Die Bedeutung der gesellschaftsrechtlichen Treuepflicht im Insolvenzplanverfahren: Retrospektive auf die Suhrkamp-Insolvenz [1 ed.] 9783428550708, 9783428150700

In order to relieve the reorganisation of companies' corporate law has been linked with insolvency law in the year

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German Pages 385 Year 2017

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Die Bedeutung der gesellschaftsrechtlichen Treuepflicht im Insolvenzplanverfahren: Retrospektive auf die Suhrkamp-Insolvenz [1 ed.]
 9783428550708, 9783428150700

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Schriften zum Bürgerlichen Recht Band 469

Die Bedeutung der gesellschaftsrechtlichen Treuepflicht im Insolvenzplanverfahren Retrospektive auf die Suhrkamp-Insolvenz

Von

Jens-Hendrik Kern

Duncker & Humblot · Berlin

JENS-HENDRIK KERN

Die gesellschaftsrechtliche Treuepflicht im Insolvenzplanverfahren

Schriften zum Bürgerlichen Recht Band 469

Die Bedeutung der gesellschaftsrechtlichen Treuepflicht im Insolvenzplanverfahren Retrospektive auf die Suhrkamp-Insolvenz

Von

Jens-Hendrik Kern

Duncker & Humblot · Berlin

Die Juristische und Wirtschaftswissenschaftliche Fakultät der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg hat diese Arbeit im Jahre 2016 als Dissertation angenommen.

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

Alle Rechte vorbehalten

© 2017 Duncker & Humblot GmbH, Berlin Satz: L101 Mediengestaltung, Fürstenwalde Druck: buchbücher.de gmbh, Birkach Printed in Germany ISSN 0720-7387 ISBN 978-3-428-15070-0 (Print) ISBN 978-3-428-55070-8 (E-Book) ISBN 978-3-428-85070-9 (Print & E-Book) Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier entsprechend ISO 9706

Internet: http://www.duncker-humblot.de

In Liebe meiner Frau, in Dankbarkeit meiner Familie sowie in Bewunderung für und Verneigung vor meinem Großvater, Rechtsanwalt und Notar, Georg Arning (1927–2017).

Vorwort Die vorliegende Arbeit wurde im Wintersemester 2015/2016 von der Juristischen und Wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät der Martin-LutherUniversität Halle-Wittenberg als Dissertationsschrift angenommen. Literatur und Rechtsprechung konnten bis Januar 2016 berücksichtigt werden. Großer Dank gilt meinem sehr geschätzten Doktorvater Herrn Professor Dr. Stephan Madaus. Seine umgehende Betreuungszusage, seine ständige Verfügbarkeit, seine Geduld und sein Interesse am bearbeiteten Thema waren mir eine große Hilfe, ohne die eine Fertigstellung der Arbeit in der vorliegenden Form und der vergleichsweise kurzen Zeit nicht möglich gewesen wäre. Respekt hat mir nicht nur sein Fachwissen, sondern auch seine Persönlichkeit abverlangt. Hervorzuheben sind ferner die hervorragenden von Professor Dr. Stephan Madaus in Kooperation mit Professor Dr. Christoph G. Paulus veranstalteten Doktoranden-Workshops. Das Feedback von und der Austausch mit den Kollegen waren stets ermutigend und für die weitere Entwicklung der Arbeit sehr hilfreich. Besonderer Dank ist auch Herrn Professor Dr. Lucas F. Flöther geschuldet, dessen Zweitgutachten innerhalb weniger Wochen vorlag. Durch die schnelle Erstellung beider Gutachten konnte die Verteidigung der Dissertation schon wenige Monate nach ihrer Annahme erfolgen. Dies ist mit Blick auf das Schicksal einer Vielzahl von Wegbegleitern bei Weitem keine Selbstverständlichkeit. Weiter danke ich meinen Eltern, insbesondere meiner Mutter, Rechtsanwältin Gesine Arning, von ganzem Herzen! Alles Erreichte ist Ergebnis der unendlichen elterlichen Mühen, die von Anfang an selbstlos allein auf das Wohlergehen und die Förderung der nicht immer ganz einsichtigen Sprösslinge gerichtet waren. Eine Erkenntnis, die erst die Zeit mit sich bringt. Während des Referendariats und der Promotion hatte ich das große Glück, meine Ehefrau Natalie zu finden. Sie war mir an jedem einzelnen Tag der Arbeit an der vorliegenden Dissertationsschrift, deren größte Herausforderung der bescheidene tägliche Fortschritt darstellte, durch ihre bezaubernde Art die mächtigste Stütze. Ich danke Dir sehr! Schließlich stand mir noch eine lange Reihe weiterer lieber Menschen zur Seite. Für stundenlanges Zuhören, für wertvolle Anregungen und für schlicht intensive Ablenkung danke ich – keinesfalls abschließend! – Stephan Spiller,

8 Vorwort

Silke Arning, Frauke Kern, Dr. Sebastian und Desirée Fuchs, Monika P ­ opken, Martin und Sarah Mayerhofer, Constantin und Shari von Deimling, Kevin Kurth und Becci Brühl, Fabian Imach, Robin Bachmayer, Carsten Baran, Dr. Daniel Petzold, Dr. Stephan Dangelmayer, Theresa Selder, Dominik Kirschvink und Julia Siedhoff.

München im Januar 2017



Hendrik Kern

Inhaltsübersicht Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25 A. Reformiertes Insolvenzplanverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 29 I. Die Entstehung des Insolvenzplanverfahrens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 29 II. Die Grundzüge des Insolvenzplanverfahrens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 38 III. Die Verzahnung von Gesellschafts- und Insolvenzrecht durch das ESUG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 41 IV. Die Schwächung der Rechtsposition der Anteilsinhaber . . . . . . . . . . . . 44 V. Die Insolvenz der Suhrkamp Verlag GmbH & CO. KG . . . . . . . . . . . . 55 VI. Die Treuepflicht als Rechtsschutz der Minderheitsgesellschafter  . . . . 63 B. Gesellschaftsrechtliche Treuepflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 68 I. Abstrakte Funktionsbegründung der Treuepflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . 69 II. Entwicklung und Dogmatik der Treuepflicht in der Rechtsprechung . . 70 III. Ergänzende Erklärungsmodelle zur Dogmatik der Treuepflicht  . . . . . . 87 IV. Gesamtanalogie zur Begründung einer Generalklausel des Gesellschaftsrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 105 V. Der Treuepflicht zugrunde liegende Wertungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 112 C. Fortgeltung der Treuepflicht in der Insolvenz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 125 I. Gesellschaftsrechtliche Fortsetzungsfähigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 126 II. (Keine) Verfassungsrechtliche Fortsetzungsnotwendigkeit . . . . . . . . . . . 173 III. Reichweite der insolvenzrechtlichen Derogation der Treuepflicht  . . . . 192 IV. Inhaltliche Ausgestaltung der Treuepflicht im Insolvenz(plan)verfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 273 D. Treuepflichtbindungen im Planverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 303 I. Vorlage eines Insolvenzplans, § 218 Abs. 1 S. 1 InsO  . . . . . . . . . . . . . 303 II. Planinhalt – gesellschaftsrechtliche Maßnahmen, § 225a Abs. 3 InsO . 308 III. Stellungnahme zum Plan, § 232 Abs. 1 Nr. 2 InsO  . . . . . . . . . . . . . . . 311 IV. Antrag auf Aussetzung von Verwertung und Verteilung, § 233 S. 1 InsO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 312 V. Recht der Planänderung, § 240 S. 1 InsO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 313 VI. Gehörsrecht, § 248a Abs. 2 InsO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 315 VII. Sofortige Beschwerde, § 248a Abs. 4 S. 1 InsO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 316 E. Rechtsfolgen und prozessuale Durchsetzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 319 I. Insolvenzgerichtliche Durchsetzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 319 II. Zivilgerichtliche Durchsetzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 324

10 Inhaltsübersicht F. Schlussbetrachtung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 342 I. Bedeutung der Treuepflicht: Retrospektive auf die Suhrkamp-Insolvenz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 342 II. Zusammenfassung: Begründung und eigene Thesen . . . . . . . . . . . . . . . 345 Entscheidungsverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 361 Gesetzgebungsdokumentation InsO / ESUG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 365 Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 367 Sachwortregister . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 383

Inhaltsverzeichnis Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25 A. Reformiertes Insolvenzplanverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 29 I. Die Entstehung des Insolvenzplanverfahrens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 29 1. Die Vorläufer des Insolvenzplans in der deutschen Rechtsordnung . 30 2. Die Reformbedürftigkeit von Vergleichs- und Konkursordnung . . . . 31 3. Der Reformprozess bis zur Kodifizierung der Insolvenzordnung . . . 33 4. Der Einfluss des US-amerikanischen Chapter 11-Verfahrens . . . . . . 36 II. Die Grundzüge des Insolvenzplanverfahrens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 38 III. Die Verzahnung von Gesellschafts- und Insolvenzrecht durch das ESUG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 41 IV. Die Schwächung der Rechtsposition der Anteilsinhaber . . . . . . . . . . . . 44 1. Die leerlaufenden Schutzinstrumente der InsO . . . . . . . . . . . . . . . . . 44 2. Das Missbrauchspotenzial gegenüber Minderheitsgesellschaftern  . . 46 3. Der residuale Vermögensschutz des Minderheitsgesellschafters, § 226 InsO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 49 4. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 54 V. Die Insolvenz der Suhrkamp Verlag GmbH & CO. KG . . . . . . . . . . . . 55 1. Die Herbeiführung der Insolvenz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 56 2. Der Plan zur Umgehung gesellschaftsrechtlicher Zustimmungs­ rechte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 58 3. Die Entscheidungen des Landgerichts Frankfurt / M. v. 10.09.2013 und des Oberlandesgerichts Frankfurt / M. v. 1.10.2013 . . . . . . . . . . 60 VI. Die Treuepflicht als Rechtsschutz der Minderheitsgesellschafter  . . . . 63 1. Die Rezeption in der Rechtswissenschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 63 2. Die Untersuchungsbedürftigkeit der aufgeworfenen Fragen . . . . . . . 65 B. Gesellschaftsrechtliche Treuepflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 68 I. Abstrakte Funktionsbegründung der Treuepflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . 69 II. Entwicklung und Dogmatik der Treuepflicht in der Rechtsprechung . . 70 1. Die Treuepflicht als Ausprägung des Sittengebots nach §§ 138, 826 BGB  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 71 a) Zurückhaltung im Hibernia-Urteil (1908) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 71 b) Rechtsprechungsänderung im Deutsche BergbaugewerkschaftUrteil (1923) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 73 2. Die Fundierung in § 242 BGB und die Prägung des Terminus „Treuepflicht“  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 75 a) Das Victoria-Urteil (1931) und die Rechtsentwicklung der 1930er Jahre . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 76

12 Inhaltsverzeichnis b) Fortsetzung und weitere Entwicklung in der Rechtsprechung des BGH . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 77 aa) Das ITT-Urteil (1975) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 78 bb) Das Audi / NSU-Urteil (1976) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 79 cc) Das LINOTYPE-Urteil (1988)  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 80 dd) Das GIRMES-Urteil (1995)  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 81 ee) Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 82 c) Rezeption in der Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 83 aa) Sonderverbindung der Gesellschafter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 85 bb) Materielle Beschränktheit des § 242 BGB . . . . . . . . . . . . . . . 86 III. Ergänzende Erklärungsmodelle zur Dogmatik der Treuepflicht  . . . . . . 87 1. Die Förderungspflicht gem. § 705 BGB  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 88 2. Vermittelnder und differenzierender Ansatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 91 3. Schutz über das Deliktsrecht  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 92 4. Heranziehung der Lehre vom gesetzlichen Schutzpflichtverhältnis . 96 5. Anwendung der Grundsätze des Vertrags mit Schutzwirkung zugunsten Dritter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 97 6. Vertragliche Pflicht – Inhalt eines selbstständigen Schuldverhält­ nisses . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 99 a) Ergänzende Personengesellschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 100 b) Unmittelbare vertragliche Bindung der Gesellschafter . . . . . . . . . 101 7. Die Treuepflicht als Gegenstand der Satzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . 103 IV. Gesamtanalogie zur Begründung einer Generalklausel des Gesellschaftsrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 105 1. Bedürfnis eines ganzheitlichen Ansatzes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 107 2. Voraussetzungen richterlicher Rechtsfortbildung . . . . . . . . . . . . . . . . 108 V. Der Treuepflicht zugrunde liegende Wertungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 112 1. Vertrauensschutz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 112 2. Korrelat aus Rechtsmacht und Verantwortung . . . . . . . . . . . . . . . . . . 115 a) Die Einbeziehung von Gesellschafter-Gläubigern . . . . . . . . . . . . 118 b) Materiell-rechtliche Grundlegung des Wertekonzepts der Treuepflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 122 C. Fortgeltung der Treuepflicht in der Insolvenz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 125 I. Gesellschaftsrechtliche Fortsetzungsfähigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 126 1. Allgemeine Fortgeltung des Gesellschaftsrechts . . . . . . . . . . . . . . . . 127 2. Anerkannte Geltungsräume der Treuepflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 129 a) Vormitgliedschaftliche Treuepflicht, Treuepflicht in der Gründung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 129 b) Nachmitgliedschaftliche Treuepflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 131 c) Besondere Treuepflichtbindung bei existenzbedrohlicher Krise . 134 d) Fortgeltung der Treuepflicht in der Liquidationsgesellschaft  . . . 137 aa) Gesellschaftsrechtlich begründete Liquidation . . . . . . . . . . . . 137 bb) Insolvenzrechtlich begründete Liquidation . . . . . . . . . . . . . . . 139

