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German Pages 411 Year 1990
KLAUS REUBER
Die haftungsrechtliche Gleichbehandlung von Unternehmensträgern
Schriften zum Bürgerlichen Recht Band 123
Die haftungsrechtliche Gleichbehandlung von Unternehmensträgern Der allgemeine Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG) als Wertungskriterium für die Anwendung des § 31 BGB auf Unternehmensträger
Von Klaus Reuber
Duncker & Humblot · Berlin
CIP-Titelaufnahme der Deutschen Bibliothek
Reuber, Klaus:
Die haftungsrechtliche Gleichbehandlung von Untemehmensträgem: der allgemeine Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. I GG) als Wertungskriterium für die Anwendung des § 31 BGB auf Unternehmensträger I von Klaus Reuber. - Berlin: Duncker u. Humblot, 1990 (Schriften zum Bürgerlichen Recht; Bd. 123) Zugl.: Marburg, Univ., Diss., 1988 ISBN 3-428-06770-3 NE:GT
Alle Rechte vorbehalten © 1990 Duncker & Humblot GmbH, Berlin 41 Satz: Irrna Grininger, Berlin 62 Druck: Wemer Hildebrand, Berlin 65 Printed in Gerrnany ISSN 0720-7387 ISBN 3-428-06770-3
Meinen Eltern
Vorwort Das in den letzten Jahren verstärkt einsetzende Bemühen um die Entwicklung eines Unternehmens(außen)rechts hat bislang das Thema ausgespart, in welcher Weise der Unternehmensträger für eigenes deliktisches Verhalten und das seiner Mitarbeiter zu haften hat. Diese Lücke versucht die vorliegende Untersuchung zu einem Teil zu schließen, wobei es nicht darum geht, ein Kompendium der Haftung von Unternehmensträgern vorzulegen. Die Arbeit beschränkt sich vielmehr auf die Prüfung der Frage, ob und inwieweit die Unternehmensträger haftungsrechtlich gleich zu behandeln sind. Von ihren Auswirkungen am gravierendsten ist die Ungleichbehandlung der Unternehmensträger nach ihrer Rechtsform (Organisationsform), die sich zwangsläufig aus der Handhabung des § 31 BGB durch die Rechtsprechung und die herrschende Lehre ergibt. Zugleich genannt ist damit auch die Gesetzesbestimmung, die im Mittelpunkt der Arbeit stehen wird. Das Untersuchungsverfahren orientiert sich an Art. 3 Abs. 1 GG. Die Verwendung des allgemeinen Gleichheitssatzes als Wertungskriterium scheint schon deshalb geboten, weil sich in der Lesart der herrschenden Meinung zu § 31 BGB eine gesetzlich vorgegebene Ungleichbehandlung (nicht nur) der Unternehmensträger fortsetzt. Diese Bezugnahme auf den allgemeinen Gleichheitssatz bedingt, daß am Ende der Untersuchung keine Übersicht zu der "richtigen" Haftung von Unternehmensträgern geliefert werden kann. Es wird "nur" festgestellt werden können, daß die derzeit von der herrschenden Meinung vorgenommene Anwendung des§ 31 BGB mit dem allgemeinen Gleichheitssatznicht zu vereinbaren ist. Die Arbeit wurde im Dezember 1987 vom Fachbereich Rechtswissenschaft der Phitipps-Universität in Marburg/Lahn als Dissertation angenommen. In der Untersuchung wurden die bis Ende 1985 vorliegende Rechtsprechung und Literatur berücksichtigt. Besonderen Dank schulde ich Herrn Professor Dr. Volker Beuthien für die wohlwollende Betreuung sowie für die mir gewährte Geduld. Ebenfalls danken darf ich Herrn Professor Dr. Herbert Leßmann für seine stete Förderung. Dem Verlag bin ich für die Aufnahme in die Schriftenreihe verbunden. Kelkheim, im August 1989
Klaus Reuber
Gliederungsübersicht Einleitung 1. Abschnitt Grundlegung
Kapitel
I:
Der Unternehmensbegriff
Kapitel
II:
Die rechtliche Organisation des Unternehmens
Kapitel
III:
Das Haftungsrecht als Schadenstragungssystem
Kapitel
IV:
Unternehmensspezifische Fragen des Haftungsrechts 2. Abschnitt
Voraussetzungen und Möglichkeiten der Verwendung des Gleichbehandlungsgebotes als Wertungskriterium flir die Haftung von Unternehmensträgern
Kapitel
V:
Die Ableitung des Gebotes haftungsrechtlicher Gleichbehandlung aus dem allgemeinen Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. I GG)
Kapitel
VI:
Haftungsrechtliche Ungleichbehandlungen von Unternehmensträgem
Kapitel
VII:
Untersuchungsaufgabe und -verfahren 3. Abschnitt
Die haftungsrechtliche Behandlung von Unternehmensträgern und der allgemeine Gleichheitssatz
Kapitel VIII:
Die Ungleichbehandlung nach der Organisationsform A. Haftung für Personen, die in der Organisation des Unternehmensträgers tätig sind B. Haftung für Personen, die in der Betriebsorganisation tätig sind
Kapitel
IX:
Weitere Ungleichbehandlungen von Unternehmensträgern I. Ungleichbehandlung nach der Unternehmensgröße II. Ungleichbehandlung nach der organisatorischen Gliederung III. Führungsstil und Haftungsrecht Untersuchungsergebnisse und Schlußbetrachtung
Inhaltsverzeichnis Einleitung
19
I. Abschnitt
Grundlegung
25
Kapitel I Der Unternehmensbegriff
25
I. Die Problematik des Unternehmensbegriffes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
25
II. Definition und Erläuterungen . . . . . . . . . . . . . • . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Wirtschaftliche Organisation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Geschlossenheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
29 29 30
3. Ausrichtung auf eine Marktteilnahme als Anbieter . . . . . . . . . . . . . . .
32
4. Marktteilnahme auf Dauer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Kaufmännische Ausstattung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
34 34
6. Andere Merkmale . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7. Unternehmen und freie Berufe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
36 36
Kapitel II Die rechtliche Organisation des Unternehmens
39
I. Fehlen eines allgemeinen Organisationsrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Organisationsformen der Unternehmensträgerschaft . . . . . . . . . . . . . . . . .
39 42
III. Gemeinsamkeiten dieser Organisationsformen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
53
IV. Zwingende gesetzliche Modifikationen von Organisationsstrukturen im Unternehmensträgerbereich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
55
Zusammenfassung zu Kapitel I und II . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
58
Kapitel III Das Haftungsrecht als Schadenstragungssystem
I. Grundzüge des Haftungsrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Funktionen des Haftungsrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Primärfunktion: Schadensausgleich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Sekundärfunktionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
60
60 61 61 62
12
Inhaltsverzeichnis 2. Voraussetzungen der haftungsrechtlichen Schadensverlagerung
67
a) Grundmechanismen des Haftungsrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
68
aa) Die Zurechnungsprinzipien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
68
aaa) Die Zurechnung wegen Verschuldeos . . . . . . . . . . . . . . . bbb) Die Zurechnung wegen Gefährdung . . . . . . . . . . . . . . . . ccc) Die Zurechnung wegen Billigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
69 70 71
bb) Die Haftung für Handlung und Unterlassung . . . . . . . . . . . . . cc) Die Haftung für eigenes und fremdes Verhalten . . . . . . . . . . .
72 73
b) Beweisrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Der tatsächliche Vollzug der Schadensverlagerung . . . . . . . . . . . . .
74 77
II. Das Verhältnis des Haftungsrechts zu anderen Schadenstragungssystemen
79
I. Die kollektiven Ausgleichsträger . . .. . . .. .. .. . . .. . . .. .. .. . . . .. . .
79
2. Die Wechselwirkungen zwischen dem Haftungsrecht und den anderen Schadenstragungssystemen .. . . .. .. . . . . . . . .. .. . .. . . .. . . . . . .. ..
