

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3. Die Bereicherungsbeschränkung bei gegenseitigen Verträgen

Gruppe, von einer ersten frühen Entscheidung abgesehen35 , stets auf dem Boden der Saldotheorie entschiedenm!. - In der nächsten Gruppe werden die Entscheidungen zusammengefaßt, in denen der Nichteintritt einer Bedingung, ein negativ ausgeübtes Wahlrecht37 oder ein Widerruf zur Unwirksamkeit des Grundgeschäftes führten. Auch hier sind Interessenlagen, die eine abweichende Risikoentscheidung notwendig machen, nicht ersichtlich. Das Reichsgericht konnte daher in der Mehrzahl der einschlägigen Urteile bei einer konsequenten Anwendung der Saldotheorie bleiben38• - Schwieriger stellte sich dagegen für die Rechtsprechung die Situation der Rückabwicklung von Verträgen dar, die wegen Verstoßes gegen ein gesetzliches Verbot nichtig waren. Zwar wurde auch hier weitgehend im Sinne der Saldotheorie argumentiert;39, ihre Grundsätze ließen sich jedoch nicht immer in voller Konsequenz durchführen. Die große Zahl und Verschiedenheit gesetzlicher Verbote machten eine differenzierende Betrachtensweise nötig 40 • Insbesondere die Erkenntnis, daß eine Rückabwicklung über die Saldotheorie sich oft kaum mit dem Schutzzweck der jeweiligen Verbotsnorm vereinbaren ließ41, führte zu Entscheidungen, die im Ergebnis erheblich von einer ordnungsgemäß durchgeführten Saldierung abwichenc . - In einer weiteren Gruppe wird die Nichtigkeit durch einen Verstoß gegen die guten Sitten herbeigeführt. Hier weisen die einschlägigen Urteile außer einem, in dem § 817 Satz 2 anwendbar ist43, keine Interessenlagen auf, die eine Verknüpfung der beiderseitigen Leistungen verbieten. Das Reichsgericht konnte also ohne Schwierigkeiten die Saldotheorie durchführen44. Die fast immer bei einem Sittenverstoß 35

RGZ 71, 399.

m! RG WarnRspr. 1922, 149 (Nr.122); RG HRR 1938, Nr.5; RGZ 141, 310;

RG JW 1931, 529. 37 Etwa nach § 17 KO. 38 RG GruchBeitr. 64, 717 = WarnRspr. 1921, 51 (Nr.43); RGZ 141, 310; RGZ 140, 156, diese Entscheidung stützt sich aber nur in einer Hilfsbegründung auf die Saldotheorie. Nicht eindeutig dagegen RG SeuffArch. 76, 42 (Nr.26). 39 RG BankArch. 1905/06, 262, auch wenn dort eine einredeweise Geltendmachung angeordnet wird; RG WarnRspr. 1926, 55 (Nr.46). 40 Vgl. dazu auch RG DJZ 15 (1910), 1025. 41 Die Saldotheorie unterläuft weitgehend die ursprüngliche Nichtigkeitsanordnung, vgl. oben 3253. 42 Vor allem RGZ 135, 374; RG JR 1927, 1413 (Nr.2182); über die Saldotheorie hinausgehend OGHZ 1, 72; nicht ganz eindeutig RGZ 117, 112. 43 RGZ 99, 161. 44 RG JW 19>15, 918 = WarnRspr. 1915, 299 (Nr.lOO) = Recht 1915, 2006; RGZ 105, 29, wo weiterhin festgestellt wird, daß die Saldotheorie auch auf den Darlehensvertrag anwendbar ist; RGZ 139, 208.

32. Die Saldotheorie

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gegebene Vorwerfbarkeit im Verhalten einer Partei braucht in der Regel die Risikozuweisung im Sinne der Saldotheorie nicht zu beeinflussen, da sie bereits in der Vorschrilt des § 817 Satz 2, in einer unter Umständen zusätzlich möglichen Anfechtung oder einem Deliktsanspruch Berücksichtigung findet. Im Einzelfall ist aber auch denkbar, daß eine Rückleistungspflicht dem Schutzzweck des § 138 zuwiderläuft45 • Dann ist - vorsichtig ausgedrückt - eine weitere Differenzierung des Prinzips der Saldierung auch für die Rechtsprechung nicht zu vermeiden. - In der folgenden Gruppe, in der ein Mangel in der Vertretungsmacht als Nichtigkeitsgrund gegeben ist, konnte die Rechtsprechung nur in einem Fall der Saldotheorie folgen". Den beiden anderen Entscheidungen47 liegen Konstellationen zugrunde, in denen bei wirksamem Vertrag der Leistende die Mangelhaftigkeit oder Wertlosigkeit seiner Leistung hätte vertreten müssen. Dieses Vertretenmüssen, das erst den Wegfall bzw. die Beschränkung der Bereicherung bewirkte, mußte auch bei fehlgeschlagenem Vertrag berücksichtigt werden48 • Die Saldotheorie konnte also nicht angewandt werden. Da die Tatsache der zu vertretenden Verschlechterung oder Entwertung aber in keinem Zusammenhang mit dem zur Nichtigkeit führenden Vertretungsmangel des Geschäfts steht, läßt sich aus den angeführten Entscheidungen nichts über die bei Vertretungsmängeln grundsätzlich gegebene Interessensituation herleiten. - Lag die Ursache der Nichtigkeit in einem Dissens zwischen den Parteien, so konnte die Rechtsprechung ohne weiteres die Saldotheorie anwenden49 , da bei diesem Unwirksamkeitsgrund keine Besonderheit ersichtlich ist, die einer Verrechnung von Leistung und Gegenleistung entgegenstehen würde. - Offenbleiben muß das Problem in der Fallgruppe, wo eine Anfechtung wegen Irrtums zur Nichtigkeit führt. Eine erste Entscheidung50 liegt vor dem grundsätzlichen Bekenntnis des Reichsgerichts zur Saldotheorie51 und bezieht daher naturgemäß im SInne der Zweikondiktionenlehre Stellung. Die einzige weitere Entscheidung&! zur So auch Leser S. 118. RGZ 98, 64. 47 RGZ 94, 253; OGHZ 1, 242. 48 Vgl. auch oben 32621 arn Ende. 49 So OLG Ffrn. JW 1929, 791; RGZ 151, 123, daß letztere Entscheidung in die Gruppe des Dissenses gehört, weist Leser S. 127 f. zutreffend nach. 50 RGZ 49, 421. 51 RGZ 54, 137. 52 RG WarnRspr. 1918, 39 (Nr. 24). 45 46

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3. Die Bereicherungsbeschränkung bei gegenseitigen Verträgen

Nichtigkeit infolge Irrtumsanfechtung wendet zwar die Saldotheorie an, die Saldierung trägt aber die Entscheidung nicht. Sie sollte daher nicht als Beleg für die Saldotheorie zitiert werden53• - Was die Gruppe der Nichtigkeit infolge arglistiger Täuschung angeht, so sind die neuesten Urteile des Bundesgerichtshofs64 bereits oben55 ausführlich besprochen worden, so daß sich an dieser Stelle eine weitere Analyse erübrigt. Der Vollständigkeit halber sollen hier noch einige frühere Entscheidungen erwähnt werden. In einem ersten Teilbereich dieser Gruppe, den sogenannten "Zwangsversteigerungsfällen"", wurde mit wechselnder Begründung dem Ergebnis nach stets die Zweikondiktionenlehre angewendet, um dem Täuschenden das Risiko des Bereicherungswegfalls aufzubürden57• Aus der zweiten Teilgruppe dagegen kann kein Argument für oder gegen eine Anwendung der Saldotheorie in den Fällen arglistiger Täuschung hergeleitet werden. Saldotheorie und Zweikondiktionenlehre kommen hier zum gleichen Ergebnis, da ein Bereicherungswegfall oder eine -beschränkung, die allein die risikoüberwälzende Wirkung der Saldotheorie zutage fördern könnten, nie vorgelegen hatte. Entnommen werden kann den Entscheidungen also allenfalls die völlig untergeordnete technische Frage, ob eine Aufrechnung oder eine Verrechnung durch Saldierung stattfinden soll. Es ist daher verständlich, daß das Reichsgericht mehrfach in dieser Fallgruppe - eben wegen der fehlenden Relevanz der Problematik keine Veranlassung sah, von der herrschenden Saldotheorie abzuweichen58 • - In der Fallgruppe, in der Geschäftsunfähigkeit oder beschränkte Geschäftsfähigkeit die Nichtigkeit des Vertrages bewirkte, hat die Rechtsprechung durchweg die Saldotheorie angewendet5G • Immer dann, wenn auf einer der beiden Seiten die Leistung untergegangen war, So auch Weintraud S. 31, 32; Leser S. 130. BGHZ 53, 144; BGHZ 57, 137. 55 Oben 3243. 6e So Leser S.143, die Herausgabe des erlangten Grundstücks ist nicht möglich, weil es sich in der "Zwangsversteigerung" befindet. 57 RGZ 59, 92, RG Recht 1907, 1059 (Nr.2503); RG WarnRspr. 1910, 421 (Nr. 406); RG JW 1919,377 mit Anm. Oertmann. 58 Für die Anwendung der Zweikondiktionenlehre: RG WarnRspr. 1915, 474 (Nr. 304); RGZ 94, 309; eine Saldierung bejahen: RGZ 54, 137 (von Weintraud S. 34 als Grundlage der Saldotheorie bezeichnet, obwohl die risikoüberwälzende Wirkung nicht klar zum Ausdruck kommt); RG Recht 1916, 393; RG WarnRspr. 1918, 267 (Nr.181); RG SeuffArch. 82, 80 (Nr.47). 5G RGZ 32, 319; RGZ 60, 284; RG JW 1910, 283; RG WarnRspr. 1911, 363 (Nr. 325) = JW 1911, 583 = Recht 1911, 2137 = GruchBeitr. 55, 963; Recht 1915, 2484; RG JW 1918, 132 = Recht 1918, 232 = GruchBeitr. 62, 239; RGZ 163, 348; zur beschränkten Geschäftsfähigkeit OLG Hamburg SeuffArch. 86, 34 (Nr.21). 53

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32. Die Saldotheorie

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wurde damit die von der Saldierung erzielte Risikoüberwälzung praktisch, und zwar in mehreren Fällen zum Nachteil des Minderjährigen. Das Argument des Reichsgerichts, diese Folge müsse hingenommen werden, da der Schutz des redlichen Verkehrs vorgehe, kann nicht darüber hinwegtäuschen, daß die Wirkungen der Saldotheorie den gesamten Geschäftsunfähigen- bzw. Geschäftsbeschränktenschutz in Frage stellen. Die bereicherungsrechtliche Abwicklung als bloße Folge der Nichtigkeit des Geschäfts darf keinesfalls dazu führen, die hinter dieser Nichtigkeitsanordnung stehende Wertung des Gesetzgebers faktisch umzukehren. Die Entscheidung der Rechtsprechung zugunsten der Durchführung der Saldotheorie in dieser Fallgruppe hat demnach als überholt zu geltenllO • Insgesamt gesehen läßt die Einordnung der Rechtsprechung unter dem Gesichtspunkt der jeweils unterschiedlichen Nichtigkeitsanordnung erkennen, daß das grundsätzliche Bekenntnis zur Saldotheorie an zwei Stellen durchbrochen wird: 1. Sobald eine Partei den Bereicherungswegfall bzw. den Mangel, der

den Bereicherungswegfall verursacht hat, zu vertreten hat, wird von der Risikozuweisung der Saldotheorie Abstand genommen und dieser Partei das Risiko auferlegt.

2. Immer, wenn die Wirkungen der Saldotheorie - sei es die Risikoüberwälzung, sei es die Aufrechterhaltung des Leistungsaustausches - sich zu den hinter der Nichtigkeitsanordnung stehenden Prinzipien in Widerspruch setzen, kehrt man zur systemgerechteren Zweikondiktionenlehre zurück. 32623. Die Rechtsprechung zu den Sonderfällen In diesem Abschnitt soll ein überblick über die Stellungnahme der Rechtsprechung zu den bereits oben~11 diskutierten Wertungswidersprüchen, Ausnahmen und Einschränkungen der Saldotheorie gegeben werden, soweit diese nicht schon innerhalb der beiden vorangegangenen Einordnungen Erwähnung gefunden haben. - In den sogenannten "Vorleistungsfällen"Gll, d. h. bei fehlgeschlagenen Austauschverträgen, auf die nur von einer Seite eine Leistung erbracht war, entschied die Rechtsprechung im Grundsatz nach § 818 Abs.3, also ohne die synallagmatische Verknüpfung infolge der Vereinbarung gegenseitiger Leistungserbringung zu berücksichtigen. Bemer60 61 62

VgI. oben 3241. VgI. oben 324. Ausführliche Behandlung des Problems oben 3242.

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3. Die Bereicherungsbeschränkung bei gegenseitigen Verträgen

kenswert ist jedoch, daß oft Ergebnisse erzielt wurden, wie sie der Risikozuweisung nach der Saldotheorie entsprechen. Man sollte diese Erkenntnis dennoch nicht überbewerten, da in den einschlägigen Entscheidungen jeweils anderweitige Gesichtspunkte herangezogen wurden, um solche von der Billigkeit geforderten Ergebnisse zu vertreten63 • Eine Fallkonstellation, in der die Rechtsprechung gezwungen gewesen wäre, auf die Vorleistungsproblematik wirklich einzugehen, ist nicht auffindbar. - Ähnlich ist die Situation, was die Entscheidungen zum Problem der Einbeziehung dinglicher Anspruche in die Saldierung, anders formuliert, den Wertungswiderspruch der Saldotheorie zur dinglichen Rechtslage6 " angeht. Daß eine unterschiedliche Behandlung der Bereicherung aus fremdem Gut und der rei vindicatio kaum haltbar ist, macht die Entscheidung RG JW 1915, 918 deutlich65 • Im übrigen liegen jeweils Fallkonstellationen zugrunde, in denen nicht ausdrücklich ein dinglicher Anspruch geltend gemacht wurde, so daß sich eine eindeutige Stellungnahme erübrigte66 • Oder die Rechtsprechung umging das Problem der nicht möglichen Einbeziehung dinglicher Ansprüche in die Saldierung schlichtweg, indem sie auf die .. tatsächliche Einheit wirtschaftlicher Vorgänge" verwies, um eine Saldierung im Ergebnis dennoch vertretbar erscheinen zu lassen67• - Eine letzte Gruppe sollen die Entscheidungen bilden, die die Frage betreffen, ob das an den Dritten gezahlte Entgelt gegenüber dem Bereicherungsanspruch des ehemaligen Eigentümers absetzbar ist68 • In allen einschlägigen Urteilen wird die Nichtabsetzbarkeit der an einen Dritten erbrachten Gegenleistung bestätigt, in der Hauptsache mit folgenden Argumenten: Der Bereicherungsschuldner hätte gegenüber dem Anspruch aus § 985, dem er zuvor ausgesetzt war, das erbrachte Entgelt ebensowenig anrechnen können6 '. Der Bereicherungsanspruch als schuldrechtliche Verlängerung des dinglichen Anspruchs müsse ebenso wie letzterer behandelt werden70• Daneben wird auf die anderweitige Rückgriffsmöglichkeit des Bereicherungsschuldners verwiesen71. 63 So RGZ 72, 1; RG JW 1928, 2444; unklar, ob eine von § 818 Abs.3 abweichende Risikoentscheidung gewollt ist, RGZ 114, 342; eine billige Lösung, die im Ergebnis. der Riskozuweisung der Saldotheorie widerspricht, bietet RGZ 118, 185. 64 Ausführliche Darstellung oben 3244. 65 Wie Leser S. 112 f. aufzeigt. 86 z. B. RG WarnRspr. 1911. 363 (Nr.325). 67 OLG Hamburg SeuffArch. 76, 34 (Nr. 21); dazu näher Leser S.154. 68 Vgl. die Darstellung oben 3245. 69 So RGZ 106, 4. 70 BGHZ 14, 7 = JZ 1954, 700 = MDR 1954, 470. 71 BGHZ 9, 333 = JZ 1953, 513.

32. Die Saldotheorie

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Mehrfach betont wird, es fehle ein Zusammenhang zwischen dem Erwerb vom Dritten und der Ersatzpflicht72, bzw. es klingt an, an einem Zusammenhang zwischen Erwerb vom Dritten und Eigentumserwerb mangele es in dem Sinne, daß keine gemeinsame schuldrechtliche Unterlage vorhanden seF3. Keines der genannten Argumente kann aber darüber hinwegtäuschen, daß ein wirtschaftlicher Zusammenhang, wie er für eine Anwendung der Saldotheorie ausreicht, eindeutig auch mit dem an den Dritten gezahlten Entgelt besteht74• Vom Ergebnis her mögen die betroffenen Entscheidungen durchaus zutreffend sein, auf dem Boden der Saldotheorie ist eine solche Rechtsprechung jedoch nicht zu begründen.

3263. Zusammenfassende Betrachtung der Rechtsprechung Die Analyse der zusammengestellten Entscheidungen läßt zunächst erkennen, daß sich die Rechtsprechung keineswegs so deutlich, wie oft behauptet, bereits im Grundsatz für eine Risikozuweisung an den Empfänger im Sinne der Saldotheorie entscheidet; denn wenn im Ergebnis dem Empfänger das Risiko auferlegt wurde, dann reichte dafür in den meisten Fällen das Vorhandensein eines nichtigen Austauschverhältnisses allein nicht aus, sondern es traten noch weitere Umstände hinzu, die die Haftung des Empfängers rechtfertigten. So wurde dem Empfänger vor allem angelastet, daß er den Wegfall der Bereicherung vorwerfbar verursacht oder mindestens zu vertreten hatte. Andererseits scheute sich die Rechtsprechung nicht, wenn der Bereicherun~ gläubiger vorwerfbar handelte, diesem das Risiko aufzuerlegen, d. h. vom Prinzip der Saldierung abzuweichen. Letztlich versteht die Rechtsprechung die Saldotheorie wohl nur als dogmatisches Mittel, eine aus anderen Gründen für billig erachtete Risikozuweisung halbwegs vertretbar zu manifestieren. Aber auch die dogmatischen Schwächen des Prinzips der Saldierung bleiben der Rechtsprechung nicht verborgen. Immer wenn durch die Ergebnisse der Saldotheorie die Durchführung der zugrunde liegenden höherwertigen Nichtigkeitsanordnung gefährdet erschien, wurde eine Anwendung der Saldotheorie ohne weiteres abgelehnt, und man kehrte zu den Grundsätzen der Zweikondiktionenlehre zurück. Wirklich überzeugt von der Richtigkeit des Prinzips der Saldierung kann die Rechtsprechung demnach kaum sein. Sonderbarerweise schlägt sie aber einen wenig konsequenten Weg ein, um dem erkannten übel abzuhelfen: Anstatt das gesamte Prinzip der Saldierung in Frage zu stellen und eine 72 73

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RG SeuffArch. 66, 261 (Nr. 132). BGHZ 14,7. Ebenso Leser S. 168.

6 Bremecker

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3. Die Bereicherungsbeschränkung bei gegenseitigen Verträgen

Lösung zu suchen, die an die wahren Ursachen der jeweiligen Unbilligkeit anknüpft, begnügt man sich damit, die Saldotheorie als "Billigkeitsregelung" einzustufen75 , um jederzeit ohne großen Aufwand Korrekturen des Ergebnisses vornehmen zu können. Fraglich ist, welcher Sinn und Zweck der dogmatischen Konstruktion der Saldotheorie nach einer solchen Abqualifizierung als bloße Billigkeitsregel noch verbleiben soll. Festzustellen bleibt, daß die Rechtsprechung im Detail brauchbare Ansatzpunkte enthält, an denen eine neue Lösung nicht vorbeigehen kann: Sie zeigt, daß ein wesentliches, wenn nicht sogar das wesentlichste Kriterium der Interessenabwägung, nach der die Risikozuweisung zu erfolgen hat, der Umstand ist, welche Partei den Bereicherungswegfall bzw. die -minderung zu vertreten hat. Auch der Umfang, in dem ein solches Vertretenmüssen angenommen werden darf, wurde bereits erwähnt: Ein Verstoß gegen eine eigene Obliegenheit reicht aus 7l1 • 33. Zusammenfassendes Ergebnis der Auseinandersetzung mit der Zweikondiktionenlehre und der Saldotheorie 331. Die Zweikondiktionenlebre

Die Lösung der Zweikondiktionenlehre legt konsequent die gesetzliche Regelung der Beschränkung der Bereicherungshaftung, § 818 Abs. 3, zugrunde, und zwar sowohl dessen Risikoverteilung als auch dessen Abwicklung in Berücksichtigung nur einer Leistung1• Bei Festlegung der bereicherungsrechtlichen Abwicklung hat der Gesetzgeber jedoch offensichtlich die Möglichkeit einer gegenseitigen Bereicherung - bei Rückabwicklung nichtiger Verträge - übersehenl!. In § 818 Abs.3 können demnach die Besonderheiten des Gegenseitigkeitsverhältnisses, insbesondere die von der einseitigen Bereicherung abweichende Interessenverteilung nicht berücksichtigt sein. Die Zweikondiktionenlehre stellt somit keine geeignete Problemlösung dar. 332. Die Saldotbeorie

Die Saldotheorie kann ihr ursprüngliches Anliegen, die im Bereich nichtiger gegenseitiger Verträge von der Zweikondiktionenlehre erzielte "Unbilligkeit" zu beseitigen, nicht verwirklichen. Da sie nicht die Ursachen der von ihr angeprangerten "Unbilligkeit" erforscht, sondern lediglich pauschal die von § 818 Abs.3 angeordnete Risikozuweisung 75 76 1

2

Neuerdings vor allem wieder in BGHZ 53, 144 und BGHZ 57, 137. Von Diesselhorst S. 88 f. zutreffend aufgezeigt. VgI. oben 31. Von Caemmerer, Festschrift Larenz S. 621 ff. (624 f.).

33. Zusammenfassendes Ergebnis

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an den Bereicherungsgläubiger umkehrt, d. h. den Empfänger damit belastet, führt sie zu einer bloßen Verlagerung der zuvor bemängelten Unbilligkeit (vgl. oben 3252). Im einzelnen ist gegen die Saldotheorie folgendes einzuwenden: Eine zufriedenstellende Begründung für das Saldierungsprinzip wurde bisher nicht gefunden (oben 323.). Im Falle des nur einseitig ausgeführten Vertrages versagt die Saldotheorie, obwohl eine "Unbilligkeit" dort in gleichem Maße besteht wie bei einem durchgeführten Leistungsaustausch (oben 3242.). Ebenso ist die Tatsache, daß die an einen Dritten erbrachte Gegenleistung nicht absetzbar ist, mit den Forderungen der Billigkeit nur schwer in Einklang zu bringen (oben 3245.). Zur Risikozuweisung des § 350 (oben 3243.) und zur dinglichen Rechtslage (oben 3244.) steht das Ergebnis der Saldotheorie ebenso in Widerspruch wie zur Gefahrentscheidung des § 818 Abs.3 (oben 3252.). Insbesondere weil letztere Vorschrift für die Abwicklung bei einseitiger Bereicherung weiterhin als verbindlich anerkannt wird (oben 1.) obwohl auch dort die übertriebene Bevorzugung des Bereicherungsempfängers zu fragwürdigen Ergebnissen führt (oben 23.) -, gerät die Saldotheorie infolge ihrer völligen Risikoumkehrung in den begründeten Verdacht, eine bloße Teillösung darzustellen, die am Kern des Problems, der allgemein zu weiten Fassung des § 818 Abs. 3, vorbeigeht. In den Fällen, in denen die Nichtigkeitsanordnung gerade die Zweckvereinbarung der Leistungserbringung bzw. die Aufrechterhaltung des Leistungsaustausches mißbilligt, sind für die Saldotheorie Ausnahmeregelungen unumgänglich (oben 3241., 3253.). Dadurch wird nicht nur der vom Gesetzgeber einheitlich verstandene Nichtigkeitsbegriff in zwei unterschiedlich intensive Abstufungen aufgesplittert (oben 3241.), sondern die Vertreter der Saldotheorie geben auch auf diese Weise selbst zu, daß ihre Ansicht zu einer Durchlöcherung der Nichtigkeitsanordnung führt (oben 3253.). Die Aufrechterhaltung des Leistungsaustausches läßt sich mit der Nichtigkeitsanordnung der vertraglichen Abrede nicht vereinbaren. Nicht umsonst bildet der Grundsatz der Naturalrestitution eines der tragenden Prinzipien des Bereicherungsrechts. Gegen ebendiesen unverzichtbaren Grundsatz verstößt die Saldotheorie (oben 3251.). Ursächlich für die geschilderten Wertungswidersprüche, Ausnahmen und Korrekturen sind vor allem folgende beiden grundsätzlichen Mängel der Saldotheorie: 1. Daß Leistung und Gegenleistung von vornherein verrechnet werden und nur in Höhe der Wertdifferenz ein Anspruch entsteht - wie nach der Saldotheorie -, ist im Gesetz beispiellos, ja steht sogar zur gesetzlichen Konzeption, Gegenseitigkeitsverhältnisse in getrennter Be-

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3. Die Bereicherungsbeschränkung bei gegenseitigen Verträgen

rücksichtigung einer jeden Leistung abzuwickeln, in Widerspruch (oben 3244. am Ende). Nur auf der Basis iner getrennten Abwicklung von Leistung und Gegenleistung ist aber ein nahtloses Ineinandergreifen der oft parallel zutreffenden unterschiedlichen Abwicklungsregelungen gewährleistet. Insbesondere die dingliche Abwicklung, die naturgemäß nur eine Leistung berücksichtigen kann, könnte anders kaum einbezogen werden. Die Saldotheorie durchbricht diese das Bürgerliche Gesetzbuch beherrschende Konzeption. Sie versucht, den Systembruch abzumildern, indem sie die Saldierung der beiden Leistungen innerhalb der Abwicklung des nur für die Berücksichtigung einer Leistung konzipierten § 818 Abs.3 ansiedelt; ein Versuch, der die schon bestehende Wirrnis ihrer Ergebnisse noch vertieft. Dogmatisch kaum zu rechtfertigende Ausnahmen, Einschränkungen und Korrekturen in großem Umfange sind die unvermeidliche Folge. Wenn überhaupt eine Saldierung der beiden Leistungen erfolgen soll, so müßte diese § 818 Abs.3 völlig außer Betracht lassen und dürfte auch nicht allein auf die bereicherungsrechtliche Abwicklung beschränkt sein. Sie müßte sich auf die dingliche Rechtslage, die jeweils betroffene Nichtigkeitsanordnung und die daraus resultierende spezielle Rückabwicklungsregelung erstrecken. Abgesehen vom Problem der praktischen Durchführbarkeit einer dergearteten Ausdehnung des Prinzips der Saldierung - wie etwa sollte eine den Leistungsaustausch mißbilligende Nichtigkeitsanordnung erhalten bleiben können? - beinhaltete eine solche Lösung einen unverhältnismäßig hohen Aufwand, soweit lediglich eine in der bereicherungsrechtlichen Abwicklung bestehende Unbilligkeit beseitigt werden soll. 2. Einer weiteren folgenschweren Fehleinschätzung unterliegen die Vertreter der Saldotheorie, wenn sie glauben, die Risikozuweisung des § 818 Abs.3 für den Bereich nichtiger gegenseitiger Verträge ohne weiteres umkehren zu können. Der Gesetzgeber hat die Entscheidung, das Risiko des Leistungswegfalls im Grundsatz dem Leistenden zuzuweisen, nicht nur für einseitige Verhältnisse getroffen - wie die Fassung des § 818 Abs. 3 vermuten lassen könnte - , sondern auch auf Gegenseitigkeitsverhältnisse bezogen. Das zeigt bereits die Gefahrverteilung des § 350. Die Risikozuweisungen in §§ 818 Abs. 3, 350, 985 ff. entsprechen einander. Sie bilden daher - zumindest bezüglich ihrer grundsätzlichen Gefahrverteilung - ein in sich geschlossenes System zur Rückabwicklung gescheiterter gegenseitiger Verträge. Wenn die Saldotheorie dieses System an einer Stelle durchbricht, indem sie für die bereicherungsrechtliche Abwicklung dem Leistungsempfänger im Grundsatz das Risiko des Bereicherungswegfalls auferlegt, so muß diese Theorie unvermeidbar Wertungswidersprüche nach sich ziehen.

