Die Grundpflichten bei der Einstellung des Betriebes genehmigungsbedürftiger Anlagen gemäß § 5 Abs. 3 BImSchG [1 ed.] 9783428480944, 9783428080946


120 58 19MB

German Pages 187 Year 1994

Report DMCA / Copyright

DOWNLOAD PDF FILE

Recommend Papers

Die Grundpflichten bei der Einstellung des Betriebes genehmigungsbedürftiger Anlagen gemäß § 5 Abs. 3 BImSchG [1 ed.]
 9783428480944, 9783428080946

  • 0 0 0
  • Like this paper and download? You can publish your own PDF file online for free in a few minutes! Sign Up
File loading please wait...
Citation preview

CHRISTOPH DIERKES Die Grundpflichten bei der Einstellung des Betriebes genehmigungsbedürftiger Anlagen gemäß § 5 Abs. 3 BlmSchG

Schriften zum Umweltrecht Herausgegeben von Prof. Dr. Mich a e I K I o e p f er, Berlin

Band 41

Die Grundpflichten bei der Einstellung des Betriebes genehmigungsbedürftiger Anlagen gemäß § 5 Abs. 3 BlmSchG

Von

Christoph Dierkes

Duncker & Humblot · Berlin

Die Deutsche Bibliothek - CIP-Einheitsaufnahme Dierkes, Christoph: Die Grundpflichten bei der Einstellung des Betriebes genehmigungsbedürftiger Anlagen gemäß § 5 Abs. 3 BimSchG I von Christoph Dierkes. - Berlin : Duncker und Humblot, 1994 (Schriften zum Umweltrecht ; Bd. 41) Zug!.: Bochum, Univ., Diss., 1994 ISBN 3-428-08094-7 NE: GT

Alle Rechte vorbehalten © 1994 Duncker & Hu~blot GmbH, Berlin Fotoprint: Wemer Hildebrand, Berlin Printed in Germany ISSN 0935-4247 ISBN 3-428-08094-7

Meinen Eltern

Vorwort Diese Untersuchung lag im Sommersemester 1993 der Juristischen Fakultät der Ruhr-Universität Bochum als Dissertation vor. Das Manuskript wurde im Juni 1993 abgeschlossen; danach veröffentlichte Rechtsprechung und Literatur konnte grundsätzlich nicht mehr berücksichtigt werden. Durchgängig eingearbeitet sind jedoch der Aufsatz von Hansmann über die immissionsschutzrechtlichen Nachsorgepflichten im Oktoberheft der NVwZ 1993, welcher mir als Manuskript bereits im Frühjahr 1993 vorlag, sowie die neuen nordrhein-westfälischen Verwaltungsvorschriften zum Bundes-Immissionsschutzgesetz vom 16.07.1993. Meinem Doktorvater, Herrn Prof. Dr. Hans D. Jarass, schulde ich Dank für den überlassenen Freiraum bei meiner Tätigkeit als Wissenschaftlicher Mitarbeiter am Lehrstuhl für Öffentliches Recht und Europarecht, seine ständige Bereitschaft zu förderlichen Gesprächen sowie für die rasche Erstellung des Erstgutachtens. Herrn Prof. Dr. Rolf Grawert danke ich für die Übernahme des Zweitgutachtens. Herzlich danken möchte ich auch Frau Kirstin Hinterleuthner, die das Manuskript geschrieben hat, sowie allen, die durch Gespräche, Hilfe beim Korrekturlesen oder in sonstiger Weise zum Gelingen der Arbeit beigetragen haben. Schließlich danke ich Herrn Prof. Dr. Michael Kloepfer für die Aufnahme in die Schriften zum Umweltrecht Düsseldorf, im Februar 1994 Christoph Dierkes

Inhaltsveneichnis 1. Kapitel

Grundlagen A. Gegenstand und Gang der Untersuchung..........................................................

17

B. Die Regelung der Betriebseinstellung im Immi33ions3chutzrecht .......................

18

C. Tatsachliche Probleme bei und nach der Betriebseinatellung............................. I. Ausgangslage.... .. .... ..... .. ...... .. .......... ...... ......... ........ ... ............ .. .............. ..... ll. Denkbare Problembereiche ... ........ ... ...... ......... ........ .. ..................... .. . ... .. ..... 1. Emissionen und Immissionen................................................................ 2. Reststoffe und Abflllle .... ....... ............. ... ... .... .......... ....... ... ........ .. .. ........ 3. Anlage und Anlagenteile.... .... .... ...... ......... ..... .......................... ... ... ....... 4. Boden- und Gewasserverunreinigungen..... ............................................

20 20 21 21 21 22 23

2. Kapitel

Der Anwendungsbereich des § S Abs. 3 A. Eifaßte Anlagen................................................................................................

25 I. Genehmigungsbedürftige Anlagen............................................................... 25 n. Betriebseinstellung ab dem 01.09.1990 ..... .. .. .............. ... ........ .. ... ....... .. .... .. . 26

B. Der Begriffder Betriebseinatellung................................................................... 29 I. Die Funktion des Begriffes in§ 5 Abs. 3..................................................... 29 ll. Begriffsbestimmung.................................................................................... 31 1. Grundvoraussetzungen ........ ........ .. ..... .. ......... .. ........ .. ........ .. .. . ... ..... .. ... .. 2. Zeitweilige Einstellungen .. .. .... ...... .. ... .............. .... ................. ... ... .. ... ... . 3. Telleinstellungen und Kapazitatsreduzierungen.....................................

31 31 35

C. Verhaltnis zu anderen Gesetzen........................................................................

39

10

Inhaltsverzeichnis

3. Kapitel

Die Gefahrenabwehrpflicht aus § S Abs. 3 Nr. 1 A. § 5 Abs. 3 Nr. 1, 1. Alt.: SchiJdliche Umwelteinwirkungen................................. I. Grundlegendes............................................................................................ II. Luftverunreinigungen.. .. ..... .... .. .......... .. ........... ... ....... .. .... ....... .......... ... .. ...... 1. Abgrenzung: Reststoffe als Quelle der Emissionen................................ 2. Verursachung schadlieber Immissionen gemäߧ 3 Abs. 1 ..................... a) Verursachung von Immissionen und dadurch herbeigeftlhrte negative Effekte - Grundlagen und Begriffsbestimmungen...................... b) Arten der negativen Effekte: Schaden, Nachteile, Belästigungen...... c) Belastungsobjekte: Allgemeinheit und Nachbarschaft...................... d) Erheblichkeit ............................................................................. ..... e) Hinreichende Wahrscheinlichkeit der Verursachung........................ 3. Der§ 5 Abs. 3 Nr. 1 zugrundeliegende Sicherheitsmaßstab................... a) Wahrscheinlichkeitsprognose entsprechend§ 3 Abs. 1.................... b) Beurteilungsmaßstab der TA Luft ... .. .... .. .. ...... .. .. .. .. ...... .. ..... ..... .. .. .. III. Ähnliche Umwelteinwirkungen...................................................................·

40 40 41 42 42

B. § 5 Abs. 3 Nr. 1, 2. Alt.: Sonstige Einwirkungen............................................... I. Grundlegendes............................................................................................ II. Andere Gefahrenquellen als Immissionen ................................................... III. Arten, Erheblichkeit, Belastungsobjekte und Eintrittswahrscheinlichkeit negativer Effekte ...... .... .... ......... ........... .. .. .... ... ..................... .............. . ....... IV. Einzelne Bereiche sonstiger gefllhrlicher Einwirkungen.............................. 1. StOrßlle und der Anwendungsbereich der Störfall-Verordnung............. 2. Gefahren durch die Anlage und Anlagenteile ........................................ 3. Boden- und Gewässerverunreinigungen................................................. a) Boden und Wasser als Schutzgüter des BlmSchG ............................ b) Beurteilung von Verunreinigungen als erhebliche Beeintrachtigungen ................................................................................................. c) Erfassung drohender und bereits eingetretener Boden- und Gewässerverunreinigungen durch § 5 Abs. 3 Nr. 1 .. .. .... .. .. .... .. .. ..... .. .. .. .. .. . 4. Weitere sonstige Einwirkungen.............................................................

52 52 53

42 44 45 46 47 48 48 49 51

56 57 57 57 58 59 60 62 64

C. Hervorrufung der Einwirkungen von der Anlage oder dem Anlagengrundstuck. 64 I. Hervorrufung der Einwirkungen und negativen Effekte .. .... ......... .... ... .... .. .. . 64 II. Anlage und Anlagengrundstock als Herkunftsorte der Einwirkungen........... 68 1. Die Anlage ..... .. ... ......... .. .. ........... .... ... .. .................. ...... .. ......... .... ......... 69 2. Das Anlagengrundstück ........................................................................ 73

Inhaltsverzeichnis

D. Die vom Betreiber verlangte Sicherstellung........... ... .... .......... ... ........... ... .......... I. Der zeitliche Geltungsbereich der Pflicht.................................................... 1. Geltung vor und nach Betriebseinstellwtg ... . ....................... .. ..... ....... ... . 2. Dauer der Geltung .......... .. ...... ..... . .. .... ........ ................ .......... ... .. ........... ll. Die Ausgestaltung der Pflicht...................................................................... 1. Unmittelbare Geltung .. ... .. ........... ... .... ......... .. ....................... .. ... ......... .. 2. Gefahrenabwehrptlicht.......................................................................... m. Die Anforderungen in Einzelbereichen........... ... ... .. ... ..... .. .. .. ... .. .. .. .... .. .... .. .. 1. Emissionen und Inunissionen................................................................ 2. Anlage und Anlagenteile.... ... .. .. .... ..... .. .. .. .... .. ... .. .. ... .. ... .. ... .... ..... .. ... ... .. 3. Boden- und Gewässerverunreinigungen............................................ ..... a) Drohende Verunreinigungen........................................................... b) Eingetretene Verunreinigungen....................................................... aa) Verunreinigungen, die keine weiteren Gefahren begründen....... bb) Verunreinigungen, die weitere Gefahren begründen .. .. .. .. ...... .. .. cc) Auflnunissionen beruhende Verunreinigungen ......................... c) Verunreinigungen aufNachbargrundstOcken ...................................

11 77 77 77 79 83 83 86 88 89 91 93 93 94 95 100 102 113

4. Kapitel Die Reststoff- und Abfallpflicht aus § 5 Abs. 3 Nr. 2

A. Bedeutung und Anwendungsbereich .................................................................. 122 B. Reststoffe.......................................................................................................... I. Bedeutung des Reststoßbegriffs .................................................................. ll. Grundsätzliche Begriffsbestimmung............................................................ I. Die Bestimmung des § 2 Nr. 4 der 17. BimSchV als Ausgangspunkt..... 2. Die Elemente der Begriffsbestimmung .................................................. a) Der Stoflbegriff. .............................................................................. b) DerBetriebsprozeß ......................................................................... c) Der Zweck des Anlagenbetriebes .................................................... aa) Die M.aßgeblichkeit des Betriebszweckes .................................. bb) Die Bestimmung des Betriebszweckes.................... ... .... .. ... .. .. .. . m. Problematische Einze1bereiche.................................................................... I. Produkte, Betriebs- und Einsatzstotfe...... ... .. .. .. .... .. . .. .... .... .. .. .... .. .. .... .. .. a) Produkte......................................................................................... b) Betriebs- und Einsatzstoffe .... .... .. .. .. .... .. .. ........... .... .... .. .. .... .. .. .. .. .. .. 2. Verunreinigter Boden ........................................................................... 3. Anlage, Anlagenteile und fest damit verbundene Stoffe .........................