81
Zusammenfassung zu Kapitel 111 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
83
Kapitel IV Unternehmensspezifische Fragen des Haftungsrechts
86
2. Abschnitt
Voraussetzungen und Möglichkeiten der Verwendung des Gleichbehandlungsgebotes als Wertungskriterium ftir die Haftung von Unternehmensträgern 89 Kapitel V Die Ableitung des Gebotes haftungsrechtlicher Gleichbehandlung aus dem allgemeinen Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG)
90
I. Der Inhalt des allgemeinen Gleichheitssatzes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
91
I. Die Reichweite von Art. 3 Abs. I GG . .. . .. . . . . . . . . . . . .. . . . . . ..
91
2. Die Konkretisierung des Willkürverbotes ..•... : . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Folgen eines Verstoßes gegen Art. 3 Abs. I GG . . . . . . . . . . . . . . . . .
92 94
II. Die Bedeutung des allgemeinen Gleichheitssatzes für das Privatrecht, insbesondere das Haftungsrecht . . . . . . . . • . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
94
Kapitel VI Haftungsrechtliche Ungleichbehandlungen von Unternehmensträgem I. Die Entscheidung BGH VersR 1962, 664 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
96 96
Inhaltsverzeichnis II. Haftungsrechtliche Differenzierungskriterien aus dem Kreis der Unternehmenseigenschaften . . . • . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
13 98
Kapitel VII Untersuchungsaufgabe und -verfahren I. Die Verfahren vor dem BVerfG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
102 102
I. Die Normenkontrollverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
103
2. Das Verfassungsbeschwerdeverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
104
a) Zulässigkeitsvoraussetzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Zur Prüfungskompetenz des BVerfG bei Urteilsverfassungsbeschwerden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
104
II. Konkretisierung der Untersuchungsaufgabe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
III
105
l. Haftungsrechtliche Fragestellung und Vergleichsfeld . . . . . . . . . . . . . .
111
2. Die gesetzgeberische Grundentscheidung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
113
3. Die Umwandlung unterschiedlicher Interpretationen in Gesetzesbestimmungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
114
111. Die Bestimmung des Untersuchungsverfahrens . . ................·. . .
116
l. Die Untersuchungsaufgabe und die Verfahren vor dem BVerfG . . . . .
116
2. Die Anwendung des allgemeinen Gleichheitssatzes . . . . . . . . . . . . . . .
122
a) Ungleichbehandlung . .. .. .. . . .. .. .. . . .. . . . .. . . . . . . . . . . . .. . b) Wesentliche Gleichheit .. . .. . . .. . .. . . . .. .. .. . . . .. . . . . . . .. . . c) Willkür . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
123 124 126
3. Mögliche Ergebnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
127
Zusammenfassung zum 2. Abschnitt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
129
3. Abschnitt
Die haftungsrechtliche Behandlung von Unternehmensträgem und der allgemeine Gleichheitssatz
131
Kapitel VIII Die Ungleichbebandlung nach der Organisationsfonn
131
A. Haftung für Personen, die in der Organisation des Unternehmensträgers tätig sind . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
133
I. Konkretisierung der haftungsrechtlichen Fragestellung . . . . . . . . . . . . . . .
133
l. Vergleichsfeld .. . ....• . .................. . .... . . . ... . . , . . . . .
133
2. Beispielfall und Meinungsstand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
138
14
Inhaltsverzeichnis a) Die Entscheidung BGHZ 45, 311 . . . . .. .. .. .. .. . .. . .. .. . . .. . b) Anmerkungen zur Entscheidung des BGH . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Meinungsstand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Die Forderung nach Gleichbehandlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
138 139 139 141
II. Die Anwendung des § 31 BGB auf juristische Personen, Personenhandelsgesellschaften und nicht rechtsfahige Vereine . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
143
l. Verwendete Differenzierungskriterien und herkömmliche Kritik . . . . .
143
2. Wesentliche Gleichheit von juristischen Personen, Personenhandelsgesellschaften und nrfV in Bezug auf die Regelungsaufgabe des§ 31 BGB a) Allgemeine Gesichtspunkte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Gefahrlichkeit .. . . . . . . . . . . .. . .. . .. .. . . .. . . .. .. . . . . .. . bb) Andere Eigenschaften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
150 150 150 153
Zwischenergebnis l . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
154
b) Die Geltungsgründe des§ 31 BGB . . . . .. . . .. . . . . . .. . .. . . .. . . aa) Die Korrelation von Vorteil und Nachteil . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Konkretisierungen der Vorteil-Nachteil-Formel . . . . . . . . . . . . aaa) Die Organtheorie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bbb) Die Vertretertheorie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ccc) Die Repräsentationstheorie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ddd) Die Theorie von der Vermögensverselbständigung . . . .
154 154 157 157 158 159 162
Zwischenergebnis 2 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . • . . . . .
164
c) Die Verknüpfung der Deutungsversuche zu § 31 BGB mit dem Merkmal "Rechtsfahigkeit" . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Entstehungsgeschichtliche Faktoren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Die originäre und fakultative Handlungsunfahigkeit . . . . . . . cc) Die Konkretisierung der haftungsauslösenden Merkmale . . . . aaa) § 31 BGB als haftungsrechtliche Bestimmung . . . • . . . . bbb) Die Handlungsunfahigkeit der juristischen Person als der entscheidende Anknüpfungspunkt für § 31 BGB . . . . . . ccc) Die Handlungsunfahigkeit der Personengesellschaften als Regelungsfall des§ 31 BGB .. . . . . . . . . . . . .. .. .. . . .. ddd) Unterschiede zwischen juristischen Personen und Personenhandelsgesellschaften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
164 166 169 172 172 173 175 178
dd) § 31 BGB als Versäumnis des historischen Gesetzgebers . . . .
184
Zwischenergebnis 3 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . • . . . . . . . . . . . . . . .
186
d) Die Differenzierungskriterien der h. M. als Folge der gesetzgebeTisehen Fehlleistung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Die Analogiebildung durch das RG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Die Rechtsfahigkeit als analogiehinderndes Merkmal . . . . . . . cc) Begriffliche Operationen als Analogievoraussetzung . . . . . . . .
186 187 188 190
Zwischenergebnis 4 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
193
e) Die Geltung des§ 31 BGB für den nrfV .. . . .. . . .. .. .. . . . .. ..
193
Inhaltsverzeichnis
15
Zusammenfassung zu II.
194
III. Haftungsrechtliche Gleichbehandlung der GbR . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
196
I. Meinungsstand zur Anwendbarkeit des§ 31 BGB . . . . . . . . . . . . . . . .
196
2. Wesentliche Gleichheit . . .. . . .. . . . .. .. .. . . .. . .. . . . .. . . .. . .. . . . a) Vermögensverselbständigung bei der Bildung einer GbR . . . . . . . . b) Handlungsunfähigkeit der GbR . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Mögliche Ausschlußgründe . . . . . . . . . • . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
197 197 198 200
aa) Die GbR ohne gesamthänderisches Gesellschaftsvermögen und die Innengesellschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Die Gelegenheitsgesellschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Der Zweck und die Ausstattung der GbR . . . . . . . . . . . . . . . . dd) Die beschränkbare Handlungsmöglichkeit von GbR-Funktionsträgern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ee) Die Umsetzbarkeil des Zurechnungsprinzips im Prozeß und in der Zwangsvollstreckung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . fl) Die fehlende Selbständigkeit der Identitätsausstattung . . . . . . gg) Die Zulässigkeil von Differenzierungen innerhalb einer Organisationsform . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Rechtfertigungsgründe für eine Ungleichbehandlung . . . . . . . . . . . . . .
200 203 205 207 210 212 214 217
Zusammenfassung zu III. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 222
Exkurs: Zur persönlichen Haftung der Gesellschafter von Personengesellschaften und der Mitglieder des nrfV im Zusammenhang mit einer Anwendung des § 31 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . • . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Meinungsstand . . . . . • . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Personenhandelsgesellschaften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . • . . . . . . . . . . b) GbR und nrfV . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
223 223 226 226 228
IV. Haftungsrechtliche Gleichbehandlung der Erbengemeinschaft und der ehelichen Gütergemeinschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Meinungsstand zur Anwendbarkeit des § 31 BGB . . . . . . . . . . . . . . . .