Inhaltsverzeichnis13 (1) Historische gesellschaftsrechtliche Neutralität der InsO (a. F.) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 141 (2) Das Konzept zur Einbindung von Gesellschaftern (nach InsO a. F.) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 143 (3) Sanierung des Rechtsträgers mittels Treuepflicht (nach InsO a. F.) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 145 (4) Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 151 e) Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 152 3. Fortgeltung der Treuepflicht nach ihrer dogmatischen Konzeption . 154 a) Regelungslücke nach neuer Rechtslage  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 155 b) Fortgeltung der herangezogenen gesetzgeberischen Wertungen  . 158 c) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 160 4. Verlust des originären Gesellschaftszwecks . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 160 a) Kein Liquidationsautomatismus: Auflösung als Schwebezustand . 162 b) Keine ausschließliche Anknüpfung an den Gesellschaftszweck  . 167 c) Fortbestehende Notwendigkeit eines Korrelats . . . . . . . . . . . . . . . 168 d) Kompetenz der richterlichen Rechtsfortbildung . . . . . . . . . . . . . . 170 5. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 171 II. (Keine) Verfassungsrechtliche Fortsetzungsnotwendigkeit . . . . . . . . . . . 173 1. Schutz des Anteilseigentums, Art. 14 GG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 173 a) Treuepflicht als Schutzinstrument der Eigentumsgarantie . . . . . . 173 b) Verfassungsrechtlicher Schutz des Anteilseigentums . . . . . . . . . . 175 c) Eingriff mittels Insolvenzplan . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 177 d) Verfassungsrechtliche Rechtfertigung – Schranken des Anteilseigentums . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 178 aa) Voraussetzungen nach Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 180 (1) Gewichtige Gründe des Gemeinwohls . . . . . . . . . . . . . . 181 (2) Wirksame Rechtsbehelfe gegen Missbrauch wirtschaft­ licher Macht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 182 (3) Volle wirtschaftliche Kompensation . . . . . . . . . . . . . . . . 184 bb) Übertragbarkeit auf andere Gesellschaftsformen . . . . . . . . . . 184 cc) Übersteigendes Schutzbedürfnis bei höherer Beteiligung . . . 185 (1) Geringe Eingriffsintensität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 186 (2) Wahrung der Verhältnismäßigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . 188 e) Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 190 2. Schutz der Vereinigungsfreiheit, Art. 9 GG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 190 III. Reichweite der insolvenzrechtlichen Derogation der Treuepflicht  . . . . 192 1. Derogation außerhalb des Insolvenzplanverfahrens . . . . . . . . . . . . . . 194 a) Keine Inklusion gesellschaftsrechtlicher Materie . . . . . . . . . . . . . 194 b) Keine Anwendungsbeschränkung der auflösungsorientierten Treuepflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 195 2. Derogation innerhalb des Insolvenzplanverfahrens (ESUG) . . . . . . . 196

14 Inhaltsverzeichnis a) Erkenntnisse aus dem Gesetzgebungsverfahren des ESUG . . . . . 196 aa) Legislatorische Position in den Beratungsvorgängen  . . . . . . 196 bb) Legislatorische Position in der weiteren Gesetzesdokumentation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 199 cc) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 201 b) Historisch-teleologische Leitvorgaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 202 aa) Sicherung der Planfestigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 203 bb) Kürzung und Beschleunigung des Planverfahrens . . . . . . . . . 205 cc) Vereinfachte Durchsetzung der Sanierung . . . . . . . . . . . . . . . 208 dd) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 210 c) Behandlung in der Rechtsprechung und Literatur . . . . . . . . . . . . 210 aa) Argumentation zugunsten der Treuepflicht . . . . . . . . . . . . . . 211 (1) Keine negativen Auswirkungen auf den Verfahrens­ ablauf . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 211 (2) Notwendige Erweiterung des Rechtsschutzes der Gesellschafter  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 212 (3) Orientierung am Gläubigerinteresse . . . . . . . . . . . . . . . . 216 (4) Untergrabung der vom Gesetzgeber gesetzten Sanierungsanreize . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 219 bb) Argumentation zulasten der Treuepflicht . . . . . . . . . . . . . . . . 223 (1) Keine Wiederherstellung der überwundenen Obstruktion 223 (2) Einstufung der Anteilsinhaber als Quasi-Gläubiger . . . . 225 (3) Ausschluss der Treuepflichtverletzung durch Obstruk­ tionsverbot . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 229 cc) Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 231 d) Gesellschaftsrechtlich orientierte Auslegung der Planvorschriften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 233 aa) Derogation der Treuepflicht infolge Suspendierung originären Gesellschaftsrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 235 (1) §§ 238a, 244 Abs. 3 InsO – Stimmrecht, Stimmkraft der Gesellschafter und erforderliche Zustimmungsmehrheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 236 (2) § 225a Abs. 5 InsO – Rechtsfolgen eines Gesellschafteraustritts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 240 (3) § 226 InsO – Gleichbehandlungsgebot ggü. den Gesellschaftern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 242 (4) § 235 Abs. 1, 3 InsO – Einberufungs- und Informa­ tionsrechte der Gesellschafter  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 243 (5) § 245 Abs. 1, 3 InsO – Gerichtliche Stimmersetzung bei treuwidrigem Stimmverhalten  . . . . . . . . . . . . . . . . . 245 (6) § 246a InsO – Treuwidrige Stimmrechtsenthaltungen . . 247 (7) § 251 InsO – Schutz der Minderheitsgesellschafter . . . . 248 (8) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 250

Inhaltsverzeichnis15 bb) Suspendierung originären Gesellschaftsrechts ohne Treuepflichtbezug . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 252 (1) § 253 InsO – Suspendierung der Beschlussmängelklage  253 (2) § 254 Abs. 4 InsO – Ausschluss der Differenzhaftung. . 254 (3) §§ 254 Abs. 1, 254a Abs. 1, 2 InsO – Suspendierung von Wirksamkeits- und Formvorschriften . . . . . . . . . . . . 254 (4) §§ 231 Abs. 1 S. 1 Nr. 1, 250 InsO – Suspendierung registerrechtlicher Prüfung gesellschaftsrechtlicher Anmeldungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 255 cc) Keine Derogation der Treuepflicht wegen Übernahme originären Gesellschaftsrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 256 (1) § 218 Abs. 1 S. 1 InsO – Einberufung der Gesellschafterversammlung und Festlegung des Beschlussinhalts . . 257 (2) § 225a Abs. 3 InsO – Zulässige gesellschaftsrechtliche Gestaltungsmaßnahmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 260 (3) § 225a Abs. 2 InsO – Besondere gesellschaftsrechtliche Gestaltungsmaßnahmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 263 dd) Sonderfall: Verfahrensrechtliche Vorschriften mit Ausstrahlungswirkung auf das Binnenverhältnis der Gesellschaft . . . 265 (1) § 232 Abs. 1 InsO – Stellungnahme des Schuldners zum Plan . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 266 (2) § 233 S. 1 InsO – Schuldnerantrag auf Aussetzung von Verwertung und Verteilung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 268 (3) § 240 S. 1 InsO – Änderungsrecht des planvorlegenden Schuldners  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 268 (4) § 248a Abs. 2, Abs. 4 InsO – Gehörsrecht und sofortige Beschwerde der Anteilsinhaber bei Planberichtigung . 269 e) Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 271 IV. Inhaltliche Ausgestaltung der Treuepflicht im Insolvenz(plan)verfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 273 1. Auflösungsanordnung . / . Sanierungspriorisierung . . . . . . . . . . . . . . . 274 2. Fortführungswahrscheinlichkeit als maßgebliches Kriterium . . . . . . 277 3. Definition der unterschiedlichen Ausbildungsgrade der Treuepflicht . 279 4. Schlüsselereignisse der Treuepflichtmodifikation . . . . . . . . . . . . . . . . 281 a) Vor Antragstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 281 b) Eröffnungsverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 281 c) Eröffnung des Verfahrens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 283 d) Fortführungsbeschluss im Berichtstermin, § 157 InsO . . . . . . . . . 284 e) Vorlage eines Insolvenzplans . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 287 aa) Fortführungsplan des Schuldners . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 288 (1) Fortführungswille der Gesellschafter . . . . . . . . . . . . . . . . 288 (2) Überwiegende Wahrscheinlichkeit der Planannahme . . . 289 (3) Einheitstheorie und Vorwirkungsgedanke . . . . . . . . . . . . 294 bb) Fortführungsplan des Insolvenzverwalters . . . . . . . . . . . . . . . 296

16 Inhaltsverzeichnis cc) Konkurrierende Pläne . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 298 f) Annahme und Rechtskraft eines Fortführungsplans . . . . . . . . . . . 299 g) Aufhebung des Insolvenzverfahrens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 300 5. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 300 D. Treuepflichtbindungen im Planverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 303 I. Vorlage eines Insolvenzplans, § 218 Abs. 1 S. 1 InsO  . . . . . . . . . . . . . 303 II. Planinhalt – gesellschaftsrechtliche Maßnahmen, § 225a Abs. 3 InsO . 308 III. Stellungnahme zum Plan, § 232 Abs. 1 Nr. 2 InsO  . . . . . . . . . . . . . . . 311 IV. Antrag auf Aussetzung von Verwertung und Verteilung, § 233 S. 1 InsO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 312 V. Recht der Planänderung, § 240 S. 1 InsO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 313 VI. Gehörsrecht, § 248a Abs. 2 InsO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 315 VII. Sofortige Beschwerde, § 248a Abs. 4 S. 1 InsO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 316 E. Rechtsfolgen und prozessuale Durchsetzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 319 I. Insolvenzgerichtliche Durchsetzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 319 1. Keine vis attractiva concursus der Insolvenzgerichte  . . . . . . . . . . . 319 2. Minderheitenschutzantrag und sofortige Beschwerde, §§ 251, 253 InsO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 320 3. Berücksichtigung von Amts wegen, §§ 231, 250 InsO . . . . . . . . . . . 321 4. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 323 II. Zivilgerichtliche Durchsetzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 324 1. Rechtsschutzbedürfnis der zivilgerichtlichen Geltendmachung (OLG Frankfurt / M. v. 1.10.2013)  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 324 2. Primäransprüche . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 328 a) Leistungsklage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 328 b) Einstweiliger Rechtsschutz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 328 3. Sekundäransprüche . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 331 a) Treuwidrige Verhinderung / Modifikation eines rechtsträgererhaltenden Plans . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 331 b) Durchsetzung eines rechtsträgererhaltenden, aber treuwidrigen Plans . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 332 c) Art und Umfang des Schadensersatzes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 335 4. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 339 F. Schlussbetrachtung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 342 I. Bedeutung der Treuepflicht: Retrospektive auf die Suhrkamp-Insolvenz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 342 II. Zusammenfassung: Begründung und eigene Thesen . . . . . . . . . . . . . . . 345 Entscheidungsverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 361 Gesetzgebungsdokumentation InsO / ESUG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 365 Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 367 Sachwortregister . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 383

Abbildungsverzeichnis Abbildung 1: Organigramm der Suhrkamp Verlag GmbH & Co. KG . . . . . . 57 Abbildung 2: Dogmatik der Treuepflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 124 Abbildung 3: Anwendungsbeschränkung in den verschiedenen Teilen der InsO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 195 Abbildung 4: Modell der ersten Gruppe – Suspendierung mit Treuepflichtderogation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 235 Abbildung 5: Modell der zweiten Gruppe – Suspendierung ohne Treuepflichtbezug . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 253 Abbildung 6: Modell der dritten Gruppe – Keine Suspendierung, Treuepflichtfortbestand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 257 Abbildung 7: Modell der vierten Gruppe – Anwendung der Treuepflicht im Verfahrensrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 266 Abbildung 8: Inhaltliche Ausprägung der Treuepflicht – Eröffnung des Verfahrens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 285 Abbildung 9: Inhaltliche Ausprägung der Treuepflicht – Vorlage eines Fortführungsplans . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 297 Abbildung 10: Die inhaltliche Ausprägung der Treuepflicht im Verfahrenslauf  301

Abkürzungsverzeichnis a. A. andere Ansicht a. a. O. am angegebenen Ort Abs. Absatz AcP Archiv für die civilistische Praxis AG Aktiengesellschaft oder Amtsgericht AktG Aktiengesetz i. d. F. vom 06.09.1965, BGBl. I, 1089 Alt. Alternative ALR Allgemeines Landrecht für die Preußischen Staaten von 1794 Art. Artikel Az. Aktenzeichen BB Betriebs-Berater BGB Bürgerliches Gesetzbuch i. d. F. vom 02.01.2002, BGBl. I, 42, und BGBl. 2003 I, 738 BGBl. Bundesgesetzblatt BGH Bundesgerichtshof BGHZ Entscheidungen des Bundesgerichtshofs in Zivilsachen BMJ Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz bspw. beispielsweise BT-Drs. Drucksache des Bundestages BR-Drs. Drucksache des Bundesrates BVerfG Bundesverfassungsgericht BVerfGE Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts bzgl. bezüglich bzw. beziehungsweise DB Der Betrieb ders. derselbe d. h. das heißt dies. dieselbe Diss. Dissertation DJ Deutsche Justiz, Rechtspflege und Rechtspolitik DJZ Deutsche Juristen-Zeitung DNotZ Deutsche Notar-Zeitschrift DStR Deutsches Steuerrecht

Abkürzungsverzeichnis19 dt. deutsch DZWIR

Deutsche Zeitschrift für Wirtschafts- und Insolvenzrecht

ESUG

Gesetz zur weiteren Erleichterung der Sanierung von Unternehmen i. d. F. vom 7. Dezember 2011, BGBl. I S. 2582

EWiR

Entscheidungen zum Wirtschaftsrecht

f. / ff.

folgende

FamFG

Gesetz über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit i. d. F. vom 17.12. 2008, BGBl. I, 2586

FK-InsO

Frankfurter Kommentar zur Insolvenzordnung

Fn. Fußnote FS Festschrift GbR

Gesellschaft bürgerlichen Rechts

GenG

Gesetz betreffend die Erwerbs- und Wirtschaftsgenossenschaften i. d. F. vom 16.10.2006, BGBl. I, 2230

GesO

Gesamtvollstreckungsordnung i. d. F. vom 23.05.1991, BGBl. I, 1185.