34. Neuere Ansichten zum Problem der Vertragsruckabwicklung

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Unverständlich ist, daß sich sowohl die Rechtsprechung als auch die wohl noch überwiegende Ansicht in der Literatur trotz der Systemwidrigkeit der Saldotheorie, trotz der Unübersichtlichkeit ihrer Ergebnisse, trotz ihrer vielfältigen Wertungswidersprüche, trotz der Notwendigkeit kompliziertester Hilfskonstruktionen immer noch nicht bereit gefunden haben, das Prinzip der Saldierung als solches dogmatisch in Frage zu stellen. Das oft geäußerte Argument, an einer Saldierung der Bereicherungsansprüche könne man als dem Ergebnis "richterlicher Rechtsfortbildung" nicht mehr vorbeigehen1l, steht einer Aufgabe der Saldotheorie kaum länger entgegen: Die Analyse der Rechtsprechung hat gezeigt, daß deren Bekenntnis zur Saldotheorie allein noch formalen Charakter hat, in Wahrheit jedoch nach der Billigkeit im Einzelfall entschieden wird (oben 326.). Nach der Rechtsprechung ist die Saldotheorie letztlich nur noch inhaltsleere dogmatische Bemäntelung, um das im Bereich der Rückabwicklung gegenseitiger Verträge besonders unbefriedigende Ergebnis des § 818 Abs.3 entsprechend den schutzwürdigen Interessen des jeweiligen Einzelfalles umzugestalten. Die "richterliche Rechtsfortbildung" erschöpft sich demnach darin, billige Ergebnisse zu finden. Abgesehen davon reichte auch die Tatsache der Existenz als "richterliche Rechtsfortbildung" nicht aus, um den Bestand einer dogmatisch unvertretbaren und bei konsequenter Anwendung in ihren Ergebnissen kaum haltbaren Konstruktion wie der der Saldotheorie zu rechtfertigen'. Ein unrichtiges Ergebnis wird auch nicht durch jahrelange übung richtig. Die Saldotheorie erweist sich als nur für einen Teilbereich des Problems geltende bloße Auffangkonstruktion, die es unterläßt, die wirklichen Ursachen der zuvor bemängelten Unbilligkeit zu ermitteln. Ihr Lösungsweg ist nicht nur dogmatisch unglücklich gewählt, sondern führt auch zu systemwidrigen Ergebnissen, die zudem noch die Unbilligkeit lediglich verlagern. Die Saldotheorie ist damit als Problemlösung ungeeignet. 34. Neuere Ansichten zum Problem der Rückabwicklung nichtiger gegenseitiger Verträge 341. Wilburg

Wilburg lehnt die Saldotheorie ab, weil sie ohne Grund eine Umkehr der gesetzlich angeordneten Gefahrtragung zur Folge habel . Grundsätzlich müsse jeder Teil das Risiko für die weggegebene Leistung selbst 50 z. B. Leser, 5aldotheorie 5. 33; von Caemmerer, Festschrift Rabel 5.385. ÄhnLich Flume NJW 1970, 1162 Fußn.6; ders., Festschrift Niedermeyer 5.160. 1 Wilburg, Die Lehre von der ungerechtfertigten Bereicherung nach österreichischem und deutschem Recht 5. 138 ff. (156 ff.). 11

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3. Die Bereicherungsbeschränkung bei gegenseitigen Verträgen

tragen2 • Unter Zugrundelegung einer getrennten Rückabwicklung von Leistung und Gegenleistung schlägt Wilburg vor, ausnahmsweise dem Empfänger das Risiko für die an ihn erbrachte Leistung aufzuerlegen, wenn er die ungerechtfertigte Vennögensverschiebung verschuldet bzw. "veranlaßt", d. h. durch objektive Verkehrswidrigkeit verursacht habe3 • Mag die Auffassung Wilburgs auch von der Risikoverteilung des § 818 Abs.3 ausgehen und somit der Anordnung des Gesetzgebers Rechnung tragen, so stehen ihr doch erhebliche Bedenken entgegen: Festgestellt wurde bereits, daß die bloße "Veranlassung" der Vennögensvermehrung, d. h. ein lediglich objektiv verkehrswidriges, nicht aber im geringsten vorwerfbares Verhalten des Empfängers, kaum ausreicht, die Risikozuweisung des § 818 Abs. 3 umzukehren4 • Wenn Wilburg in weiteren Fällen die Risikoüberwälzung auf den Empfänger damit begründet, letzterer habe die ungerechtfertigte Vennögensverschiebung "verschuldet", so wird damit die Aufgabenstellung der Bereicherungshaftung in unzulässiger Weise tangiert. Im Ergebnis nähert Wilburg so die Bereicherungshaftung einer Verschuldenshaftung ans, während der Gesetzgeber die Haftungsanordnung der §§ 812 ff. bewußt verschuldensunabhängig konzipiert hat. Nur in dieser Fonn kann das Bereicherungsrecht seiner Aufgabe, das Haftungssystem des Bürgerlichen Gesetzbuches über die Verschuldens- und Vorwerfbarkeitshaftung des Schadensersatzrechtes hinaus zu vervollständigene, gerecht werden. Für die im Bereich des § 818 Abs.3 allein relevante Frage, ob der Wegfall der Leistung und die Erbringung der Gegenleistung einen schutzwürdigen Vertrauensschaden7 darstellen, ist das Verhalten der Beteiligten bei der Entstehung der Bereicherung, die "Veranlassung der Fehlleistung", nicht entscheidend8 • Der Auffassung Wilburgs kann demnach nicht gefolgt werden. 342. Flome

Flume modifiziert seine Willensentscheidungstheorie9 für den Fall des nichtigen gegenseitigen Vertrages wie folgt10: Bereits mit der Vereinbarung der Gegenleistung übernehme der Leistungsempfänger bewußt das Risiko des Verlustes der Leistung in Höhe des Wertes der Gegenleistung, er setze willentlich sein Vennögen in Höhe der Gegenleistung für Wilburg S. 157. Wilburg S. 157. 4 Oben 222. 11 Leser, Saldotheorie S. 36. e Vgl. oben 222 und unten 3521. 7 Wobei der Begriff "Schaden" untechnisch zu verstehen ist. 8 Ähnlich Horst S. 152 f. 9 Vgl. oben 223. 10 Flume, Festschrift Niedermeyer S. 159 ff., auch NJW 1970, 1161 ff. 2

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34. Neuere Ansichten zum Problem der Vertragsruckabwicklung

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die zu erlangende Sache ein11 • Die Folgen dieser Entscheidung müsse er tragen. Das Schicksal der Leistung sei Teil des Schicksals seines Vermögens und ihm zuzurechnen, weil er sich für den Austausch in seinem Vermögen entschieden habe1!. Bei dem Empfange einer Leistung aus gegenseitigem Vertrag komme es entscheidend darauf an, ob sie als Äquivalent für eine eigene Leistung erbracht werde, oder ob der Empfang in keinem Kontakt mit der Vereinbarung einer solchen Gegenleistung stehe. Nach Flume ergeben sich zwei gegenseitige Ansprüche, die nur durch Aufrechnung oder Zurückbehaltung miteinander verbunden werden können13 • Flume bürdet - wie im Ergebnis auch die Saldotheorie - dem Empfänger das Risiko auf. Die Begründung findet er darin, daß es eine Spekulation auf Kosten des Bereicherungsgläubigers darstellte, wenn dieser auch für die vermögensmäßigen Entscheidungen des Bereicherungsschuldners die Gefahr tragen müßte14• Der Bereicherungsschuldner verstieße gegen das Verbot des "venire contra factum proprium", wenn er sich seine vermögensmäßigen Entscheidungen nicht zurechnen lassen wollte. Indem Flume an die Willensentscheidung bereits bei Vereinbarung der Gegenleistung anknüpft, versucht er, den gegen die Saldotheorie vorgebrachten Argumenten den Boden zu entziehen. Ob die Gegenleistung erbracht sei oder nicht, sei unbeachtlich; die Willensentscheidung als solche sei jedenfalls getroffen15• Auch erstrecke sich die Unwirksamkeit des Vertrages nicht auf die erwähnte Willensentscheidung1t• Den Geschäftsbeschränkten und Geschäftsunfähigen könnten ihre vermögensmäßigen Entscheidungen nicht zugerechnet werden17• Daher bleibe es insofern bei der Wertung des § 818 Abs. 3. Bereits oben18 wurde kritisiert, Flume knüpfe bei Bestimmung der Risikozuweisung an eine zu frühe - da zum Bereich des haftungsbegründenden Verhaltens gehörige - "vermögensmäßige Entscheidung" des Empfängers an, wenn er allein aus dem Abschluß des gegenseitigen Vertrages die Risikoverteilung herleitet. Hinzu tritt ein speziell im Bereich gegenseitiger Verträge evidentes Bedenken: Im Ergebnis führt Flumes Auffassung dazu, daß bei nichtigen gegenseitigen Verträgen der Bereicherungsempfänger die gleichen Risiken trägt wie bei einem wirksamen Vertrag. Lediglich wenn die Sache infolge eines Mangels untergegangen ist, kann sich der Empfänger auf § 818 Abs. 3 berufen. In allen anderen Fällen, auch bei völlig zufälligem Sachuntergang, haftet er 11 1%

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Flume, Festschrift Niedermeyer S. 167. Flume S. 165. Flume S. 167. Flume S. 167. Flume S. 167. Flume S. 165. Flume S. 171. Oben 223.

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3. Die Bereicherungsbeschränkung bei gegenseitigen Verträgen

dagegen. Damit ist die HaftungsfreisteIlung des § 818 Abs. 3 nicht nur ausgehöhlt1 9 , sondern praktisch ins Gegenteil verkehrt. Zudem ist die Auffassung Flumes nicht mit § 350 vereinbar, der im Falle der Wandlung bzw. des Rücktritts für den Fall des zufälligen Sachuntergangs eine Entlastung des Empfängers anordnet. Bereits aus der Existenz der übereinstimmenden Risikozuweisungen der §§ 818 Abs.3 und 350 läßt sich schließen, daß der Gesetzgeber die Risikoverteilung des wirksamen Vertrages für den Fall des Scheiterns des Vertrages nicht aufrechterhalten wollte. Die Rückabwicklung des Vertrages - sei es aufgrund Nichtigkeit oder aufgrund Rücktritts - ist Anlaß, die ursprünglich - d. h. vor Vertragsschluß - gegebene vermögensmäßige Zuordnung der Leistungen wieder herbeizuführen. Bereits mit Beginn der Rückabwicklung, also noch im Zeitpunkt des Leistungsaustauschs, wird diese vermögensmäßige Zuordnung für die Frage der Risikozuweisung bedeutsam: Der Bereicherungsgläubiger soll wieder das Risiko für den ihm vermögensmäßig zustehenden Bereicherungsgegenstand tragen. Der Gesetzgeber hat sich demnach gegen eine übertragung der Risikoverteilung des wirksamen Vertrages auf den Fall der Unwirksamkeit entschieden. Bedenklich erscheint schließlich, daß Flume sich nicht damit zufriedengibt, die Risikoverteilung des geltenden § 818 Abs.3 sowohl bei ein- als auch bei gegenseitiger Bereicherung umzukehren, sondern daß er ebendiese Risikoverteilung auch auf den Bereich des dinglichen Herausgabeanspruchs aus § 985 erstrecken willl!O. Damit würde der Eigentumsschutzregelung der §§ 985 ff. weitgehend die Wirkung entzogen. Andererseits zeigt Flume zwei wesentliche grundsätzliche Erkenntnisse auf, die einen Lösungsvorschlag beeinflussen müssen: Niemand weist so deutlich wie Flume nach, daß nur eine getrennte Berücksichtigung von Leistung und Gegenleistung der gesetzlichen Systematik, insbesondere der des § 818 Abs. 3, entsprichtll1• Zum zweiten ist Flume einer der wenigen, die versucht haben, die Beschränkung der Bereicherungshaftung vom Grundsatz her bei ein- und gegenseitiger Bereicherung gleich zu lösen, sowohl was die Risikoentscheidung als solche angeht als auch bezüglich der zu ihrer Feststellung verwendeten Kriterien. Er berücksichtigt so eines der wesentlichsten gegen die Saldotheorie und ihr verwandte Auffassungen vorzubringenden Argumente: Es geht nicht an, bei einseitiger Bereicherung nach § 818 Abs. 3 dem Bereicherungsgläubiger das volle Risiko aufzuerlegen, bei zweiseitiger Bereicherung dagegen in völliger Umkehrung des § 818 Abs.3 dem Leistungsempfänger die Gefahr zuzuweisen. 19 20

21

Blomeyer AcP 154, 527 (539). Flume S. 169 ff. (171). Insbesondere Flume NJW 1970, 1161 (1162).

34. Neuere Ansichten zum Problem derVertragsriickabwicklung

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343. Blomeyer

Blomeyer22 kommt das Verdienst zu, die neuartige Konstruktion Flumes nicht nur ausführlich besprochen, sondern auch interpretiert und auf ihre Vereinbarkeit mit dem derzeitigen System des Vertragsrechts geprüft zu haben. Blomeyer unterscheidet dabei die Fälle, in denen die Kaufsache nach beiderseits erfülltem Vertrag durch Zufall untergeht, von der Fallkonstruktion, in der der Sachuntergang durch Verhalten des Käufers eintrit~3. Zunächst seine Ausführungen zu dem zufälligen Sachuntergang: Blomeyer versteht Flumes diesbezügliche überlegungen als eine Ausdehnung des Synallagma-Gedankens über den von der Saldotheorie abgesteckten Bereich des Leistungsaustausches hinaus24• Nicht erst der Leistungsaustausch, sondern die faktische Parteiabsicht führe zur Anrechnung der Gegenleistung. Blomeyer erkennt, daß damit die Risikozuweisung des gültigen Vertrages auf den nichtigen Vertrag übertragen wird25 • Zutreffend stellt Blomeyer fest, daß eine solche Konstruktion, trotz ihres nicht unangemessenen Ergebnisses, mit dem herrschenden System des Vertragsrechts schlechthin unvereinbar ist, weil sie entgegengesetzt zur parallelen Abwicklung des Rücktrittsrechts, § 350, entscheidetH. So viel auch mit einer ausdehnenden Auslegung des § 351 gerettet werden mag, der Fall des zufälligen Untergangs der geleisteten Sache läßt sich nicht contra legern so entscheiden, daß der Rückgewährpflichtige weiterhin auf den Wert haftet. Vor allem aber dürfen die Regeln über die ungerechtfertigte Bereicherung dem Käufer keine schärfere Haftung auferlegen als die besonderen Rückabwicklungsregeln des Vertragsrechts27 • Die Rücksichtnahme auf die bestehende gesetzliche Regelung fordert also, das Risiko für den wirklich zufälligen Sachuntergang - wie es § 818 Abs.3 vorsieht - dem Bereicherungsgläubiger aufzuerlegen. In den Fällen des Untergangs der Sache infolge eines Verhaltens des Empfängers entscheidet sich Blomeyer wie Flume für eine Gefahrtragung des Empfängers28• Der Käufer behandele mit einer Sachbenutzung, die über eine Fremdbenutzung hinausgehe, die Sache als eigene und nehme damit eine Vermögenseingliederung vor, die nach Auffassung Flumes auch die Gefahr für Untergang und Verschlechterung einbringen 22 23

24 25 26 27 28

Blomeyer AcP 154, 527 ff. (534 ff.). Blomeyer S. 535. Blomeyer S. 54!. Blomeyer S. 54!. Blomeyer S. 542, vgl. auch oben 3243. Blomeyer S. 542, 543. Blomeyer S. 544.

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3. Die Bereicherungsbeschränkung bei gegenseitigen Verträgen

müsse. Blomeyer selbst schlägt vor, dem Käufer, der sich auf einen solchen Untergang berufe, die exceptio doli entgegenzuhalten, da er sich mit der Berufung zu seinem bisherigen Verhalten in Widerspruch setze. Im Unterschied zu Flume knüpft Blomeyer zutreffend erst an die Vermögenseingliederung nach Entgegennahme der Sache und nicht an den Vertragsschluß selbst an!9. Sachgerecht ist weiter - wie die Rechtsprechungsanalyse gezeigt hat 3t! - sein Versuch, die Risikozuweisung des § 818 Abs. 3 nicht pauschal umzukehren, sondern differenzierend auf das jeweilige Empfängerverhalten einzugehen. Inhaltlich nicht ganz befriedigend ist dagegen das von Blomeyer gewählte Abgrenzungskriterium, dem Empfänger den Einwand aus § 818 Abs. 3 zu versagen, der die Sache über eine Fremdbenutzung hinaus, d. h. als eigene nutzt. Nach der von Blomeyer vorgeschlagenen Unterscheidung müßte jede Sachbenutzung, die zu extremer Abnutzung, unter Umständen sogar zur Zerstörung der Sache führt, als Eigenbenutzung eingestuft werden. Denn nur der Eigentümer hat die Berechtigung, mit der in seinem Besitz befindlichen Sache nach Belieben zu verfahren, vor allem sie zu zerstören (§ 903). Damit würde auch dem Empfänger, der die Sache gerade zum Zwecke der Abnutzung bzw. Zerstörung erworben hat, der also vollkommen redlich handelt, wenn er die Sache seiner Absicht entsprechend nutzt, der Einwand aus § 818 Abs. 3 versagt. Ein solches Ergebnis verträgt sich nicht mit dem Normzweck des § 818 Abs. 3, den gutgläubigen, redlichen Empfänger von der Haftung freizustellen, einer Funktion, die sich nicht allein aus der Ausgestaltung der Haftungsverschärfung des § 819 Abs.1 ergibt31 • Eine Beschränkung des § 818 Abs.3 darf sich daher, soll das Grundprinzip der Vorschrift beibehalten werden, nicht wie der Vorschlag Blomeyers an rein objektiven Zurechnungskriterien orientieren, sondern muß auch subjektive Gesichtspunkte im Empfängerverhalten, insbesondere die Redlichkeit des Empfängers, einbeziehen. 344. Von Caemmerer

Von Caemmerer geht von der Richtigkeit der Risikozuweisung der Saldotheorie an den Empfänger aus3ll. Die dogmatische Rechtfertigung einer Saldierung von Leistung und Gegenleistung sieht er entgegen der bis dahin herrschenden Auffassung nicht länger im abstrakten, wirtschaftlichen Bereicherungsbegriff33 , sondern Grundlage seiner BetrachVgl. die Ausführungen oben 342. Oben 3263. 31 Esser, Schuldrecht § 105 II 1 c; Larenz, Schuldrecht § 70 II; vgl. auch unten 3523. 32 Von Caemmerer, Festschrift Rabel S. 333 ff. (384 ff.). 33 Von Caemmerer S. 385. 29

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34. Neuere Ansichten zum Problem der Vertragsrückabwicklung

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tung ist die Tatsache des beiderseitig erfüllten Vertrageg34. Man könne trotz der Nichtigkeit eines Vertrages die Augen nicht davor verschließen, daß er faktisch durchgeführt sei. Diese synallagmatische Bindung müsse auch bei der Rückabwicklung berücksichtigt werden. Deshalb dürfe es dem Vertragspartner nicht erlaubt werden, die eigene Leistung isoliert zurückzuverlangen, wenn er selbst das Empfangene wegen Wegfalls der Bereicherung nicht mehr herausgeben könne35 • Von Caemmerer hält es jedoch für unerläßlich, Wertungsparallelität zwischen der rücktrittsrechtlichen Abwicklung (im Fall der Wandlung) und der bereicherungsrechtlichen Lösung herzustellen36 • Von Caemmerer erreicht dieses Ziel durch Auslegung der §§ 350, 351, 35231 und anschließende übertragung des Ergebnisses auf die Bereicherungsabwicklung38. Wo die Saldotheorie zu einer Risikoverteilung führe, die von klaren Prinzipien der Gefahrtragung bei der Abwicklung gescheiterter Verträge abweiche, seien entsprechende Ausnahmen zu machen39 • In der ersten der von ihm unterschiedenen vier Fallgruppen, im Fall der Verschlechterung bzw. des Untergangs der Sache infolge des Mangels, greife eine solche Ausnahme ein. Diesbezüglich werde die Regelung des § 350 allgemein gebilligt4O, auch in der bereicherungsrechtlichen Abwicklung müsse der Verkäufer das Risiko entgegen der Saldotheorie tragen41 . In der Fallgruppe, in der der Kaufgegenstand ohne jegliches Zutun des Käufers zufällig untergegangen ist, sei mit § 350 eine eindeutige gesetzgeberische Entscheidung getroffen, die zwar mit der Ordnung des Gefahrübergangs, den Verkäufer grundsätzlich von Zufallsrisiken zu entlasten, kollidiere, aber trotzdem verbindlich sei4.2. Auch bereicherungsrechtlich müsse analog § 350 eine Ausnahme von der Saldotheorie zugelassen werden43 • Die dritte Gruppe erfaßt die Fälle der Unmöglichkeit unversehrter Rückgabe infolge eines Verhaltens des Käufers, das nicht als Verschulden anzusprechen ist, damit jede auch mit aller Sorgfalt getroffene Disposition des Käufers, die den Sachuntergang bzw. die Sachverschlech34

35 36

31

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Von Caemmerer S. 386. Von Caemmerer S. 386. Von Caemmerer, Festschrift Larenz S. 621 ff. Von Caemmerer S. 625 ff. Von Caemmerer S. 634 ff. Von Caemmerer S. 638. Von Caemmerer S. 628. Von Caemmerer S. 638. Von Caemmerer S. 630 f. Von Caemmerer S. 638.

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3. Die Bereicherungsbeschränkung bei gegenseitigen Verträgen

terung bewirkt. Hier müsse in Analogie zu §§ 351, 352 die Wandlung ausgeschlossen sein. Der Käufer dürfe die Folgen von im eigenen Interesse getroffenen Dispositionen, die eine unversehrte Rückgabe unmöglich machen, nicht durch Wandlung auf den Verkäufer überwälzen, sondern müsse sich mit den ihm sonst zur Verfügung stehenden Behelfen (Minderung oder Schadensersatz) begnügen44 • Bereicherungsrechtlich werde dieses Ergebnis sachgerecht von der Saldotheorie erzielt45. Rücktrittsrechtlich einheitlich werde die vierte Fallgruppe behandelt. Die Wandlung sei nach § 351 ausgeschlossen, wenn der Käufer verschuldet hat, daß die Sache nicht unversehrt zurückgegeben werden kann. Dabei sei Verschulden vor der Aufdeckung des Mangels regelmäßig nur Verschulden "im natürlichen Sinn", ein Verschulden "gegen sich selbst", ein Verstoß gegen die Gebote des eigenen Interesses an der Erhaltung der Sache". Bei der bereicherungsrechtlichen Rückabwicklung bleibe es bei der Saldotheorie, die ohnehin dem Käufer das Risiko zuweise4? Von Caemmerer bringt die Diskussion um eine Beschränkung des § 818 Abs. 3 erheblich voran, indem er in aller Deutlichkeit festhält, daß bei jeder Lösung vertragliche und außervertragliche Behelfe harmonieren müssen48 • Es reicht nicht aus, die bereicherungsrechtliche Risikoverteilung zu verändern, das Ergebnis muß auch den übrigen Abwicklungen, vor allem der der Wandlung, entsprechen. Nur über eine Wertungsparallelität sind Widersprüche und Unbilligkeiten zu vermeiden. Beachtenswert auch die Unterscheidung in die oben geschilderten vier Fallgruppen. Von Caemrnerer knüpft damit zutreffend an die jeweiligen Ursachen des Sachuntergangs bzw. der Sachverschlechterung an. Nur unter Berücksichtigung dieser Ursachen läßt sich ein interessengerechtes Ergebnis finden. Unglücklich gewählt ist dagegen von Caemmerers Konzeption, die bereicherungsrechtliche Risikoverteilung auf der Basis der Saldotheorie zu begründen. Zwar trifft die Saldotheorie als Risikoumkehrung des § 818 Abs. 3 in allen Fällen, in denen eine Haftung des Empfängers aus welchen Gründen auch immer - angemessen erscheint, vom Ergebnis her die richtige Entscheidung, dies jedoch, ohne in irgendeiner Weise auf die jeweilige Ursache der Interessenabwägung zugunsten des 44 45 48 47 48

Von Caemmerer S. 632 f. Von Caemmerer S. 639. Von Caemmerer S. 631 f. Von Caemmerer S. 638. Von Caemmerer S. 625.

34. NeuereAnsichten zum Problem der Vertragsrückabwicklung

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Empfängers einzugehen. Als pauschale Risikozuweisung an den Empfänger ist die Saldotheorie ein viel zu grobes Instrument, die verschiedenen Gründe der jeweiligen Haftungszuweisung differenziert zu erfassen48 • Auch von Caemmerer ist daher gezwungen, Ausnahmen vom Prinzip der Saldierung zuzulassen. Von Caemmel'ers Entscheidung für die Saldotheorie wirkt um so weniger verständlich, als er bei der Beurteilung der Wandlungsabwicklung die Ursachen der Risikozurechnung, die im jeweiligen Parteiverhalten liegen, genau schildert und mit der Wertung der §§ 350, 351, 352 auch ein sachgerechtes Instrumentarium zur rechtlichen Einbeziehung dieser Ursachen findet. Eine übertragung der rücktrittsrechtlichen Wertung von Caemmerers auf die bereicherungsrechtliche Abwicklung führt im Ausgangspunkt aber zu § 818 Abs. 3, da dessen Risikozuweisung der des § 350 entspricht. Bezüglich des zufälligen Untergangs, Fallgruppe 2, könnte die gesetzliche Anordnung des § 818 Abs.3 also aufrechterhalten bleiben. Gleiches gilt für die Fallgruppe 1; der für den Mangel verantwortliche Verkäufer haftet nach § 818 Abs.3 ohnehin. In den beiden übrigen Fallgruppen ist eine Modifikation des § 818 Abs.3 entsprechend der rücktritts rechtlichen Wertung allerdings unvermeidlich. Was die Interessenabwägung von Caemmerers angeht, so kann seinen Ausführungen in den Fallgruppen 1,2 und 4 beigepflichtet werden. Daß der schlecht liefernde VE!rkäufer für die Folgen des Mangels einstehen muß - erste Fallgruppe -, ist nahezu selbstverständlich. Weiter darf den §§ 350 und 818 Abs. 3 als ausdrücklicher Anordnung des Gesetzgebers nicht jeder Anwendungsbereich genommen werden. Mindestens der von den beiden Parteien völlig unbeeinflußte zufällige Sachuntergang, z. B. durch höhere Gewalt - zweite Fallgruppe - , muß davon betroffen bleiben. Eingängig ist auch die Abwägung bezüglich der vierten Fallgruppe. § 351 schränkt in sachgerechter Weise die Risikozuweisung des § 350 ein, wenn er dem Empfänger die überwälzung der Folgen eines Verstoßes gegen die Gebote der Sorgfalt in eigenen Angelegenheiten versagtGo. Die Rechtsprechungsanalyse hat zudem erkennen lassen, daß eine entsprechende Wertung in der bereicherungsrechtlichen Abwicklung vorzunehmen jst61. Zweifelhaft bleibt jedoch, ob die Wandlung analog §§ 351, 352 auch in den Fällen ausgeschlossen sein muß, in denen die Unmöglichkeit unversehrter Rückgabe auf einer zwar im eigenen Interesse, jedoch mit aller Sorgfalt getroffenen Vermögensdisposition des Käufers beruht 48

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Vgl. auch Leser, Rücktritt S. 120. Von Caemmerer S. 632. Vgl. oben 3263.

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3. Die Bereicherungsbeschränkung bei gegenseitigen Verträgen

dritte Fallgruppe. Es erscheint bedenklich, dem Empfänger auch dann das Risiko zuzurechnen, wenn er ohne jegliches Verschulden handelt. Eine derartige Zurechnung läßt sich schwerlich mit der Funktion der §§ 350, 818 Abs. 3, den gutgläubigen, redlichen Empfänger von der Haftung freizustellen, vereinbaren". 345. Leser

Leser begründet die Berücksichtigung der Gegenleistungserbringung mit dem Gesichtspunkt des faktischen Synallagmas53• Durch das faktische Austauschverhältnis würden die Rückabwicklungsansprüche ähnlich dem wirksamen Vertrag voneinander abhängitf4. Nach dem Grundsatz des "do ut des" ließen sich die Rechtsgedanken der §§ 320 ff. auf die Rückabwicklung durch die beiden Bereicherungsansprüche anwenden. Demnach bleibt die Risikotragung der Saldotheorie aufrechterhalten. "Der Empfänger einer Leistung trägt für sie das Gegenleistungsrisiko"55. Konsequenzen ergeben sich für die Geltendmachung: Nach Ansicht Lesers bestehen zwei selbständige Bereicherungsansprüche. Analog § 320 könne eine Einrede geltend gemacht werden; soweit die Bereicherungsansprüche auf Geld gerichtet seien, könne aufgerechnet werden. Vorteilhaft gegenüber der Saldotheorie sei, daß die Bindung durch faktisches Synallagma eine differenzierende Betrachtungsweise erlaube, weil sie "auf der Abwicklungsfunktion" der Bereicherungsansprüche beruhe". So falle bei der Anfechtung wegen arglistiger Täuschung die Bindung durch faktisches Synallagma weg67. Auch bei Verträgen Geschäftsunfähiger bzw. -beschränkter sei der Schutzzweck der die Nichtigkeit anordnenden Normen entsprechend zu berücksichtigen. Der Rechtsgedanke des § 324 finde Anwendung, wenn die Sache infolge eines vom Verkäufer verursachten Mangels untergehe. Schließlich vermöge die Bindung durch faktisches Synallagma auch dingliche Ansprüche zu erfassen. Nicht einbeziehen könne die Lehre vom faktischen Synallagma, wie Leser selbst zugibt58 , die Fälle des nur einseitig erfüllten Vertrages, da das gegenseitige Vertrauen, das die Risikoumkehrung bewirke, erst mit Näher unten 3523 am Ende; vgl. auch oben 212 am Ende. Leser, Von der Saldotheorie zum faktischen Synallagma, S. 49 ff.; Der Rücktl1itt vom Vertrag S. 107 ff. 54 Leser, Saldotheorie S. 175, Rücktritt S. 112 ff. 55 Leser, Saldotheol'ie S. 175. 56 Leser, Saldotheorie S. 176. 57 Später aufgegeben, da "den Belangen des Getäuschten durch spezifischere Behelfe als der generellen Umkehr der Gefahrtragung Rechnung getragen werden müsse". Leser, Rücktritt S. 120. 58 Leser, Saldotheorie S. 58 ff. 52

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34. Neuere Ansichten zum Problem der Vertragsrückabwicklung

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dem Austausch beider Leistungen gewährt werde 69 • Wie oben geschilde~, besteht jedoch die Unbilligkeit einer Lösung über § 818 Abs.3 bei nur einseitig ausgeführten Verträgen in gleichem Maße wie im Normalfall gleichzeitiger Leistungserbringung. Die Lehre vom faktischen Synallagma setzt demnach nicht ganz zutreffend an, wenn sie an den Leistungsaustausch selbst anknüpft. Die Problematik einseitig ausgeführter Verträge macht deutlich, daß die "Inanspruchnahme gegenseitig gewährten Vertrauens", die nach Leser eine Haftungsdifferenzierung des § 818 Abs.3 zu rechtfertigen vermag&t, bereits im Vertragsschluß selbst ihren Ursprung finden muß. Daß der Gesichtspunkt des faktischen Synallagmas wenig weiterhilft, zeigt sich auch an anderer Stelle. Die Bindung durch faktisches Synallagma besteht in den Fällen der Anfechtung wegen arglistiger Täuschung und bei Beteiligung Geschäftsbeschränkter bzw. -unfähiger in gleichem Umfang wie im Normalfall des nichtigen gegenseitigen Vertrages. Wenn Leser in den letztgenannten Fällen trotzdem von einer Risikoumkehrung absieht, so steht das nicht mehr mit dem Syallagmagedanken in Zusammenhang. Vielmehr macht Leser die Haftungsdifferenzierung von Wertungen abhängig, die der Gesetzgeber außerhalb der Bereicherungsabwicklung getroffen hat. Das Argument Lesers, die Lehre vom faktischen Synallagma sei gegenüber der Saldotheorie die flexiblere Abwicklungsregelung, läßt sich aus der Bindung an das Synallagma nicht begründen. Als mehr oder weniger pauschale Risikoumkehrung des § 818 Abs.3 steht die Lehre vom faktischen Synallagma einer nach der jeweiligen Unbilligkeitsursache differenzierenden Betrachtungsweise ehe~ im Wege. Welche Risikoverteilung Leser letztlich für angemessen hält, wird deutlich, wenn man die von ihm vorgeschlagene "Fortführung der Lehre vom faktischen Synallagma" betrachtet62. Leser befürwortet konsequent die Risikoverteilung des wirksamen Vertrages. Im Grundsatz gelte § 323, Differenzierungen seien nach §§ 324, 325 vorzunehmen. Leser geht sogar so weit, die anderen Abwicklungen der bereicherungsrechtlichen Entscheidung anpassen zu wollen63 • Leser entscheidet damit eindeutig contra legern. Er übersieht, daß die angeblich parallelen Entwicklungen beim Schadensersatz wegen Nichterfüllung und beim Rücktritt, mit denen er die contra-legern-Entscheidung rechtfertigen will, weitgehend nur auf Versuchen basieren, in der jeweiligen Abwicklung 69 60

61

82 63

Leser, Saldotheorie S. 60. Oben 23 u. 3252. Leser, Saldotheorie S. 60. Leser, Rücktritt S. 117 ff. Leser, Rücktritt S. 121 f.