234 235
2. Wesentliche Gleichheit . . . .. .. .. . .. .. . . . . . . .. . .. .. .. .. .. . . .. . . a) Vermögensverselbständigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Handlungsunfähigkeit ............................ ~........ aa) Die Erbengemeinschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aaa) Gemeinschaftliche Verwaltung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bbb) Ausnahmen von der gemeinschaftlichen Verwaltung . . . ccc) Besonderheiten bei der Fortführung eines Handelsgeschäfts . • . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
236 236 237 237 238 239
bb) Die eheliche Gütergemeinschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
248
c) Mögliche Ausschlußgründe . . . . . . . . . • . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Entstehung und allgemeine Strukturmerkmale . . . . . . . . . . . . bb) Fehlen einer auf Vereinbarungen beruhenden Organisationsgrundlage . . . • . ... . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
249 250
246
254
16
Inhaltsverzeichnis cc) Zuweisung von Handlungskompetenzen durch das Gesetz dd) Die Erbengemeinschaft als Abwicklungsgemeinschaft . . . . . .
256 260
3. Rechtfertigungsgründe für eine Ungleichbehandlung . . . . . . . . . . . . . .
262
Zusammenfassung zu IV. . ...... . ................ , . ................. .. 263 V. Haftungsrechtliche Gleichbehandlung im Falle einer Konkursverwaltung oder Testamentsvollstreckung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . l. Meinungsstand zur Anwendbarkeit des § 31 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Wesentliche Gleichheit . . . .. . . .. . . .. . . .. . . .. . . .. . . . . . .. . . . .. . . a) Vermögensverselbständigung und Handlungsunfahigkeit des Vermögensträgers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Mögliche Ausschlußgründe . • . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Die mehrseitige Interessenwahrung durch den gesetzlichen Verwalter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Die gesetzliche Vermögensverwaltung als weder rechtsfähige noch verbandsrechtliche Organisationsform . . . . . . . . . . . . . . . 3. Rechtfertigungsgründe für eine Ungleichbehandlung . . . . . . . . . . . . . .
263 264 267 267 269 272 275 280
Zusammenfassung zu V. . ..... . ................. .. ............ . ...... 281 VI. Haftungsrechtliche Gleichbehandlung im Falle der gesetzlichen Vertretung natürlicher Personen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . l. Meinungsstand zur Anwendbarkeit des § 31 BGB . . . . . . . . . . . . . . . .
2. Wesentliche Gleichheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Vermögensverselbständigung und Handlungsunfähigkeit des Vermögensträgers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Mögliche Ausschlußgründe ............ , .. .. .. . .. . .. . . . .. . .
281 282 286 286 288
aa) Die Personensorge als ein Teilaspekt der gesetzlichen Vertretung bb) Der Schutz- und Fürsorgeaspekt der gesetzlichen Vertretung
290 292
3. Rechtfertigungsgründe ftir eine Ungleichbehandlung . • . . . . . . . . . . . .
300
Zusammenfassung zu VI. . . ..•. . .....•.. .. . .... . ... .. ..... ..... . ..... . 303 Zusammenfassung zu A. . ..... .. ............................... .. .... 303 B. Haftung fiir Personen, die in der Betriebsorganisation tätig sind . . . . . . . . . . . 305
I. Konkretisierung der haftungsrechtlichen Fragestellung . . . . . . . . . . . . . . .
305
l. Vergleichsfeld . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
305 306
2. Die verschiedenen Lösungsmodelle . . . . . . • . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Die Ausweitung des Begriffes "anderer verfassungsmäßig berufener Vertreter" in § 31 BG B . . . . . . . . . . . . . . . . . . . • . . . . . . . . . . . . . . . . b) Die Zurechnung nach§ 831 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Die Lehren vom Organisationsmangel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Der den Entlastungsbeweis nach§ 831 Abs. I BGB ausschließende Organisationsmangel . . • . . . • . .. . . • . • . . . . . . . • • . . . .
309 312 313 313
Inhaltsverzeichnis bb) Der betriebliche Organisationsmangel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Der körperschaftliche Organisationsmangel . . . . . . . . . . . . . . . II.
17 314 315
Ungleic~b_ehandlung infolge der..Ausdehnung des Begriffes "anderer verfassungsmaßig berufener Vertreter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
319
I. Die These von Nitschke . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
319
2. Die Anwendung des Lösungsmodells auf juristische Personen und Personenhandelsgesellschaften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
320
Der Vergleich zur Haftung für Funktionsträger . . . . . . . . . . . . . . . Die Entwicklung der Rspr. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Die richterliche Gesetzeskorrektur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . BGHZ 49, 19 in der Variante eines Einzelunternehmers . . . . . . . .
320 321 332 338
3. Die Geltung des Lösungsmodells für alle Unternehmensträeger . . . . .
339
4. Gründe für die Fehlentwicklung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
344
III. Die aus der Lehre vom körperschaftlichen Organisationsmangel resultierende Ungleichbehandlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
346
a) b) c) d)
Zusammenfassung zu B. .. .. . . . ... . ....... . . .... ........ .. . . . . ... ..... 348
Kapitel IX Weitere Ungleichbehandlungen von Unternehmensträgern
350
I. Ungleichbehandlung nach der Unternehmensgröße . . . . . . . . . . . . . . . . . .
350
I. Konkretisierung der haftungsrechtlichen Fragestellung . . . . . . . . . . . .
350
2. Die Zulässigkeil einer größenbezogenen Differenzierung in einem "neuen" § 831 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
357
a) Sachliche Gründe für die Ungleichbehandlung . . . . . . . . . . . . . . . . b) Rechtfertigungsgründe . . .. . . .. . . . . . . . . . . . . .. .. . . .. . . . . . . . .
358 365
II. Ungleichbehandlung nach der organisatorischen Gliederung . . . . . . . . . . I. Organisationsneutrale Haftungstatbestände . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
366 368
2. Die Haftung des Unternehmensträgers für Filialleiter . . . . . . . . . . . . .
371
III. Führungsstil und Haftungsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
375
I. Die These von der Veränderung des Regelungssubstrates der Gehilfenhaftung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Die Relevanz des Führungsstils für das Haftungsrecht . . . . . . . . . . . .
376 378
Zusammenfassung zu Kapitel IX ... . .... . . . . . ................ .. .... ... 385 2 Reuber
18
Inhaltsverzeichnis
Untersuchungsergebnisse und Schlußbetrachtung
386
(I) Untersuchungsergebnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
386
(2) Die haftungsrechtliche Behandlung der öffentlich-rechtlichen Organisationsformen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
390
(3) Unternehmensrelevante Tendenzen im Haftungsrecht . . . . . . . . . . . . . .
393
Schrifttum
400
Einleitung Anlaß der vorliegenden Untersuchung ist ein Ärgernis, das schon Generationen von Juristen wahrgenommen haben, dessen Beseitigung aber offensichtlich nicht ohne weiteres möglich ist: Die seit ihrem lokrafttreten im Jahre 1900 unverändert gebliebene Bestimmung des§ 31 BGB gilt für juristische Personen und die Personenhandelsgesellschaften oHG und KG, während aufalleanderen Rechts- und Organisationsformen, die ebenfalls als Träger eines Unternehmens auftreten können, diese Vorschrift keine Anwendung finden soll. Allgemein umschrieben hat § 31 BGB den Effekt, daß der Träger einer Organisation durch das schadensstiftende Verhalten bestimmter Organisationsangehöriger zum Schadensersatz verpflichtet wird. Auf diese Weise vermehrt sich für den Geschädigten der Kreis der Ersatzpflichtigen um den in der Regelleistungsfahigen Organisationsträger. Der nur auf einige Rechtsformen beschränkte Geltungsbereich dieser Zurechnungsvorschrift führt im Ergebnis dazu, daß es Unternehmensträger gibt, denen das schadensstiftende Verhalten bestimmter Mitarbeiter nach Maßgabe des§ 31 BGB unbedingt zugerechnet wird, während andere Unternehmensträger für das Verhalten vergleichbarer Mitarbeiter nicht oder nur bedingt zu haften haben. Die mißlichen Konsequenzen dieser unterschiedlichen Haftungsmaßstäbe für Unternehmensträger sind seit langem bekannt 1; das Problem harrt jedoch, wie sich an den mehr oder weniger unverbindlichen Stellungnahmen in der Kommentarliteratur zu§ 31 BGB ablesen läßt, noch immer einer Lösung. Zwei, sich widerstreitende Gesichtspunkte scheinen einer Klärung der Frage im Wege zu stehen. Einerseits sieht man von der Sache her keinen Grund für eine ungleiche Haftung der Untemehmensträger; andererseits fühlt man sich durch den Wortlaut des§ 31 BGB und dessen Stellung im Vereinsrecht daran gehindert, dessen Zurechnungsmodell auf alle Organisationsformen anzuwenden. Die Frage, ob neben dem Unternehmensmitarbeiter, der einem Dritten einen Schaden zugefügt hat, auch der Unternehmensträger zum Schadensersatz verpflichtet ist, scheint auf den ersten Blick nur von geringer Bedeutung zu sein. Denn der Geschädigte kann ja seinen Anspruch auf jeden Fall gegenüber dem Mitarbeiter geltend machen; zudem berührt die Anzahl der ersatzpflichtigen Personen nicht die Höhe des Anspruches auf Schadensersatz. Der Wert eines Ersatzanspruchs auch gegen den Unternehmensträger zeigt sich jedoch dann, wenn es um die Realisierung des Anspruchs, also um den tatsächlichen Vollzug der Schadensverlagerung, geht und der ersatzpflichtige Mitarbeiter, sei es, weil er 1
2•
Vgl. z. 8. die Ausführungen von Lenel, DJZ 1902, 9 ff.