GG

Grundgesetz i. d. F. vom 23.05.1949, BGBl. I, 1.

ggf. gegebenenfalls GmbHG

Gesetz betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung i. d. F. vom 20.05.1898, RGBl. 846

GmbHR GmbH-Rundschau GRUR

Gewerblicher Rechtsschutz und Urheberrecht

GWR

Gesellschafts- und Wirtschaftsrecht

h. L.

herrschende Lehre

h. M.

herrschende Meinung

HambKomm

Hamburger Kommentar zum Insolvenzrecht

HGB

Handelsgesetzbuch i. d. F. vom 10.05.1897, RGBl. 219

HK-InsO

Heidelberger Kommentar zur Insolvenzordnung

Hrsg. Herausgeber HS Halbsatz i. d. F.

in der Fassung

i. S.

im Sinn

insb. insbesondere InsO

Insolvenzordnung i. d. F. vom 05.10.1994, BGBl. I, 2866

InVo

Insolvenz & Vollstreckung

i. V. m.

in Verbindung mit

JuS

Juristische Schulung

JM Justizminister

20 Abkürzungsverzeichnis JW

Juristische Wochenschrift

JZ Juristenzeitung KG Kommanditgesellschaft KO

Konkursordnung i. d. F. vom 20.05.1898, RGBl. 612 oder: Konkursordnung i. d. F. vom 10.02.1877, RGBl. 351

KSchG

Kündigungsschutzgesetz i. d. F. vom 25.08.1969, BGBl. I, 1317

KTS

Konkurs-, Treuhand- und Schiedsgerichtswesen

LG Landgericht LZ

Leipziger Zeitschrift für Handels-, Konkurs- und Versicherungsrecht

MdB

Mitglied des Bundestags

MDR

Monatsschrift für Deutsches Recht

MüKo

Münchener Kommentar zum / zur

m. w. N.

mit weiteren Nachweisen

NJW

Neue Juristische Wochenschrift

NJW-RR

Neue Juristische Wochenschrift – Rechtsprechungsreport

Nr. Nummer NZG

Neue Zeitschrift für Gesellschaftsrecht

NZI

Neue Zeitschrift für das Recht der Insolvenz und Sanierung

oHG

offene Handelsgesellschaft

OLG Oberlandesgericht OK BGB

Beck’scher Online-Kommentar zum BGB

OK GmbHG

Beck’scher Online-Kommentar zum GmbHG

PSts

Parlamentarischer Staatssekretär

resp. respektive RG Reichsgericht RGBl. Reichsgesetzblatt RGZ

Entscheidungen des Reichsgerichts in Zivilsachen

Rn. Randnummer RPflG

Rechtspflegergesetz i. d. F. vom 14.04.2013, BGBl. I, 778

S. Seite SenJ

Senator für Justiz

sog. sogenannt Sp. Spalte StM Staatsminister u. a.

und andere

U.S.C.

United States Code

vgl. vergleiche

Abkürzungsverzeichnis21 VglO

Gesetz über den Vergleich zur Abwendung des Konkurses i. d. F. vom 05.07.1927, RGBl. I, 139 oder: Vergleichsordnung i. d. F. vom 26.02.1935, RGBl. I, 321

Warn.

Warneyer, Rechtsprechung des Reichsgerichts in Zivilsachen

WM

Wertpapier-Mitteilungen – Zeitschrift für Wirtschafts- und Bankrecht

ZGR

Zeitschrift für Unternehmens- und Gesellschaftsrecht

ZHR

Zeitschrift für das gesamte Handelsrecht und Wirtschaftsrecht

ZInsO

Zeitschrift für das gesamte Insolvenzrecht

ZIP

Zeitschrift für Wirtschaftsrecht

ZIP-aktuell

Zeitschrift für Wirtschaftsrecht aktuell – Beilage

ZPO

Zivilprozessordnung i. d. F. vom 05.12.2005, BGBl. I, 3202

ZRP

Zeitschrift für Rechtspolitik

Es ist hier so wie bei so vielen juristischen Begriffen: Es gibt kein scharfes Entweder-Oder, sondern die Übergänge sind flüssig. Es ist wie bei einer Farbenskala, bei der auch die Töne langsam ineinander übergehen. Wir bezeichnen bestimmte Töne mit bestimmten Namen (rot, gelb, grün, blau), aber zwischen ihnen liegen ganz allmähliche Abstufungen, und es ist kaum zu sagen, wo die gelblichen Töne aufhören und die rötlichen anfangen. Prof. Dr. Dr. h. c. Alfred Hueck* Wegbereiter der gesellschaftsrechtlichen Treuepflicht

*  Vortrag vom 6. September 1946 vor der philosophisch-historischen Abteilung der Bayerischen Akademie der Wissenschaften (Sitzungsberichte, Jahrgang 1944 / 46, Heft 7, Seite 17)

Einleitung Der Streit der Gesellschafter der Suhrkamp Verlag GmbH & Co. KG, der durch seine zielgerichtete Fortsetzung im Insolvenzverfahren über das Vermögen des Verlags völlig eskalierte, avancierte im Herbst 2013 zum beherrschenden Thema der Insolvenzszene. Das Stichwort „Suhrkamp“ war nicht nur Ausdruck eines existenzbedrohlichen Kampfes um den Machterhalt in einer Gesellschaft, der mit allen rechtlich zur Verfügung stehenden Mitteln ausgefochten wird, sondern zugleich auch der spektakulärste Probelauf für das zum damaligen Zeitpunkt gerade erst reformierte Insolvenz­ planverfahren. Um das deutsche Insolvenzrecht durch die Verbesserung der Sanierungschancen eines insolventen Unternehmens attraktiver und dadurch im europäischen Kontext auch wettbewerbsfähiger zu gestalten, hatte sich der Gesetzgeber mit dem Gesetz zur weiteren Erleichterung der Sanierung von Unternehmen vom 7.12.2011 (ESUG) zu einem ganzen Bündel von Reformmaßnahmen entschlossen. Zu den zentralen Neuerungen zählte die von Fachkreisen lange geforderte Verknüpfung von Gesellschaftsrecht und Insolvenzrecht. Sie wurde in § 225a Abs. 3 InsO umgesetzt, wonach in einem Insolvenzplan nun jede Regelung getroffen werden kann, die gesellschaftsrechtlich zulässig ist. Wie die Verbindung der beiden Rechtsgebiete ausgestaltet ist, insbesondere welchen Grenzen sie unterliegt, hatte der Gesetzgeber offengelassen. Dabei ist gerade diese Frage dringend klärungsbedürftig, weil gesellschaftsrechtliche Maßnahmen im originären Gesellschaftsrecht wesentlich strengeren Anforderungen gerecht werden müssen als unter dem Regime des Insolvenzrechts, welches vor dem Hintergrund einer drohenden Unternehmensliquidation und Gesellschaftslöschung berechtigterweise stark herabgesetzte Voraussetzungen vorsieht. In überspitzter Form lässt sich von einem möglichen gesetzlichen Umgehungstatbestand noch unbekannter Größe sprechen. Die erhebliche Bedeutung dieser Problematik hatte schon während des Gesetzgebungsverfahrens zu zahlreichen Kommentaren seitens der Rechtswissenschaft geführt. Die näheren Umstände des Suhrkamp-Verfahrens führten dazu, dass die Debatte hierzu wieder neu- und umso heftiger entflammte. Denn nach den tatbestandlichen Feststellungen der mit dem Gesellschafterstreit beschäftigten Gerichte hatte die Mehrheitsgesellschafterin die Insolvenz des Verlags offensichtlich bewusst angestrebt, um die stren-

26 Einleitung

geren Voraussetzungen des Gesellschaftsrechts zu umgehen und die von ihr angestrebten gesellschaftsrechtlichen Änderungen mittels Insolvenzplans durchzusetzen. Suhrkamp verdeutlichte damit in besonders anschaulicher und drastischer Weise, dass die Gestaltungsspielräume gesellschaftsrechtlicher Art, die zum Zweck der Sanierungserleichterung von Unternehmen in das Planverfahrensrecht aufgenommen worden sind, zugleich Anreize zur einer andersmotivierten Verwendung schaffen. Das weitgehend unbestimmte Verhältnis von Gesellschafts- und Insolvenzrecht leistet dabei großen Vorschub, da offenbleibt, ob insbesondere die zum Schutz von durchsetzungsschwachen Gesellschaftern geschaffenen gesellschaftsrechtlichen Brandmauern im Planverfahren erhalten bleiben. Aufmerksamkeit erregte deshalb das Urteil des LG Frankfurt / M. (Urt. v. 10.9.2013, Az. 3-09 O 96 / 13), welches der Ansicht war, dass der Mehrheitsgesellschafterin des Suhrkamp Verlags aufgrund der fortgeltenden gesellschaftsrechtlichen Treuepflicht die Stimmabgabe für den von ihr initiierten Insolvenzplan untersagt ist. Die Treuepflicht als ein das gesamte Gesellschaftsrecht durchdringendes Rechtsinstitut, welche dem Maß des Einflusses in einer Gesellschaft stets ein reziprokes Maß an Verantwortlichkeit gegenüberstellt, soll demzufolge auch nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens im Rahmen der Verknüpfung von Gesellschafts- und Insolvenzrecht Geltung beanspruchen. Ließe sich die Ansicht des LG Frankfurt / M. (vollumfänglich) bestätigten und auf alle Bereiche des Planverfahrens ausdehnen, würde die Gestaltungsfreiheit im Planverfahren außerhalb des vom Gesetzgeber vorgesehenen Verwendungszwecks (erheblich) begrenzt werden. Ziel der vorliegenden Arbeit ist es, dem vom LG Frankfurt aufgeworfenen Ansatz nachzugehen und zu klären, welche Bedeutung der gesellschaftsrechtlichen Treuepflicht im Insolvenzplanverfahren tatsächlich zukommt. Dabei soll nicht nur die grundsätzliche Fortgeltung der Treuepflicht im Insolvenzverfahren beleuchtet, sondern auch die konkrete Treuepflichtbindung der Gesellschafter aufgedeckt werden, um eine retrospektive Einordnung der Vorgänge im Suhrkamp-Verfahren zu ermöglichen. Dabei dürfen die aufkommenden rechtstheoretischen und dogmatischen Fragen nicht darüber hinwegtäuschen, dass das Ergebnis der Untersuchung für die Rechtspraxis von hoher Bedeutung ist. Denn je nachdem, wie die Treuepflicht im Planverfahren zum Tragen kommt, wird dem Einsatz des „gesellschaftsrechtlichen Universalwerkzeugs“ Insolvenzplan (Eidenmüller) entweder freie Verwendung gewährt oder eine empfindliche Beschränkung auferlegt. Die Treuepflicht kann sich somit zur entscheidenden Weichenstellung bei der eigeninteressenorientierten Nutzung des Planverfahrens durch den (Mehrheits-)Gesellschafter einer insolventen Gesellschaft erweisen.

Einleitung27

Der Gang der Untersuchung ist davon geprägt, zunächst die insolvenzund gesellschaftsrechtlichen Grundlagen zu erarbeiten, bevor auf die eigentliche Problematik der Fortgeltung der Treuepflicht im Insolvenzverfahren eingegangen wird. Nach Klärung der grundlegenden Fragen, stehen die konkreten Treuepflichtbindungen der Gesellschafter im Planverfahren im Fokus. Abschließend wird auf die Rechtsfolgen und deren prozessuale Durchsetzung eingegangen. Im Einzelnen gliedert sich die Arbeit dabei folgendermaßen: Die Nachzeichnung der rechtshistorischen Entwicklung des Planverfahrens leitet das erste Kapitel ein. Hierauf folgt die Darstellung der Reform des Planverfahrens durch das ESUG mit Blick auf die Verzahnung von Gesellschafts- und Insolvenzrecht. Dabei wird insbesondere darauf eingegangen, welche Auswirkungen hiermit auf die Rechtsposition der Anteilsinhaber verbunden sind bzw. wie die Rechtsposition hierdurch geschwächt wird. Eine Veranschaulichung dieser Problematik erfolgt dabei durch die Darstellung des Suhrkamp-Verfahrens. Die seitens des LG Frankfurt / M. als Lösungsansatz befürwortete Heranziehung der gesellschaftsrechtlichen Treuepflicht und dessen Rezeption vor allem in der Fachliteratur schließen das Kapitel ab. Das zweite Kapitel widmet sich ausschließlich der gesellschaftsrechtlichen Treuepflicht. Ziel ist es, die Dogmatik der Treuepflicht soweit zu erschließen und zu verstehen, um die hierauf aufbauenden Fragen beantworten zu können. Neben einer einleitenden abstrakten Funktionsbeschreibung und Darstellung der rechtshistorischen Entwicklung der Treuepflicht werden die verbreiteten Verständnismodelle erläutert. Im Zuge dessen wird auch die breite Palette ergänzender Erklärungs- und Deutungsversuche der Literatur beleuchtet. Abschließend folgt die Darstellung der präferierten Dogmatik der Treuepflicht und der dabei zugrundeliegenden Wertungen. Die Fortgeltung der Treuepflicht in der Insolvenz ist Gegenstand des umfangreichen dritten Kapitels, dem Hauptkapitel der vorliegenden Arbeit. Diese zentrale Frage wird aus zwei Perspektiven betrachtet. Zunächst wird untersucht, ob eine im Insolvenzverfahren fortgesetzte Anwendung der Treuepflicht aus gesellschaftsrechtlicher Perspektive überhaupt in Betracht kommt. Im Fokus stehen dabei die anerkannten Geltungsräume der Treuepflicht, ihre dogmatische Konzeption und der Verlust des originären Gesellschaftszwecks. Ergänzend wird überprüft, ob die Fortgeltung der Treuepflicht zum Schutz der durch die Eigentumsfreiheit geschützten Beteiligung an der schuldnerischen Gesellschaft aus verfassungsrechtlichen Gründen erforderlich ist. Im Anschluss wird aus insolvenzrechtlicher Perspektive beleuchtet, ob das Insolvenzrecht eine fortgesetzte Anwendung der Treuepflicht gestattet. Besondere Beachtung gilt dabei der Gesetzgebungsdoku-

