Die ansässigen Fremden im klassischen Athen 9783515134231, 9783515134255, 3515134239

Das klassische Athen zog zahlreiche fremde Gäste und Besucher an, und für viele von ihnen war die Polis mehr als nur ein

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Table of contents :
Titel
Vorwort
Inhaltsverzeichnis
Einleitung
Forschungsgeschichte
Kernthese und Abgrenzung des Untersuchungsgegenstandes
Vorgehen
I. Vorbemerkungen
I.1.Fremdsein und Fremder sein in der griechischen Welt
I.2.Quellen
I.2.1.Epigraphische Quellen
I.2.2.Literarische Quellen
I.3.Setting the Scene: Athen und die Fremden bis zum Ende des 5. Jahrhunderts
I.3.1.Fremde und ansässige Fremde in der archaischen Zeit
I.3.2.Kleisthenes und die Einbürgerung ansässiger Nichtbürger
I.3.3.Das Bürgerrechtsgesetz des Perikles
I.3.4.Der Peloponnesische Krieg
I.3.5.Das neue Bürgerrechtsgesetz von 403/02
I.4.Demographie der ansässigen Fremden in Attika
I.4.1.Die Anzahl der ansässigen Fremden
I.4.2.Die Verteilung der ansässigen Fremden in Attika
II. Intrinsische Merkmale
II.1.Griechische oder nichtgriechische Herkunft
II.1.1.Nichtgriechen in Athen
II.1.2.Griechen in Athen
II.1.3.Fazit: Griechen und Nichtgriechen in Athen
II.2.Beweggründe, nach Athen zu kommen
II.2.1.Freiwillige Migration: Athen als Stadt der unbegrenzten Möglichkeiten
II.2.1.1.Wirtschaftliche Attraktivität Athens
II.2.1.2.Freiwillig Emigrierte als Zielgruppe athenischer Einwanderungspolitik
II.2.2.Unfreiwillige Migration: Athen als Retter in der Not
II.2.2.1.Kriegsflüchtlinge
II.2.2.2.Politische Flüchtlinge
II.2.2.3.Unfreiwillig Emigrierte als Zielgruppe athenischer Einwanderungspolitik
II.2.3.Eine Frage der Ehrungen
II.2.4.Fazit: Freiwillig und unfreiwillig Emigrierte in Athen
II.3.Freigeborene und Freigelassene
II.3.1.Freilassungspraxis in Athen
II.3.2.Merkmale der Freigelassenen
II.3.2.1.Das triṓbolon
II.3.2.2.Die Wahl des prostátēs
II.3.2.3.exeleútheroi und apeleútheroi
II.3.2.4.Gerichtsbarkeit
II.3.3.Unterscheidung im Alltag
II.3.4.Der Freigelassene als métoikos in Quellen und Forschung
II.3.5 Fazit: Die nie wirklich Freien?
II.4.Frauen und Männer als ansässige Fremde
II.4.1.Das metoíkion
II.4.2.Erwerbstätigkeit fremder ansässiger Frauen
II.4.3.Selbstständigkeit und Selbstverantwortlichkeit
II.4.4.Archippes Leben nach Pasions Tod: Der Status der Ehefrauen Eingebürgerter
II.4.5.Die Gleichstellung von ansässigen fremden Männern und Frauen
II.4.6.Fazit: Ein kleiner Unterschied?
II.5.Längerfristiger oder dauerhafter Aufenthalt in Athen
II.5.1.Bleibeabsicht als Merkmal der métoikoi?
II.5.2.„… doch wenn sie schließlich wieder geh’n, ist’s auch recht schön.“
II.5.3.Sprachliche Unterscheidungen
II.5.4.Fazit: Dauerbesucher und Mitbewohner
II.6.Eingeborene und zugezogene Fremde
II.6.1.Gab es eingeborene Fremde?
II.6.2.Unterschiede zwischen eingeborenen und zugezogenen Fremden
II.6.3.Die Bedeutung des Wohnortswechsels
II.6.4.Fazit: Der métoikos als Mitbewohner
II.7.Bürgerrecht in einer anderen Polis
II.7.1.Bürger anderer Poleis in Athen
II.7.2.Apólides als ansässige Fremde in Athen
II.7.3.Ein fremdes Bürgerrecht als Ausschlusskriterium für die metoikía?
II.7.3.1.Nebeneinander von polítēs und métoikos
II.7.3.2.métoikon eínai und metoikeín
II.7.3.3.métoikoi als polítai und polítai als métoikoi
II.7.4 Fazit: Bürger auf Abwegen
III. Extrinsische Merkmale
III.1.Militär
III.1.1.Ansässige Fremde in der Flotte
III.1.2.Ansässige Fremde im Heer
III.1..Die militärische Bedeutung der ansässigen Fremden
III.1.4.Die Einteilung ansässiger Fremder in Vermögensklassen
III.1.5.Fazit: Militärische Pflichten und Chancen
III.2.Wirtschaft
III.2.1.Abgaben
III.2.1.1.Das metoíkion
III.2.1.2.eisphoraí
III.2.1.3.Leiturgien
III.2.2.Wirtschaftliches Engagement
III.2.3.Verbot immobilen Eigentums
III.2.3.1.Ausschluss von der Landwirtschaft
III.2.3.2.Grundpfandrechte
III.2.3.3.Grabplatzbesitz
III.2.3.4.Mieten und Pachten
III.2.3.5.Institutionelle Nachfolgeregelungen
III.2.3.6.Bedeutung des fehlenden Rechts auf Landbesitz
III.2.4.Ökonomische Potenz der ansässigen Fremden für Athen
III.2.5.Ökonomisches Potenzial der ansässigen Fremden
III.2.6.Fazit: It’s a rich man’s world
III.3.Gesellschaft
III.3.1.Gesellschaftliche Partizipation und soziale Netzwerke von Bürgern und Nichtbürgern
III.3.1.1.Gelegenheiten und Möglichkeiten zum Aufbau sozialer Netzwerke
III.3.1.2.Heiratsverbindungen
III.3.1.3.Bedeutung des sozialen Netzwerks
III.3.1.4.Verbindungen unter den Nichtbürgern
III.3.2.Vorbehalte gegenüber ansässigen Fremden
III.3.2.1.Die sozialen Folgen einer nichtlandwirtschaftlichen Tätigkeit
III.3.2.2.Assoziation mit dem Sklaventum
III.3.2.3.Gesellschaftliche Erwartungen an ansässige Fremde
III.3.3.Soziale Mobilität der ansässigen Fremden in Athen
III.3.4.Fazit: Die Position der ansässigen Fremden in der Gesellschaft
III.4.Politik
III.4.1.Direkte politische Einflussnahme der ansässigen Fremden
III.4.2.Indirekte politische Einflussnahme der ansässigen Fremden
III.4.3.Eingreifen ansässiger Fremder in politische Ereignisse
III.4.4.Einbindung ansässiger Fremder in politische Strukturen
III.4.5.Fazit: Die ansässigen Fremden als pressure group?
III.5.Kult und Religion
III.5.1.Der Ausschluss ansässiger Fremder von Priesterämtern
III.5.2.Einbindung ansässiger Fremder in Kult und Religion
III.5.3.Kultvereine und fremde Kulte in Athen
III.5.4.Fazit: Ansässige Fremde im religiösen Bereich
III.6.Rechtsangelegenheiten
III.6.1.Auftreten der Fremden vor Gericht
III.6.1.1.als Angeklagte
III.6.1.2.als Kläger
III.6.1.3.als Zeugen
III.6.2.Spezielle Rechtsverfahren für (ansässige) Fremde
III.6.2.1.Anlaufstellen und Zuständige
III.6.2.2.xenías graphḗ
III.6.2.3.apostasíu- und aprostasíu-Verfahren
III.6.3 Fazit: Recht haben und Recht bekommen als ansässiger Fremder
III.7.Privilegien und Ehrungen
III.7.1.Verfahren der Vergabe von Privilegien
III.7.2.isotéleia
III.7.3.atéleia
III.7.4.énktēsis
III.7.5.proxenía
III.7.6.politeía
III.7.7 Fazit: Die Privilegien als Stellschrauben
III.8.Der prostátēs
III.8.1.Einsatzgebiete des prostátēs
III.8.2 Fazit: Der prostátes als gemeinsames Merkmal aller ansässigen Fremden?
IV. Ergebnisse
IV.1.Die Heterogenität der ansässigen Fremden in Athen
IV.2.Die Binnendifferenzierung der ansässigen Fremden
IV.3.Der métoikos: Ein ansässiger Fremder oder der ansässige Fremde?
V. Schluss
VI. Quellen- und Literaturverzeichnis
VI.1.Abkürzungsverzeichnis
VI.2.Quellenverzeichnis
VI.3.Literaturverzeichnis
VII. Indices
VII.1.Index Inscriptionum
VII.2.Index Locorum
VIII. Register
VIII.1.Register historischer Personen (in Auswahl)
VIII.2.Sachregister
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Die ansässigen Fremden im klassischen Athen
 9783515134231, 9783515134255, 3515134239

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Franziska Luppa

Die ansässigen Fremden im klassischen Athen

Franz Steiner Verlag

Hermes | Einzelschrift 124

H ER M ES

H E R M ES Zeitschrift für klassische Philologie Herausgegeben von: Prof. Dr. Hans Beck Westfälische Wilhelms-Universität Münster, Seminar für Alte Geschichte, Institut für ­Epigraphik, Domplatz 20–22, 48143 Münster (verantwortlich für Alte Geschichte) Prof. Dr. Martin Hose Ludwig-Maximilians-Universität München, Fakultät für Sprachund Literaturwissenschaften, Griechische und Lateinische Philologie, Schellingstr. 3 (VG), 80799 München (verantwortlich für Gräzistik) Prof. Dr. Claudia Schindler Universität Hamburg, Institut für Griechische und Lateinische Philologie, Überseering 35, Postverteilerfach 1, 22297 Hamburg (verantwortlich für Latinistik) in Verbindung mit Prof. Dr. Karl-Joachim Hölkeskamp Universität zu Köln, Historisches Institut – Alte Geschichte, Albertus-Magnus-Platz, 50923 Köln Einzelschrift 124

Die ansässigen Fremden im klassischen Athen Franziska Luppa

Franz Steiner Verlag

Gleichzeitig Dissertation Technische Universität Dresden, 2020 Gefördert durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) – Projektnummer 317232170 – SFB 1285.

Umschlagbild: Statue des Hermes / röm. Kopie / Rom, Vatikanische Museen Quelle: akg-images / Tristan Lafranchis Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek: Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über www.dnb.d-nb.de abrufbar. Dieses Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist unzulässig und strafbar. © Franz Steiner Verlag, Stuttgart 2023 www.steiner-verlag.de Layout und Herstellung durch den Verlag Satz: DTP + TEXT Eva Burri, Stuttgart Druck: Memminger MedienCentrum, Memmingen Gedruckt auf säurefreiem, alterungsbeständigem Papier. Printed in Germany. ISBN 978-3-515-13423-1 (Print) ISBN 978-3-515-13425-5 (E-Book)

Vorwort Das vorliegende Buch stellt die überarbeitete Fassung meiner 2019 an der Philosophischen Fakultät der Technischen Universität Dresden eingereichten Dissertation dar. Die Verteidigung fand am 02.07.2020 in Dresden statt. Bis hierhin war es ein langer Weg, dessen Bewältigung ich vielen Menschen, ob als Wegbereiter oder als Wegbegleiter, zu verdanken habe. Dank gebührt zuvorderst meinem Doktorvater Martin Jehne für seine Geduld und seine Beratung sowie für die vielen kritischen Nachfragen und wertvollen Impulse, die zuverlässig immer genau die Dinge trafen, an die ich nicht gedacht habe. Christian Mann hat sich freundlicherweise bereit erklärt, das Zweitgutachten zu übernehmen und die Arbeit mit vielen hilfreichen Vorschlägen und Anmerkungen unterstützt, wofür ich ihm meinen Dank aussprechen darf. Für spannende Gespräche, hilfreiche Anmerkungen und kritische Nachfragen danke ich Cristina Rosillo-López, Kurt Raaflaub sowie Rachel Zelnick-Abramovitz und ganz besonders Peter Funke, der sich bei vielen Gelegenheiten als Unterstützer dieses Projekts engagiert hat. Angela Ganter, Johannes Hahn, Marian Nebelin, Uwe Walter, Bernhard Linke und Claudia Tiersch gaben mir die Gelegenheit, meine Ideen im Rahmen ihrer Forschungskolloquien zur Diskussion zu stellen und für diese Möglichkeit sowie für den anregenden Austausch bin ich ihnen und allen Diskutanten und Diskutantinnen sehr dankbar. Besonderen Dank bin ich darüber hinaus Christoph Lundgreen schuldig, der mir den Anstoß gab, den Schritt in die Fachwissenschaft zu wagen und mich als Lehrer und Berater auf diesem Weg unterstützte. Der Herausgeberin und den Herausgebern der Hermes Einzelschriften danke ich für die Aufnahme in die Reihe, Hans Beck im Besonderen für seine Beratung auf dem Weg zur Drucklegung. Für die Gewährung eines großzügigen Zuschusses zu den Druckkosten bin ich außerdem dem Sonderforschungsbereich 1285 „Invektivität“ der TU Dresden zu besonderem Dank verpflichtet. Dass ich auf meine Promotionszeit wie auch auf die anschließende Arbeit an der Publikation mit vielen guten Erinnerungen zurückblicken kann, verdanke ich meinen collegae – ehemaligen, wie gegenwärtigen – und Freunden. Stefan Fraß, Fabian Knopf, Konrad Petzold und Daniel Pauling danke ich für Inspiration von der Pike auf, Kerstin Dittrich für immer freundliche Worte und Aufmunterung. Bastian Schenk, Christian Klose, Michael Krause, Alexander Eisold und Mathias Herrmann sei Dank gezollt da-

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Vorwort

für, dass sie mir nie ein „Kannst du das mal lesen?“ abgeschlagen haben, auch wenn es manchmal noch vor dem „Hallo“ kam. Vera Gotter und Vincent Bauer danke ich herzlich für ihre Hilfe bei der Erarbeitung der Druckfassung. Julia Müller und Hanna Maria Degener trugen als Kolleginnen, Verbündete und Freundinnen mit vielen Ratschlägen, ehrlicher Kritik, kurzweiliger Zerstreuung und freundschaftlicher Ermunterung maßgeblich zum Gelingen dieser Arbeit bei. Siglinde und Siegfried Heida möchte ich ebenso meinen Dank für ihre Unterstützung aussprechen. Ganz besonders möchte ich mich schließlich bei Kevin Paul Kuhne für all die Anregungen, Hinweise und Ratschläge bedanken, auch (und insbesondere) für diejenigen, die mit der Geschichte nichts zu tun hatten. Meine Familie hat meinen Weg, mitsamt der Nebenstraßen, Umwege und Sackgassen, stets geduldig, immer ermunternd und meistens optimistisch begleitet und gefördert. Meiner Oma Edelgard und meiner Mama Heike danke ich für ihren Beistand in allen Lebenslagen und ihr Bemühen um lebenspraktische und lebenstheoretische Ratschläge, auch dann, wenn sie selbst nicht weiterwussten. Meinem Sohn Phileas danke ich für die unaufschiebbare Deadline, die er mir für die Finalisierung des Manuskripts gesetzt hat; dass die Arbeit nun doch ein Ende gefunden hat, ist sein Verdienst. Thomas Heida hat mit viel Geduld (wenn auch nicht schweigend!) die Höhen und Tiefen meiner Promotionszeit ertragen. Ohne seine Unterstützung, sein unerschöpfliches Verständnis und seine oft und in vielen Bereichen geforderte Entbehrungsbereitschaft hätte diese Arbeit (oder irgendein Vorhaben der letzten Jahre) nicht gelingen können. Mein Großvater Dietmar Luppa war mir mit seiner Liebe zur Wissenschaft und der Leidenschaft, mit der er die Wissenschaft betreibt, zwar manchmal Leid, aber immer auch Vorbild gewesen. Ohne ihn stünde kein Satz in dieser Arbeit und wenn einer stünde, er wäre nicht korrekt – ihm sei gedankt für viele Ratschläge, kritische Korrekturen und stetige Bestärkung. Ihnen dreien, meinem Sohn Phileas, meinem Partner Thomas und meinem Großvater ist diese Arbeit gewidmet. Dresden, im November 2022

Franziska Luppa

Inhaltsverzeichnis Einleitung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13 Forschungsgeschichte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15 Kernthese und Abgrenzung des Untersuchungsgegenstandes. . . . . . . . . . . . . . 17 Vorgehen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18 I..Vorbemerkungen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20 I.1. Fremdsein und Fremder sein in der griechischen Welt. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21 I.2.Quellen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 28 I.2.1. Epigraphische Quellen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 29 I.2.2. Literarische Quellen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 39 I.3. Setting the Scene: Athen und die Fremden bis zum Ende des 5. Jahrhunderts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 47 I.3.1. Fremde und ansässige Fremde in der archaischen Zeit . . . . . . . . . . . . . . . . . 49 I.3.2. Kleisthenes und die Einbürgerung ansässiger Nichtbürger. . . . . . . . . . . . . . 54 I.3.3. Das Bürgerrechtsgesetz des Perikles . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 59 I.3.4. Der Peloponnesische Krieg. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 69 I.3.5. Das neue Bürgerrechtsgesetz von 403/02. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 76 I.4. Demographie der ansässigen Fremden in Attika . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 77 I.4.1. Die Anzahl der ansässigen Fremden. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 79 I.4.2. Die Verteilung der ansässigen Fremden in Attika. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 84 II.. Intrinsische Merkmale. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 86 II.1. Griechische oder nichtgriechische Herkunft. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 86 II.1.1. Nichtgriechen in Athen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 95 II.1.2. Griechen in Athen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 102 II.1.3. Fazit: Griechen und Nichtgriechen in Athen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 106 II.2. Beweggründe, nach Athen zu kommen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 107 II.2.1. Freiwillige Migration: Athen als Stadt der unbegrenzten Möglichkeiten. . 108 II.2.1.1. Wirtschaftliche Attraktivität Athens. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 109 II.2.1.2. Freiwillig Emigrierte als Zielgruppe athenischer Einwanderungspolitik. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 115

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II.3.

II.4.

II.5.

II.6.

II.7.

Inhaltsverzeichnis

II.2.2. Unfreiwillige Migration: Athen als Retter in der Not. . . . . . . . . . . . . . . . . . . 116 II.2.2.1.Kriegsflüchtlinge. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 117 II.2.2.2. Politische Flüchtlinge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 119 II.2.2.3. Unfreiwillig Emigrierte als Zielgruppe athenischer Einwanderungspolitik. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 120 II.2.3. Eine Frage der Ehrungen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 122 II.2.4. Fazit: Freiwillig und unfreiwillig Emigrierte in Athen. . . . . . . . . . . . . . . . . . 123 Freigeborene und Freigelassene . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 124 II.3.1. Freilassungspraxis in Athen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 124 II.3.2. Merkmale der Freigelassenen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 130 II.3.2.1.Das triṓbolon. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 130 II.3.2.2. Die Wahl des prostátēs. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 132 II.3.2.3. exeleútheroi und apeleútheroi. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 135 II.3.2.4.Gerichtsbarkeit. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 140 II.3.3. Unterscheidung im Alltag. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 145 II.3.4. Der Freigelassene als métoikos in Quellen und Forschung. . . . . . . . . . . . . . 147 II.3.5 Fazit: Die nie wirklich Freien?. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 153 Frauen und Männer als ansässige Fremde . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 154 II.4.1.Das metoíkion. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 155 II.4.2. Erwerbstätigkeit fremder ansässiger Frauen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 157 II.4.3. Selbstständigkeit und Selbstverantwortlichkeit. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 158 II.4.4. Archippes Leben nach Pasions Tod: Der Status der Ehefrauen Eingebürgerter. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 161 II.4.5. Die Gleichstellung von ansässigen fremden Männern und Frauen. . . . . . . . 167 II.4.6. Fazit: Ein kleiner Unterschied?. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 170 Längerfristiger oder dauerhafter Aufenthalt in Athen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 170 II.5.1. Bleibeabsicht als Merkmal der métoikoi?. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 172 II.5.2. „… doch wenn sie schließlich wieder geh’n, ist’s auch recht schön.“. . . . . . . 174 II.5.3. Sprachliche Unterscheidungen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 178 II.5.4. Fazit: Dauerbesucher und Mitbewohner. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 179 Eingeborene und zugezogene Fremde. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 180 II.6.1. Gab es eingeborene Fremde?. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 181 II.6.2. Unterschiede zwischen eingeborenen und zugezogenen Fremden. . . . . . . . . 184 II.6.3. Die Bedeutung des Wohnortswechsels. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 186 II.6.4. Fazit: Der métoikos als Mitbewohner. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 190 Bürgerrecht in einer anderen Polis. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 191 II.7.1. Bürger anderer Poleis in Athen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 191 II.7.2. Apólides als ansässige Fremde in Athen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 195 II.7.3. Ein fremdes Bürgerrecht als Ausschlusskriterium für die metoikía?. . . . . . 196

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II.7.3.1. Nebeneinander von polítēs und métoikos . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 198 II.7.3.2. métoikon eínai und metoikeín. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 199 II.7.3.3. métoikoi als polítai und polítai als métoikoi. . . . . . . . . . . . . . . . . . 202 II.7.4 Fazit: Bürger auf Abwegen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 205 III.. Extrinsische Merkmale. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 207 III.1.Militär. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 207 III.1.1. Ansässige Fremde in der Flotte. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 208 III.1.2. Ansässige Fremde im Heer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 213 III.1.. Die militärische Bedeutung der ansässigen Fremden. . . . . . . . . . . . . . . . . . . 219 III.1.4. Die Einteilung ansässiger Fremder in Vermögensklassen. . . . . . . . . . . . . . . . 223 III.1.5. Fazit: Militärische Pflichten und Chancen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 225 III.2.Wirtschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 226 III.2.1.Abgaben. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 227 III.2.1.1.Das metoíkion. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 227 III.2.1.2. eisphoraí. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 237 III.2.1.3.Leiturgien. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 241 III.2.2. Wirtschaftliches Engagement. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 242 III.2.3. Verbot immobilen Eigentums. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 244 III.2.3.1. Ausschluss von der Landwirtschaft. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 246 III.2.3.2.Grundpfandrechte. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 246 III.2.3.3.Grabplatzbesitz. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 247 III.2.3.4.Mieten und Pachten. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 249 III.2.3.5. Institutionelle Nachfolgeregelungen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 250 III.2.3.6. Bedeutung des fehlenden Rechts auf Landbesitz . . . . . . . . . . . 252 III.2.4. Ökonomische Potenz der ansässigen Fremden für Athen . . . . . . . . . . . . . . . 253 III.2.5. Ökonomisches Potenzial der ansässigen Fremden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 255 III.2.6. Fazit: It’s a rich man’s world . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 257 III.3.Gesellschaft. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 259 III.3.1. Gesellschaftliche Partizipation und soziale Netzwerke von Bürgern und Nichtbürgern. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 260 III.3.1.1. Gelegenheiten und Möglichkeiten zum Aufbau sozialer Netzwerke. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 260 III.3.1.2.Heiratsverbindungen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 264 III.3.1.3. Bedeutung des sozialen Netzwerks. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 266 III.3.1.4. Verbindungen unter den Nichtbürgern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 268 III.3.2. Vorbehalte gegenüber ansässigen Fremden. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 269 III.3.2.1. Die sozialen Folgen einer nichtlandwirtschaftlichen Tätigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 271