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Einleitung
mittellos ist, sei es, weil der Schaden außergewöhnlich hoch ist, zum Schadensausgleich nicht in der Lage ist. In derartigen Fällen hilft dem Geschädigten allein ein Ersatzanspruch gegen den Unternehmensträger weiter. Denn diesem sind die zu dem Unternehmen gehörendenWerte vermögensrechtlich zugeordnet, so daß im Regelfall eine für den Ersatzanspruch ausreichende Deckung vorhanden ist. Das soeben skizzierte Problem der Anwendbarkeit des§ 31 BGB aufUnternehmensträger bietet zugleich Anlaß, das grundsätzliche Verhältnis zwischen Haftungsrecht 2 und Unternehmen bzw. Unternehmensträger zu beleuchten. Dabei geht es vor allem um die Frage, ob das Unternehmen schlechthin dem Haftungsrecht besondere Anknüpfungspunkte bietet und es insoweit ein spezielles Haftungsrecht für Unternehmensträger gibt oder ob das Unternehmen gar keinen besonderen haftungsrechtlichen Regelungsbedarf erzeugt. Indem sich die vorliegende Arbeit über die Beschäftigung mit§ 31 BGB hinaus auch mit dieser Fragestellung befaßt, ist sie als ein Beitrag zu der immer mehr an Konturen gewinnenden Entwicklung eines Außenrechts der Unternehmen 3 zu verstehenals ein Beitrag zu dem Regelungsgebiet also, dem man gegenüber dem auf mitbestimmungsrechtliche Glaubensfragen reduzierten Unternehmensinnenrecht 4 die besseren Entwicklungschancen einräumen kann. Eine Gegenüberstellung von Haftungsrecht und Unternehmen hat bei dem Befund anzusetzen, daß es im Rahmen des BGB keine Haftungsvorschrift gibt, die unmittelbar an den Lebenssachverhalt Unternehmen anknüpft. Insbesondere ist der in § 831 BGB genannte "Geschäftsherr" nicht etwa gleichbedeutend mit "Unternehmensträger"; Geschäftsherren im Sinne dieser Bestimmung sind nämlich auch der Halter eines Kraftfahrzeugs im Verhältnis zum Fahrer sowie der Haushaltsvorstand im Verhältnis zu einem Hausgehilfen5 • Außerhalb des BGB existieren Haftungsnormen, die nicht das Unternehmen, sondern nur bestimmte Arten von Unternehmen betreffen. So werden beispielsweise in den §§ 1 ff. HaftpflG die Bahnbetriebs-, Energieversorgungs- und Fabrikationsunternehmen angeführt und in § 485 HGB sowie in § 3 Abs. 1 BinnSchiffG die Schiffahrtsunternehmen. Das Haftungsrecht sieht die Unternehmensträger also nur in verschiedenen Funktionen (z. B. als Geschäftsherr oder als Inhaber einer gefährlichen Anlage), ohne daß die Rolle des Unternehmensträgers selbst Anknüpfungspunkt einer 2 Unter "Haftungsrecht'' wird im Rahmen dieser Untersuchurig der Bereich der außervertraglichen Haftung mit Ausnahme der sog. Aufopferungsansprüche verstanden. "Haftungsrecht" in diesem Sinne deckt sich also mit den Bestimmungen der Verschuldeoshaftung und denen der Gefahrdungshaftung; ausgeklammert bleiben die vertraglichen und die quasi-vertraglichen Schadensersatzansprüche. 3 Zu diesem Regelungsgebiet vgl. z. B. K. Schmidt, "Vom Handelsrecht zum UnternehmensPrivatrecht", JuS 1985, 249 ff., mit zahlreichen Nachweisen zur einschlägigen Literatur. • Vgl. K. Schmidt, JuS 1985, 249 (252): "Das Schlagwort vom , Unternehmensrecht' steht seit den 50er, besonders aber seit den 70er Jahren vor allem für ein rechtspolitisches Programm, nicht zuletzt im Bereich der Mitbestimmungsdebatte. "; m. w. N. in Fn. 46; vgl. auch Flume. FS Beitzke, 43 (53 f., 58 f.) und Wiedemann, ZGR 1975, 385 (401 ff.). 5 So z. B. Palandt/Thomas. § 831 Anm. 3 a, b.
Einleitung
21
Haftungsvorschrift wäre. Wie das Unternehmen bzw. der Unternehmensträger haftungsrechtlich behandelt wird, kann daher dem Gesetz unmittelbar nicht entnommen werden. Eine Zusammenstellung der Haftungstatbestände, die für alle Unternehmensträger relevant sind, setzt somit voraus, daß für jede haftungsrechtliche Vorschrift gesondert geklärt wird, wie sich die in ihr aufgeführten Talbestandsmerkmale zu den Merkmalen des Unternehmensbegriffes verhalten. Schon nach einer vorläufigen Einschätzung kann die Prognose gewagt werden, daß einem Lebensmittelhändler andere Pflichten und- bei deren Verletzung - andere Schadensersatzpflichten obliegen als etwa einem Bankier und diesem wiederum andere als dem Setreiber einer Sprengstoffabrik. Es steht daher zu vermuten, daß sich die Verschiedenartigkeit der Unternehmen im Haftungsrecht fortsetzt, daß also nicht auf alle Unternehmensträger die gleichen Haftungsvorschriften Anwendung finden. Indes soll es hier auch gar nicht um die Erstellung eines Kompendiums der Haftung von Unternehmensträgern gehen. Der Gegenstand der Untersuchung beschränkt sich vielmehr auf die Haftung des Unternehmensträgers schlechthin. In den Vordergrund rückt dabei der bereits eingangs im Zusammenhang mit § 31 BG B angesprochene Gesichtspunkt, ob nicht das Haftungsrecht sachwidrige Differenzierungen zwischen den verschiedenen Unternehmensträgern enthält. Denn als von vornherein unproblematisch erweisen sich die Vorschriften, die entweder auf alle Unternehmensträger gleichermaßen angewendet werden können oder die wegen offensichtlicher Unterschiede zwischen den Unternehmen bzw. den Unternehmensträgern nur beschränkt gelten. Zu behandeln hat die Untersuchung also diejenigen haftungsrechtlichen Ungleichbehandlungen von Unternehmensträgern, deren sachliche Berechtigung nicht ohne weiteres einleuchtet. Das Verfahren, mit dem über die Zulässigkeil einer unterschiedlichen haftungsrechtlichen Behandlung von Unternehmensträgern entschieden werden soll, orientiert sich an dem allgemeinen Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. l GG). In ihren wesentlichen Zügen kann diese Untersuchungsmethode am Beispiel des § 31 BGB erläutert werden. Nach der h. M. gilt § 31 BG B für alle juristischen Personen und die Personenhandelsgesellschaften oHG und KG. Über den "Umweg" der tatbestandsmäßigen Rechtsform betrifft§ 31 BGB damit auch die Unternehmensträger, die als juristische Person oder als Personenhandelsgesellschaft organisiert sind. Daß sich die Geltung der sog. Organhaftung nicht auf alle Unternehmensträger erstreckt, ist seit dem lokrafttreten des Bürgerlichen Gesetzbuches bekannt. Im Gegensatz zur Rspr. und zu der im Schrifttum dominierenden Ansicht sieht eine Mindermeinung in § 31 BG B keine rechtsformspezifische, sondern eine für alle Unternehmensträger geltende Haftungsbestimmung. Eine Stellungnahme zu dieser Streitfrage wird nicht zuletzt dadurch erschwert, daß auch die h. M. die Geltung des § 31 BGB für die Personenhandelsgesellschaften nur im Wege einer extensiven Auslegung oder durch eine Analogie herzuleiten vermag. Denn auch die von der h. M. bevorzugte Lesart dieser Bestimmung deckt sich