123 123 124 124 124 124 125 127 127 128 132 132 132 136 139 142

12

Inhaltsverzeichnis

C. Verwertung und Beseitigung als Abfall............................................................. I. Ordnungsgemäße und schadlose Verwertung der Reststoffe ........................ Il. Beseitigung als Abfall ohne Beeintrachtigung des Wohls der Allgemeinheit ............................................................................................................. III. Gleichrangigkeit von Verwertung und Beseitigung als Abfall......................

144 144 146 149

D. Die vom Betreiber verlangte Sicherstellung.............. .... ........ ............. .. .............. 151 I. Geltungsbereich und Ausgestaltung der Pflicht ............ ... ............ .. ... ........... 151 Il. Anforderungen............................................................................................ 152

5. Kapitel

Der Adressatenkreis des § S Abs. 3 A. Betreiberund ehemaliger Betreiber................................................................... 157 B. WechselndeBetreiber vor Betriebseinstellung ................................................... I. Problemlage und Auslegungshypothesen... ... .................. ... ............ ... ........... Il. Prllfimg der Auslegungshypothesen ............................................................. 1. Verantwortlichkeit nw- des letzten Betreibers... .......... ............. ... ..... ...... 2. Verantwortlichkeit nw- des Verursachers............................................... 3. Verantwortlichkeit des Verursachcrs neben umfassender Verantwortlichkeit des letzten Setreibers ... ............. .. ............................... .. ... ....... .. 4. Umfassende Verantwortlichkeit jedes Setreibers im Rahmen der Ver-

158 158 160 160 162 164

h!l.tniSIDäßigkeit ....... .. ... ... ............... .. .. ...... .... ................ ......... .. ... ......... 167 III. Folgen........................................................................................................ 171

C. Rechtsnachfolge und sonstige Modifikationen in der Betreiberverantwortlichkeit nach Betriebseinstellung ........ ................. ............. ........... .............. ............. I. Inanspruchnahme des Rechtsnachfolgers..................................................... 1. Problemlage.......... .. .. .. ........... ....... ........... ....................... .. .................... 2. Nachfo1gefllhigkeit und Nachfolgetatbestand.................... ....... .............. a) Nachfo1geflihigkeit.......................................................................... b) Nachfolgetatbestand ........................................................................ aa) Gesamtrechtsoachfolge..... .......... .. ............. ...... ............ .............. bb) Einzelrechtsnachfolge .. ............. .. ... ... ............. ............. .............. II. Inanspmchnabme der Konzernmutter bei Betriebsaufspaltung.... ....... .. ........

172 172 172 173 173 174 174 176 177

~sa~D~Denfass~

178

Literaturverzeichnis

182

Abkürzungsverzeichnis a.A.

anderer Ansicht

a. a. O. AbfG Abs. a.E. a.F.

Abfallgesetz Absatz amEnde alte(r) Fassung

AktG Alt. Anh.

Aktiengesetz Alternative Anhang

Anm.

Anmerkung

Art.

AtG Aufl. Az. BauONW Bay. VGH

Artikel Atomgesetz Auflage Aktenzeichen Bauordnung ftlr das Land Nordrhein-Westfalen Bayerischer Verwaltungsgerichtshof

BB

Betriebs-Berater (Zeitschrift)

BBergG Bd. BGB BGBI. BimSchG BimSchV

Bundesberggesetz Band B'Drgerliches Gesetzbuch Bundesgesetzblatt Bundes-Immissionsschutzgesetz Verordnung zur Durchftlhrung des Bundes-Immissionsschutzgesetzes (Bundes-Immissionsschutzverordnung) Gesetz zwn Schutz des Bodens (Bodenschutzgesetz) des Landes Baden-Württemberg

BodSchGBW BR-Drucksache BT-Drucksache BVerfG

am angegebenen Ort

Drucksache des Bundesrates Drucksache des Deutschen Bundestages Bundesverfassungsgericht

14 BVerfGE BVerwG BVerwGE BW ChemG DB

Diss.

DOV DVBl. f.

ff. Fn.

GBl.

GBO gern. GewArch GG

GmbH GMBl. GVBI. HdUR Hess. VGH Hrsg. hrsgg. IUR i. V.m. JuS

JZ KapErhG LAI

LG MBl. MEVwV MURLNW

Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts Bundesverwaltungsgericht Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts Baden-Württemberg Chemikaliengesetz Der Betrieb (Zeitschrift) Dissertation Die Offentliehe Verwaltung (Zeitschrift) Deutsches Verwaltungsblatt (Zeitschrift) folgende (Seite etc.) folgende (Seiten etc.) Fußnote Gesetzblatt Grundbuchordnung gemäß Gewerbearchiv (Zeitschrift) Grundgesetz Gesellschaft mit beschränkter Haftung Gemeinsames Ministerialblatt Gesetz- und Verordnungsblatt Handwörterbuch des Umweltrechts Hessischer Verwaltungsgerichtshof Herausgeber herausgegeben Informationsdienst Umweltrecht (Zeitschrift) in Verbindung mit Juristische Schulung (Zeitschrift) Juristenzeitung (Zeitschrift) Gesetz über die Kapitalerhöhung aus Gesellschaftsmitteln und über die Verschmelzung von Gesellschaften mit beschränkter Haftung Länderausschuß ftlr Immissionsschutz Landgericht Ministerialblatt Musterentwurf ftlr eine Verwaltungsvorschrift zu § 5 Abs. 1 Nr. 3 BhnSchG Ministerium ftlr Umwelt, Raumordnung und Landwirtschaft des Landes Nordrhein-Westfalen

Abldlrzungsverzeiclmis

m.w.N. NJW

NuR NVwZ NVwZ-RR NW NWVBL OLG OVG RP Rn. Rspr.

s.

s.

Sp.

TA Luft UmweltHG UmwG

UPR UTR

15

mit weiteren Nachweisen Neue Jwistische Wochenschrift (Zeitschrift) Natur und Recht (Zeitschrift) Neue Zeitschrift ft1r Verwaltungsrecht NVwZ-Rechtsprechungsreport Nordrhein-Westfalen Nordrhein-Westflllische Verwaltungsblätter Oberlandesgericht Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz Randnummer Rechtsprechung Satz, Seite(n) siehe Spalte Technische Anleitung zur Reinhaltung der Luft Umwelthaftungsgesetz Umwandlungsgesetz

VerwA VG

Umwelt- und Planungsrecht (Zeitschrift) Schriftenreihe (der Forschungsstelle) des Instituts ft!r Umwelt- und Technikrecht (an) der Universität Trier Verwaltungsarchiv (Zeitschrift) Verwaltungsgericht

VGH vgl.

Verwaltungsgerichtshof vergleiche

vo VwV VwVBINW VwVfG WHG

WiVerw

Verordnung Verwaltungsvorschrift Verwaltungsvorschriften zmn Bundes-Immissionsschutzgesetz des Landes Nordrhein-Westfalen, soweit nicht anders gekennzeichnet in der Fassung vom 16.07.1993 (MBI. NW, S. 1472) Verwaltungsverfahrensgesetz Wasserhaushaltsgesetz Wirtschaft und Verwaltung (Zeitschrift)

1. Kapitel

Grundlagen A. Gegenstand und Gang der Untersuchung Mit dem Dritten Gesetz zur Änderung des Bundes-Immissionsschutzgesetzes vom 11.05.19901 sind darin ausdrückliche Regelungen über die Pflichten bei und nach der Einstellung des Betriebes genehmigungsbedürftiger Anlagen aufgenommen worden.2 Die dazu eingefügten Vorschriften in § 5 Abs. 3, § 16 Abs. 2, § 17 Abs. 4a und § 29a Abs. 1, 3 S. 1 Nr. 4 BlmSchG sind am 01.09.1990 in Kraft getreten. Vorher war zumindest sehr zweifelhaft, ob die immissionsschutzrechtlichen Grundpflichten des Betreibers einer genehmigungsbedürftigen Anlage nach § 5 BlmSchG über die Einstellung des Betriebes hinaus fortgalten. 3 In der Rechtsprechung wurde dies vemeinr; im Schrifttum wurde teilweise5 mit beachtlichen Gründen eine Fortgeltung (nur) der Reststoffentsorgungspflicht des § 5 Abs. 1 Nr. 3 BlmSchG angenommen. Anlaß der Schaffung des neuen § 5 Abs. 3 BlmSchG, der die Grundpflichten des Betreibers auf die Zeit nach der Einstellung des Betriebes einer Anlage erstreckt, war die Erkenntnis, daß auch dann noch Gefahren von der Anlage hervorgerufen werden können.6 Die vorliegende Untersuchung dient der Klärung der Frage, inwieweit solche Gefahren und weitere durch stillgelegte Anlagen hervorgerufene Probleme7 von der Vorschrift des § 5 Abs. 3 BlmSchG erfaßt und bewältigt werden, welche Pflichten also den (ehemaligen) Anlagenbetrei1 BGBI. I, S. 870; dazu im Übclbliclc. Bilge, OB 1990, 2401; Dienes, NWVBL 1990, 404; Fahr, IUR 1990, 54; ausfllbrlicher die ErllutcruDgen von SeUner, Rebentisch und Hansmann in NVwZ 1991,305 ff: 2 SpezieU dazu Vallendar, UPR 1991, 91; Salzwedel, S. SS; F7uck, BB 1991, 1797; Hansmann, NVwZ 1993, 921. 3 Vgl. Jara:ss, BlmSchG, § S Rn. 84; vgl. auch die amtliche Begrilndung, BT-Drucksache 11/4909, S. 15: "Dem bisherigen Wortlaut der Vorschrift ... nicht ausdrilcklich zu entnebmeo.". 4 VGH BW, Beschluß V00114.12.1989- 1 S 2719189-, NVwZ 1990, 781 = DÖV 1990, 345; vgl. lllchHansmann, NVwZ 1993, 921 Fn. 4, wonacl! dies auch die Oberwiegende Meinung im Unterausschuß Recht des LIDderausschuss fl1r Immissionsschutz war. s F7uck, NuR 1989, 412. 6 Vgl. die amtliche BegrOndung, BT-Drucksache 1114909, S. 15; vgl. ferner F7uck, BB 1991, 1191;Hansmann, NVwZ 1993,921 t: 7 NAher zu den denkbaren tatsichliehen Problemen bei und nach der Einstellung des Betriebes genehmi~ger Anlagen sogleich unter C. 2 Dierkes

18

1. Kap.: Grundlagen

ber danach im einzelnen treffen. Diese Aufgabe erscheint zunächst wenig reizvoll, sind doch die meisten der in der neuen Norm verwendeten Begriffe dem seit langem geltenden Absatz 1 des § 5 BlmSchG entnommen und als solche Gegenstand zahlreicher und vertiefter - wenngleich bis heute nicht zu letzter und allgemein anerkannter Klarheit führender - Erörterungen in Rechtsprechung und Literatur gewesen.8 Indes wirft die Auslegung dieser Begriffe im Zusammenhang mit der von der Vorschrift ins Auge gefaßten Betriebseinstellung und der folgenden Nachbetriebsphase eine Vielzahl von Problemen auf, die sich bislang entweder so nicht gestellt haben oder aber nunmehr schärfer ins Blickfeld geraten. Diese sollen hier erstmals umfassender behandelt werden9; eine erschOpfende Erörterung aller in diesem Rahmen denkbaren Probleme ist gleichwohl nicht beabsichtigt. Einen Schwerpunkt bildet die Frage, inwieweit und in welcher Weise betrieblich bedingte Bodenverunreinigungen auf dem Betriebsgelände und in der Nachbarschaft stillgelegter Anlagen von § 5 Abs. 3 BlmSchG geregelt werden, inwieweit die Vorschrift also tatsächlich als ein Instrument zur Beseitigung von Altlasten, als welches sie gelegentlich angesehen10 und bezeichnet11 wird, in Betracht kommt. Die Untersuchung beschränkt sich auf die Grundpflichten nach § 5 Abs. 3 BlmSchG; die zur Durchsetzung dieser Vorschrift in das Bundes-Immissionsschutzgesetz aufgenommenen Vorschriften der §§ 16 Abs. 2, 17 Abs. 4a und 29a Abs. 1, 3 S. 1 Nr. 4 BlmSchG und die damit verbundenen Verfahrensfragen, die sich im Genehmigungsverfahren, in der Betriebsphase, während der Betriebsstillegung und in der Nachbetriebsphase stellen können, werden nicht oder nur am Rande behandelt. Die einschlägigen Vorschriften werden im folgenden kurz dargestellt; daran schließt sich ein Überblick über die bei und nach einer Betriebseinstellung denkbaren tatsächlichen Probleme an. Der Erörterung der Pflichten nach § 5 Abs. 3 Nr. 1 und Nr. 2 BlmSchG geht die Bestimmung des Anwendungsbereiches der Vorschrift voran; die Bestimmung des von ihr betroffenen Adressatenkreises bildet den Abschluß.