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III.3.2.2. Assoziation mit dem Sklaventum. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 272 III.3.2.3. Gesellschaftliche Erwartungen an ansässige Fremde. . . . . . . . 274 III.3.3. Soziale Mobilität der ansässigen Fremden in Athen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 276 III.3.4. Fazit: Die Position der ansässigen Fremden in der Gesellschaft. . . . . . . . . . 279 III.4.Politik. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 280 III.4.1. Direkte politische Einflussnahme der ansässigen Fremden. . . . . . . . . . . . . . 281 III.4.2. Indirekte politische Einflussnahme der ansässigen Fremden. . . . . . . . . . . . . 284 III.4.3. Eingreifen ansässiger Fremder in politische Ereignisse. . . . . . . . . . . . . . . . . . 287 III.4.4.Einbindung ansässiger Fremder in politische Strukturen. . . . . . . . . . . . . . . . 289 III.4.5. Fazit: Die ansässigen Fremden als pressure group?. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 293 III.5. Kult und Religion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 294 III.5.1. Der Ausschluss ansässiger Fremder von Priesterämtern . . . . . . . . . . . . . . . . 295 III.5.2. Einbindung ansässiger Fremder in Kult und Religion. . . . . . . . . . . . . . . . . . 296 III.5.3. Kultvereine und fremde Kulte in Athen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 303 III.5.4. Fazit: Ansässige Fremde im religiösen Bereich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 306 III.6.Rechtsangelegenheiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 307 III.6.1. Auftreten der Fremden vor Gericht. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 308 III.6.1.1. als Angeklagte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 308 III.6.1.2. als Kläger. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 312 III.6.1.3. als Zeugen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 317 III.6.2. Spezielle Rechtsverfahren für (ansässige) Fremde . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 319 III.6.2.1. Anlaufstellen und Zuständige. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 320 III.6.2.2. xenías graphḗ. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 322 III.6.2.3. apostasíu- und aprostasíu-Verfahren. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 323 III.6.3 Fazit: Recht haben und Recht bekommen als ansässiger Fremder. . . . . . . . 329 III.7. Privilegien und Ehrungen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 330 III.7.1. Verfahren der Vergabe von Privilegien. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 331 III.7.2. isotéleia. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 334 III.7.3. atéleia. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 340 III.7.4. énktēsis. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 344 III.7.5. proxenía. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 351 III.7.6. politeía. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 358 III.7.7 Fazit: Die Privilegien als Stellschrauben. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 366 III.8.Der prostátēs. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 367 III.8.1. Einsatzgebiete des prostátēs. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 368 III.8.2 Fazit: Der prostátēs als gemeinsames Merkmal aller ansässigen Fremden?. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 375

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IV..Ergebnisse. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 378 IV.1. Die Heterogenität der ansässigen Fremden in Athen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 379 IV.2. Die Binnendifferenzierung der ansässigen Fremden. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 382 IV.3.Der métoikos: Ein ansässiger Fremder oder der ansässige Fremde?. . . . . . . . . 384 V..

Schluss . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 386

VI.. Quellen- und Literaturverzeichnis. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 387 VI.1.Abkürzungsverzeichnis. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 387 VI.2.Quellenverzeichnis. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 389 VI.3.Literaturverzeichnis. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 391 VII..Indices. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 411 VII.1. Index Inscriptionum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 411 VII.2. Index Locorum. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 413 VIII..Register . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 420 VIII.1. Register historischer Personen (in Auswahl) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 420 VIII.2.Sachregister . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 421

Einleitung Athen zog aufgrund seiner wirtschaftlichen Bedeutung nicht nur Händler und Handwerker an, sondern war als kulturelles Zentrum Griechenlands für Gelehrte, Ärzte, Redner und Philosophen nicht weniger attraktiv als für Bildhauer, Dichter, Tänzer, Musiker und Baumeister. Anderen wiederum, die durch Krieg, Vertreibung oder Armut gezwungen waren, ihre Heimat zu verlassen, verhieß Athen Sicherheit und Schutz und wieder anderen, die ihren Status als Sklaven ablegen konnten, versprach die Polis zahlreiche Chancen, um in ein neues, etabliertes Leben zu starten. Im Zentrum dieser Arbeit stehen diejenigen unter ihnen, für die Athen nicht nur ein Zwischenstopp war, sondern ein Zuhause fernab ihrer eigentlichen Heimat: Zahlreiche Fremde ließen sich als Flüchtlinge, als freigeborene Migranten oder als ehemalige Sklaven längerfristig oder gar dauerhaft in der Polis nieder. Durch ihre verschiedenartigen Voraussetzungen und unterschiedlichen individuellen Merkmale bildeten sie eine Bevölkerungsgruppe, die sich insbesondere durch eine bemerkenswerte Diversität auszeichnete. Ihre irgendwann alltäglich gewordene Anwesenheit in der Polis zwang die Athener dazu, sich der Frage zu stellen, wie sie mit ihren ansässig gewordenen Fremden umgehen wollten: Welchen Platz sollten sie in der Gemeinschaft einnehmen können, in welchen Bereichen des Lebens in der Polis sollte ihnen die Teilhabe möglich sein – und in welchem Maße –, wo sollte sie ihnen dagegen verwehrt bleiben? Die Antwort war ein komplexes Gefüge an Inklusions- und Exklusionsmechanismen. Dieses zu untersuchen und dabei die Heterogenität der Gruppe der ansässigen Fremden in Athen systematisch aufzuarbeiten, hat sich diese Arbeit zur Aufgabe gemacht. Viele Arbeiten beginnen damit, der Forschung eine stiefmütterliche Behandlung ihres Themas zu unterstellen, doch für die ansässigen Fremden trifft das nicht zu. Sie sind zu einem festen Bestandteil nahezu jedes Standardwerks, zumindest über die Geschichte Athens, avanciert. Das Plädoyer, das der vorliegenden Untersuchung vorausgeschickt wird, ist daher nicht eines für eine ausführlichere, sondern vielmehr für eine systematische (Neu-)Behandlung des Themas, denn obwohl die ansässigen Fremden als Bevölkerungsgruppe das Interesse der Forschung genießen und obwohl verschiedene wertvolle Beiträge sie in den Mittelpunkt ihrer (oft sogar hoch spezialisierten) Betrachtungen stellen, mangelt es bisher doch an einer Analyse der an-

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sässigen Fremden in Athen, welche die grundlegenden Merkmale dieser Gruppe als ganzer aufarbeitet. Dieser Mangel offenbart sich zunächst einmal im Dissens hinsichtlich der Definition des für dieses Thema zentralen Begriffs des métoikos: Wer sich eingehender mit den ansässigen Fremden in Athen beschäftigt, dem wird schnell klar, dass es keinerlei Einigkeit in der Frage gibt, was und wer ein métoikos eigentlich ist. In einigen Fällen hat dies zu einer Vielzahl teils sehr spezifischer Begriffsbestimmungen geführt, die kaum außerhalb der manchmal mehr, manchmal weniger strengen Parameter der jeweiligen Arbeiten sinnvoll anzuwenden sind. Diese Vielzahl an Definitionen führt nicht selten zu Missverständnissen und zu Verwirrung. In anderen Forschungsbeiträgen wird gänzlich darauf verzichtet, den métoikos zu definieren, manchmal mit nur kurzem Verweis auf die Diskussion, manchmal aber auch durch geflissentliches Übergehen oder in der fälschlichen Annahme einer etablierten Definition. In beiden Fällen, man könnte sie den overdefined case und den underdefined case nennen, erschwert das Fehlen eines gemeinsamen Verständnisses dessen, was unter dem Begriff métoikos zu verstehen ist, den wissenschaftlichen Diskurs über das Thema selbst. Ein Anliegen dieser Arbeit ist es also, eine mögliche Vereinheitlichung der Terminologie vorzuschlagen. Weil aufgrund der Vielzahl kursierender Definitionen auch erwogen werden muss, ob der Terminus des métoikos nicht auch an heuristischem Wert eingebüßt hat, wird in dieser Arbeit nicht nur von ansässigen Fremden gesprochen,1 sondern es wird auch dafür plädiert, diese Bezeichnung als Fachbegriff im wissenschaftlichen Diskurs zu etablieren. Darin nicht der Versuch einer weiteren Definition, sondern der Aufruf, den thematisch-inhaltlichen Diskurs (wieder) in den Mittelpunkt zu rücken. Abseits der terminologischen Sphäre zeigt sich der Mangel einer systematischen Betrachtung und Aufarbeitung der Merkmale der ansässigen Fremden aber auch darin, dass sich die Forschung kaum der teils gravierenden Unterschiede innerhalb der Gruppe der ansässigen Fremden bewusst zu sein scheint und diese als ein im Großen und Ganzen homogener Personenkreis behandelt werden. Die folgenden Untersuchungen werden zeigen, dass diese Auffassung vollkommen unzureichend ist: Die systematische Betrachtung der verschiedenen Merkmale der ansässigen Fremden in Athen ergibt, dass die Vorstellung des average metic ein Konstrukt ist, das nicht weiter entfernt von der historischen Realität sein könnte. Der Grund, warum dieser Umstand der Forschung bisher entgangen ist, ist methodischer Natur: In der Betrachtung der ansässigen Fremden diente als Referenzobjekt stets der Bürger, doch diese Gegenüberstellung verschleiert die Heterogenität jener Gruppe, die erst der Vergleich der ansässigen Fremden untereinander zutage fördert. Es ist ein weiteres Anliegen dieser Arbeit, diese Heterogenität der Gruppe der ansässigen Fremden in Athen aufzuarbeiten, zu würdigen und aufzuzeigen, wie sehr die Forschung von einer differenzierteren

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Zur Abgrenzung des Untersuchungsgegenstandes vgl. S. 17f.

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Betrachtung der ansässigen Fremden in Athen profitieren würde. Gleichzeitig strebt die Arbeit an, einen neuen methodischen anzubieten, im Zuge dessen sie nicht mehr nur in Opposition zu den athenischen Bürgern, sondern um ihrer selbst willen untersucht werden. Auf dieser Basis hat sich die Arbeit schließlich auch zum Ziel gesetzt, eine Binnendifferenzierung der Gruppe der ansässigen Fremden zu diskutieren, die es der Forschung ermöglicht, der Heterogenität dieser Bevölkerungsgruppe Rechnung zu tragen und sie so als Untersuchungsgegenstand adäquater zu erfassen. Forschungsgeschichte Die Forschung hat sich den ansässigen Fremden immer wieder und durchaus auch aus verschiedenen Perspektiven gewidmet. Tatsächlich lässt sich das Interesse an dieser Bevölkerungsgruppe bis in das ausgehende 19. Jahrhundert zurückverfolgen, als Michel Clerc2 und Ulrich von Wilamowitz-Moellendorff3 den ansässigen Fremden erstmals je eine einzelne Untersuchung widmeten.4 Bezeichnend ist hier eine ausgesprochen positive Sicht ihres standings in der Polis, welche die Forschung für Jahrzehnte prägen sollte. Sowohl Clerc als auch Wilamowitz kommen in ihren Untersuchungen zu dem Schluss, dass der Status der ansässigen Fremden in Athen ein großer Vorteil, ein Privileg an sich war. Clerc sieht in der metoikía die griechische philoxenía institutionalisiert,5 Wilamowitz erkennt den ansässigen Fremden in Athen aufgrund seiner Nähe zur Polis als Quasibürger an.6 Zum Umdenken wurde in den 70er Jahren des folgenden Jahrhunderts angeregt: In seinem 1977 publizierten Werk The Ideology of the Athenian Metic setzte sich David Whitehead mit der „modern orthodoxy“7 vom gehobenen Status des ansässigen Fremden kritisch auseinander.8 Mit dem Ziel, die von ihm als „ideology“ bezeichnete Einstellung der Athener gegenüber den ansässigen Fremden zu untersuchen, unternimmt Whitehead eine umfassende Evaluation der Position der ansässigen Fremden innerhalb der athenischen Gemeinschaft. Dabei gelangt er zu der Erkenntnis, dass der Status der ansässigen Fremden am besten weder als besonders vorteilhaft noch als besonders nachteilig zu begreifen ist, sondern vielmehr als neutraler Stand außerhalb jeglicher Wertung: Weil die ansässigen Fremden grundsätzlich von jeglicher poli­tischen Partizipation ausgeschlossen und daher unfähig waren, die Polis zu gestalten, spielten 2 3 4 5 6 7 8

Clerc 1893. Wilamowitz-Moellendorff 1887. Ein umfassender Abriss der Forschung über die ansässigen Fremden im antiken Griechenland bis zum Ende des 19. Jahrhundert findet sich in Clerc 1893, S. 2–8. Vgl. ebd., z. B. S. 445. Vgl. Wilamowitz-Moellendorff 1887b, S. 214–219. Whitehead 1977, S. 1. Dazu Whitehead 1977, S. 1f sowie S. 72–74.

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sie mit den Bürgern nicht in einer Liga.9 Sie waren, so Whitehead in Anspielung auf Wilamowitz, nicht Quasi-, sondern Antibürger.10 Zweifelsohne darf Whiteheads Arbeit als wichtiger Meilenstein in der Erforschung der ansässigen Fremden in Athen betrachtet werden. Seine umfassenden Untersuchungen avancierten zum Standardwerk für die moderne Forschung über die ansässigen Fremden in Athen, wobei insbesondere seine Herausarbeitung der Differenzierung verschiedener Fremder in Athen11 zahlreichen späteren Forschungen zugrunde gelegt wurde. Die Verwendung des Begriffs métoikoi als Sammelbezeichnung für alle ansässigen Fremden in Athen geht auf Whitehead zurück – eine Festlegung, die im Verlauf dieser Arbeit noch häufig eine zentrale Rolle spielen wird. Nicht zuletzt wohl angestoßen durch Whiteheads Beiträge, in jedem Fall aber unter zuverlässiger Berufung auf seine Forschung, ist seit dem Erscheinen von The Ideology of the Athenian Metic ein steigendes Interesse der Altertumswissenschaften an den ansässigen Fremden in Athen als Forschungsgegenstand zu verzeichnen. Dieser Trend schlägt sich nicht nur darin nieder, dass die mal mehr, mal weniger umfassende Betrachtung der ansässigen Fremden einen festen Platz in nahezu jedem größeren Beitrag über das klassische Athen einnimmt, sondern vor allem in dem Erscheinen zahlreicher Forschungsbeiträge, die entweder eine bestimmte Teilgruppe der ansässigen Fremden in den Fokus nehmen oder sich mit den Fremden auch außerhalb der klassischen Epoche beschäftigen oder einen dezidierten Aspekt des Lebens als ansässiger Fremder in Athen betrachten. Hierunter fallen etwa Rebecca Futo Kennedys Betrachtung der ansässigen fremden Frauen in Athen,12 Maria Nikus Untersuchungen über den Status der ansässigen Fremden in der nachklassischen Zeit13 sowie Sara Wijmas Arbeit zu den religiös-kultischen Aspekten der metoikía.14 Doch nicht nur inhaltlich-sachlich prägte Whiteheads Arbeit die Forschung zu den ansässigen Fremden in Athen, sondern auch methodisch: Seine Verortung der ansässigen Fremden in der Gesellschaft basiert zwar auf einer umfassenden Untersuchung verschiedener Bereiche der Polis, beschränkt sich methodisch aber auf die Kontrastierung von ansässigen Fremden und Bürgern. Die Tendenz, den ansässigen Fremden in Athen in Relation zum Bürger zu beschreiben, lag bereits Wilamowitz’ Untersuchungen zugrunde, wurde auch von Whiteheads Arbeit – so innovativ sie auch gewesen sein mag – nicht gebrochen und bestimmt die Forschung über die ansässigen Fremden bis heute. Während die Unterschiede zwischen den ansässigen Fremden und den athenischen Bürgern so auf vielfältige Weise aufgearbeitet worden sind, kam der Heterogenität innerhalb der Gruppe der ansässigen Fremden bisher jedoch kaum Beachtung

9 10 11 12 13 14

Vgl. ebd., S. 174. Vgl. ebd., S. 70. Vgl. ebd., S. 6–20. Kennedy 2014. Niku 2007. Wijma 2014.

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zu. Einen ersten wichtigen Schritt, diese Forschungslücke zu schließen, unternahm jüngst Deborah Kamen: In ihrer Betrachtung verschiedener im klassischen Athen lebender Statusgruppen widmete sie den ansässigen Fremden zwei Kapitel, eines den „Metics“, ein anderes den „Privileged Metics“.15 Diese in der Forschung bisher unübliche Unterscheidung der betrachteten Gruppe lässt Kamen jedoch unreflektiert: Sie verweist zwar knapp auf „heuristic purposes“16, expliziert diese aber nicht weiter und bleibt auch im Verlauf ihrer Ausführungen der üblichen methodischen Herangehensweise – dem Vergleich zwischen Fremden und Bürgern – treu.17 Kernthese und Abgrenzung des Untersuchungsgegenstandes Die dieser Arbeit zugrunde liegende Hauptthese lautet: Die Gruppe der ansässigen Fremden in Athen zeichnet sich durch eine Heterogenität aus, die so gewichtig ist, dass sie eine Binnendifferenzierung der ansässigen Fremden in Athen ermöglicht und rechtfertigt. Die Unterschiede innerhalb der Gruppe der ansässigen Fremden systematisch aufzuarbeiten ist die Hauptaufgabe dieser Arbeit. Am Ende soll ein erster Vorschlag für eine mögliche Binnendifferenzierung dieser Bevölkerungsgruppe stehen. Aufgrund der angeführten terminologischen Probleme definiert die vorliegende Arbeit ihren Untersuchungsgegenstand nicht anhand einer Statusbezeichnung wie der metoikía, sondern anhand eines gemeinsamen Merkmals, nämlich der Wohnsitznahme in Athen. Der Vorteil daran ist, dass meine Betrachtungen so nicht durch eventuell falsche Begriffszuschreibungen begrenzt oder gar verfälscht werden. Dabei ist die kritische Auseinandersetzung mit dem métoikos-Begriff ein weiteres Kernanliegen der vorliegenden Arbeit. Dementsprechend definiere ich meinen Untersuchungsgegenstand wie folgt: Als ‚ansässige Fremde‘ sollen im Folgenden diejenigen Individuen gelten, die sich erstens in Athen mindestens langfristig aufhielten,18 bei denen zweitens mindestens ein Eltern-

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Kamen 2013. Bei den beiden hier genannten Kapiteln handelt es sich um Kapitel 4 und 5 der Publikation, S. 43–55. Kamen 2013, S. 55. Kamens Unterscheidung privilegierter und nicht-privilegierter Fremder in Athen ist in der Forschung nicht ohne Widerspruch geblieben, besonders vehement von Joshua Sosin (Sosin 2016 passim), s. dazu Kap. III.2.1.1.3. Als ‚mindestens langfristig‘ verstehe ich eine (mutmaßliche) Aufenthaltsdauer von mehr als einem Monat. Diese Frist entspricht der in der Forschung üblicherweise angenommenen Zeit, die eine Person in Athen bleiben konnte, bevor sie verpflichtet wurde, die Metökensteuer zu entrichten (vgl. z. B. Kamen 2013, S. 43). MacDowells Vermutung, dass nicht die Dauer des Aufenthaltes, sondern die Begründung eines eigenen Haushalts die Verpflichtung zur Registrierung als Metöke nach sich zog (vgl. MacDowell 1987, S. 77), widerlegt Aristophanes von Byzanz, Ar. Byz. frgm. 303–305 [Slater] = frgm. 38 [Nauck]: ἓως μὲν οὖν ποσῶν ἡερῶν παρεπίδημος καλεῖται καὶ ἀτελής ἐστιν, ἐὰν δὲ ὑπερβῇ τὸν ὡρισμένον χρόνον, μέτοικος ἢδη γίνεται καὶ ὑποτελής. (Er wird für eine

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teil kein athenisches Bürgerrecht besaß und die drittens das athenische Bürgerrecht nicht von Geburt an hatten. Ich schließe damit ausdrücklich auch Personen ein, die in Athen geboren wurden. Eingeschlossen sind auch diejenigen, die während ihres Lebens das athenische Bürgerrecht durch ein Dekret19 erlangten, ohne Anrecht darauf qua Geburt gehabt zu haben. Sie werden im Folgenden als ‚Neubürger‘ bezeichnet. Mein Untersuchungsgegenstand schließt drittens nur diejenigen Individuen ein, die persönlich frei waren, entweder weil sie diesen Personenstatus von Geburt an trugen (Freigeborene) oder weil sie den Sklavenstatus im Laufe ihres Lebens ablegten (Freigelassene). Vorgehen Meinen zentralen Ausführungen stelle ich einige Vorbemerkungen voran (Teil I), welche die Annäherung an den Untersuchungsgegenstand der ansässigen Fremden in Athen aus historischer Perspektive ermöglichen. Bevor der Fokus der Arbeit auf Athen gelegt werden wird, soll zunächst das Fremdsein in der griechischen Welt knapp skizziert werden und der besondere Stellenwert Athens als Wohnort ansässiger Fremder einerseits und als Forschungsgegenstand andererseits hervorgehoben werden (Kapitel I.1). Im Anschluss gilt es, die Quellenlage näher zu betrachten (Kapitel I.2), um die Frage zu beantworten, welcherlei Informationen über Fremde in Athen überhaupt zur Verfügung stehen. Der besseren Übersichtlichkeit halber wird hier zwischen epigraphischen Quellen und literarischen Quellen unterschieden. Im folgenden Kapitel soll der historische Kontext erläutert werden (Kapitel I.3). Dies geschieht anhand einiger, im Hinblick auf den Personenstatus wichtigen Zäsuren aus der klassischen Zeit: des

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bestimmte Anzahl von Tagen parepídēmos genannt und ist frei von Steuern, aber wenn er diese Zeit überschreitet, wird er métoikos und steuerpflichtig.) Dass diese 12 Drachmen tatsächlich der jährliche Beitrag waren (vgl. Whitehead 1977, S. 76), scheint eine plausible Annahme: Aus dem jährlichen Betrag von 12 Drachmen folgt ein monatlicher von 1 Drachme, was einen angemessenen und realistischen Betrag darstellt, den auch Tagelöhner oder Handwerker entrichten konnten. Ausschließen lässt sich das metoíkion als einmalige Zahlung, da bekannt ist, dass es in regelmäßigen Abständen entrichtet werden musste. Unklar ist, wo das metoíkion zu zahlen war. Whitehead vermutet eine zentrale ‚Sammelstelle‘, in der jeder Metöke das metoíkion persönlich entrichtete (vgl. ebd, S. 77). Da der Metöke allerdings in der Deme registriert war und die Registrierung wiederum mit der Zahlung des metoíkion einherging, scheint die Vermutung angebracht, dass die Zahlung des metoíkion vielmehr in den jeweiligen Demen anstatt in einer zentralen Sammelstelle vollzogen wurde. Dies gilt für alle Dekrete, aus denen sich das Bürgerrecht für die betreffende Person ergab, d. h. insbesondere Dekrete, die das Bürgerrecht namentlich an die Person verliehen, Dekrete, die das Bürgerrecht an eine Personengruppe verliehen, zu welcher die betreffende Person gehörte sowie Dekrete, die das Bürgerrecht an einen Dritten verliehen und auf die betreffende Person übertrugen bzw. ausweiteten, z. B. als Nachkomme des Honoranten.