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Einleitung
nicht unmittelbar mit dem Gesetzeswortlaut, nach dem lediglich der "Verein" für seine Organe zu haften hat.- Soweit das Problem und die extremen Positionen. In dieser Situation würde eine herkömmliche Untersuchung bei der Entstehungsgeschichte des § 31 BGB ansetzen und dann den rechtswissenschaftliehen Methodenkanon als Erkenntnismittel verwenden, um zunächst nachzuweisen, daß alle bislang zu§ 31 BGB entwickelten Ansichten verfehlt oder unzulänglich sind, und dann das allein "richtige" Verständnis dieser Vorschrift zu präsentieren. Gegen diese Art der Untersuchung sollen und können keine Einwände vorgebracht werden. In dieser Arbeit wollen wir jedoch einen anderen Weg beschreiten, und zwar nicht zuletzt deshalb, weil mittlerweile bereits mehrere Anleitungen zum "richtigen" Verständnis des § 31 BGB unversöhnlich nebeneinander stehen und es daher als wenig sinnvoll erscheint, diesen Abhandlungen noch eine weitere hinzuzufügen. Im Rahmen dieser Untersuchung werden die verschiedenen Anwendungsvorschläge zu§ 31 BGB nur von ihrem Ergebnis her betrachtet und, soweit sie eine Ungleichbehandlung der Unternehmensträger bewirken, anband des Gebotes haftungsrechtlicher Gleichbehandlung-DessenExistenz und Ableitbarkeit aus Art. 3 Abs. I GG sind noch nachzuweisen! - auf ihre Zulässigkeit hin überprüft. Das Gebot haftungsrechtlicher Gleichbehandlung wird demnach als Wertungskriterium verwendet, mit dessen Hilfe entschieden werden soll, welche der zu § 31 BGB vertretenen Auffassungen und Anwendungsvorschläge unter dem begrenzten Aspekt einer Gleich- oder Ungleichbehandlung zulässig sind. Die Frage nach der dogmatischen Grundlage und der methodengerechten Ableitbarkeit eines Anwendungsvorschlags zu § 31 BGB tritt demgegenüber zunächst in den Hintergrund. Die Darlegungen zum Untersuchungsverfahren müssen an dieser Stelle zwangsläufig vage bleiben, weil das als Wertungskriterium Verwendung findende Gebot haftungsrechtlicher Gleichbehandlung in seiner Reichweite erst noch zu bestimmen ist und sich an diesen Erkenntnissen die weitere Untersuchung inhaltlich und formal auszurichten hat. Speziell im Falle des§ 31 BGB gewährt die soeben umrissene Vorgehensweise einen gegenüber den bisherigen Untersuchungen veränderten Blickwinkel, der unter Umständen geeignet ist, die in dogmatischen und begrifflichen Fronten erstarrte Diskussion über den Geltungsbereich dieser Zurechnungsvorschrift wieder zu beleben. Schließlich seien noch einige Anmerkungen zu dem Anspruch erlaubt, mit dem die nachfolgende Untersuchung antritt. Diese Arbeit will und kann auch gar nicht der "große Wurf' sein, an dessen Endpunkt unumstößlich feststeht, daß das Haftungsrecht auf den Unternehmensträger so und nicht anders anzuwenden ist. Eine Darstellung, der zu entnehmen ist, in welchem Fall der Träger eines bestimmten Unternehmens in welcher Weise zu haften hat, geht weit über das hinaus, was im Rahmen dieser Untersuchung geleistet werden kann. Schwerpunkte zu setzen wird daher eine Aufgabe sein, die zwar Teil der Untersuchung ist, die aber im Vorfeld der eigentlichen Thematik zu erledigen
Einleitung
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sein wird. Eine Konzentration des Untersuchungsprogramms wird sich schon daraus ergeben, daß diejenigen Haftungsprobleme, die - wie zum Beispiel die Produkthaftung des Warenherstellers - nur bestimmte Arten von Unternehmen berühren, als zu speziell ausgeklammert werden. Noch einmal sei daran erinnert, daß es uns nur um die Haftung des Unternehmensträgers schlechthin und damit allein um solche haftungsrechtlichen Fragestellungen geht, die alle Unternehmensträger gleichermaßen betreffen. Auch an das soeben kurz skizzierte Untersuchungsverfahren sollten keine übertriebenen Erwartungen geknüpft werden; ebenso wie jede andere Beurteilungsmethode wird es nicht frei von Wertungen und daher nicht über jeden Zweifel erhaben sein6 . Weil diese Arbeit in Sachen "Haftung von Unternehmensträgern" nicht das letzte Wort sein will, sondern als ein Diskussionsbeitrag aufgefaßt werden soll, sind die Widersprüche, die das Untersuchungsverfahren und die Untersuchungsergebnisse möglicherweise hervorrufen werden, erwünscht. Der nun die Einleitung abschließende Überblick über den Verlauf der Untersuchung muß eine weiteres Problem aufgreifen. Von den Untersuchungsgegenständen Unternehmen, Haftungsrecht und Gebot haftungsrechtlicher Gleichbehandlung präsentiert sich nämlich keiner so, daß man ihn als griffbereit daliegend bezeichnen könnte. Jeder von diesen Untersuchungsgegenständen erschwert die Beschäftigung mit sich durch ein spezifisches Problem, das erst aus dem Weg geräumt werden muß, bevor die eigentliche Untersuchung in Angriff genommen werden kann: Der Begriff "Unternehmen" ist das Objekt einer babylonisch anmutenden Sprachverwirrung; das Haftungsrecht zerfällt in einen kodifizierten und in einen im Wege der richterlichen Rechtsfortbildung entwickelten Teil; die Konkretisierung des Gebotes haftungsrechtlicher Gleichbehandlung schließlich macht einen Exkurs in den Bereich der Grundrechte erforderlich. Diese Hinweise auf die Schwierigkeiten im Umgang mit den Untersuchungsgegenständen deuten an, daß die für die eigentliche Aufgabenstellung unerläßlichen Vorarbeiten einen breiten Raum beanspruchen werden. Der 1. Abschnitt der Arbeit befaßt sich mit dem Unternehmen und mit dem Haftungsrecht Da in der juristischen und in anderen Fachsprachen der Begriff "Unternehmen" nicht nur nicht mit einem einheitlichen Bedeutungsgehalt, sondern auch zum Teil als Synonym zu "Unternehmung" und "Betrieb" verwendet wird, ist die Aufarbeitung des Unternehmensbegriffes an den Anfang der Untersuchung zu stellen. Nach der begrifflichen Erfassung aller Spielarten des Unternehmens bleibt zu fragen, ob und in welchem Maße sich die Organisation des Unternehmens an Vorgaben der Rechtsordnung orientieren muß. Daran schließt sich eine komprimierte Darstellung des Schadenstragungssystems 6 Mit der Frage, inwieweit die Aussage, zwei Sachverhalte seien rechtlich gleich, und damit auch der allgemeine Gleichheitssatz auf Wertungen beruhen, befaßt sich Westerhoff Methodische Wertungen, S. 229 ff. , insbesondere§§ 368, 371 , 374 ff., eingehend: ,.. .. die Gleichheit läßt sich nur durch ein wertendes Urteil erfassen.", lautet sein zutreffendes Ergebnis (aaO., § 374 a. E.).