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3. Die Bereicherungsbeschränkung bei gegenseitigen Verträgen

Wertungsparallelität mit der systemfremden Risikozuweisung der lange Zeit absolut herrschenden Saldotheorie zu erreichen. 346. Diesselhorst

Diesselhorst versucht eine Lösung zu finden, die in ihren Ergebnissen denen der Saldotheorie weitgehend gleicht, deren Schwächen und Unbilligkeiten aber vermeiden soll". Er schlägt vor, das "do ut des" des Leistungsaustausches nicht über eine Saldierung der beiden Bereicherungsansprüche zu berücksichtigen, sondern immer nur in bezug auf eine Leistung, und zwar über eine "Restriktation des § 818 Abs.3"65. Der Gesichtspunkt des Gutglaubensschutzes rechtfertige es nicht, die Haftung des Bereicherungsempfängers unter den Betrag der von ihm eingesetzten Gegenleistung herabsinken zu lassenoo. Im Gegensatz zur Saldotheorie sollen die Leistungen demnach nicht verrechnet werden, sondern zurück ausgetauscht werden; hierbei stehe jedem Partner ein Zurückbehaltungsrecht oder bei gleichartigen Leistungen eine Aufrechnungsbefugnis zu. Auf diese Weise werde eine befriedigende Lösung bei der Kondiktion von Vorleistungen erreicht417 • Das, was Diesselhorst "einschränkende Auslegung des § 818 Abs.3" nennt418 , ist konkret der Versuch, aus den Ergebnissen der Rechtsprechung, die nahezu immer nach der Billigkeit im Einzelfall entscheidet8 ', gewisse Grundprinzipien von allgemeiner Gültigkeit herzuleiten: Zunächst setzt Diesselhorst bei der Verursachung der Bereicherungsminderung an. Der Empfänger müsse bis zur Höhe der von ihm eingesetzten Gegenleistung haften, wenn die Bereicherungsminderung auf einem Verstoß gegen die in eigenen Angelegenheiten übliche Sorgfalt, auf einem Verschulden des Empfängers gegen sich selbst70, beruhe71 • Eine vom Gegner zu vertretende Entreicherung des Empfängers dagegen befreie letzteren von der Bereicherungshaftung72• Bei einer zufälligen Entreicherung komme der Gesichtspunkt zum Tragen, in wessen Sphäre der Nichtigkeitsgrund des Vertrages liege73 • Wenn der zufällig Entreicherte die Unwirksamkeit des Geschäftes zu vertreten ha" Diesselhorst, Die Natur der Sache als außergesetzliche Rechtsquelle verfolgt an der Rechtsprechung zur Saldotheorie, S. 32 ff. 65 Diesselhorst S. 61. 86 Diesselhorst S. 58, 59. 67 Diesselhorst S. 62, auch S. 202. 88 Diesselhorst z. B. S. 202. t, Vgl. oben 3263. 70 So ausdrücklich Diesselhorst S. 59. 71 Diesselhorst S. 202. 72 Diesselhorst S. 83 ff. 73 Diesselhorst S. 72 ff.

34. Neuere Ansichten zum Problem der Vertragsrückabwicklung

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be, könne er seinen Gegner nicht auf Rückerstattung der Gegenleistung in Anspruch nehmen74• Liege die Nichtigkeit des Vertrages dagegen weder in der Sphäre des einen noch in der des anderen Partners, so sei es aufgrund des tatsächlichen Leistungsaustausches ge:r;echt, dem Empfänger einer Leistung die Gefahr des zufälligen Untergangs aufzubürden711. Endlich könne in der Geltendmachung der Vertragsnichtigkeit trotz vorangegangener Inanspruchnahme der vertraglichen Leistung des Gegners ein unzulässiges "venire contra factum proprium" liegen78 . Wie bereits festgestellt 77 , bestehen gegen die dogmatische Rechtfertigung einer Berücksichtigung des "do ut des" des Leistungsaustausches aus der "Natur der Sache"78 erhebliche Bedenken. Aus der "Natur der Sache" läßt sich allenfalls entnehmen, daß die Erbringung der Gegenleistung überhaupt in irgendeiner Form Einfluß auf die Bestimmung des Bereicherungsumfanges nehmen muß. Nicht dagegen ist aus diesem Gesichtspunkt ein bestimmter Lösungsweg als der allein richtige zu schließen78. Mag die dogmatische Begründung Diesselhorsts auch gewissen Vorbehalten unterworfen sein, so kommt ihm doch das Verdienst zu, die vielschichtige, oft unklar formulierte einschlägige Rechtsprechung auf die wirklich tragenden Grundsätze und Prinzipien zurückgeführt zu haben. Diesselhorst zeigt damit Kriterien auf, nach denen die oft nicht interessengerechte Haftungszuweisung an nur eine der beiden Parteien sinnvoll aufgelockert werden kann. Weiter ist festzuhalten, daß Diesselhorst richtig die getrennte Rückabwicklung von Leistung und Gegenleistung befürwortet. Der von Diesselhorst aus der Rechtsprechungsanalyse erarbeitete Lösungsvorschlag erscheint allerdings angesichts der Verwertung einer Vielzahl unterschiedlicher Zurechnungsgesichtspunkte weitgehend systemlos. Diesselhorst stellt nicht nur auf ein mögliches Verschulden des Empfängers bei Verursachung der Bereicherungsminderung ab, unterwirft das Empfängerverhalten dem Verbot des venire contra· factum proprium, sondern differenziert auch danach, in welcher Sphäre die Nichtigkeit des Vertrages ihre Ursache findet, und weist schließlich in allen verbleibenden Fällen dem Empfänger das Risiko zu. Zudem will er auch § 818 Abs. 3 einen Anwendungsbereich insoweit erhalten, als die Vorschrift hinsichtlich des Wertüberschusses zwischen Leistung und Ge74 Diesselhorst S. 8I. 711 Diesselhorst S. 82. 78 Diesselhorst S. 89 ff., auch S. 203. 77 Vgl. oben 3237. 78 So Diesselhorst S. 206 ff. 79 Vgl. oben 3237. 7 Bremecker

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3. Die Bereicherungsbeschränkung bei gegenseitigen Verträgen

genleistung gelten soll. Insbesondere bei einem Zusammentreffen mehrerer Gesichtspunkte unterschiedlicher Zurechnungsrichtung besteht die Gefahr, daß sich der entscheidende Richter das "im Vordergrund stehende" Zurechnungskriterium nach eigenem Gutdünken heraussucht. Die Auffassung Diesselhorsts bewirkt so nicht nur eine Rechtsunsicherheit, sondern entzieht § 818 Abs. 3 den Charakter einer Gefahrtragungsregelung. Entgegenzuhalten ist Diesselhorst wie oben bereits FlessnerS°, daß die von ihm vorgeschlagene Zurechnung nach der jeweiligen Sphäre, in der die Vertragsnichtigkeit verursacht wurde, an Umstände aus dem Bereich der Haftungsanordnung des § 812 Abs. 1 Satz 1 anknüpft. Solche Umstände dürfen zur bereicherungsrechtlichen Risikoverteilung nicht mehr he~angezogen werden, da die Haftungsanordnung der §§ 812 ff. entsprechend ihrer AufgabensteIlung im Gesamthaftungssystem - abgesehen von § 817 - bewußt auf eine Bewertung des Parteiverhaltens verzichtet. Schließlich begründet Diesselhorst nicht überzeugend, warum die Haftung des Empfängers auf den Wert der eingesetzten Gegenleistung beschränkt werden soll. Es erscheint inkonsequent, wenn er einerseits eine getrennte Abwicklung von Leistung und Gegenleistung für unumgänglich hält81 , andererseits die vom Empfänger eingesetzte Gegenleistung heranzieht, "um den gesetzgeberischen Gedanken des Gutglaubensschutzes sachgemäß zu bestimmen"8Il. 347. Esser, Larenz, Medicus

Der Gedanke des faktischen Synallagmas wird von Esser83 aufgegriffen. Im Gegensatz zu Leser geht Esser aber nicht von zwei selbständigen Bereicherungsansprüchen aus, sondern er nimmt wie die ursprüngliche Saldotheorie eine Verrechnung von Leistung und Gegenleistung vor. Wesentliches Argument, die Saldotheorie zu unterstützen, ist für Esser, daß das Risiko des Untergangs oder Wertverlustes der Leistung denjenigen treffen müsse, in dessen Hand sie gewesen sei84 • Die Schwierigkeiten in den Vorleistungsfällen will er durch eine "restriktive Anwendung des § 818 Abs.3" beseitigen". Wer das Vorgeleistete verwerte, tue dies ja nicht im guten Glauben daran, daß er keine Eigenleistung werde erbringen müssen. Er sei daher nicht schutzwürdig. 80

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Oben 224. Diesselhorst S. 62. Diesselhorst S. 59. Esser, Schuldrecht § 105 II 2 (S. 382 ff.). Esser, Schuldrecht § 105 II 2 (S. 382, 383). Esser, Schuldrecht § 105 II 2 (S.384).

34. Neuere Ansichten zum Problem der Vertragsrückabwicklung

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Eine ähnliche Form der Saldotheorie vertritt Larenz86• Er betrachtet diese Theorie als eine "die Natur der Sache" berücksichtigende richterliche Rechtsfortbildung87• Die Parteien hätten nun einmal ihre Leistungen nach ihrem eigenen Verständnis gegeneinander ausgetauscht. Das dürfe bei der Rückabwicklung nicht unbeachtet bleiben. Larenz betont, daß die Gefahr des Bereicherungswegfalls denjenigen treffen müsse, in dessen Sphäre sie sich realisiere. Insofern handele es sich um eine Risikozurechnung nach Gefahrenkreisen88• Aber auch Larenz will den Anwendungsbereich der Saldotheorie beschränken. Ihre Anwendung habe zu unterbleiben, wenn sie einer Wertung des Gesetzes, die Vorrang verdiene, widerspreche89• Das sei der Fall zum Zwecke des Minderjährigenschutzes und bei Anfechtung wegen arglistiger Täuschung. Wenn die Vorleistung ersatzlos untergegangen sei, entfalle die Kondiktion des Vorleistenden. Das folge aus der in der Vorleistung liegenden Lockerung des Synallagmas, müsse daher hingenommen werden. Auch Medicus90 zieht den Gedanken des faktischen Synallagmas heran, um eine Saldierung der beiden Bereicherungsansprüche zu begründen. Er wendet sich aber gegen die Erweiterung des Synallagmas auf den Fall des nur einseitig ausgeführten Vertrages81• Eine solche Erweiterung will er nur ausnahmsweise zulassen, nämlich wenn der Nachweis gelinge, daß ein Widerspruch zum Zweck der Nichtigkeitsnorm vermieden bleibt. Nach Ansicht von Medicus zwingt § 350 allgemein zu einer Korrektur der Saldotheorie. Daher könne die Saldotheorie einen Abzug wegen einer vom Empfänger nicht zu vertretenden Entreicherung nicht begründen92• Eine weitere Korrektur soll endlich zugunsten des Minderjährigen anzubringen sein. Die .geschilderten Ansichten stellen moderne Ausprägungen der Saldotheorie dar. Den Schritt, die beiden Bereicherungsansprüche jeweils selbständig abzuwickeln, hat man noch nicht vollzogen. Es wird weiterhin davon ausgegangen, daß nur ein Bereicherungsanspruch auf die Wertdifferenz zwischen Leistung und Gegenleistung besteht. Begründet wird die Saldotheorie heute nahezu einheitlich aus dem sog. "faktischen Synallagma" oder aus der "Natur der Sache". Daß der Anwendungsbereich der Saldotheorie einzuschränken ist, wegen der sonst entstehenden Wertungswidersprüche mit den übrigen gesetzlichen Regelungen, wird nicht 86 87 88

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Larenz, Schuldrecht § 70 III (S. 515 ff.). Auch Larenz, Methodenlehre 2. Aufl. S. 392 ff. Larenz, Schuldrecht § 70 III (S. 516 f.). Larenz, Schuldrecht § 70 III (S. 517 f.). Medicus § 12 II 3 b. Medicus § 12 II 3 b cc. Medicus § 12 II 3 c aa.

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3. Die Bereicherungsbeschränkung bei gegenseitigen Verträgen

mehr bestritten. Wann im einzelnen aber Korrekturen und Einschränkungen notwendig sind, welchen. anderen gesetzlichen Gefahrtragungsregelungen letztlich der Vorrang einzuräumen ist, wird völlig uneinheitlich entschieden. Als Beispiel sei auf den Fall des nur einseitig ausgeführten Vertrages hingewiesen. 348. Wieling

Wielingt3 hält die Risikozuweisung der Saldotheorie an den Empfänger für interessengerecht. Als dogmatisches Instrument sei die Saldotheorie jedoch nicht brauchbar, da sie nicht dem Gesetz entspreche, das vielmehr von einseitigen Bereicherungsansprüchen im Sinne der Zweikondiktionenlehre ausgehe". Die Berechtigung zur Konstruktion einer Empfängerhaftung findet Wieling im Grundsatz des venire contra factum proprium: Wer eine Sache endgültig in seinen Rechtskreis übernehme, um sie wie ein Eigentümer zu nutzen, der müsse auch die Gefahr der Sache tragen. Er benutze die Sache bewußt auf eigenes Risiko. Das factum, zu welchem sich der Besitzer nicht in Widerspruch setzen dürfe, sei diese Gefahrübernahme96• Wieling versucht, die von ihm entwickelten Grundsätze auf die rücktrittsrechtliche Abwicklung zu übertragen". Da § 351 ein Anwendungsfall des Verbots des venire contra factum proprium sei, könne der Gedanke des Verbots eines HandeIns entgegen der Gefahrübernahme ohne weiteres einfließen. Auch § 347, den Wieling entgegen der h. M. nicht als Schadensersatz-, sondern als Gefahrtragungsregel versteht97 , passe sich in das Haftungsschema ein. Die Vorschrift gewähre dem Rücktrittsgegner bei unwesentlichen Beschädigungen der Sache Wertersatz, sobald die Beschädigungen infolge einer Risikoübernahme des Empfängers eingetreten seien98 • Wieling entwickelt den Gedanken Flumes von der vermögensmäßigen Entscheidung des Empfängers" konsequent weiter. Vor allem gelingt es Wieling, bezüglich des Gedankens der Gefahrübernahme Wertungsparallelität mit §§ 350, 351 und § 347 zu erzeugen. Im Ergebnis unterläuft Wieling jedoch über die Auslegung des § 351 die Anordnung des § 350 völlig, was er auch selbst erkennt, aber für unschädlich hält lOo• Betrachtet man die Entgegennahme der Sache als Wieling AcP 169, 137 ff. (156 ff.) und JuS 1973, 397 ff. Wieling JuS 1973,397. 95 Wieling JuS 1973, 397 f. 98 Wieling JuS 1973, 398 f. 97 Näheres zur Problematik des § 347 unten 353. 98 Wieling JuS 1973, 400 f. 99 Vgl. oben 223 und 342. 100 Wieling JuS 1973, 399. 93

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34. Neuere Ansichten zum Problem der Vertragsriickabwicklung

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Gefahrübernahme, so trägt der Empfänger nahezu jedes Risiko. Die Fälle, auf die Wieling den Anwendungsbereich des § 350 beschränkt etwa der Fall der gestohlenen mangelhaften Sache, die an den Eigentümer herausgegeben wurde -, haben kaum praktische Bedeutung. Wie schon Blomeyer zu Recht feststellte, ist eine solche Risikoumkehrung mit dem derzeitigen System des Vertragsrechts schlechthin unvereinbar101 • Wieling verkehrt das Verhältnis von Grundsatz und Einschränkung, in dem §§ 350,351 nach dem Willen des Gesetzgebers stehen, nicht nur ins Gegenteil, sondern seine Interpretation des § 351 überschreitet die Grenzen, die der Vorschrift entsprechend ihrer Konzeption als Haftungsbeschränkung gesetzt sind. Auch bei der weiten Auslegung des § 351 durch die herrschende Auffassung - beim gesetzlichen Rücktritt reicht neben der Obliegenheitsverletzung sogar ein freies Verhalten des Empfängers, wenn letzterer Kenntnis vom Rücktrittsgrund . hatte1°! bleibt der Charakter der Vorschrift als Haftungsbeschränkung gewahrt: Vom Grundsatz des § 350 wird nur abgewichen, wenn das Verhalten des Empfängers diesem in irgendeiner Weise vorgeworfen werden kann. Wieling dagegen läßt den Gesichtspunkt des subjektiven Vorwurfs, der die Haftungsbeschränkung inhaltlich trägt, unbeachtet, entnimmt der Beschränkung lediglich das Ergebnis, die Haftung des Empfängers, das er dann zum (Gefahrtragungs-)Grundsatz bestimmt. Derart weittragende Konsequenzen kann § 351 aber weder von der Konzeption noch seinem Inhalt her rechtfertigen. Bei Gesamtbetrachtung befürwortet Wieling, was insbesondere seinen Ausführungen im AcP zu entnehmen istl03 , die Risikoverteilung des wirksamen Vertrages. Er geht sogar soweit, Vereinbarungen des für unwirksam erklärten Vertrages unter dem Gesichtspunkt des Verbots des venire contra factum proprium in die bereicherungsrechtliche Abwicklung einfließen zu lassen. So, wenn er etwa verlangt, beim unwirksamen Darlehen müsse der Darlehensnehmer den nichtig vereinbarten Zinssatz zahlen104 • Daß sich die Nichtigkeitsanordnung gerade gegen die Risikoübernahme durch den Empfänger bzw. gegen einzelne Vereinbarungen des ursprünglichen Vertrages richten kann, übersieht Wieling105 • Bei Durchführung der Auffassung Wielings kann von einer Rückabwicklung kaum noch die Rede sein, es handelt sich vielmehr um eine - zumindest teilweise - Abwicklung des nichtigen Vertrages. Die Ausführungen Wielings zeigen eine gefahrvolle Tendenz auf, die sich 101

Blomeyer AcP 154, 542; ähnlich auch von Caemmerer, Festschrift Larenz

S.631. 102 103 104 105

Übersicht bei Wieling Jus 1973,399. Wieling AcP 169, 156 ff. Wieling AcP 169, 166. So auch Medicus § 12 II 3 b dd.

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3. Die Bereicherungsbeschränkung bei gegenseitigen Verträgen

bei Annahme einer Gefahrübernahme mit Empfang der Sache immer weiter entwickeln wird: Die Nichtigkeitsanordnung bezüglich des Vertrages wird mehr und mehr durchlöchert. Die hinter der Nichtigkeitsanordnung stehenden Wertungen und Prinzipien werden zunehmend ausgehöhlt und ihrer Wirkung beraubt. 349. Rengier

Rengierloe begründet die von ihm vorgeschlagene Korrektur des § 818 Abs.3 aus dem veränderten Verständnis der Funktionen des Bereicherungsrechts. An die Stelle der Deutung als bloße Billigkeitshaftung sei bei der Leistungskondiktion eine Betonung der Rückabwicklungsfunktion getretenl07 . Der so in den Vordergrund gerückte Ausgleichsgedanke müsse auch die Bemessung des Bereicherungsumfangs beeinflussenl08 . Im einzelnen sei wie folgt zu differenzieren: § 818 Abs.3 müsse auf den Wegfall des erlangten Gegenstandes beschränkt werden. Zudem sei die Vorschrift durch das Verbot des venire contra factum proprium zu ergänzen. Der Empfänger hafte auf Wertersatz für die Risiken, die er durch Einsatz oder Verwendung des Erlangten im eigenen Interesse eingegangen sei. § 818 Abs.3 betreffe nur den "zufälligen Untergang des Erlangten und den Untergang infolge von Ursachen, die in der Sphäre des Bereicherungsgläubigers liegen"109. §§ 818 Abs. 4, 819 f. bleibe insoweit ein Anwendungsbereich gewahrt, als der Empfänger unter deren Voraussetzungen auf Schadensersatz haftello. Wertungsparallelität mit dem gesetzlichen Rücktrittsrecht erzielt Rengier, indem er §§ 350, 351 entsprechend der von ihm vorgeschlagenen bereicherungsrech.tlichen Wertung interpretiert und § 347 d~hingehend korrigiert, daß vor Kenntnis vom Rücktrittsgrund eine Wertersatzhaftung des Empfängers eingreifell1 . Vermögensschäden, die der Empfänger mit dem Bereicherungsvorgang und seiner Abwicklung erlitten hat, stellen nach Auffassung Rengiers dagegen keine bereicherungsmindernden Abzugsposten dar112 • Vertrauensschäden seien nach den Vorschriften der §§ 122, 179 Abs. 2, 307, 309 zu ersetzen, notwendige und nützliche Verwendungen nach den Grundsätzen der Verwendungskondiktion. Für die Kosten der Herausgabe sollen die §§ 269, 270 gelten. 108 107 108 109 110 111 112

Rengier AcP 177, 418 ff. Rengier AcP 177, 421 f., vgl. auch oben 1. Rengier AcP 177, 422. Rengier AcP 177, 450. Rengier AcP 177, 447. Rengier AcP 177,439 und 426 f. Rengier AcP 177, 450 und 431 ff.

34. Neuere Ansichten zum Problem der Vertragsruckabwicklung

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Die Auffassung Rengiers differenziert nicht mehr zwischen ein- und gegenseitiger Bereicherung, sondern beschränkt § 818 Abs. 3 insgesamt. Damit wird zwar einem wesentlichen gegen die Saldotheorie vorgebrachten Argument von vornherein der Boden entzogen113 , ob man aber in Anbetracht der Tatsache der Betonung der "besonderen Situation" nichtiger gegenseitiger Verträge durch die Rechtsprechungll4 die Fälle ein- und gegenseitiger Bereicherung völlig gleichstellen darf, ist zweifelhaft1l5• Bezüglich des Sachverlustes will Rengier die Anordnung des § 818 Abs.3 - und damit die des § 350 - grundsätzlich aufrechterhalten. Bei genauerer Betrachtung der von ihm vorgeschlagenen "Ergänzung des § 818 Abs.3 durch das Verbot des venire contra factum proprium" wird jedoch deutlich, daß das Bekenntnis zu § 818 Abs. 3 nur noch formaler Natur ist. Abgesehen von dem Fall des Untergangs infolge von Ursachen aus der Sphäre des Bereicherungsgläubigers, den jegliche Empfängerhaftung differenzierend lösen mußlU', bleibt der Vorschrift kaum ein Anwendungsbereich. "Zufällig" im Sinne von Rengier ist der Untergang nur, wenn der Empfänger die erworbene Sache in keiner Weise nutzt bzw. benutzt. Der Empfänger erwirbt die Sache aber gerade um des Gebrauches willen, d. h. vertrauend auf die Endgültigkeit seines Erwerbes wird er die Sache unbedenklich ihrem Gebrauchszweck zuführen. Schwer denkbar und damit allenfalls seltene Ausnahme ist dagegen der Fall, in dem jemand eine Sache kauft, um sie schlicht sorgfältig aufzubewahren. Die Auffassung Rengiers höhlt § 818 Abs. 3 also weitestgehend aus. Im praktischen Ergebnis entspricht seine Auffassung nahezu vollkommen der Ansicht, die in der Entgegennahme der Sache eine Risikoübernahme durch den Empfänger sieht. Und dies, obwohl Rengier selbst mit zutreffenden Argumenten eine willentliche Risikoübernahme des Empfängers ausschließt117• Nur unter der Prämisse der Wirksamkeit des Vertrages ist der Käufer damit einverstanden, das Risiko zu übernehmen. Er will die Sachgefahr allein dann tragen, wenn der erlangte Gegenstand auch wirklich zu seinem Vermögen gehört und nicht mit einem Rückgewähranspruch belastet ist118• Gesetzt den Fall, der Käufer bezöge die Möglichkeit der Vertragsnichtigkeit in seine Erwägungen ein, so würde er wohl davon ausgehen, das Sachrisiko müsse dem Bereiche113

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Vgl. oben 3252 am Ende. Vgl. oben 321. Dazu unten 35241. Vgl. etwa die Regelung der §§ 323,324. Rengier AcP 177, 440 f. Rengier AcP 177, 440 m.w.N.

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3. Die Bereicherungsbeschränkung bei gegenseitigen Verträgen

rungsgläubiger zufallen, denn letzterer hat die Berechtigung an der Sache zu keiner Zeit verloren. Nicht umsonst ordnet das Gesetz an, daß die Gefahr beim Scheitern des Vertrages zurückspringt119. Sprechen solche überlegungen, die eine willentliche Risikoübernahme ausschließen, nicht auch gegen jede Art von Gefahrtragung, die wie die Auffassung Rengiers dasselbe Ergebnis nur auf anderem Wege rechtfertigt? Auf welche Weise soll etwa - unter Zugrundelegung der Gefahrverteilung Rengiers - der minderjährige Käufer geschützt werden? Die von Rengier vertretene Risikoentscheidung läßt sich auch nicht aus der Notwendigkeit begründen, die bereicherungsrechtliche Abwicklung müse den Wertungen des gesetzlichen Rücktritts angepaßt werden. Zwar erzielt Rengier überaus konsequent Wertungsparallelität120, sein Verständnis der §§ 347, 350, 351 entspricht jedoch nicht der herrschenden Auffassung121 • Es basiert vielmehr auf einer Auslegung der genannten Vorschriften, die von der Literatur unter dem Eindruck entwickelt wurde, die Wandlungsabwicklung müsse einer Risikoverteilung im Sinne der Saldotheorie angeglichen werden. So beruft sich Rengier bezüglich seiner Auslegung der §§ 350, 351 vor allem auf von Caemmerer und Leser122 , damit auf zwei Autoren, die sogar heute noch bereicherungsrechtlich die Risikozuweisung der Saldotheorie bzw. des faktischen Synallagmas - wenn auch mit Differenzierungen - vertreten l23 • Ähnliches gilt für § 347. Die Auslegung, der Empfänger hafte für unwesentliche Verschlechterungen vor Kenntnis vom Rücktrittsgrund auf Wertersatz, wurde von Glass für die Fälle vorgeschlagen, in denen der Empfänger "gegen die Sorgfalt des ordentlichen Mannes" verstoßen hat124 ; es bleibt danach bei dem Grundsatz, der schuldlose, redliche Empfänger ist nach § 350 von der Haftung freizustellen. Rengier benutzt dagegen die von Glass geschaffene Konstruktion, um - inhaltlich entgegengesetzt - eine Haftung des Empfängers für jede im eigenen Interesse getroffene Disposition zu begründen. Die Interpretation des § 347 125 , wie sie Rengier vornimmt, wird allein von denjenigenbefürwortet, die zuvor schon entschieden haben, das Risiko des Bereicherungswegfalls dem die Sache nutzenden Empfänger aufzuerlegen128 • Die jahrelang nahezu uneingeschränkte Anerkennung der Risikoverteilung Vgl. oben 32431., näher unten 35223. Rengier AcP 177, 439 ff. 121 Näher unten 352, 353. 122 Rengier AcP 177, 427 Fußn. 41. 123 Von Caemmerer, Festschrift Larenz S. 634 ff.; Leser, Rücktritt S. 107 ff. 124 Glass S. 36. 125 Näher zu § 347 unten 353 am Ende. 126 Vgl. Rengier AcP 177, 439 Fußn. 113; instruktiv vor allem Wieling, der erst die bereicherungsrechtliche Risikoverteilung behandelt (AcP 169, 137 ff.), später dann (NJW 1973, 397 ff.) die rucktnittsrechtliche Wertung dem anpaßt. 119

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34. Neuere Ansichten zum Problem der Vertragsrückabwicklung

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der Saldotheorie hat die Stellungnahme der Literatur zur rücktrittsrechtlichen Wertung erheblich beeinflußt. Es besteht die Gefahr eines Zirkelschlusses, wenn nun umgekehrt aus dem veränderten Verständnis des gesetzlichen Rücktritts eine völlige Neuorientierung des § 818 Abs. 3 begründet wird. Weiter ist Rengier entgegenzuhalten, daß seine Auffassung neben der Aushöhlung des § 818 Abs. 3 auch den Anwendungsbereich der §§ 818 Abs.4, 819 wesentlich entwertet. Angesichts der klaren Konzeption des Gesetzes, die Haftungsfreistellung des Empfängers durch § 818 Abs. 3 unter den Voraussetzungen der §§ 818 Abs.4, 819 aufzuhebenl21 , erscheint es gekünstelt, die Wirkung der Haftungsverschärfung in der Anordnung einer Schadensersatz- anstelle der sonst eintretenden Wertersatzhaftung zu erschöpfen128• Schließlich muß bezweifelt werden, ob das veränderte Verständnis der Funktion der Leistungskondiktion eine derart weitgehende Korrektur des § 818 Abs.3 erfordert, wie Rengier sie vornimmt. Daß die Betonung der Rückabwicklungsfunktion und damit des Ausgleichsgedankens sich auch auf die Bemessung des Bereicherungsumfangs auswirken muß, ist eingängig, denn nur so wird die praktische Bedeutsamkeit des neuen Verständnisses der Leistungskondiktion gewährleistet. Das bedeutet jedoch nicht, daß nun die Anordnung des § 818 Abs. 3 völlig umzukehren wäre, wozu die Gefahrverteilung Rengiers im Ergebnis aber führt 129• Wie festgeste11t130, entspricht die grundsätzliche HaftungsfreisteIlung des gutgläubigen Empfängers durch § 818 Abs. 3 der im Bürgerlichen Gesetzbuch enthaltenen Systematik zur Rückabwicklung gescheiterter Verträge. Die Umorientierung im Verständnis der Leistungskondiktion kann das System des Vertragsrechts allenfalls in einem Teilbereich - der Bereicherungshaftung - modifizieren, nicht aber die in allen Abwicklungen übereinstimmende grundsätzliche Gefahrentscheidung ins Gegenteil umkehren. Aus dem veränderten Verständnis der Funktionen des Bereicherungsrechts läßt sich also lediglich eine sachgerechte Beschränkung der ausufernden Haftungsfreistellung des § 818 Abs.3 folgern. Ebensowenig zwingend erscheint die Haftungsdifferenzierung Rengiers nach Sachverlust einerseits und Vertrauensschäden andererseits131 • Die gegenständliche Orientierung der §§ 812, 818 Abs. 1, 818 Abs. 2 ver127 So die h.M., vgl. RGJWI932, 1724; BGHNJWI971, 609ff.; Palandtl Thomas § 819 Anm. 4 a; Koppensteiner / Kramer S. 157; a. A. Dieb NJW 1971, 1289 ff. (1292). 128 So aber Rengier AcP 177, 447. 129 Vgl. oben 212 am Ende. 130 Oben 332 am Ende. 131 Rengier AcP 177, 430 ff.

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3. Die Bereicherungsbeschränkung bei gegenseitigen Verträgen

langt nicht, § 818 Abs.3 ebenso zu interpretieren132 • Wenn das Gesetz von einer gegenständlichen zu einer vermögensorientierten Betrachtungsweise wechselt, so hat das seinen Sinn. Das Gesetz enthält bewußt einen Bruch, um dem Anliegen, den gutgläubigen Empfänger nicht zu belasten133 , nachkommen zu können. Die Entscheidung des Gesetzgebers ist durchaus sachgerecht, da es im schuldlosgelösten Bezugssystem des Bereicherungsrechts keinen Grund dafür gibt, dem Empfänger den bei ihm durch die Bereicherung verursachten "Schaden" aufzuerlegen 184. Die Wertung der §§ 122, 179 Abs.2, 307, 309 kann nicht ohne weiteres auf bei der Bereicherungsabwicklung auftretende "Vertrauensschäden" übertragen werden, da die Bereicherungsabwicklung geprägt wird von dem oben bezeichneten Grundsatz, der in §§ 818 Abs.3, 818 Abs.4, 819 zum Ausdruck kommenden Wertung, den gutgläubigen Empfänger von der Haftung freizustellen. Diese grundsätzliche Entscheidung findet jedoch in den §§ 122, 179 Abs.2, 307, 309 keinerlei Berücksichtigung. Es sei noch einmal betont: Die Haftungsfreistellung des Empfängers durch § 818 Abs. 3 ufert aus, sie muß also beschränkt werden. Das darf aber nicht Anlaß dafür sein, vollkommen auf die in § 818 Abs.3 enthaltenen, systemgerechten Wertungen zu verzichten. 35. Der eigene Lösungsvorschlag 351. Ausgangspunkt

Die bisher geschilderten Erörterungen haben einige wesentliche Erkenntnisse zutage treten lassen, an denen ein eigener Lösungsvorschlag nicht vorbeigehen kann.