28 Einleitung

mentation des ESUG und den sich daraus ergebenden Erkenntnissen zum Verhältnis von Gesellschafts- zu Insolvenzrecht. Dabei wird auch auf die diesbezügliche Einordnung durch die Fachliteratur eingegangen. Die konkrete Anwendbarkeit der Treuepflicht im Planverfahren wird schließlich durch eingehende Betrachtung und Auslegung der relevanten Vorschriften des Planverfahrens bestimmt. Abschließend erfolgt eine Analyse der inhaltlichen Ausprägung der Treuepflicht – des qualitativen Niveaus der Treuepflichtbindung – in den unterschiedlichen Schlüsselmomenten des Planverfahrens. Aufbauend auf den Erkenntnissen der vorangegangenen Kapitel werden im vierten Kapitel die einzelnen Treuepflichtbindungen im Planverfahren vor dem Hintergrund der jeweiligen inhaltlichen Ausprägung der Treuepflicht beschrieben. Im fünften Kapitel folgt schließlich die Darstellung der sich hieraus ergebenden Rechtsfolgen sowie der Möglichkeiten einer prozessualen Durchsetzung. Besonderes Augenmerk liegt neben der Zulässigkeit der Rechtsverfolgung auf der Frage, ob ein Schadensersatzanspruch durch treuwidrige Vorlage eines rechtsträgererhaltenden Sanierungsplans begründet werden kann und wie eine Naturalrestitution durchzuführen ist, ohne dabei die Planwirkungen im Außenverhältnis zu beeinträchtigen. Das sechste Kapitel fasst die gewonnenen Erkenntnisse zusammen.

A. Reformiertes Insolvenzplanverfahren Die hier aufgeworfene Frage ist untrennbar mit der Reform des Planverfahrens durch das Gesetz zur weiteren Erleichterung der Sanierung von Unternehmen (ESUG) vom 7.12.2011 verbunden. Sie kann nicht beantwortet werden, ohne die Bedeutung dieser Reform für das Planverfahren erfasst zu haben. Dies mag wiederum nur gelingen, wenn deutlich wird, in welchen rechtshistorischen Kontext die hiervon ausgehenden, tiefgreifenden Veränderungen fallen. Es ist daher geboten, die Entwicklungsgeschichte des Planverfahrens, welches auf einer vergleichsweise früh erkannten Regelungsnotwendigkeit beruht, voranzustellen. Hieraus wird deutlich, welches Reformbedürfnis nach jahrzehntelanger Rechtsanwendung entstanden ist, sich schließlich im ESUG realisiert und zur heutigen Ausgestaltung des Planverfahrens mit ihren noch zu beantwortenden Rechtsfragen geführt hat.

I. Die Entstehung des Insolvenzplanverfahrens Das Rechtsinstitut „Insolvenzplan“ als gesetzliche Reorganisationseinrichtung mit primären Verfahrensziel der bestmöglichen Gläubigerbefriedigung und dem sekundären Verfahrensziel der Schuldnersanierung wurde durch die Insolvenzordnung mit deren Inkrafttreten am 1.1.1999 in den deutschen Rechtsraum eingeführt.1 Neben der bestmöglichen Haftungsverwirklichung soll die Sanierung und Fortführung eines insolventen Schuldners dadurch gefördert werden, dass das Insolvenzverfahren losgelöst von den gesetzlichen Vorschriften allein gläubiger- und schuldnerbestimmt nach den besonderen Umständen des jeweiligen Insolvenzfalles durchgeführt wird. Gläubiger und Schuldner sind dazu gem. § 217 InsO berechtigt, die Befriedigung der absonderungsberechtigten Gläubiger und der Insolvenzgläubiger, die Verwertung der Insolvenzmasse und deren Verteilung an die Beteiligten sowie die Verfahrensabwicklung und die Haftung des Schuldners nach Beendigung des Insolvenzverfahrens abweichend zu regeln. Bei dem Insolvenzplan handelt es sich jedoch um kein Novum, sondern um ein in seinen Grundzügen bekanntes Modell, dessen wegbereitende Vorläufer bis in die römische Rechtsordnung zurückreichen.2 Der Gedanke 1  Insolvenzordnung 2  Vgl.

(InsO) vom 05.10.1994, BGBl. I, S. 2866. Madaus, Der Insolvenzplan, S. 57 f.

30

A. Reformiertes Insolvenzplanverfahren

eines individuell verhandelten, jedenfalls von der Gläubigermehrheit getragenen Ausgleichs zwischen dem Schuldner und seinen Gläubigern ist somit nicht neu. Es ist vielmehr die konsequente Weiterentwicklung der rechtshistorischen Erkenntnis, dass eine Einigung zwischen Schuldner und Gläubigern regelmäßig für alle Beteiligten, insbesondere auch für die Gläubiger, die „befriedigendste“ Konfliktlösung darstellt. Das geltende Insolvenzplanverfahren kann dabei als ein hybrides Rechtsinstitut angesehen werden. Denn es enthält nicht nur vielfache Anknüpfungspunkte an das auf römischer Rechtstradition fußende, vormalige deutsche Konkursrecht, sondern es ist auch in nicht unerheblicher Weise von einer Entlehnung US-amerikanischer Reorganisationsvorschriften nach dem sog. Chapter 11-Verfahren geprägt. 1. Die Vorläufer des Insolvenzplans in der deutschen Rechtsordnung Die unmittelbaren Anknüpfungspunkte an das überkommene deutsche Recht finden sich in der Konkursordnung (KO) vom 1.10.18793 – vielfach als das gelungenste der vier Reichsjustizgesetze bezeichnet4 – sowie in der Verordnung über die Geschäftsaufsicht zur Abwendung des Konkurses vom 14.12.1916,5 welche später vom Gesetz über den Vergleich zur Abwendung des Konkurses (VglO) vom 5.7.19276 abgelöst wurde. Der in der Konkursordnung vorgesehene Zwangsvergleich (§§ 173–201 KO) und der mit der Vergleichsordnung verfolgte, konkursabwende Vergleich sind insoweit als Vorgänger des Insolvenzplans anzusehen, als beide die Grundlage dafür boten, dass Schuldner und Gläubiger auf grundsätzlich privatautonomer Basis eine Regelung über die Befriedigung der Gläubiger, die Fortführung des schuldnerischen Unternehmens und eine Restschuldbefreiung des Schuldners finden konnten.7 Der Vorteil dieser gesetzlich geregelten und gerichtlich kontrollierten Vergleichsverfahren bestand gegenüber einem außergerichtlichen, rein privatrechtlichen Vergleich darin, dass eine Einigung auch dann zustande kam, 3  Konkursordnung (KO) vom 10.02.1877, RGBl., S. 351; Konkursordnung (KO) vom 20.05.1898, RGBl., S. 612 (Fassung der letzten Bekanntmachung). 4  Vgl. Kohler, Lehrbuch des Konkursrechts, S. 64. 5  Verordnung über die Geschäftsaufsicht zur Abwendung des Konkurses vom 14.12.1916, RGBl., S. 1363. 6  Gesetz über den Vergleich zur Abwendung des Konkurses (VglO) vom 05.07.1927, RGBl. I, S. 139; Vergleichsordnung (VglO) vom 26.02.1935, RGBl. I, S. 321 (Fassung der letzten Bekanntmachung). 7  Vgl. Bundesregierung, Entwurf einer Insolvenzordnung, BT-Drs. 12/2443, S. 90.



I. Die Entstehung des Insolvenzplanverfahrens31

wenn der Vergleich von einzelnen Gläubigern zu Lasten der Gläubigergesamtheit und des Schuldners nicht angenommen wurde. Vergleich und Zwangsvergleich bedurften somit grundsätzlich nur der Zustimmung der Gläubigermehrheit, so dass sich einzelne Gläubiger, „die aus bösem Willen, aus Eigensinn oder aus volkswirtschaftlicher Einsichtslosigkeit einen sachgemäßen Ausgleich widerstreben“ einer Einigung der Mehrheit nicht entgegenstellen konnten.8 Das Ziel des (Zwangs-)Vergleichs, im Fall der Insolvenz des Schuldners einen einvernehmlichen, individuellen Ausgleich zum Wohl aller Beteiligten zu ermöglichen, der nicht an der Obstruktion einzelner Gläubiger scheitern kann, war der Zielrichtung des heutigen Insolvenzplans somit bereits weitgehend angenähert. Den Vergleichsvorschriften von KO und VglO lag der zutreffende Gedanke zugrunde, „daß auch bei der Konkursreife eines Schuldners die Aufrechterhaltung des Schuldnerbetriebes im Interesse von Schuldner und Gläubigern liegen kann, oder daß bei notwendiger Liquidation ein allmählicher Abbau den beiderseitigen Belangen dient.“9 Mit anderen Worten, die konkursmäßige Verwertung läuft vielfach auf eine unökonomische Verschleuderung des Schuldnervermögens hinaus.10 Sie führt zur größtmöglichen Wertvernichtung, da der in Zusammensetzung der einzelnen Vermögensbestandteile gebundene Mehrwert ersatzlos verloren geht. Ein Verlust, der unter dem Gesichtspunkt der bestmöglichen Gläubigerbefriedigung, aber auch aus sozialer und volkswirtschaftlicher Sicht nicht hingenommen werden kann.11 2. Die Reformbedürftigkeit von Vergleichsund Konkursordnung So richtig der Ansatz von Konkursordnung und Vergleichsordnung auch war, führte deren zunehmende Funktionslosigkeit im Laufe der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts jedoch zu einem immer drängender werdenden Reformbedürfnis.12 Die Dringlichkeit einer Rechtserneuerung ließ sich insbesondere an dem Verhältnis von eröffneten Konkursverfahren zu durchge8  Kilger/Böhle-Stamschräder,

Vergleichsordnung, S. 1. a. a. O., S.  1. 10  Bundesministerium der Justiz, Erster Bericht der Kommission für Insolvenzrecht, S. 85. 11  Vgl. Bundesministerium der Justiz, Erster Bericht der Kommission für Insolvenzrecht, S. 3; ebenso: Bundesministerium der Justiz, Diskussionsentwurf: Gesetz zur Reform des Insolvenzrechts, S. A1. 12  Vgl. Gessner/Rhode/Strate u. a., Die Praxis der Konkursabwicklung in der Bundesrepublik Deutschland, S. 230; vgl. Bundesministerium der Justiz, Erster Bericht der Kommission für Insolvenzrecht, S. 3. 9  Kilger/Böhle-Stamschräder,

32

A. Reformiertes Insolvenzplanverfahren

führten Vergleichen ablesen, deren Zahl ab den 1970er Jahren signifikant abnahm.13 Während im Jahr 1926 bei 23.284 Insolvenzen 7.454 Vergleichsverfahren (damals noch sog. Geschäftsaufsichten) angeordnet wurden, eine Quote von 32%, und von den durchgeführten Konkursverfahren 23% durch einen Zwangsvergleich beendet wurden, sank die Quote der durchgeführten Vergleichsverfahren im Jahr 1984 auf 0,4% (62 Vergleichsverfahren bei 16.760 Insolvenzverfahren).14 Im letzten Jahr vor Inkrafttreten der Insolvenzordnung, 1998, wurden gerade noch 30 Vergleichsverfahren bei 33.977 Insolvenzen durchgeführt, eine Quote von 0,09%. Gleichzeitig wurden überhaupt nur noch 26,5% aller Konkursanträge angenommen, bei denen, ohne dass zu diesem Zeitraum genaue Zahlen vorliegen, in nur verschwindend wenigen Fällen ein Zwangsvergleich durchgeführt wurde.15 Die Ursache der Bedeutungslosigkeit des Vergleichs nach der VglO beruhte schon auf dessen falscher Ausgestaltung als rein finanzwirtschaftlich orientiertes Schuldenbereinigungsverfahren.16 Eine leistungswirtschaftliche Sanierung als notwendige Voraussetzung einer Unternehmensreorganisation war nach der VglO gerade nicht vorgesehen.17 Hinzukamen die regelmäßig nicht überwindbaren gesetzlichen Hürden. Allen voran war die Mindestbefriedigungsquote von 35% gem. § 7 Abs. 1 Satz 2 VglO meist nicht zu erfüllen und verhinderte schon von vornherein die Durchführung eines Vergleichsverfahrens. Aber auch die Ablehnungsgründe nach §§ 17 und 18 VglO (sog. Würdigkeitserfordernisse) stellten vielfach ein Ausschlusskriterium dar, selbst wenn ein Vergleich die vorteilhafteste Form der Insolvenzbewältigung gewesen wäre.18 Nicht zuletzt litt das Vergleichsverfahren auch an der fehlenden Einbindung der absonderungsberechtigten Gläubiger (§ 27 Abs. 1 VglO). Hatten diese Sicherungsrechte an betriebsnotwendigen Vermögen, so konnten sie eine über den Vergleich angestrebte Unternehmensfortführung des Schuldners leicht vereiteln.19 Auch die Anwendung des Zwangsvergleichs nach der KO wurde dadurch erschwert, dass die Absonderungsberechtigten nicht eingebunden waren (§ 173 KO) und einer Sanierung zu jedem Zeitpunkt durch die GeltendmaMadaus, Der Insolvenzplan, S. 85 f. Insolvenzstatistik Bundesrepublik Deutschland 1984, ZIP 1985, A14, A 15. 15  Statistisches Bundesamt, Statistisches Jahrbuch 1999 für die Bundesrepublik Deutschland, S. 138. 16  Vgl. Bundesministerium der Justiz, Erster Bericht der Kommission für Insolvenzrecht, S. 155; Eidenmüller, in: Kirchhof/Eidenmüller/Stürner, MüKo InsO III, vor §§ 217 bis 269, Rn. 3. 17  Eidenmüller, a. a. O., vor §§ 217 bis 269, Rn. 2. 18  Eidenmüller, a. a. O., vor §§ 217 bis 269, Rn. 2. 19  Eidenmüller, a. a. O., vor §§ 217 bis 269, Rn. 2. 13  Vgl.