24
Einleitung
Haftungsrecht an. Denn die Zwecke, Mechanismen und Funktionsbedingungen des Haftungsrechts bilden den Hintergrund, vor dem die Fragen der Haftung von Unternehmensträgern erst richtig ins Bild gesetzt werden können. Am Ende dieses Abschnitts sollen durch die Gegenüberstellung von Unternehmen und Haftungsrecht die unternehmensrelevanten Bereiche des Haftungsrechts und damit das Untersuchungsprogramm in rechtlicher Hinsicht abgesteckt werden. Im 2. Abschnitt werden die Untersuchungsobjekte Unternehmen und Haftungsrecht mittels des Gebots haftungsrechtlicher Gleichbehandlung miteinander verknüpft. Hierfür sind zunächst die verschiedenen Fälle, in denen Unternehmensträger haftungsrechtlich ungleich behandelt werden, zu ermitteln. Im Anschluß daran ist das Gebot haftungsrechtlicher Gleichbehandlung zu konkretisieren. In den Mittelpunkt des Interesses rückt dabei der allgemeine Gleichheitssalz in Art. 3 Abs. I GG, über dessen Eignung und Handhabung als Wertungskriterium in haftungsrechtlichen Fragestellungen zu befinden sein wird. Im 3. Abschnitt erfolgt die Revision der zuvor ermittelten Fälle haftungsrechtlicher Ungleichbehandlung von Unternehmensträgern. Nach Umfang und Bedeutung als Herzstück der Untersuchung erscheint dabei die Frage, ob die Unternehmensträger nach ihrer rechtlichen Organisationsform ungleich behandelt werden dürfen. Als weitere Anknüpfungspunkte für eine Ungleichbehandlung von Unternehmensträgern werden die Unternehmensgröße, die organisatorische Gliederung des Unternehmens und der Führungsstil im Unternehmen zu behandeln sein. Der Versuch, einige Folgerungen, die sich aus den dann vorliegenden Ergebnissen der Untersuchung in verschiedene Richtungen ziehen lassen, aufzuzeigen und den aktuellen Tendenzen im Haftungsrecht, soweit diese den Unternehmensträger betreffen, gegenüberzustellen, wird im Rahmen der Schlußbetrachtung unternommen.
1. Abschnitt
Grundlegung Kapitell
Der Unternehmensbegriff Die noch näher zu bezeichnenden Schwierigkeiten bei der Erfassung des Unternehmensbegriffes und die ebenfalls noch zu erläuternde Bedeutung des Unternehmensbegriffes in dieser Untersuchung lassen es als erforderlich erscheinen, nicht allein mittels einer Definition den Inhalt von "Unternehmen" festzulegen, sondern darüber hinaus auch die Gründe dafür, warum der Begriff "Unternehmen" so und nicht anders definiert wird, offenzulegen. I. Die Problematik des Unternehmensbegriffes
In den haftungsrechtlichen Vorschriften des BGB findet sich, wie schon in der Einleitung festgestellt wurde, der Begriff "Unternehmen" nicht. In zahlreichen anderen Gesetzesbestimmungen ist zwar von "Unternehmen" die Rede 1, doch wird der Begriff an den verschiedenen Stellen mit einem unterschiedlichen Inhalt verwendet 2, so daß in dieser Untersuchung an einen einheitlichen Gesetzesbegriff "Unternehmen" nicht angeknüpft werden kann. Diese gesetzliche Ausgangstage spiegelt exakt den Stand der Lehre in der Entwicklung eines Unternehmensbegriffes wieder, denn es besteht Einigkeit darüber, daß es einen einheitlichen, also überall gültigen Rechtsbegriff des Unternehmens nicht gibt und auch nicht geben kann 3• Daß weder ein einheitlicher Gesetzesbegriff noch ein einheitlicher Rechtsbegriff des Unternehmens vorgefunden werden kann, hat vor allem eine Ursache: Die verschiedenen Richtungen, aus denen heraus man dem Sachverhalt "Unternehmen" entgegentreten kann, bedingen einen von wissenschaftlicher Disziplin zu wissenschaftlicher Disziplin und- innerhalb der Rechtswissenschaft- von 1 Als Gesetzesbegriff erscheint .Unternehmen" z. B. in §§ 2 S. I, 3 Abs. 2 u. 3 HGB; §§ 15 ff. AktG; §§ I, 22, 23 GWB; weitere Bestimmungen sind angeftihn bei Gierke/ Sandrock. HandelsR, § 13 I 3. 2 Vgl. z. B. die Ausführungen von Maiberg, GesellschaftsR, S. 38 ff.; Rittner. WirtschaftsR, S. 114 f., 121 ff.; Emmerich. WirtschaftsR, S. 51; alle m. w. N. 3 Neben den in Fn. 2 genannten Autoren vgl. auch Raisch. Voraussetzungen, S. 120; K. Schmidt. HandelsR, S. 49 f.; Püttner. Unternehmen, S. 61; Gieseke. FS Heymann, 112(118).
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Kap. I. Der Unternehmensbegriff
Rechtsgebiet zu Rechtsgebiet, von Gesetz zu Gesetz und sogar von Norm zu Norm 4 unterschiedlichen Inhalt des Unternehmensbegriffes5 • Die Bedeutung von "Unternehmen" erweist sich als von dem konkreten Regelungszusammenhang abhängig, sie ist "teleologisch determiniert" 6• Zusätzlich erschwert wird die Bildung eines Unternehmensbegriffes durch die Mannigfaltigkeit der Formen, in denen das Unternehmen im täglichen Leben auftritt, und durch die zahlreichen Gesichtspunkte, nach denen die Unternehmenscharakteristikazusammengestellt werden können 7• Hinzu kommt die synonyme Verwendung anderer Begriffe8 • Und schließlich sei der Vollständigkeit halber noch erwähnt, daß die Wirrnisse um den Unternehmensbegriff dort am größten sind, wo "Unternehmen" als Schlüsselbegriff eine präjudizierte Wirkung entfaltet. So leidet beispielsweise die Entwicklung eines Unternehmens(innen)rechts unter dem wenig ergiebigen Streit um die "richtige" Definition des Unternehmens9, weil der Unternehmensbegriff zuvor mit als Definitionsmerkmalen getarnten Stellungnahmen zur Mitbestimmungsdiskussion befrachtet worden ist. Die dargelegten Umstände, die die Bildungeines einheitlichen Unternehmensbegriffes als ausgeschlossen erscheinen lassen, haben Raisch 10 zu der Forderung bewogen, daß ,.Unternehmen" auf die jeweilige wissenschaftliche Aufgabenstellung hin zu definieren sei. Dieser Vorschlag kann dann ohne weiteres in die Tat umgesetzt werden, wenn der Begriff ,.Unternehmen" im Rahmen einer bestimmten Problemstellung als Gesetzesbegriff vorgefunden wird, was zur Folge hat, daß der Unternehmensbegriff in dem Regelungsgehalt und der Zielrichtung der betreffenden Gesetzesbestimmung ,.gespiegelt" und auf diese Weise bestimmt werden kann 11 • Dieses Verfahren versagt aber in den Fällen, in denen, wie bei der hier in Angriff genommenen Untersuchung, der Begriff "Unternehmen" keine rechtliche Ordnungsfunktion zu erfüllen hat, da für ihn kein mit der Aufgabenstellung korrespondierender gesetzlicher Anknüpfungspunkt vorhanden ist. Der 4 So differiert z. B. der Unternehmensbegriff in den §§ I, 23 GWB; vgl. K. Schmidt. ZGR 1980 277 (280 ff.). Entsprechendes läßt sich auch im AktG nachweisen: Vgl. Würdinger, FS Kunze, 177 (178). 5 Vgl. die Darstellungen von Maiberg, GesellschaftsR, S. 38 f.; Raisch. Voraussetzungen, S. 180; Gandenberger, Unternehmen, S. 5. 6 So K. Schmidt, HandelsR, S. 50; ebenso Ballerstedt, JZ 1951, 486 (487). 7 Püttner. Unternehmen, S. 42 ff., unterscheidet z. B. zwischen dem formellen, dem materiellen und dem institutionellen Unternehmensbegriff. 8 Eine leichte Sprachverwirrung tritt vor allem dann ein, wenn man die rechtswissenschaftliche und die betriebswirtschaftswissenschaftliche Terminologie miteinander vergleicht; siehe hierzu: Wöhe. BWL, S. 5 f. 9 Zu der damit angesprochenen Problematik vgl. die Äußerungen von Ba/lerstedt, FS Duden, 15 (22);Flume. FS Beitzke, 43(53ff.); Wiedemann. ZGR 1975, 385(401 ff.);K. Schmidt. HandelsR, S. 61 ff.: Rittner. WirtschaftsR, S. 123. 10 Raisch. Voraussetzungen, S. 180. 11 Als Beispiel können hier die bereits erwähnten §§ I, 23 G WB und die im Rahmen dieser Bestimmungen erforderliche Auseinandersetzung mit dem Unternehmensbegriff angeführt werden; vgl. dazu K. Schmidt, ZGR 1980, 277 (277 ff.).