B. Die Regelung der Betriebseinstellung im Immissionsschutzrecht Gemäß § 5 BlmSchG treffen den Betreiber einer genehmigungsbedürftigen Anlage gewisse Pflichten, die sogenannten Grundpflichten. § 5 Abs. 1 8

Vgl. Zi!letzt ausfllhrlich Petersen, Schutz und Vorsorge. Rechtsprechung zu § 5 Ahs. 3 BhnSchG ist bislang - soweit ersichtlich - nicht veröffentlicht. Die vorliegende Kormnentar- und Aufsatzliteratur- vgl. vor allem Jarass, BlmSchG, § 5 Rn 84 ff. und die Nachweise in den Fußnoten 1 und 2 - beschrlokt sich naturgernAß aufEinzelfragen, zumal sämtlich auch Verfahrensfragen mitbehandeh werden. Recht ausfllhrlich sind allerdings die Abhandlungen von F7uck, BB 1991, 1797 undHansmann, NVwZ 1993,921. 10 Vgl. vor allem Fahr, lUR. 1990, 55. 11 Vgl. F7uck, BB 1991, 1797. 9

B. Die Regelung der Betriebseinstellung im Immissionsschutzrecht

19

BlmSchG schreibt im einzelnen vor, wie eine solche Anlage zu errichten und zu betreiben ist. Durch § 5 Abs. 3 BlmSchG werden diese Anforderungen im wesentlichen auf die Zeit nach Betriebseinstellung erstreckt. § 5 Abs. 3 BlmSchG lautet: "Der Betreiber hat sicherzustellen, daß auch nach einer Betriebseinstelltmg 1. von der Anlage oder dem Anlagengrundstück keine schädlichen Umwelteinwirktmgen tmd sonstige Gefahren, erhebliche Nachteile tmd erhebliche Belästigtmgen ft1r die Allgemeinheit tmd die Nachbarschaft hervorgerufen werden können tmd 2. vorhandene Reststoffe ordntmgsgemäß und schadlos verwertet oder als Abflille ohne Beeinträchtigung des Wohls der Allgemeinheit beseitigt werden."

Welche Anlagen genehmigungsbedürftig sind und damit den Anforderungen des § 5 BlmSchG unterliegen, regelt § 4 BlmSchG. Nach § 4 Abs. 1 BlmSchG bedürfen einer Genehmigung grundsätzlich die Errichtung und der Betrieb solcher Anlagen, die aufgrund ihrer Beschaffenheit oder ihres Betriebes in besonderem Maße geeignet sind, schädliche Umwelteinwirkungen im Sinne des § 3 Abs. 1 BlmSchG hervorzurufen oder in anderer Weise die Allgemeinheit oder die Nachbarschaft zu gefährden, erheblich zu benachteiligen oder erheblich zu belästigen. Die Bundesregierung hat aufgrund der Ermächtigung des § 4 Abs. 1 S. 3 BlmSchG mit der Vierten Verordnung zur Durchfiihrung des Bundes-liDmissionsschutzgesetzes (Verordnung über genehmigungsbedürftige Anlagen 4. BlmSchV) die Anlagen, die danach einer Genehmigung bedürfen, bestimmt. Die nach § 4 BlmSchG für die Errichtung und den Betrieb und nach § 15 Abs. 1 BlmSchG auch für die wesentliche Änderung einer Anlage erforderliche Genehmigung ist nach § 6 BlmSchG zu erteilen, "wenn 1. sichergestellt ist, daß die sich aus § 5 und einer aufgrund des § 7 erlassenen Rechtsverordnung ergebenden Pflichten erftlllt werden, und 2. andere öffentlich-rechtliche Vorschriften tmd Belange des Arbeitsschutzes der Errichtung tmd dem Betrieb der Anlage nicht entgegenstehen."

Das Genehmigungsverfahren ist in§ 10 BlmSchG und im einzelnen in der aufgrundder Ermächtigung des§ 10 Abs. 10 BlmSchG von der Bundesregierung erlassenen Neunten Verordnung zur Durchfiihrung des Bundes-Immissionsschutzgesetzes (Verordnung über das Genehmigungsverfahren - 9. BimSchV) geregelt. Die 9. BlmSchV enthält in den§§ 4b Abs. 1 Nr. 4 und 4c Nr. 6 auch Vorschriften über die einem Genehmigungsantrag hinsichtlich der Pflichten aus § 5 Abs. 3 BlmSchG beizufiigenden Unterlagen. Die Genehmigung kann gemäß § 12 Abs. 1 BlmSchG unter Bedingungen erteilt und mit Auflagen vernunden werden, soweit dies erforderlich ist, um die Erfüllung der in § 6 BlmSchG genannten Genehmigungsvoraussetzungen, also auch die Erftillung der sich aus § 5 Abs. 3 BlmSchG ergebenden Pflichten, sicherzustellen. Nach§ 17 BlmSchG können zur Erftillung der sich aus dem Bundes-Immissionsschutzgesetz und der aufgrund des Bundes-Immissionsschutzgesetzes erlas-

20

l. Kap.: Grundlagen

senen Rechtsverordnungen ergebenden Pflichten nach Erteilung der Genehmigung nachträgliche Anordnungen getroffen werden. Die Einstellung des Betriebes einer genehmigungsbedürftigen Anlage bedarf keiner Genehmigung. Der Betreiber hat jedoch gemäß § 16 Abs. 2 S. 1 BlmSchG eine beabsichtigte Betriebseinstellung unter Angabe des Zeitpunktes der Einstellung der zuständigen Behörde unverzüglich anzuzeigen. Der Anzeige sind Unterlagen über die vom Betreiber vorgesehenen Maßnahmen zur Erfüllung der sich aus § 5 Abs. 3 BlmSchG ergebenden Pflichten beizufügen (§ 16 Abs. 2 S. 2 BlmSchG). Die zuständige Behörde kann anordnen, daß der Betreiber einen der von der zuständigen obersten Landesbehörde bekanntgegebenen Sachverständigen mit der Durchfiihrung bestimmter sicherheitstechnischer Prüfungen sowie Prüfungen von sicherheitstechnischen Unterlagen beauftragt (§ 29 Abs. 1 S. 1, Abs. 3 S. 1 Nr. 4 BlmSchG). Gemäß § 17 Abs. 4a BlmSchG können nachträgliche Anordnungen zur Erfüllung der sich aus § 5 Abs. 3 BlmSchG ergebenden Pflichten nach der Einstellung des gesamten Betriebes noch während eines Zeitraumes von zehn Jahren getroffen werden.

C. Tatsichliehe Probleme bei und nach der Betriebseinstellung L Ausgangslage Die Beeinträchtigungen, vor denen das Bundes-Immissionsschutzgesetz in seiner vor dem Dritten Änderungsgesetz geltenden Fassung hauptsächlich schützen wollte, insbesondere schädliche Umwelteinwirkungen im Sinne des § 3 Abs. 1 BlmSchG, werden in der Regel nur durch den laufenden Betrieb einer Anlage hervorgerufen. Nach der Einstellung des Betriebes ist etwa mit von der Anlage ausgehenden Geräuschen gar nicht und mit Luftverunreinigungen nur in Ausnahmefllllen zu rechnen. Gleichwohl können auch stillgelegte genehmigungsbedürftige Anlagen noch Umweltprobleme verursachen und Gefahren oder Nachteile für die Nachbarschaft und die Allgemeinheit hervorrufen. Die folgenden Beispiele betreffen überwiegend nicht konkrete Problemfälle, die bei bestimmten Anlagentypen aufgetreten sind oder auftreten können. Vielmehr handelt es sich um eine Aufzählung denkbarer Problembereiche, die lediglich der Veranschaulichung dienen soll und weder detailliert noch abschließend ist.

C. Tatsichliehe Probleme bei und nach der Betriebseinstellung

21

II. Denkbare Problembereiche 1. Emissionen und Immissionen

Wie bereits angedeutet, enden mit dem Betrieb einer Anlage in der Regel auch die davon ausgehenden Emissionen. Geräusche, Erschütterungen, Licht und Wärme dürften nach der Einstellung des Betriebes nicht mehr auftreten. Das gleiche gilt für Strahlen, sofern es sich nicht um ohnehin nach § 2 Abs. 2 S. 1 BlmSchG außerhalb des Anwendungsbereichs des Bundes-Immissionsschutzgesetzes liegende ionisierende Strahlen handelt. Auch die meisten möglichen Luftverunreinigungen, insbesondere durch Rauch, Ruß, Gas, Dämpfe und Aerosole (feste oder flüssige Stoffe, die in feinster Verteilung in der Luft schweben12 ), erledigen sich gewöhnlich mit der Betriebseinstellung. Ausgasungen etwa treten zwar häufig bei stillgelegten Abfalldeponien auf; diese gehören aber gemäß der 4. BlmSchV nicht zu den immissionsschutzrechtlich genehmigungsbedürftigen Anlagen. Aus sonstigen Abfallentsorgungsanlagen, etwa Müllverbrennungsanlagen (genehmigungsbedürftig gemäß Nr. 8.1 des Anhangs der 4. BlmSchV), wie auch aus anderen immissionsschutzrechtlich genehmigungsbedürftigen Anlagen können Gase grundsätzlich nur austreten, wenn Reststoffe nicht ordnungsgemäß entsorgt worden sind. In diesem Fall liegen auch Luftverunreinigungen durch Geruchsstoffe nahe, man denke etwa an Gerüche aus den in Abschnitt 7 des Anhangs der 4. BlmSchV genannten Anlagen des Bereichs Nahrungs-, Genuß- und Futtermittel, landwirtschaftliche Erzeugnisse, z. B. Tierkörperbeseitigungsanlagen (Nr. 7.12). In Ausnahmefällen denkbar sind Luftverunreinigungen durch Staub, etwa durch Staubverwehungen von Halden. 13 Auch beim Abriß der Anlage oder einzelner ihrer Teile kann es zu Luftverunreinigungen kommen. Theoretisch vorstellbar ist schließlich, daß während des Anlagenbetriebes hervorgerufene Luftverunreinigungen noch nach Betriebseinstellung in der Umgebung der Anlage als - unter Umständen gefährlicher - Staubniederschlag meßbar sind.