14  ZIP-aktuell,



I. Die Entstehung des Insolvenzplanverfahrens33

chung ihrer Sicherheiten die Grundlage nehmen konnten. Ebenso bestanden auch einige Würdigkeitserfordernisse (§ 175 KO), die der Durchführung eines Zwangsvergleichsverfahrens entgegenstehen konnten.20 Vor allem aber scheiterte das Zwangsvergleichsverfahren daran, dass die Quote der mangels Masse abgewiesenen Konkursanträge – ab den 1980er Jahren dauerhaft – auf rund 75% gestiegenen war.21 Damit kam überhaupt nur noch für einen Bruchteil der Konkurse die Durchführung des Zwangsvergleichs in Betracht, welcher die Eröffnung des Konkursverfahrens voraussetzte. Als Ursachen der Abweisung des Gros der Konkursanträge, die zum viel betitelten „Konkurs des Konkurses“22 geführt haben, wurden die Vielzahl der publizitätslosen Sicherungsrechte der Geld- und Warenkreditgeber ausgemacht. Gleichermaßen wurde aber auch die Zunahme der Massegläubiger, Unzulänglichkeiten im Gesellschafts-, Wirtschafts- und Anfechtungsrecht, verspätet gestellte Konkursanträge, das Fiskusvorrecht sowie die unzureichende Ausbildung vieler Konkursverwalter angeführt.23 Es bestand Einigkeit darüber, dass die sich hieraus ergebende Masselosigkeit der meisten Insolvenzen, nicht nur der Hauptgrund des Scheiterns der sog. Akkordverfahren war, sondern allgemein die wesentliche Krisenursache des gesamten Konkursverfahrens gewesen ist.24 Wenn keine Vermögensmasse für eine Verteilungsregelung oder eine Sanierung des schuldnerischen Unternehmens vorhanden ist, so die nachvollziehbare Erkenntnis, gibt es für die von einer Gläubigermehrheit getragene Vereinbarung über die Verwertung des Schuldnervermögens kaum eine Chance.25 3. Der Reformprozess bis zur Kodifizierung der Insolvenzordnung Nicht nur die zunehmende Bedeutungslosigkeit der Vergleichsverfahren, sondern vor allem das zunehmende Versagen des Konkursrechts insgesamt, führte ab den 1970er Jahren dazu, dass von vielen Seiten eine Reform des gesamten Rechtsbereichs gefordert wurde.26 Im Laufe der einsetzenden 20  Eidenmüller,

a. a. O., vor §§ 217 bis 269, Rn. 3. Der Insolvenzplan, S. 86. 22  So Kilger, KTS 1975, 142, auf dem 38. Deutschen Anwaltstag in Berlin. 23  Madaus, Der Insolvenzplan, S. 89 ff. 24  So auch das klare Ergebnis einer Umfrage bei Insolvenzverwaltern aus dem Jahr 1975, vgl. Gessner/Rhode/Strate u. a., Die Praxis der Konkursabwicklung in der Bundesrepublik Deutschland, S. 227. 25  Madaus, Der Insolvenzplan, 2011, S. 95; Gessner/Rhode/Strate u. a., a. a. O., S. 227. 26  So nahm sich unter anderem der 51. Deutsche Juristentag 1976 der Reform des Insolvenzrechts an, siehe Zweigert, Verhandlungen des Einundfünfzigsten Deutschen 21  Madaus,

34

A. Reformiertes Insolvenzplanverfahren

Reformdiskussion wurde auch kritisiert, dass dem Konkursrecht effektive Mittel zur Sanierung insolventer Unternehmen fehlen, was durch die anstehende Reform dringend verändert werden müsse.27 Das Bundesjustizministerium nahm sich dem Reformbedarf schließlich an, wollte eine Reform aber zunächst nur durch punktuelle Änderungen der Konkurs- und Vergleichsordnung umsetzen. Aufgrund der Ergebnisse einer vom Bundesjustizministerium in Auftrag gegebenen Untersuchung des MaxPlanck-Instituts Hamburg28 wich dieses schließlich von seinen ursprünglichen Plänen ab und beauftragte im Jahr 1978 eine Kommission für Insolvenzrecht, um Vorschläge für ein von Grund auf erneutes Insolvenzrecht ausarbeiten zu lassen.29 In den Jahren 1985 und 1986 legte die Kommission nacheinander ihren ersten und zweiten Bericht zur Reform des Insolvenzrechts vor.30 Neben vielfachen Veränderungen sah die Kommission zwei zentrale Neuerungen vor, die für die schließlich im Jahr 1999 in Kraft getretene Insolvenzordnung prägend waren. Zum einen sollte die Aufspaltung eines „einheitlichen wirtschaftlichen Lebenssachverhalts in zwei getrennte Verfahrensordnungen“, also in Vergleichs- und Konkursordnung überwunden und durch ein „Insolvenzverfahren aus einem Guss“ ersetzt werden.31 Zum anderen sollte in dem neu zu schaffenden einheitlichen Gesamtverfahren ein Reorganisationsverfahren verankert werden, „welches das ineffektiv gewordene Vergleichsverfahren zur Abwendung des Konkurses ablösen und die Erhaltung von Unternehmen ermöglichen soll(te).32 Die Reorganisation des Schuldners mit dem Ziel der Erhaltung des lebensfähigen Unternehmens wurde zum vorrangigen Verfahrensziel gegenüber der Liquidation zum Zweck der Gläubigerbefriedigung erhoben.33 Dies sollte verfahrenstechnisch durch einen Reorganisationsplan Juristentages, 1977; vgl. Bundesministerium der Justiz, Diskussionsentwurf: Gesetz zur Reform des Insolvenzrechts, S. A1; den Reformwillen dokumentierend Uhlenbruck/Klasmeyer/Kübler, Einhundert Jahre Konkursordnung 1877–1977, III. Zur Reform des Insolvenzrechts, S. 295–451. 27  Kilger, KTS 1975, 142; Bundesministerium der Justiz, Diskussionsentwurf: Gesetz zur Reform des Insolvenzrechts, S. A3. 28  Gessner/Rhode/Strate u. a., Die Praxis der Konkursabwicklung in der Bundesrepublik Deutschland. 29  Lüer, in: Uhlenbruck, InsO (2010), vor § 217, Rn. 8. 30  Bundesministerium der Justiz, Erster Bericht der Kommission für Insolvenzrecht; Bundesministerium der Justiz, Zweiter Bericht der Kommission für Insolvenzrecht. 31  Bundesministerium der Justiz, Erster Bericht der Kommission für Insolvenzrecht, S. 86. 32  Bundesministerium der Justiz, a. a. O., S.  87. 33  Bundesministerium der Justiz, a. a. O., S.  88, 152 f.



I. Die Entstehung des Insolvenzplanverfahrens35

umgesetzt werden, der inhaltlich an die Grundzüge von Vergleich und Zwangsvergleich anknüpfte. Die hierin angelegte Neupriorisierung der Verfahrensziele stellte dabei eine regelrechte Kehrtwende gegenüber dem bisherigen Konzept der Konkursordnung dar, die grundsätzlich auf die Liquidation des Schuldner­ vermögens ausgerichtet war. Die veränderte Ausrichtung des Verfahrens auf die Reorganisation des Schuldners kam dabei insbesondere in einem geplanten Vorverfahren zum Ausdruck, welches vom Insolvenzgericht bei hinreichender Reorganisationsaussicht hätte eingeleitet werden müssen und auf die Erhaltung des Unternehmens in der Hand des Schuldners abzielte.34 Gegen die herausgehobene Stellung der schuldnerischen Reorganisation und des erheblichen Einflusses des Insolvenzgerichts hierbei erhob sich allerdings erheblicher Widerstand,35 woraufhin das Bundesjustizministerium die von der Kommission vorgelegten Reformvorschläge nochmals umfangreich überarbeitete. In dem vom Ministerium im Jahr 1988 vorgelegten Diskussionsentwurf (DE)36 und dem im Jahr 1989 vorgelegten Referentenentwurf eines Gesetzes zur Reform des Insolvenzrechts (RefE)37 wurde die Sanierungsförderung als eigenständiges insolvenzrechtliches Reformziel nicht weiter verfolgt.38 Das in den beiden Kommissionsberichten angestrebte „normative Sanierungsleitbild“ wurde stattdessen ausdrücklich aufgegeben.39 Es erfolgte insofern ein „ordnungspolitischer Schwenk“, indem die Aufgabe des Insolvenzrechts in erster Linie in der gemeinschaftlichen Haftungsverwirklichung gesehen wurde.40 Die Sanierung und Fortführung des schuldnerischen Unternehmens wurde nur mehr als eine Variante dieser Haftungsverwirklichung angesehen.41 34  Vgl. Bundesministerium der Justiz, a.  a. O., Leitsätze 1.1.1 Abs. 2, 1.3.4.4, 2.1.1, 2.1.2 Abs. 2, S. 91, 157. 35  Balz, Sanierung von Unternehmen oder von Unternehmensträgern?, S. 19 ff., 28 f., 53 ff.; vgl. Lüer, in: Uhlenbruck, InsO (2010), vor § 217, Rn. 9. 36  Bundesministerium der Justiz, Diskussionsentwurf: Gesetz zur Reform des Insolvenzrechts. 37  Bundesministerium der Justiz, Referentenentwurf: Gesetz zur Reform des Insolvenzrechts. 38  Bundesministerium der Justiz, Diskussionsentwurf: Gesetz zur Reform des Insolvenzrechts, S. A94. 39  Bundesministerium der Justiz, a. a. O., S. A17. 40  Balz, ZIP 1988, 1438; Bundesministerium der Justiz, Diskussionsentwurf: Gesetz zur Reform des Insolvenzrechts, S. A31. 41  Bundesministerium der Justiz, Diskussionsentwurf: Gesetz zur Reform des Insolvenzrechts, S. A16, A31; Eidenmüller, in: Kirchhof/Eidenmüller/Stürner, MüKo InsO III, vor §§ 217 bis 269, Rn. 6.

36

A. Reformiertes Insolvenzplanverfahren

Konsequenterweise änderten sich damit auch die Anforderungen an den ursprünglich vorgesehenen Reorganisationsplan. Die Einführung eines „Plans“ als Nachfolgeinstrument für Vergleich und Zwangsvergleich in einem zukünftig einheitlichen Insolvenzverfahren wurde zwar beibehalten. Dessen Bedeutung als vorrangiges Verfahrensinstrument im Fall der Sanierungsfähigkeit entfiel hingegen. Gleichermaßen wurde die alleinige Ausrichtung des Plans auf die Reorganisation des Schuldners aufgegeben und auch auf die schuldnerische Vermögensliquidation erweitert. Entsprechend dem gewandelten Verständnis hinsichtlich des Plans führte der Diskussionsentwurf auch die neue Bezeichnung „Insolvenzplan“ ein. Zweck dieses neuen Rechtsinstituts sollte nun sein, „den Beteiligten einen Rechtsrahmen für die einvernehmliche Bewältigung der Insolvenz im Wege von Verhandlungen und privatautonomen Austauschprozessen zu er­ mög­ lichen.“42 Der zunächst anvisierte Reorganisationsplan war damit zu einem „universelle(n) Instrument der Masseverwertung“43 umgewandelt worden, das dem vorrangigen Verfahrensziel der bestmöglichen Haftungsverwirklichung zu dienen hat. Diese Qualifizierung des Insolvenzplans übernahm schließlich auch die Bundesregierung in ihren Gesetzentwurf einer Insolvenzordnung vom 15.4.1992.44 Im Laufe des Gesetzgebungsverfahrens erfolgten auf Anregung des Rechtsausschusses des Deutschen Bundestags45 noch einige Änderungen des Insolvenzplanverfahrens, die durch den Diskussionsentwurf geschaffene Grundkonzeption des Insolvenzplans wurde jedoch beibehalten und in die am 1.1.1999 in Kraft getretene Insolvenzordnung übernommen. 4. Der Einfluss des US-amerikanischen Chapter 11-Verfahrens Wie bereits eingangs angesprochen, kann der Insolvenzplan als hybrides Rechtsinstrument angesehen werden, da er maßgeblich auch durch das Verfahren nach Chapter 11 des US-Bankruptcy Code (11 U.S.C. Sec. 1101 ff.) geprägt ist. Der Gesetzgeber der InsO war nach rechtsvergleichenden Vorarbeiten besonders vom US-amerikanischen Recht sowie von damals neueren marktwirtschaftlich geprägten Strömungen in der US-Rechtswissenschaft beeinflusst,46 was dazu geführt hat, dass sich abgesehen von den verfahrens42  Bundesministerium der Justiz, Diskussionsentwurf: Gesetz zur Reform des Insolvenzrechts, S. A56. 43  Bundesministerium der Justiz, a. a. O., S. A56. 44  Bundesregierung, Entwurf einer Insolvenzordnung, BT-Drs. 12/2443, S. 195 f. 45  Rechtsausschuss des Deutschen Bundestags, Beschlussempfehlung und Bericht. 46  Bundesregierung, Entwurf einer Insolvenzordnung, BT-Drs. 12/2443, S. 106.