3511. Der Standort des Problems Zunächst konnte der Standort des Problems eingegrenzt werden. Auch wenn bei der Rückabwicklung eines nichtigen gegenseitigen Vertrages eine Vielzahl unterschiedlicher gesetzlicher Regelungen mitbetroffen ist, muß man sich doch immer wieder vor Augen halten, daß die zu beseitigende "Unbilligkeit" primär in der bereicherungsrechtlichen Abwicklung, noch genauer bei der Feststellung des Bereicherungsumfangs angesiedelt ist. Eine Problemlösung kann demnach nur dann zu übersichtlichen und systemgerechten Ergebnissen führen, wenn sie sich so weit wie möglich auf die Ermittlung des Bereicherungsumfangs beschränkt. Aus dieser Festlegung ergeben sich gewisse Folgerungen: 132

Vgl. Erman / Westermann § 812 Rdn.3; Koppensteiner / Kramer S.120,

183

Vgl. oben 211 am Ende. Koppensteiner / Kramer S. 122.

12l.

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35. Der eigene L6sungsvorschlag

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- Der genau abgegrenzte Rahmen, in dem die Bereicherungshaftung ihren Aufgabenbereich findet, nämlich nach Feststellung der Unwirksamkeit des Vertrages einen möglichst gerechten Güterrücktausch zu gewährleisten, darf nicht gesprengt werden. Das wiederum bedeutet, von einer Naturalrestitution ist - jedenfalls im Grundsatz - weiterhin auszugehen. - Der Nichtigkeitsbegriff und die jeweils dahinterstehende Wertung des Gesetzgebers dürfen nicht angetastet werden1• Die bereicherungsrechtliche Abwicklung setzt unabhängig von den Gründen, die die Vertragsunwirksamkeit bewirkt haben, und ohne jede Bewertung des die Unwirksamkeit begründenden Parteiverhaltens erst nach Feststellung der Vertragsnichtigkeit ein. - Eine Verteilung des durch den Bereicherungswegfall entstandenen Verlustes nach schadensersatzrechtlichen Prinzipien kommt nicht in Betracht. Die Durchführung des Schadensausgleiches unterliegt entspreend ihrer abweichenden AufgabensteIlung - im Schadensersatzrecht ist bereits die Haftungsanordnung verschuldensabhängig konzipiert - anderen Wertungen als die bereicherungsrechtliche Abwicklung. Vorliegend steht nicht die weitgehend einseitige Ausgleichspflicht eines Schädigers zur Diskussion, die auch auf die Feststellung des Schadensumfanges einwirkt, sondern es liegt eine von Vorwerfbarkeitsfragen unbeeinflußte Haftungsanordnung zugrunde. Bei der Ermittlung des Bereicherungsumfangs sind demnach die beteiligten Interessen abweichend von der schadensersatzrechtlichen Betrachtung zu bewerten. - § 818 Abs. 3 enthält bezüglich des erlangten Gegenstandes selbst zunächst eine Gefahrtragungsregel, die beinhaltet, daß der Untergang oder die Verschlechterung des Erlangten grundsätzlich zu Lasten des Bereicherungsgläubigers geht. Schadensersatzfragen spielen insoweit erst im Rahmen der verschärften Haftung nach §§ 818 Abs.4, 819 f. eine Rolle!. - Jedem Versuch einer Lösung des Problems muß zunächst die genaue Ermittlung der im Bereich nichtiger gegenseitiger Verträge bemängelten "Unbilligkeit" der gesetzlich angeordneten Risikoverteilung vorangehen3 • Nur in Berücksichtigung der Ursachen dieser "Unbilligkeit" kann ein Lösungsvorschlag Abhilfe schaffen. - Beachtenswert ist in diesem Zusammenhang, daß die "Unbilligkeit" nicht allein nach erfolgtem Austausch der gegenseitigen Leistungen auftritt, sondern daß sie auch feststellbar ist bei nur einseitiger Leistungs1 ! 3

Dazu Medicus § 12 II 3 b dd, näher oben 3241 u. 3253. Vgl. Koppensteiner / Kramer S. 122; Rengier AcP 177, 428. Näher oben 3235.

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3. Die Bereicherungsbeschränkung bei gegenseitigen Verträgen

erbringungi. Ausgelöst wird die Gefahr, daß sich bei der Vertragsrückabwicklung eine "Unbilligkeit" ergibt, also nicht erst durch die Tatsache des Leistungsaustausches, wie vielfach behauptet wird, sondern bereits in einem früheren Zeitpunkt. - Als zu grobes Instrument zur Bekämpfung der "Unbilligkeit", mit dem ein differenzierendes Eingehen auf unterschiedliche Interessenlagen geradezu verhindert wird, hat sich jedenfalls die pauschale Umkehrung der Risikoanordnung des § 818 Abs.3, wie sie etwa die Saldotheorie vornimmt, erwiesen5• - Andererseits steht fest, daß die Haftungsfreistellung des Bereicherungsempfängers durch § 818 Abs. 3 ausufert. Die Beschränkung durch § 819 Abs. 1, die erst vom Zeitpunkt positiver Kenntnis der Vertragsunwirksamkeit an eine verschärfte Haftung des Empfängers anordnet, reicht in keiner Weise aus. Eine weitergehende Beschränkung des § 818 Abs. 3 steht demnach an. - Schließlich sei noch darauf hingewiesen, daß bei Ermittlung der Kriterien zur Einschränkung des § 818 Abs. 3 die Situation im Falle nur einseitiger Bereicherung nicht unberücksichtigt bleiben darf. Die Besonderheiten im Bereich gegenseitiger Bereicherung werden nur im Vergleich zum Normalfall, der einseitigen Bereicherung, sichtbar.

3512. Die Notwendigkeit, Wertungsparallelität zu erzielen Auch wenn vorliegend das Problem bei der Ermittlung des Bereicherungsumfangs angesiedelt ist, können Auswirkungen auf verwandte Abwicklungen nicht geleugnet werden. Das Bürgerliche Gesetzbuch beinhaltet ein in sich geschlossenes System der Gefahrtragung bei der Rückabwicklung gescheiterter Verträge, das nicht nur in §§ 350, 818 Abs. 3, sondern auch in der mit den §§ 812 Abs.1, 818 Abs.3 übereinstimmenden Wertung des § 985 zum Ausdruck kommt6. Wird dieses gesetzliche Gefahrtragungssystem an einer Stelle durchbrochen, so ergeben sich unvermeidbar Wertungswidersprüche zu den parallelen Abwicklungen, die erneut Ausnahmeregelungen und Einschränkungen verursachen7• Es verbleibt demnach die Möglichkeit, entweder die Wertung der §§ 350, 818 Abs.3 zumindest im Grundsatz anzuerkennen oder das diesbezüglich in sich geschlossene System des BGB insgesamt abzuändern. Letzteres allein schon wegen der Konzeption der §§ 985,987 ff. ein kaum realisierbares Vorhaben. 4

5 6 7

Vgl. die Ausführungen zu den sog. "Vorleistungsfällen", oben 3242. 50 auch Leser, 5aldotheorie 5. 174. Vgl. oben 332 am Ende. Vgl. die Wertungswidersprüche der 5aldotheorie, oben 324.

35. Der eigene Lösungsvorschlag

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Die Wertungsparallelität darf sich jedoch nicht nur auf den Gefahrtragungsgrundsatz als solchen beziehen, sondern sie muß auch Erweiterungen und Einschränkungen dieses Grundsatzes, also die gesamte Risikoverteilung, erfassen. Daß dabei die unterschiedlichen AufgabensteIlungen der betroffenen Abwicklungen unter Umständen abweichende Lösungen verlangen können, ist selbstverständlich. Bedeutung gewinnt der Gesichtspunkt der Wertungsparallelität vor allem in den Fällen, in denen der Käufer sowohl wandeln wie auch anfechten kann8 • Hier zeigt sich, daß die Risikoverteilung der Bereicherungsabwicklung zu der der Wandlung und des gesetzlichen Rücktritts nicht in Widerspruch stehen darf. Der Versuch einer Anpassung der bereicherungs rechtlichen Abwicklung an die Wertungen der Wandlungsabwicklung und die des gesetzlichen Rücktritts - eine Lösung, die sich anbietet - unterliegt dabei jedoch einer besonderen Gefahr'. Entgegen der herrschenden Auffassung zu den §§ 347, 350, 351 wird in der Literatur eine Auslegung der genannten Vorschriften vertreten, die sich unter dem Eindruck entwickelt hat, die Abwicklung der Wandlung und des gesetzlichen Rücktritts müsse einer Risikoverteilung im Sinne der über lange Zeit uneingeschränkt herrschenden Saldotheorie angepaßt werden. Nachdem sich nun aber die Unrichtigkeit der pauschalen Risikoumkehr der Saldotheorie herausgestellt hat, dürfen die unter dem Eindruck der Richtigkeit ihrer Aussage entstandenen Auslegungen der §§ 347, 350, 351 nicht ohne weiteres zur Begründung von Wertungsparallelität herangezogen werden. Es sei noch einmal auf die Gefahr eines Zirkelschlusses hingewiesen: Die Anerkennung der Risikoverteilung der Saldotheorie, deren Wirkung auf eine inhaltliche Umkehrung des Gefahrtragungsgrundsatzes der §§ 350, 818 Abs. 3 hinausläuft, hat die Stellungnahme eines Teils der Literatur zur rücktrittsrechtlichen Wertung erheblich beeinflußt. Es geht nicht an, nun umgekehrt aus dem veränderten Verständnis des gesetzlichen Rücktritts eine völlige Neuorientierung des § 818 Abs. 3 zu rechtfertigen. Soweit nötig, wird auf die in diesem Sinne von der herrschenden Meinung abweichend interpretierten Vorschriften noch eingegangen. Ähnliches gilt für eine gelegentlich vertretene Auffassung10 zum Verhältnis des § 818 Abs. 3 zur verschärften Haftung der §§ 818 Abs. 4,819 f. Danach soll der bösgläubige Bereicherungsempfänger hinsi.chtlich der Dazu oben 3243. Vgl. die Ausführungen zur Auffassung Rengiers, oben 349. 10 WHhelm 5.185; Lieb NJW 1971, 1292; a. A. die h. M.: Koppensteiner / Kramer 5.157; Heimann / Trosien in RGRK (12. Aufl.) zu § 818 BGB Rdn.46; Pinger MDR 1972, 101 (103). 8

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3. Die Bereicherungsbeschränkung bei gegenseitigen Verträgen

Einschränkung des § 818 Abs.3 nicht anders zu behandeln sein als der gutgläubige, mit der Folge, daß bei zufälligem Sachuntergang auch der bösgläubige Empfänger von seiner Herausgabe- und Wertersatzhaftung frei werde. Abgesehen von Bedenken gegenüber der Konstruktion als solcher - Haftungsmilderungen, die der verschärft haftende Empfänger geltend machen kann, folgen nicht mehr aus § 818 Abs.3, sondern aus den allgemeinen Vorschriften selbst, so zum Beispiel aus § 989 bei zufälligem Untergang der kondiktionsbelasteten Sachel l - basiert die geschilderte Auffassung auf einer Risikoverteilung, die den Empfänger grundsätzlich für jedes selbstverantwortlich übernommene Risiko im Umgang mit der Sache einstehen lassen will und damit die Wirkung des § 818 Abs.3 auf den rein zufälligen, d. h. von jeglichem Empfängerverhalten unbeeinflußten Sachuntergang beschränkt. Faßt man dagegen den Wirkungsbereich des § 818 Abs.3 nach seinem Wortlaut und mit der herrschenden Auffassung weiter, so paßt die geschilderte Konstruktion auch vom Ergebnis her nicht mehr: Die verschärfte Haftung der §§ 818 Abs. 4, 819 f. würde in hohem Maße entwertet; selbst der Bösgläubige könnte den Bereicherungsgegenstand ohne Risiko nutzen. Auch diesbezüglich tritt also wieder zutage: Die Suche nach der "Unbilligkeit" der gesetzlichen Lösung und eine überprüfung auf vorhandene bzw. fehlende Wertungsparallelität ist unvoreingenommen nur durchführbar, wenn die gesetzliche Risikoverteilung und damit das herrschende Verständnis der mitbetroffenen Vorschriften zugrunde gelegt wird. Stellungnahmen zu den einschlägigen gesetzlichen Vorschriften, die bereits auf einer abweichenden bereicherungs rechtlichen Risikoverteilung basieren, haben - jedenfalls zunächst - außer Betracht zu bleiben.

3513. Der konkrete Ansatzpunkt Wie geschildert, ergeben sich um so größere Schwierigkeiten, Wertungsparallelität zu erzeugen, je weiter das gesetzlich festgelegte System der Gefahr- bzw. Risikoverteilung bei der Rückabwicklung gescheiterter Verträge verlassen wird. Es soll daher versucht werden, einen Lösungsvorschlag zu entwickeln, der den Gefahrtragungsgrundsatz des § 818 Abs. 3 - soweit mit den Interessen der Beteiligten vereinbar - anerkennt. Eine Haftungsdifferenzierung muß also nach Möglichkeit auf der Grundlage des § 818 Abs. 3 ansetzen. Es bietet sich an zu überprüfen, ob und inwieweit die bei einseitiger Bereicherung für richtig erkannte Lösung, § 818 Abs.3 aus dem Normzusammenhang mit §§ 818 Abs.4, 819 f. einzuschränken 12 , auf den Fall 11 12

Koppensteiner / Kramer S. 157. Vgl. oben 212 am Ende.

35. Der eigene Lösungsvorschlag

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gegenseitiger Bereicherung bezogen bzw. fortentwickelt werden kann. Die Tendenz, § 818 Abs. 3 auf solche Bereicherungsfälle zu beschränken, die mit dem guten Glauben des Bereicherten an die Beständigkeit seines Erwerbs zusammenhängen, verstärkt sich ohnehin neuerdings immer mehr13 • Praktisch hat man daraus gegenüber der traditionellen Auffassung bisher allerdings nur die Folgerung gezogen, Folgeschäden des Erlangten im Empfängervermögen14 seien im Rahmen von § 818 Abs.3 nicht berücksichtigungsfähig. Eine Fortentwicklung dieser Auffassung kann aber erheblich weitergehende Einschränkungen des § 818 Abs. 3 begründen. Sie erlaubt unter Umständen sogar, das Gedankengut Flumes und von Caemmerers - wenn auch unter anderem Vorzeichen in nicht unwesentlichem Umfang systemgerecht einzubeziehen. Mit Hilfe des Kriteriums des "guten Glaubens an die Rechtsbeständigkeit des Erwerbs" können die subjektiven Vorstellungen des Bereicherungsempfängers bei der Sachnutzung Berücksichtigung finden. Jedenfalls mag eine bereits vorhandene Ahnung bzw. Befürchtung des Empfängers, der Vertrag könne fehlerhaft oder unwirksam sein, die Sachbenutzung unzulässig machen. Zusammenfassend ist festzustellen: Einigkeit besteht darüber, daß die Haftungsfreistellung des Bereicherungsempfängers durch § 818 Abs. 3, insbesondere bei Rückabwicklung nichtiger gegenseitiger Verträge zu weit gefaßt ist. Mit Ausnahme des im praktischen Ergebnis bisher nur wenig ändernden Vorschlages einer Beschränkung des § 818 Abs.3 aus dem Normzusammenhang mit §§ 818 Abs.4, 819 f. haben weitergehende Versuche, den Anwendungsbereich des § 818 Abs.3 einzuschränken, keinen Beifall gefunden16 • Wohl vor allem deshalb, weil das System des Bürgerlichen Gesetzbuches zur Rückabwicklung gescheiterter Verträge nur unzureichend einbezogen wurde. Es soll daher ein Lösungsweg gesucht werden, der sowohl die parallelen gesetzlichen Abwicklungen anerkennt, als sich auch nahtlos in das System der bereicherungsrechtlichen Abwicklung einfügt. . 352. Die "Unbilligkeit" der gesetzlichen Lösung und deren Ursachen (bei Sachuntergang bzw. wesentlicher Verschlechterung)

Als Rechtfertigung für die Existenz der Saldotheorie und ihr verwandter Lösungen wird immer wieder angeführt, das Ergebnis der Zweikondiktionenlehre, also die Lösung nach dem Wortlaut des § 818 Abs.3, sei "unbillig"l. Mit Hilfe der Hinweise, die aus der eigenen Koppensteiner / Kramer S. 123 m.w.N. Beispiel: Der rechtsgrundlos gelieferte Hund zerbeißt einen Teppich des Empfängers. 15 Koppensteiner / Kramer S. 123. 1 z. B. Lehmann, Festschrift Nipperdey S. 35. 13

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3. Die Bereicherungsbeschränkung bei gegenseitigen Verträgen

Rechtsprechungsanalyse und der Diesselhorsts und Lesers entnommen werden konnten, und unter Berücksichtigung der von der Literatur diskutierten Vorschläge zur Beschränkung des § 818 Abs.3 soll versucht werden festzustellen, worin genau die "Unbilligkeit" empfunden wird. Der übersichtlichkeit wegen bleibt die Prüfung zunächst beschränkt auf den Verlust des Bereicherungsgegenstandes bzw. dessen wesentliche Verschlechterung. Rechnung getragen werden soll dabei von vornherein der zu Recht erhobenen Forderung, daß vertragliche und außervertragliche Behelfe harmonieren müssen!. Nicht umsonst hat der Bundesgerichtsho:f3 bei Beurteilung der Rechte des arglistig getäuschten Gebrauchtwagenkäufers die bereicherungsrechtliche Entscheidung an der Lösung auszurichten versucht, die sich im Falle von Rücktritt oder Wandlung ergeben haben würde. Vorliegend sind daher die Abwicklungen des Bereicherungsrechts und die des gesetzlichen Rücktritts bzw. der Wandlung miteinander zu vergleichen. Überblickt man das gebotene Fallmaterial, so empfiehlt es sich, entsprechend der Einteilung von Caemmerers4 folgende Fallgruppen zu unterscheiden: 1. Untergang oder Verschlechterung des Bereicherungsgegenstandes infolge des Mangels. 2. Zufälliger Untergang bzw. zufällige Verschlechterung der Sache ohne jegliches Zutun des Empfängers. 3. Unmöglichkeit unversehrter Rückgabe der Sache infolge eines Verhaltens des Empfängers, das nicht als "Verschulden" anzusprechen ist, damit jede auch mit aller Sorgfalt getroffene Disposition des Empfängers über die Sache. 4. Vom Empfänger verschuldete Unmöglichkeit, die Sache in dem Zustand zurückzugeben, in dem er sie erhalten hat. Es sind somit insgesamt vier verschiedene Fallkonstellationen auf ihre "Unbilligkeit" zu überprüfen.

3521. Untergang oder Verschlechterung des Bereicherungsgegenstandes infolge des Mangels Einigkeit besteht über die Behandlung der ersten Fallgruppe, und zwar unabhängig davon, ob nur eine einseitige oder eine gegenseitige Leistungserbingung zugrunde liegt. Ist der Kaufgegenstand infolge Von Caemmerer, Festschrift Larenz S. 625. BGHZ 53, 144. 4 Von Caemmerer, Festschrift Larenz S. 627 ff., zurückgehend auf Rabel Bd. II S. 246 ff. 2

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35. Der eigene Lösungsvorschlag

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eines Mangels untergegangen oder verschlechtert worden, der der Ware bei Gefahrübergang anhaftete, so soll das den Käufer nicht hindern, sein Geld zurückzuverlangen oder seinen vollen Schaden zu liquidieren, auch wenn er die Sache nicht mehr zurückgeben oder nur noch ihre Trümmer oder überreste zur Verfügung stellen kann. Diesbezüglich wird die sonst so umstrittene Regelung des § 350 sowohl für die Wandlung wie für das gesetzliche oder ein als Sanktion für Vertragsverletzungen vereinbartes vertragliches Rücktrittsrecht auch de lege ferenda allgemein gebilligt5. Die Unmöglichkeit der Rückgabe an den Verkäufer hat schließlich in dem vom Verkäufer zu vertretenen Sachoder Rechtsmangel ihre Wurzel. Auch bei der bereicherungsrechtlichen Abwicklung muß der Verkäufer das Risiko tragen, wenn die Sache infolge eines ihr anhaftenden Mangels untergeht. Dies wurde selbst unter der Geltung der die gegenteilige Risikotragung beinhaltenden Saldotheorie anerkannt6• Daß bereicherungsrechtlich diese Fallkonstellation zutreffend von der Risikoanordnung des § 818 Abs. 3 geregelt ist, fand naturgemäß kaum Erwähnung. Hier sei ausdrücklich darauf hingewiesen: Bei Untergang oder Verschlechterung des Bereicherungsgegenstandes infolge eines der Sache anhaftenden Mangels weist § 818 Abs.3 völlig interessengerecht dem Bereicherungsgläubiger das Risiko zu. Festzuhalten ist jedoch, daß die geschilderte Wirkung des § 818 Abs.3 nicht auf eine Bewertung des die Vertragsunwirksamkeit bewirkenden Verhaltens der Parteien zurückzuführen ist. Eine Bewertung des die Bereicherungshaftung auslösenden Parteiverhaltens verbietet sich - wie schon mehrfach angeklungen7 - aus der Aufgabenstellung der §§ 812 ff. heraus. Mögen auch die Funktionen der unterschiedlichen Bereicherungsansprüche im einzelnen sehr umstritten sein, so besteht doch weitgehend Einigkeit über den hinter allem stehenden Grundgedanken des Bereicherungsrechts8 • Ziel der §§ 812 ff. ist nur die Rückgewähr bzw. der Ausgleich rechtsgrundlos, auf fremde Kosten erworbener Vorteile. Anders als beim Schadensersatzrecht, wo es darum geht, Unrechtsschäden dem Verantwortlichen anzulasten, bedarf es hier keiner zusätzlichen Zurechnungsgründe im Sinne der HaftungsprinzipienlI. Es geht nicht um "ausgleichende", sondern um "verteilende" Gerechtigkeit, nicht um Verhaltenssanktionen, sondern um Zustandskorrektur. Es wird daher nicht einmal vorausgesetzt, daß die rückgängig zu machende VermögensverVon Caemmerer, Festschrift Larenz S. 628. RG JW 1910, 283 (Nr. 11); RGZ 94, 253 ff.; dazu Leser, Saldotheorie S.120; Diesselhorst S. 85; ebenso von Caemmerer S. 638. 7 Vgl. oben 3235. 8 Esser, Schuldrecht § 100 I (S. 330 f.); Larenz, Schuldrecht § 68 (S.464); Fikentscher § 97 II 2; Koppensteiner / Kramer S. 16. I Zum ganzen Esser S. 330 f. 5

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8 Bremecker

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3. Die Bereicherungsbeschränkung bei gegenseitigen Verträgen

schiebung auf einem menschlichen Verhalten beruht. Der Bereicherungsausgleich vollzieht sich durch "Abschöpfung" der Vermögensmehrung beim Bereicherten, ohne daß einem Beteiligten ein Vorwurf gemacht wird, während die Schadensreparation eine Verlagerung des Schadens vom Geschädigten auf den Ersatzpflichtigen bewirkt10• Um ihr Ziel, das Gesamthaftungssystem des Bürgerlichen Gesetzbuches durch eine verschuldensunabhängige Haftung zu ergänzen, nicht zu gefährden, muß die bereicherungsrechtliche Haftungsanordnung auf eine Bewertung der zur fehlerhaften Güterzuordnung führenden Umstände hier das die Vertragsunwirksamkeit bewirkende Parteiverhalten verzichten. Es besteht auch kein Bedürfnis dafür, innerhalb der bereicherungsrechtlichen Abwicklung eine mögliche Vorwerfbarkeit bei Verursachung der Vertragsnichtigkeit zu berücksichtigen. In der Regel ist der Partei, die den Eintritt der Vertragsstörung allein zu vertreten hat, ohnehin das Recht zur Vertragsauflösung verwehrt. Ein solches Recht steht nur dem benachteiligten Vertragspartner zu, so etwa das Recht zur Wandlung nach §§ 459 ff. oder das Recht, nach § 123 anzufechten. Daneben existieren meist speziell auf den jeweiligen Nichtigkeitsgrund zugeschnittene Abwicklungsregelungen, die parallel zum Bereicherungsrecht eingreifen. Diese gewähren bei besonderer Vorwerfbarkeit im Verhalten der die Vertragsstörung bewirkenden Partei dem benachteiligten Partner angemessene Zusatzrechte. Als Beispiel sei im Bereich der Sachmängelhaftung das Recht, Schadensersatz nach § 463 zu verlangen, genannt. Schließlich kann sich die Vorwerfbarkeit so sehr verdichten, daß der Unrechts gehalt durch "normale" Schadensersatzansprüche11 abgedeckt wird.

Eine mögliche Vorwerfbarkeit im die Vertragsstörung und damit auch die Haftung aus §§ 812 ff. auslösenden Parteiverhalten darf also die Durchführung des Bereicherungsausgleichs nicht mehr beeinflussen. Wenn § 818 Abs.3 bei Sachuntergang infolge des Mangels dem Bereicherungsgläubiger das Risiko zuweist, so knüpft die Vorschrift nicht an dessen Einstehenmüssen für den Mangel an. Die Risikozuweisung in der hier erörterten Fallgruppe ergibt sich vielmehr als Nebenfolge der noch näher zu erläuternden Grundsatzentscheidung des Gesetzgebers, den gutgläubigen Bereicherungsempfänger von der Haftung freizustellen12 • Esser S. 330 f.; Larenz S.464; Koppensteiner / Kramer S.16 u. S.122. Etwa aus § 823 oder § 826. 12 Daß der Gedanke, der schlechtliefernde Verkäufer müsse für die Folgen der Mangelhaftigkeit einstehen, dabei die Grundsatzentscheidung des Gesetzgebers zu Lasten des Bereicherungsgläubigers als solche mitgeprägt haben mag, steht dem nicht entgegen; näher unten 35223. 10

11

35. Der eigene Lösungsvorschlag

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3522. Untergang bzw. Verschlechterung der Sache durch Zufall ohne jegliches Zutun des Empfängers Rechtspolitisch umstritten ist dagegen die Behandlung der zweiten Fallgruppe, der Fälle, in denen der Kaufgegenstand ohne Zutun des Käufers zufällig untergegangen ist. Der gekaufte Wagen ist zum Beispiel einem Garagenbrand zum Opfer gefallen oder bei einer Flutkatastrophe zerstört worden13• 35221. Die gewisse Unbilligkeit jeder Gefahrentscheidung Zunächst ist das Dilemma einer jeden Entscheidung über die Verteilung der Gefahr des zufälligen Sachuntergangs, daß eine von beiden Parteien nun einmal das Risiko tragen muß, obwohl der Verlust eben "zufällig", also ohne irgendein zurechenbares Verhalten eines Beteiligten eingetreten ist. Schon daraus ergibt sich, daß jede Gefahrzuweisung eine gewisse "Unbilligkeit" in sich trägt, d. h. nie ganz "gerecht" sein kann14 • Auch eine Umkehrung der Gefahrzuweisung des § 818 Abs.3 bringt die angesprochene "Unbilligkeit" nicht in Wegfall, sondern schiebt diese lediglich der Gegenpartei ZU16 • Trotzdem muß eine Entscheidung über die Gefahrverteilung getroffen werden, wenn eine reibungslose Abwicklung gewährleistet sein soll. Die Möglichkeit, den "Schaden" auf beide Parteien zu verteilen, ist vom Gesetzgeber in allen Gefahrtragungsregelungen des Bürgerlichen Gesetzbuches unberücksichtigt gelassen worden, steht demnach auch nicht für die bereicherungsrechtliche Abwicklung zur Verfügung16. Es ergibt sich demnach: Soweit sich in der Anordnung des § 818 Abs. 3 nur die jeglicher Gefahrentscheidung immanente "Unbilligkeit" realisiert, sollte sie hingenommen werden, da diese "Unbilligkeit" sich auch mit anderer Zielrichtung der Gefahrzuweisung unvermeidbar ergäbe. 35222. Der Vergleich zwischen ein- und gegenseitiger Bereicherung Möglicherweise erhellt ein Vergleich der Situation bei einseitiger Bereicherung mit der bei gegenseitiger Bereicherung die vielfach angeprangerte "Unbilligkeit". In den Fällen gegenseitiger Bereicherung soll das von § 818 Abs.3 erzielte Ergebnis ja besonders "unbillig" sein17• Die Verpflichtung zur Herausgabe des Erlangten, seiner Nutzungen und Surrogate ist gemäß § 818 Abs. 3 davon abhängig, daß der EmpfänBeispiele nach von Caemmerer, Festsclll1ift Larenz S. 629. Ähnlich Glass S. 28; Flessner NJW 1972, 1780. 15 So auch Leser, Rücktritt S.120: "Die generelle Umkehr der Gefahrverteilung ist zu wenig sachbezogen und daher ungeeignet." 16 Vgl. oben 32432. 17 Näher oben 321. 13

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3. Die Bereicherungsbeschränkung bei gegenseitigen Verträgen

ger noch bereichert ist. Damit wird die eben geschilderte Funktion der Bereicherungshaftung, eine reine "Abschöpfung" der Vermögensmehrung beim Bereicherten durchzuführen18, konsequent ausgeführt. Der Bereicherungsausgleich soll den gutgläubigen Ausgleichspflichtigen "nicht zum Griff in die eigene Tasche zwingen, bei ihm keinen Schaden verursachen"l~. Das ist auch sachgerecht, denn im schuldlos gelösten Bezugssystem des Bereicherungsrechts gibt es keinen Grund für die Zurechnung eines solchen "Schadens"20. Im Einklang mit dieser Auffassung hat es die Rechtsprechung als "obersten Grundsatz des Bereicherungsrechts" bezeichnet, daß "die Herausgabepflicht des Bereicherten keinesfalls zu einer Verminderung seines Vermögens über den Betrag der wirklichen Bereicherung hinaus führen darf"21. Die Kritik an der Wirkung des § 818 Abs. 3 bei der Rückabwicklung gegenseitiger Verträge beklagt eine Nichtübereinstimmung mit dieser Abschöpfungsfunktion: Wer sich schon nach § 818 Abs.3 entlasten könne, solle nicht "zusätzlich noch" die von ihm erbrachte Gegenleistung herausverlangen dürfen22 • Wenn man dem Kläger die Kondiktion des Geleisteten und außerdem die Geltendmachung des Entreicherungseinwandes zubillige, so laufe das auf eine Schädigung des Beklagten hinaus, der das Empfangene herausgeben müßte, seine Gegenleistung aber nicht zurückbekommen würde. Damit entstehe eine Kollision mit dem anerkannten "obersten Grundsatz" der Rechtsprechung im Bereicherungsrechtll9• Zunächst muß man sich klarmachen, daß das Risiko, das der Bereicherungsgläubiger nach § 818 Abs. 3 bei der Rückabwicklung eines gegenseitigen Vertrages trägt, nicht größer ist als das bei einseitiger Bereicherung. Bei genauerer Betrachtung muß nämlich der Verkäufer nicht "zusätzlich noch" die an ihn erbrachte Gegenleistung herausgeben, sondern sein Einstehenmüssen für den Untergang der Kaufsache (= Leistung, Bereicherung des Käufers) wirkt sich faktisch - wirtschaftlich betrachtet - erst aus, wenn er die Gegenleistung, den Kaufpreis, an den Käufer zurückgibt: Geht die Kaufsache beim Käufer zufällig unter, so kann sich der Käufer gegenüber dem Bereicherungsanspruch des Verkäufers mit § 818 Abs.3 entlasten. Diese Entlastung hat aber nur formalen Charakter. Solange der Käufer nicht den von ihm erbrachten 18 Vgl. oben 1. 19

Koppensteiner / Kramer S. 122.

20 Koppensteiner / Kramer S. 122. 21 So zuletzt BGHZ 55, 131; weitere Nachweise bei Koppensteiner NJW

1971, 1770; ebenso schon die Protokolle der Zweiten Kommission, vgl. Mugdan II S. 1173 f. 22 z. B. Lehmann, Festschrift Nipperdey S. 35. 29 So Koppensteiner / Kramer S. 145 f.