I. Die Problematik des Unternehmensbegriffes
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Entwicklung eines Unternehmensbegriffes, der nach dem bisher Gesagten nur im Rahmen dieser Untersuchung verbindlich sein kann, sind daher Überlegungen zu der Aufgabe, die dem Unternehmensbegriff in dieser Untersuchung zukommt, vorauszuschicken. Vordergründig betrachtet kommt hier dem Unternehmensbegriff lediglich eine Abgrenzungsfunktion zu: Das Untersuchungsprogramm beschränkt sich auf die haftungsrechtlichen Fragen, die für das Unternehmen bzw. den Unternehmensträger relevant sind. Beschränkte sich der Unternehmensbegriff auf diese Aufgabe, so käme ihm keine große Bedeutung zu, weil die willkürliche Verengung oder Erweiterung der Extension des Unternehmensbegriffes die insoweit als feststehend vorausgesetzten und bloß darzustellenden Regeln der außervertraglichen Haftungszurechnung nicht berühren würde. Indes wurde schon in der Einleitung darauf hingewiesen, daß mit der These von der haftungsrechtlichen Gleichbehandlung der Unternehmensträger eine Wechselbeziehung zwischen den beiden Untersuchungsobjekten, dem Haftungsrecht unddem Unternehmen, entsteht und daß das Haftungsrecht anband seiner Konsequenzen fürdie Unternehmensträger überprüft werden soll. Aus diesem Grund bleibt es nicht ohne Folgen, ob das Unternehmen in der einen oder der anderen Weise begrifflich erfaßt wird. Insbesondere besteht die Gefahr, daß der UnternehmensbegriffElemente maßgeblicher haftungsrechtlicher Anknüpfungspunkte aufweist und daß damit schon mit der Defmition Präjudizien für die späteren Untersuchungsergebnisse geschaffen werden. Derartige Präjudizien können sich unmittelbar aus den verwendeten Begriffsmerkmalen oder aus der Festlegung der Extension des Unternehmensbegriffes ergeben 12 • Zu fordern ist also ein Unternehmensbegriff, der in Bezug auf haftungsrechtlich relevanten Merkmale weitgehend neutral ist. Zugleich muß sich aber der hier zu entwickelnde Unternehmensbegriff am allgemeinen Sprachgebrauch orientieren, wenn nicht schon durch die Definition von "Unternehmen" die Verwertbarkeit der Untersuchungsergebnisse in Frage gestellt werden soll. Da ein allgemeingültiger Unternehmensbegriff, dessen Verwendung insbesondere der zweiten der soeben aufgestellten Forderungen Rechnung tragen würde, nicht existiert und nicht existieren kann, bietet sich als Ersatzlösung ein 12 Illustrieren lassen sich diese Feststellungen durch den Hinweis auf die lange Zeit geltende. heute aber nicht mehr als sachgerecht empfundene Gleichsetzung von .. Unternehmen" und "nach Art und/oder Umfang vollkaufmännischer Gewerbebetrieb i. S. des HGB"; siehe dazu K. Schmidt, HandelsR, S. 48, 50, 52. Ein anderes Beispiel bildet die namentlich von Raiser, Unternehmen, S. 166 ff., vertretene These der Rechtssubjektivität des Unternehmens an sich, die zu einer Vorbestimmung im Hinblick auf den sog. horizontalen Anwendungsbereich des § 31 BGB führt: Einerseits wird von niemandem bezweifelt, daß § 31 BGB für alle juristischen Personen gilt; andererseits wäre, träfe Raisers These zu, die Rechtsfähigkeit ein Wesensmerkmal des Unternehmens. Es ergäbe sich dann der folgende Syllogismus: Für alle juristischen Personen gilt § 31 BGB. Alle Unternehmen sind juristische Personen. Für alle Unternehmen gilt§ 31 BGB. Dieses Ergebnis beruht allein auf dem oben gebildeten, fragwürdigen - mit der h. M. ablehnend: K. Schmidt, HandelsR, S. 61 ff. - Unternehmensbegriff Raisers.
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Kap. I. Der Unternehmensbegriff
Rückgriff auf den sog. Begriffskern von "Unternehmen" an. Angesprochen sind damit diejenigen Bestandteile des Unternehmensbegriffes, die nach Abzug der der jeweiligen Ordnungsfunktion angepaßten, spezifischen Begriffsmerkmale von den verschiedenen Unternehmensdefinitionen übrigbleiben und damit gleichsam den "gemeinsamen Nenner" 13 aller Begriffsbestimmungen bilden 14. Der Rückgriff auf den Kern der Unternehmensbegriffe führt zu einer allgemeinen (nicht: allgemeingültigen) Definition von Unternehmen und gerät nicht in den Ruch, die Lösung bestimmter haftungsrechtlicher Fragen vorzubestimmen. Es würde aber weit über das im Rahmen dieser Arbeit Mögliche hinausgehen, sollten nun alle einmal entwickelten Unternehmensdefinitionen aufgelistet und miteinander verglichen werden. Der notwendige Verzicht auf eine derartige Vorgehensweise fällt umso leichter, als im folgenden auf die Ergebnisse Bezug genommen werden kann, die andere Autoren 15 aus der Beschäftigung mit dem Unternehmensbegriff gewonnen haben. Und schließlich gilt es noch, die Frage nach dem hier angemessenen Definitionsverfahren zu beantworten. Es besteht nämlich die Tendenz, den Begriff "Unternehmen" nicht mehr im Wege der klassischen Logik mittels Gattungsmerkmal und Artmerkmal(en) zu erfassen, sondern in der Denkform des Typusbegriffes16. Doch auch dieses Problem löst sich auf, wenn man sich diejeweilige Funktion des Unternehmensbegriffes vergegenwärtigt. Bei Raischs Untersuchung über den handelsrechtliehen Unternehmensbegriffwar die Verwendung eines Typusbegriffes angebracht, weil der Begriff des Unternehmens flexibel genug sein mußte, um die verschiedenen, an "das Unternehmen" anknüpfenden Regelungen zur Herstellung einer handelsrechtliehen Ordnung in sich aufnehmen zu können 17 • Im Rahmen dieser Untersuchung jedoch, wo- Es gibt im Rahmen des BGB kein unternehmensspezifisches Haftungsrecht! 18 - mit "Unternehmen" keine Ordnungsaufgabe verbunden ist, ist allein entscheidend, ob bei bestimmten Gebilden die Unternehmensmerkmale vorliegen oder nicht vorliegen, ohne daß es dabei auf die Intensität der Merkmale ankommt. Diesem 13
So Maiberg, GesellschaftsR, S. 40.
14 Zum Kern des Unternehmensbegriffes vgl. Wenger, Unternehmung, S. 261 f.; Rehbinder.
Konzernaußenrecht, S. 59 f.; Ba/lerstedt, JZ 1951, 486 (487); Rittner, DB 1957, 1091 (1092); Raisch, Voraussetzungen, S. 180 f., spricht mit ähnlicher Intension·von dem "Realtypus« des Unternehmens. 15 So z.B. Raisch. Voraussetzungen, S. 120 ff., 180 ff. ; Wenger, Unternehmung, S. 261 ff.; K. Schmidt, HandelsR, S. 49 ff.; Maiberg, GesellschaftsR, S. 38 ff.; zum Kern des wirtschaftswissenschaftlichen Unternehmensbegriffes vgl. Gandenberger, Unternehmung, S. 26 ff. 16 So z. B. bei Raisch, Voraussetzungen, S. 180 f.; ebenso, unter Berufung auf Raisch: Wenger, Unternehmung, S. 262 f. Allgernein zum Typusbegriff vgl. Larenz, Methodenlehre, s. 207 tf., 443 tf. 17 Vgl. Raisch. Voraussetzungen, S. 180 f. 18 Von dieser Feststellung zu trennen ist die im Verlauf dieser Untersuchung zu erörternde Frage, ob es für Unternehmensträger spezielle Mechanismen der Haftungszurechnung geben sollte.