Einleitung

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Bürgerrechtsgesetzes von 451/50 v. Chr.,20 der Zeit des Peloponnesischen Krieges und schließlich des neuen Bürgerrechtsgesetzes von 403/02. Der letzte Teil der Vorbemerkungen beschäftigt sich mit der Demographie der Fremden (Kapitel I.4), wobei der Anteil der ansässigen Fremden an der Gesamtbevölkerung Athens bzw. Attikas sowie deren Verteilung in Attika im Fokus stehen. Anders als in der bisherigen Forschung bildet nicht der Vergleich der Fremden mit den Bürgern, sondern der Vergleich der Fremden mit anderen Fremden den methodischen Kern meiner Arbeit. Anstatt zu fragen, wie sich ein Fremder vom Bürger unterscheidet, will die Untersuchung ermitteln, in welchen Merkmalen sich ein Fremder von einem anderen Fremden abhebt und inwiefern sich daraus Konsequenzen ergeben. Hierzu unterscheide ich im Folgenden zwischen intrinsischen Merkmalen und extrinsischen Merkmalen. Als intrinsische Merkmale (Teil II) verstehe ich in meinen Ausführungen all jene Charakteristika der Fremden, die zu ihnen selbst gehören, also Eigenschaften und kategoriale Zugehörigkeiten, die sie ohne athenisches und zum Teil sogar ohne ihr eigenes Zutun tragen. Hierunter fallen Herkunft (II.1), Beweggründe, nach Athen zu kommen (II.2), frei oder unfrei geboren worden zu sein (II.3), Geschlecht (II.4), die Absicht, dauerhaft oder nur vorübergehend in Athen zu bleiben (II.5), in Athen oder anderswo geboren worden zu sein (II.6) und der Besitz des Bürgerrechts in einer anderen Polis (II.7). Als extrinsische Merkmale (Teil III) fasse ich Eigenschaften auf, die den Fremden qua Wohnsitznahme in Athen zugeschrieben wurden. Hier werden die Bereiche Militär (III.1), Wirtschaft (III.2), Gesellschaft (III.3), Politik (III.4), Kult und Religion (III.5) sowie Rechtsangelegenheiten (III.6) genauerer Betrachtung unterzogen. Weiterhin fallen unter die zu diskutierenden extrinsischen Merkmale ansässiger Fremder die ihnen zugesprochenen Privilegien und Ehrungen (III.7) sowie die Pflicht, einen prostátēs zu benennen (III.8). In einem abschließenden Teil (Kapitel IV) sollen die Ergebnisse der Untersuchungen zusammengetragen und zueinander in Beziehung gesetzt werden. Die Heterogenität der ansässigen Fremden (IV.1) und die Möglichkeit zur Binnendifferenzierung dieser Personengruppe (IV.2) sowie die Kritik am métoikos-Begriff (IV.3) sollen hier besonders im Fokus stehen.

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Im Folgenden wird auf den Zusatz ‚v. Chr.‘ verzichtet. Alle Jahresangaben von hier an beziehen sich, sofern nicht anders vermerkt, auf die Zeit v. Chr.

I. Vorbemerkungen Der erste Teil der Arbeit dient der methodischen und inhaltlichen Annäherung an den Untersuchungsgegenstand: die ansässigen Fremden in Athen. Das Folgende stellt daher einen Einstieg in das Thema dar und beschäftigt sich mit der zugegebenermaßen etwas lakonischen Frage: Womit haben wir es eigentlich zu tun? Nach einer kurzen Betrachtung der Fremden in der griechischen Welt und der Bedeutung Athens als Untersuchungsgegenstand im Kapitel I.1 geschieht die Annäherung an die Thematik auf drei Wegen. Zunächst muss vor allem (aber nicht nur) zum Zwecke der methodischen Transparenz geklärt werden, wie Informationen über die ansässigen Fremden in Athen überhaupt gewonnen werden können. Dazu werden im Kapitel I. 2 die Quellen betrachtet, welche zur Untersuchung der ansässigen Fremden herangezogen werden können. Die kritische Hinterfragung ihrer Aussagekraft sowie Wert und Besonderheiten einzelner Quellengattungen im Hinblick auf die Beschäftigung mit den ansässigen Fremden sollen dabei im Zentrum der Betrachtungen stehen. Der zweite Weg, sich dem Thema der ansässigen Fremden in Athen zu nähern, führt über die historische Kontextualisierung im Kapitel I.3. Es werden dazu historische Ereignisse betrachtet, die eine Zäsur im Hinblick auf das Leben der ansässigen Fremden in Athen darstellten: die Reformen des Kleisthenes, das Bürgerrechtsgesetz des Perikles, der Peloponnesische Krieg sowie das Bürgerrechtsgesetz von 403/02. Dabei wird nicht nur herauszuarbeiten sein, auf welche Weise und in welchem Maße sich diese historischen Ereignisse auf ansässige Fremde in Athen auswirkten, sondern es soll auch der Frage nachgegangen werden, in welchem historischen Kontext die Formalisierung eines Status ansässiger Fremder verortet werden darf. Der dritte Weg, auf dem sich die Arbeit dem Thema der ansässigen Fremden in Athen nähert, führt schließlich über die Demographie der Fremden in Athen im Kapitel I.4. Hierbei soll der Untersuchungsgegenstand quantitativ charakterisiert werden, insbesondere im Hinblick auf die Frage nach der Gesamtzahl der Fremden in Athen und ihrer Verteilung innerhalb Attikas.

Fremdsein und Fremder sein in der griechischen Welt

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I.1 Fremdsein und Fremder sein in der griechischen Welt Bevor sich die Arbeit den ansässigen Fremden im klassischen Athen zuwendet, lohnt sich eine kurze Betrachtung der Fremden und des Fremdseins im gesamtgriechischen Kontext. Das Fremder-sein in der griechischen Welt ist geprägt durch deren politische Zerklüftung: Weil sich das Bürgerrecht auf die eigene Polis beschränkte, bedurfte es keiner weiten Reise in ferne Gefilde, um fremd zu sein. Schon jenseits der heimatlichen Stadtmauern besaß eine Person per se keine Anerkennung und war daher schon im Nachbarort fremd in jeder Hinsicht und mit allem, was dazugehörte: So besaßen die Bürger einer Polis in einer anderen keinerlei politische Einflussmöglichkeiten, wie etwa das Recht, Ämter zu wählen oder für Ämter gewählt zu werden. Auch die Rechtssicherheit beschränkte sich zunächst einmal auf die eigene Polis: Weil der Zugang zu den entsprechenden Institutionen, insbesondere der Gerichte und der Volksversammlung, an das Bürgerrecht geknüpft war, hatten die Bürger anderer Poleis grundsätzlich keine Möglichkeit, bspw. ein ihnen zugestoßenes Unrecht anzuzeigen oder ein anderes Anliegen vorzubringen.1 Schon ein kleiner Abstecher, etwa eine mehr oder weniger kurze Pilgerreise, wie sie wohl von jedem Griechen mindestens einmal im Leben unternommen wurde,2 bedeutete also, in die Position eines Fremden, mit allen daraus resultierenden Einschränkungen, zu geraten. Ein foreign experience gehörte so zum Griechesein dazu, und zwar nicht nur, weil die allermeisten irgendwann das Fremdsein selbst erlebten, sondern im doppelten Sinne, denn die Fremden und mit ihnen auch das Fremde dürften in den griechischen Poleis ein gewohnter Anblick gewesen sein. Es ist zumindest nicht überliefert, dass irgendeine Polis allen Fremden den Zugang grundsätzlich verwehrt hätte,3 auch wenn mit der 1

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Diesen Missstand suchten einige Poleis zu heilen, indem sie untereinander Rechtshilfeverträge abschlossen. In diesen sog. symbolaí (zur Bezeichnung vgl. Gauthier 1972, S. 62–104, insbesondere S. 100–104, sowie Ziegler 1975, S. 62–65 zur Unterscheidung von symbolaí und sýmbola) wurden teils sehr detaillierte Vereinbarungen über die Rechte und Pflichten der Bürger der einen Polis während ihres Aufenthaltes in der anderen Polis getroffen. Für eine Übersicht über die symbolaí in der griechischen Welt s. Gauthier 1972, S. 157–173 und passim sowie Ziegler 1975, S. 18–35 zu den symbolaí allgemein; zu den athenischen symbolaí s. Ziegler 1975, S. 36–65; de Ste. Croix 1961, S. 108–110 und MacDowell 1978, S. 220f. Als Sokrates offenbart, dass er in seinem Leben erst eine, sehr kurze, Pilgerreise unternommen hat, trifft er bei seinen Zuhörern auf Überraschung, fast schon Unverständnis: Plat. Crit. 52b, vgl. Rutherford 1995, S. 276. Ein umfangreicher Ausschluss Fremder ist in einer Inschrift aus der kretischen Polis Lykthos überliefert (SEG 35, 991A), der zufolge allopoliátai nicht aufgenommen werden dürfen, mit Ausnahme von Bürgern aus dem kretischen Itanion und Untergebenen, was Gefangene oder Geiseln meinen könnte (vgl. Chaniotis 2005, S. 187). Wahrscheinlich ist, dass der Terminus allopoliátai nicht alle Fremden meint, sondern nur einen Teil von ihnen: Es ist schwierig zu rekonstruieren, welche Personen genau als allopoliátai galten (vgl. dazu Perlmann 2004b, S. 125–127); vielleicht meint der Begriff dezidiert Fremde, die ein Bürgerrecht in einer anderen Polis hielten (vgl. ebd., S. 127), durch das Nebeneinander der Begriffe xénoi und allopoliátai in anderen Inschriften, z. B. aus der ebenfalls auf Kreta liegenden Polis Eleutherna, ist es aber zumindest naheliegend, dass allopoliátai nicht alle Fremden umfasst.

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Vorbemerkungen

xenēlasía vereinzelt4 auch eine Praxis existierte, mit der Fremde aus der Polis entfernt wurden.5 Außerdem bestanden mancherorts Zugangsbeschränkungen für bestimmte Bereiche in der Polis, insbesondere für die Heiligtümer.6 Von wenigen Ausnahmen abgesehen,7 richteten sich solche Zugangsbeschränkungen aber nicht gegen alle Fremden gleichermaßen, sondern betrafen jeweils eine klar abgrenzbare Gruppe von Fremden einer bestimmten Herkunft:8 In Delos wurde etwa den athenischen Fremden der Zugang zum témenos der Archegetai verwehrt,9 in Amphiastros war nur Fremden aus Theben der Zugang zum Orakel verboten,10 und ein Gesetz aus Paros richtet sich explizit nur an dorische Fremde,11 welche wohl auch vom Gebet im Heiligtum der Athena auf der Akropolis ausgeschlossen waren.12 Insgesamt ist die Exklusion Fremder von religiösen Orten oder Handlungen aber eher eine Seltenheit in der griechischen Welt:13 Die meisten Kulte und Heiligtümer waren offen auch für Außenstehende.14 Dass die Anwesenheit Fremder in den griechischen Poleis selbstverständlich war, galt nicht nur für Besucher, sondern auch für ansässige Fremde:15 Freie, ansässige Nichtbürger sind in zahlreichen Poleis bezeugt, etwa durch die Erwähnung von in

SEG 35, 991A belegt damit also sicherlich einen umfassenden, aber dennoch keinen grundsätzlichen Ausschluss Fremder aus der Polis (dagegen Chaniotis 2005, S. 187, der allopoliátai als Begriff für alle Fremden interpretiert und in der Folge einen grundsätzlichen Ausschluss Fremder aus SEG 35, 991A erkennt). Selbst in Sparta, das bekanntermaßen im Ruf stand, Fremden in höchstem Maße ablehnend gegenüberzustehen (z. B. Thuk. 1, 144, 2), ist die Anwesenheit von Fremden belegt (z. B. Xen. Mem. 1, 2, 61; Hdt. 9, 35, 1) und darf als alltäglich aufgefasst werden, vgl. Thommen 1996, S. 146. 4 Vor allem für Sparta ist die xenēlasía eine bekannte Praxis gewesen (Aristoph. Av. 1012–1013; Thuk. 1, 144, 2; Thuk. 2, 39, 1). Vielleicht gab es sie auch andernorts (z. B. Garland 2014, S. 97), jedoch ist der in diesem Zusammenhang oft getätigte Verweis auf Kreta und insbesondere Apollonia, vgl. z. B. Wilkes/Fischer-Hansen 2004, S. 328 (IACP 77) mit Bezugnahme auf Ail. var. 13, 16, im Speziellen umstritten, vgl. z. B. Whitehead 1984a, S. 50 mit n 12, genauso wie die Existenz der xenēlasía außerhalb des klassischen Spartas allgemein. 5 Zur xenēlasía in Sparta z. B. Figueira 2003 passim; Rebenich 1998 passim; Thommen 1996, S. 145f. 6 Bspw. in Delos (I. Delos 68), Arkesine (IG XII,7 2) und Paros (IG XII,5 225), s. u. 7 So verbietet IG XII.7, 2 Fremden den Zutritt zum Heraion in Arkesine (oder den längeren Aufenthalt in ihm; vgl. Butz 1996, S. 87). In Hdt. 6, 81 versucht ein Priester Kleomenes daran zu hindern, im Heratempel von Argos zu opfern, da dies Fremden untersagt war. 8 Ähnlich auch Funke 2006, S. 3. 9 I. Delos 68; dass xénos hier einen athenischen Fremden meint, ist naheliegend, da die Inschrift im Zusammenhang mit der Erklärung der delischen Unabhängigkeit von Athen aufgestellt worden ist; vgl. Butz 1996, S. 82. 10 Hdt. 8, 134. 11 IG XII,5 225, Z. 1–2; vgl. Butz 1996, S. 82. 12 So versucht die Priesterin der Athena den spartanischen König Kleomenes daran zu hindern, das Heiligtum der Athena zu betreten, weil er ein Dorer ist: Hdt. 5, 72. 13 Vgl. Funke 2006, S. 4. 14 Vgl. ebd., S. 10. 15 Z. B. Aristot. Pol. 1326a 18–20.

Fremdsein und Fremder sein in der griechischen Welt

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der Fremde lebenden Einzelpersonen16 oder Personengruppen17 in literarischen und inschriftlichen Quellen. Auch der Umstand, dass in zahlreichen Poleis überhaupt Bezeichnungen existierten, mit denen die Gruppe freier, ansässiger Nichtbürger insgesamt oder Teile dieser Gruppe bezeichnet wurden, zeigt ihr Vorhandensein. Der bekannteste dieser Termini ist sicherlich der métoikos, der außer in Athen auch in Byzantion, Delos, und Kolophon Verwendung fand.18 Daneben existierten aber auch andere regional verbreitete Bezeichnungen wie etwa ἔποικος in den kretischen Poleis, auf der thrakischen Halbinsel und in Megara, κάτοικος in Kleinasien und πάροικος in Kos.19 Für über 60 Poleis sind außerdem Vorkehrungen verschiedenster Art überliefert, die im Zusammenhang mit ansässigen Fremden stehen.20 Die Quellen belegen dabei, dass nicht nur die großen Poleis, wie Athen, Sparta21 oder Aigina,22 sondern auch kleinere, wie beispielsweise Koresia,23 Oiantheia, Chaleion24 und Eleutherna,25 bemüht waren, einen lang- oder zumindest längerfristigen Aufenthalt von Fremden geregelt zu ermöglichen.26 Unter diese Maßnahmen fällt etwa die Erhebung von Abgaben, die von Fremden zu entrichten waren, wenn ihr Aufenthalt eine bestimmte Dauer erreichte: Eine Fremdensteuer ist außer in Athen27 auch explizit beispielsweise aus Oiantheia, Chaleion, Megara, Oropos,28 Kolophon29 und Chios30 bekannt. Außerdem implizieren Dekrete, in denen fremde Honoranten von einer Fremdensteuer befreit wurden, dass 16

Nur beispielsweise seien hier drei Athener genannt: Philon, der in Oropos lebte (Lys. 31, 8–10), Aphobos, der in Megara residierte (Demosth. 29, 3), und Leokrates, der zunächst in Rhodos und dann in Megara lebte (Lykurg. 21). 17 So bemerkt Xenophon etwa, dass Byzantion ein beliebtes Ziel athenischer Auswanderer gewesen sei: Xen. Hell. 4, 8, 27. 18 Byzantion: Aristot. Oec. 1347a, 1–3; Delos: IG XI,2 105; Kolophon: AJPh 1935, S. 377–379 No. III; vgl. auch Fraser 1995, S. 73 zu den verschiedenen Bezeichnungen ansässiger Fremder außerhalb Athens. 19 ἔποικος z. B. IC II xii.22 A, Z. 9; Plut. Per. 19.1 und SEG 39, 41; κάτοικος z. B. OGIS I 229; πάροικος z. B. Syll.3 398. 20 Vgl. Cartledge 2000 (DNP 8), Sp. 107. 21 Die bekannteste Maßnahme der Spartaner in Bezug auf ansässige Fremde ist sicherlich die xenēlasía, s. dazu n 4 und n 5 weiter oben in diesem Kapitel. 22 In Aigina scheint es umfangreichere Bemühungen gegeben zu haben, insbesondere rechtliche Vorkehrungen für den Aufenthalt ansässiger Fremder zu treffen, vgl. Figueira 2004, S. 620 (IACP 538). 23 IG XII,5 647, Z. 9–11. 24 IG IX,12 3.717, vgl. dazu auch Kap. III.2.1.1.1, S. 232. 25 IC II xii.4 könnte Gesetze überliefern, die sich explizit an ansässige Fremde richteten, vgl. Perlman 2004b, S. 1159 (IACP 957) sowie den Kommentar zu dieser Inschrift von Guarducci (1939), S. 149. 26 Vgl. Hansen 2004, S. 62 n 47. 27 Dazu Kap. III.2.1.1 dieser Arbeit. 28 Von einer Fremdensteuer in Oiantheia und Chaleion zeugt ihre gegenseitige Vereinbarung, die Bürger der jeweils anderen Polis während ihres Aufenthaltes in der eigenen Polis zu befreien: IG IX,12 3.717 (= HGIÜ 48); Demosthenes zufolge hat der Athener Aphobos in Megara eine Fremdensteuer entrichtet (Demosth. 29, 3), und Lysias berichtet, dass der in Oropos lebende Athener Philon dort eine solche zahlte (Lys. 31, 9). 29 Sog. chrḗmata xeniká: AJP 1935, 359–372, no. I, Z. 25. 30 BCH 37(1913), S. 194ff Nr. 20, Z. 12–13.

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Vorbemerkungen

es in den verleihenden Städten ebenfalls Abgaben gab, die den ansässigen Fremden auferlegt wurden.31 Inschriften, welche die Verleihung von Privilegien an Nichtbürger bezeugen, sind aber auch über die Fremdensteuer hinaus relevant: So deuten Verleihungen der énktēsis an Nichtbürger darauf hin, dass Fremde, ob ansässig oder nicht, in vielen Poleis vom Landbesitz ausgeschlossen waren.32 Darüberhinaus wurden vielerorts auch in der Rechtsprechung Vorkehrungen für die Anwesenheit Fremder getroffen, z. B. durch die Einrichtung von Gremien und die Ernennung von Beamten, die ausschließlich für die Belange Fremder zuständig waren.33 In verschiedenen Details der konkreten Ausgestaltung des Aufenthaltes ansässiger Fremder sind mehr oder minder starke qualitative und quantitative Unterschiede zwischen den Poleis festzustellen: Hier reicht das Spektrum von Gemeinschaften, deren Maßnahmen, zumindest soweit sie überliefert sind, kaum erkennen lassen, dass die ansässigen Fremden als gesonderte Gruppe anerkannt wurden, bis zu solchen, die mit detaillierten Bestimmungen das Leben ansässiger Fremder in der jeweiligen Polis regulierten. Beispielhaft ist hier Gortyn zu nennen, wo nicht nur vorgesehen war, dass ansässige Fremde nur in bestimmten Gebieten der Polis wohnten,34 sondern wo auch gesonderte Rechtsverfahren für Fremde existierten.35 Daneben ist auch die differenzierte Terminologie bemerkenswert, die in Gortyn Anwendung fand, um verschiedene Gruppen von Fremden, ansässige und nichtansässige, zu bezeichnen.36 Obgleich davon auszugehen ist, dass grundsätzlich jede griechische Polis ansässige Fremde beherbergen konnte, ist es sicherlich wenig überraschend, dass vor allem in denjenigen, die sich durch wirtschaftliche Stärke und intensiven Handel auszeichneten, viele ansässige Fremde zugegen waren: Während an Orten von geringerer ökoZ. B. belegt SGDI 5533a–c die Vergabe der isotéleia in der Polis Zeleia in Kleinasien, und SEG 36, 982A belegt die Vergabe der isotéleia an einen Bürger aus dem karischen Chalketor durch die Polis Iasos; die atéleia wird bspw. in Olbia (I. Olbia 1), in Kamiros auf Rhodos (Tit. Cam. 103), in Chios (I. Chios 6) und in Aigina (Demosth. 23, 211) vergeben. Zu den Privilegien s. Kap. III.7 dieser Arbeit mit Kap. III.7.2 zur isotéleia und Kap. III.7.3 zur atéleia. 32 Z. B. in Iasos (SEG 36, 983, Z. 14–15, vgl. dazu auch Fabiani 2013, S. 319), Pladasa (SEG 40, 996, Z. 17) und Hypata (IG IX,2 3a, Z. 2), für Byzantion ist der Ausschluss Fremder von immobilem Besitz explizit durch Aristot. Oec. 1347a 1–3 belegt. 33 Neben dem athenischen árchōn polémarchos (dazu Kap. III.6.2.1 dieser Arbeit) ist hier z. B. an den in Gortyn eingesetzten xénios kósmos zu denken, eines der ältesten in der griechischen Welt belegten Ämter (vgl. Seelentag 2017, S. 277), dessen Hauptsorge, wie der Name vermuten lässt, den Fremden galt, vgl. Perlman 2004a, S. 109. 34 In den kretischen Poleis scheint die Ansiedelung freier Nichtbürger in designierten Gebieten üblich gewesen zu sein (vgl. Chaniotis 1996, S. 162); so konnten sich Fremde in Gortyn wohl nur im Bezirk Latosion niederlassen, wie IC IV 78, Z. 1–3 nahelegt, vgl. Chaniotis 1996, S. 162f sowie den Kommentar zu dieser Inschrift von Guarducci 1950, S. 181. 35 Sog. kseneía díkai: IC IV 80, Z. 8; vgl. Gagarin/Perlman 2016, S. 80f. 36 So existieren in Gortyn nebeneinander die Bezeichnungen kseníos (ein Fremder, z. B. in IC IV 14 p2), ὐπόβοικος (ein Fremder aus einer Gortyn unterstehenden Polis, z. B. in IC I xvi.1 Z. 38f), apétairos (ein Freier ohne Bürgerrecht, z. B. in IC IV 72 col. II.1, Z. 5), apeleútheros (Freigelassener, z. B. in IC IV 78, Z. 1); vgl. Perlman 2004b, S. 1163f mit Literatur. 31