35. Der eigene Lösungsvorschlag

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Kaufpreis vom Verkäufer zurückerhalten hat, ist wirtschaftlich weiter - trotz Geltendmachung des § 818 Abs. 3 - der Käufer der Geschädigte. Der Verkäufer dagegen, der an sich nach § 818 Abs.3 die Gefahr des zufälligen Sachuntergangs zu tragen haben soll, kann sich weiter des Kaufpreises erfreuen. Er steht da wie nach erfolgreicher Abwicklung eines wirksamen Vertrages. Erst wenn der Käufer seinerseits die vom ihm erbrachte Gegenleistung, den Kaufpreis, herausverlangt hat, realisiert sich die von § 818 Abs.3 bezweckte Wirkung, dem Bereicherungsgläubiger (= Verkäufer) das Risiko des 'Leistungswegfalls aufzuerlegen. Bis jetzt wurde primär die Situation beleuchtet, in der der Käufer einem Bereicherungsanspruch ausgesetzt ist. Betrachtet man nun umgekehrt die Situation des Verkäufers, so scheint sich eine gewisse "Unbilligkeit" anzudeuten. Auch der Verkäufer ist einem Kondiktionsanspruch ausgesetzt, dem des Käufers auf Rückzahlung des Kaufpreises. Der Verkäufer muß den Kaufpreis zurückerstatten, erhält aber die Kaufsache nicht zurück. Führt die Herausgabepflicht des Verkäufers, wie behauptet wird, "zu einer Verminderung seines Vermögens über den Betrag der wirklichen Bereicherung hinaus", damit zu einem Verstoß gegen den "obersten Grundsatz des Bereicherungsrechts"? Vor dem Zeitpunkt des Leistungsaustausches war keine der beiden Parteien bereichert, jede Partei hielt lediglich das ihr zustehende Vermögen. Nach dem Leistungsaustausch ist der Verkäufer bereichert allein um die erhaltene Kaufpreissumme, und nur diese hat er auch herauszugeben. Bei der Ermittlung des "Betrags der wirklichen Bereicherung" kann die Tatsache, daß der Verkäufer den Kaufgegenstand eingesetzt hat, um den Kaufpreis zu erhalten, keine Berücksichtigung finden. Anderenfalls ließe sich eine gegenstandsbezogene Rückabwicklung nicht durchführen. Auch bei Vorhandensein beider Leistungen wäre immer nur eine Partei "bereichert", und zwar die, die die höherwertige Leistung erhalten hat und auch nur in Höhe des Wertüberschusses24• Das Prinzip der Naturalrestitution wäre aufgegeben. Letzteres kann nur bewahrt werden, wenn Leistung und Gegenleistung getrennt und gegenstandsbezogen abgewickelt werden, wie es das Gesetz auch vorsieht25• Dazu gehört aber auch, daß der "Betrag der wirklichen Bereicherung" gegenstandsbezogen, d. h. bezogen auf die erhaltene Leistung, ermittelt wird2e• Nach erfolgtem Leistungsaustausch ist das VerDas ist der Fehler der Saldotheol1ie, vgl. oben 3252. Vgl. oben 332. 26 Die gegenständliche Orientierung des Bereicherungsanspruchs verlangt jedoch nicht, daß bei der Ermittlung des Bereicherungsumfangs Aufwendungen und Vertrauensschäden, die im Zusammenhang mit dem Leistungserhalt entstanden sind, außer Betracht zu bleiben haben; näher unten 354. 24 25

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3. Die Bereicherungsbeschränkung bei gegenseitigen Verträgen

käufervennögen um den erhaltenen Kaufpreis vennehrt. über dessen Höhe hinaus wird der Verkäufer nicht belastet. Der Weg der getrennten Betrachtung der beiden Leistungen, der auf den ersten Blick ein wenig fonnalistisch wirken mag, führt zu einem sinnvollen Ergebnis: Wird der Leistungsaustausch insgesamt wirtschaftlich gewürdigt, so ist der Verkäufer zu keinem Zeitpunkt über den Wert des von ihm gelieferten Kaufgegenstandes belastet, auch nicht nach Rückzahlung des Kaufpreises. Erst mit Kaufpreisherausgabe realisiert sich im Vennögen des Verkäufers der Verlust des Kaufgegenstandes. Zuvor hielt er schließlich den Gegenwert in bar. Die Rechtsfolge, daß der Verkäufer für den Verlust des Kaufgegenstandes einzustehen hat, ergibt sich dabei nicht aus seiner Kondiktionsverpflichtung, sondern ist Folge der Entscheidung des Gesetzgebers in § 818 Abs. 3, dem Bereicherungsgläubiger die Gefahr für den zufälligen Sachuntergang aufzuerlegen. Ein Verstoß gegen bereicherungsrechtliche Grundprinzipien liegt bei Anwendung des Grundsatzes des § 818 Abs.3 im Falle gegenseitiger Bereicherung also nicht vor. Im Gegenteil, es erweist sich, daß das Gefahrtragungsrisiko, das der Verkäufer bei gegenseitiger Bereicherung nach § 818 Abs.3 trägt, genau dem entspricht, das dem Bereicherungsgläubiger bei einseitiger Bereicherung, etwa im Falle der Schenkung!7, auferlegt ist28 • Die Zuweisung der Gefahr für den zufälligen Sachuntergang an den Bereicherungsgläubiger durch § 818 Abs.3 ist somit bei ein- und gegenseitiger Bereicherung in gleichem Maße billig bzw. unbillig. ,;",,~l>..! Es erstaunt nur, daß der Grundsatz des § 818 Abs. 3 bei einseitiger Bereicherung von der herrschenden Auffassung nicht in Frage gestellt wird, während man ebendiese Anordnung .im Bereich der Rückabwicklung gegenseitiger Verträge als "unbillig" kritisiert. Die Ursache für die unterschiedliche Bewertung kann jedenfalls nicht im Gefahrtragungsgrundsatz des § 818 Abs.3, also bei wirklich zufälligem Sachuntergang, gefunden werden, sie muß vielmehr in einer anderen Wirkung des § 818 Abs. 3 begründet sein. Auch wenn man vom Nonnzweck des § 818 Abs.3, dem Schutz des Vertrauens des gutgläubigen Bereicherungsempfängers29, ausgeht, er27 Die Schenkung ist einseitig verpflichtender Vertrag, somit nicht unter den Begriff "Gegenseitigkeitsverhältnisse" zu fassen, vgl. Palandt I Heinrichs vor § 320 Anm. 1 a. 28 Das übersieht Koppensteiner, wenn er die Wertungskonstellation von ein- und gegenseitiger Bereicherung vergleicht; Koppensteiner I Kramer S. 145 und S.184. 29 Der sich aus dem Zusammenhang mit §§ 818 Abs. 4, 819 f. ergibt, vgl. oben 211 am Ende.

35. Der eigene Lösungsvorschlag

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gibt sich nichts anderes. Es ist offensichtlich, daß der zufällige Untergang des ursprünglich Erlangten mit dem Glauben an die Beständigkeit des Erwerbs nichts zu tun hat30• Und das gilt sowohl bei ein- wie auch bei gegenseitiger Bereicherung: Ist der Empfänger der Leistung bezüglich der Rechtsbeständigkeit seines Erwerbs in gutem Glauben, so verliert er seine Gutgläubigkeit doch nicht dadurch, daß er weiß bzw. erfährt, aufgrund einer Gegenseitigkeitsvereinbarung erworben zu haben. Ein gewisser Unterschied in der Interessenkonstellation zwischen einund gegenseitiger Bereicherung ergibt sich aber dennoch, mag er auch an dieser Stelle noch keine Auswirkungen haben: Bei der Rückabwicklung nichtiger gegenseitiger Verträge hat jeder der Beteiligten bewußt ein eigenes Vermögensopfer erbracht, um in den Besitz der Gegenleistung zu kommen. Der Glaube an die Beständigkeit dieses Erwerbs ist notwendig mit der Annahme gekoppelt, auch die eigene Leistung sei endgültig verloren31 • Der Bereicherungsempfänger, der diese Vorstellung hat, muß jedoch - um Konsequenzen aus dieser Vorstellung ziehen zu können - auch die Möglichkeit zu vorsichtigerer Handhabung im Umgang mit der Sache haben. Anderenfalls würde der Normzweck des § 818 Abs.3, das Vertrauen des gutgläubigen Bereicherungsempfängers zu schützen, zur inhaltsleeren Formel. Bei wirklich zufälligem Sachuntergang - wie vorliegend diskutiert - besteht eine solche Einwirkungsmöglichkeit aber gerade nicht32. 35223. Die Gefahrentlastung des Empfängers Ist der gekaufte Wagen, wie erwähnt, einem Garagenbrand zum Opfer gefallen, so ist zunächst fraglich, ob der Käufer noch wandeln können soll, obwohl er infolge dieses Ereignisses nicht mehr in der Lage ist, das Auto unversehrt zuruckzugeben33 • Eine Reihe moderner Rechte läßt die Wandlung, von dem Fall, daß Untergang oder Verschlechterung des Kaufgegenstandes in dem Mangel ihren Grund finden, einmal abgesehen, überhaupt nur zu, wenn der Koppensteiner / Kramer S. 135. So auch Koppensteiner I Kramer S. 139 u. S. 145; Diesselhorst S. 48 f.; bei Esser, Schuldrecht S. 384 nur Nebenerwägung. 32 Auf die Zulässigkeit der Sachnutzung als solcher wird noch eingegangen, unten 3523. 33 Die Frage nach der Zulässigkeit der Wandlung beurteilt sich nach §§ 467 Satz I, 350 ff. Nur wenn die Wandlung danach möglich ist, stellt sich das Problem des Umfangs der Haftung des Wandlungsberechtigten; dazu Boehmer JZ 1953, 393 und Weitnauer NJW 1970, 639. DiesbezügLich soll der h. M. in der Literatur, die § 327 Satz 2 wörtlich nimmt, gefolgt werden; vgl. von Caemmerer. Festschrift Larenz S. 629 Fn. 29 m.w.N. 30

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3. Die Bereicherungsbeschränkung bei gegenseitigen Verträgen

Käufer zur Rückgewähr in der Lage ist34 • Dahinter steht die überlegung, daß mit der Sachübergabe die Gefahr übergegangen ist und daher der Käufer, der nunmehr allein die Einwirkungsmöglichkeit auf den Gegenstand hat, alle Risiken tragen muß, die den Kaufgegenstand treffen können. Es sei dann die Sache des Käufers, entsprechende Vorsorge zu tragen und sich hinsichtlich der Risiken zu versichern. Daß die Wandlung ausgeschlossen ist, wird in Anbetracht der dem Käufer verbleibenden Behelfe für zumutbar gehalten. Die Mängelrechte werdern dem Käufer nicht abgeschnitten, er kann weiterhin mindern oder Schadensersatz verlangen. Die gemeinrechtliche Wissenschaft hat dagegen den Fall des zufälligen Untergangs oder der zufälligen Verschlechterung beim Käufer entgegengesetzt entschieden. Das Bürgerliche Gesetzbuch in §§ 467, 350 ist dem gefolgt: Der zufällige Sachuntergang schließt das Recht des Käufers zur Wandlung nicht aus. Die Lösung ist unter anderem auch in das Haager Einheitliche Kaufgesetz eingegangen, in Art. 79 Abs. 2 d. Die Entscheidung des Gesetzgebers des BGB wollte erreichen, daß der Untergang der Sache infolge ihrer Mängel und der durch Zufall gleichbehandelt werden35• Begründet wurde die Entscheidung damit, die Rückgängigmachung des Vertrages müsse auch zum Rückfall der Gefahr führen36• Dahinter steht materiell die überlegung, der Käufer solle nicht gezwungen werden, für eine Sache zu bezahlen, die er so in mangelhaftem Zustand - ohnehin nicht habe bekommen wollen, nur weil die Sache anschließend durch Zufall untergegangen oder beschädigt worden sei. Dem wird entgegengehalten37, die Entscheidung des Gesetzgebers stehe in Konflikt mit dem Grundgedanken der Ordnung des Gefahrübergangs, nach der der Verkäufer grundsätzlich von Zufallsrisiken entlastet sein soll, wenn die Ware seine Obhut verlassen hat, und er das Risiko jedenfalls dann nicht mehr zu tragen habe, wenn sie in die Sphäre des Käufers gelangt sei. Dieser Einwand wird § 350, der vor allem zu der Zeit als rechtspolitisch verfehlt angesehen wurde, als die Saldotheorie noch in Hochblüte stand38, nicht völlig gerecht. § 350 widerspricht aufgrund seiner abweichenden Voraussetzungen dem Prinzip des § 446, nach dem der Käufer von der übergabe ab die Gefahr für den zufälligen Sachuntergang zu 34 Näher hierzu, wie auch zum folgenden, von Caemmerer, Festschrift Larenz S. 629 ff. 35 Von Caemmerer S. 63l. 38 Motive II S. 282 (Mugdan II S. 156); Weitnauer NJW 1970, 638. 37 Vor allem durch von Caemmerer S. 63l. 38 Flessner NJW 1972, 1780.

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tragen hat, nicht3 9 • Schon die Begründung, daß der Verkäufer nach der übergabe nicht mehr in der Lage sei, Vorkehrungen zum Schutz der Sache zu treffen40 , erscheint nicht recht überzeugend 41 • Bei zufälligem Untergang der Sache handelt es sich ja doch um Ereignisse, die durch die üblichen und erforderlichen Vorkehrungen eben gerade nicht abwendbar waren42 • Nur er habe auf die Sache einwirken können, kann dem Käufer nicht vorgehalten werden, denn der Sachuntergang steht schließlich gerade nicht mit seiner Einwirkung in Zusammenhang. Dem Gedanken, bei störenden Ereignissen sei zu berücksichtigen, in wessen Sphäre sie eingetreten sind, wird ausreichend durch eine entsprechende Beweislastregelung - etwa durch § 282 43 - Rechnung getragen. Nicht zu übersehen ist jedenfalls, daß § 446 eine ganz andere Situation betreffen will. Der gegenüber der allgemeinen Regel des § 323 vorzeitige Gefahrübergang soll dem vertragstreuen Verkäufer einen Vorteil bringen. Entlastet werden soll der Verkäufer, der nach dem Inhalt des Vertrages alles getan hat, um seine kaufvertragliche Verpflichtung vollständig zu erfüllen. Der Vorteil des schon mit der Besitzübertragung eintretenden Gefahrübergangs soll aber nicht dem Verkäufer zukommen, der eine nicht dem Vertragsinhalt entsprechende Sache geliefert hat. Der Käufer hat die vertragliche Leistung, auf die es ihm ankam, bei Lieferung einer mangelhaften Sache gerade nicht bekommen 44 • Hinzu kommt eine weitere überlegung: Dem mangelhaft liefernden Verkäufer ist der Kaufpreis nicht sicher. Entweder er verliert ihn ganz, oder er muß ihn ermäßigen, je nachdem ob der Käufer Wandlung oder Minderung verlangt. Würde nun bei zufälligem Sachuntergang die Wandlung durch eine gesetzliche Anordnung ausgeschlossen, so könnte der Käufer nur noch mindern. Damit hätte sich die vertragliche Position des schlechtliefernden Verkäufers gegenüber der des vertragstreuen allein durch das zufällige Schadensereignis auf Kosten des Käufers, der seinerseits voll erfüllt hat, mindestens dazu bereit war, erheblich verbessert 45 • Ein kaum zu rechtfertigendes Ergebnis. Abschließend sei noch einmal daran erinnert: Die Sache ist verloren, und einer der beiden Beteiligten muß schuldlos den Schaden tragen. Geeignete Zurechnungskriterien fehlen. Für den mit der Haftung Belasteten bleibt das Ergebnis immer "unbillig", einen von beiden muß lI1I

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Vgl. auch die Ausführungen zu § 350 oben 32431. z. B. Enneccerus / Lehmann § 103 I; Staudinger / Ostler § 446 Anm.3. So auch Glass S. 28. So schon Beitzke MDR 1947, 281. Darauf verweist Glass S. 28. Näher dazu Glass S. 27 f. Flessner NJW 1972, 1780 f.

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3. Die Bereicherungsbeschränkung bei gegenseitigen Verträgen

das Gesetz mit seiner Entscheidung bevorzugen. Warum soll es dann "unbillig" sein, daß das BGB in den §§ 467, 350 seine Entscheidung an der Tatsache der Schlechtlieferung durch den Verkäufer orientiert und daher den Käufer vorzieht4t ? Der Grundsatz des § 350 erscheint demnach für das Recht der Wandlung durchaus gerechtfertigt. Verbleibende Bedenken bezüglich des materiellen Inhalts der Gefahrentscheidung müssen dahinter zurücktreten, daß der Gesetzgeber in § 350 eindeutig und verbindlich die Gefahr des zufälligen Sachuntergangs dem Verkäufer auferlegt hat. An dieser vom Gesetzgeber bewußt getroffenen grundsätzlichen Entscheidung kann man nicht vorbei 47 • Mögen auch andere Lösungen denkbar sein, so ist die gesetzliche Lösung doch hinzunehmen. Abzulehnen sind daher die in der Literatur wiederholt unternommenen Versuche, die Regelung des § 350 durch gekünstelte Konstruktionen beiseite zu schieben 48 • So etwa die Ansicht Wolfs, der § 350 durch die Anwendung des § 323 einengen will4e , oder die Auffassung, § 350 solle nur gelten, wenn die Sache auch beim Rücktrittsgegner untergegangen wäre 50, bzw. nur dann, wenn der Verlust auf einem bei übergabe vorhandenen Mangel beruheS1 • Ebensowenig haltbar ist damit der Vorschlag Wielings, der in der Entgegennahme der Sache durch den Käufer eine Gefahrübernahme sieht52 • § 350 verlöre jeden Anwendungsbereich; zudem kann eine willentliche Risikoübernahme nur für den Fall unterstellt werden, in dem der Vertrag wirksam ist. Der Käufer will die Sachgefahr nur dann tragen, wenn der erlangte Gegenstand auch wirklich zu seinem Vermögen gehört und nicht mit einem Rückgewähranspruch belastet ist63 • Ähnliches, wie zu § 350 ausgeführt, gilt auch für die bereicherungsrechtliche Abwicklung54 • Dabei erweist es sich jedoch als unnötig, die 46 Im Ergebnis ebenso Flume NJW 1970, 1165; Flessner NJW 1972, 1780 f.; Glass S. 27 ff. 47 So die wohl h. M.: Weitnauer NJW 1970, 638; von Caemmerer S.631; Staudinger / Kaduk 350 Rdn.9; Erman / Westermann § 350 Rdn.2; Palandt / Heimichs § 350 Anm. 2. 48 Wie hier Erman / Westermann § 350 Rdn.2; Palandt / Heinrichs § 350 Anm.2. 49 Wolf AcP 153, 142; ausführlich dazu Glass S. 21 ff. 50 Schwenn AcP 152, 138. 51 Honsell MDR 1970, 719. 52 Wieling JuS 1973, 397 ff., vgl. dazu oben 348. 53 Rengier AcP 177, 440 f.; Medicus § 12 II b dd weist zudem darauf hin, daß sich der Nichtigkeitsgrund gerade gegen die RJisikoübernahme richten kann. 54 Die parallel zur Wandlungsabwicklung in den Fällen arglistiger Täuschung gegeben sein kann, §§ 123, 142, 812 ff.

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Wertung des § 350 analog einfließen zu lassen, wie unter der Geltung der Saldotheorie geschehen55• § 818 Abs. 3 ordnet ausdrücklich an, daß der Bereicherungsempfänger (= Käufer) die Gefahr des zufälligen Sachuntergangs zu tragen hat. Dieser Gefahrtragungsgrundsatz, der nicht nur in §§ 818 Abs. 3 und 350 zum Ausdruck kommt, sondern sich auch in der mit den §§ 812 Abs. 1, 818 Abs.3 übereinstimmenden Wertung des § 985 niederschlägt, ist eine wesentliche Säule des herrschenden Systems zur Vertragsrückabwicklung~. Die bereicherungsrechtliche Privilegierung des Empfängers findet zudem ihren Hintergrund in der Aufgabenstellung der §§ 812 ff. Aus der Erkenntnis heraus, der Bereicherungsausgleich sei reine "Zustandskorrektur" , er vollziehe sich durch bloße "Abschöpfung" der Vermögensmehrung beim Bereicherten, ohne daß einem Beteiligten ein Vorwurf gemacht werde 57 , wirkt die Bevorzugung des die Sache bewahrenden Empfängers durch § 818 Abs. 3 noch weiter verständlich58 • "Abgeschöpft werden" kann nur eine Vermögensmehrung, die noch vorhanden ist. Auch die Situation, die das Rückspringen der Gefahr auf den Bereicherungsgläubiger (= Verkäufer) notwendig macht, verdeutlicht sich: Der ursprünglich wirksame Vertrag war zuvor der Anlaß, die Gefahr vom Verkäufer auf den Käufer übergehen zu lassen, § 446. Abgesehen vom Verbleiben geringfügiger Nebenpflichten59 hat der Verkäufer eines wirksamen Vertrages mit der übergabe des Kaufgegenstandes seine vertraglichen Pflichten voll erfüllt. Besitz, Gewahrsam und in der Regel auch Eigentum an der Sache gibt er an den Käufer ab; alle Rechte und Pflichten am Kaufgegenstand gehen auf letzteren über. Somit ist die Beziehung des Verkäufers zur Sache zu einem gewissen Abschluß gelangt, der es auch rechtfertigt, ihn von der Gefahrtragung zu entlasten. Gerade am wirksamen Vertrag und dessen Wirkungen fehlt es aber in der bereicherungsrechtlichen Abwicklung: Das Grundgeschäft ist nichtig. Der Empfänger hat die Sache nicht endgültig in Besitz, sondern er muß sie alsbald zurückgeben. Rechte stehen ihm an der ungerechtfertigt erworbenen Sache nicht zu; im Gegenteil, die gezogenen Nutzungen muß er an den Verkäufer herausgeben, §§ 818 Abs. 1 bzw. 987, 988 analog4l°. Mit der "causa" entfallen auch die Wirkungen, die zuvor die Vor allem von Caemmerer S. 638; Medicus § 12 II 3 c aa. Ähnlich Blomeyer AcP 154, 542. 57 Vgl. oben 3521. 58 Dazu auch Heimann / Trosien in RGRK (12. Aufl.) vor § 812 Rdn. 4. 59 Unter anderem der zuvor behandelten Mängelhaftung. 80 Je nachdem, ob neben dem obligatorischen auch das dingliche Geschäft nichtig ist; die Rspr. wendet § 988 entsprechend auf den rechtsgrundlosen Besitzer an, RGZ 163, 348; BGHZ 32, 94; Übersicht über den Problemstand bei Medicus § 23 V 2 a. 55

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3. Die Bereicherungsbeschränkung bei gegenseitigen Verträgen

Gefahrüberbürdung auf den Käufer rechtfertigen konnten. Es ist daher angemessen, mit dem Eintritt der Unwirksamkeit die Gefahr auf den wieder an der Sache berechtigten Verkäufer zurückspringen zu lassen61 • Zudem darf die ausdrückliche Anordnung des Gesetzgebers in § 818 Abs. 3 nicht unbeachtet gelassen werden. Die Rücksichtnahme auf die bestehende gesetzliche Regelung fordert, die Gefahr für den wirklich zufälligen Sachuntergang dem Bereicherungsgläubiger aufzuerlegen62 •

3523. Unmöglichkeit unversehrter Rückgabe der Sache infolge eines freien, nicht vorwerfbaren Verhaltens des Empfängers, insbesondere des üblichen Sachgebrauchs In der dritten Fallgruppe soll die Alternative behandelt werden, in der die unversehrte Rückgabe der Sache unmöglich geworden ist infolge eines Verhaltens des Empfängers, das nicht als "Verschulden" anzusprechen ist, somit jede mit aller Sorgfalt getroffene Disposition des Empfängers über die Sache. Nicht Gegenstand der Erörterung ist an dieser Stelle das Empfängerverhalten, das auch nur in geringstem Umfang vorwerfbar genannt werden könnte63 - sei es, daß der Empfänger die Vertragsunwirksamkeit vermutete, sei es, daß er gegen allgemeine Normen verstoßen hat, indem er etwa durch zu schnelles Fahren mit dem gekauften Auto einen Verkehrsverstoß begangen hat. Wenn bereits der Sachuntergang infolge eines freien Verhaltens dem Empfänger anzulasten ist, dann erübrigt sich weitgehend sowohl die schwierige Abgrenzung hinsichtlich noch vorhandener Gutgläubigkeit bzw. beginnender Bösgläubigkeit, als auch die Ermittlung der Grenzen einer vorwerfbaren Verhaltensweise. Der Käufer haftete ohnehin für die Folgen jeglicher im eigenen Interesse vorgenommenen Disposition. In der Regel ist die Entscheidung des Käufers, die erworbene Sache für eigene Zwecke in Gebrauch zu nehmen, die erste relevante Disposition im geschilderten Sinne. Im Vordergrund der Betrachtung soll hier deshalb die Frage stehen, ob der gutgläubige, sorgfältig handelnde Empfänger die von ihm erworbene Sache dem Kaufzweck, der üblichen Nutzung, nicht oder nur auf eigenes Risiko zuführen darf. Vor allem unter dem Eindruck der Richtigkeit der Risikoentscheidung der Saldotheorie zu Lasten des Empfängers hat in der Literatur die Auffassung an Boden gewonnen, wonach jede auch mit aller Sorgfalt getroffene Disposition des Käufers, die die unveränderte Heraus61 Ahnlich Weitnauer NJW 1970, 637 (638): "Wirtschaftlich bleibt die Sache der Vermögenssphäre des Verkäufers zugeordnet." 112 Im Ergebnis ebenso Blomeyer AcP 154, 544; von Caemmerer S. 638; Medicus § 12 II 3 c aa; Erman / Westermann § 818 Rdn. 45. 63 Dazu Fallgruppe 4., unten 3524.

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gabe unmöglich macht, die Wandlung ausschließt64• Gebrauche der Käufer die Sache oder investiere er sie, so gehe er bewußt gewisse Risiken ein. Verwirklichten sich diese, so habe er dies seiner "eigenen vermögensmäßigen Entscheidung" zuzuschreiben~5. Es sei ein "venire contra factum proprium", wenn der Käufer solche Risiken im nachhinein auf den Verkäufer abwälzen könne, nur weil sich die Rechtsgrundlosigkeit des Erwerbs herausgestellt habe66 • Entsprechend sei die Handhabung im Rücktrittsrecht. In Analogie zu den §§ 351, 352 dürfe der Käufer die Folgen von im eigenen Interesse getroffenen Dispositionen nicht durch Wandlung auf den Verkäufer überwälzen. Er müsse sich vielmehr mit den ihm sonst zur Verfügung stehenden Behelfen - Minderung oder Schadensersatz wegen Nichterfüllung - begnügen67 • Deutlich gemacht werde dies insbesondere durch die Regelung der Verarbeitung oder Umgestaltung, § 352, die normalerweise sachgerecht und ohne Sorgfaltsverstoß vorgenommen werde und den Käufer gleichwohl auf die Minderungsmöglichkeit beschränkeG8 • Auch das Haager Einheitliche Kaufgesetz schließe das Recht zur Vertragsaufhebung aus, wenn die Unmöglichkeit unveränderter Rückgabe der Sache auf einem "Verhalten des Käufers" beruhe. Verschulden sei dabei nicht VoraussetzungG'. Illustrierend wirkt dabei das vielzitierte Beispiel des Kaufs eines mit Mängeln behafteten Kraftfahrzeugs7o : Der Käufer, der mit dem gekauften Auto fahre, setze es bewußt den Gefahren des Straßenverkehrs aus. Er treffe damit eine Disposition, die auf sein eigenes Risiko gehen müsse. Erleide er mit dem Wagen einen Unfall, realisiere sich also das eingegangene Risiko, dann müsse er dieses selbst tragen. Könne der Wagen infolge eines unverschuldeten Unfalls dem Verkäufer nicht mehr unversehrt zurückerstattet werden, so schließe das die Wandlung aus und beschränke den Käufer auf Minderung und gegebenenfalls Schadensersatz wegen Nichterfüllung. So beeindruckend das Beispiel zunächst auch scheinen mag, eine Tatsache darf doch nicht übersehen werden: Der Käufer hat das Fahrzeug ausschließlich erworben, um damit am Straßenverkehr teilzunehmen. G' Flume NJW 1970, 1164; von Caemmerer, Festschrift Larenz S. 632 f.; Larenz, Schuldrecht I 12. Auflage § 26 C 1 (S. 336 f.). 65 Flume NJW 1970, 1164; Rengier AcP 177, 438. 66 Rengier AcP 177, 438 f.; Huber JuS 1972,443. G7 Von Caemmerer S. 632 f.; Enneccerus / Lehmann § 39 II 1; Wolf AcP 153, 97 ff.; Leser, Rücktritt S. 261 ff. 68 Dazu, wie auch zum folgenden von Caemmerer S. 632. 69 Haager Einheitliches Kaufgesetz, Art. 79 Abs. 2 d. 70 Von Caemmerer S. 633.

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3. Die Bereicherungsbeschränkung bei gegenseitigen Verträgen

Jedes Kaufgeschäft hat für den Käufer allein den Sinn, ihm die anschließende Nutzung des Kaufgegenstandes zu ermöglichen. Solange sich die Nutzung im Rahmen des üblichen hält, solange der Käufer sorgfältig mit der Sache umgeht, ist nicht einzusehen, daß der Käufer die Sache nur auf eigenes Risiko in Gebrauch nehmen soll. Auch der Verkäufer weiß schließlich, zu welchem Zweck der Käufer die Sache erwirbt. So rechnet der Verkäufer eines Kraftfahrzeugs jederzeit damit, daß der Erwerber mit dem Fahrzeug unverzüglich am Verkehr teilnimmt. Stellt sich die Unwirksamkeit des Kaufgeschäfts heraus, nachdem das Fahrzeug ohne jedes Verschulden des Käufers zerstört wurde, so ist das nichts anderes als ein zufälliger Sachuntergang anläßlich der von beiden Vertragsparteien akzeptierten Sachnutzung durch den Käufer. Zudem ist das Beispiel des Kraftfahrzeugkaufs etwas einseitig gewählt in Anbetracht der Tatsache, daß daraus der allgemein gültige Grundsatz "Sachnutzung nur auf eigenes Risiko des Empfängers"71 hergeleitet werden soll. Man betrachte das Gegenbeispiel: Eine fest plazierte, vollautomatische Kraftfahrzeugwaschanlage wird gebraucht verkauft. Einen Tag nach der übernahme durch den Käufer fällt das Antriebsaggregat, verursacht durch normale Abnutzung, irreparabel aus. Soll nun dem Käufer das Recht zur Wandlung aufgrund der eingetretenen wesentlichen Verschlechterung verwehrt werden, obwohl er nichts weiter getan hat, als die Maschine durch Knopfdruck in Gang zu setzen? Letzteres stellt nämlich die "vermögensmäßige Entscheidung" dar, die ihm das Risiko einbringen soll. Oder etwa: Ein Einfamilienhaus wird verkauft: Kurz nach dem Einzug des Käufers brennt das Haus infolge eines - für die Beteiligten nicht vorhersehbaren - Kurzschlusses in der Heizungsanlage ab. Der Vertrag war unwirksam. Ist dieser Kurzschluß mit Folgen noch echter Zufall im Sinne der §§ 350, 818 Abs. 3 oder hatte der Käufer durch seinen Einzug bzw. das Einschalten der Heizung die risikoüberwälzende "Disposition" über den Kaufgegenstand bereits getroffen? Die Gegenbeispiele sollen verdeutlichen, daß das Problem nicht mit dem Schlagwort "der Käufer dürfe nicht auf das Risiko des Verkäufers Auto fahren" zu lösen ist. Nicht gerade selten sind die Fälle, in denen aus dem Gebrauch als solchem kaum ein Verlustrisiko herrührt, es sei denn das allgemeine Zufallsrisiko realisiert sich. Das aber soll, wie festgestellt72 , ja der Verkäufer tragen. Bedenkt man weiter, daß die Nutzung durch den Käufer oft nur kurze Zeit dauert, daß die Schadensursache häufig auch aus dem Bereich des 71

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Vgl. Rengier AcP 177,438 f. Vgl. oben 35223.