2. Reststoffe und Abfälle

Reststoffe, die kontinuierlich beim Betrieb angefallen sind, sind nur dann noch vorhanden, wenn sie nicht entsprechend der Grundpflicht des § 5 Abs. 1 Nr. 3 BlmSchG während des Betriebes laufend verwertet oder beseitigt worden sind; nur in diesem Fall können sich also daraus Probleme ergeben. Gedacht wurde im Gesetzgebungsverfahren vor allem an den Fall, daß sich auf dem Betriebsgrundstück noch Reste von gesundheitsschädlichen Stoffen befinden, 12 13

Jarass, BlmSchG, § 3 Rn. 42. Beispiel von Vallendar, UPR 1991, 94; aufgegriffen vonF1uck, BB 1991, 1801.

22

1. Kap.: Grundlagen

die in der Anlage bearbeitet oder verarbeitet worden sind. 14 Es können aber auch Reststoffe vorhanden sein, die nicht kontinuierlich beim Betrieb angefallen sind, etwa - zum Teil PCB-haltiges - Hyd.rauliköP5 oder Kühlmittel. Schließlich können sich in Behältern, Rohren oder sonstigen Anlagenteilen Stoffe abgelagert haben, die zum Teil nur nach besonderer Behandlung, Erhitzung oder Kühlung sachgerecht entfernt werden können. 16 Unabhängig von Zeit und Ort ihrer Herkunft und Ablagerung können vorhandene Reststoffe und Abfälle auf dem Anlagengrundstück jedenfalls Gefahren oder Beeinträchtigungen entweder selbst bilden oder zu solchen führen, etwa zu den oben genannten Luftverunreinigungen oder zu den unten erläuterten Boden- und Gewässerverunreinigungen. Insbesondere zurückgelassene Reststoffe aus Anlagen des Bereichs Nahrungs-, Genuß- und Futtermittel, landwirtschaftliche Erzeugnisse (Abschnitt 7 des Anhangs der 4. BlmSchV) können auch weitere Gefahren nach sich ziehen, z. B. Tiere (Vögel, Ratten, Fliegen) anlocken, die auch Nachbargrundsrucke beeinträchtigen. Zu denken ist auch an Krankheitserreger.

3. Anlage und Anlagenteile

Gefahren und Beeinträchtigungen können auch von Anlagenteilen und der Anlage selbst ausgehen. Anlagenteile können durch den Betrieb mit gefahrliehen Stoffen kontaminiert sein. Dies gilt z. B. bei Müllverbrennungsanlagen fiir alle Anlagenteile, die mit Rauchgas in Berührung gekommen sind, namentlich der obere Bereich der Brennkammer, die Rauchgasführungen, die Filteranlage, der Dioxinkatalysator, Teile des Wärmeaustauschers sowie der Schornstein. 17 Kontaminierte Anlagenteile können insbesondere bei ihrem Abriß Gefahren verursachen18 , aber auch bei bloßem Verbleib auf dem Anlagengrundstück eine Gefahrenquelle bilden. Auch von Anlagenteilen, die nicht kontaminiert sind, können aufgrund ihrer nicht weiter erfolgenden Nutzung Gefahren ausgehen, z. B. durch leere oder unvollständig geleerte unterirdische Tankbehälter, die korrodieren. 19 Daneben können sonstige Gebäude und technische Einrichtungen Gefahren auf dem Anlagengrundstück auslösen, nämlich wenn das Grundstück von Unbefugten, etwa von spielenden Kindern, betreten wird.20 Auch die Anlage selbst kann eine Gefahrenquelle bilden, man denke etwa an einen Steinbruch 14 15

Vgl. BT-Drucksache ll/4909, S. 14. Beispiel vonFluck, BB 1991, 1797.

16

Beispiel vonFluck, BB 1991, 1797.

17

Pohl, S. 40.

18

19

Vgl.F7uck, BB 1991,1800f. Beispiel von.F7uck, BB 1991, 1797.

20

Beispiel von Vallendar, UPR 1991, 94; aufgegriffen von.F7uck, BB 1991, 1801.

C. Tatsachliche Probleme bei und nach der Betriebseinstellung

23

(Gefahren durch die Bruchkante21 und möglichen Steinschlag) oder, bei baulichen Anlagen, an Einsturzgefahren durch Korrosion oder Materialermüdung. Die bloße Existenz einer stillgelegten Anlage kann schließlich von Nachbarn, etwa wegen des Entzuges von Licht oder einfach in ästhetischer Hinsicht, als Beeinträchtigung empfunden werden; sie kann die Verkehrslage oder die Umsatz- und Wertentwicklung wnliegender Betriebe und Grundstücke negativ beeinflussen und von der Allgemeinheit unter städtebaulichen Gesichtspunkten als Nachteil betrachtet werden.

4. Boden- und Gewässerverunreinigungen

Von allen denkbaren Gefahren, die bei oder nach einer Betriebseinstellung auftreten oder entdeckt werden können, stehen Boden- und Gewässerverunreinigungen durch "Altlasten" ehemaliger Industrieanlagen sicher im Mittelpunkt des Interesses22 ; die Diskussion um das Altlastenproblem mag auch ein Anlaß für die Einfiihrung der Vorschrift des § 5 Abs. 3 BlmSchG gewesen sein23 , wenngleich dies aus den Gesetzgebungsmaterialien nicht hervorgeht.24 Bodenverunreinigungen des Anlagengrundstücks werden - jedenfalls soweit es sich nicht um "uralte", seinerzeit als harmlos erachtete Ablagerungen handelt - regelmäßig auf einen nicht ordnungsgemäßen Betrieb der Anlage zurückgehen25 , etwa durch unsachgemäße Vorgehensweise oder Unfalle bei zum Anlagenbetrieb gehörender Produktion, Transport oder Lagerung gefährlicher Stoffe, also durch direkte Einträge. Sie können aber auch auf Immissionen der Anlage beruhen, und zwar möglicherweise auch auf solchen, die seinerzeit genehmigungskonform verursacht worden sind. Neben dem Boden des Anlagengrundstücks kann sich auch der Boden von Nachbargrundstücken nach der Betriebseinstellung als durch von der Anlage herrührende direkte Einträge, Abfalle oder Immissionen verunreinigt herausstellen und möglicherweise weitergehende Gefahren hervorrufen.26 Sowohl hinsichtlich des Anlagengrundstücks als auch bezüglich der Nachbargrundstücke ist - wie bereits angesprochen 21

Beispiel von Vallendar, UPR 1991, 95. Vgl. F1uck, BB 1991, 1797 ff.;Hansmann, NVwZ 1993,921. 23 Vgl. Vallendar, UPR 1991, 92; Salzwedel, S. 55; auchHansmann, NVwZ 1993,921 f. 24 Vgl. im einzelnen BT-Drucksache ll/4909, S. 1, 13 f., 15, 41; BT-Drucksache 11/6633, S. 6, 29 ff., 44. 25 F1uck, BB 1991, 1797; vgl. auch Vallendar, UPR 1991, 95. 26 Z. B. betraf eine der grundlegenden Ahlasten-Eotscheidungen, der Beschluß des Bay. VGH vom 13.05.1986 -20 CS 86.00338 -, NVwZ 1986, 942 = DVBI. 1986, 1283, einen Fall, in dem es um die Beseitigung chemischer AbB.lle und ihrer Folgewirkungen auf einem Grundstilck ging. neben dem fiilher ein Werksgleis zu einer in der Nähe gelegenen "Chemischen Fabrik" verlief. Die Entscheidungen des VG Berlin vom 12.12.1986- 13 A 490/86 -, NVwZ 1987, 1015 (Fall Sonnenschein) und des VGH BW vom 14.12.1989- 1 S 2719/89-, NVwZ 1990,781 betrafen Fälle, in denen der Boden von Nachbargrundstilcken durch Immissionen verunreinigt war. 22

24

1. Kap.: Gnmdlagen

auch vorstellbar, daß Bodenverunreinigungen durch die bereits genannten Immissionen, etwa schadstoffhaltigen Staubniederschlag oder AbfiUle, erstmalig oder weiterhin drohen. Schließlich können sich auf einem Anlagengrundstück nach der Betriebseinstellung auch Bodenbeeinträchtigungen im weiteren Sinne zeigen, die gar nicht auf den Anlagenbetrieb zurückgehen und gleichwohl Gefahren für die Allgemeinheit oder die Nachbarschaft hervorrufen können: Zu denken ist etwa an Kriegsrückstände wie Bomben oder andere Kampfmittel, aber auch an Bodenverunreinigungen durch von Unbekannten nach Betriebseinstellungen vorgenommene illegale Abfallablagerungen. Als verunreinigt können sich auch Oberflachengewässer auf dem Anlagengrundstück und in der Nachbarschaft herausstellen. In den oben genannten Fällen der Bodenverunreinigung wird zum Teil auch das Grundwasser im Bereich des Anlagengrundstücks und der Nachbarschaft verunreinigt sein oder jedenfalls die Gefahr einer solchen Verunreinigung bestehen.

2. Kapitel

Der Anwendungsbereich des § 5 Abs. 3 Zur Bestimmung des Anwendungsbereiches des § 5 Abs. 3 BlmSchG ist zu klären, welche Anlagen von der Vorschrift erfaßt sind (unter A.) und wie der Begriff der Betriebseinstellung unter Berücksichtigung seiner Funktion in § 5 Abs. 3 BlmSchG im Verhältnis zur Regelung des§ 5 Abs. 1 BlmSchG zu bestimmen ist (unter B.). Schließlich ist kurz auf das Verhältnis des § 5 Abs. 3 BlmSchG zu anderen Gesetzen einzugehen (unter C.).

A. Erfaßte Anlagen L Genehmigungsbedürftige Anlagen Nach § 5 Abs. 3 BlmSchG hat der Betreiber sicherzustellen, daß auch nach einer Betriebseinstellung von "der Anlage" oder dem Anlagengrundstück bestimmte Einwirkungen und Gefahren nicht hervorgerufen werden können und vorhandene Reststoffe in bestimmter Weise entsorgt werden. Den Begriff der Anlage definiert § 3 Abs. 5 BhnSchG fiir das gesamte Bundes-Immissionsschutzgesetz durchgängig. Anlagen sind danach "1. Betriebsstätten und sonstige ortsfeste Einrichtungen, 2. Maschinen, Gerate und sonstige ortsveränderliche technische Einrichtungen sowie Fahrzeuge, soweit sie nicht der Vorschrift des § 38 unterliegen, und 3. Grundstücke, auf denen Stoffe gelagert oder abgelagert oder Arbeiten durchget'Ohrt werden, die Emissionen verursachen können, ausgenommen öffentliche Verkehrswege. "1

Die Vorschrift des § 5 BlmSchG steht innerhalb des Zweiten Teils des Bundes-Immissionsschutzgesetzes im Ersten Abschnitt über"genehmigungsbedürftige Anlagen" und trägt selbst die Überschrift "Pflichten der Betreiber genehmigungsbedürftiger Anlagen.. ; ihr erster Absatz beginnt mit den Worten "Genehmigungsbedürftige Anlagen" und schreibt vor, wie diese zu errichten und zu betreiben sind. Damit wird aus Wortlaut und Systematik der Vorschrift auch ohne erneute Spezifikation "der Anlage" in§ 5 Abs. 3 BlmSchG klar, daß sich die Vorschrift nur auf nach § 4 BlmSchG i.V.m. der 4. BlmSchV genehmiAusftlhrlich zum Anlagenbegriff des§ 3 Abs. S BlmSchG Henkel, S. 26 ff.