Fremdsein und Fremder sein in der griechischen Welt

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nomischer Relevanz die Anwesenheit ansässiger Fremder nur durch die gelegentliche Nennung Einzelner belegt ist,37 deutet die Vielzahl von Belegen ansässiger fremder Einzelpersonen oder Personengruppen in wirtschaftlich aktiveren Poleis darauf hin, dass diese auch eine höhere Zahl ansässiger Fremder beherbergten. In der Handelsmetropole Aigina beispielsweise38 lebten nicht nur bemerkenswert viele Sklaven, sondern auch zahlreiche Fremde.39 Ähnliches gilt z. B. für Chios,40 Abydos,41 Akragas42 und Kyme.43 Auch Byzantion zog wohl viele ansässige Fremde an, wobei es vor allem ein beliebtes Ziel von Athenern gewesen zu sein scheint.44 Als Aufenthaltsort Fremder und insbesondere als Wohnort ansässiger Fremder nimmt Athen in der griechischen Welt eine Sonderstellung ein, nicht nur, weil die schiere Zahl in Athen lebender ansässiger Fremder ohnegleichen in der griechischen Welt gewesen sein dürfte.45 Auch was die Anerkennung der ansässigen Fremden als gesonderte Gruppe anbelangt, dürfte Athen in der griechischen Welt besonders gewesen sein und stellt auch für die heutige Forschung eine Ausnahme dar: Für keine andere Polis besitzen wir auch nur annähernd so umfangreiche Zeugnisse, wie über das Leben ansässiger Fremder in Athen.46 Zudem könnte Athen im Prozess der Herausbildung eines gesonderten Status ansässiger Fremder, der in Kapitel I.3 zu erläutern sein wird, eine Vorreiterrolle unter den griechischen Poleis zugekommen sein: So ist in der Forschung stellenweise angenommen worden, dass etwa das metoíkion eine athenische

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So etwa in Thetonion, wo nur ein einzelnes atéleia- und asylía-Dekret (IG IX,2 257) darauf hindeutet, dass es wohl auch ansässige Fremde in dieser Polis gegeben hat, und ähnlich auch in Thisbai, wo die Grabinschrift für einen gewissen Phanes (CEG 112) nahelegt, dass ansässige Fremde hier lebten. Hohe Handelsaktivität der Polis bezeugt etwa Aristot. Pol. 1291b 24 sowie der Umstand, dass Aigina mindestens zwei Häfen besaß (Ps.-Skylax 53) und ein viel frequentiertes empórion (Demosth. 23, 211), vgl. Figueira 2004, S. 621 (IACP 358). Vgl. Figueira 1991, S. 84–86 mit Bezugnahme auf Aristot. frgm. 472R3 [Hose], sowie Figueira 1993, S. 207; darüber hinaus scheint Aigina im Ruf gestanden zu haben, Fremden gegenüber sehr gerecht zu sein: Pind. Ol. 8, 21–30; vgl. Figueira 1991, S. 85. Vgl. Sarikakis 1986, S. 130f mit einer Liste der in Chios inschriftlich belegten ansässigen Fremden. In Abydos lebten anscheinend so viele ansässige Fremde, dass sie mit einem gemeinsamen, koordinierten Vorgehen nicht getätigter Zahlungen die Polis in finanzielle Bedrängnis bringen konnten: Aristot. Oec. 1349a 3–8. Diod. 13, 84, 3, vgl. Fischer-Hansen/Nielsen/Ampolo 2004, S. 186 (IACP 9). Die Zahl der Grabsteine (z. B. BCH 51(1927), S. 386, Nr. 7) deutet auf eine größere Gruppe ansässiger Fremder hin, darunter auch der aus Paros stammende Bildhauer Xenophon: SEG 47, 1663; vgl. Tandy 2016, S. 101f. Xen. Hell. 4, 8, 27. Zur Frage, wieviele Personen als ansässige Fremde in Athen gelebt haben, vgl. Kap. I.4.1 sowie Kap. III.1.3, S. 219ff der vorliegenden Arbeit; zu den Beweggründen, die Einwanderer nach Athen geführt haben, vgl. Kap. II.2 dieser Arbeit. Zu den Quellen vgl. Kap. I.2 dieser Arbeit.

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Vorbemerkungen

Erfindung gewesen sei, die von umliegenden Poleis übernommen worden ist,47 auch wenn sich diese Annahme durch die lückenhafte Quellenlage kaum verifizieren lässt.48 Ohne Zweifel und viel wichtiger ist aber, dass die Athener diese Vorreiterrolle für sich selbst beanspruchten: In ihren Augen war Athen das Vorbild, dem andere Poleis nacheiferten, nicht umgekehrt,49 und das galt auch in Bezug auf den Umgang mit Fremden. Tatsächlich war ihr beispielgebender Umgang mit Fremden für die Athener selbst ein so wesentlicher Teil ihrer Identität, dass sie darin nicht nur ein Unterscheidungsmerkmal zu anderen Poleis erkannten, sondern eine Überlegenheit.50 Dabei zeigt etwa die Berufung der plataiischen Flüchtlinge auf das Image Athens als Zufluchtsort Fremder ob ihres Ersuchens um Aufnahme in der Stadt,51 dass der Umgang mit Fremden die Athener nicht nur in ihrer Selbstwahrnehmung in besonderem Maße auszeichnete, sondern auch in der Fremdbeschreibung – zumindest, wenn diese den Athenern schmeicheln sollte. Aber nicht nur der Umgang mit fremden Personen, sondern auch die Art, wie sich die Athener das Fremde zu eigen machten, war typisch athenisch:52 Wie Ps.-Xenophon betont, heben sich die Athener durch die Übernahme fremder, und zwar explizit griechischer und nichtgriechischer, Elemente in Sprache, Lebensweise und Erscheinung von anderen Griechen ab.53 Dabei übernahmen die Athener diese fremden Elemente aber nicht einfach nur, sondern machten sie sich auf die ein oder andere Weise zu eigen: So wurden etwa die vor allem bei den Persern beliebten metallischen Trinkgefäße in Form von Tierköpfen von athenischen Künstlern aufgenommen und durch das Hinzufügen von Henkeln und die Anfertigung aus Ton statt aus Metall an die atheni-

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Vgl. z. B. Whitehead 1977, S. 77; Blok 2004, S. 269. So begründert Whitehead seine Vermutung, dass das metoíkion von den Athenern ‚erfunden‘ und von den umliegenden Poleis übernommen wurde damit, dass das metoíkion außerhalb Athens nur in Oropos, Aigina und Megara belegt sei (vgl. Whitehead 1977, S. 77). Dagegen ist aber erstens einzuwenden, dass das Fehlen von Belegen nicht zwangsläufig bedeutet, dass es eine den ansässigen Fremden auferlegte Abgabe nirgends sonst in der griechischen Welt gab, zweitens gilt es zu bedenken, dass das Vorhandensein der isotéleia in vielen Poleis zumindest indirekt eine Fremdensteuer belegt: Schließlich kann eine Befreiung von der Fremdensteuer, wie sie durch die isotéleia geschieht, nur dann vorgenommen werden, wenn es eine solche Steuer überhaupt gab. 49 Besonders eindrucksvoll hebt Thukydides diesen Gedanken im Epitaphios des Perikles hervor: Thuk. 2, 37. 50 Thuk. 2, 39, 1. 51 Isokr. 14, 1. 52 Vgl. Beck 2020, S. 30. 53 Ps.-Xen. Ath. Pol. 2, 8: ἔπειτα φωνὴν πᾶσαν ἀκούοντες ἐξελέξαντο τοῦτο μὲν ἐκ τῆς, τοῦτο δὲ ἐκ τῆς· καὶ οἱ μὲν Ἕλληνες ἰδίᾳ μᾶλλον καὶ φωνῇ καὶ διαίτῃ καὶ σχήματι χρῶνται, Ἀθηναῖοι δὲ κεκραμένῃ ἐξ ἁπάντων τῶν Ἑλλήνων καὶ βαρβάρων. (Ferner, sie hörten jede Art von Sprache und haben sich das eine aus der, das andere aus jener ausgewählt; und die Griechen gebrauchen eher ihre eigene Sprache, Lebensweise, Kleidungsstil, die Athener hingegen eine Mischung aus allen Griechen und Barbaren; Text u. Übers.: Weber).

Fremdsein und Fremder sein in der griechischen Welt

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schen Trinkgewohnheiten angepasst.54 In gewisser Weise also war typisch athenisch (oder konnte typisch athenisch werden), was gerade nicht genuin athenisch war. Diese hohe Bereitschaft zur kulturellen Aneignung prägte das Leben ansässiger Fremder in Athen, denn sie ermöglichte es ihnen einerseits, nicht nur mit den Athenern zu koexistieren, sondern in vielen Bereichen, wenn auch nicht im gleichen Maße und auch nicht in allen, am Leben der Polis teilzuhaben.55 So konnten Fremde auch selbst zu einem Teil Athens werden,56 und es sind diese Teilhabemöglichkeiten ansässiger Fremder, welche die vorliegende Arbeit systematisch untersuchen wird. Andererseits wurden ansässige Fremde dadurch selbst Träger und (Mit-)Gestalter athenischer Identität.57 Das bekannteste Beispiel hierfür ist sicherlich der Kult der Göttin Bendis: Ursprünglich von thrakischen Einwanderern gefeiert, nahmen im Laufe der Jahre wohl auch mehr und mehr Athener teil, bis für die Göttin Bendis im späten 5. Jahrhundert sogar ein eigenes Fest, die Bendidea, etabliert wurde.58 Die Bereitschaft zur kulturellen Appropriation und damit zur Integration fremder Elemente in die lokale Identität und Erfahrungswelt war der athenische Weg, mit der Vielzahl und Vielfalt der Fremden und des Fremden umzugehen, mit der sich die Athener ständig konfrontiert sahen. Dabei ist zu betonen, dass dieser athenische Weg in der griechischen Welt nur einer von vielen war: Soweit die Quellen Einblick geben, fand jede Polis in der griechischen Welt ihren eigenen Weg im Umgang mit ansässigen Fremden, auch wenn sich bestimmte Reglements finden, die in sehr vielen Poleis gleichermaßen oder ähnlich galten, etwa der eingeschränkte Zugang ansässiger Fremder zu immobilem Besitz. Einschränkend ist also zu bedenken, dass der athenische Umgang mit den ansässigen Fremden nicht repräsentativ für die griechische Welt ist, sondern wohl sogar ganz im Gegenteil im Hinblick auf die Regulation der Teilhabe ansässiger Fremder quantitativ und qualitativ ein extremes Beispiel darstellt. Nicht trotzdem, sondern gerade deshalb ist das klassische Athen als Lebensort der ansässigen Fremden ein geeigneter Untersuchungsgegenstand: eben weil in Athen ungewöhnlich viele Fremde lebten, eben weil Athen ihr Leben ungewöhnlich detailliert regulierte, aber auch weil die Quellenlage über die ansässigen Fremden in Athen ungewöhnlich günstig ist, wie im anschließenden Kapitel zu zeigen sein wird. Vor allem aber ist es die

54 Vgl. Vlassopoulos 2013, S. 161; Miller 1997, S. 141–144. 55 Dazu Teil II der vorliegenden Arbeit. 56 So besonders deutlich in der Bemerkung des Aristophanes, dass die ansässigen Fremden in Athen die Spreu der Stadtbewohner darstellten, Aristoph. Ach. 503–508: αὐτοὶ γάρ ἐσμεν οὑπὶ Ληναίῳ τ’ ἀγών, κοὔπω ξένοι πάρεισιν· οὔτε γὰρ φόροι ἥκουσιν οὔτ’ ἐκ τῶν πόλεων οἱ ξύμμαχοι· ἀλλ’ ἐσμὲν αὐτοὶ νῦν γε περιεπτισμένοι· τοὺς γὰρ μετοίκους ἄχυρα τῶν ἀστῶν λέγω. (Denn wir sind unter uns, es ist Lenäenfest, Noch keine Fremden hier: Tribute kommen nicht und aus den Städten auch nicht die Verbündeten; Ganz unter uns sind wir, rein enthülstes Korn; denn die Beisassen nenne ich der Städte Spreu. Text u. Übers.: Rau). 57 Vgl. Beck 2020, S. 30. 58 Dazu auch Kap. III.5.3.

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Vorbemerkungen

ungewöhnlich große Bereitschaft der Athener, mit den Fremden nicht nur zu koexistieren, sondern sie am Leben in der Polis teilhaben zu lassen, welche gerade die athenischen ansässigen Fremden zu einem interessanten und wichtigen Untersuchungsgegenstand macht. I.2 Quellen Die Quellenlage zu den ansässigen Fremden in Athen kann wohl am treffendsten als verstreut bezeichnet werden. Für die Untersuchung dieser Thematik bedeutet das zunächst, dass Aussagen und Informationen über Fremde aus nahezu allen Quellen­gattungen gewonnen werden können – von Grabinschriften Fremder in Athen über Tragödien, in denen Fremde als Protagonisten auftreten, und Gerichtsreden, in denen ansässige Fremde als Kläger oder Angeklagte auftauchen, bis hin zu Gebäuden, an und in denen fremde Baumeister ihre Spuren hinterließen. Diese große Varianz der Quellenarten, aus denen Informationen über die ansässigen Fremden in Athen gesammelt werden können, ermöglicht es, die Thematik aus vielen Blickwinkeln und unter verschiedenen Aspekten zu betrachten: So zeigen Besatzungslisten aus der Zeit des Peloponnesischen Krieges die Fremden ‚in Aktion‘, Aischylos’ Beschreibungen eines guten Metöken lassen die Fremden ‚in der Theorie‘ in Erscheinung treten, Demosthenes‘ 59. Rede gegen Neaira gibt Einblick in das private Liebesleben einer Fremden, die Bauinschriften des Erechtheions enthalten Aussagen über den Verdienst fremder Baumeister und Handwerker, Tempel für fremde Gottheiten zeigen religiöse Aktivitäten der Fremden im Piraeus auf, und Ehrendekrete liefern Zeugnisse, wie Fremde sich in Athen verdient machten. Für den/ die durch oftmals schlechte Quellenlagen leidgeprüfte/n Althistoriker/in sind dies gute Botschaften. Allerdings führt die Zerstreuung der Zeugnisse auch zu einigen Schwierigkeiten, die hier nur kurz in Bezug auf den allgemeinen Quellenbefund genannt werden sollen. In den folgenden Unterkapiteln wird näher darauf einzugehen sein. Zwar ist die Erwähnung von Fremden in den Quellen keine Seltenheit, doch häufig bleibt es nur bei ebendieser. Die Zahl derjenigen Quellen, in denen Fremde oder die Thematik des Fremdseins tatsächlich eine tragende Rolle spielen, ist übersichtlich. Hinzu kommt, dass aus den häufig kurzen Erwähnungen Fremder in vielen Fällen nicht viel mehr über die betreffende Person zu erfahren ist, als dass es sich um einen Nichtathener oder eine Nichtathenerin handelt. Mag es auch eine Binsenweisheit sein, ist weiterhin zu erwähnen, dass es in der Natur der Überlieferungstradition liegt, dass uns vor allem Informationen über diejenigen Fremden vorliegen, die durch ihre Besonderheit Einzug in die Quellen gefunden haben – die Alte Geschichte vermag eben selten die Geschichte des kleinen Mannes zu schreiben. Dieser Herausforderung sieht sich aber natürlich nicht nur der- oder diejenige gegenüber, der/die sich mit Fremden beschäftigt, sondern auch die traditionelle Forschung über die Vollbürger. Die Forschung

Quellen

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besitzt beispielsweise einige, teils sogar sehr detaillierte, Informationen über den in Athen ansässigen Fremden Pasion, und das dürfte nicht zuletzt dem Umstand geschuldet sein, dass er zu den reichsten Männern Athens gehörte. Gleiches gilt für Neaira, eine ansässige Fremde, über deren Leben und Wirken, insbesondere im Privaten, wir eigentlich nur deshalb so gut informiert sind, weil sie sich vor Gericht verantworten musste. Gerade die ansässigen Fremden, über die besonders viele Informationen vorliegen, sind folglich diejenigen, welche eben nicht der Norm entsprachen, sondern im wahrsten Sinne des Wortes erwähnenswert waren. Schließlich stellt der allgemeine Quellenbefund noch eine weitere Herausforderung an diejenigen, die sich mit den ansässigen Fremden in Athen beschäftigen: Es gibt nur wenige Quellen, in denen die Fremden selbst zu Wort kommen und über ihre Situation, ihre Lage und ihr Erleben berichten. Abgesehen von den Grabmälern für Fremde, die gewissermaßen die Stimme des Verstorbenen oder seiner Hinterbliebenen wiedergeben, ermöglicht einzig Lysias’ Rede gegen Eratosthenes (or. 12) einen Blick aus Sicht eines ansässigen Fremden auf das Leben als Fremder in Athen.59 In der überwältigenden Mehrzahl der Quellen handelt es sich um den Blickwinkel der Athener, aus dem heraus Informationen über das Leben als Fremder in Athen überliefert sind. Folglich ist zu beachten, dass die Quellen weniger Einblick in das Erleben der Fremden geben als darin, wie Fremde erlebt wurden. I.2.1 Epigraphische Quellen Ansässige Fremde begegnen uns sowohl in öffentlichen wie auch in privaten Inschriften. Ob es sich bei einer in einer Inschrift genannten Person um einen Bürger, Nichtbürger, ansässigen Fremden, persönlich Freien oder Sklaven handelt, ist anhand einiger Merkmale in der Regel gut festzustellen. Bei Grabinschriften indiziert das Fehlen des Demotikons, dass es sich bei der genannten Person um einen Nichtbürger handelt.60 Ist ein Patronym angegeben, darf davon ausgegangen werden, dass es sich zudem um eine freie, mit hoher Wahrscheinlichkeit sogar freigeborene Person handelt.61 59 60

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Dazu S. 40. Vgl. Bäbler 1998, S. 62; Fraser 1995, S. 66; Gray 2011, S. 48. Dies gilt insbesondere nach 403, als die Angabe des Demotikon für Bürger verpflichtend gemacht wurde, vgl. Bäbler 1998, S. 62. Vorsicht ist allerdings insoweit geboten, als ein Grabmal ohne Vermerk des Demotikon auch zu Kindern von athenischen Bürgern gehören könnte, die aufgrund ihres frühen Ablebens noch nicht in die Deme eingeführt werden konnten (vgl. Nielsen et al. 1989, S. 419). Vgl. Ginestí Rosell 2014, S. 249, Stroszeck 2002, S. 171. Dies ist wahrscheinlich darauf zurückzuführen, dass eine Versklavung den Verlust jeglicher Merkmale eines persönlich Freien, und damit auch der familiären Bindung, bedeutet. In diesem Zusammenhang liegt auch die Vermutung nahe, dass ein Patronymikon weder bei einem Sklaven noch bei einem Freigelassenen zu finden wäre. Diese Methode ist aber eine Einbahnstraße: Sofern ein Patronymikon vorhanden ist, kann mit einiger Sicherheit gesagt werden, dass es sich bei der betreffenden Person nicht um einen Sklaven

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Vorbemerkungen

Das wichtigste und zugleich eindeutigste Indiz, dass es sich bei einer inschriftlich genannten Person um einen ansässigen Fremden handelt, ist die oikṓn en-Formel,62 die durch die Angabe derjenigen Deme, in der die genannte Person lebt, ergänzt wird. Auch die Angabe der Deme im Lokativ, als Alternative zur oikṓn en-Formel, ist belegt.63 Entscheidend ist dabei, dass durch die Nennung der Deme nicht eine Demenzugehörigkeit des Bezeichneten im engsten Sinne, sondern lediglich die Ansässigkeit in der entsprechenden Deme ausgedrückt wird: Mitglied einer Deme konnte nur ein Bürger sein, während ein Nichtbürger allenfalls hier wohnen konnte.64 Weiter deuten auch die Verwendung des Technikons oder Hinweise auf den ausgeübten Beruf auf einen Fremden hin.65 Fremde sind freilich auch in denjenigen Inschriften eindeutig zu iden-