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bisher an der Sache berechtigten Verkäufers herrührt, so ist nicht einzusehen, daß der Käufer die Sache nur auf eigenes Risiko nutzen darf. Die bloße Tatsache der Ingebrauchnahme rechtfertigt nicht, den schlechtliefernden Verkäufer vom Risiko zu entlasten. Eine Ingebrauchnahme, die in Unkenntnis der das Rücktrittsrecht auslösenden Umstände unternommen wird und die sich in den Grenzen der üblichen Benutzung des Gegenstandes hält, muß dem Käufer auch ohne Risikoübernahme gestattet sein73• Wie Glass überzeugend nachweist74, gilt der Grundsatz, daß der Käufer die Sache zu dem Zwecke gebrauchen kann, zu dem er sie gekauft hat, auch für die Fälle, in denen die Sache dabei zwangsläufig verbraucht oder abgenutzt wird. Folgendes Beispiel verdeutlicht die Situation75 : Der Käufer eines Kartons nichttropfender Kerzen zündet sie anläßlich eines Festes sämtlich an. Natürlich weiß er, daß er damit die Kerzen "wesentlich verschlechtert", denn auch geringfügig gebrannte Kerzen sind für den Verkäufer als Handelsware wertlos. Will man dem Käufer nun, wo sich herausstellt - als die Kerzen brennen-, daß sie maßlos tropfen, die Wandlung verwehren und ihn auf das Recht zur Minderung verweisen? Auslöschen muß er die Kerzen, wegen anderenfalls zu erwartender Schäden an der Einrichtung des Hauses. Es widerspräche dem Grundsatz der Sachmängelhaftung, wonach der Käufer eine fehlerhafte Sache auf jeden Fall zurückgeben kann, wenn der Erwerber im Beispiel die Kerzen, für die er in seinem Hause keine Verwendung hat, behalten müßte und nur den Preis bis auf den für schlechte Kerzen mindern könnte 76 • Die Wertung des § 352, die von der Gegenauffassung herangezogen wird, wird im praktisch wichtigsten Fall der Anwendung der Rücktrittsvorschriften, bei der Wandlung, ausdrücklich ausgeschlossen, § 467 Satz 2. Zwar nur, "sofern der Fehler sich erst bei der Umgestaltung gezeigt hat", aber das ist keine Einschränkung, sondern gerade der hier zur Diskussion stehende Fall: Hat der Käufer schon vor der Umgestaltung Kenntnis von der Fehlerhaftigkeit der Sache, so handelt er - auch nach der hier vertretenen Auffassung - vorwerfbar, wenn er die Sache gebraucht, und ihm ist die Wandlung verwehrt77 • Hat der Käufer dagegen keine Kenntnis von einer möglichen Mangelhaftigkeit der Sache, 73 Glass S. 55; Staudinger ! Kaduk § 351 Rdn. 31; Erman! Westermann § 351 Rdn. 5; Enneccerus ! Lehmann zu § 347, § 39 II 1 c. 74 Glass S. 54 ff. unter Berufung auf RGZ 145,79 (83). 75 Beispiel bei Glass S. 55. 78 Daher liegt im vertragsgemäßen Verbrauch des Kaufgegenstandes auch keine "Verwirkung" des Wandlungsrechts, solange der Käufer die Voraussetzungen des Wandlungsrechts nicht kennt. 77 Näher unten 352412.

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3. Die Bereicherungsbeschränkung bei gegenseitigen Verträgen

so darf er sie umgestalten. Was in § 467 Satz 2 für die Umgestaltung angeordnet ist, muß zwangsläufig auch für den Verbrauch und erst recht für den Gebrauch der Sache gelten78. Jede Unterscheidung zwischen den genannten Fällen wäre sachwidrig. Daß der Käufer, der Rohstoffe zur Verarbeitung kauft, auch dann noch wandeln kann, wenn er die Rohstoffe zum Teil schon verarbeitet hat, und erst danach der Mangel erkennbar wird, bestimmt § 467 Satz 2 ausdrücklich. Dann muß aber für jede andere übliche oder im Vertrag vorgesehene Nutzung der Kaufsache das gleiche gelten79• Auch § 351 kann nicht, wie zum Teil von der Gegenmeinung vertreten80, den Ausschluß der Wandlung rechtfertigen, wenn der Käufer die Sache bestimmungsgemäß und in Unkenntnis der Fehlerhaftigkeit gebraucht. Der Verschuldensbegriff des § 351 - einer Vorschrift, die für das vertragliche Rücktrittsrecht konzipiert ist - ist streitig. Da vor Ausübung eines vertraglich vorbehaltenen Rücktrittsrechts mit der Rückgabepfiicht gerechnet werden muß, ist beim Umgang mit der Sache eine gewisse Rücksichtnahme auf mögliche Belange des Vertragspartners nötig. Den Verstoß gegen diese Verpflichtung will § 351 erfassen81 . Einerseits ist der Rücktrittsberechtigte zur beliebigen Verfügung über den empfangenen, ihm übereigneten Gegenstand befugt, andererseits muß er es sich als eigenes Verschulden zurechnen lassen, wenn er mit dem empfangenen Gegenstand willkürlich Veranstaltungen trifft, die ihn voraussehbar an der gehörigen Rückgewähr hindern 82• Das Verschulden im Sinne des § 351 hat daher weniger mit einem pflichtwidrigen Verhalten gegen den Gegner - dem technischen Verschulden des § 276 - zu tun, als mit einer zurechenbaren Unachtsamkeit in eigenen Angelegenheiten83 , auch als Verschulden gegen sich selbst bezeichnetB-'. Damit wird der eigentliche Rechtsgrund für die Versagung des Rücktrittsrechts offenbar. Er liegt in der Unzulässigkeit widersprüchlichen Verhaltens (Verbot des venire contra factum proprium)85. Der Rück78 So auch, wie zum folgenden Glass S. 56.

Auch von Caemmerer, S.633, als Vertreter der Gegenmeinung, hält den völligen Wandlungsausschluß im Ergebnis für nicht recht billig. Er schlägt vor, de lege ferenda die Wandlung zuzulassen, wenn der Käufer für die Verschlechterung Wertausgleich leiste. 80 Vor allem Wieling JuS 1973, 399; Larenz S. 336 f. 81 Erman / Westermann § 351 Rdn. 4. 82 RGRK-Ballhaus § 351 Rdn. 8. 83 RGRK-Ballhaus § 351 Rdn.8; Erman / Westermann § 351 Rdn.4; von Caemmerer S. 632. 84 Wieling JuS 1973, 399; Palandt / Heinrichs § 351 Anm. 2. 85 BGH NJW 1972, 155; Enneccerus / Lehmann § 39 II 1 e; Staudinger / Kaduk § 351 Rdn.23; Erman / Westermann §351 Rdn.4; Palandt / Heinrichs §351 Anm.2. 79

35. Der eigene Lösungsvorschlag

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trittsberechtigte, der sich selbst zur Rückgewähr außerstande gesetzt hat, darf nicht mehr zurücktreten. Noch deutlicher wird der Gesichtspunkt des Verbots eines widersprüchlichen Verhaltens beim gesetzlichen Rücktritt: Hier hat der Rücktrittsberechtigte zunächst keinerlei Kenntnis vom Bestehen des Rücktrittsrechts. Dennoch herrscht weitgehend Einigkeit86, daß ein Käufer, der die gekaufte Sache mutwillig zerstört hat und erst dann von seinem Rücktrittsrecht - etwa wegen Sachmangels - erfährt, nicht mehr zurücktreten darf87• Umstritten ist jedoch, ob es für ein Verschulden im Sinne des § 351 auch ausreicht, wenn der Untergang der Sache durch freies, in keiner Weise vorwerfbares Handeln des Rücktrittsberechtigten verursacht wurde88 • Dagegen spricht, daß damit das vom Gesetzgeber in § 351 ausdrücklich verlangte Verschuldenserfordernis praktisch aufgegeben ist8u• Bedenken ergeben sich vor allem aber daraus, daß mit Berücksichtigung des "freien Verhaltens" des Rücktrittsberechtigten ein Kriterium eingebracht wird, das den Blick für den § 351 tragenden Gesichtspunkt des Verbots eines widersprüchlichen Verhaltens trübt. Würdigt man, wie von der Gegenauffassung vertreten, die übliche Sachnutzung durch den Käufer als "freies Verhalten" im Sinne des § 351, das die Wandlung ausschließt, so hat das mit dem Gedanken des "venire contra factum proprium" nichts mehr zu tun: Im Normalfall des Sachgebrauchs führt nicht die Entscheidung des Käufers, den Kaufgegenstand seiner Nutzung zuzuführen, zum Untergang der Sache bzw. zu ihrer wesentlichen Verschlechterung, sondern dieser Erfolg wird erst erreicht durch das Hinzutreten weiterer außergewöhnlicher, oft von dritter Seite verursachter Umstände, z. B. des nicht vom Käufer verschuldeten Autounfalls. Das "factum", zu dem sich der Käufer nicht in Widerspruch setzen darf, muß aber ein eigenes Verhalten sein ("factum proprium"). Diese Voraussetzung ist vorliegend nicht erfüllt. Wollte man die bloße Kausalität einer Handlung des Käufers mit einem letztlich zufällig eintretenden Erfolg ausreichen lassen, um das Verbot widersprüchlichen Verhaltens anzuwenden, so wäre dieses Rechtsinstitut bald ausgehöhlt. Zudem müßte jeder Käufer, der die Sache nutzt - und diese Nutzung ist eben der Sinn eines jeden Kaufgeschäfts - damit rechnen, sein Wandlungsrecht zu verlieren, weil er sich "widersprüchlich" verhalten habe. Das Kaufgeschäft als solches enthielte damit zwangsläufig ein 86

87 88

89

Wieling JuS 1973, 399; Palandt / Heinrichs § 351 Anm.2. Näher zum Verschulden bei gesetzlichem Rücktritt unten 352411. Dafür Larenz S. 336 f.; von Caemmerer S. 632 f. Palandt / Heinrichs § 351 Anm. 2.

9 Bremecker

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3. Die Bereicherungsbeschränkung bei gegenseitigen Verträgen

Element "widersprüchlichen Verhaltens". Im Ergebnis hätte nicht nur das Institut der Wandlung einen wesentlichen Teil seiner Bedeutung verloren, sondern in der Käuferentscheidung, die Sache ihrem Gebrauchszweck zuzuführen, läge eine Risikoübernahme, die sich kaum von der des wirksamen Vertrages unterscheidet. Gekauft wird die Sache eben nur, um möglichst bald nach der übergabe von deren Nutzung zu profitieren. Die Risikoübernahme durch den Käufer - auch von Vertretern der Gegenauffassung nur dem wirksamen Vertrag zugeordnet90 - wäre de facto eingeführt. § 350 behielte kaum einen AnwendungsbereichD1 • Zudem würde das Verhältnis der §§ 350, 351 von Grundsatz und Einschränkung ins Gegenteil umgekehrt.

Zusammenfassend zu § 351 ist festzustellen: Ein freies Verhalten des Käufers erfüllt die Voraussetzungen der Vorschrift allenfalls dann, wenn in diesem Verhalten ein echtes "venire contra factum proprium" liegt. Die Entscheidung, die erworbene Sache ihrem üblichen Gebrauchszweck zuzuführen, reicht dazu jedenfalls nicht aus D2 • Um Mißverständnissen vorzubeugen, sollte im Zusammenhang mit § 351 der Begriff "freies Verhalten" nicht herangezogen werden. An Stelle dessen erscheint es angemessen, die Voraussetzungen des Verbots eines widersprüchlichen Verhaltens dort unmittelbar zu prüfen. Bei bereicherungsrechtlicher Betrachtung ergibt sich nichts Gegenteiliges. § 818 Abs. 3 entspricht § 350. Auch in der Bereicherungshaftung gilt der Grundsatz des Verbots eines "venire contra factum proprium". Der Gesichtspunkt, § 818 Abs.3 auf solche Bereicherungsfälle zu beschränken, die mit dem guten Glauben des Bereicherten an die Beständigkeit seines Erwerbs zusammenhängen9S , spricht eher dafür, die übliche Sachnutzung durch den Empfänger vorbehaltlos zuzulassen. Der gute Glaube des Käufers enthält auch die Vorstellung, die Sache zu dem Zweck nutzen zu können, zu dem sie erworben wurde. Selbst die Tatsache, daß der Glaube an die Beständigkeit des Erwerbs notwendig die Annahme einschließt, das als Gegenleistung Hingegebene sei endgültig verloren", führt zu keiner anderen Bewertung. Auch hier gilt wie bei völlig zufälligem Sachuntergang: Die geschilderte Vorstelu. a. Rengier AcP 177, 440 f.; dazu auch oben 349. Vgl. die Ausführungen oben 348. 92 So wohl auch Enneccerus / Lehmann § 39 II 1, der zwar § 351 auf das freie Verhalten bezieht, aber andererseits die übliche Sachnutzung für zulässig hält. 93 Vgl. oben 212, 3513. 94 Diesselhorst S. 48 f.; Koppensteiner / Kramer S. 145; auch oben 35222 am Ende. 90

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35. Der eigene Lösungsvorschlag

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lung des Empfängers kann allenfalls bewirken, daß vom Bereicherungsempfänger größere Sorgfalt im Umgang mit der Sache gefordert wird. Zu weit würde es jedoch führen, dem Käufer, der die Fehlerhaftigkeit des Vertrages in keiner Weise vermutet, jegliche Sachnutzung zu untersagen. Sorgfalt muß der Käufer dagegen bei der üblichen Sachnutzung ohne Zweifel walten lassenus• Mag die Gegenauffassung von ihrer Interessenabwägung her letztlich nicht unvertretbar erscheinen, so spricht doch entscheidend gegen sie, daß sie den tragenden Grund der Privilegierung gemäß § 818 Abs.3, nämlich die Gutgläubigkeit des Bereicherten", bei Bestimmung der Rechtsfolgen außer Betracht läßt. Der Grundsatz, das Vertrauen des gutgläubigen Empfängers müsse geschützt werden, ergibt sich nicht nur aus dem Normzusammenhang der §§ 818 Abs.4, 819 f. mit § 818 Abs.3, sondern er findet in allen die Rückabwicklung fehlerhafter Verträge betreffenden Wertungen des Bürgerlichen Gesetzbuches seinen Niederschlag. Die Gefahrtragungsregeln der §§ 350, 818 Abs. 3 bevorzugen den Empfänger. Eingeschränkt wird die Privilegierung jeweils nur bei Verschulden, bei Kenntnis von der Fehlerhaftigkeit. Entsprechend den genannten schuldrechtlichen Vorschriften regeln §§ 985, 987 ff. die eigentumsrechtliche Rückabwicklung. Auch dort ist der gutgläubige Empfänger privilegiert, schadensersatzpflichtig wird nur der bösgläubige, schuldhaft handelnde Besitzer97 • Dieses in sich geschlossene System zur Rückabwicklung gescheiterter Verträge im Bürgerlichen Gesetzbuch darf nicht an einer Stelle durchbrochen werden. Wenn überhaupt, dann bedarf es einer grundsätzlichen Neuordnung aller betroffenen Abwicklungen, und zwar sowohl hinsichtlich des Gefahrtragungsgrundsatzes als auch hinsichtlich der jeweiligen Haftungsbeschränkung. Das Bürgerliche Gesetzbuch hat nun einmal entschieden, die Risikoverteilung des wirksamen Vertrages und die des unwirksamen Vertrages gegenteilig zu regeln98• An dieser Entscheidung kann man, auch in Anbetracht der abweichenden Lösung im Haager Einheitlichen Kaufgesetz, nicht vorbei. Larenz aber macht deutlich, was letztlich hinter der Gegenauffassung steht, eine Risikozurechnung nach GefahrenkreisenUg , nach Sphären 1oo• Das aber ist die Risikoverteilung des wirksamen Vertrages. 95 Näher zu den Grenzen der Sachnutzung aufgrund der geschli.lderten Vorstellung, unten 352412. 96 Vgl. dazu Koppensteiner / Kramer S. 136. 97 Näher dazu Baur, Sachenrecht § 11. 98 Vgl. oben 32431 u. 35223. 99 Larenz, Schuldrecht II S. 516 ff. 100 Dazu auch Rengier AcP 177, 438.

9'

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3. Die Bereicherungsbeschränkung bei gegenseitigen Verträgen

Der Grundsatz, den gutgläubigen Empfänger zu bevorzugen, ist hingegen durchaus sachgerecht, wenn - im System des Bürgerlichen Ge""setzbuches - eine weitergehende Beschränkung im Sinne einer Vorverlagerung der Vorwerfbarkeit im Empfängerverhalten gelingtl0l. Sie müßte sicherstellen, daß nur der wirklich redliche Empfänger geschützt wird. 3524. Die vom Empfänger verschuldete Unmöglichkeit,

die Sache in einwandfreiem Zustand zurückzugeben

Die vierte und letzte Fallgruppe betrifft die Alternative, in der der Empfänger oder seine Leute verschuldet haben, daß die Sache nicht unversehrt zurückgegeben werden kann. Wie die Rechtsprechungsanalyse gezeigt hat, wird hier die Anordnung des § 818 Abs. 3, den Empfänger trotz seines vorwerfbaren Verhaltens von der Haftung freizustellen, nicht hingenommen1• Nach Auffassung des Bundesgerichtshofs hängt bei Unmöglichkeit der Naturalrestitution die Risikoentscheidung wesentlich davon ab, ob der Empfänger den Untergang bzw. die wesentliche Verschlechterung des von ihm Erlangten verschuldet hat oder nicht!. 35241. Die Wandlungsabwicklung

Praktisch einheitlich - jedenfalls vom Grundprinzip her - wird diese Fallgruppe hinsichtlich der Wandlungsabwicklung entschieden. Hier bietet sich mit § 351 eine Vorschrift zur Beschränkung der Haftungsfreistellung des Empfängers durch § 350 an. Haben der Käufer oder seine Leute verschuldet, daß die Sache nicht unversehrt zurückgegeben werden kann, dann ist die Wandlung überall ausgeschlossen3 • Es geht nicht an, daß der Empfänger die Folgen seines Sorgfaltsverstoßes durch Wandlung auf den insoweit schuldlosen Vertragspartner (= Verkäufer) abwälzt'. 352411. Der Verschuldensbegriff des § 351

Sehr zweifelhaft und wenig geklärt ist dagegen, welches Verhalten konkret dem Empfänger als Verschulden im Sinne des § 351 angelastet werden kann. Herausgearbeitet wurde bereits, daß der Verschuldensbegriff des

§ 351 auf zwei zum Teil miteinander verknüpften Gesichtspunkten beVgl. dazu auch oben 3511 am Ende. Vgl. oben 32621. 2 Vor allem BGHZ 53, 144 ff. u. 57, 137 ff.; vgl. auch Koppensteiner / Kramer 8.186. 3 Von Caemmerer 8.631 f. , 8taudinger / Kaduk § 351 Rdn. 24 m.w.N. 101 1

35. Der eigene Lösungsvorschlag

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ruhtS. Einmal will die Vorschrift die Verletzung der in eigenen Angelegenheiten gebotenen Sorgfalt, auch als Verschulden gegen sich selbst bezeichnet, erfassen. Darüber hinausgehend greift § 351 auchunmittelbar unter dem Gesichtspunkt des Verbots eines widersprüchlichen Verhaltens ein. Es darf dabei nicht übersehen werden, daß die geschilderten Gesichtspunkte in erster Linie im Hinblick auf das vertraglich vorbehaltene Rücktrittsrecht entwickelt wurden. Dort müssen die Beteiligten jederzeit mit der Rückabwicklung des Vertrages rechnen; es ist daher eher zumutbar, auf - möglicherweise wieder entstehende - Belange des Vertragspartners Rücksicht zu nehmen. Beim gesetzlichen Rücktrittsrecht ist die Situation eine andere: Der Käufer etwa, der die Fehlerhaftigkeit der Sache noch nicht kennt, rechnet in keiner Weise mit einer Rückgabeverpflichtung seinerseits. Entsprechend geringer muß die Sorgfaltsanforderung sein, die man ihm im Hinblick auf mögliche Belange des Vertragspartners abverlangt. Allerdings darf diese überlegung nicht Anlaß sein, ein Verschulden im Sinne des § 351 erst ab dem Zeitpunkt positiver Kenntniserlangung von den das Rücktrittsrecht auslösenden Umständen anzunehmen. Der Grundgedanke des § 351, das Verbot eines "venire contra factum proprium"6, beinhaltet, daß auch vor diesem Zeitpunkt ein "Verschulden" gegeben sein kann. Dem Berechtigten wird sein zur Sachverschlechterung führendes Verhalten erst in dem Zeitpunkt, gleichsam mit Rückwirkungen, als verschuldet zugerechnet, in dem er von seinem Rücktrittsrecht Gebrauch machen wilF. Die Kenntnis vom Rücktrittsgrund mag zwar im Normalfall das Ausmaß, in dem ein Verhalten vorwerfbar genannt werden kann, wesentlich mit prägen, zwingende Voraussetzung eines Verschuldens im Sinne des § 351 ist diese Kenntnis jedoch nicht8 • Hilfreich bei der Ermittlung konkreter Verhaltensweisen, die die Voraussetzungen des § 351 erfüllen, ist vor allem das von Glass in Anlehnung an den 1. Entwurf zum Bürgerlichen Gesetzbuch geprägte "Verschuldens"kriterium9 • Anstelle der in der Literatur verwendeten Begriffe "Verschulden gegen sich selbst" und "Verstoß gegen die eigenen Belange"10 prägt er die Bezeichnung "Verstoß gegen die Sorgfalt des ordentlichen Hausvaters". Es sei von der Sorgfalt auszugehen, "die ein ordentlicher Mann in seinen eigenen Angelegenheiten anwenden Vgl. Erman / Westermann § 351 Rdn. 4; dazu auch oben 3523. Statt vieler Erman / Westermann § 351 Rdn. 1. 7 So Staudinger / Kaduk § 351 Rdn. 26. B Vgl. Erman / Westermann § 351 Rdn.4; Staudinger IKaduk § 351 Rdn.22. 11 Glass S. 53 f. 10 Vgl. oben 3523. 5

6

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3. Die Bereicherungsbeschränkung bei gegenseitigen Verträgen

würde". Dabei komme ~s auf die konkrete Situation an, in der sich der Käufer befinde, und auch der Inhalt des Kaufvertrages könne Bedeutung haben. Zu Recht nimmt Glass an, daß der Käufer eines Sportwagens zum Beispiel diesem mehr zumuten darf, sofern er die erforderliche Fahrkunst beherrscht, als der Käufer eines gebrauchten Tourenwagens seinem Fahrzeugl l • Vorteilhaft ist der geschilderte . Verschuldensbegriff in zweifacher Hinsicht: Einmal erlaubt er eine deutliche Abgrenzung zur "diligentia quam in suis rebus adhibere solet" - Maßstab ist bei Glass das Verhalten eines normal-sorgfältigen Menschen12 ~,zum anderen gestattet er, wie im einzelnen noch aufzuzeigen sein wird, die weitgehende Einbeziehung des Grundgedankens des § 351, des Verbots des "venire contra factum proprium". Der "ordentliche Mann" schließt, wenn er den Kaufgegenstand überstrapazieren will, aus, daß er anschließend von einem möglichen Wandlungsrecht Gebrauch machen wird. 352412. Die Fallgruppen des § 351 Im folgenden sollen einzelne Fallgruppen daraufhin überprüft werden, ob und inwieweit ein Verschulden im Sinne des § 351- bei gesetzlichem Rücktrittsrecht - vorliegt. Im Mittelpunkt steht dabei die Sachnutzung, vor allem deren Ausmaß und Intensität. Gegliedert wird nach dem jeweiligen Stand der Kenntnis des Empfängers vom Vorliegen der Rücktrittsvoraussetzungen, denn abhängig vom Vorhandensein bzw. Nichtvorhandensein dieser Kenntnis wird dem Empfänger mehr oder weniger Sorgfalt im Hinblick auf die Belange seines Vertragspartners abzuverlangen seinl3 • - Zunächst soll das Verhalten des Empfängers erörtert werden, der in völliger Unkenntnis der das Rücktrittsrecht auslösenden Umstände handelt. übereinstimmung besteht weitestgehend darüber, daß der Rücktritt nach § 351 - unter dem Gesichtspunkt des Verbots widersprüchlichen Verhaltens -ausgeschlossen ist, wenn der Empfänger die Sache in Unkenntnis des Rücktrittsrechts bewußt bzw. mutwillig zerstört hatl4 • Der Käufer soll sich nicht erst darauf berufen, .er könne mit seiner Sache machen, was er wolle, und anschließend bei Erkennen der Wandlungsmöglichkeit die Gelegenheit benutzen dürfen, den Schaden, den er selbst mutwillig herbeigeführt hat, auf den Verkäufer abzuwälzen; und 11 12 13 14

Beispiel bei Glass S. 54. Näher Glass Fußn. 117. Vgl. oben 3513. Wieling JuS 1973, 399; Glass S. 34 f.; Palandt / Heinrichs § 351 Anm. 2.

35. Der eigene Lösungsvorschlag

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dies sogar vollständig, da die Ausweichmöglichkeit auf die Minderung dem schlechtliefernden Verkäufer ja gerade nicht zusteht15 • Die Sorgfalt, die ein ordentlicher Mann in seinen eigenen Angelegenheiten aufwendet, verbietet es ihm, die vermeintlich ihm gehörende Sache bewußt zu zerstören. Fraglich bleibt, wie weit dieses Prinzip reichen soll. Wann ist das Verhalten einer Partei derart, daß es der anderen Partei nicht mehr zugemutet werden kann, einen daraus entstehenden Schaden zu tragen? Nichts anderes als für die Fälle mutwilliger Sachzerstörung muß gelten, wenn der Empfänger unter schuldhafter Verletzung der Straßenverkehrsvorschriften den Untergang des gekauften Fahrzeugs verursacht hat. Wenn der Käufer z. B. den erworbenen Kraftwagen in Trunkenheit gegen einen Baum fährt, kann das nicht dem Verkäufer aufgebürdet werden. Kaum abweichend ist der Fall zu bewerten, in dem der Unfall durch zu schnelle oder durch unaufmerksame Fah.weise verursacht wurde16 • Durch die Normierung des straßenverkehrs rechtlichen Ge- oder Verbotes hat der Gesetzgeber ein Unwerturteil über das vorliegend den Sachuntergang bewirkende Empfängerverhalten getroffen. Gestattete man dem Empfänger ohne Berücksichtigung dieser Tatsache eine Entlastung nach § 350, so würde damit die verbindliche Unwertentscheidung des Gesetzgebers zu einem erheblichen Teil unterlaufen. Es würde das Wegschieben eines unter Gesetzesverstoß angerichteten Schadens auf den Schuldlosen gestattet. Hier kommt der Gesichtspunkt des Verbots eines "venire contra factum proprium" zum Tragen: Wer die Wandlung erklären will, nachdem er selbst den Sachuntergang unter Gesetzesverstoß vorwerfbar verursacht hat, handelt widersprüchlich. Das Fehlen eines geeigneten Zurechnungskriteriums im Verhalten der Beteiligten machte bei zufälligem Sachuntergang die Entscheidung für die Gefahrzuweisung des § 350 zu Lasten des Verkäufers sehr problematisch, vorliegend ist dagegen ein solches Zurechnungskriterium ohne weiteres auffindbar, der dem Käufer auch bei völliger Nichtkenntnis der Wandlungsvoraussetzungen anzulastende Verstoß gegen die Verkehrsregeln. Ein ordentlicher Mensch behandelt seine eigenen Sachen nicht so, es handelt sich um Verstöße gegen die Sorgfalt eines ordentlichen Hausvaters 17• Zu klären bleibt, in welchen Grenzen dem Empfänger, der in Unkenntnis der Wandlungsvoraussetzungen handelt, die Sachnutzung er15 16

17

Näher Glass S. 35. Ebenso Glass S. 35. Glass S.36.

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3. Die Bereicherungsbeschränkung bei gegenseitigen Verträgen

laubt sein soll. Auch hier muß die Sorgfalt des ordentlichen Mannes in eigenen Angelegenheiten der Maßstab sein. Nicht angelastet werden kann dem gutgläubigen Käufer jedenfalls die "vertragsgemäße", die nach dem Vertrage vorausgesetzte Nutzung des Kaufgegenstandes18• Selbstverständlich darf der Käufer die Sache zu dem Zweck gebrauchen, zu dem er sie erworben hat, auch wenn sie dabei zwangsläufig verbraucht oder abgenutzt wird19• § 351 setzt ein vorwerfbares Verhalten voraus, dem sorgfältigen ordentlichen Hausvater muß die betreffende Handlungsweise vorwerfbar sein. Das ist nicht der Fall, wenn die Sache der nach dem Vertrage vorausgesetzten - also auch vom Vertragspartner akzeptierten - Nutzung zugeführt wird. Wollte man dem redlichen Empfänger die vertragsgemäße Sachnutzung vorwerfen, so würde die grundsätzliche Entscheidung der §§ 350, 818 Abs. 3 Schutz des gutgläubigen Erwerbers - vollkommen in Frage gestellt. Die Gutgläubigkeit beschränkt sich nämlich nicht nur auf die Unkenntnis d~ das Rücktrittsrecht auslösenden Umstände, sondern geschützt werden soll vor allem die "Redlichkeit" des Empfängers. Das bedeutet, auch im übrigen darf das Empfängerverhalten keinen Anlaß für einen Vorwurf bieten. Eine Modifikation der Risikozuweisung des § 350 kommt demnach nur in Betracht, wenn Bedenken hinsichtlich der Redlichkeit des Empfängerverhaltens bestehen. Der Käufer, der die Sache lediglich ihrem Gebrauchszweck zuführt, handelt aber redlich. Anders ist zu entscheiden, wenn der Sachgebrauch das übliche Maß überschreitet20 • Der 'Verkäufer soll den Schaden nicht tragen, den der Käufer etwa dadurch herbeigeführt hat, daß er einen vollbesetzten Kleinwagen zu einer Geländefahrt gebrauchte, für die der Wagen offensichtlich nicht geeignet war21 • Eine Fahrweise, die für den geübten Fahrer eines Renn- oder Sportwagens noch durchaus normale Nutzung ist, wird dem ungeübten Fahrer eines gebrauchten Tourenwagens als in erheblichem Umfang übermäßig vorzuwerfen sein22 • Der ordentliche Mann nutzt den Kaufgegenstand innerhalb der Belastungsgrenzen, die bei der Herstellung zugrunde gelegt wurden. Jede überschreitung dieser Grenzen geschieht auf eigenes Risiko. Nach dem Verbot des "venire contra factum proprium" ist anschließend die Wandlung nicht mehr zulässig. Bei Betrachtung der Beispiele wird noch einmal deutlich, daß die Abgrenzung "vorwerfbar oder nicht" nur unter Einbeziehung der Be18

Vgl. RGZI45, 82; Staudinger / Kaduk § 351 Rdn. 31; Erman / Westermann

§ 351 Rdn. 5; näher oben 3523. 19

20

21 22

RGZ 145,79 (83); Glass S. 55. Vgl. RGZ 145,82; Staudinger / Kaduk § 351 Rdn. 31. Glass S. 35. Vgl. oben 352411 am Ende.