II. Definition und Erläuterungen
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Erfordernis nach einer eindeutigen Klassifikation von Gebilden als entweder Unternehmen oder Nicht-Unternehmen kommt das herkömmliche Definitionsverfahren mit seinen Klassenbegriffen entgegen 19• II. Defmition und Erläuterungen Unter einem Unternehmen wird im folgenden jede wirtschaftliche Organisation verstanden, die geschlossen ist, die auf Dauer mit der Produktion von Sachgütern oder der Bereitstellung von Dienstleistungen auf eine Teilnahme am Markt ausgerichtet ist und die in ihrer Ausstattung kaufmännischen Anforderungen genügt. Genus proximum zu dem Begriff "Unternehmen" ist demnach "wirtschaftliche Organisation"; differentiae specificae sind die Merkmale "Geschlossenheit", "Ausrichtung auf eine Marktteilnahme", "Marktteilnahme auf Dauer" und "kaufmännische Ausstattung". Die nähere Kennzeichnung dieser Merkmale und die sich daraus ergebenden Abgrenzungen zu "Nicht-Unternehmen" sind Gegenstand der nachstehenden Erläuterungen. Im Vorgriffauf die Frage, in welchen rechtlichen Formen ein Unternehmen betrieben werden kann, sind schließlich noch die Unterschiede zwischen dem handelsrechtliehen und dem oben vorgestellten Unternehmensbegriff, die im Hinblick auf die Einordnung der sog. freiberuflichen Tätigkeit bestehen, aufzuzeigen. I. Wirtschaftliche Organisation
Eine Organisation in dem hier verstandenen Sinne liegt vor, wenn verschiedene Einheiten oder Elemente im Hinblick auf ein Ziel miteinander verbunden werden 1• Als Organisationselemente kommen Menschen und Sachen in Frage 2 • In diesem Zusammenhang wird zum Teil die Ansicht vertreten, daß von einer Organisation nur dann gesprochen werden könne, wenn mindestens zwei Personen ihre Aktivitäten in einem Zweckgefüge zu koordinieren hätten 3• Abweichend von dieser Ansicht soll hier nicht auf eine Mindestzahl von zwei Personen abgestellt werden, so daß eine Organisation auch dann vorliegt, wenn verschiedene Aufgabenbereiche eines Zweckgefüges durch die Tätigkeit einer einzigen Person abgedeckt werden4 ("Ein-Mann-Unternehmen" 5). 19 Zu den damit angesprochenen Eigenschaften von Begriff und Typus vgl. 011. Problematik einer Typologie, S. 24 ff.: Für den Begriff ist das klassifikatorische ,.Entweder- oder", für den Typus das skalenartige .. Mehr - oder - minder" kennzeichnend. 1 Vgl. zu dem Organisationsbegriffz. B. Hax. FS Kunze, 109 (112); Groch/a, Zffi 1969, I (2 f.). 2 So Hax. Personalpolitik. S. 107. 3 So die Ansicht von Hax. FS Kunze, I09 ( 112). 4 Es ist nämlich vom Ergebnis her nicht einzusehen, warum die Unternehmenseigenschaft davon abhängen soll, ob z. B. der Inhaber eines Ladengeschäftes sämtliche Tätigkeiten allein
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Kap. I. Der Unternehmensbegriff
"Wirtschaftlich" soll eine Organisation dann genannt werden, wenn sie das ihr gesteckte Ziel mittels einer Kombination von Produktionsfaktoren6 (Arbeit, Betriebsmittel, Werkstoffe) und unter Beachtungdes ökonomischen Prinzips7 zu erreichen sucht. Die Extension des Begriffs "wirtschaftliche Organisation" ist sehr weit, denn erfaßt werden davon sowohl die im Hinblick auf tätigkeitsbezogene Merkmale von den Unternehmen zu unterscheidenden Organisationen z. B. Parteien, Berufsverbände, öffentliche oder private Haushalte - als auch die dem Unternehmen über- oder untergeordneten Organisationen wie Unternehmenskooperationen oder Konzerne einerseits und Abteilungen oder Filialen andererseits. Eine Abgrenzung des Unternehmens zu den soeben genannten Gebilden ist jedoch mittels der weiteren institutionellen und materiellen Begriffsmerkmale möglich. 2. Geschlossenheit
"Geschlossenheit" als institutionelles Element des Unternehmensbegriffs zielt in die gleiche Richtung wie die von anderen Autoren verwendeten Begriffe "Selbständigkeit"8, "Einheit" 9 , "organisierte Wirtschaftseinheit" 10 oder "Organismus" 11 • Bezweckt wird mit all diesen Merkmalen eine Abgrenzung des Unternehmens gegenüber unter- oder übergeordneten Gebilden 12 • Wegen dieses Zwecks kann mit "Geschlossenheit" keine Abgeschlossenheit im Sinne einer autonomen Planungs- und Entscheidungseinheit gemeint sein 13• Denn andernfalls könnten die zu einem Konzern gehörenden Tochtergesellschaften nicht mehr als Unternehmen angesehen werden 14• Die Gleichsetzung von Unterneherledigt - dann: Nicht-Unternehmer- oder ob er stundenweise einen Verkäufer beschäftigtdann: Unternehmer. 5 So offenbar auch Rittner. Unternehmen, S. 18, der unter Hinweis auf den Handelsvertreter von dem ,.Dienstleistungsunternehmen eines Umsatzmittlers" spricht: vgl. auch Gandenberger, Unternehmung. S. 32. Mit dem "gewerblichen Unternehmen" des Handelsvertreters hatte sich das BVerfG (NJW 1978, 365, 365 f.) zu befassen. • Einzelheiten zu den Produktionsfaktoren bei Wöhe. BWL, S. 3. 7 Das ökonomische Prinzip beinhaltet die Forderung, ein bestimmtes Ziel mit dem geringstmöglichen Aufwand an Mitteln zu erreichen: siehe Wöhe. BWL, S. I f. 8 Wenger, Unternehmung, S. 263 ff.: Rittner. Wirtschaftsrecht, S. 117 f. 9 K. Schmidt, HandelsR, S. 53 ff. 10 Raisch. Voraussetzungen, S. 183 f. 11 Mellerowicz, Unternehmensführung, S. 15. 12 Vgl. die Erläuterungen der zuvor genannten Autoren und Gandenberger, Unternehmung, S. 26 f., 30, 31 f.: Die wirtschaftswissenschaftliche Unternehmensdefinition hebt sich von der rechtswissenschaftliehen durch die Verwendung des Merkmales "wirtschaftliche Selbständigkeit" ab. 13 So aber Maiberg, GesellschaftsR, S. 40, der trotz der nach § 308 AktG bestehenden Weisungsbefugnis des herrschenden Unternehmens meint, das Unternehmen sei eine von Weisungen freie Instanz autonomer Planung und Entscheidung. Vgl. auch Wiedemann, ZGR 1975, 385 (405), der den Konzern als "Pianungseinheit" begreift. 14 Siehe hierzu auch die aus der Sicht des Handelsrechts herrührenden Ausführungen von Raisch. Voraussetzungen, s. 182.
II. Definition und Erläuterungen
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men und Konzern wäre die Folge - eine Konsequenz, die jedoch eindeutig im Widerspruch zu der im geltenden Recht festgeschriebenen Differenzierung zwischen diesen beiden Organisationsebenen steht 15 • Zutreffend ist dagegen die in den Wirtschaftswissenschaften gängige Beschreibung, daß sich die Geschlossenheit des Unternehmens in der rechnerischen Erfaßbarkeit seines Wirtschaftens zeige, daß das Unternehmen eine Abrechnungseinheit sei 16 • Dieses Kriterium ist aber für die hier vorzunehmende Abgrenzung wenig nützlich, weil auch die Subsysteme des Unternehmens und die Konzerne als Kostenstellen 17 bzw. im Rahmen eines Konzernabschlusses 18 rechnerisch gesondert erfaßt werden können und daher als Abrechnung