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oder Freigelassenen handelt. Umgekehrt ist aber das Fehlen eines Patronymikon kein eindeutiger Hinweis auf einen Sklaven oder eine sklavische Vergangenheit. Sklaven können allerdings durch die Angabe des Namens des Besitzers im Genitiv als solche markiert sein, vgl. Randall 1953, 200. Es gibt auch einige Inschriften, in denen nicht der Name des Vaters, sondern der Name der Mutter aufgeführt ist: Bei diesen Fällen könnte es sich um nóthoi handeln, die von einer athenischen Mutter und einem nicht-athenischen Vater abstammen (vgl. Bäbler 1998, S. 66) oder deren Vater gänzlich unbekannt war. Stelzer 1971, S. 108 wendet dagegen ein, dass die oikṓn en-Formel keine eindeutige Identifikation eines ansässigen Fremden ermögliche, da auch athenische Bürger mit dieser Formulierung verbunden wären. Als Belege für diese Behauptung führt Stelzer aber ausschließlich literarische Quellen an. Eine Inschrift, in der ein Bürger mit der oikṓn en-Formel assoziiert wird, ist indes nicht bekannt. Dass in nicht-inschriftlichen Texten ein Athener durchaus als ‚lebend in …‘ bezeichnet wird, steht aber in keinem Widerspruch zur eindeutigen Identifikation eines ansässigen Fremden durch die oikṓn en-Formel in Inschriften. Dafür spricht nicht zuletzt, dass das Demotikon eines Bürgers eine Demenzugehörigkeit ausdrücken kann, die dem tatsächlichen Wohnort des Betreffenden gar nicht entspricht: Die Demenzugehörigkeit wurde in Athen in der klassischen Zeit vererbt und lebenslang beibehalten, sodass ein Bürger einer Deme zugehörig, aber in einer anderen wohnhaft sein konnte. Die (ererbte) Demenzugehörigkeit wurde zwar durch das Demotikon ausgedrückt; es spricht aber nichts dagegen, dass die zusätzliche Nennung des Wohnortes in einigen konkreten Situationen sinnvoll war. So bspw. in IG I3 476, Z. 6–7, vgl. Lambert 2000, S. 157. Adak 2003, S. 30 formuliert dazu treffend, dass die oikṓn en-Formel schon in ihrer Bedeutung als ‚lebt in …‘ statt ‚gehört zu …‘ das Rechtsverhältnis zwischen dem ansässigen Fremden und der Deme sehr deutlich zum Ausdruck bringt. Ein Demotikon ist weder die oikṓn en-Formel noch die Demennennung im Lokativ: Das Demotikon ist ein Namensbestandteil und drückt die Zugehörigkeit zu einer Deme im engsten, d. h. insbesondere im politischen und nicht zwangsläufig im lokalen Sinne aus (vgl. u. a. Gray 2011, S. 48). Bei ansässigen Fremden ist aber das Gegenteil zutreffend, denn die durch die Nennung der Deme, sei es im Rahmen der oikṓn en-Formel oder durch den Lokativ, wird nur eine lokale Zugehörigkeit ausgedrückt (vgl. dazu auch Whitehead 1986b, S. 83). Die Bezeichnung der oikṓn en-Formel als Demotikon, wie sie in der Forschung teilweise zu finden ist (z. B. Bäbler 1998, S. 62; Wijma 2014, S. 33), ist demnach nicht nur unzutreffend, sondern auch irreführend: Der springende Punkt war, dass der ansässige Fremde eben nur im räumlichen Sinne zur Deme gehörte; vgl. dazu auch Kap. III.4.4, besonders S. 292f. Vgl. Ginestí Rosell 2012, 138; Bäbler 1998, S. 62 und 203f; Vlassopoulos 2010, S. 114. Es ist fraglich, ob das Technikon zwangsläufig auf einen ansässigen Fremden verweist, wie Bäbler 1998, S. 62 anzunehmen scheint. Dass eine räumliche Verbindung zur Deme, wie sie durch die oikṓn en-Formel ausgedrückt wird, voraussetzt, dass die betreffende Person auch tatsächlich ansässig ist, ist einleuchtend. Die Anführung der Berufsbezeichnung scheint eine Wohnhaftigkeit aber nicht

Quellen

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tifizieren, in denen die betreffenden Personen mit einem Ethnikon ausgewiesen werden66 oder als Träger bestimmter Privilegien vermerkt werden, die nur an Nichtbürger verliehen wurden.67 Es ist eine athenische Eigenart,68 dass im epigraphischen Katalog der Terminus métoikos nahezu vollständig fehlt.69 Die Forschung deutet dies mehrheitlich als Indiz dafür, dass Metöken eine grundsätzlich niedere Stellung einnahmen und daher die Bezeichnung mit einem höheren Stand, z. B. als Bürger einer anderen Polis oder als Träger eines bestimmten Privilegs, bevorzugten und die Bezeichnung als Metöken vermieden.70 Inschriften stellen sowohl qualitativ als auch quantitativ eine wichtige Quellengattung zur Erforschung ansässiger Fremder in Athen dar, und ihr Wert für diese Arbeit kann daher kaum überschätzt werden. Auf der quantitativen Ebene zeugt schon die überwältigende Anzahl der inschriftlichen Erwähnungen von Nichtbürgern in Athen davon, dass ansässige Fremde einen signifikanten Teil der gesamten Population ausgemacht haben müssen. Dass Fremde in nahezu allen Inschriftengattungen zu finden sind, ist symptomatisch für ihre Präsenz auf allen Ebenen der Polis. In qualitativer Hinsicht eröffnen Inschriften wichtige Informationen hinsichtlich der Merkmale der ansässigen Fremden in Athen, wie z. B. über den Herkunftsort oder den Personenstand sowie über Privilegien und Ehrungen. Die epigraphischen Quellen sind außerdem wichtige Hinweisgeber zum Verhältnis zwischen der Polis und den ansässigen Fremden: Die Inschriftenpraxis ist ein genuin soziales Verhalten und als solches Zeugnis der Kommunikation und der Beziehung zwischen verschiedenen Akteuren wie der Polis und ihren bürgerlichen und nichtbürgerlichen Einwohnern.71 Insbesondere Inschriften für Nichtbürger vermögen Informationen zu geben, die auf Inschriften für Bürger selten oder nie zu finden sind, und ermöglichen daher oft einen Einblick in das Leben als Fremder in Athen.72 Schließlich bieten Inschriften als ein gesamtgriechisches

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vorauszusetzen: Inschriftliche Beispiele, in denen der Beruf einer Person genannt wird, die nicht in Athen ansässig war, legen nahe, dass das Technikon zwar auf einen Fremden, nicht aber zwangsläufig auf einen ansässigen Fremden verweist. Hier ist vor allem an die Ehreninschriften für fremde Künstler zu denken. Vgl. Gray 2011, 49; Whitehead 1977, S. 15. Dies ist vor allem in Grabinschriften für Fremde der Fall, vgl. Hansen 1991, 117. Zu denken ist hier an die isotéleia, aber auch an die atéleia und die Proxenie; vgl. dazu Kap. III.7. Die Bezeichnung von Personen als Metöken in den epigraphischen Quellen ist in anderen Poleis zahlreich belegt, so z. B. in Rhodos, vgl. Fraser 1995, S. 71. Insgesamt kann das Wort métoikos bzw. métoikoi in nur sieben Inschriften aus der klassischen Zeit mit hinreichender Sicherheit rekonstruiert werden; IG I2 84; 188; 329; 1951; IG II2 244; 545; 554 (vgl. Whitehead 1977, S. 28). Vgl. u. a. Gray 2011, S. 49; Hansen 1991, S. 117; Whitehead 1977, S. 30; Spahn 1995, S. 45. Ob dies tatsächlich zutrifft, ist allerdings fraglich, vgl. dazu weiter unten in diesem Kapitel. Vgl. Lambert 2011, S. 193, ähnlich auch Osborne 1972, S. 130. Das prominenteste Beispiel dafür ist wahrscheinlich die Aufzählung persönlicher Leistungen und Lebensläufe, die insbesondere auf Grabstelen für Nichtgriechen zu finden sind. Ein solches ‚Eigenlob‘ wäre für Bürger undenkbar, vgl. Bäbler 1998, 204.

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Vorbemerkungen

Phänomen auch die Möglichkeit, lokale Traditionen einzelner Poleis im Umgang mit ansässigen Fremden zu vergleichen.73 In diesem Zusammenhang muss natürlich auch darauf hingewiesen werden, dass die athenische epigraphische Tradition in Griechenland einmalig ist: Athen produzierte in der klassischen Zeit mehr Inschriften als jede andere griechische Polis, was sich auch im Umfang des Korpus überlieferter Inschriften widerspiegelt und Athen, im Vergleich zu anderen Poleis, zu einem besonders geeigneten Untersuchungsgegenstand macht. Bei der Erforschung der ansässigen Fremden in Athen haben Grabinschriften einen besonderen Stellenwert.74 Dies liegt einerseits daran, dass sie aufgrund ihrer schieren Anzahl den Großteil epigraphischer Quellen über ansässige Fremde bilden75 und aus nahezu allen Epochen der athenischen Geschichte überliefert sind.76 Andererseits ermöglichen Grabinschriften als Privatinschriften auch einen besonderen Zugang zu 73

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Diese Vergleiche können sich bspw. mit der Anzahl der Grabstelen beschäftigen, mit der Bezeichnung ansässiger Fremder in verschiedenen Regionen Griechenlands (vgl. z. B. Fraser 1995 passim) oder auch mit den Unterschieden und Gemeinsamkeiten in der Verleihung von Privilegien in unterschiedlichen Regionen Griechenlands. In der Forschung wurde die Behauptung aufgestellt, dass das Recht auf eine Grabstele bzw. einen Grabplatz überhaupt alleinig dem Bürger zustand; so etwa von Ian Morris, vgl. Morris 1987, S. 54 und S. 210 sowie Morris 1991, S. 157f. Diese Annahme wurde mit Recht mehrfach zurückgewiesen (zuletzt von Patterson 2006, S. 48–52, ähnlich auch schon von Nielsen et al. 1989, S. 419): Weder kann ein für Bürger exklusives Recht auf Bestattung noch das Vorhandensein von ‚Bürgerfriedhöfen‘ im Athen der klassischen Zeit nachgewiesen werden, vgl. S. 264. Zur Frage, ob und inwieweit sich ansässige Fremde in Athen weiterhin auch mit ihrer Heimatpolis, bzw. derjenigen Polis, in der sie ein Bürgerrecht besaßen, identifizierten, vgl. Kap. II.7.1. Die Mehrheit der Grabinschriften für Fremde in Athen aus der klassischen Zeit sind tatsächlich ansässigen Fremden zuzuordnen, was sich besonders in denjenigen Grabmonumenten offenbart, die mehrere Mitglieder einer Familie nennen (vgl. Ginestí Rosell 2012, S. 115). Zum selben Schluss kommt Blok 2007, S. 323f, die aber einer anderen Herangehensweise folgt: Ihr zufolge wird der Beleg, dass es sich um einen ansässigen Fremden handelt, durch die Art des verwendeten griechischen Alphabets bzw. durch die Verwendung des Heimatdialekts des Bestatteten erbracht. Bei dieser Herangehensweise ist allerdings Vorsicht geboten: Zwar ist es sicherlich naheliegend, dass eine in einer fremden Sprache oder einem fremden Dialekt verfasste Grabinschrift auf einen Fremden verweist. Jedoch muss insbesondere bei Personen, die nicht in einem Familiengrab beigesetzt wurden und deren Grabstein z. B. durch die Sprache der Inschrift auf eine bestehende, intensive Verbindung mit ihrer Heimat hindeutet, die Möglichkeit in Betracht gezogen werden, dass sie zwar in Athen gestorben sind, aber nicht tatsächlich in Athen gelebt haben. Interessant ist, dass die Grabstelen für Fremde denen für athenische Bürger hinsichtlich ihrer Anzahl nicht nachstehen: Im IG II2 sind insgesamt 2648 Grabinschriften für Fremde gegenüber 2633 für Bürger verzeichnet (vgl. Stroszeck 2002, S. 162). Auf dem Kerameikos überwiegen sogar die Inschriften für Fremde, denn von insgesamt 480 Grabinschriften sind 250 eindeutig Fremden und nur 150 athenischen Bürgern zuzuordnen. Die Überzahl stellt eine Besonderheit dieser Nekropole dar (vgl. ebd.). Die früheste in Athen gefundene Grabinschrift für einen Fremden (SEG 13, 36) stammt von einem karischen Fremden und wurde auf das Jahr 525 datiert. Die bisher älteste Grabinschrift für einen Fremden ist IG IX,1 867 aus Kerkyra, datiert auf die Zeit noch vor 600 v. Chr. (vgl. Meyer 1993, S. 100). Eine ebenfalls interessante frühe Grabinschrift ist SEG 22, 79 (um 510), die den Verstorbenen als nach Athen umgesiedelten Naxier ausweist. Wijma 2014, S. 32 vermag hier den frühesten inschriftlichen Beleg für eine athenische Sensibilisierung gegenüber dem neuen Status einer Person zu erkennen, die zwar nicht athenischer Bürger, aber auch nicht xénos ist.

Quellen

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ansässigen Fremden im Hinblick auf ihre Selbstwahrnehmung und ihre beabsichtigte Fremdwahrnehmung,77 denn Grabinschriften zeichnen sich, im Gegensatz zu anderen Inschriftentypen, wie z. B. Ehreninschriften, dadurch aus, dass ansässige Fremde Urheber sein konnten. Treffendes Beispiel dafür liefert die (mutmaßlich bewusste) Entscheidung78 vieler ansässiger Fremder, sich in Grabinschriften lieber als Bürger einer anderen Poleis darzustellen anstatt als athenische Metöken.79 Auf der Ebene der Selbstwahrnehmung kommt darin zum Vorschein, dass sich die Verstorbenen weiterhin als Teil der Polisgemeinschaft verstehen, die sie durch ihren Wohnortswechsel nach Athen verlassen haben.80 Auf der Ebene der angestrebten Fremdwahrnehmung deutet die Entscheidung, sich lieber als Bürger einer anderen Polis denn als Fremder in Athen auf der Grabstele erinnern zu lassen, darauf hin, dass es den Verstorbenen wichtig schien, als Inhaber eines Bürgerrechts wahrgenommen zu werden.81 Weiterhin vermögen Grabinschriften Hinweise darauf zu liefern, inwieweit sich Fremde an die athenischen Bestattungsriten und damit auch den lokalen Gebräuchen anpassten und welche eigenen Traditionen und heimatlichen Merkmale beibehalten wurden.82 Dies wird besonders in der Sprache der Grabinschriften deutlich, denn ob eine Grabinschrift in zwei Sprachen, im Heimatdialekt des Verstorbenen oder in attischem Griechisch verfasst wurde, hat zumindest das Potential, einen Hinweis darauf zu geben, 77 78

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Vgl. Ginestí Rosell 2012, S. 15; Bäbler 1998, S. 13; Meyer 1993, S. 99; Morris 1994, S. 67. Es darf davon ausgegangen werden, dass die Ausgestaltung von Grabmonumenten und die Grabinschriften im speziellen in großen Teilen den Hinterbliebenen des oder der Verstorbenen überlassen war und vonseiten der Athener in der klassischen Zeit keine besonderen Vorgaben bezüglich der äußerlichen Gestaltung der Grabstelen gemacht wurden (vgl. z. B. Fraser 1995, S. 83; Meyer 1993, S. 111; Ginestí Rosell 2012, S. 15). Ob sich das spätere Grabluxusgesetz aus dem Jahr 307 des Demetrios von Phaleron (vgl. dazu allgemein Zinserling 1965, S. 29–34) nur auf Bürger begrenzte oder auch ansässige Fremde betraf, wurde in der Forschung vielfach diskutiert. Meyer 1989, S. 260 und Stroszeck 2002, S. 176 sprechen sich dafür aus, dass das Grabluxusgesetz allein die bürgerlichen Grabmonumente betraf, und verweisen dazu auf zahlreiche aufwändig verzierte Grabstelen für ansässige Fremde, die deutlich gegen dieses Gesetz verstoßen hätten. Dagegen wendet sich Engels, da insbesondere die „sepulkrale Statusrepräsentation der nichtbürgerlichen Gruppe in der lykurgischen Ära als anstößig empfunden“ worden sei (Engels 1998, S. 148). Der Einwand von Engels ist sicherlich nicht grundlos und auch die Überlegung, dass es immer auch Verstöße gegen dieses Gesetz gegeben habe. Allerdings ist es im Quellenbefund auffällig, dass sich diese Verstöße gegen das Grabluxusgesetz auf Grabmonumente ansässiger Fremder beschränken, wie Meyer 1989, S. 260 deutlich macht, was doch ein starkes Indiz dafür zu sein scheint, dass sich insbesondere ansässige Fremde über dieses Gesetz erhoben – womöglich, weil sie davon nicht, vielleicht auch nur nicht eindeutig, betroffen waren. Vgl. Meyer 1993, S. 111. Ähnlich auch ebd., S. 106. Zur Frage, ob und inwieweit sich ansässige Fremde in Athen weiterhin auch mit ihrer Heimatpolis bzw. derjenigen Polis, in der sie ein Bürgerrecht besaßen, identifizierten, sowie zu der Frage, welche Bedeutung das Bürgerrecht in einer anderen Polis für das Leben als ansässiger Fremder in Athen hatte vgl. Kap. II.7. Zur Sprache der Grabinschriften als Hinweis auf den Grad der Integration und Assimilation von Fremden vgl. Bäbler 1998, S. 203 sowie Stroszeck 2002, S. 171. Zu den athenischen Grabinschriften als Quelle für die Migrationslinguistik in der Antike vgl. Ginestí Rosell 2014passim.

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Vorbemerkungen

inwieweit der verstorbene Fremde sich, in diesem Beispiel auf der Ebene der Sprache, an sein athenisches Umfeld anpasste.83 Allein die Tatsache, dass es den Hinterbliebenen überhaupt möglich war, eine Grabinschrift in einem fremden Dialekt oder gar einer fremden Sprache in Auftrag zu geben, deutet auf die Existenz einer vernetzten Gruppe ansässiger Fremder gemeinsamer Herkunft hin – schließlich setzt dies voraus, dass es überhaupt einen Steinmetz in Athen gab, der die Sprache beherrschte, in der die Inschrift abzufassen war.84 Außerdem vermag die Lage und Ausgestaltung der Grabinschriften für ansässige Fremde auch einiges über ihre Stellung in der athenischen Gesellschaft zu offenbaren. Durch den archäologischen Befund können Gräber von Fremden auch dann identifiziert werden, wenn eine Grabinschrift nicht mehr zuzuordnen ist.85 Auf quantitativer Ebene lassen Lage und Verteilung der Grabinschriften so z. B. Aussagen über die Gesamtzahl und die Verteilung ansässiger Fremder in Attika zu86, und einige Beispiele aufwändig ausgestalteter Grabmonumente für ansässige Fremde deuten darauf hin, dass die Bestatteten keineswegs zur unteren Schicht, sowohl im wirtschaftlichen als auch im sozialen Sinne, gehört haben dürften.87 Zudem spre83 84 85

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Vgl. Ginestí Rosell 2014, S. 241. Vgl. Ginestí Rosell 2012, S. 115. Vgl. Stroszeck 2002, S. 174. Dabei kann ein Grab z. B. dann einem Fremden zugeordnet werden, wenn es Hinweise auf die Durchführung von Bestattungsriten gibt, die für den Ort oder die Region, in der sich das Grab befindet, unüblich sind. Voraussetzung dafür ist die Kenntnis der normalen Bestattungsriten für Bürger, welche aber für Athen dank der zahlreichen gut erhaltenen Gräber recht umfassend ist (vgl. ebd., S. 174). Weiterhin kann auch die als Grabbeigabe vorhandene Keramik einen Hinweis auf die Herkunft des Bestatteten geben (vgl. ebd., S. 175). Vgl. Gray 2011, S. 48–51. Bäbler 1998, S. 53 und S. 55. Das Ableiten quantitativer Aussagen aus inschriftlichen Quellen ist grundsätzlich ein heikles Unterfangen, da einerseits verschiedenste Faktoren auf die Überlieferung einwirken und gegebenenfalls eine Verfälschung nach sich ziehen können. Auch ist damit zu rechnen, dass zahlreiche Inschriften die Zeit (aus welchen Gründen auch immer) nicht überstanden haben. Andererseits ist es aber auch zutreffend, dass der Forschung zwar nicht alle Inschriften zur Verfügungn stehen, aber eine zufällige Auswahl, eine Stichprobe gewissermaßen (vgl. Hagmajer 2003, 210). Dies wiederum bedeutet, dass zwar keine absoluten quantitativen Aussagen anhand von Inschriften getroffen, aber stellenweise Anteile oder Verhältnismäßigkeiten aufgezeigt werden können (vgl. ebd.). So kann aus 250 Grabinschriften für Fremde auf dem Kerameikos schwerlich abgeleitet werden, dass in diesem Gebiet 250 Fremde gestorben sind, aber in Verbindung mit den 150 Grabinschriften für athenische Bürger im selben Gebiet kann die relative Aussage getroffen werden, dass mehr – sogar deutlich mehr – Fremde in dieser Region gestorben zu sein scheinen. Geht man davon aus, dass man in Athen nicht nur sterben, sondern auch ganz passabel leben konnte, so dürfen wir also annehmen, dass die Zahl der Fremden in diesem Gebiet die Zahl der Bürger übertroffen habe. Ein Beispiel dafür ist die Repräsentation der Inhaber des isotéleia-Privilegs in den Grabinschriften: Dass bisher lediglich 20 Grabinschriften identifiziert wurden, die eindeutig einem solchen Honoranten zugeordnet werden konnten, hat der Forschung einiges Kopfzerbrechen bereitet (z. B. Fraser 1995, S. 68), steht dies doch in Widerspruch zu der hohen Anzahl an isotéleia-Dekreten, die aus dem 4. Jahrhundert sowohl inschriftlich als auch literarisch überliefert sind. Vgl. Bäbler 1998, S. 55; Morris 1994, S. 71 und S. 86; Gray 2011, S. 50. Zu erwähnen ist in diesem Zusammenhang auch, dass sich die Grabinschriften für Fremde formal nicht von den Grabinschriften für Bürger unterschieden (vgl. Bäbler 1998, S. 57), sondern der Quellenbefund auch unter den Epitaphen für ansässige Fremde ein breites Spektrum verschiedenster Ausgestaltungsgrade offenbart, von einfachen Namensnennungen bis hin zu kunstvoll gestalteten Monumenten.