26

2. Kap.: Der Anwendungsbereich des§ 5 Abs. 3

gongsbedürftige Anlagen bezieht. Es kommt lediglich auf die Genehmigungsbedürftigkeit an; ob fiir Errichtung und Betrieb der Anlage tatsächlich eine wirksame Genehmigung erteilt worden war, ist ohne Bedeutung.2 Von§ 5 Abs. 3 BlmSchG - wie von allen übrigen Grundpflichten des § 5 BlmSchG erfaßt werden auch anzeigepflichtige Anlagen im Sinne des § 67 Abs. 2 oder des§ 67a Abs. 1 BimSchG.3

II. Betriebseinstellung ab dem 01.09.1990 Es entspricht allgemeiner Auffassung, daß § 5 Abs. 3 BlmSchG nicht fiir Anlagen gilt, deren Betrieb bereits vor Inkrafttreten der Vorschrift, also vor dem 01.09.1990, endgültig und vollständig eingestellt war. 4 Dieses Verständnis der Vorschrift ist indes nicht so selbstverständlich, daß es keiner Begründung bedürfte. Der Wortlaut allein des§ 5 Abs. 3 BlmSchG ist nämlich nicht eindeutig: Zwar ist der derjenige, der den Betrieb einer Anlage bereits vor dem 0 1.09.1990 eingestellt hat, unzweifelhaft nicht mehr "Betreiber" der Anlage im natürlichen Sinne des Wortes. Ob dieser Umstand dazu führen muß, ihn als Adressat der durch § 5 Abs. 3 BlmSchG angeordneten Pflichten auszuscheiden, erscheint jedoch zweifelhaft, wenn man sich vor Augen hält, daß dies fiir denjenigen, der den Betrieb einer Anlage nach diesem Zeitpunkt einstellt, genauso gilt. Auch er ist nach der Betriebseinstellung nicht mehr Betreiber im eigentlichen Sinne, sondern nur noch ehemaliger Betreiber, und doch geltenwie untens noch näher gezeigt werden wird - die Pflichten fiir ihn auch nach der Einstellung des Betriebes weiter. "Ehemaliger" Betreiberaberist der eine wie der andere. Einen Anhaltspunkt dafur, daß das geschilderte Verständnis der Vorschrift richtig ist, bietet der Wortlaut allerdings, wenn man die amtliche Überschrift des gesamten § 5 BlmSchG in die Auslegung einbezieht. Ausweislich dieser Überschrift regelt § 5 BlmSchG die "Pflichten der Betreiber genehmigungsbedürftiger Anlagen". Aus der unveränderten Überschrift könnte man herleiten, daß Adressat aller durch § 5 BlmSchG in der jeweils geltenden Fassung auferlegten Pflichten immer nur derjenige sein kann, der jedenfalls zum Zeitpunkt ihres lnkrafttretens noch aktueller Betreiber ist. Daß der gleiche Begriff "Betreiber" in Absatz 3 der Norm weiter, nämlich auch im Sinne eines ehemaligen 2 So bereits die Bundesregierung in der BegrQndung des Gesetzentwurfs, BT-Drucksache 1114909, s. 15.

3

Vgl. Hansmann, NVwZ 1993, 923; Feldhaus-Vallendar, § 67 BlmSchG Anm. 2.

Nr. 4.6.2 VwVBI NW; Jarass, BlmSchG, § 5 Rn. 85; Junker I de LaRiva I Schwarz, § 5 BlmSchG Anm. 13; Vallendar, UPR 1991, 95; F7uck, BB 1991, 1802; Salzwedel, S. 65; Seibert, DVBI. 1992, 666; Oerder, NVwZ 1992, l032;Hansmann, NVwZ 1993,923. 4

s

3. Kapitel D. I. l.

A Erfaßte Anlagen

27

Betreibers, gemeint ist, besagt nichts Gegenteiliges, denn diese Auslegung ergibt sich aus dem Wesen und dem Sinn der dort speziell getroffenen Regelung und wird im einzelnen durch die Entstehungsgeschichte der Norm belegt.6 In der Überschrift des § 5 BlmSchG aber kann und sollte der Begriff "Betreiber" seinem natürlichen Sinne entsprechend als "aktueller Betreiber" ausgelegt werden. Geht man ferner davon aus, daß die Überschrift auch bestimmt, wer als Adressat zunächst einmal unter den Regelungsbereich der gesamten Norm des § 5 BlmSchG fällt, so ergibt sich, daß dies nur derjenige ist, der zum Zeitpunkt des Inkrafttretens der betreffenden Einzelregelung eine Anlage zumindest noch teilweise betreibt. 7 Als weiteres Argument dafür, daß vor dem 01.09.1990 bereits stillgelegte Anlagen nicht dem Anwendungsbereich des § 5 Abs. 3 BlmSchG unterliegen, kann angefiihrt werden, daß der Gesetzgeber eine derartige zeitliche Rückerstreckung der Norm, wenn er sie gewollt hätte, wohl deutlicher zum Ausdruck gebracht und näher begründet hätte. Dies kann zumal deshalb angenommen werden, weil die Norm damit nachträglich ändernd in abgewickelte, der Vergangenheit angehörende Tatbestände eingegriffen und insofern wohl sogenannte echte Rückwirkung besessen hätte, deren Zulässigkeil verfassungsrechtlich zumindest bedenklich gewesen wäre.8 Jedenfalls wäre es in diesem Fall verfassungsrechtlich angezeigt gewesen, mindestens eine zeitliche Grenze fiir die Rückanknüpfung festzusetzen. 9 Schließlich kann bei der Auslegung berücksichtigt werden, daß auch die bezüglich ihres zeitlichen Anwendungsbereiches in ähnlicher Weise nicht eindeutige Norm des § 10 Abs. 2 AbfG in der dazu veröffentlichten Rechtsprechung und Literatur einhellig so verstanden wird, daß vor Inkrafttreten des Gesetzes bereits stillgelegte Anlagen von ihr nicht erfaßt sind. 10 Wenngleich die dafür angefiihrten Gründe11 nur teilweise auf die Situation der Regelung des § 5 Abs. 3 BlmSchG übertragbar sind und im übrigen hier nicht näher untersucht werden können, sollte dieser Umstand doch dazu fiihren, bei der immissionsschutzrechtlichen Regelung nicht ohne gewichtige Gründe von einer anderen Betrachtungsweise auszugehen. Solche Gründe sind - sieht man von der pauschalisierenden Annahme eines mit einer

1

Naher unten, 3. Kapitel D. I. l. So wohl auch Junker I de LaRiva I Schwarz, § 5 BhnSchG Amn. 13.

Vgl. Salzwedel, S. 65; ganz "zweifellos" wäre die Annahme einer streng am Rechtsstaatsprinzip zu messenden retroaktiven ROckwirkung vor dem Hintergrund der neuen Rechtsprechung des 2. Senats des Bundesverfassungsgerichts (BVerfUE 72, 200 (242 ff.)), der zwischen einer zeitlichen ROckbewirkung von Rechtsfolgen und einer tatbestandliehen ROclcanknOpfung unterscheidet, allerdings auch nicht, vgl. allgerneinJarass, in:Jarass I Pieroth, GO, Art. 20 Rn. 47. 9 Vgl. im abfallrecbtlicben Schrifttum zum Ihnlieb gelagerten Problem in § 10 Abs. 2 AbfG auchHIJsel/vonLersner, § 10 AbfG Rn. 10. 10 Vgl. Bay. VGH, NVwZ 1986, 942; Hess. VGH, NVwZ 1990, 383 (385); Hösel I von Lersner, § 10 AbfG Rn. 10; Schwermer, in: Kunig I Schwermer I Versteyl, § 10 AbfO Rn. 5; Jung, in: Bim I Jung, § 10 AbfO Amn. 2.1; Pohl, S. 64. 8

II

Vgl. vor allemPohl, S. 611f.;H6sellvonLersner, § 10 AbfG Rn. 10.

28

2. Kap.: Der Anwmdnn~ich des § S Abs. 3

Erweiterung des Anwendungsbereiches verbundenen "verbesserten" Umweltschutzes einmal ab - nicht ersichtlich. Insgesamt spricht mithin in der Tat vieles dafür, daß vor dem 01.09.1990 bereits vollständig stillgelegte Anlagen nicht vom Regelungsbereich des § 5 Abs. 3 BlmSchG erfaßt sind. Eindeutig gelten die durch § 5 Abs. 3 BlmSchG auferlegten Pflichten für die Betreiber solcher Anlagen, die im Zeitpunkt des Inkrafttretens des Absatz 3 bereits errichtet und betrieben worden waren. 12 Damit macht die Norm Rechtsfolgen von Gegebenheiten aus der Zeit vor ihrer Verkündung abhängig; sie wirkt auf gegenwärtig noch nicht abgeschlossene Sachverhalte für die Zukunft ein und beeinträchtigt insofern die von dem Sachverhalt der Betriebserrichtung betroffene Rechtsposition. Insoweit liegt nach den Grundsätzen des Bundesverfassungsgerichts13 eine unechte Rückwirkung bzw. eine tatbestandliehe Rückanknüpfung vor. An dieser Charakterisierung der von der Norm entfalteten Rückwirkung als "unecht" ändert sich auch dadurch nichts, daß sie im Einzelfall auch aufgrund von Gefahren eingreifen kann, die durch vor Inkrafttreten der Norm von der Anlage ausgegangene Einwirkungen, insbesondere Immissionen, hervorgerufen werden. 14 Insoweit wird man nicht die Verursachung einzelner Emissionen und daraus hervorgehender Immissionen als isolierte, abgeschlossene Tatbestände werten können. Die Rechtsfolge wird vielmehr stets an den als Dauerhandlung nicht abgeschlossenen Tatbestand des fortlaufenden Betriebes der Anlage insgesamt geknüpft. 15 Selbst bei anderer Betrachtungsweise knüpft die Rechtsfolge nicht an die Verursachung der einzelnen Immission an, sondern an den- auch als "Einzel-Tatbestand" eben nicht abgeschlossenen - Vorgang des anhaltenden Hervorrufens einer aus der Immission drohenden Gefahr. 16 Diese unechte Rückwirkung oder tatbestandliehe Rückanknüpfung ist - gleich ob unmittelbar an den einzelnen Grundrechten oder allgemein am Rechtsstaatsprinzip gemessen - in der Regel zulässig; anderes gilt nur dann, wenn erstens das Gesetz einen Eingriff vorninunt, mit dem der Betroffene nicht zu rechnen brauchte, den er also bei seinen Dispositionen nicht berücksichtigen konnte, und zweitens sein Vertrauen schutzwürdiger als das mit dem Gesetz verfolgte Anliegen ist. 17 Was die Regelung des § 5 Abs. 3 BlmSchG anbelangt, dürfte schon die erste Voraussetzung der ausnahmsweisen 12 Jarass, BlmSchG, § S Rn. 77; Feldhaus-Vallendar, § 67 BlmSchG Anm. 2; Hansmann, NVwZ 1993, 923. 13 Vgl. dazu Jarass, in: Jarass I Pieroth, GG, Art 20 Rn. 49 mit Nachweisen aus der Rechtsprechung. 14 Dazu unten, 3. Kapitel D. ID. 3. b) cc). 15 Vgl. ebenso zur Dauerbandlung des Lagems von Stoffen oder Abflllen, Gieseke I Wiedeman I Czychowski, WHG, § 26 Rn. 21; Schink, DVBI. 1986, 162; Zlehm, S. 108; Kloep[er, lTfR 1, S. 19; Pohl, S. 139. 16 NAher unteo, 3. Kapitel, D. Iß. 3. b) cc). 17 BVeriDE 68, 287 (307); vgl. im Obrigen nur Jarass, in: Jarass I Pieroth, GG, Art 20 Rn. 52 m w. N. aus der Rechtsprechung.