35. Der eigene Lösungsvorschlag

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sonderheiten des Einzelfalles vorgenommen werden kann. Was einem ordentlichen Mann an Sorgfalt zumutbar ist, richtet sich unter anderem nach der Eigenart des Kaufgegenstandes, nach dem Vertragsinhalt, nach den Kenntnissen und Fähigkeiten des die Sache nutzenden Käufers. - Nachdem der Käufer die Wandlung erklärt hat, hat er grundsätzlich die weitere Benutzung der Sache zu unterlassen23 • Insoweit besteht Einigkeit2 4. Zum Teil wird dies damit begründet, in der Weiterbenutzung könne eine nach § 242 zu beurteilende Verwirkung der Rechte aus dem Rücktritt liegenl!5. Tragend dürfte aber auch diesbezüglich der Gedanke des "venire contra factum proprium" sein. Wer in Kenntnis der Rücktrittsvoraussetzungen die Sache weiter gebraucht und damit ihre fortschreitende Abnutzung verursacht hat, handelt widersprüchlich, wenn er nachträglich die Wandlung erklären will. Als der Käufer sich zuvor entschied, die Sache weiter zu benutzen, wußte er, daß er damit in die Belange seines Vertragspartners, der die Sache ja anschließend zurücknehmen sollte, eingreifen würde. Wenn der Käufer sich trotz dieser Kenntnis für eine Fortsetzung des Sachgebrauchs entscheidet, geschieht dies auf eigenes Risiko. Der redliche Käufer, der die Wandlung erklären will, unterläßt Handlungen, die zu Lasten des zur Rücknahme verpflichteten Verkäufers gehen würden. Die Sorgfalt des ordentlichen Mannes verlangt in diesem Fall, die Sachbenutzung einzustellen. Bei genauerer Betrachtung des Sinngehaltes wird deutlich, daß nicht erst im Zeitpunkt der Wandlungserklärung jede Sachbenutzung unterlassen werden muß. Entscheidend ist vielmehr der Zeitpunkt, in dem der Käufer positive Kenntnis vom Vorliegen der Wandlungsvoraussetzungen erlangt. Denn anschließend ist es allein von seinem Willen abhängig, ob er die Wandlung erklärt und damit die Rückabwicklung des Vertrages erzwingt, oder ob er dies unterläßt. Ausnahmen von dem geschilderten Grundsatz sind denkbar, wenn die Weiterbenutzung des Gegenstandes auch im Interesse des Rücktrittsgegners liegt28. Etwa bei der Weiterbenutzung einer gekauften Kinobestuhlung, wenn der dazu verpflichtete Verkäufer unter Ablehnung des Wandlungsbegehrens die Stühle nicht ausbaut:!7. 23 über § 351 h:inausgehend ist unter Umständen nach § 347 Schadensersatz zu leisten, vgl. unten 353. 24 RGZ 145, 83; Stauddnger / Kaduk § 351 Rdn. 31; Erman / Westermann §351 Rdn.5. 25 BGH NJW 1960, 23 (31). 28 BGH NJW 1958, 773 = MOR 1958, 766 = BB 1958, 821; Staudinger / Kaduk § 351 Rdn. 31; Erman / Westermann § 351 Rdn. 5. 27 BGH MOR 1955, 464 = LM Nr. 2 zu § 351 BGB.

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3. Die Bereicherungsbeschränkung bei gegenseitigen Verträgen

- Bisher behandelt wurden die Zeiträume vor jeder Kenntnisnahme von den Rücktrittsvoraussetzungen und nach positiver Kenntniserlangung. In Rechtsprechung und Literatur nahezu ungeklärt ist, ob und unter welchen Voraussetzungen auch zwischen den genannten Zeiträumen ein Verschulden des Empfängers im Sinne des § 351 anzunehmen ist. Wenig eingängig ist jedenfalls, daß einerseits der Empfänger die in seinem Besitz befindliche Sache vom Zeitpunkt positiver Kenntnisnahme an praktisch nicht mehr nutzen darf, während andererseits der Empfänger, der die Rücktrittsvoraussetzungen zwar nicht mit letzter Sicherheit kennt, sie aber aufgrund von Indizien vermutet, den Gegenstand unter Umständen sogar bis zum völligen Verbrauch abnutzen darf. Eine solche Grenzziehung kann kaum billig genannt werden. Solange der Empfänger "nur" mit hoher Wahrscheinlichkeit das Vorliegen der Wandlungsvoraussetzungen vermutet, soll er nahezu frei mit der Sache umgehen können, erhält er dagegen die letzte noch fehlende Sicherheit - vielleicht nur eine geringfügige Information so darf er den Gegenstand nur noch sorgfältig verwahren, d. h. nicht einmal mehr in der nach dem Vertrage vorausgesetzten Weise benutzen! Wo ist der so wesentliche Unterschied im Bewußtseinsstand des Empfängers, daß derart entgegengesetzte Rechtsfolgen notwendig und angemessen wären? "Redlich"l!8 handelt der Käufer, der das Vorliegen der Wandlungsvoraussetzungen vermutet und trotzdem die Sache verbraucht oder stark abnutzt, jedenfalls nicht. Auch wenn der Empfänger die Fehlerhaftigkeit der Leistung nur mit geringer Wahrscheinlichkeit vermutet, sie lediglich befürchtet oder ahnt, ist die Lösung des § 350 unbefriedigend: Es sei noch einmal wiederholt, bei zufälligem Sachuntergang ließ sich die Gefahrzuweisung des § 350 unter Abwägung der beteiligten Interessen im wesentlichen deshalb vertreten, weil dort ein Kriterium fehlte, aufgrund dessen die Gefahrentscheidung zu Lasten einer bestimmten Partei gerechtfertigt gewesen wäre. Vorliegend aber findet sich ein solches Kriterium, hier sind nicht mehr wie dort letztlich beide Parteien in gleichem Umfang schutzwürdig. Der Käufer, der Hinweise auf eine mögliche Fehlerhaftigkeit der Sache besitzt, handelt vorwerfbar, wenn er die Sache stark abnutzt. Der Verkäufer dagegen ist völlig schuldlos an der Verschlechterung; er hatte ja nicht einmal Gelegenheit, auf die Bewahrung der Sache in irgendeiner Form Einfluß zu nehmen. § 351 bietet die Möglichkeit, die Vorwerfbarkeit im Empfängerverhalten risikoüberwälzend zu berücksichtigen. Der Käufer, der die Mangelhaftigkeit der Sache vermutet, darf, wenn er die Sorgfalt beachten will, die ein ordentlicher Mann in seinen eigenen Angelegenheiten anwen-

28 Vgl. oben 3523 am Ende.

35. Der eigene Lösungsvorschlag

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det, die Sache nicht mehr uneingeschränkt nutzen. Die Zuweisung des Risikos für die Folgen seines Verhaltens an den Empfänger ist gerechtfertigt, wenn er bei seinem Handeln gewußt hat oder wenigstens damit rechnen mußte, daß er einem anderen Schaden zufügt, demnach von dem Zeitpunkt an, von dem er mit einer Rückgabepflicht rechnen mußte2 9• Die Situation bei Vermutung der Wandlungsvoraussetzungen entspricht der bei vertraglich vereinbartem Rücktrittsrecht: Dort muß der Rücktrittsgegner von vornherein damit rechnen, daß der Berechtigte zurücktreten wird, er ihm also das Empfangene zurückgeben muß; daher hat er die Pflicht, mit dem empfangenen Gegenstand sorgsam umzugehen, um sich die Möglichkeit der Rückgabe in unverschlechtertem Zustand zu erhalten. Handelt er dieser Verpflichtung vorwerfbar zuwider, muß er den " Schaden " tragen30 • Zweifellos sind bei bloßer Vermutung der Mangelhaftigkeit geringere Anforderungen an die Sorgfalt des Empfängers zu stellen als bei positiver Kenntnis der Wandlungsvoraussetzungen. Wer befürchtet, die an ihn geleistete Sache herausgeben zu müssen, darf diese nicht vollkommen sorglos behandeln, etwa bis zum völligen Verbrauch abnutzen. Das Maß an Sorgfalt, das sich der Empfänger abverlangen lassen muß, wächst mit zunehmender Wahrscheinlichkeit, mit der der zugrunde liegende Vertrag für fehlerhaft gehalten wird. Je sicherer der Empfänger das Vorliegen der Wandlungsvoraussetzungen vermutet, desto intensivere Sorgfalt muß er bei der Nutzung der Sache walten lassen. Das Verschulden im Sinne des § 351 ist demnach nicht vom fixen Zeitpunkt positiver Kenntnisnahme von den Rücktrittsvoraussetzungen abhängig. Die Vorschrift basiert vielmehr auf einer flexiblen Vorwerfbarkeitsermittlung, abhängig vom jeweiligen Kenntnisstand des Empfängers. Konkret bedeutet dies, daß auch bei üblicher, normaler Sachnutzung die Voraussetzungen des § 351 erfüllt sein können. Vor allem zwei Gesichtspunkte stehen hier im Blickpunkt: Je größer die beim üblichen Sachgebrauch eintretende Abnutzung des Kaufgegenstandes ist, desto eher hat der Empfänger die Benutzung einzustellen, d. h. desto geringer sind die Anforderungen an die Wahrscheinlichkeit, mit der er das Vorliegen der Rücktrittsvoraussetzungen vermuten muß. Je größer die Gefährdung des Kaufgegenstandes bei normaler Sachnutzung ist - man denke an die Gefährdung des Kraftfahr29 So Glass S. 36, wenn auch zur Begründung einer abweichenden Konstruktion. 30 Vgl. Larenz, Schuldrecht I (12. Aufl.) § 26 2.

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3. Die Bereicherungsbeschränkung bei gegenseitigen Verträgen

zeugs im Straßenverkehr -, desto früher hat der Empfänger bei Vermutung der Rücktrittsvoraussetzungen die Benutzung zu unterlassen. Letztlich kann nur bei Betrachtung der Besonderheiten des Einzelfalles, der Eigenart des Kaufgegenstandes, dem nach dem Vertrage festgelegten Gebrauchszweck entschieden werden, ob und von welchem . Zeitpunkt an der Käufer die übliche Sachnutzung zu unterlassen hat. - Abschließend sei noch darauf hingewiesen, daß die zur Ermittlung der Vorwerfbarkeit im Sinne des § 351 entwickelten Grundsätze nicht allein für die Sachnutzung als solche gelten - mag letztere auch in erster Linie problematisch sein -, sondern sinngemäß auch jegliches andere Empfängerverhalten betreffen, so etwa die unsachgemäße Lagerung des. Kaufgegenstandes. Entsprechendes wie für die Fälle der Verletzung der Straßenverkehrsvorschriften gilt auch bei Verstößen gegen andere normierte, allgemein gültige Ge- oder Verbote. 35242. Die bereicherungsrechtliche Abwicklung Haben der Empfänger oder seine Leute verschuldet, daß die Sache nicht unversehrt zurückgegeben werden kann, so bietet die bereicherungsrechtliche Abwicklung erst vom Zeitpunkt positiver Kenntnisnahme vom Unwirksamkeitsgrund an billige Rechtsfolgen: § 819 Abs.1 bezieht auch Verstöße des Empfängers gegen die Sorgfalt des ordentlichen Mannes ein. Praktisch jede Ingebrauchnahme des Bereicherungsgegenstandeg31 wird dem Empfänger, der von der Rechtsgrundlosigkeit seines Erwerbs positive Kenntnis hat, als Verschulden im Sinne des §-9ä9 vorzuwerfen sein32• Das heißt, ab Kenntnis hat der Empfänger die in seinem Besitz befindliche Sache schlicht sorgfältig zu verwahren, anderenfalls haftet er verschärft nach §§ 819 Abs. 1, 818 Abs.4, 292, 989. Völlig entgegengesetzt weist der Gesetzgeber das Risiko zu, wenn der Verstoß gegen die Sorgfalt, die der ordentliche Mann in seinen eigenen Angelegenheiten anwendet,· vor dem Zeitpunkt positiver Kenntnisnahme liegt, so wenn der Käufer von der Nichtigkeit des Grundgeschäftes zwar nicht sicher weiß, letztere aber doch vermutet. In diesem Fall entfällt eine verschärfte Haftung, der Empfänger kann sich voll nach § 818 Abs.3 entlasten. Wenig eingängig wirkt die so zutage tretende beinahe willkürliche Grenzziehung der gesetzlichen Lösung. Ein Verhalten, das bei positiver Kenntnis die verschärfte Haftung des 31 Ausnahmen wie bei § 351 möglich, vgl. oben 352412. 32 Palandt / Bassenge § 989 Anm. 1 c.

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Empfängers nach sich zieht, wird letzterem in keiner Weise angelastet, solange er auch nur den geringsten Zweifel an der Rechtsgrundlosig~ keit seines Erwerbs hat. In Literatur33 und Rechtsprechung34 besteht Einigkeit, daß die An~ ordnung des § 818 Abs. 3, den Empfänger von der Haftung freizustel~ len, obwohl er den Sachuntergang vorwerfbar verursacht hat, nicht hingenommen werden darf. Die Risikozuweisung an den Bereicherungs~ gläubiger durch § 818 Abs.3 ist allgemein zu weit gefaßt, bzw. die Haf~ tungsverschärfung des § 819 Abs. 1 reicht nicht ausS5 • Vor allem ist das Kriterium, nach dem der Empfänger verschärft haftet, das Abstellen auf den fixen Zeitpunkt positiver Kenntnisnahme von der Vertragsunwirksamkeit, unglücklich gewählt. Eine vorwerf~ bare Verursachung des Bereicherungswegfalls durch den Empfänger ist bereits vor diesem Zeitpunkt denkbare. Die Haftungsverschärfung sollte wie in der parallel stattfindenden Wandlungsabwicklung auf einer flexiblen Vorwerfbarkeitsermittlung basieren. Es bietet sich an, die oben ermittelte rücktrittsrechtliche Wertung auf die bereicherungsrechtliche Abwicklung zu übertragen37• Die Recht~ sprechung zum Entreicherungseinwand des arglistig getäuschten Käu~ fers stellt bereits den Versuch dar, die bereicherungs rechtliche Rück~ abwicklung an die in den Rücktrittsvorschriften gegebenen Vorbilder anzupassen88• Wesensmäßig bestehen jedenfalls keine derartigen Unterschiede zwi~ schen den Rücktrittsregeln und der Bereicherungshaftung, daß eine übertragung der Wertung des § 351 unzulässig wäre3t : Wie bereits zur Funktion der Leistungskondiktion ausgeführt wurde40 , setzt diese Un~ gültigkeit bzw. ersatzlosen Wegfall - Nichtigkeit, Anfechtbarkeit, Ein~ tritt einer auflösenden Bedingung - des schuld rechtlichen Kausalver~ hältnisses voraus. Die Rücktrittsregeln der§§ 346 ff. greifen hingegen dann ein, wenn das Schuldverhältnis zwar wirksam begründet wurde, während seiner Abwicklung aber Störungen unterliegt, die die Ab~ Statt vieler Koppensteiner / Kramer S. 135 f. Vgl. die Rechtsprechungsanalyse oben 326. 115 Vgl. oben 3511 am Ende. 3G Wie vor allem die Fälle gezeigt haben, in denen der argl[stig getäuschte Gebrauchtwagenkäufer schuldhaft in e[nen Verkehrsunfall verw[ckelt wurde, oben 32432. 37 So von Caemmerer, Festschrift Larenz S. 634 ff.; Koppenste[ner / Kramer S. 185; Erman / Westermann § 818 Rdn. 44. 38 Erman / Westermann § 818 Rdn. 44. 38 So Koppensteiner / Kramer S. 198. 40 Oben 1. sa

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3. Die Bereicherungsbeschränkung bei gegenseitigen Verträgen

lösung des primären Schuldverhältnisses durch ein sekundäres gesetzliches "Rückgewährschuldverhältnis" bedingen41 . Aus dieser konstruktiven Divergenz einen "Wesensunterschied" zwischen den beiden Normenkomplexen abzuleiten, wäre allerdings verfehlt: Wären die Rückgabeansprüche der §§ 346 ff. "nicht eigens geordnet, so würde es sich einfach um Fälle der conditio causa finita handeln" 42. Ob die eigentliche Leistungskondiktion oder die "schärferen Ansprüche" der §§ 346ff. gewährt werden, "ist für den Gesetzgeber nicht eine Frage der Grundlagenverschiedenheit, sondern allein eine Frage des Haftungsumfangs"43. Mag der Haftungsumfang auch unterschiedlich geregelt sein - für die Ansprüche aus § 347 gilt die Verschuldenshaftung (§§ 347, 987, 989), während nach § 818 Abs. 3 der Anspruch des Entreicherten ohne Rücksicht auf das Verschulden des Empfängers auf dessen noch gegenwärtige Bereicherung beschränkt ist - , so wird die Wesensgleichheit beider Abwicklungen doch wieder bestätigt durch die angeordneten Verweisungen. Einerseits ist die Verschuldenshaftung des Rücktrittsrechts nach §§ 818 Abs.4, 819, 820 Abs.1 auch auf die Bereicherungsansprüche der §§ 812 ff. anzuwenden, umgekehrt wird zum Beispiel in den §§ 323 Abs. 2, 327 Satz 2 auf die Grundsätze der Bereicherungshaftung, vor allem auf § 818 Abs. 3, verwiesen«. Es steht zwar fest, daß die Regeln über die ungerechtfertigte Bereicherung dem Käufer keine schärfere Haftung auferlegen dürfen als die besonderen Rückabwicklungsregeln des Vertragsrechts 46 - das ergibt sich schon aus § 327 Satz 2 -, bei einer reinen Angleichung der Bereicherungshaftung an die rücktrittsrechtliche Regelung wird dieser Grundsatz jedoch nicht berührt. Im Gegenteil, da der Gesetzgeber bei Festlegung der Bereicherunsabwicklung den Fall gegenseitiger Bereicherung übersehen hat48 , erweist es sich als unumgänglich, die ausufernde Haftungsfreistellung des § 818 Abs.3 zu beschränken. In Anbetracht der Tatsache, daß die §§ 350 und 818 Abs. 3 sich in Struktur und Inhalt entsprechen - beide weisen die "Gefahr" des zufälligen Sachuntergangs dem "Verkäufer" zu - und unter Berücksichtigung der zumindest gegebenen "Wesensähnlichkeit"47 beider Abwicklungen, erscheint es zulässig, die bei § 818 Abs. 3 bestehende Regelungslücke durch Übertragung der Wertung des § 351 zu schließen. 41 Vgl. Medicus § 26 I 1 a. Von Caemmerer, Gesammelte Schriften I S. 219. 43 Von Caemmerer ebd.; Koppensteiner / Kramer S. 198. 44 Vgl. Koppensteiner / Kramer S. 199; auch Medicus § 26 I 1 b. 45 Blomeyer AcP 154. 542, 543. 48 Statt vieler von Caemmerer, Festschrift Larenz S. 621 f.; vgl. auch oben 33. 47 Das Vorhandensein einer "Rechtsähnlichkeit" reicht zur Übertragung aus, von Tuhr, Allg. Teil des BGB, Bd. I Einl. VIII; Larenz, Methodenlehre S.366. 42

35. Der eigene LösungsvorschlBg

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Mögliche Bedenken, weil zuvor festgestellt wurde, Vorwerfbarkeitsfragen dürften die bereicherungsrechtliche Abwicklung nicht beeinflussen48, sind nicht stichhaltig. Nur die bereicherungs rechtliche Haftungsanordnung, die der §§ 812 Abs.l Satz 1 usw., muß auf eine Bewertung des Verhaltens der Parteien verzichten. Vorliegend steht aber nicht das haftungsbegründende Parteiverhalten zur Diskussion, sondern allein das Verhalten nach Eintritt der bereicherungsrechtlichen Haftung, nach Empfang der Leistung. Die Aufgabenstellung des Bereicherungsrechts49 ist in keiner Weise gefährdet, wenn an die Parteien, die der bereicherungsrechtlichen Haftung unterliegen, gewisse Sorgfaltsanforderungen hinsichtlich des Umgangs mit dem Bereicherungsgegenstand gestellt werden. Die Existenz des § 819 Abs.l, wonach der Empfänger ab Kenntnis der Rechtsgrundlosigkeit für die schuldhafte Verschlechterung der Sache einzustehen hat - in Verbindung mit §§ 818 Abs. 4, 292, 987 ff. 50 - , beweist, daß der Gesichtspunkt der Vorwerfbarkeit grundsätzlich berücksichtigt werden darf. § 819 Abs.l bindet auch nicht insofern, als die Vorschrift dem Wortlaut nach die verschärfte Haftung erst ab dem Zeitpunkt positiver Kenntnisnahme von der Rechtsgrundlosigkeit anordnet, damit also weitere Fälle vorwerfbaren Verhaltens, etwa die grob fahrlässiger Unkenntnis, aus ihrem Anwendungsbereich zu eliminieren scheint: Die auffällige Abweichung des Wortlauts des § 819 Abs. 1 von §§ 990 Abs. 1, 932 Abs. 2, wonach der Besitzer dem Eigentümer gegenüber schon bei grob fahrlässiger Unkenntnis seiner mangelnden Besitzberechtigung verschärft haftet, hat die Zweite Kommissions1 damit erklärt, daß es sich im Falle des § 819 Abs.l "regelmäßig um einen mit dem Willen des Kondizenten erfolgten Erwerb handele". Bei einseitiger Bereicherung mag diese Begründung ausreichen, im Fall gegenseitiger Bereicherung, den der Gesetzgeber ja übersehen hatS2 , sind die Verhältnisse zwischen den Parteien, deren Vorstellungen und Interessen, jedoch viel komplexer. Hier hat nicht eine Partei die Leistung mit ihrem Willen ersatzlos weggegeben, sondern es liegt ein gegenseitiger, bewußter Austausch der Leistungen zugrunde. Der "Kondizent", der seine Leistung an den Erwerber erbracht hat, hat im Gegenzug die in der Regel gleichwertige Gegenleistung erhalten. Beide Parteien sind letztlich in der gleichen Situation, sie haben beide willentlich den Erwerb des 48

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VgI. oben 3235. Dazu oben 3521. Näher Koppensteiner / Kramer S. 155. VgI. Mugdan Bd. IU S. 373. V gI. oben Fußn. 46.

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3. Die Bereicherungsbeschränkung bei gegenseitigen Verträgen

Gegners begründet. Es fehlt die Einseitigkeit des Erwerbs mit dem Willen des Konclizenten und damit der Umstand, der die ebenso einseitige Bevorzugung des Empfängers durch §§ 818 Abs. 3, 819 Abs. 153 - verschärfte Haftung erst ab positiver Kenntnis - rechtfertigen konnte. Wie die Lücke zu schließen ist, die aufgrund der Nichtregelung durch den Gesetzgeber im Fall gegenseitiger Bereicherung entstanden ist, läßt sich aufgrund der aus dem Normzusammenhang der §§ 818 Abs.3, 818 Abs. 4, 819 f. gewonnenen Erkenntnisse ermitteln54• Zweck der Privilegierung durch § 818 Abs. 3 ist der Schutz des guten Glaubens des Empfängers in die Rechtsbeständigkeit seines Erwerbs. Mit Recht wird immer wieder darauf hingewiesen, daß bei gegenseitiger Bereicherung der gute Glaube des Empfängers, er brauche die Sache nicht zurückzugeben, nicht isoliert betrachtet werden darf. Derjenige, der für das von ihm Erlangte eine Gegenleistung erbracht oder versprochen hat, mag zwar damit rechnen, daß er das Erlangte endgültig behalten darf. Dieser Glaube schließt aber notwendig die Annahme ein, auch das als Gegenleistung Hingegebene sei endgültig verloren55 • Letztlich hat der Empfänger also die Vorstellung, wenn er über die erlangte Sache verfüge, tue er dies auf eigene Kosten58• Zerstört der Empfänger die Sache bewußt, oder beschädigt er sie durch sein exzessives Verhalten, so weiß der Empfänger, daß dies auf sein eigenes Risiko geschieht. Verlangt er trotz dieser Kenntnis anschließend die Gegenleistung vom Vertragspartner heraus, so unterliegt dies dem Verbot des "venire contra factum proprium". Und dieser Grundsatz gilt auch hinsichtlich der bereicherungsrechtlichen Abwicklung. Wer im nachhinein die verloren geglaubte Gegenleistung zurückfordern will, muß sich erhöhte Sorgfaltsanforderungen abverlangen lassen, was den bisherigen Umgang mit der in seinem Besitz befindlichen Sache angeht. Sonst setzt er sich dem Vorwurf des "venire contra factum proprium" aus. Anders ausgedrückt, da die Möglichkeit der Fehlerhaftigkeit des Vertrages oder einer Vertragsstörung immer besteht, muß derjenige, der eine spätere Rückforderung des von ihm geleisteten Gegenstandes überhaupt nur in Erwägung zieht, von vornherein sorgfältig mit der Sache umgehen. Genauer erfassen lassen sich die Verhaltenspflichten des Empfängers bei Betrachtung des besonderen Vertrauensverhältnisses, das zwischen den Parteien des unwirksamen gegenseitigen Vertrages besteht, es sei i3 Daß der Fall grob fahrlässiger Unkenntnis durch § 819 Abs.l nicht erfaßt ist, wird allgemein kritisiert, vgl. Koppensteiner / Kramer S. 150. M Vgl. oben 212, 3513. 55 Koppensteiner / Kramer S. 145. 56 Vgl. auch Diesselhorst S. 48 f.

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hier als "gesteigertes Vertrauensverhältnis" bezeichnet57 • Das "gesteigerte Vertrauensverhältnis" entwickelt sich wie folgt: Zunächst schaffen die Vertragsverhandlungen - bei Gegenseitigkeitsvereinbarungen häufig recht ausgedehnt geführt - eine gewisse Vertrauensatmosphäre zwischen den Parteien, die ähnlich der Haftung aus "culpa in contrahendo"58 Anlaß zu einer Vertrauenshaftung sein kann. Auf dieser Basis entsteht unter Einbeziehung der gerade geschilderten Vorstellung, letztlich auf eigenes Risiko über den Kaufgegenstand zu verfügen, eine gegenseitige Erwartung: Der vernünftige Empfängers', der das Eintreten einer Vertragsstörung und der daraus regelmäßig resultierenden Rückabwicklung nie ganz ausschließt, wird die erlangte Sache zwar in der üblichen, nach dem Vertrage vorausgesetzten Weise nutzen - zu diesem Zweck hat er sie schließlich erworben60 - , er wird sie aber nie bewußt zerstören, ihren Untergang infolge eines Verstoßes gegen ein normiertes Ge- oder Verbot herbeiführen oder die Sache über Gebühr strapazieren. Das gleiche Recht müßte er sonst seinem Gegenüber im Umgang mit der Gegenleistung, auf deren Rückübertragung er, der Leistungsempfänger, bei Vertragsunwirksamkeit einen Anspruch hat, auch zugestehen. Damit wäre die Gegenleistung für ihn endgültig verloren. Die Vorstellung des Empfängers verdichtet sich um so mehr, als er Hinweise auf eine konkret vorliegende Vertragsstörung bekommt. Ihm werden mögliche Konsequenzen bewußt: Im Falle der Unwirksamkeit des Vertrages hat jede Partei ungerechtfertigt die dem Gegner zustehende Sache in Besitz; jede Partei versucht, die von ihr zuvor erbrachte Leistung zurückzuerhalten. Infolgedessen erwartet man jeweils vom Gegner, daß dieser mit dem Bereicherungsgegenstand bis zur Rückgabe sorgfältig umgeht, ihn nicht über Gebühr strapaziert. Die Wechselseitigkeit dieser Erwartung bewirkt, daß jede Partei, bevor sie vom Gegner die Einhaltung von Sorgfaltspflichten fordern kann, zunächst selbst ebendiese Sorgfalt im Umgang mit dem von ihr verwahrten Bereicherungsgegenstand beachten muß. Was man von seinem Gegner fordert, muß man umgekehrt auch sich selbst abverlangen lassen! Dieses gegenseitige "Aufeinander-angewiesen-Sein" läßt die Vertrauensatmosphäre der Vertragsverhandlungen neu und sogar intensiver wiederaufleben. 57 Leser begründet die Haftungsdifferenzierung des § 818 Abs. 3 ähnlich, nämlich aus der "Inanspruchnahme gegenseitig gewährten Vertrauens"; Leser, Saldotheorie S. 60. 58 Zum Begriff Fikentscher § 20; Medicus § 10 II 1; näher oben 3234 am Ende. 59 Identisch mit dem "ordentlichen Hausvater" des § 351, vgl. oben 35241. 110 Den üblichen Sachgebrauch wird man zulassen müssen, näher oben 3523.

10 Bremecker

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3. Die Bereicherungsbeschränkung bei gegenseitigen Verträgen

Zur Verdeutlichung sei betont, daß das eben geschilderte "gesteigerte Vertrauensverhältnis" zwischen den Parteien nicht erst im Zeitpunkt positiver Kenntnisnahme von der Vertragsnichtigkeit entsteht, sondern sich bereits mit der geringsten Unwirksamkeitsvermutung - sei sie auch nur auf seiten einer Partei gegeben - heranbildet und mit zunehmender Unwirksamkeitswahrscheinlichkeit kontinuierlich wächst. Je größer die Abnutzung des Kaufgegenstandes, je höher dessen Gefährdung beim üblichen Sachgebrauch ist, desto eher hat der Empfänger aufgrund seiner Verpflichtung aus dem "gesteigerten Vertrauensverhältnis" die Benutzung einzustellen, desto geringer sind die Anforderungen an das Maß der Wahrscheinlichkeit, mit der er die Unwirksamkeit vermuten muß. Da das geschilderte "Vertrauensverhältnis" rein tatsächlicher Natur ist, wird sein Bestand durch die jeder Bereicherungshaftung vorangehende Nichtigkeitsanordnung nicht berührt. Im Gegenteil, die Nichtigkeitserwartung bringt das "gesteigerte Vertrauensverhältnis" gerade zur Entwicklung, nachdem erster faktischer AnsatzpunkV'l die Tatsache der Vereinbarung eines Gegenseitigkeitsverhältnisses war6!. Zusammenfassend läßt sich feststellen: Der Empfänger, der gegen die Verhaltenspflichten des "gesteigerten Vertrauensverhältnisses" verstoßen hat und anschließend die von ihm erbrachte Gegenleistung zurückverlangt, handelt widersprüchlich im Sinne eines "venire contra factum proprium". Die bereicherungsrechtliche Wertung entspricht damit der zuvor geschilderten Wertung des gesetzlichen Rücktrittsrechts, und zwar sowohl nach dem Inhalt des Gefahrtragungsgrundsatzes als auch nach dem Ausmaß der Haftungsbeschränkung durch das Verbot des "venire contra factum proprium", das in beiden Abwicklungen die Beschränkung trägt. Einer übertragung der rücktrittsrechtlichen Wertung auf die Bereicherungsabwicklung stehen damit keine Bedenken entgegen, zumal so die bei Gegenseitigkeitsverhältnissen vorhandene Regelungslücke ausgefüllt wird. 353. Das Baftungssmema der neuen Lösung

Nach bisheriger Schilderung enthält der Lösungsvorschlag eine doppelte Aussage: Zunächst ist der Verschuldensbegriff des § 351 bei gesetzlichem Rücktritt erweiternd - im Sinne einer Vorverlagerung der Vorwerfbarkeit - auszulegen. Anschließend wird die rücktrittsrechtliche Wertung auf die bereicherungsrechtliche Abwicklung übertragen, 61 82

Vgl. oben 3234. Ahnlich der Lösung Flumes, Festschrift Niedermeyer S. 167.