Quellen

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chen das Fehlen ausgewiesener Bürgerfriedhöfe88 oder exklusiv für Bürger reservierter Grabbereiche auf den Friedhöfen,89 die Ununterscheidbarkeit von Grabmonumenten für Bürger und ansässige Fremde90 und auch die Inkludierung ansässiger Fremder auf Grabmonumenten für Kriegsgefallene91 dafür, dass die in vielen Bereichen der Polis mutmaßlich strikte Trennung von Bürgern und Nichtbürgern vor den Friedhofstoren Halt machte.92 Schließlich geben Grabmonumente auch Auskunft über Privilegien und Ehrungen, die der Bestattete im Laufe seines Lebens zugesprochen bekommen hatte.93 Neben den Grabinschriften bilden Ehreninschriften, also Inschriften, in denen der Beschluss festgehalten ist, einem (oder mehreren) Honoranten bestimmte Ehrungen oder Privilegien zuzusprechen, eine weitere wichtige Inschriftengattung für die Forschung zu den ansässigen Fremden in Athen. Unter allen überlieferten Beschlüssen sind Ehreninschriften die häufigsten.94 Sie liefern wichtige Zeugnisse der Kommuni88 89 90 91

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Vgl. Patterson 2006, S. 49. Vgl. Gray 2011, S. 49. Vgl. Bäbler 1998, S. 203. Das wohl prominenteste Beispiel hierfür dürfte das Grabmonument für die im Kampf bei Tanagra gefallenen Argiver auf dem Kerameikos gewesen sein, das schon Pausanias in Staunen versetzte (Paus. 1, 29, 7) und in Athen wohl einmalig war (vgl. Paparzadakas/Sourla 2012, S. 587). Auch das Grabmal für die Gefallenen bei Marathon dürfte bürgerliche und nichtbürgerliche Kriegsgefallene memoriert haben (vgl. Blok 2007, S. 321). So auch schon Gray 2011, S. 49. Vgl. u. a. Zelnick-Abramovitz 2005a, S. 110. So sind z. B. próxenoi auf ihren Grabmonumenten explizit als solche ausgewiesen und diese darüber hinaus prominent platziert (vgl. Stroszeck 2002, S. 168). In der älteren Forschung ist ab und zu die Theorie zu lesen, dass das Ethnikon auf Grabinschriften verschiedene Privilegien kodiert (z. B. Wilamowitz 1887b, S. 245). So sei bspw. ein in der Grabinschrift als Olynther Bezeichneter gar keiner gewesen, sondern habe tatsächlich das Privileg der isotéleia genossen. Diese Theorie wurde bereits von Whitehead 1977, S. 15 mit Recht zurückgewiesen: Ein Ethnikon sei nie genutzt worden, um einen Status in Athen zu beschreiben. Ehreninschriften machen über die Hälfte des Korpus aller inschriftlich überlieferten Dekrete aus dem 4. Jahrhundert aus (vgl. Meyer 2013, S. 475). Die um ein Vielfaches erhöhte Anzahl von Ehrendekreten im Vergleich zum Quellenbefund des 5. Jahrhunderts, steht ganz im Zeichen der in dieser Zeit massiven Verstärkung der epigraphischen Aktivitäten der Athener (vgl. ebd., S. 474). Die Steigerung der Anzahl der Ehreninschriften vom 4. zum 5. Jahrhundert findet sich aber nicht nur in den absoluten, sondern auch in den relativen Zahlen wieder. Meyer führt dies darauf zurück, dass die Publikation der Beschlüsse nicht mehr nur als Information an die Götter, sondern sukzessive auch mehr von den Bürgern und Besuchern rezipiert werden sollte, nicht zuletzt auch, weil die große Anzahl ihrer Wohltäter der Polis Athen selbst zur Ehre gereichte (vgl. ebd.). Demnach hielten die Athener in Inschriften nicht mehr nur fest, was die Götter interessieren könnte, sondern auch, was für die Menschen von Interesse war (vgl. ebd., S. 491). Dieser Eindruck wird auch dadurch verstärkt, dass sich Ehreninschriften, im Gegensatz zu anderen Beschlüssen, wie z. B. Staatsverträgen, nicht so sehr an die Götter wandten und sie dazu aufriefen, die Einhaltung der Beschlüsse zu überwachen, sondern an die Bürger der Polis: Es oblag ihnen, sicherzustellen, dass die dem Honoranten zugesprochenen Ehrungen und Privilegien auch durchgesetzt wurden (vgl. Lambert 2011, S. 202). Einschränkend ist zu bedenken, dass dabei ein hoher Grad an Alphabetisierung vorausgesetzt wird, der für Athen in dieser Zeit nicht begründet anzunehmen ist, worauf Meyer an anderer Stelle selbst verweist (vgl. Meyer 2013, S. 455). Doch selbst wer den Text der Inschriften nicht lesen konnte, nahm die Ehreninschriften als solche wahr und dürfte sich ihrer Bedeutung als Wertschätzung der Athener ihren Wohltätern gegenüber durchaus bewusst gewe-

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Vorbemerkungen

kation zwischen der Polis und den Fremden und geben Aufschluss über die Beziehung beider. Insbesondere die Frage, wie Athen mit Fremden und ansässigen Fremden umgegangen ist, kann von einem tiefgreifenden Studium der überlieferten Ehreninschriften profitieren. Die Tatsache, dass Ehreninschriften bis weit in das vierte Jahrhundert hinein mehrheitlich für Nichtbürger aufgestellt wurden,95 offenbart bereits, dass die Verleihung von Privilegien und Ehrungen eines der wichtigsten Instrumente der Athener im Umgang mit den Fremden war.96 Durch die Platzierung der individuell gestalteten Ehreninschriften97 an stark frequentierten, kommerziell oder sakral wichtigen Orten wurde sichergestellt, dass die Ehreninschriften ein breites Publikum erreichten.98 Dabei war schon das Aufstellen einer Stele durch die Polis und die damit verbundene öffentliche Wertschätzung des Honoranten eine Ehre an sich.99 Gleichsam war die Veröffentlichung der Inschriften auch notwendig, damit die Ehrungen ihre Funktion erfüllen konnten: weil Ehre definitionsgemäß nicht in einem Vakuum existieren konnte, sondern der öffentlichen Wahrnehmung bedurfte,100 und weil die von den Athenern an Fremde verliehenen Ehrungen und Privilegien auch immer ein Ansporn an andesen sein, was natürlich durch ihre Größe, ihre Ausgestaltung und Dekoration sowie durch ihre Positionierung an wichtigen, stark frequentierten Orten unmissverständlich gemacht wurde. Der Text der Inschrift war mithin nur von untergeordneter Bedeutung, denn viel wichtiger war, dass es ein solches Monument überhaupt gab (vgl. Lambert 2011, S. 200). 95 Vgl. Lambert 2011, S. 197; Meyer 2013, S. 467. Zwar ist eine der wohl ersten Ehreninschriften für Bürger, die Ehrung für die Unterstützer des Thrasybulos, bereits auf die Zeit um 410 zu datieren (vgl. Meyer 2013, S. 475f), allerdings wurden Bürger erst in den 40er Jahren des 4. Jahrhunderts zu regelmäßigen Honoranten (vgl. Lambert 2011, S. 197). Eine spezielle Gruppe, die jedoch auffällig selten inschriftlich geehrt wurde, stellen fremde Söldner dar, wobei eines der wenigen Beispiele die Inschrift IG II2 1975 sein könnte, wie Bayliss vermutet (vgl. Bayliss 2004, S. 87). Zu Recht weist dieser darauf hin, dass die Seltenheit von Ehrungen fremder Söldner umso überraschender ist, wenn man bedenkt, dass der militärische Erfolg Athens nicht zuletzt von ihnen ganz maßgeblich mitgetragen wurde (vgl. ebd., S. 87). 96 Lambert formuliert sehr treffend, Ehreninschriften seien „levers that the city is pulling to encourage people to do things which benefit Athens. “ (Lambert 2011, S. 194). 97 Ehreninschriften ähnelten sich in ihrer Form insofern, als sie in den meisten Fällen signifikant höher als breit waren (vgl. Lambert 2006, S. 107) mit einer unbearbeiteten Rückseite (vgl. ebd., S. 108). Davon abgesehen wiesen die einzelnen Ehreninschriften bemerkenswerte Variationen in ihrer Ausgestaltung auf hinsichtlich ihrer Größe, Reliefs und dekorativen Elementen (vgl. Lambert 2006, S. 119 sowie Meyer 2013, S. 475). Einige Inschriften tragen zudem Hinweise auf die Verwendung roter Farbe zur Hervorhebung einzelner Buchstaben oder zur Dekoration (vgl. Lambert 2006, S. 119). Diese Variationsbreite beschränkte sich aber nur auf die äußere Erscheinung der Inschriften. Im 5. Jahrhundert konnten die bereits relativ standardisierten Komponenten noch frei miteinander kombiniert werden. Doch schon im frühen 4. Jahrhundert entwickelte sich ein Standardmuster (vgl. Henry 1983, S. 122). 98 Vgl. Hagemajer Allen 2003, S. 210. Die Akropolis und andere Heiligtümer blieben die wichtigsten Orte, an denen Ehreninschriften für Fremde aufgestellt wurden, auch wenn ab dem Ende des 5. Jahrhunderts sukzessive Ehreninschriften ebenso an anderen, nicht sakralen Orten, allen voran der Agora, platziert wurden (vgl. Meyer 2013, S. 476). 99 Vgl. Meyer 2013, S. 468; Lambert 2011, S. 199f. 100 Lambert 2011, S. 200: „Honor cannot exist in a vacuum, by definition to an extent it is necessary, that people know about it.“

Quellen

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re sein sollten, dem Beispiel des Honoranten zu folgen.101 Während in den Ehreninschriften notwendigerweise akribisch aufgelistet ist, welche Ehren verliehen wurden, fehlt demgegenüber in vielen eine konkrete Angabe, für welche Tat oder Taten der Honorant belohnt wurde. Stattdessen werden die Wohltaten des Honoranten bis auf wenige, scheinbar besonders ehrwürdige Ausnahmen102 nur unkonkret umschrieben.103 Das führt wiederum dazu, dass die Frage, wofür in Athen Ehren und Privilegien verliehen wurden, nicht allein aus den in dieser Hinsicht wenig aufschlussreichen Quellen beantwortet werden kann. Allerdings können verschiedene Hinweise in der Inschrift, z. B. die Herkunft des Honoranten oder sein Beruf, aber auch die Art der verliehenen

101 Vgl. Lambert 2006, S. 116. Diese Funktion der Inschriften ist auch in der Rede des Demosthenes gegen Leptines (Demosth. 20, 64) zu erkennen, auf die in diesem Zusammenhang Lambert 2011, S. 105 verweist. Hier tritt deutlich hervor, dass die Ehreninschriften nicht nur als Garant dafür dienten, dass der Honorant die ihm zugesprochenen Privilegien oder Ehrungen auch durchsetzen konnte, sondern auch die Ideologie der Reziprozität ausdrückten, die tief im griechischen Denken verankert war: Wer Athen Wohltaten erweist, dem wird Athen auch Nutzen bringen (zum Konzept der Reziprozität in Ehreninschriften vgl. ebd. passim, besonders S. 195). Ein Beispiel für die konkrete Absicht, andere anzuspornen, es dem Honoranten gleichzutun, bietet auch die Ehrung des Kornhändlers Herakleides aus Salamis: IG II3 1, 367, dazu auch Lambert 2011, S. 194. 102 Wohltaten, die nicht durch Abstraktionen umschrieben, sondern konkret benannt werden, sind im 5. Jahrhundert Erzlieferungen, im 4. Jahrhundert militärische Hilfeleistungen an die athenische Armee und Flotte oder die der Verbündeten und die Aufnahme von Exilierten. Getreidelieferungen, Freilassung von Gefangenen sowie besonders großzügige Geldgeschenke wurden sowohl auf den Ehreninschriften des 4. wie auch auf denen des 5. Jahrhunderts explizit genannt (vgl. West 1995, S. 238). 103 Ob in früherer Zeit, also vor dem späten 5. Jahrhundert, die Wohltaten des Honoranten noch in der Inschrift expliziert wurden, ist in der Forschung debattiert worden. Henry geht davon aus, dass in den frühesten Ehreninschriften der Aufzählung der Ehrungen ein längerer, mit ἐπειδή eingeleiteter Absatz vorausging, der die Taten des Honoranten explizierte (vgl. Henry 1983, S. 7). Dagegen hat West allerdings zu Recht Einwände erhoben: Die von Henry angeführten Inschriften seien allesamt ins späte 4. Jahrhundert zu datieren und demnach kein Beleg für eine ausführliche Aufzählung der Wohltaten in ältesten Inschriften (vgl. West 1995, S. 238). Tatsächlich fände sich, so West, die Tendenz, nur ganz besonders großzügige Wohltaten explizit zu nennen, wohl schon im 5. Jahrhundert, wie er in (von ihm leider nicht weiter spezifizierten) Reden des Demosthenes aus den 50er Jahren des 4. Jahrhunderts zu erkennen vermag (vgl. ebd.). Beispiele von Ehreninschriften aus dem späten 5. Jahrhundert, in denen das Verdienst des Honoranten ausformuliert ist, sind u. a. IG I3 113 (Beschluss für Evagoras aus Salamis, um 410); IG I3 117 (Beschluss für Archelaus aus Makedonien, um 407/06) sowie IG I3 125 (Beschluss für Epikerdes aus Kyrene, 407/06), vgl. West 1995, S. 238. Tatsächlich findet sich bei der Aufzählung der Wohltaten eher eine Praxis, die genau umkehrt zu der von Henry vermuteten Tendenz verläuft: Lange, den Ehrungen vorangestellte, mit ἐπειδή eingeleitete Absätze, in denen die Verdienste des Geehrten aufgeführt werden, werden im frühen Hellenismus zu einem festen Bestandteil der Ehreninschriften (vgl. ebd., S. 238 n 7). Das legt nahe, dass es eher einen Trend hin zur Ausführung der einzelnen Verdienste und weg von Generalisierungen oder Abstrahierungen gibt als in die andere Richtung. Dieser Eindruck wird zusätzlich dadurch verstärkt, dass es im 5. Jahrhundert weniger Arten von Wohltaten gibt, die ausführlich beschrieben werden, als im 4. Jahrhundert (vgl. ebd., S. 238). Wenn diese Vermutung stimmt, wäre eine Aufzählung der einzelnen Verdienste der Honoranten in frühesten Inschriften vor dem Ende des 5. Jahrhundert nicht zu erwarten.

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Vorbemerkungen

Privilegien in einigen Fällen Hinweise auf die Verdienste des Geehrten geben.104 Diese Verdienste wiederum, ob explizit genannt oder auf Umwegen erschließbar, dienen als wichtige Belege dafür, in welchen Bereichen ansässige Fremde Einfluss zu nehmen und zu handeln vermochten.105 Auch in den Ehreninschriften setzt sich das Muster der fehlenden Bezeichnung einer Person als Metöke fort,106 sodass ansässige Fremde nur anhand verschiedener Marker von nichtansässigen Fremden unterschieden werden können.107 Beispielsweise können in denjenigen Ehreninschriften, in denen die Verdienste des Honoranten expliziert werden, ebendiese Aufschluss darüber geben, ob der Honorant in Athen oder anderswo ansässig war:108 Wird ein Honorant z. B. für die Bewirtung von Athenern in seiner Heimatstadt geehrt, ist dies eindeutiges Indiz dafür, dass er nicht in Athen lebte.109 Umgekehrt könnte z. B. die medizinische Versorgung der Athener während der Pest darauf hindeuten, dass die Wohltat wohl innerhalb Athens und wahrscheinlich im Kontext einer längerfristigen Niederlassung in Athen erbracht wurde.110 Ähnlich verhält es sich mit der Zahlung von eisphoraí, die nur von ansässigen Fremden entrichtet wurden und die im Falle einer besonderen Großzügigkeit ebenfalls mit Ehren belohnt wurden.111 Aus den verliehenen Privilegien lässt sich indes nicht ableiten, ob der Geehrte ein in Athen ansässiger Fremder war.112

104 Vgl. dazu Kap. III.7.1. 105 Dass ansässige Fremde in bestimmten Bereichen überhaupt Ehrungen erlangen konnten, ist an sich schon ein Beleg für ihre Möglichkeiten, in diesen Bereichen zu handeln. Ehrungen für besonders großzügige Leiturgien oder für eisphoraí sind z. B. wichtige Hinweise darauf, dass die Fremden diese überhaupt entrichten durften; dazu Kap. III.2.1.2 und III.2.1.3. 106 Insbesondere aus dem Fehlen der Bezeichnung einer Person als Metöke in den Ehreninschriften wurde in der Forschung der inferiore Status der Metöken in Athen abgeleitet. Das prominenteste Beispiel dafür ist sicherlich Whiteheads Analyse in dieser Sache. Ihm zufolge sei ein Metöke in den Inschriften nicht als solcher benannt worden, „because they were called upon with their highest status, namely their citizenship“; es sei „an honor not to be called a metic.“ (Whitehead 1977, S. 30). 107 Für die Identifikation von Fremden, d. h. Nichtbürgern, in Inschriften generell s. o. in diesem Kapitel. 108 Vgl. Whitehead 1977, S. 29. 109 Vgl. ebd. 110 Vgl. ebd. Selbstverständlich ist die medizinische Versorgung von Athenern allein kein eindeutiges Indiz für die Ansässigkeit in Athen, denn es wäre auch denkbar, dass der geehrte Arzt die reisenden Athener betreut haben könnte. Ein solcher Fall liegt etwa bei dem Arzt Euenor vor, der von den Athenern für seine Unterstützung in Zeiten, in denen die Athener hilfsbedürftig waren, geehrt wurde (IG II2 373). Da nicht auf ein spezielles Ereignis, sondern eher allgemein auf Euenors ärtzlicheLeistung verwiesen wird, wäre es auch denkbar, dass Euenor reisende Athener in seiner Heimat Akarnanien versorgt hat. 111 Vgl. Whitehead 1977, S. 29. Whitehead führt auch noch zwei weitere Wohltaten an, die ihm zufolge sicher auf ansässige Fremde verweisen, nämlich militärische Verdienste und epidóseis (vgl. ebd., S. 29); doch dem ist zu widersprechen. Ehren für militärische Dienste dürften auch Söldnern erwiesen worden sein, die nicht in Athen lebten, vgl. Bayliss 2004, S. 88–90. 112 Der Versuch, anhand der verliehenen Privilegien festzustellen, ob der Geehrte in Athen ansässig war oder nicht, findet sich in der Forschung häufig und am prominentesten in Verbindung mit der Proxenie, s. dazu Kap. III.7.5.

Quellen

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Neben den im Vorangegangenen ausführlich behandelten Grabinschriften und Ehreninschriften, sind auch Bauinschriften, Weihinschriften und die bereits im Zusammenhang mit Grabinschriften für Kriegsgefallene angesprochenen militärischen Inschriften wichtige epigraphische Quellen für die Erforschung der ansässigen Fremden in Athen. Auch wenn sie den Grab- und Ehreninschriften in ihrer Gesamtzahl deutlich untergeordnet sind, stehen sie diesen in ihrer Bedeutung nicht nach. Sie vermögen Einblick in diejenigen Bereiche zu geben, die durch Ehren- und Grabinschriften nicht erschlossen werden. So sind Weihinschriften, auf denen Bürger und ansässige Fremde z. B. als Mitglieder eines Verbandes gemeinsam als Stifter benannt werden, wichtige Zeugnisse für die Vernetzung dieser beiden Akteure113, und von Fremden gestiftete Statuen auf der Akropolis geben Aufschluss über die Möglichkeit, sich an der religiösen Praxis der Polis zu beteiligen und sich entsprechend zu profilieren.114 Bauinschriften wiederum geben nicht nur Aufschluss über die Einbindung von Nichtathenern als Arbeiter und ihre physische Hinterlassenschaft, sondern können auch herangezogen werden, um Aufgabenbereiche, Einsatzgebiete und Entlohnung der fremden Arbeiter zu erforschen.115 Schließlich sind auch Inschriften, die in einem militärischen Kontext entstanden sind, von Interesse. Hierunter fallen z. B. Besatzungslisten der Trieren und die bereits besprochenen Grabinschriften für Kriegsgefallene. Sie können wichtige Einblicke in den Grad der Einbindung ansässiger Fremder in militärische Unternehmen geben. I.2.2 Literarische Quellen Neben den inschriftlichen Quellen stellen literarische Quellen die zweite für die Erforschung der ansässigen Fremden in Athen wichtige Quellengattung dar. Der Beitrag Fremder zur athenischen Kultur im fünften und vierten Jahrhundert darf dabei als bedeutender gelten, als die doch recht bescheidene Menge überlieferter Texte vermuten lässt.116 Athen war aufgeschlossen gegenüber Künstlern aus allen Teilen Griechenlands, und alle Bereiche kulturellen Lebens profitierten von ihrem Einfluss.117 Zwar ist 113

Vgl. dazu Deene 2014, S. 167. Ein Beispiel dafür ist ein den Nymphen geweihtes Relief, das sich heute in den Staatlichen Museen Berlin, Antikensammlung (Inv.-Nr. SK709) befindet. Die Namen in der zugehörigen Inschrift IG II2 2934 deuten auf einen Zusammenschluss von Bürgern und Nichtbürgern, wahrscheinlich Walker, hin (vgl. Deene 2014, S. 167). 114 Vgl. Meyer 2013, S. 482 mit n 128. 115 Von besonderem Interesse waren in der Forschung die Abrechnungsinschriften des Erechtheions (IG I2 372–374), vor allem aufgrund ihrer ausführlichen Auflistung der am Bau beteiligten Bürger, Nichtbürger und Sklaven, ihrer Einsatzgebiete und ihres Verdienstes, vgl. u. a. Phillip 1990; Randall 1953. 116 Vgl. Ostwald 2007, S. 323. 117 Vgl. ebd., S. 351; zu fremden Handwerkern und Künstlern in Athen, siehe S. 112f; zu fremden Dichtern S. 302f.

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Vorbemerkungen

für die heutige Forschung vor allem der kulturelle Beitrag ansässiger Fremder in der literarischen Überlieferung von Interesse, doch die damaligen Zeitgenossen dürfte vor allem der Einfluss fremder Lehren auf den politischen Diskurs in Athen beschäftigt haben.118 Ähnlich wie auch bei den Grabinschriften konnten ansässige Fremde Urheber literarischer Quellen sein, wobei die Aussagekraft dessen, was die Autoren über sich selbst und damit über das Leben als ansässige Fremde in Athen preisgeben, von Quelle zu Quelle unterschiedlich stark ist: So enthält Lysias’ Rede gegen Eratosthenes, den er für den Tod seines Bruders verantwortlich macht, einige biographische Informationen über sein eigenes Leben und das seines Bruders,119 während etwa Isaios’ überlieferte Reden solcherlei Einblicke nicht erlauben.120 Die Philologie hat sich weitreichend mit der Wahrnehmung des Fremden in der Literatur auseinandergesetzt, wobei insbesondere der Darstellung der Barbaren im griechischen Drama einige Aufmerksamkeit zuteilwurde.121 Ansässige Fremde sind in allen literarischen Gattungen der Überlieferung präsent, wobei sich die Auseinandersetzung mit ihnen besonders stark im Drama niederschlägt.122 Dies ist für die moderne Forschung nicht zuletzt auch deshalb interessant, weil das Theater auch stets ein regulatives Instrument der Polisgemeinschaft darstellt.123 Das heißt, dass im Drama nicht nur Hinweise auf die tatsächliche Einstellung der Gemeinschaft gegenüber Fremden und ansässigen Fremden zu finden sind,124 sondern auch darauf, welche Einstellung gegenüber Fremden und ansässigen Fremden von den Mitgliedern der Gemeinschaft erwartet wurde oder gewünscht war. Das Gleiche trifft ferner auf die Nichtbürger und besonders auf die ansässigen Fremden zu: Das Drama konnte ihnen anhand guter und schlechter Beispiele vor Augen führen, wel118 Vgl. Ostwald 2007, S. 363. 119 Lys. 12 passim, besonders Lys. 12, 4–24. In der wohl einzigen von ihm in eigener Sache gehaltenen Rede klagt Lysias ein ehemaliges Mitglied der Dreißig, Eratosthenes, für die von diesem während seiner Herrschaft begangenen Taten an, unter besonderer Berücksichtigung der Verbrechen gegen die ansässigen Fremden in Athen, zu denen bspw. der Mord an Lysias’ Bruder Polemarchos zählt (Lys. 12, 17–18), aber auch die Enteignung ansässiger Fremder (Lys. 12, 19–20). 120 Von den wohl 64 in der Antike bekannten Reden des Isaios sind, neben einigen Fragmenten, zehn Reden vollständig und eine teilweise erhalten, die alle im Kontext von Erbschaftsstreitigkeiten vorgetragen wurden; vgl. Weißenberger 1998 (DNP 5), Sp. 1115. 121 Vgl. Bäbler 1998, S. 4, dazu auch Kap. II.1, S. 91f. 122 Die dramatische Aufarbeitung zeitgenössischer historischer Ereignisse im Zusammenhang mit Fremden und ansässigen Fremden in Athen ist dabei schon durch die Verwendung der entsprechenden Terminologie evident, vgl. Citti 1988, S. 460. Dass sich etwa Aischylos dabei verschiedener Anachronismen bediente und seine Handlung in eine längst vergangene, mythische Zeit verlegte, stand dem Verständnis des Publikums dabei nicht im Wege, vgl. ebd., S. 458. 123 Vgl. Citti 1988, S. 456, der diese Aussage auf die Tragödie bezieht: „Tragedy fulfills, with respect to the community of the city, the function of an ideological apparatus of the state“ (ebd., S. 456), dazu auch Meier 1988, u. a. S. 7–10, Goldhill 1986, S. 57–78 sowie Carter 2007, S. 64–89; zum politischen Kontext der griechischen Komödie vgl. Olson 2010 passim. 124 Vgl. Takabatake 1988, S. 453. So finden sich in den Dramen des Euripides die ersten Anzeichen für eine generelle Ablehnung der Barbaren (Dihle 1994, S. 47).