B. Der Begriff der Betriebseinstellung

29

Unzulässigkeil nicht vorliegen. Zum einen mußte seit längerer Zeit mit derartigen gesetzlichen Neuregelungen im gesamten Umwelt-, insbesondere im "Altlasten"-Bereich, gerechnet werden. Vor allem aber konnten jedenfalls seit Geltung des § 5 Abs. 1 Nr. 3 BlmSchG, im Grunde jedoch schon seit jeher, Betreiber nicht darauf vertrauen, bei der Betriebseinstellung "Altlasten" oder sonstige Gefahren zurücklassen zu dürfen; vielmehr mußten sie die Pflicht zu deren Vermeidung oder Beseitigung stets bei ihren Dispositionen während der Errichtung und während des Betriebes berücksichtigen. 18 Insoweit bedarf die Regelung des § 5 Abs. 3 BlmSchG - anders, als wenn ihr "echte" Rückwirkung zukäme - im Grunde keiner besonderen verfassungsrechtlichen Rechtfertigung durch den Hinweis19 darauf, daß vor ihrem Erlaß die Rechtslage in bezug auf die Geltung der Pflichten aus § 5 BlmSchG bei und nach der Betriebseinstellung unklar war, wenngleich dieser Umstand natürlich umso deutlicher gegen einen wie auch immer gearteten Vertrauensschutz auf Nichtregelung und fiir die verfassungsrechtliche Zulässigkeil der gegebenen Rückwirkung spricht.

B. Der Begriff der Betriebseinstellung § 5 Abs. 3 BlmSchG ordnet an, daß bestimmte Pflichten des Anlagenbetreibcrs auch im Hinblick auf die Zeit nach einer Betriebseinstellung bestehen. Zur Bestimmung des Begriffes der Betriebseinstellung ist zunächst zu klären, welche Funktion dem Begriff in der Vorschrift des§ 5 BlmSchG zukommt. L Die Funktion des Begriffes in § 5 Abs. 3 Der Begriff der Betriebseinstellung wird im Bundes-Immissionsschutzgesetz an verschiedenen Stellen verwendet. Als ein Wort findet er sich zwar nur in § 5 Abs. 3 BlmSchG; § 16 Abs. 2 BlmSchG knüpft aber eine Anzeigepflicht daran, daß der Betreiber ''beabsichtigt ... , den Betrieb einzustellen", und§ 17 Abs. 4a BlmSchG begrenzt die Möglichkeit nachträglicher Anordnungen auf einen Zeitraum von zehn Jahren "nach der Einstellung des gesamten Betriebes". Nach einer von Fluck20 vertretenen Auffassung wird der Begriff in diesen Vorschriften, nämlich in§ 5 Abs. 3 BlmSchG einerseits und in den§§ 16 Abs. 2 und 17 Abs. 4a BlmSchG andererseits, "in unterschiedlichem Zusammenhang und Sinn verwendet". Bei § 5 Abs. 3 BlmSchG komme ihm "lediglich die Funktion zu, den Anwendungsbereich der Absätze 1 und 3 abzugrenzen". 21 18

19 20

21

Vgl. Vallendar, UPR 1991,95. VonJarass, BlmScbG, § 5 Rn. 85. In BB 1991, 1800, auch 1802 f. BB 1991, 1800.

30

2. Kap.: Der Anwendungsbereich des§ S Abs. 3

Die Formulierung der zweiten Aussage ist zumindest mißverständlich. Sie könnte so verstanden werden, daß sich die Regelungsbereiche der Vorschriften gegenseitig ausschlössen, daß also ein und derselbe Zustand nicht unter Absatz 1 und gleichzeitig unter Absatz 3 des § 5 BlmSchG fallen könnte. Dies ist aber nicht der Fall, wie sich aus dem Wortlaut der Vorschrift, nämlich dem Wort "auch", und deutlich aus der Entstehungsgeschichte ergibt. Der Regierungsentwurf zu § 5 Abs. 3 BlmSchG hatte noch die Formulierung enthalten "Nach der Betriebseinstellung hat der Betreiber sicherzustellen, daß ... "22 • Der Bundesrat hat auf Empfehlung der Ausschüsse23 die jetzige Gesetzesfassung ("Der Betreiber hat sicherzustellen, daß auch nach einer Betriebseinstellung ... ") vorgeschlagen und zur Begründung ausgefiihrt, es müsse das Mißverständnis vermieden werden, daß die Pflichten des Absatz 3 erst mit der Betriebseinstellung entstünden. 24 Durch die Gesetz gewordene Formulierung wird nunmehr ganz deutlich, daß die Pflichten aus § 5 Abs. 3 BimSchG schon während des Betriebes bestehen.25 Damit gelten während des Betriebes die Anforderungen der Absätze 1 und 3 nebeneinander, wobei Absatz 1 nur bezüglich der in Nr. 3 geregelten Pflicht zur Reststoffvermeidung, Reststoffverwertung und Beseitigung als Abfall gegenüber der Vorschrift des Absatz 3 Nr. 2 als Spezialregelung anzusehen ist. 26 Hinsichtlich der in Absatz 3 Nr. 1 genannten Pflichten ergibt sich hingegen- zumindest theoretisch- eine Erweiterung der bislang durch Absatz 1 Nr. 1 gestellten Anforderungen, weil die in Absatz 3 Nr. 1 auferlegten Pflichten deutlich auch auf die Zukunft, die Zeit nach der Betriebseinstellung, gerichtet sind. Ob der Pflichtenkreis auch dadurch erweitert ist, daß nunmehr ausdrücklich auch Anforderungen in bezug auf das Anlagengrundstück auferlegt werden27 , ist hingegen zweifelhaft. 28 Die Vorschrift des § 5 Abs. 3 BlmSchG gilt also sowohl vor als auch bei und nach der Betriebseinstellung. Insofern erübrigt sich zur Bestimmung allein ihres Anwendungsbereiches grundsätzlich29 auch eine genaue Begriffsdefinition. In der Regel kann die Frage nur lauten, wann oder bis wann daneben die Pflichten aus § 5 Abs. 1 BlmSchG bestehen. Auch wenn sich vor lnkrafttreten des § 5 Abs. 3 BlmSchG mit guten Gründen die Auffassung vertreten ließ, daß die Pflichten aus § 5 Abs. 1 BimSchG, jedenfalls was die Pflicht zur Reststoff22

8T-Drucksachc 11/4909, S. S.

23

8R-Drucksache 155/1/89, S. S f.

24

8R-Drucksache 155/89, S. 4.

Darilber besteht Einigkeit, vgl. F1uck selbst, 88 1991, 1797; Hansmann, NVwZ 1993, 924; Jarass, 8ImSchG, § 5 Rn. 90; Junker I de LaRiva I Schwarz, § 5 8ImSchG Anm. 5; Schmatz I N6thüchs, § 5 8ImSchG Anm. 8; Val/endar, UPR 1991, 92; Salzwedel, S. 56 f.; Nr. 4.6.3 VwVBI 2s

NW.

26 27 28 29

Niher unten, 4. Kapitel A und D. I. SoJunkerldeLaRivaiSchwarz, § S 8ImSchG Anm. 5. Dazu 3. Kapitel C. II. 2. Zu etwa problematischen Ausnahmeflllen bei Teileinsteilungen siehe unter II. 3.

B. Der Begriff der Betriebseinstellung

31

vermeidung, -verwertung und -beseitigung als Abfall in § 5 Abs. 1 Nr. 3 BlmSchG anging, nicht mit der Betriebseinstellung endeten, so wird man nunmehr § 5 Abs. 3 BlmSchG als die Pflichten nach der Betriebseinstellung immissionsschutzrechtlich abschließend regelnde Spezialvorschrift ansehen müssen. Mit der Betriebseinstellung enden also die - nur zu einem geringen Teil weitergehenden- Pflichten aus§ 5 Abs. 1 BlmSchG. Eine "Abgrenzungsfunktion" kommt dem Begriff der Betriebseinstellung in § 5 BlmSchG mithin nur insofern zu, als mit seinem Eintritt der Anwendungsbereich des Absatz 1 endet. Bei der Bestimmung des Begriffes ist dies zu berücksichtigen.

R Begriffsbestimmung l. Grundvoraussetzungen

Ein Merkmal einer Betriebseinstellung ist, daß keine Handlungen mehr vorgenommen werden, die dem Betriebszweck dienen. 30 Unerheblich ist, ob diese Nicht-Vornahme betriebsgemäßer Handlungen, also der Betriebsstillstand, Folge einer Entscheidung des Betreibers, einer behördlichen Maßnahme (etwa gemäß § 20 BlmSchG) oder sonstiger Umstände (z. B. höherer Gewalt) ist. 31 Damit bei einem Betriebsstillstand von einer "Einstellung" des Betriebes gesprochen werden kann, ist ferner die Beachtung eines Zeitmomentes erforderlich: Es darf innerhalb einer bestimmten Zeit nicht mit der Wiedemufnahme des Betriebes zu rechnen sein.32 Wie lang diese Zeitspanne sein muß, ist allerdings unklar.

2. Zeitweilige Einstellungen

Einigkeit herrscht darüber, daß jedenfalls kurzfristige Betriebsunterbrechnungen, z. B. nach Feiembend, am Wochenende, während Wartungs- und Reparaturarbeiten oder während der Betriebsferien, nicht ausreichen. Auch bei etwas längeren, aber bestimmungsgemäßen Betriebsunterbrechungen, wie sie z. B. bei multifunktionalen Anlagen, bei Anlagen, die fiir die Herstellung von Chargen genutzt werden, und bei Kampagne-Betrieben üblich sind, liegt keine Einstellung des Betriebes vor. 33 30 Hansmann, NVwZ 1993, 924; Salzwedel, S. S9; F1uck, BB 1991, 1803 (zu § 16 Abs. 2 BlmSchG), der Sache nach auch S. 1800 (zu§ S Abs. 3 BlmSchG); vgl. auch Nr. 4.6.1 VwVBI NW. 31 Vgl. bereits die Begründung des Regierun~, BT-Drucksache 1114909, S. 15; Nr. 4.6 VwVBI NW; Jarass, BlmSchG, § S Rn. 86; Schmatz I NlJthlichs, § S BlmSchG Amn. 8; F1uck, BB 1991, 1803 (zu§ 16 Abs. 2 BlmSchG). 32 Nr. 4.6.1 VwVBI NW; Salzwedel, S. S9; F1uck, BB 1991, 1800, 1802 f.; Vallendar, UPR 1991, 93 f. 33 Vgl. F1uck, BB 1991, 1800; Hansmann, NVwZ 1993, 924; Vallendar, UPR 1991, 93 (zu § 16 Abs. 2 BlmSchG).