I. Die Entstehung des Insolvenzplanverfahrens37

rechtlichen Regelungen viele Parallelen zwischen dem amerikanischen Reorganisationsverfahren und dem deutschen Planverfahren finden. Das Chapter 11-Verfahren wurde durch den Bankruptcy Reform Act von 1978 geschaffen.47 Es handelt sich hierbei um ein reines Sanierungs- bzw. Reorganisationsverfahren, das nicht an ein eröffnetes Insolvenzverfahren anknüpft, sondern ein eigenständiges Verfahren darstellt.48 Kennzeichnend ist, dass der Schuldner grundsätzlich als „debtor in possession“, d. h. in Eigenverwaltung, das eigene Vermögen und damit auch den zugehörigen Geschäftsbetrieb weiter verwaltet. Während des laufenden Verfahrens ist er vor der Zwangsvollstreckung in sein Vermögen geschützt. Ziel ist es, dass der Schuldner zum Zweck seiner Sanierung und Entschuldung einen Plan vorlegt, der von den Gläubigern angenommen und durch die Bestätigung des Gerichts wirksam wird.49 Entlehnungen aus diesem Verfahren finden sich vor allem im darstellenden Teil eines Insolvenzplans50, in den Vorschriften über die Gruppenbildung und die gruppenweise Planabstimmung51, im Obstruktionsverbot52 und dem Minderheitenschutz53 sowie in der Möglichkeit der Eigenverwaltung durch den Schuldner.54 Daneben prägte auch die vornehmlich von US-amerikanischen Wissenschaftlern aufgestellte „ökonomische Theorie des Insolvenzrechts“ das Insolvenzplanverfahren. Diese erforscht die Realfolgen insolvenzrechtlicher Regeln und bewertet sie nach volkswirtschaftlichen Gesichtspunkten.55 Die zentrale Erkenntnis dieser Theorie kann nach Eidenmüller in der Weise zusammengefasst werden, dass ein Insolvenzgesetz umso besser ist, „je mehr es dazu beiträgt, ex post (in der Krise) den Wert des haftenden Schuldnervermögens zu maximieren – ggf. mittels einer Sanierung des Unternehmensträgers (Unternehmensreorganisation) –, ohne dadurch ex ante unterwünschte Anreize zu einer nachlässigen Wirtschaftstätigkeit des Schuldners zu setzen.“56 47  Vgl. die umfangreiche Darstellung bei Lüer, in: Uhlenbruck, InsO (2010), vor § 217, Rn. 13–25. 48  Lüer, a. a. O., vor § 217, Rn. 27. 49  Lüer, a. a. O., vor § 217, Rn. 27–28. 50  Vgl. §§ 219, 229 InsO mit 11 U.S.C. § 1125. 51  Vgl. §§ 222, 226, 243, 244 InsO mit 11 U.S.C. §§ 1122, 1123(a) (4), 1126. 52  Vgl. § 245 InsO mit 11 U.S.C. 1129(b). 53  Vgl. § 251 Abs. 1 Nr. 2 InsO mit 11 U.S.C. 1129(a) (7). 54  Nach der synoptischen Darstellung von Eidenmüller, in: Kirchhof/Eidenmüller/ Stürner, MüKo InsO III, vor §§ 217 bis 269, Rn. 19, 61. 55  Eidenmüller, a. a. O., vor §§ 217 bis 269, Rn. 21. 56  Eidenmüller, a. a. O., vor §§ 217 bis 269, Rn. 21.

38

A. Reformiertes Insolvenzplanverfahren

Der Gesetzgeber der InsO hat diese Erkenntnis an verschiedenen Stellen in das Insolvenzplanverfahren einfließen lassen.57 Einerseits tritt sie schon bei dem Grundgedanken des Insolvenzplanverfahrens zu Tage, durch Verhandlungen der Verfahrensbeteiligten eine möglichst effiziente Verwertung des Schuldnervermögens hervorzubringen.58 Andererseits kommt sie aber auch in der Ausgestaltung der Regelungen über die Annahme des Insolvenz­ plans durch die Gläubiger und das Obstruktionsverbot sowie die Regelungen über den Minderheitenschutz zum Ausdruck.59

II. Die Grundzüge des Insolvenzplanverfahrens Das schließlich in den Vorschriften §§ 217 bis 269 InsO kodifizierte Insolvenzplanverfahren ermöglicht nach der Grundvorschrift § 217 InsO eine von den Vorschriften der Insolvenzordnung abweichende Regelung der Befriedigung der absonderungsberechtigten Gläubiger und der Insolvenzgläubiger, die Verwertung der Insolvenzmasse und deren Verteilung an die Beteiligten sowie die Verfahrensabwicklung und die Haftung des Schuldners nach der Beendigung des Insolvenzverfahrens. Zudem können auch die Anteils- oder Mitgliedschaftsrechte der am Schuldner beteiligten Personen einbezogen werden, wenn es sich bei dem Schuldner um keine natürliche Person handelt. Das Insolvenzplanverfahren lässt sich dabei in die drei wesentlichen Abschnitte, die Planaufstellung bzw. -vorlage, die Planannahme und die Plandurchführung untergliedern. Die erste Phase der Planaufstellung ist nicht an die Insolvenzantragstellung gebunden. So kann der gem. § 218 Abs. 1 Satz 1 InsO vorlageberechtigte Schuldner unabhängig von der Stellung des Insolvenzantrags bereits im Vorfeld der Insolvenz einen Insolvenzplan ausarbeiten, sog. „prepacked Plan“, wenn eine außergerichtliche Sanierung scheitert oder zu scheitern droht. Die Vorlage eines Insolvenzplans an das Insolvenzgericht kann jedoch nicht vor Stellung des Insolvenzantrages und nicht mehr nach dem Schlusstermin erfolgen, §§ 218 Abs. 1 Satz 2 und 3, 270b Abs. 1 InsO. Ein Insolvenzplanverfahren ohne Insolvenzverfahren gibt es somit nicht, es baut stets auf diesem auf.60 Neben dem Schuldner ist auch 57  Vgl. Bundesregierung, Entwurf einer Insolvenzordnung, BT-Drs. 12/2443, S. 106. 58  Eidenmüller, in: Kirchhof/Eidenmüller/Stürner, MüKo InsO III, vor §§ 217 bis 269, Rn. 24. 59  Eidenmüller, a. a. O., vor §§ 217 bis 269, Rn. 23–24. 60  Dies stellt einen wesentlichen Unterschied zum Chapter 11-Verfahren dar, bei dem es sich um ein selbstständiges Reorganisationsverfahren handelt, vgl. Lüer, in: Uhlenbruck, InsO (2010), vor § 217, Rn. 13–25.



II. Die Grundzüge des Insolvenzplanverfahrens39

der Insolvenzverwalter zur Vorlage eines Insolvenzplans berechtigt, § 218 Abs. 1 Satz 1 InsO. Er ist hierzu aber nur dann verpflichtet, wenn er von der Gläubigerversammlung beauftragt wird, § 218 Abs. 2 InsO. Der Insolvenzplan muss in zwei Teile gegliedert werden, §§ 219–221 InsO. Der darstellende, erste Teil hat zu beschreiben, welche Maßnahmen durchgeführt werden sollen, um die Planziele zu verwirklichen und muss auch alle sonstigen Angaben enthalten, die für die Meinungsbildung der Abstimmungsberechtigten erheblich sind. Im gestaltenden, zweiten Teil ist dann zu regeln, wie die Rechtsstellung der Beteiligten zur Verwirklichung der zuvor beschriebenen Planziele tatsächlich geändert werden soll. Entsprechend dem US-amerikanischen Vorbild sind auch im Insolvenzplan die Verfahrensbeteiligten mit unterschiedlicher Rechtsstellung in bestimmte Gruppen zu unterteilen. Innerhalb der jeweiligen Gruppen darf der Plan die Veränderung der Rechte nur einheitlich regeln. Es gilt insoweit eine strikte Gleichbehandlungspflicht, §§ 222–226 InsO. Keine insolvenzrechtlichen Vorgaben bestehen hingegen hinsichtlich des Umfangs und der Art der Umgestaltung der Rechte der Verfahrensbeteiligten. Hier lässt die InsO dem jeweiligen Planersteller freie Hand. So kann unter der Prämisse der Gruppengleichbehandlung die Veränderung der Rechte der absonderungsberechtigten Gläubiger, der (nachrangigen) Insolvenzgläubiger, der Anteilsinhaber weitgehend frei umgestaltet werden. Insbesondere können auch sachenrechtliche Verhältnisse und die Resthaftung des Schuldners geändert bzw. gestaltet werden. Der dem Insolvenzgericht vorgelegte Plan wird von diesem auf die Einhaltung der insolvenzrechtlichen Vorgaben sowie auf die Annahmewahrscheinlichkeit und Durchführbarkeit geprüft. Wird der Insolvenzplan hiernach nicht zurückgewiesen, so wird er zur Stellungnahme an den Gläubigerausschuss und an den Schuldner bzw. an den Insolvenzverwalter weitergeleitet, §§ 231, 232 InsO. Zudem bestimmt das Insolvenzgericht einen Erörterungs- sowie einen Abstimmungstermin, §§ 235, 236, 241, 242 InsO, in dem der Insolvenzplan und das Stimmrecht der Beteiligten erörtert werden und anschließend über den Plan abgestimmt wird, wodurch die zweite Phase des Insolvenzplanverfahrens, die Planannahme, eingeleitet wird. Nach der Regelung des §§ 237, 238 InsO hat jeder Insolvenzgläubiger und jeder absonderungsberechtigte Gläubiger, dessen Forderung nicht bestritten ist und durch den Insolvenzplan beeinträchtigt wird, ein Stimmrecht. Werden die Anteils- und Mitgliedschaftsrechte der Anteilsinhaber am Schuldner durch den Plan verändert, so haben auch diese ein Stimmrecht, welches sich nach der Beteiligung am gezeichneten Kapital oder Vermögen des Schuldners bemisst, § 238a InsO.

40

A. Reformiertes Insolvenzplanverfahren

Der Plan gilt als angenommen, wenn in jeder Gruppe die Mehrheit dem Plan zustimmt und die Summe der Ansprüche der Zustimmenden mehr als die Hälfte der Summe der Ansprüche aller Abstimmenden beträgt, § 244 InsO. Auch wenn die erforderlichen Mehrheiten nicht erreicht worden sind, gilt die Zustimmung einer Abstimmungsgruppe erteilt, wenn die Gruppenangehörigen durch den Plan voraussichtlich nicht schlechter als im Regelinsolvenzverfahren gestellt werden, sie angemessen an dem wirtschaftlichen Wert, der auf der Grundlage des Plans den Beteiligten zufließen soll, beteiligt werden und wenn die Mehrheit der abstimmenden Gruppen dem Plan zugestimmt hat, sog. „Obstruktionsverbot“ gem. §§ 245–247 InsO. Ähnliches gilt hinsichtlich der erforderlichen Zustimmung durch den Schuldner, § 247 InsO. Ist der Insolvenzplan durch die Beteiligten angenommen worden, so bedarf dieser der gerichtlichen Bestätigung, § 248 InsO. Diese wird versagt, wenn die Vorschriften über Inhalt und die verfahrensmäßige Behandlung des Plans sowie über die Annahme durch die Beteiligten und die Zustimmung des Schuldners in wesentlichen Punkten nicht beachtet worden sind und der Mangel nicht behoben werden kann. Ferner ist die Bestätigung zu versagen, wenn die Planannahme unlauter herbeigeführt worden ist, § 250 InsO. Auf Antrag eines Gläubigers oder eines Anteilsinhabers ist die Bestätigung außerdem zu versagen, wenn – neben weiteren formalen Voraussetzungen – der Plan zu einer Schlechterstellung des Antragstellers führen würde. Abschließend ist der Bestätigungs-, bzw. Versagungsbeschluss zu verkünden, § 252 InsO. Danach folgt die letzte Phase des Insolvenzplanverfahrens, die Plandurchführung. Mit der Rechtskraft des Bestätigungsbeschlusses treten die im gestaltenden Teil des Plans festgelegten Wirkungen für und gegen alle Beteiligten ein, § 254 InsO. Willenserklärungen, die zur der vom Plan vorgesehenen Rechtsänderungen notwendig wären, gelten zugleich als in der vorgeschriebenen Form abgegeben. Gesellschaftsrechtlich erforderliche Maßnahmen gelten als formwirksam bewirkt, der Insolvenzverwalter hat nur mehr die registergerichtlichen Anmeldungen durchzuführen, § 254a InsO. Gerät der Schuldner mit seinen Verpflichtungen aus dem Insolvenzplan anschließend erheblich in Rückstand, so entfallen die von den Gläubigern jeweils im Plan gewährten Stundungen und Forderungserlasse, sog. „Wiederauflebensklausel“ gem. § 255 InsO. Ferner können die Insolvenzgläubiger aus dem rechtskräftig bestätigten Plan in Verbindung mit der Tabelleneintragung die Zwangsvollstreckung gegen den Schuldner wegen ihrer festgestellten und unbestrittenen Forderungen betreiben, § 257 InsO. Wird der Bestätigungsbeschluss rechtskräftig und sieht der Insolvenzplan nichts anderes vor, so beschließt das Insolvenzgericht anschließend die



III. Verzahnung von Gesellschafts- und Insolvenzrecht durch das ESUG41

Aufhebung des Insolvenzverfahrens, § 258 InsO. Damit endet grundsätzlich auch das Amt des Insolvenzverwalters, wenn nicht im Plan bestimmt wird, dass der Insolvenzverwalter die Erfüllung des Plans zu überwachen hat, §§ 259 Abs. 1, 2, 260–269 InsO. In diesem Fall führt der Insolvenzverwalter die Überwachung durch, bis die zu überwachenden Ansprüche erfüllt sind oder deren Erfüllung gewährleistet ist, längstens aber drei Jahre. Danach beschließt das Insolvenzgericht die Aufhebung der Überwachung, § 268 InsO.