35. Der eigene Lösungsvorschlag

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bisher insofern, als § 818 Abs. 3 - über die Haftungsverschärfung der §§ 819, 820 hinausgehend - entsprechend der Neuinterpretation des § 351 einzuschränken ist. Der Vorschlag ist damit noch nicht vollständig, da nur der Sachverlust als solcher und die wesentliche Verschlechterung der Sache erlaßt sind. Zu klären bleibt, wie die unwesentliche Verschlechterung der Sache und die Vermögensschäden, die der Empfänger im Zusammenhang mit dem Bereicherungsvorgang erlitten hat, zu behandeln sind. Hinsichtlich der genannten Vermögensschäden ist zu differenzieren: Die vorgeschlagene Einschränkung des § 818 Abs.3 wurde aus dem Normzusammenhang mit §§ 818 Abs.4, 819 f. begründet. Damit steht fest, daß Folgeschäden an anderen Rechtsgütern nicht in Anrechnung gebracht werden können. Daß der vielzitierte indebite geleistete Hund den Teppich des Empfängers zerbeißt, hat mit dem Vertrauen des Empfängers in die Rechtsbeständigkeit seines Erwerbs nichts zu tun1 • Bei Ermittlung des Umfangs der Bereicherung des Empfängers können dagegen echte Vertrauensschäden angerechnet werden. Das sind Schäden, die entstanden sind, weil der Empfänger auf die Wirksamkeit des Vertrages vertraut hat. Wenn das Gesetz von einer gegenständlichen Orientierung, der der §§ 812, 818 Abs. 1, 818 Abs. 2, zu einer vermögensorientierten Betrachtungsweise, der des § 818 Abs. 3, wechselt, so geschieht dies durchaus begründet2 • Der die Bereicherungsabwicklung beherrschende Grundsatz "Schutz des Vertrauens des gutgläubigen Empfängers" würde zum Teil unterlaufen, wollte man hinsichtlich der Vertrauensschäden, die der Empfänger erlitten hat, einer anderen. Wertung als der des § 818 Abs. 3 den Vorzug gebens. Geschützt wird das Vertrauen des gutgläubigen Erwerbers nur dann vollständig, wenn weder der Sachverlust selbst noch die erlittenen Vertrauensschäden zu seinen Lasten gehen4 • Als zu einseitig kann diese Entlastung kaum kritisiert werden, da nach dem neuen Vorschlag nur noch der wirklich gutgläubige und redliche Empfänger bevorzugt wird. Der aber verdient vollen Schutz. Zu den Vertrauensschäden zählen Erwerbsunkosten, nutzlose Aufwendungen und auch alle Nachteile, die der Empfänger dadurch erlitten hat, daß er im Vertrauen auf die Wirksamkeit des Erwerbs Dispositio1 So auch die heute h. M. zu § 818 Abs. 3, Palandt / Thomas § 818 Anm. 6 Ab; Koppensteiner / Kramer S.135; Reeb S.115. 2 Näher oben 349 am Ende. 3 Ebendies geschieht, wenn ein eigener Anspruch auf Ersatz der Vertrauensschäden gewährt wird, vgl. etwa Rengier oben 349. 4 Dazu auch oben 35223 am Ende.

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3. Die Bereicherungsbeschränkung bei gegenseitigen Verträgen

nen vorgenommen oder unterlassen hat, die sich infolge der Rückabwicklung als nachteilig erwiesen habenli. Die ausstehende Problematik, wie bei unwesentlicher Verschlechterung der empfangenen Sache zu verfahren ist, wird rücktritts rechtlich von § 347 geregeWI. Grundgedanke des § 347 ist, daß bei vertraglichem Rücktrittsrecht die Beteiligten jederzeit mit der Ausübung des Rechts und damit mit den Rückgewährpflichten rechnen müssen7 • Die herrschende Meinung hat aus diesem Normzweck für die Fälle des gesetzlichen Rücktritts und der Wandlung die Folgerung gezogen, daß § 347 erst ab Kenntnis der Rücktrittsvoraussetzungen anzuwenden sei8 • Begründet von GlassD deutet sich allerdings eine Wandlung der Auffassungen zu § 347 an. Danach soll der Rücktritts- bzw. Wandlungsberechtigte vor Kenntnis der Rücktrittsmöglichkeit zwar nicht auf Schadensersatz, wohl aber auf Ersatz des Wertes des von ihm Empfangenen haften10• Diese Ansicht versteht. das nach §§ 347, 989 notwendige Verschulden als Unachtsamkeit in eigenen Angelegenheiten, als Obliegenheitsverletzung11• Entscheidend für die geschilderte Auffassung spricht - wie auch zu § 351 ausgeführt - , daß der wandlungsberechtigte Käufer vor Entdeckung des Mangels ebenso wie der gutgläubige Bereicherte davon ausgehen muß, unsorgfältiger Umgang mit dem Empfangenen wirke sich zu seinen eigenen Lasten aus. Das übersieht die herrschende Auffassungi!. Glass weist anhand eindeutiger Hinweise in den Materialien nach, daß § 347 zwei verschiedene Sachverhalte betrifftl3 : Für die Zeit nach Wandlungsvollzug wird dem Wandlungsberechtigten für jedes Verschulden eine Schadensersatzpflicht auferlegt; für die Zeit vor Kenntnis des Wandlungsrechts aber betrifft § 347 die Fälle der Unachtsamkeit in eigenen Angelegenheiten und verpflichtet den Käufer zum Wertersatz. Der Verschuldensbegriff in § 351 und § 347, soweit er die Zeit vor Kenntnis des Wandlungsrechts betrifft, ist damit der gleiche. Letztlich meint der Gebrauch des Wortes "Verschulden" in beiden Fällen nichts anderes als "eine um der Gerechtigkeit willen notwendige Vgl. Rengier AcP 177,434. Bei Sachuntergang und wesentlicher Verschlechterung wird die Vorschrift von § 351 verdrängt, Palandt I Heinl'lichs § 347 Anm. 3. 7 Erman I Westermann § 347 Rdn. 1. 8 Statt vieler Palandt I Thomas § 347 Anm. 2; Koppensteiner I Kramer S.188. D Glass S. 41 ff. 10 Esser, Schuldrecht S. 44. 11 Koppensteiner I Kramer S. 188. 12 Ausführlich geschildert zu § 351 oben 35242. 13 Glass S. 41 ff. (45). 5

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35. Der eigene Lösungsvorschlag

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Modifikation der allgemeinen Gefahrtragungsregel des § 350"14. Beide Beschränkungen sind Ausprägungen des Grundsatzes der Unzulässigkeit eines widersprüchlichen Verhaltens 15 • Ein Unterschied besteht lediglich im Tatbestand: § 351 erfaßt den Sachuntergang oder eine erhebliche Verschlechterung, § 347 dagegen die unerhebliche Verschlechterung. Schon aus der Gegenüberstellung ergibt sich, daß der Verschuldensbegriff der gleiche sein mußl6. Wie auch der Vergleich zur bereicherungsrechtlichen Abwicklung, zu § 819 Abs. 1, zeigt, ist es erst ab dem Zeitpunkt positiver Kenntnisnahme vom Rücktritts- bzw. Unwirksamkeitsgrund17 gerechtfertigt, den Empfänger auf das "volle Interesse" haften zu lassen. Vor diesem Zeitpunkt ist eine weniger eingreifende Rechtsfolge angemessen, dem Empfänger wird bei Sachuntergang und wesentlicher Verschlechterung die Berufung auf die Gefahrentlastung verwehrt. Dieser Rechtsfolge entspricht bei unwesentlicher Verschlechterung die Wertersatzhaftung - ein völliger Ausschluß der Berufung auf die Gefahrentlastung steht wegen der Geringfügigkeit der Sachbeschädigung nicht zur Diskussion. Für den Lösungsvorschlag bedeutet dies, daß der zu § 351 entwickelte Verschuldensbegriff18 in § 347 übernommen werden kann. Vor Kenntnisnahme vom Rücktrittsgrund muß der Empfänger nach § 347 für unerhebliche Schäden Wertersatz leisten, bei erheblichen verliert er sein Wandlungsrecht und kann nur noch Minderung verlangen, § 351. Nach Kenntniserlangung haftet er wie jeder andere Schuldner auf Schadensersatz für schuldhafte Pflichtverletzung, § 347. Soll die rücktrittsrechtliche Wertung, wie vorgeschlagen, auf die Bereicherungsabwicklung übertragen werden, so heißt das, daß § 818 Abs.3 entsprechend der Wertung des § 351 und der des § 347 zu beschränken ist. Vor Kenntnisnahme vom Unwirksamkeitsgrund leistet der Empfänger bei unsorgfältigem Verhalten für unerhebliche Schäden Wertersatz, für erhebliche ist die Berufung auf § 818 Abs. 3 ausgeschlossen. Nach Kenntniserlangung haftet er nach § 819 Abs.1 - inhaltlich identisch mit der entsprechenden Anordnung des § 347 - auf vollen Schadensersatz. Das System geht auf.

14 Glass S. 38 ff. (41). 15

Koppensteiner / Kramer S. 188.

16 Glass S. 45. 17 Dieser Zeitpunkt ist entscheidend, nicht erst der der Wandlungserklä-

rung, vgl. oben 352412. 18 Oben 352411.

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3. Die Bereicherungsbeschränkung bei gegenseitigen Verträgen 354. Zusammenfassende Betradltung des Lösungsvorsdllags

Als zu grobes Instrument zur Bekämpfung der allgemein kritisierten "Unbilligkeit" der bereicherungs rechtlichen Abwicklung, mit dem ein differenzierendes Eingehen auf unterschiedliche Interessenlagen geradezu verhindert wird, erwies sich die pauschale Umkehrung der Risikoanordnung des § 818 Abs.3, wie sie die "Saldotheorie" und ihr verwandte Auffassungen vornehmen. Im Gegenteil, soweit der Bereicherungsgegenstand wirklich zufällig untergegangen ist oder verschlechtert wurde, soweit also allein die Gefahrtragung betroffen ist, ließ sich die Gefahrentlastung des Empfängers durch § 818 Abs. 3 und § 350, der rücktrittsrechtlichen Parallelregelung, mit guten Gründen rechtfertigen. Der Gesetzgeber hat die Gefahrverteilung im Falle der Unwirksamkeit des Vertrages bewußt abweichend von der Lösung des wirksamen Vertrages entschieden. Aus der Kritik an der Saldotheorie wurde daneben die Notwendigkeit erkennbar, Leistung und Gegenleistung getrennt rückabzuwickeln. Die Folgerung der Saldotheorie, Leistung und Gegenleistung von vornherein miteinander zu verrechnen, ist im Gesetz beispiellos, sie steht sogar zur gesetzlichen Konzeption in Widerspruch. Den Kern nahezu aller weiteren Versuche, den Anwendungsbereich des § 818 Abs.3 einzuschränken, bildet die Vorstellung, der Empfänger müsse für die Folgen eigener Disposition über den Bereicherungsgegenstand einstehen. In der geschilderten Allgemeinheit ließ sich diese Auffassung nicht halten. Die übliche Sachnutzung jedenfalls muß dem redlichen Empfänger erlaubt sein. Anderenfalls würde der Grundsatz, das Vertrauen des gutgläubigen Empfängers müsse geschützt werden, zur inhaltsleeren Formel. Dieser Grundsatz ergibt sich nicht nur aus dem Normzusammenhang des § 818 Abs. 3 mit §§ 818 Abs. 4, 819 f., sondern er findet in den übrigen Wertungen des Bürgerlichen Gesetzbuches, die die Rückabwicklung fehlerhafter Verträge betreffen, seinen Niederschlag, so den §§ 350,347,351 und den §§ 985,987 ff. Die Auseinandersetzung mit der geschilderten Auffassung verdeutlichte aber um so mehr die Notwendigkeit, bei Erarbeitung eines Lösungsvorschlages Wertungsparallelität zwischen der bereicherungsrechtlichen Abwicklung und der des gesetzlichen Rücktritts, insbesondere der Wandlung, zu erzeugen. Es blieb die Erkenntnis, daß der Grundsatz, den gutgläubigen Empfänger zu bevorzugen, durchaus sachgerecht sein kann, wenn die ausufernde Haftungsfreistellung des Empfängers durch §§ 818 Abs. 3, 350 über die bestehenden Beschränkungen hinaus weitergehend eingeschränkt wird, vor allem unter Einbeziehung der Vorwerfbarkeit im

35. Der eigene Lösungsvorschlag

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Empfängerverhalten vor dem Zeitpunkt positiver Kenntnisnahme von der Vertragsstörung. Der Lösungsvorschlag erreicht die geforderte Einschränkung durch eine Neuinterpretation des Verschuldensbegriffs der §§ 351,347 und anschließende übertragung der Wertung auf die bereicherungsrechtliche Abwicklung. Im Unterschied zu den bisherigen Auslegungsversuchent wurde besondere Beachtung der Beibehaltung des Regel-Ausnahme-Verhältnisses zwischen § 350 und §§ 351, 347 geschenkt. Wie in §§ 351, 347, 819 Abs.1 normiert, bleibt inhaltlich tragend die Feststellung, daß vom Gefahrtragungsgrundsatz nur dann abzuweichen ist, wenn dem Empfänger die Art und Weise, wie er mit der Sache umgeht, - sei es nur im geringsten - vorgeworfen werden kann. "Zufällig" im Sinne des § 350 - und des § 818 Abs. 3 - ist damit nicht allein, wie in neuester Zeit vertreten, der vom Empfänger völlig unbeeinfiußte Sachuntergang, sondern auch der vom Empfänger nicht vorwerfbar verursachte Sachverlust. Ein "Verschulden" im Sinne der §§ 351, 347 liegt vor, geprägt vom Verbot des "venire contra factum proprium", in Anlehnung an den von Glass entwickelten Verschuldensbegriff bei Verstößen gegen "die Sorgfalt, die ein ordentlicher Mann in eigenen Angelegenheiten anwenden würde". Die Vorwerfbarkeit im Empfängerverhalten ist dabei flexibel zu ermitteln. Abhängig von der Zahl und Eindeutigkeit der Hinweise, die für das Vorliegen einer Vertragsstörung sprechen, muß sich der Empfänger mehr oder minder umfangreiche Sorgfaltsanforderungen im Hinblick auf mögliche Belange seines Vertragspartners abverlangen lassen. Konkret bedeutet dies: - Der vernünftige Empfänger, der in völliger Unkenntnis der Wandlungsvoraussetzungen handelt, wird die erlangte Sache zwar in der üblichen, nach dem Vertrage vorausgesetzten Weise nutzen - selbst wenn sie dabei völlig verbraucht wird -, zu diesem Zweck hat er sie schließlich erworben. Er wird sie aber nie bewußt zerstören, ihren Untergang infolge eines Verstoßes gegen ein normiertes Ge- oder Verbot herbeiführen - etwa durch übertretung der Straßenverkehrsvorschriften - oder die Sache über Gebühr strapazieren. Beschädigt der Empfänger die Sache aufgrund eines derartigen exzessiven Verhaltens, so weiß er, daß dies auf eigenes Risiko geschieht. - Vom Zeitpunkt positiver Kenntnisnahme der Wandlungsvoraussetzungen an hat der Empfänger grundsätzlich jede weitere Benutzung t

Abgesehen vom Vorschlag Glass S. 34 ff.

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3. Die Bereicherungsbeschränkung bei gegenseitigen Verträgen

der Sache zu unterlassen. Ausnahmen sind denkbar, wenn die Weiterbenutzung des Gegenstandes auch im Interesse des Gegners liegt. - Auch im Zeitraum zwischen völliger Unkenntnis und positiver Kenntnisnahme kann ein "Verschulden" im Sinne der §§ 351, 347 gegeben sein. Die übliche, vertraglich vorausgesetzte Sachnutzung ist nicht mehr uneingeschränkt zulässig. Wer befürchtet, die an ihn geleistete Sache herausgeben zu müssen, darf diese nicht vollkommen sorglos behandeln, etwa bis zum völligen Verbrauch abnutzen. Je sicherer der Empfänger das Vorliegen einer Vertragsstörung vermutet, desto intensivere Sorgfalt muß er bei der Nutzung der Sache walten lassen. Vor allem zwei Gesichtspunkte gewinnen Bedeutung: Je mehr sich der Kaufgegenstand bei normalem Gebrauch abnutzt, je höher die bei normalem Gebrauch auftretende Gefährdung der Sache ist - etwa bei Teilnahme am Straßenverkehr -, desto eher hat der Empfänger die Benutzung einzustellen, anders ausgedrückt, desto geringer sind die Anforderungen an die Wahrscheinlichkeit, mit der er das Vorliegen der Wandlungsvoraussetzungen vermuten muß. Letztlich kann nur bei Betrachtung der Besonderheiten des Einzelfalles, der Art und Beschaffenheit des Kaufgegenstandes, dem nach dem Vertrage vorausgesetzten Gebrauchszweck entschieden werden, welche Sachnutzung üblich, normal ist und von welchem Zeitpunkt an der Empfänger die Benutzung zu unterlassen hat. Sinngemäß gelten die im Hinblick auf die Sachnutzung entwickelten Grundsätze auch für jedes andere Empfängerverhalten, so etwa für die mehr oder weniger sachgemäße Lagerung des Kaufgegenstandes. Hat der Empfänger die Verschlechterung durch Verstoß gegen die oben geschilderten Sorgfaltsanforderungen "verschuldet", so haftet er hinsichtlich der Wandlungsabwicklung nach folgendem Schema: Vor Kenntnisnahme vom Rücktrittsgrund muß er nach § 347 für unerhebliche Schäden Wertersatz leisten, bei erheblicher Verschlechterung oder Sachuntergang verliert er sein Wandlungsrecht und kann nur noch Minderung verlangen, § 351. Nach Kenntniserlangung haftet er wie jeder normale Schuldner auf vollen Schadensersatz für schuldhafte Pflichtverletzungen, § 347. Die Übertragung der geschilderten rücktrittsrechtlichen Wertung auf die Bereicherungsabwicklung läßt sich vor allem aus dem Normzusammenhang des § 818 Abs. 3 mit §§ 818 Abs. 4, 819 f. begründen. Geschützt werden soll danach das Vertrauen des gutgläubigen Empfängers in die Rechtsbeständigkeit seines Erwerbes. Derjenige, der für das von ihm Erlangte eine Gegenleistung erbracht oder versprochen hat, mag zwar damit rechnen, daß er das Erlangte endgültig behalten darf. Dieser

35. Der eigene Lösungsvorschlag

153

Glaube schließt aber notwendig die Annahme ein, auch das als Gegenleistung Hingegebene sei endgültig verloren. Letztlich hat der Empfänger also die Vorstellung, wenn er exzessiv im Sinne des zu §§ 351, 347 entwickelten Verschuldensbegriffes über die Sache verfüge, tue er dies auf eigene Kosten. Aus der Gegenseitigkeit dieser Vorstellung - auch der Empfänger der Gegenleistung denkt entsprechend - entwickelt sich beginnend mit den Vertragsverhandlungen zwischen den Parteien eine besondere Vertrauensatmosphäre, die ähnlich der Haftung auS "culpa in contrahendo" Anlaß zu einer Vertrauenshaftung sein kann. Insbesondere mit zunehmender Vermutung des Vorliegens einer Vertragsstörung erwartet jede Partei vom Gegner, daß dieser die in seinem Besitz befindliche Sache bis zu einer möglichen Rückgabe sorgfältig behandelt, sie nicht über Gebühr strapaziert. Was man vom Gegner fordert, muß man aber umgekehrt auch sich selbst abverlangen lassen! Es ergeben sich damit aus dem hier sogenannten "gesteigerten Vertrauensverhältnis" gegenseitige Verhaltenspflichten, die mit den Sorgfaltspflichten, "die der ordentliche Mann in eigenen Angelegenheiten anwendet", identisch sind. Verlangt der Empfänger die Gegenleistung heraus, obwohl er zuvor unter Verstoß gegen diese Verhaltenspflichten den Sachuntergang verursacht hat, so handelt er widersprüchlich im Sinne eines "venire contra factum proprium". Die Wertung der Wandlungs- und der Bereicherungsabwicklung entsprechen sich damit. In Anbetracht der zudem vorhandenen "Wesensähnlichkeit" beider Abwicklungen erscheint es angemessen, die bei § 818 Abs. 3 hinsichtlich der Abwicklung von Gegenseitigkeitsverhältnissen bestehende Regelungslücke durch übertragung der vorgeschlagenen rücktrittsrechtlichen Wertung zu schließen. § 818 Abs.3 ist - über §§ 819 f. hinausgehend - entsprechend der Wertung der §§ 351, 347 zu beschränken. Das bedeutet konkret: Vor Kenntnisnahme vom Unwirksamkeitsgrund hat der Empfänger bei unsorgfältigem Verhalten für unerhebliche Schäden Wertersatz zu leisten, für erhebliche ist die Berufung auf § 818 Abs.3 ausgeschlossen. Im Anschluß an die Kenntniserlangung haftet er nach § 819 Abs.1 - inhaltlich identisch mit der entsprechenden Anordnung des § 347 - auf vollen Schadensersatz. Das System geht auf. Bei Anwendung des Lösungsvorschlages ist nahezu allen Argumenten, die gegen die Saldotheorie und ihr verwandte Auffassungen vorgebracht werden, der Boden entzogen: - Das faktische Geschehen bei Abschluß eines gegenseitigen Vertrages, das eine völlige Risikoumkehrung nicht rechtfertigen konnte2, 2

Oben 3234.

154

3. Die Bereicherungsbeschränkung bei gegenseitigen Verträgen

wird vorliegend nur verwendet, um die Anfänge eines "gesteigerten Vertrauensverhältnisses" zu begründen, aus dem sich dann lediglich gewisse Verhaltenspftichten für den Empfänger ergeben. Erst bei Verstoß gegen diese Sorgfaltsverpftichtung wird die Gefahrentlastung des Empfängers aufgehoben. Die im konkreten Fall jeweils die Bereicherungshaftung des Empfängers bewirkende Nichtigkeitsanordnung bleibt damit inhaltlich unangetastet3 , denn erst das Verhalten des Empfängers nach Eintritt der Bereicherung bewirkt die Risikoüberwälzung. Vor allem wird der Schutz der Geschäftsbeschränkten und Geschäftsunfähigen nicht länger in Frage gestellt. Der minderjährige Empfänger kann sich voll nach §§ 350, 818 Abs. 3 entlasten, es sei denn, es liegt ein Sorgfaltsverstoß im Sinne der §§ 351, 347 seinerseits vor. Dabei sind die Anforderungen an die "Sorgfalt des ordentlichen Minderjährigen" - je nach Alter und Einsichtsfähigkeit - unter Umständen erheblich geringer als die an einen "ordentlichen Mann". So wird man einem achtjährigen Minderjährigen selbst die bewußte Zerstörung des nach § 110 erworbenen Gegenstandes kaum vorwerfen können. Neben den Widersprochen "zum Zweck der Nichtigkeitsnorm'" entfallen überhaupt sämtliche Einwendungen, die in der von der Gegenauffassung vertretenen pauschalen Risikoumkehrung der §§ 350, 818 Abs. 3 begründet waren. - Wertungsparallelität zwischen den die Rückabwicklung gescheiterter gegenseitiger Verträge betreffenden Regelungen des Bürgerlichen Gesetzbuches ist hergestellt. Die rücktrittsrechtliche und die bereicherungsrechtliche Wertung entsprechen sich. Ein Wertungswiderspruch zur dinglichen Rechtslage ist nicht feststellbar: Wegen der getrennten Abwicklung von Leistung und Gegenleistung bleibt es dabei, daß der Käufer den beim Verkäufer inzwischen weggefallenen Kaufpreis nicht in Anrechnung bringen kann, ob er nun dem Anspruch aus § 985 ausgesetzt ist oder ob er infolge Weiterveräußerung des Kaufgegenstandes nur noch aus § 816 Abs.1 haftet". Daß der Verschuldensbegriff der §§ 351, 347 nicht direkt in die dingliche Wertung einfließt - obwohl letztlich auch die in § 990 Abs. 1 Satz 1 und Satz 2 verwendeten Begriffe "in gutem Glauben" und "erfährt der Besitzer später ... " einer entsprechenden Auslegung zugänglich wären41 - schadet nicht, da Ansprüche 3 Der Nichtigkeitsgrund kann sich nämllch gerade gegen die Risikoübernahme durch den Käufer richten, vgl. oben 3241. " Vgl. Medicus § 12 II 3 b dd. 6 Die Saldotheorie Ideß hier ein Wegschieben der Gefahr zu, vgl. oben 3244. 41 Für § 990 Abs. 1 Satz 1 reicht ohnehin grob fahrlässige Nichtkenntnis, vgl. Erman / Hefermehl § 990 Rdn. 3.

35. Der eigene Lösungsvorschlag

155

aus Eigentümer-Besitzer-Verhältnis, die auf Ersatz des Schadens an der Sache selbst bzw. des Entziehungsschadens gerichtet sind, und Bereicherungsansprüche nebeneinander geltend gemacht werden können'. Auch bei fehlendem Verschulden im Sinne der §§ 989, 990 kann der Empfänger nach §§ 351, 347 für die Sachverschlechterung einstehen müssen. - Schließlich bezieht der Lösungsvorschlag auch das Gedankengut Flumes und von Caemmerers zu einem erheblichen Teil ein. Die Sachnutzung "auf das Risiko des Verkäufers" ist dem Käufer nur noch sehr eingeschränkt gestattet: Nur bei absoluter Nichtkenntnis der Vertragsstörung darf der Empfänger die Sache in Gebrauch nehmen, und das auch nur nach dem üblichen, normalen Verwendungszweck und ohne sie übermäßig zu strapazieren. Ein Untergang infolge Verstoßes gegen normierte Ge- oder Verbote wie die Straßenverkehrsvorschriften geht zudem noch zu Lasten des Empfängers. §§ 350, 818 Abs. 3 entlasten damit den ger nur noch in engen Grenzen, nämlich

völlig redlichen -

Empfän-

a) wenn die Sache zufällig ohne jedes Zutun seinerseits verschlechtert wird, b) und wenn sich die zufällige Verschlechterung lediglich anläßlich des üblichen Sachgebrauchs realisiert.

7

BGHZ 14, 7 (8); Palandt / Bassenge vor § 987 Anm. 2 a.

4. Ausblick Betrachtet man rückblickend die Ergebnisse der Diskussion um die Unbilligkeiten der gesetzlichen Lösung, so fällt auf, daß eine bestimmte Situation zwar als unbillig qualifiziert, nicht aber in den neuen Vorschlag einbezogen wurde - wohl auch nicht einbezogen werden sollte, da die Problemstellung der Arbeit, die bereicherungsrechtliche Abwicklung nichtiger gegenseitiger Verträge, nur am Rande berührt ist. Betroffen ist die Abwicklung der einseitigen Bereicherung. Auch dort ist die Risikozuweisung des § 818 Abs.3 an den schuldlosen Bereicherungsgläubiger nicht immer interessengerecht. Zum einen nicht, wenn der Empfänger den Bereicherungswegfall unter Verstoß gegen ein gesetzlich normiertes Ge- oder Verbot verursacht hat, zum anderen nicht, wenn der Empfänger noch kurz vor Erreichen positiver Kenntnis vom Unwirksamkeitsgrund den Sachuntergang durch exzessives Verhalten verursacht hat, also zu einem Zeitpunkt, wo er die Rückabwicklung mit nahezu an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit erwarten mußte. Die Existenz dieser Unbilligkeit beweist, daß die bereicherungsrechtliche Abwicklung insgesamt - und nicht nur im Gegenseitigkeitsbereich - neuordnungsbedürftig ist. Die Haftungsverschärfung des § 819 Abs. 1 reicht in keiner Weise aus, die im Grundsatz durchaus angemessene Haftungsfreistellung des Empfängers durch § 818 Abs.3 in sinnvollem Umfang zu begrenzen. Die Voraussetzung des § 819 Abs.1, nach der eine verschärfte Haftung des Empfängers erst ab positiver Kenntnis vom Unwirksamkeitsgrund in Betracht kommt, erweist sich als zu starr, als daß jeglicher Mißbrauch der Anordnung des § 818 Abs. 3 unter dem Gesichtspunkt eines treuwidrigen Verhaltens des Empfängers vermieden werden könnte. Soll die bereicherungsrechtliche Abwicklung insgesamt billige Ergebnisse erzielen, so ist es unumgänglich, die Haftungsfreistellung des § 818 Abs. 3 auch bei einseitiger Bereicherung auf die Fälle zu beschränken, in denen der Empfänger vollkommen gutgläubig und redlich handelte. Daß dabei die Sorgfaltsanforderung an das Verwahrungsverhalten des Empfängers weniger ausgeprägt sein muß als im Gegenseitigkeitsbereich, versteht sich von selbst, wenn man das Fehlen des Moments "gegenseitiger Erwartung"1 berücksichtigt. 1

Vgl. oben 35242 am Ende.

4. Ausblick

157

Unmittelbares Anliegen von Rechtsprechung und Literatur sollte daher sein, ausgehend von den Erwägungen zur Unbilligkeit im Gegenseitigkeitsbereich eine auf den Fall einseitiger Bereicherung zugeschnittene Haftungsmodifikation des § 818 Abs. 3 zu erarbeiten. Die aus dem Normzusammenhang des § 818 Abs. 3 mit §§ 818 Abs.4, 819 f. gewonnene Erkenntnis, § 818 Abs.3 erfasse nur solche Vermögensnachteile und Aufwendungen, die der Empfänger "im Vertrauen auf die Unwiderruflichkeit des Vermögenszuwachses" gemacht hat, kann den Ansatzpunkt liefern, um nur den wirklich redlichen Empfänger zu entlasten. Langfristig steht jedoch eine völlige Neuordnung der Wechselbeziehung der §§ 818 Abs.3, 819 Abs.1 an. Es muß eine Haftungsverschärfung geschaffen werden, die bei flexibler Vorwerfbarkeitsermittlung gleichermaßen ein- wie auch gegenseitige Bereicherungsabwicklung einbezieht. Das Stichwort des Verbots eines "venire contra factum proprium" mag Hinweise auf die inhaltliche Ausrichtung einer solchen Lösung geben; der Wortlaut des § 819 Abs.1 ist durchaus geeignet, das dazu notwendige dogmatische Mittel zu liefern: Bei Umorientierung der herrschenden Auslegung der Vorschrift, genauer der Formulierung "erfährt der Empfänger den Mangel des rechtlichen Grundes später, so ... ", ist die Möglichkeit gegeben, die auf den jeweiligen Kenntnisstand des Empfängers bezogene flexible Vorwerfbarkeitsermittlung und damit auch das Gedankengut der §§ 351, 347 - zumindest zu einem angemessenen Teil - einfließen zu lassen. Abschließend gewarnt sei noch einmal vor Versuchen, eine reine Ergebniskorrektur zu betreiben. Durch Schaffung von dogmatisch nicht vertretbaren Auffangkonstruktionen, wie etwa der Saldotheorie und ihrer Weiterentwicklung, der Lehre vom faktischen Synallagma, wird lediglich der Blick auf die wahren Ursachen des interessewidrigen Ergebnisses getrübfl.

2

Ähnlich wohl Flessner S. 161 ff.

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