32

2. Kap.: Der Anwendungsbereich des § 5 Abs. 3

Keine Klarheit besteht aber darüber, wie sonstige, insbesondere unplanmäßige Betriebsunterbrechungen auf längere, aber unbestimmte Zeit zu behandeln sind. Nach einer teilweise von behördlicher Seite vertretenen Auffassung soll eine Betriebseinstellung schon dann vorliegen können, "wenn der Belreiber die Wiederaufnahme zwar fiir möglich hält, bis auf weiteres aber keine konkreten Pläne zur Wiederaufnahme hat. "34 Ähnlich wird im Schrifttum zum Teil darauf abgestellt, ob die "alsbaldige Wiederaufnahme der Nutzung zu erwarten ist"J.S oder - etwas abgeschwächt formuliert - ob "mit einer Wiederaufnahme des Betriebes in absehbarer Zeit nicht zu rechnen ist. "36 Dabei wird nicht immer restlos klar, ob sich die Aussagen lediglich auf die Vorschrift des § 16 Abs. 2 BlmSchG oder auch auf § 5 Abs. 3 BlmSchG beziehen.37 Demgegenüber vertritt Fluck38 die Auffassung, daß es sich im Fall einer Anlage, die längere Zeit, aber voraussichtlich nicht länger als 3 Jahre (§ 18 Abs. 1 Nr. 2 BlmSchG) stilliegen soll, um eine vorübergehende Betriebseinstellung handele, auf die § 5 Abs. 3 BlmSchG, nicht aber § 16 Abs. 2 BlmSchG anwendbar sei. Richtig dürfte es zunächst sein, aus § 18 Abs. 1 Nr. 2 BlmSchG die Obergrenze des Zeitraums zu entnehmen, während dessen eine Betriebseinstellung nicht zwingend anzunehmen ist. Nach § 18 Abs. 1 Nr. 2 BlmSchG erlischt die Genehmigung, wenn eine Anlage während eines Zeitraumes von mehr als drei Jahren nicht mehr betrieben worden ist. Mit Erlöschen der Genehmigung aber kann nicht mehr von einer bloßen Betriebsunterbrechung gesprochen werden. Vielmehr erlöschen mit der Genehmigung auch die Pflichten aus § 5 Abs. 1 BlmSchG.39 Nach dreijährigem Betriebsstillstand ist also immer von einer (endgültigen) Betriebseinstellung sowohl im Sinne des § 16 Abs. 2 BlmSchG als auch im Sinne des § 5 Abs. 3 BlmSchG auszugehen. 40 Ferner ist auch die Aussage Flucks, auf eine über kurzfristige Unterbrechungen hinausgehende, aber voraussichtlich nicht länger als drei Jahre dauernde Betriebseinstellung sei § 5 Abs. 3 BlmSchG (im Gegensatz zu § 16 Abs. 2 BlmSchG) ebenfalls anwendbar, fiir sich betrachtet natürlich nicht falsch. Fluck begründet seine Auffassung aber mit dem Argument, die Anwendung des § 5 Abs. 3 BlmSchG auch auf vorübergehende Betriebseinstellungen erscheine sinnvoll, weil der Anwendungsbereich des§ 5 Abs. 1 Nr. 1 BlmSchG

3.S

Nr. 4.6.1 S. 2 VwVBI NW. Vallendar, UPR 1991, 94, unter Hinweis aufBVerwO, UPR 1989, 25.

36

Salzwedel, S. 59; diese Formulierung wird auch in Nr. 4.6.1 S. 1 VwVBI NW verwendet

34

Vgl. Salzwedel, S. 59; Vallendar, UPR 1991,94. BB 1991, 1800. 39 Hansmann, in: Landmann I Rohmer, § 18 BlmSchG, Rn. 42; vgl. auch Fluck, NuR 1989, 412, der dort (vor Inkrafttreten des§ 5 Abs. 3 BlmSchG) aber noch eine Ausnahme filr die Pflicht aus § 5 Abs. 1 Nr. 3 BlmSchG macht. 37

38

40 Vgl. Fluck, BB 1991, 1800; Hansmann, NVwZ 1993, 924.; Jarass, BlmSchG, § 5 Rn. 86; Vallendar, UPR 1991, 94; unklar Salzwedel, S. 59.

B. Der Begriffder Betriebseinstellung

33

auf Errichtung und Betrieb der Anlage beschränkt sei. 41 Demgegenüber ist darauf hinzuweisen, daß der Rückgriff auf § 5 Abs. 3 BlmSchG keine im Belieben des Rechtsanwenders stehende Alternative ist, die man für sinnvoll erachten und von der Anwendbarkeit des § 5 Abs. 1 BlmSchG abhängig machen kann oder auch nicht. Vielmehr bestehen, wie oben bereits erläutert, die Pflichten aus § 5 Abs. 3 BlmSchG unabhängig von der Betriebseinstellung stets, also vorher und nachher. 42 Fraglich ist allein, ob - wie Fluck offenbar annimmt -der Anwendungsbereich des § 5 Abs. 1 (Nr. 1) BlmSchG tatsächlich auf Errichtung und Betrieb der Anlage derart beschränkt ist, daß vorübergehende Betriebseinstellungen nicht davon erfaßt sind. Dafür könnte der Wortlaut des § 5 Abs. 1 BlmSchG sprechen, in dem es heißt "Genehmigungsbedürftige Anlagen sind so ... zu betreiben". Unter "betreiben" im natürlichen Sinne des Wortes dürfte die Vornahme dem Betriebszweck dienender Handlungen zu verstehen sein. Zur systematischen Stützung dieser Auslegung des Begriffes "betreiben" ließe sich an eine Heranziehung des § 18 Abs. 1 Nr. 2 BlmSchG denken, der davon spricht, daß eine Anlage während eines Zeitraums von mehr als drei Jahren "nicht mehr betrieben" worden ist. Bei§ 18 Abs. 1 Nr. 2 BlmSchG aber kommt es auf die Gründe des NichtBetreibensnicht an. Auch höhere Gewalt reicht dazu aus.43 Die Frist beginnt am Tag nach der letzten Betriebshandlung" und wird durch jede vorübergehende Betriebsaufilahme unterbrochen, d. h., beginnt danach erneut zu laufen.4~ Insoweit ist bei § 18 Abs. 1 Nr. 2 BlmSchG also eine tatsächliche Betrachtungsweise maßgeblich, die Betriebsstillstande jeder Art zum "Nichtbetreiben" rechnet. Legte man den Begriff ''betreiben" in § 5 Abs. 1 BlmSchG ebenso aus wie in § 18 Abs. 1 Nr. 2 BlmSchG, so lägen Betriebsstillstände in der Tat außerhalb seines Anwendungsbereiches. Eine solche Deckungsgleichheit der Begriffe in § 5 Abs. 1 BlmSchG und § 18 Abs. 1 Nr. 2 BlmSchG kann aber nach den unterschiedlichen Zwecken der beiden Vorschriften nicht angenommen werden. Der Norm des § 18 Abs. 1 Nr. 2 BlmSchG liegen Billigkeitserwägungen und Interessenahwägungen zugrunde, die es sachgerecht erscheinen lassen, daß der Betrieb nach längerem Stilliegen erst nach Prüfung seiner Auswirkungen in einem neuen Genehmigungsverfahren wieder aufgenommen werden darf. 46 Die durch § 5 Abs. 1 41

BB 1991, 1800.

42

So auch Fluck selbst, BB 1991, 1797 und 1800. Allerdings fllhrt die Betriebseinstellung in

gewisser HinSicht zu einer "Aktivierung" der Nacbsorgepßicbten, d h. es sind alsbald entsprechende Maßnahmen filr die Zeit der Nachbetriebsphase zu ergreifen, vgl. Hansmann, NVwZ 1993, 925. 43 Hansmann, in: Landmann I Rohmer, § 18 BlmSchG Rn. 29. 44 Hansmann, in: Landmann I Rohmer, § 18 BlmSchG Rn. 30; Schmatz I N6thlichs, § 18 BhnSchG Anm. 3; a. AStich I Porger, § 18 BhnSchG Rn. 8. 45 Hansmann, in: Landmann I Rohmer, § 18 BlmSchG Rn. 30. 46 Hansmann, in: Landmann I Rohmer, § 18 BlmSchG Rn. 2. 3 Dierkes

2. Kap.: Der Anwendungsbereich des § S Abs. 3

34

BimSchG dem Anlagenbetreiber auferlegten Pflichten dienen hingegen dem Schutz der Nachbarschaft und der Allgemeinheit sowie der Vorsorge gegen schädliche Umwelteinwirkungen. Dies fiihrt zu Unterschieden in der Auslegung des Begriffes ''betreiben". So setzt etwa§ 18 Abs. 1 Nr. 2 BimSchG nach allgemeiner Meinung17 einen legalen Betrieb voraus, während es insoweit bei § 5 Abs. 1 BimSchG nur auf das tatsächliche Betreiben ankommt. Auf der anderen Seite kann eine rein tatsächliche Betrachtungsweise bei § 5 Abs. 1 BlmSchG im Gegensatz zu § 18 Abs. 1 Nr. 2 BlmSchG in der zeitlichen Dimension nicht überzeugen. So wird von niemandem angenommen, daß die Pflichten aus § 5 Abs. 1 BimSchG bei kürzeren Betriebsunterbrechungen enden, während die Frist des § 18 Abs. 1 Nr. 2 BimSchG dadurch jedenfalls in Gang gesetzt, wenn auch nicht erreicht wird. Warum die Pflichten aus § 5 Abs. 1 BlmSchG dann aber bei etwas längeren, jedoch (voraussichtlich) ebenso vorübergehenden Betriebsstillständen erlöschen sollen, ist nicht einsichtig. Insbesondere erscheint es nicht zweckgerecht, die Pflichten gemäß § 5 Abs. 1 Nr. 2 BimSchG zur Vorsorge gegen schädliche Umwelteinwirkungen und gemäߧ 5 Abs. 1 Nr. 3 BimSchG zur gegenüber der Beseitigung als Abfall vorrangigen Reststoffvermeidung und -verwertung während vorübergehender Unterbrechungen erlöschen und erst bei der jeweiligen Wiederaufnahme des Betriebes erneut aufleben zu lassen. So entsprach es auch vor Geltung des § 5 Abs. 3 BimSchG wohl einhelliger, auch von Fluc'Jc4& geteilter Meinung, daß die Pflichten aus § 5 Abs. 1 BimSchG im Regelfall nicht vor der Genehmigung nach Ablauf von drei Jahren erlöschen. Nach Inkrafttreten des § 5 Abs. 3 BimSchG besteht kein Anlaß, diese Betrachtungsweise aufzugeben. Bei zeitweiligen Betriebseinstellungen, die unter drei Jahren liegen, gilt also § 5 Abs. 1 BimSchG49 , und zwar grundsätzlich auch dann, wenn zu Beginn der voraussichtlich zeitweiligen Einstellung noch keine "konkreten" Pläne zur Wiederaufnahme vorliegen50 und nicht unbedingt die "alsbaldige" (weit vor Ablauf von drei Jahren erfolgende) Wiederaufnahme der Nutzung zu erwarten ist. Allerdings kommt die hier vertretene Fortgeltung der Anwendung des § 5 Abs. 1 BlmSchG bis zu maximal drei Jahren nach der letzten Betriebshandlung natürlich nur dann in Betracht, wenn der Betriebsstillstand, sei er planmäßig oder ungewollt eingetreten, voraussichtlich nur vorübergehend ist (und zwar Statt aller Jarass, BlmSchG, § 18 Rn 4. NuR 1989, 412, wobei F1uck seinerzeit mit Recht von einer Fortgeltung des § S Abs. 1 Nr. 3 Qber diesen Zeitpunkt hinaus ausging. 47 48

49 So im Ergebnis auch Jarass, BlmSchG, § S Rn 86; wohl auch Hansmann, in: Landmann I Rohmer, § 18 BlmSchG Rn 42 und NVwZ 1993, 925, der andererseits eine Betriebseinstellung annimmt, wenn der Belreiber beim Abfahren der Anlage nicht die kookrete Absicht hat, sie innerhalb der Drei-Jahn:s-Frist wieder in Betrieb zu setzen. 50 Richtig an der in Nr. 4.6.1 S. 2 VwVBI NW zum Ausdruck kommenden Auffassung ist natQrJicb, daß eine Betriebseinstellung angenonunen werden kann, ja sogar angenommen werden muß, wenn sich die "bis auf weiteres" vagen PlAne zur Wieder:aufhahme nicht im Laufe der Zeit konkretisieren und innerhalb von drei Jahren realisieren.