Quellen

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che Erwartungen ihre Gastpolis an sie stellte, und sie zu entsprechendem Verhalten ermahnen.125 Insbesondere setzt sich das Drama mit der Hierarchie zwischen Bürgern und ansässigen Fremden auseinander. Der Grundtenor ist der des Gutheißens einer asymmetrischen Beziehung zwischen Bürgern und (ansässigen) Fremden: Der Nichtbürger ist dem Bürger untergeordnet, und dafür, dass die Polis seinen Aufenthalt duldet, muss er sich seinem Umfeld anpassen und hinnehmen, mehr Pflichten als Rechte zu besitzen.126 Die Beziehung zwischen Bürgern und ansässigen Fremden ist eine der wichtigsten Manifestationen des Themas der Unterordnung im griechischen Drama.127 Dasjenige Drama, das bei der Beschäftigung mit den ansässigen Fremden in Athen am häufigsten betrachtet wurde und dem daher eine besondere Bedeutung attestiert werden darf, sind die Hikétides des Aischylos.128 Insbesondere der zur Entstehungszeit dieses Stücks mutmaßlich sehr aktuelle Konflikt der Aufnahme und Einbeziehung Fremder in das Leben der Polis schlägt sich in diesem Drama nieder wie in keinem anderen Werk aus dieser Zeit.129 Das tritt beispielsweise in dem Zwiespalt, in dem sich 125 Vgl. Citti 1988, S. 461. 126 Vgl. ebd., S. 456. Eine der frühesten Auseinandersetzungen mit der asymmetrischen Beziehung zwischen Bürgern und Nichtbürgern, in der sich letztere den erstgenannten unterordnen, ist ebenfalls im Drama bezeugt: In Aischyl. Ag. 55–59 hört einer der Götter das „Vogelgeschrei, das kreischende Jammern der métoikoi“ und entsendet die Erinnyen. Die Vögel sind bei Aischylos also nur Mitbewohner des Himmels, der den Göttern gehört. Sie stehen unter dem Schutz der Götter, sind diesen aber untergeordnet (vgl. Patzek 1995, S. 35). 127 Vgl. Citti 1988, S. 461. 128 Die Hikétides des Aischylos wurden wahrscheinlich 463 uraufgeführt (vgl. Dreher 2005, S. 103; Meier 1988, S. 99). Das Drama war vermutlich Teil einer Tetralogie über die Geschichte der Töchter des Danaos, die auch die Aigyptoi, Danaídes und das Satyrspiel Amýmone umfasst haben könnte, wobei unklar ist, ob die Hikétides das erste oder zweite Stück dieser Reihe waren (vgl. Mitchell 2006, S. 207–209). Da die Hikétides zu den weniger bekannten Werken des Aischylos gehören, lohnt sich eine kurze Zusammenfassung zum besseren Verständnis: Die Töchter des Danaos, im Werk durch den Chor repräsentiert, sind aus Ägypten geflohen, um der ihnen drohenden Hochzeit mit den Söhnen des Aigyptus, ihren Vettern, zu entgehen. Zu Beginn des Werkes finden sie sich in Argos wieder, wo sie sich auf Drängen ihres Vaters als Schutzflehende an den Altar des Heiligtums flüchten. Im Rahmen einer „aggressiven Hikesie“ (vgl. Dreher 2005, S. 104f) drohen sie mit Selbstmord, wenn die Argiver ihnen den ersuchten Schutz nicht gewähren. Dies treibt den König der Argiver, Pelasgos, in einen Konflikt (Aischyl. Hik. 354–358): Einerseits nahen schon die sitzengelassenen Bräutigame, die den Danaiden gefolgt und nun auf Ärger aus sind (176–183); andererseits ist die Befleckung des Heiligtums unter allen Umständen zu vermeiden (366–367), und zudem legt das göttliche Gebot die Schutzgewährung als Pflicht fest (83–85, 363–365). Pelasgos’ Zwickmühle ist in der Tat so bedrohlich, dass er die Aufnahme der Schutzflehenden nicht allein beschließen will, sondern sich entscheidet, den Vorschlag vor die Argiver zu bringen (354–503). Diese stimmen für die Aufnahme der Schutzflehenden (600–624), welche von einer Anhöhe aus die Aigypter bereits herannahen sehen. Im Kampf zwischen den Danaiden und den Aigyptern unterliegen die Geflohenen schon beinahe (817–910), als König Pelasgos mit seinem Heer die Szenerie erreicht. Pelasgos erklärt die Danaiden zu seinen Schützlingen und die Angreifer müssen den Rückzug unverrichteter Dinge antreten (911–953). 129 Obwohl die Hikétides des Aischylos nicht in Athen, sondern in Argos spielen, ist der Inhalt auf die athenischen Verhältnisse übertragbar (vgl. Spahn 1995, S. 40; Mitchell 2006, S. 219; Bakewell 1997, S. 209f, Meier 1988, S. 99). Das Stück war ein athenisches Werk und richtete sich an ein athenisches

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Vorbemerkungen

der König der Argiver befindet, hervor: Einerseits gilt es schon des göttlichen Gebots wegen, die Fremden aufzunehmen; andererseits können diese auch allerhand Ärger mit sich bringen und die Gemeinschaft gefährden.130 Zudem liefert das Drama Hinweise auf eine beginnende Offenheit der Athener gegenüber Teilen der nichtgriechischen Welt und auf eine damit einhergehende Differenzierung zwischen den Barbarenvölkern: Danaos und seine Töchter sind als Ägypter zwar deutlich den Barbaren zuzuordnen, und ihre nichtgriechischen Züge werden an vielen Stellen hervorgehoben,131 trotzdem entscheiden sich die Argiver dennoch, dem Schutzgesuch stattzugeben.132 Publikum (Mitchell 2006, S. 218), und damit ist die Darstellung der argivischen Großzügigkeit im Umgang mit den Fremden auch ein Stück weit athenisches Eigenlob (Bakewell 1997, S. 227). Das positive Bild, das hier vom mythischen Argos als dem athenischen Alter Ego gezeichnet wird (vgl. Mitchell 2006, S. 219), findet sich auch in der Behandlung des Konflikts über die Aufnahme der Schutzflehenden wieder: Die Argiver stellen sich zwar als risikobereit heraus (vgl. Bakewell 1997, S. 210) und in Anbetracht ihrer Entscheidung auch die göttlichen Gebote achtend, aber wirken durch ihr kluges Abwägen nie leichtsinnig. Zum politischen Kontext der Hikétides: Meier 1988, S. 105–112. 130 Aischyl. Hik. 354–503: Pelasgos’ Konflikt besteht darin, dass die Aufnahme der Danaiden einerseits vom göttlichen Gebot verlangt wird und die angedrohte Verunreinigung des Heiligtums durch ihren Selbstmord nur durch das Gewähren ihres Schutzgesuches zu verhindern ist. Andererseits würde die Aufnahme der Danaiden aber einen Krieg mit den Aigyptern bedeuten, der ganz Argos ins Verderben stürzen könnte, vgl. hierzu n 128 weiter oben in diesem Kapitel. 131 So etwa ihre exotische Erscheinung (Aischyl. Hik. 71 und 155, vgl. Bacon 1961, S. 24–26) und ihre Sprache (Aischyl. Hik. 118–119, vgl. Bacon 1961, S. 16). Dass die fremde Sprache der Danaiden trotzdem kein Kommunikationshindernis darstellt (z. B. Aischyl. Hik. 245–249) deutet darauf hin, dass die Erwähnung einer Sprachbarriere hier den nichtgriechischen Hintergrund der Danaiden betonen soll; vgl. Johansen/Whittle 1980, Vol. II, S. 107. Einige weitere Eigenschaften, die den Danaiden zugeschrieben werden, erinnern dabei stark an solche, die auch in Aischylos’ Pérsai zur Beschreibung der Perser herangezogen werden, so ein gewisser Hang zum Luxus, der im Kleidungsstil offenbar wird (Aischyl. Hik. 234–237 cf. Aischyl. Pers. 120–125 sowie 182f), vgl. Mitchell 2006, S. 211f, Bacon 1961, S. 27; zum Barbarenbild s. Kap. II.1, S. 87ff. 132 Vgl. Mitchell 2006, S. 202. Um die These einer offeneren Einstellung der Athener gegenüber einigen Barbaren, insbesondere den Ägyptern, zu stützen, verweist Mitchell ebd. auf die athenische Beteiligung am ägyptischen Aufstand gegen die Perser, der nur einige Jahre später stattfand. Dieses Unterfangen könnte, so vermutet Mitchell, aufgrund einer „mood of renewed interest in the kinship of the Egyptians“ (ebd., S. 220) an Akzeptanz gewonnen haben, die sich auch in Aischyl. Hik. wiedererkennen ließe. Diese These kann aber nur bedingt überzeugen: Mitchell selbst gibt zu bedenken, dass die Beteiligung der Athener sicherlich durch zahlreiche Interessen, wie der Weiterführung des Krieges gegen die Perser, begründet war (vgl. ebd.). Nicht zu vergessen ist auch, dass die Aigypter in ihrer Darstellung alles andere als gut wegkommen (vgl. ebd.), sodass die Behauptung einer Offenheit ihnen gegenüber kaum zu halten ist. Ein Charakteristikum der Danaiden ist dazu von hoher Relevanz, vielleicht sogar ausschlaggebend für ihre Aufnahme gewesen: Sie sind Nachkommen der Io (Aischyl. Hik. 16–19; 274–276; 291–324) und damit den Argivern von jeher verbunden. Dieser Umstand bewirkt, dass sie nicht als gänzlich Außenstehende in Argos gelten, und bedingt ihr Recht auf Schutz. Mitchell spricht dies an anderer Stelle zwar an (vgl. Mitchell 2006, S. 215), versäumt aber, diese Besonderheit der Danaiden zu seiner These der Offenheit gegenüber den Ägyptern ins Verhältnis zu setzen. Es wäre sogar zu überlegen, ob ihre Abstammung es überhaupt erst akzeptabel und für die Rezipienten des Stückes nachvollziehbar macht, dass ihrem Schutzflehen stattgegeben wird – das hängt freilich ganz davon ab, welches Maß an Bedeutung dieser Besonderheit der Danaiden von den Zeitgenossen beigemessen wurde. Als

Quellen

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Ein in der Forschung intensiv diskutierter Aspekt der Hikétides betrifft den Status, der den Geflohenen in Argos zugewiesen wurde und über den Danaos bei seiner Rückkehr von der Versammlung der Argiver berichtet:133 Von nun an sollen sie in Freiheit und unter dem Schutz der Argiver in Argos leben. Die Verwendung des Wortes μετοικεῖν zur Beschreibung ihres Status ist in der Forschung vielfach diskutiert worden, insbesondere im Hinblick auf die Frage, inwiefern der Status der Danaiden dem Metökenstatus in Athen entspricht134 und ob es sich hierbei um den frühesten Beleg für die metoikía handelt.135 Als Quellengattung ist das Drama damit auch geeignet, Einblick in die Entwicklung und Ausgestaltung des Status ansässiger Fremder zu geben. Für die Entwicklung eines formalisierten Status ansässiger Fremder stellen selbstverständlich auch Geschichtsschreibung, Lyrik und Epos wichtige Gattungen literarischer Quellen dar. So bezeugt bereits Hesiod, dessen Vater aus Kyme stammte,136 dass es Fremden zu seiner Zeit möglich war, sich weit entfernt von ihrer Heimat nieder-

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Quelle für eine sich entwickelnde Offenheit der Athener gegenüber den Ägyptern können die Hikétides daher nur die Extreme ausschließen: Einerseits scheint ein barbarischer Hintergrund kein ultimatives und alles übertrumpfendes Hindernis für eine Schutzgewährung dargestellt zu haben, denn Barbaren waren die Danaiden zweifelsohne. Andererseits dürfte es auch keine bedingungslose Offenheit gegenüber den Ägyptern gegeben haben, wie die Darstellung der Aigypter in den Hikétides verdeutlicht. Zur näheren Untersuchung der Position der Athener zwischen diesen beiden Extremen müssen weitere Quellen betrachtet werden, vgl. dazu Kap. II.1, S. 94. Aischyl. Hik. 608–614: ἡμᾶς μετοικεῖν τῆσδε γῆς ἐλευθέρους κἀρρυσιάστους ξύν τ᾿ ἀσυλίᾳ βροτῶν, καὶ μήτ᾿ ἐνοίκων μήτ᾿ ἐπηλύδων τινὰ ἄγειν· ἐὰν δὲ προστιθῆι τὸ καρτερόν, τὸν μὴ βοηθήσαντα τῶνδε γαμόρων ἄτιμον εἶναι ξὺν φυγῆι δημηλάτῳ. (Text: Johansen/Whittle) Diese Beschreibung wird noch ergänzt durch Pelasgos’ Aussage, dass den Neuankömmlingen entweder Räume in bestehenden Wohnhäusern oder Einzelunterkünfte zur Verfügung stünden: Aischyl. Hik. 959–965. So nehmen bspw. Patzek 1995, S. 36; Spahn 1995, S. 42 und Bakewell 1997, S. 210 an, dass der den Danaiden zugewiesene Status dem Metökenstatus in Athen vollumfänglich entspricht. Dreher geht zwar ebenfalls von einer weitreichenden Entsprechung aus, weist aber auf die ungewöhnliche Verleihung des Status an die Danaiden hin: Normalerweise brauche es dafür keinen Volksbeschluss (vgl. Dreher 2005, S. 106). Watson betrachtet die Verwendung des Wortes μετοικεῖν in Aischyl. Hik. nicht als eine Statusdesignation im engsten Sinne, sondern nur als einen deskriptiven Terminus, der das Mitwohnen beschreibt (vgl. Watson 2010, S. 270). Vgl. Watson 2010, S. 265. Die Verwendung des Terminus μετοικεῖν im Drama und insbesondere bei Aischylos wurde zuletzt von Citti 1988 untersucht. Er stellte fest, dass besonders die Werke des Aischylos von einer bemerkenswert bewussten Verwendung der Terminologie zeugen. Dies wird nicht nur im häufigen Auftreten des Terminus μετοικεῖν und verwandter Formen deutlich, sondern auch in deren konkreter Verwendung, die ein Bewusstsein sowohl für die Rolle ansässiger Fremder in der Gemeinschaft als auch für die komplexe Beziehung zwischen ansässigen Fremden und Bürgern bezeugt (vgl. Citti 1988, S. 460). Letzteres kann, Citti zufolge (vgl. ebd.), auch den Werken des Euripides attestiert werden: Zwar tritt der Terminus μετοικεῖν in seinen Werken seltener auf, aber auch bei Euripides ist ein Bewusstsein für die Herausforderungen und Besonderheiten der Beziehung zwischen Bürgern und ansässigen Fremden erkennbar. Citti kommt zu dem Ergebnis, dass Aischylos den Terminus μετοικεῖν und seine Ableitungen in seinen Werken nutzt, um verschiedene Grade begrenzter Partizipation auszudrücken (vgl. ebd., S. 458). Hes. Erg. 633–640.

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Vorbemerkungen

zulassen und sich in eine neue Gemeinschaft zu integrieren.137 Dies weist zumindest darauf hin, dass sich die athenische Gemeinschaft schon in frühester Zeit aus Personen unterschiedlicher Herkunft konstituierte, was sich auch in der späteren Beschreibung Athens durch Herodot wiederfindet.138 Vor allem Entwicklungen, Veränderungen und Konstanten im Denken über Fremde und in der Einstellung zu Fremden und ansässigen Fremden sind in den Geschichtswerken und im Vergleich ebendieser aus unterschiedlichen Epochen der athenischen bzw. griechischen Geschichte feststellbar. Schon bei Hesiod ist es ein Zeichen guten Charakters, den Fremden wie den Einheimischen gegenüber großzügig zu sein;139 auch in der homerischen Zeit wurde der gute Umgang mit Fremden geschätzt,140 und bei Herodot charakterisiert die Missachtung der Gebote der xenía Xerxes als Despoten und ist Symptom des moralischen Verfalls seiner selbst und seines Volkes.141 Auch bei der Betrachtung der Hikesie142 zeigt sich eine generationenübergreifende Konstanz: Der Grundsatz μηδ᾿ ἱκέτας ἀδικεῖν ἱκέται δ᾿ ἱεροί τε καὶ ἁγνοί143 gilt durch alle Zeiten hindurch,144 und auch die Regeln der Hikesie wandeln sich nicht maßgeblich.145 Veränderungen sind ebenso anhand historischer Werke gut nachzuzeichnen: So lässt sich zum Beispiel im Vergleich von Homer bis hin zu den Historien des Herodot ein zunehmend geschärftes Bewusstsein über fremde Sitten feststellen.146

137 Seine Suche nach einem besseren Leben (Hes. Erg. 633–640) führte Hesiods Vater nach Askra, wo er anscheinend die Möglichkeit hatte, Land oder Ackerboden zu erwerben (vgl. Erdtmann 2013, S. 57). 138 Vgl. Cohen 2000, S. 92. Demgegenüber steht der Autochthoniegedanke der Athener, s. hierzu Kap. II.1. 139 Vgl. Erdtmann 2013, S. 57. 140 Dies zeigt sich insbesondere in den Geboten, die sich im Konzept der Gastfreundschaft niederschlagen, vgl. dazu bspw. Finley 1968, S. 103–109; Herman 1987, S. 10–34; Hiltbrunner 2005, S. 26–33; Czapla 2009 passim. 141 Vgl. Nesselrath 2005, S. 96; Hdt. 7, 29, 2–39, 3. 142 Hiketeía bezeichnet das Ritual des Schutzflehens, in dessen Rahmen ein Schutzsuchender – als Einzelperson oder Personengruppe – um Hilfe, gegebenenfalls auch um die Aufnahme in eine Gemeinschaft, ersucht; vgl. Gödde 1998 (DNP 5), Sp. 554. 143 Paus. 7, 25, 1. 144 Vgl. Nesselrath 2005, S. 96. Im Übrigen zieht sich auch der Missbrauch der Hikesie durch alle Zeiten hindurch (vgl. ebd., S. 99). So ist dieser Missbrauch Teil einer Intrige der Pheretime: Nach Ägypten geflohen, bittet sie Aryandes im Rahmen der Hikesie, Rache für den Mord an ihrem Sohn zu nehmen, der für seine Zusammenarbeit mit den Medern getötet worden sei (Hdt. 4, 165, 3). Aristagoras missbraucht die Hikesie, um sich zunächst an Kleomenes’ Fersen zu heften und sich schließlich in dessen Hause bei ihm Gehör zu verschaffen (Hdt. 5, 50, 3–5, 51, 1), und athenischen Gesandten wird geraten, sich durch das Tragen eines Ölzweigs als Schutzflehende auszugeben, um einen zweiten Orakelspruch zu erhalten (Hdt. 7, 141, 1). 145 Vgl. Nesselrath 2005, S. 94. 146 Vgl. ebd. Nesselrath verweist auf den zweifach im Werk auftauchenden Hinweis Herodots, dass die Spartaner mit dem Terminus xénos auch auf einen Barbaren referieren (Hdt. 9, 11, 2 und 9, 55, 2), was auf ein bemerkenswertes Bewusstsein des Herodot für selbst feine semantische Unterschiede im Gebrauch derselben Wörter in verschiedenen Regionen Griechenlands schließen lässt.

Quellen

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Der Erkenntnisgewinn zu Veränderungen und Konstanten in der Einstellung der Athener gegenüber Fremden und ansässigen Fremden wird auch durch politische Schriften gefördert, die mithin als eine weitere wichtige Quellengattung gelten dürfen. Auch sie zeichnen sich durch eine mal mehr, mal weniger starke normative Intention aus.147 Die unterschiedlichen Ansichten und Interpretationen der Zeitsituation, wie sie von den Autoren politischer Schriften übermittelt werden, deuten an, dass es schon in der Antike geteilte Meinungen über die Migration nach Athen gab.148 Auch die Betonung eines Kausalzusammenhangs zwischen einem scheinbaren Verfall der eigenen Gesellschaft und einer steigenden Zahl ansässiger Fremder, wie sie dem modernen Leser nur allzu gegenwärtig sein dürfte, findet sich mitsamt dem Hang zur übertriebenen Darstellung und polemischen Äußerungen über die Fremden bereits in den antiken Schriften.149 Dadurch taugen politische Schriften als wertvolle Zeugnisse einzelner Meinungen und zeitgenössischer Dispute, sind aber hinsichtlich ihrer Repräsentativität nur mit Vorsicht zu genießen.150 So ist die Verwertung politischer Schriften als Quelle immer eine Gratwanderung zwischen der Auswertung teilweise voneinander nur schwer unterscheidbarer subjektiver Eindrücke, interpretierender Beobachtung und realitätsgetreuer Berichterstattung, die dem Forschenden ein besonders hohes Maß an kritischer Betrachtung abverlangt.