III. Die Verzahnung von Gesellschafts- und Insolvenzrecht durch das ESUG Entgegen der Hoffnung des Gesetzgebers führte der Insolvenzplan das Schattenleben seiner konkursrechtlichen Vorgänger, Vergleich und Zwangsvergleich, nach seiner Einführung fort. So lag die Quote der Insolvenzplanverfahren im ersten Jahr, 1999, bei ca. 0,39%61 und war damit kaum höher als die Minimalquote der Vergleichsverfahren aus dem Vorjahr von 0,09%.62 Trotz einer breiten Zustimmung zu dem neugeschaffenen und vielbeschworenen Sanierungsinstrument nahm die insolvenzrechtliche Praxis den Insolvenzplan nur zögerlich an. Zwar pendelte sich die Quote der Insolvenzplanverfahren innerhalb von 10 Jahren knapp unter 2% ein.63 Angesichts der ehemals hohen Erwartungen kommt dies dennoch einem Scheitern der Reformbemühungen im Bereich der privatautonomen Haftungsverwirklichung gleich. Die Erfolglosigkeit des Insolvenzplanverfahrens sowie der zunehmende Druck auf die deutsche Insolvenzrechtsordnung insbesondere durch die angelsächsischen Rechtsordnungen, die zu einer Abwanderung deutscher Schuldner zum Zweck der erleichterten Sanierung im Ausland führte (sog. Forum Shopping),64 veranlasste den Gesetzgeber nach verschiedenen kleineren Novellen65 schließlich dazu, das Insolvenzrecht in drei Stufen erheblich zu überarbeiten.66 61  F.A.Z.-Institut/Schultze & Braun/Erb u. a., Insolvenzrecht und Unternehmenssanierung – Jahrbuch 2014, S. 44. 62  Statistisches Bundesamt, Statistisches Jahrbuch 1999 für die Bundesrepublik Deutschland, S. 138. 63  F.A.Z.-Institut/Schultze & Braun/Erb u. a., Insolvenzrecht und Unternehmenssanierung – Jahrbuch 2014, S. 44. 64  Vgl. Bundesregierung, Entwurf eines Gesetzes zur weiteren Erleichterung der Sanierung von Unternehmen, BT-Drs. 17/5712, S. 1. 65  Insbesondere durch: Art. 1 ÄndG v. 26.10.2001, BGBl. I S. 2710; Art. 1 Gesetz zur Vereinfachung des Insolvenzverfahrens v. 13.4.2007, BGBl. I S. 509; Art. 9 Gesetz zur Modernisierung des GmbH-Rechts und zur Bekämpfung von Missbräuchen v. 23.10.2008, BGBl. S. 2026.

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A. Reformiertes Insolvenzplanverfahren

Die erste und für die nachfolgenden Ausführungen allein relevante Stufe ist das Gesetz zur weiteren Erleichterung der Sanierung von Unternehmen (ESUG) vom 7.12.2011. Ein Schwerpunkt des ESUG war ausweislich der Begründung des Gesetzesentwurfs die Erleichterung der Sanierung von Unternehmen durch Ausbau und (zeitliche) Straffung des Insolvenzplanverfahrens gewesen, um diesem als Sanierungsinstrument größere Attraktivität und dem Sanierungsstandort Deutschland im Wettbewerb der europäischen Rechtsordnungen insgesamt eine verbesserte Wettbewerbsfähigkeit zu vermitteln.67 Zur Verwirklichung dieser Reformziele im Bereich des Insolvenzplanverfahrens sah sich der Gesetzgeber zu zwei einschneidenden Veränderungen veranlasst: Zum einen wurde die Blockademöglichkeit einzelner Gläubiger verringert, indem die Zulässigkeitsvoraussetzungen für Rechtsmittel empfindlich verschärft worden sind.68 Dadurch soll verhindert werden, dass die Umsetzung eines von der Mehrheit getragenen Plans weiterhin durch den Widerstand Einzelner erheblich verzögert und damit die Sanierung insgesamt gefährdet werden kann.69 Zum anderen – und dies kann letztlich als Kernstück der Reform des ESUG angesehen werden – schuf der Gesetzgeber eine Verknüpfung von Insolvenz- und Gesellschaftsrecht, um auf diese Weise Eingriffe in die gesellschaftsrechtliche Substanz des Schuldners zur Verwirklichung der Verfahrensziele zu ermöglichen. Die hierzu geschaffene Grundnorm befindet sich in § 217 Abs. 1 Satz 2 InsO: „Ist der Schuldner keine natürliche Person, so können auch die Anteils- oder Mitgliedschaftsrechte der am Schuldner beteiligten Personen in den Plan eingezogen werden.“

Die eigentliche Schlüsselnorm befindet sich jedoch im ebenfalls neugeschaffenen § 225a Abs. 3 InsO: „Im Plan kann jede Regelung getroffen werden, die gesellschaftsrechtlich zulässig ist, insbesondere die Fortsetzung einer aufgelösten Gesellschaft oder die Übertragung von Anteils- oder Mitgliedschaftsrechten.“

66  Erste Stufe: Gesetz zur weiteren Erleichterung der Sanierung von Unternehmen (ESUG) v. 7.12.2011, BGBl. I S. 2582; Zweite Stufe: Gesetz zur Verkürzung des Restschuldbefreiungsverfahrens und zur Stärkung der Gläubigerrechte v. 15.7.2013, BGBl. I S. 2379; Dritte Stufe: noch im Gesetzgebungsverfahren, Gesetzentwurf der Bundesregierung, Entwurf eines Gesetzes zur Erleichterung der Bewältigung von Konzerninsolvenzen v. 30.1.2014, BT-Drs. 18/407. 67  Bundesregierung, a. a. O., 17 f., 30 f. 68  Vgl. §§ 251, 253 InsO n. F. 69  Bundesregierung, a. a. O., 18 f.



III. Verzahnung von Gesellschafts- und Insolvenzrecht durch das ESUG43

Hinter dieser zunächst etwas unscheinbaren und wenig bestimmten Erweiterungsvorschrift steckt gegenüber althergebrachten Grundsätzen des Insolvenzrechts nicht weniger als ein echter Paradigmenwechsel. Denn durch diese Vorschrift wird die seit Einführung der Konkursordnung 1879 bestehende Trennung von Insolvenzrecht und Gesellschaftsrecht aufgehoben. Ungeachtet der noch umstrittenen Regelungsweite des § 225a Abs. 3 InsO können grundsätzlich sämtliche zulässigen gesellschaftsrechtlichen Maßnahmen unmittelbar im Insolvenzplan umgesetzt werden; der Insolvenzplan ist zum „gesellschaftsrechtlichen Universalwerkzeug“ geworden.70 Leitgedanke bei diesem Systembruch war, dass die Anteilsinhaber der Insolvenzschuldner durch ihre formale, aber wirtschaftlich regelmäßig entleerte Rechtsposition nicht mehr in der Lage sein sollen, durch obstruktives Verhalten eine Sanierung des Schuldners zugunsten der Gläubigergemeinschaft zu verhindern.71 Denn für Kapitalmaßnahmen notwendige Gesellschafterbeschlüsse oder zur Anteilsübertragung notwendige sonstige Willenserklärungen konnten weder durch den Insolvenzplan noch durch das Insolvenzgericht ersetzt werden. Dies hatte zur Folge, dass auch aussichtsreiche Insolvenzpläne stets an dem Unwillen der nicht in das Insolvenzverfahren miteinbezogenen Gesellschafter scheitern konnten. Alleine schon der zur Fortführung des Schuldners zwingend notwendige Fortführungsbeschluss (§§ 262 Abs. 1 Nr. 3, 274 Abs. 2 Nr. 1 AktG, § 60 Abs. 1 Nr. 4 GmbHG) war ohne die Mitwirkung der Anteilsinhaber nicht zu erreichen. Mit dem festen Ziel, die Sanierung von Unternehmen effektiv zu erleichtern, war der Gesetzgeber daher bereit, die durch Art. 14 Grundgesetz geschützte Anteilsinhaberschaft dem Mehrheitswillen der Verfahrensbeteiligten zu unterwerfen, so lange nur der wirtschaftliche Wert der betroffenen Anteils- und Mitgliedschaftsrechte auf der Basis des Liquidationswertes, welcher häufig gegen Null tendiert, ausgeglichen wird.72 Ungeachtet, der hiergegen erhobenen, nicht unbegründeten verfassungs- und europarechtlichen Bedenken,73 hat der Gesetzgeber damit die Barriere „Gesellschaftsrecht“ durch dessen Inklusion in das Insolvenzplanverfahren beseitigt.

Eidenmüller, NJW 2014, 17. Entwurf eines Gesetzes zur weiteren Erleichterung der Sanierung von Unternehmen, BT-Drs. 17/5712, S. 30. 72  Vgl. § 225a Abs. 4 InsO. 73  U.a. Madaus, ZGR 2011, 749; Brinkmann, WM 2011, 97; Piekenbrock, NZI 2012, 905; Stöber, ZInsO 2012, 1811; Stöber, ZInsO 2013, 2457. 70  Vgl.

71  Bundesregierung,

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A. Reformiertes Insolvenzplanverfahren

IV. Die Schwächung der Rechtsposition der Anteilsinhaber 1. Die leerlaufenden Schutzinstrumente der InsO Von den begrüßenswerten, die Durchführung von Insolvenzplänen zweifelsohne erleichternden Neuerungen gehen spiegelbildlich nicht unerhebliche Risiken für die Anteilsinhaber schuldnerischer Gesellschaften aus. Denn die Unterwerfung der Anteilsinhaber und ihrer gesellschaftsrechtlichen Position im Rahmen eines Insolvenzplanes unter den Mehrheitswillen der Verfahrensbeteiligten gefährdet nicht nur ihren bestehenden gesellschaftsrechtlichen Einfluss. Mitunter kann auch ihr Verblieb in der Gesellschaft insgesamt in Frage gestellt werden. Um die Anteilsinhaber vor zu weitgehenden und nicht gerechtfertigten Eingriffen in ihre Anteils- und Mitgliedschaftsrechte zu schützen, hat der Gesetzgeber deshalb verschiedene Rechtsbehelfe geschaffen. Diese erweisen sich jedoch wegen der grundsätzlichen Priorisierung der Sanierung des Schuldners als nur eingeschränkt wirkungsvoll. Der Schutz der Anteilsinhaber soll in erster Linie dadurch gewährleistet werden, dass die Anteilsinhaber an der Abstimmung über den Plan (§§ 235 ff. InsO) beteiligt werden müssen, wenn ihre Anteils- und Mitgliedschaftsrechte durch den Plan berührt werden. Dazu ist gem. § 222 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 InsO für die Anteilsinhaber eine eigene Gruppe zu bilden. Der Plan gilt nach § 244 InsO nur dann als angenommen, wenn alle Gruppen, also auch die Gruppe der Anteilsinhaber, dem Plan zugestimmt haben. Die Beteiligung der Anteilsinhaber und das Erfordernis ihrer Zustimmung bilden jedoch nur einen scheinbaren Schutz vor negativer Veränderung ihrer gesellschaftsrechtlichen Position, da die Anteilsinhaber – wie die übrigen Verfahrensbeteiligten – dem Obstruktionsverbot nach § 245 Abs. 1 und 3 InsO unterworfen sind. Die fehlende Zustimmung der Anteilsinhaber kann folglich durch gerichtliche Fiktion ersetzt werden. Dies ist aus Sicht der Anteilsinhaber umso problematischer, da die Voraussetzungen der Zustimmungsersetzung in den meisten Insolvenzfällen ohne weiteres vorliegen werden. So verlangt § 245 Abs. 1 Nr. 1 InsO, dass die Anteilsinhaber durch den Insolvenzplan voraussichtlich nicht schlechter gestellt werden, als sie ohne einen Plan stünden. Der hierzu anzustellende Vergleich mit der Stellung der Anteilsinhaber im Regelinsolvenzverfahren richtet sich nach § 199 S. 2 InsO. Danach erhalten die Anteilsinhaber nur dann einen wirtschaftlichen Wert, wenn nach vollumfänglicher Befriedigung aller Insolvenzgläubiger ein Überschuss verbleibt. Dass dies nur in extremen Einzelfällen gelingt, bedarf keiner weiteren Erörterung. Es bedeutet zugleich für den vorzunehmenden Vergleich, dass die Anteilsinhaber durch den Plan im Grunde (fast)