B. Der Begriff der Betriebseinstellung

35

innerhalb von drei Jahren) und der Betreiber nicht ausdrücklich oder konkludent zu erkennen gibt, daß er eine Wiederaufnahme des Betriebes nicht anstrebt. Zeigt der Betreiber hingegen eine planmäßige oder auch eine ihm erst im Laufe eines längeren Betriebsstillstandes von zunächst ungewisser Dauer durch die Umstände aufgezwungene, nunmehr voraussichtlich länger dauernde Betriebseinstellung gegenüber der Behörde ans• und führt er die Stillegongsmaßnahmen durch, so gilt ab ihrer vorschriftsmäßigen Beendigung der Betrieb als eingestellt; die Pflichten aus § 5 Abs. 1 BlmSchG erlöschen dann ab diesem Zeitpunkt.

3. Teileinsteilungen und Kapazitätsreduzierungen

Die Frage, wie Telleinstellungen des Anlagenbetriebes und Kapazitätsreduzierungen im Rahmen des § 5 BlmSchG zu beurteilen sind, wird im bislang veröffentlichten Schrifttum - soweit ersichtlich - nur von Flucks2 , Jarass53 und HansmannS4 angesprochen; die übrigen Stellungnahmen55 beziehen sich nur auf ihre Behandlung bei der Anwendung des § 16 Abs. 2 BlmSchG. Nach Jarass56 fällt eine teilweise Stillegong unter Absatz 1, nicht unter Absatz 3. Flucks1 meint hingegen, § 5 Abs. 3 BlmSchG erfasse ebenfalls Teilstillegongen von Anlagen; auch die nicht nur kurzfristige Einstellung eines Teiles des Betriebes der Anlage oder des Betriebes eines Anlagenteiles, einer Nebeneinrichtung oder einer Anlage bei einer gemeinsamen Anlage sei hierzu zu zählen. Nach Hansmannss führt eine Teileinstellung zur "Aktivierung" der Pflichten aus § 5 Abs. 3 BlmSchG, wenn es sich bei den stillgelegten Teilanlagen oder Nebeneinrichtungen um selbständige betreibbare genehmigungsbedürftige Anlagen handelt. Die Auffassung Flucks ist im Ergebnis insoweit richtig, als die Vorschrift des § 5 Abs. 3 BlmSchG, wie bereits mehrfach ausgeführt, ohnehin vor und nach Betriebseinstellung gilt, so daß sie auch bei einer Teileinstellung sowohl bezüglich des stillgelegten Teiles der Anlage als auch hinsichtlich des weiter betriebenen Teiles grundsätzlich Anwendung finden muß. Klärungsbedürftig ist aber wiederum vor allem, wann eine Betriebseinstellung in dem Sinne vorliegt, daß daneben § S Abs. 1 BlmSchG nicht mehr gilt. SI Dazu wird man ilm umgekehrt als nach § 16 Abs. 2 BlmSchG verpflichtet ansehen müssen, wenn und sobald die Betriebseinstellung voraussichtlich lAnger als drei Jahre dauert.

Sl Sl

S4

ss

56

S? SB

BB 1991, 1800. BlmSchG, § 5 Rn. 86. NVwZ 1993,925. Vgl. Valkndar, UPR 1991, 94; Salzwedel, S. 62 f. BlmSchG, § 5 Rn. 86. BB 1991, 1800. NVwZ 1993, 925.

36

2. Kap.: Der Anwendungsbereich des § S Abs. 3

Soweit es sich bei dem stillgelegten "Teil" der Anlage um einen Anlagenteil oder eine Nebeneinrichtung handelt. auf das sich nach § 1 Abs. 2 der 4. BlmSchV das Genehmigungserfordernis nicht erstrecktS9, kommt eine § 5 Abs. 1 BlmSchG ausschließende, alleinige Anwendung des § 5 Abs. 3 BimSchG von vornherein nicht in Betracht. In diesem Fall unterliegt der Teil, dessen Betrieb eingestellt wird, als solcher ohnehin nicht dem Regelungshereich des § 5 Abs. 3 BimSchG, da es sich bei ihm nicht um eine genehmigungsbedürftige Anlage oder einen dazugehörenden Teil handelt. Vielmehr unterliegt allein die verbleibende genehmigungsbedürftige Anlage insgesamt weiterhin § 5 Abs. 1 BimSchG und daneben § 5 Abs. 3 BimSchG. Aber auch soweit der Betrieb von Anlagenteilen. Verfahrensschritten oder Nebeneinrichtungen eingestellt wird, auf die sich gernaß § 1 Abs. 2 der 4. BimSchV das Genehmigungserfordernis erstreckt. die weiterbetriebenen Anlagenteile aber nach wie vor eine genehmigungsbedürftige Anlage bilden, dürfte es richtig sein, auf die gesamte Anlage einschließlich des stillgelegten Teiles auch weiterhin§ 5 Abs. 1 BlmSchG anzuwenden.60 Wenn auch zuzugeben ist. daß es sich in der Praxis nicht allzu gravierend auswirken dürfte, ob man auf den stillgelegten Teil der Anlage ausschließlich § 5 Abs. 3 BimSchG oder daneben auch § 5 Abs. 1 BimSchG anwendet. erscheint es doch weder vom Wortlaut des § 5 BimSchG geboten noch von seinem Zweck her sinnvoll, etwa bezüglich anfallender und vorhandener Reststoffe danach zu differenzieren. ob sie im einzelnen aus dem weiterbetriebenen oder dem stillgelegten Anlagenteil stammen. Vielmehr ist maßgeblich darauf abzustellen, daß es sich insgesamt um innerhalb einer weiterbetriebenen Anlage angefallene Reststoffe handelt. die einheitlich unter § 5 Abs. 1 Nr. 3 BimSchG subsumiert werden können. Die gleichen Erwägungen gelten. wenn es sich bei dem stillgelegten Betriebsteil um eine Teilanlage handelt. die mit mehreren Anlagen derselben Art eine genehmigungsbedürftige gemeinsame Anlage im Sinne des § 1 Abs. 3 der 4. BimSchV bildet. oder um zu einer Anlage gehörende Teile oder Nebeneinrichtungen. die je gesondert genehmigungsbedürftig wären, für die aber gernaß § 1 Abs. 4 der 4. BimSchV lediglich eine Genehmigung erteilt wurde. Auch in diesen Fällen kann man nicht von einer den Regelungsbereich des § 5 Abs. 1 BimSchG teilweise sperrenden Betriebseinstellung im Sinne des § 5 Abs. 3 BlmSchG ausgehen. 61 Vielmehr gilt auch hier für die gesamte Anlage weiterhin § 5 Abs. 1 BlmSchG und daneben, nicht aber aufgrund einer (erfolgten) Betriebseinstellung und auch nicht für den stillgelegten Teil ausschließlich, § 5 Abs. 3 BimSchG.

Naher zum Anlagenwnfang nach § 1 Abs. 2 der 4. BhnSchV wrten, 3. Kapitel C. li. 1. So auchHansmann, NVwZ 1993,925. 61 A A ßlr den Fall des§ 1 Abs. 4 der 4. BhnSchV wohl Hansmann, NVwZ 1993, 925, der insoweit jedenfalls eine "Aktivierung" der Pflichten aus § S Abs. 3 annimmt. sg

60

B. Der Begriffder Betriebseinstellung

37

Eine Betriebseinstellung liegt auch nicht vor, wenn die Kapazität oder die Einsatzmenge verringert oder der Anlagenzweck oder die Betriebsweise geändert wird, die weiterbetriebene Anlage aber nach wie vor genehmigungsbedürftig bleibt. Auch hier gilt weiterhin § 5 Abs. I BlmSchG. In all diesen Fällen- und im oben beschriebenen Sinne -ist also der Auffassung von Jarass, eine teilweise Stillegung "falle" unter Absatz I (und nicht ausschließlich unter Absatz 3), zuzustimmen. Hingegen endet der Anwendungsbereich des § 5 Abs. I BlmSchG selbstverständlich dort, wo die weiterbetriebenen Anlagenteile oder Teilanlagen keine genehmigungsbedürftige Anlage nach der 4. BlmSchV bilden. Dies kann bei echten "Einstellungen" des Betriebes einzelner Teilanlagen oder Anlagenteile eintreten, aber auch bei Reduzierungen der Kapazität oder der verwendeten Einsatzmenge oder bei Änderungen des Anlagenzwecks. In diesen Fällen unterliegt die weiterbetriebene Anlage als solche den Anforderungen des § 22 BlmSchG. Fraglich ist, ob und gegebenenfalls inwieweit daneben § 5 Abs. 3 BlmSchG zur Anwendung kommt. Gemäß § 22 Abs. 2 BlmSchG bleiben weitergehende öffentlich-rechtliche Vorschriften unberührt. Diese Vorschrift, die den ihr zugedachten Zweck der Klarstellung in mehrfacher Hinsicht nur unzureichend erfüllt62 , macht zumindest deutlich, daß § 22 Abs. I BlmSchG keine die Anwendbarkeit strengerer oder konkreterer bundesrechtlicher Vorschriften ausschließende Spezialregelung enthält. Auch das Bundes-Immissionsschutzgesetz selbst kann danach in anderen Vorschriften weitergehende Anforderungen an die Anlage stellen. Die Anwendbarkeit des § 5 Abs. 3 BlmSchG auf die ehemals genehmigungsbedürftige, nunmehr genehmigungsfreie Anlage ist also nicht durch § 22 BlmSchG selbst ausgeschlossen. Ob eine derartige Teileinstellung oder Kapazitätsreduzierung als eine in den Regelungsbereich des § 5 Abs. 3 BlmSchG fallende "Betriebseinstellung" anzusehen ist, ist durch Auslegung zu ermitteln. Der Wortlaut der Vorschrift ist offen. Der natürliche Wortsinn spricht im Kontext des § 5 BlmSchG wohl eher dafür, nur eine vollständige Aufgabe des Anlagenbetriebes als "Betriebseinstellung" zu verstehen. Insbesondere bloße Reduzierungen der Kapazität oder der verwendeten Einsatzmenge ohne jede Stillegung von Anlagenteilen lassen sich schwer als Betriebseinstellung auffassen. Auf der anderen Seite läßt der Wortlaut bei systematischer Betrachtung der gesamten Vorschrift des § 5 BlmSchG aber für die gegenteilige Auslegung insofern Raum, als sich § 5 Abs. 3 wie § 5 Abs. I auf genehmigungsbedürftige Anlagen bezieht und der Betreiber durch die teilweise Stillegung oder Kapazitätsreduzierung ganz wie durch eine vollständige Einstellung bewirkt, daß keine dem Regelungsbereich des § 5 Abs. 1 BlmSchG unterfallende genehmigungsbedürftige Anlage mehr betrieben wird. Insofern stellt der Betreiber den "Betrieb einer genehmigungsbedürftigen An62

Vgl. Hansmann, in: Landmann I Rohmer, § 22 BlmS