IV. Die Schwächung der Rechtsposition der Anteilsinhaber45

nie schlechter gestellt werden können,74 da in aller Regel im Regelinsolvenz­ verfahren kein Überschuss zu erwarten ist.75 „Weniger als nichts geht nicht, § 199 InsO.“76 Auch die weitere Voraussetzung nach § 245 Abs. 1 Nr. 2 InsO, die angemessene wirtschaftliche Beteiligung der Anteilsinhaber, wird bei entsprechender Berücksichtigung durch den Planersteller stets erfüllbar sein. Eine solche angemessene Beteiligung ist nach § 245 Abs. 3 Nr. 1 und Nr. 2 InsO dann gegeben, wenn kein Gläubiger mehr erhält als ihm zusteht und auch kein anderer Anteilsinhaber bessergestellt wird. Auf die tatsächliche Zustimmung der Anteilsinhaber kommt es deshalb meist nicht an; sie kann im Wege der Zustimmungsersetzung gem. § 245 InsO nahezu immer herbeigeführt werden. Die Beteiligung der Anteilsinhaber und deren formales Zustimmungserfordernis – wesentliche Pfeiler des Schutzes der Anteilsinhaber77 – erweisen sich damit als inhaltliche Makulatur und sind ungeeignet, eine unangemessene Verschlechterung ihrer Rechtsposition zu verhindern. In zweiter und dritter Linie soll der Schutz der Anteilsinhaber durch den Minderheitenschutz nach § 251 InsO und das Rechtsmittel der sofortigen Beschwerde nach § 253 InsO sichergestellt werden. Beide Rechtsbehelfe scheitern in ihrer Wirksamkeit jedoch bereits daran, dass sie als unzulässig zurückgewiesen werden müssen, wenn der Antragsteller nicht glaubhaft machen kann, durch den Plan schlechter gestellt zu werden, §§ 251 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2, 253 Abs. 2 Nr. 3 InsO. Diese beiden weiteren Schutzinstrumente der Anteilsinhaber erweisen sich damit als gleichermaßen stumpf, wie deren Beteiligung am Abstimmungsverfahren. Denn wie gerade aufgezeigt, ist eine Schlechterstellung der Anteilsinhaber durch den Plan im Vergleich zum Regelinsolvenzverfahren kaum je möglich, so dass der Minderheitenschutzantrag und die sofortige Beschwerde entsprechend unzulässig sind.78 74  Selbst wenn im Plan nicht nur die Beschränkung, sondern sogar die Aufhebung der Anteilsinhaberschaft vorgesehen ist, wird eine Schlechterstellung nicht vorliegen, sofern im Regelinsolvenzverfahren nur eine Liquidation in Betracht gekommen wäre. Anders stellte sich die Lage dann dar, wenn im Regelinsolvenzverfahren eine Fortführung der Schuldnerin und auch der Erhalt der Rechtsposition der Anteilsinhaber absehbar wäre. Aber selbst in letztgenanntem Fall dürfte nach der in § 225a Abs. 5 InsO zum Ausdruck kommenden Wertung des Gesetzgebers keine Schlechterstellung vorliegen, wenn die Anteilsinhaber als Abfindung den Liquidationswert ihrer Anteile ausgezahlt bekommen. 75  Vgl. Stöber, ZInsO 2013, 2457, 2459. 76  Möhlenkamp, BB 2013, 2828, 2829. 77  Vgl. Bundesregierung, Entwurf eines Gesetzes zur weiteren Erleichterung der Sanierung von Unternehmen, BT-Drs. 17/5712, S. 31. 78  Insofern bewirkt die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, wonach eine vorherige Stellung des Minderheitenschutzantrags keine Zulässigkeitsvoraussetzung

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Darüber hinaus ist es dem Planersteller möglich, den Minderheitenschutzantrag bzw. die sofortige Beschwerde im Vorfeld dadurch unzulässig zu machen, dass der Plan für den Fall Mittel bereit gestellt, dass der betroffene Anteilsinhaber eine Schlechterstellung nachweisen kann, §§ 251 Abs. 3, 253 Abs. 2 Nr. 3 InsO. Hierdurch wird zwar sichergestellt, dass der benachteiligte Anteilsinhaber eine wirtschaftliche Kompensation erhält. Gleichwohl schützt dies den Anteilsinhaber nicht davor, dass er seine Beteiligung am Schuldner, die als solche nicht kompensationsfähig ist, teilweise oder ganz verliert. Dabei muss berücksichtigt werden, dass sich die Kompensation an den Liquidationswerten der schuldnerischen Gesellschaft orientiert. Denn die Kompensation der Anteilsinhaber zielt auf eine Gleichstellung mit der Regelung des § 199 S. 2 InsO, welche eine vollständige Abwicklung der Gesellschaft im Insolvenzverfahren anstelle einer sich anschließenden gesellschaftsrechtlichen Liquidation bezweckt. Mit einer Abfindung auf den Zerschlagungswert, ohne Berücksichtigung einer zukünftigen Wertsteigerung der Beteiligung infolge einer Sanierung der schuldnerischen Gesellschaft, steht den Anteilsinhabern gegen ihre planmäßige Entfernung somit kein Rechtsmittel mehr zur Verfügung. Dieser Hürden noch nicht genug, sah sich der Gesetzgeber zum Zweck der Erleichterung von Unternehmenssanierungen bzw. zur Durchsetzung erfolgversprechender Sanierungspläne veranlasst,79 die sofortige Beschwerde eines Anteilsinhabers, die die genannten Sachentscheidungsvoraussetzungen tatsächlich nehmen konnte, gem. § 253 Abs. 4 InsO daran scheitern zu lassen, dass das alsbaldige Wirksamenwerden des Insolvenzplans vorrangig erscheint. Ähnlich dem aktienrechtlichen Freigabeverfahren nach § 246a AktG hat der jeweilige Insolvenzverwalter hierzu beim zuständigen Landgericht die Zurückweisung der sofortigen Beschwerde zu beantragen. Der dem Beschwerdeführer entstehende Schaden in Folge des Planvollzugs ist aus der Masse zu ersetzen; die Rückgängigmachung der Planwirkungen kann dabei nicht als Schadensersatz verlangt werden, § 253 Abs. 4 Satz 3 InsO. 2. Das Missbrauchspotenzial gegenüber Minderheitsgesellschaftern Es zeigt sich damit, dass das ESUG durch die Inklusion des Gesellschaftsrechts in das Insolvenzplanverfahren nicht nur neue, wichtige Gestaltungsimpulse für die Sanierung schuldnerischer Unternehmen gegeben hat, sondern für die sofortige Beschwerde nach § 253 InsO ist, keine nennenswerte Verbesserung des Rechtsschutzes Bundesgerichtshof, ZInsO 2014, 1552. 79  Rechtsausschuss des Deutschen Bundestags, Beschlussempfehlung und Bericht zum Entwurf eines Gesetzes zur weiteren Erleichterung der Sanierung von Unternehmen, BT-Drs. 17/7511, S. 49.



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auch die Position der bisherigen Anteilsinhaber ganz bewusst sehr angreifbar gemacht hat.80 Dabei folgt der Gesetzgeber der Erkenntnis, dass die Fortführung schuldnerischer Unternehmen in der Insolvenz nur dann gelingt, wenn die Grundlagen der Fortführung, gerade auch im Rahmen eines Insolvenzplans, schnell gelegt werden.81 Die Verzögerung der Sanierungsbemühungen führt allzu oft zu deren Scheitern zulasten aller Verfahrensbeteiligten, aber auch zulasten der Beschäftigten und der weiteren Geschäftspartner, mit teils erheblichen Folgen für ganze Regionen. Aus dieser Haltung heraus ist das Bestreben des Gesetzgebers nach Verfahrensbeschleunigung und Verhinderung von Obstruktion genauso verständlich wie richtig. Kritisch muss jedoch die gesetzgeberische Position gesehen werden, dass bei voller wirtschaftlicher Kompensation der Anteilsinhaber im Insolvenzplan „kein Grund [besteht], die Bestätigung des Plans zu versagen.“ Denn die durch Art. 14 und Art. 9 GG geschützte Mitgliedschaft in einer Gesellschaft stellt unbestreitbar mehr als einen reinen Vermögenswert dar, der sich durch betragsgleiche Substitute ersetzen ließe. Auch in der Insolvenz und damit im Zweifel angesichts drohender Vollverwertung zum Zweck der Gläubigerbefriedigung ändert sich dies nicht. Möchte man das Anteilsrecht unter Hinweis darauf, dass ihm in der Insolvenz regelmäßig nur noch ein geringer Vermögenswert zukommt, zum Wohl aller Verfahrensbeteiligten zur Disposition der Abstimmungsberechtigten stellen, so erscheint es zum Schutz der über den Vermögenswert hinausgehenden Werte geboten, ein effektives Rechtsmittel bereitzustellen. Dies gilt umso mehr, als nach dem Leitmotiv der Insolvenzordnung die Haftungsverwirklichung vorranging im Wege der Sanierung erreicht werden soll, die Anteilsinhaber somit eigentlich die Erhaltung und Wertsteigerung ihrer Anteile zu erhoffen haben sollten. Das durch das ESUG verursachte Rechtsschutzdefizit der weiterhin rechtsschutzbedürftigen Anteilsinhaber verschärft sich jedoch noch weiter, wenn die neugeschaffenen, gesellschaftsrechtlichen Gestaltungsmöglichkeiten des Planverfahrens nicht zur Sanierung des Insolvenzschuldners genutzt werden sollen, sondern wenn der Mehrheitsanteilsinhaber die gesellschaftsrechtlichen Gestaltungsmöglichkeiten des Insolvenzplanverfahrens in missbräuchlicher Weise dazu verwendet, den gesellschaftsrechtlichen Einfluss eines Minderheitsgesellschafters erheblich einzuschränken oder diesen sogar ganz aus seiner gesellschaftsrechtlichen Position zu verdrängen. Das reformierte Planverfahrensrecht gibt dem Mehrheitsgesellschafters und unter dem Diktat der Gleichbehandlung (§§ 226, 231 Abs. 1 Nr. 1, 245 Abs. 3 Nr. 2 InsO) hierzu alles gesellschaftsrechtlich Zulässige (§ 225a Abs. 3 80  Bundesregierung, Entwurf eines Gesetzes zur weiteren Erleichterung der Sanierung von Unternehmen, BT-Drs. 17/5712, S. 18, 19. 81  Bundesregierung, a. a. O., 19.

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I­ nsO) in die Hand, ohne dass sich – wie soeben aufgezeigt – die betroffenen Anteilsinhaber hiergegen mit den vorhandenen Rechtsbehelfen effektiv wehren könnten. Um sich die Gestaltungsmöglichkeiten des Insolvenzplans in diesem Sinne nutzbar machen zu können, hat der Mehrheitsanteilsinhaber – ungeachtet des Erfordernisses der materiellen Insolvenz der Gesellschaft – vor allem zwei durchaus überwindbare Hindernisse zu nehmen. So muss er einerseits seine fehlende Vorlagebefugnis nach § 218 InsO bewältigen, andererseits bedarf der vorgelegte Plan zu seiner Annahme der Zustimmung aller Gruppen, insbesondere auch der Gruppe der Anteilsinhaber. Die fehlende Vorlagebefugnis wird der Mehrheitsanteilsinhaber regelmäßig dadurch ausgleichen können, dass er über ausreichenden Einfluss auf die Geschäftsführung der Gesellschaft verfügt.82 Diese kann der Mehrheitsanteilsinhaber quasi als mittelbar Planvorlegender veranlassen, mitunter aufgrund eines Weisungsrechts sogar verbindlich anweisen, den von ihm gewünschten Plan für die Gesellschaft als vorlageberechtigte Schuldnerin vorzulegen.83 Auch den im Innenverhältnis zur Planvorlage notwendigen Beschluss der Gesellschafterversammlung wird er regelmäßig kraft seiner Mehrheitsbeteiligung erwirken können.84 Auch die Herbeiführung der Annahme durch die Gruppe der Anteilsinhaber wird dem Mehrheitsanteilsinhaber meist unschwer gelingen. Hierbei helfen ihm die mit dem ESUG ebenfalls neu eingeführten Vorschriften der §§ 238a, 244 Abs. 3 InsO. § 238a InsO regelt, dass sich das Stimmrecht der Anteilsinhaber in ihrer Gruppe allein nach der Beteiligung am gezeichneten 82  Bei den Personen- und Personenhandelsgesellschaften ist der Mehrheitsanteilsinhaber unmittelbar vorlageberechtigt, soweit er als persönlich haftender Gesellschafter nach dem Gesellschaftsvertrag zur Vertretung der Gesellschaft berechtigt ist, § 18 Abs. 3 InsO analog. Bei mehreren persönlich haftenden vertretungsberechtigten Anteilsinhaber ist allerdings gemeinsames Handeln erforderlich, Eidenmüller, in: Kirchhof/Eidenmüller/Stürner, MüKo InsO III, § 218, Rn. 82; bei der GmbH wird der Mehrheitsanteilsinhaber häufig über seine Beschlussmehrheit in der Gesellschafterversammlung (§ 47 Abs. 1 GmbHG) eine entsprechende Anweisung an die Geschäftsführer erwirken können, Erle/Berberich, in: Axhausen/Müller, Handbuch GmbH, § 1, Rn. 26; bei der Aktiengesellschaft kann der Mehrheitsanteilsinhaber über den Aufsichtsrat wegen dessen fehlender Weisungsbefugnis gegenüber dem Vorstand zwar nur bedingt Einfluss nehmen, jedoch besteht die Möglichkeit, über die Mehrheit im Aufsichtsrat einen gefälligen Vorstand zu bestellen, §§ 101, 84, 108 AktG, Habersack, in: Goette/Habersack/Kalss, MüKo AktG II, § 108, Rn. 20. 83  Eidenmüller, in: Kirchhof/Eidenmüller/Stürner, MüKo InsO III, § 218, Rn. 71. 84  Hiervon sind die Mehrheitsgesellschafter jener Personengesellschaften auszunehmen, bei denen mangels abweichender gesellschaftsvertraglicher Regelung Einstimmigkeit erforderlich ist. Siehe hierzu Eidenmüller, in: Kirchhof/Eidenmüller/ Stürner, MüKo InsO III, § 218, Rn. 82.



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Kapital oder Vermögen des Schuldners bestimmt. Gesellschaftsrechtliche Stimmrechtsbeschränkungen, Sonder- oder Mehrstimmrechte bleiben außer Betracht. Der Mehrheitsgesellschafter kann somit seine mehrheitliche Kapitalbeteiligung in der Abstimmung voll zur Geltung bringen, da gesellschaftsvertragliche Veränderungen der Stimmrechte zugunsten von Minderheitsanteilsinhabern keine Berücksichtigung finden. Ergänzend hierzu bestimmt § 244 Abs. 3 unter Verweis auf Abs. 1 Nr. 2 InsO, dass zur Planannahme die einfach qualifizierte Mehrheit der Anteilsinhaber, also eine Zustimmung von