147 Vgl. Whitehead 1991, S. 136. 148 Dies tritt z. B. im Vergleich zwischen Platons und Xenophons Schriften hervor: Während Platon eher Einschränkungen für die ansässigen Fremden postuliert, z. B. die Begrenzung der Aufenthaltsdauer in Athen (Plat. Nom. 850b), schlägt Xenophon in seinen Póroi einen liberaleren Umgang mit ihnen und die Ausweitung ihrer Rechte vor (z. B. Xen. Vect. 2, 5); vgl. Whitehead 1977, S. 135. Dabei ist es wohl in verschiedenen Zusammenhängen als eine Stärke der politischen Schriften, wie sie von Platon und Xenophon verfasst wurden, anzusehen, dass es keinen Auftraggeber gab, durch den die Inhalte vorgeschrieben wurden, wie es bspw. bei Gerichtsreden der Fall war. Dass die Autoren stattdessen ihre Inhalte nach ihrem eigenen Gutdünken konzipierten, ermöglicht eine besondere Einsicht in ihre persönlichen Interpretationen der Gegenwart (vgl. ebd., S. 125). 149 Prominentes Beispiel ist das Pamphlet des Alten Oligarchen, in dem z. B. die Ununterscheidbarkeit von Bürgern, ansässigen Fremden und Sklaven angeprangert wird: Man könne, bedauerlicherweise, keine Schläge mehr in den Straßen verteilen, weil man sich nie sicher sein könne, ob es sich bei einem Aufmüpfigen um einen Sklaven, einen Freien oder einen Athener handle (Ps.-Xen. Ath. Pol. 1, 10). Weil die Fremden und Sklaven maßgeblich für die Erhaltung der Seemacht Athens seien, habe man sich zum Sklaven der Versklavten gemacht (Ps.-Xen. Ath. Pol. 1, 11) und die Sklaven den Freien und die Nichtbürger den Bürgern hinsichtlich ihrer Rederechte gleichgestellt (Ps.-Xen. Ath. Pol. 1, 12). Dass ansässige Fremde, Sklaven und Bürger dieselbe Redefreiheit genossen, ist dabei eine „völlig absurde Behauptung“ (Mann 2008, S. 17) und sicherlich nicht als verlässliche Berichterstattung anzusehen. 150 Insbesondere die Zuverlässigkeit des Platonischen Werkes wurde in diesem Zusammenhang diskutiert: So schätzt Bäbler Platon als einen „in der Regel gute[n] Indikator dafür, was das griechische Volk nicht dachte“ ein (Bäbler 2005, S. 69), während Hunter vor allem in Bezug auf Statusfragen der Meinung ist, dass „in the law the difference between Platos Magnesia and Classical Athens is only one of degree“ (Hunter 2000, S. 23). Finley formuliert dazu „One can quote Plato to disprove almost any general statement one tries to make about Greek society, but this is a stultifying and fundamentally wrong historical method.“ (Finley 1973, S. 38).

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Vorbemerkungen

Einen besonderen Stellenwert bei der Erforschung der Fremden in Athen haben die Gerichtsreden, unter denen besonders der Beitrag ansässiger Fremder als Autoren hervorgehoben werden muss: Von den zehn kanonischen attischen Rednern waren mindestens drei, nämlich Lysias, Isaios und Deinarchos,151 als Fremde in Athen ansässig, und der dem Kanon manchmal als elfter Redner hinzugerechnete Apollodor war der Sohn des Freigelassenen Pasion, dem das athenische Bürgerrecht verliehen worden war.152 Insbesondere die Rede des Lysias gegen Eratosthenes153 ist eine Quelle, die der Hervorhebung bedarf, weil sie die einzige überlieferte Rede ist, in der ein ansässiger Fremder aus seiner Sicht über das Leben in Athen berichtet.154 In den überlieferten Gerichtsreden können insgesamt zwanzig Personen eindeutig als ansässige Fremde identifiziert werden, wobei es noch eine größere Anzahl weiterer Fremder gibt, die in Athen wohnhaft gewesen sein könnten.155 Gerichtsreden vermögen dabei nicht nur Einblick zu geben in den rechtlichen Stand ansässiger Fremder und die verschiedenen Gesetze, mittels derer das Leben der ansässigen Fremden in Athen reguliert wurde.156 Sie vermögen auch zu offenbaren, welche Vorurteile gegenüber ansässigen Fremden bestanden und wie sie vor Gericht genutzt wurden, um eine Person zu diffamieren, oder wie andererseits versucht wurde, soziale Vorurteile gegenüber Fremden abzubauen.157

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Lysias’ Vater Kephalos stammte aus Syrakus und kam auf Einladung des Perikles nach Athen, wo er eine Waffenmanufaktur betrieb. Lysias selbst erhielt kurzzeitig das Bürgerrecht per Dekret, das ihm aber aufgrund eines Formfehlers bald nach der Verleihung wieder aberkannt wurde (vgl. Patzek 1995, S. 40). Isaios stammte aus Chalkis. Harp. s. v. συλλογῆς schreibt ihm eine sog. MetoikikósRede zu, die selbst allerdings nicht erhalten ist (vgl. Whitehead 1977, S. 47). Deinarchos stammte aus Korinth (vgl. Cohen 2000, S. 112). Vgl. Cohen 2000, S. 18. Zur Verleihung des Bürgerrechts an ansässige Fremde und dem Fall Apollodor als neopolítēs s. Kap. III.7.6, insbesondere S. 365f. In Lys. 12 klagt der Redner Eratosthenes wegen des Mordes an seinem Bruder Polemarchos an. Demzufolge haben die Dreißig, zu denen auch Eratosthenes gehörte, die Vertreibung der ansässigen Fremden befohlen, um deren Vermögen zu konfiszieren und sich damit selbst zu bereichern. Lysias konnte fliehen und unterstützte den Widerstand gegen die Dreißig mit finanziellen Mitteln aus seinem Exil; dazu auch Kap. III.4.2. Vgl. Patzek 1995, S. 40. Zwar sind mit den Reden des Isaios und des Deinarchos noch weitere von ansässigen Fremden verfasste Gerichtsreden überliefert, jedoch wurden diese allesamt im Interesse anderer, d. h. besonders athenischer Bürger, verfasst, was bedeutet, dass der Standpunkt bzw. die Sichtweise des Fremden in diesen Reden in den allermeisten Fällen zugunsten der Sichtweise des Auftraggebers in den Hintergrund tritt (vgl. Whitehead 1977, S. 54f). Vgl. Patterson 2000, 101. Zu denken ist hier sicherlich an Reden, die Prozessen zuzuordnen sind, in denen Fremde als Kläger und Angeklagte auftreten. Von besonderem Interesse sind dabei diejenigen Prozesse, die den Status eines ansässigen Fremden verhandeln, wie es z. B. in der 59. Rede des Demosthenes der Fall ist, vgl. Scafuro 1994, S. 178; Patterson 1994, S. 199. Vgl. Saunders 1994, S. 107.

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I.3 Setting the Scene: Athen und die Fremden bis zum Ende des 5. Jahrhunderts Der zweite Weg, der eine Annäherung an das Thema der ansässigen Fremden in Athen in der klassischen Zeit ermöglicht, führt über den historischen Kontext. Der Status der Fremden in der klassischen Zeit darf nicht als ein konstantes, unveränderbares Konstrukt der Athener angesehen werden, sondern er wurde ständig modifiziert und neu verhandelt und dadurch sozialen oder politischen Umständen angepasst.158 Diese Veränderungen im Status ansässiger Fremder sind vor allem im Kontext wichtiger historischer Ereignisse zu erkennen, weshalb die historische Einordnung des Fremdenstatus im Folgenden auch anhand dieser Ereignisse geschehen soll. Dabei stellt sich vor allem das fünfte Jahrhundert als eine besonders bewegte Zeit heraus, in der zahlreiche Ereignisse eine Veränderung sozialer oder politischer Umstände bewirkten, die ihrerseits wiederum Veränderungen im Status ansässiger Fremder nach sich zogen. Die vier wichtigsten, die Reformen des Kleisthenes, das Bürgerrechtsgesetz des Perikles, der Peloponnesische Krieg und das neue Bürgerrechtsgesetz von 403/02, sollen im Folgenden herangezogen werden, um die Herausbildung und die Entwicklung des Status ansässiger Fremder nachzuvollziehen. Den ausgewählten Ereignissen ist eines gemeinsam: Sie alle hatten eine Auswirkung auf das Bürgerrecht, das sie in mehr oder weniger deutlichem Maße veränderten. Dabei ist es wichtig zu verstehen, dass erst die Herausbildung eines distinkten Bürgerstatus die Herausbildung eines Status ansässiger Fremder ermöglichte159 und dass eine Umgestaltung des Bürgerkörpers immer auch einen wichtigen Einfluss auf die Gruppe der Nichtbürger hatte: So hätten etwa strengere Voraussetzungen zur Erlangung des Bürgerrechts bewirkt, dass einige Personen nicht länger als Bürger in der betreffenden Region hätte leben können. Dasselbe gilt für den umgekehrten Fall, dass eine Lockerung des Bürgerrechts dazu geführt hätte, dass einige vormalige Nichtbürger nun Bürger waren. Eingedenk dessen überrascht es nicht, dass die Herausbildung eines Status ansässiger Fremder und die Entwicklung ebendieses Status in enger Verbindung zur Herausbildung und Entwicklung des Bürgerrechts stehen. Daraus folgt, dass diejenigen Ereignisse, die eine tiefgreifende Veränderung des Bürgerrechts bewirkten, auch diejenigen Ereignisse waren, die maßgeblich zur Herausbildung und Entwicklung eines Status ansässiger Fremder führten.160 Bei intensiver Einwanderung sorgte eine hermetische Abriegelung des Bürgerkörpers, d. h. strenge Voraussetzungen für einen regulären Eintritt in die Bürgerschaft,

158 Vgl. Butz 1996, S. 76. 159 Vgl. Patterson 1981, S. 134. 160 Vgl. auch Manville 1994, S. 25, der Solons Einführung der télē, die Reformen des Kleisthenes und das Bürgerrechtsgesetz des Perikles als „traditional turning points in the history of Athenian citizenship“ auffasst.

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Vorbemerkungen

für ein Wachsen der Population ansässiger Nichtbürger. Je restriktiver die außerordentliche Aufnahme in den Bürgerkörper, etwa durch Verleihung des politeía-Privilegs, praktiziert wurde, umso mehr verstärkte sich dieser Effekt. Eine stetig wachsende Population ansässiger Fremder würde eine Polis schließlich dazu zwingen, sich zu entscheiden, wie sie mit ihnen umgehen will.161 Wenn die Polis sich darauf verständigte, den Fremden den (eventuell auch längerfristigen) Aufenthalt überhaupt zu erlauben,162 folgte ein Prozess der Institutionalisierung163 oder Verrechtlichung,164 in dessen Verlauf sich ein Status herausbildete, der für ansässige Fremde in dieser Polis zugänglich war.165 Diese Herausbildung eines Status ansässiger Fremder geschah aber nicht zufällig, sondern durch bewusste Entscheidungen, mit denen die Polis den Status ansässiger Fremder peu à peu gestaltete.166 Neben dem grundlegenden Beschluss, ansässige Fremde überhaupt in einen von nichtansässigen Fremden differenzierten Status einzuordnen,167 dürften sich Entscheidungsnotwendigkeiten insbesondere, aber nicht ausschließlich, im fiskalischen und im rechtlichen Bereich unter genauer Abwägung verschiedener Faktoren ergeben haben.168 Zu denken ist hier z. B. an die Möglichkeit, Steuern von ansässigen Fremden einzuziehen, die aber gegen das Risiko abzuwägen ist, die Fremden mit einer allzu hohen finanziellen Belastung zu verprellen.169 Auch die Notwendigkeit, ansässigen Fremden einen gewissen Grad an persönlicher Sicherheit zu geben, dürfte die Gestaltung ihres Status beeinflusst haben. Hierzu zählt sowohl die Herausbildung geeigneter Verfahren, auf die im Falle von Rechtsstreitigkeiten zurückgegriffen werden konnte, als auch das Erfüllen der Forderung ansässiger Fremder nach einer wie auch immer gearteten Anerkennung ihres Status.170 Die Herausforderung bestand darin, ein Verhältnis zwischen Rechten und Verpflichtungen zu finden, das sowohl von der Polis als auch von den ansässigen Nichtbürgern als vorteilhaft empfunden wurde.171

161 Vgl. Brandt 1992, S. 197; Whitehead 1984a, S. 49f; Whitehead 1977, S. 143; Connor 1994, S. 36; Klees 2000, S. 37; Deene 2011, S. 160; Fisher 2010, S. 339. 162 Ein grundsätzliches Aufenthaltsverbot für Nichtbürger ist aus keiner Polis bekannt, vgl. Whitehead 1984a, S. 50, wenngleich in Sparta die Akzeptanz gegenüber ansässigen Fremden wohl sehr stark eingeschränkt gewesen zu sein scheint, vgl. Fisher 2010, S. 339; Garland 2014, S. 97. 163 Vgl. Whitehead 1984a, S. 54. 164 Vgl. Brandt 1992, S. 198. 165 Vgl. Whitehead 1984a, S. 50–56. 166 Vgl. Patzek 1995, S. 36. 167 Vgl. Whitehead 1991, S. 139. Whitehead ebd. vermutet, dass eine statusbezogene Trennung in den meisten Poleis durchgeführt wurde. 168 Vgl. Whitehead 1984a, S. 50–56. 169 Vgl. de Ste. Croix 1983, S. 289; Hunter 2000, S. 15; Meyer 2010, S. 48; dazu auch Kap. III.2.1. 170 Vgl. Fisher 2010, S. 339. 171 Vgl. Whitehead 1984a, S. 56.

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I.3.1 Fremde und ansässige Fremde in der archaischen Zeit Die Quellen belegen die Anwesenheit ansässiger Fremder in den Poleis von frühester Zeit an.172 Für die Zeit des achten, siebenten und sechsten Jahrhunderts fehlen zwar Informationen darüber, welchen Status ansässige Fremde in dieser Zeit innehatten;173 es scheint aber zumindest unwahrscheinlich, dass die archaische Polis eine strikte Trennung der Bürger von ansässigen Nichtbürgern hätte durchsetzen können.174 Die Grenze zwischen Bürgern und Nichtbürgern dürfte in dieser Zeit recht durchlässig gewesen sein.175 Eine vollständige Integration in die Gemeinschaft scheint jedem möglich gewesen zu sein, der sich längerfristig an einem bestimmten Ort aufhielt und bereit war, sich an die lokalen Gegebenheiten anzupassen.176 Insbesondere in der vorsolonischen Zeit wurden die Mitglieder der Gemeinschaft vielmehr im Hinblick auf ihre persönliche Freiheit und ihren Besitz unterschieden und Differenzen mit dem Ehrbegriff markiert.177 Damit trat einerseits die Unterscheidung zwischen Athenern und Nicht-athenern in den Hintergrund,178 andererseits führte dies auch zu vereinfachten Integrationsmechanismen.179 Erschwerend kam allerdings hinzu, dass die Aufnahme neuer Mitglieder bis in die Mitte des fünften Jahrhunderts dem Gutdünken der jeweiligen Entscheidungsträger oblag: Es existierten weder Vorgaben noch Kriterien oder Einschränkungen zur Aufnahme neuer Mitglieder in die Demen und damit auch nicht für die Einbürgerung von Nichtbürgern.180 Schon in der homerischen Zeit scheint es eine Differenzierung innerhalb der Gruppe der ansässigen Fremden gegeben zu haben, nämlich zwischen metanástai auf der einen und dēmiurgoí auf der anderen Seite.181 Dēmiurgoí dürften fremde Handwerker gewesen sein, die sich, oft von weither kommend, einem oíkos, eventuell auf Einladung, anschlossen.182 Sie standen wegen ihrer handwerklichen Tätigkeit unter dem

172 Vgl. Meyer 1993, S. 100. Insbesondere Grabsteine aus Athen und anderen Orten legen die Existenz einer fremden Bevölkerung in den Poleis nahe, so z. B. SEG 13, 36, eine Grabinschrift für einen karischen Fremden, die auf ca. 525 datiert worden ist (vgl. Meyer 1993, S. 100). Ein noch früheres Dokument ist die Inschrift IG IX,1 867 aus Kerkyra aus dem späten 7. Jahrhundert (vgl. Meyer 1993, S. 100). 173 Vgl. Whitehead 1977, S. 140. 174 Vgl. Connor 1994, S. 36. 175 Vgl. ebd. 176 Vgl. Erdtmann 2013, S. 60. 177 Vgl. ebd.; Patterson 1981, S. 14. 178 Vgl. Patterson 1981, S. 14. 179 Vgl. Erdtmann 2013, S. 60. 180 Vgl. Cohen 2000, S. 65. Das Fehlen solcher Vorgaben könnte aber auch dadurch bedingt sein, dass Nichtbürger als Gruppe keine Angelegenheit waren, mit der sich die Athener in dieser Zeit beschäftigten, insbesondere nicht im legislativen Kontext, vgl. Avilés 2011, S. 7. 181 Vgl. Erdtmann 2013, S. 56; zu metanástai: Hom. Il. 9, 648 sowie Hom. Il. 16, 59; zu dēmiurgoí: Hom. Od. 17, 383; Hom. Od. 19, 135; Zu den Begriffen s. LfgrE s. v. μετανάστης und s. v. δημιοεργός. 182 Vgl. Erdtmann 2013, S. 56.

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Vorbemerkungen

besonderen Schutz von Athena und Hephaistos und genossen damit eine besondere Wertschätzung und Anerkennung.183 Als metanástai wurden aller Wahrscheinlichkeit nach Flüchtige bezeichnet, die aufgrund des Verlustes ihrer Heimat und damit auch ihres verwandtschaftlichen Netzwerks in geringerem Ansehen standen:184 Anders als die dēmiurgoí waren sie nur geduldet, lebten aber dennoch nicht am Rande, sondern inmitten der Gesellschaft.185 Darauf, dass Fremde die Möglichkeit hatten, sich vollständig in eine Gemeinschaft zu integrieren, weist auch Hesiod hin: Sein Vater verließ einst das heimische Kyme aufgrund der dort herrschenden Armut, um sich in Askra niederzulassen.186 Dort konnte er offenbar auch Land erwerben, das von Hesiod bewirtschaftet wurde.187 Die mit dem Besitz von Land verknüpfte Teilhabe an der Gemeinschaft lässt zumindest vermuten, dass die den metanástai von Homer zugesprochene atimía tilgbar war.188 Die Geschichte der Formalisierung eines Status ansässiger Fremder beginnt mit dem Wirken Solons.189 Von besonderem Interesse für die Erforschung der ansässigen Fremden in Athen ist dabei sein Gesetz zur Einbürgerung Fremder: Demzufolge habe Solon verfügt, dass nur denjenigen das Bürgerrecht zugesprochen werden durfte,190

183 Vgl. ebd., S. 56f; Hom. Od. 6, 232–235; Hom. Il. 5, 60–61. Zur Wertschätzung der dēmiurgoí über andere Fremde: Hom. Od. 17, 381–385, wonach die Bereitschaft, einen Fremden aufzunehmen, größer war, wenn es sich bei diesem Fremden um einen Handwerker handelte. 184 Vgl. Erdtmann 2013, S. 56. Der Begriff metanástai wird in den homerischen Epen zweimal gebraucht, nämlich in Hom. Il. 9, 648 sowie in Hom. Il. 16, 59. In beiden Fällen ist der Begriff mit atímētos verbunden, was auf eine Stellung als ‚Ehrloser‘ oder ‚Unehrenhafter‘ verweist, vgl. Erdtmann 2013, S. 56. Dazu auch LfgrE s. v. μετανάστης, dort aber mit dem Hinweis, dass die so Bezeichneten nicht zwangsläufig Fremde sein mussten. 185 Vgl. Erdtmann 2013, S. 57. Erdtmann verweist in diesem Zusammenhang auch auf die sprachliche Analogie zwischen metanástai und métoikoi: Auch in der Bezeichnung metanástai fände sich (vgl. ebd.) der Wortbestandteil meta, der hier, wie bei den Metöken, zum Ausdruck bringe, dass der so Benannte inmitten der astoí lebe. Daraus schließt Erdtmann ebd., dass die metanástai sich wie die dēmiurgoí einem oíkos anschließen konnten. Dieser Schluss drängt sich aber nicht alternativlos auf, denn metá kann genauso auf einen Ortswechsel hindeuten, den die Eingewanderten vollzogen haben, dazu Kap. II.6.3. 186 Hes. Erg. 633–640, s. dazu auch weiter oben in diesem Kapitel. 187 Ob die Möglichkeit, Land zu erwerben oder zugeteilt zu bekommen, in der archaischen Zeit grundsätzlich allen Fremden offenstand, kann auf der Basis dieser Quelle nicht geklärt werden. Aus den Berichten des Hesiod kann dies nur für Askra festgestellt werden (vgl. Erdtmann 2013, S. 57). 188 Vgl. Erdtmann 2013, S. 57. Hesiods Vater wäre aufgrund der Aufgabe seiner Heimat und der daraus resultierenden Heimatlosigkeit ein metánastēs im homerischen Sinne (Hom. Il. 9, 648 und 16, 59) und damit wohl auch atímētos gewesen. 189 Vgl. Baba 1984, S. 4, der die Zeit Solons als die Vorzeit („pre-history“) des athenischen Metökenstatus bezeichnet. 190 Patterson 1981, S. 18 gibt zu bedenken, dass es zwei mögliche Interpretationen für das Gesetz gibt: Entweder könnte sich das Gesetz an alle in Athen bereits ansässigen fremden Handwerker und Exilierten gerichtet haben, die damit das Bürgerrecht zugesprochen bekamen; so wird es z. B. von Wüst interpretiert (vgl. Wüst 1964, S. 70). Oder es beschränkte nur die Gruppe derer, die das Bürgerrecht zugesprochen bekommen konnten, auf Handwerker und Exilierte, ohne es ihnen im

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die entweder dauerhaft aus ihrer eigenen Heimat verbannt wurden oder mit ihrem gesamten Hausstand nach Athen kamen, um dort ein Handwerk auszuüben.191 Laut Plutarch hat Solon dieses Gesetz aufgrund zweier Notwendigkeiten verabschiedet: Zum einen strömten Massen nach Attika, dessen Gebiet aber zu klein und zu karg war, um allen eine Lebensgrundlage zu ermöglichen, sodass eine Eindämmung des migrationsbedingten Bevölkerungswachstums unumgänglich war.192 Zum anderen konnte aufgrund der hohen Bevölkerungszahl und der Kargheit des Landes kein Güterüberschuss in der Landwirtschaft für den Handel produziert werden. Solon förderte daher das Handwerk, das unabhängig von Fruchtbarkeit und Größe des Landes Waren herstellen konnte, die Händler nach Athen locken sollten.193 Plutarchs Interpretation, dass Handwerkern von Solon das Bürgerrecht in Aussicht gestellt wurde, um ihnen im Zuge der Förderung dieses Sektors einen Anreiz zu bieten, nach Athen zu kommen,194 leuchtet also ein. Darüber hinaus konnten auch diejenigen eingebürgert werden, die ihre Stadt dauerhaft wegen eines lebenslangen Exils verlassen mussten.195 Allen anderen Fremden wurde zwar der Aufenthalt in Athen nicht verwehrt, aber sie hatten keine Aussicht auf das Bürgerrecht.196 Darin offenbart sich der restriktive Charakter dieser Maßnahme: Der bloße Akt, den Zugang zum Bürgerrecht durch die Formulierung bestimmter Voraussetzungen zu begrenzen, markiert nicht nur die Abkehr von den in den frühen Quellen angezeigten einfachen Integrationsmechanismen, sondern darüber hinaus auch den Schritt hin zu einer in den folgenden Jahren und Jahrzehnten immer weiter voranschreitenden Abschottung des Bürgerkörpers gegen Fremde.197

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selben Zuge zu verleihen (vgl. Patterson 1981, S. 18). Patterson gibt dabei der zweiten Variante den Vorzug: Einerseits wäre es für Athen von Vorteil, innerhalb der Gruppe von Fremden, welche die Voraussetzungen erfüllten, eine Auswahl treffen zu können. Das dürfte, so Patterson ebd., S. 19, insbesondere bei den Exilierten erstrebenswert gewesen sein. Andererseits scheint das Gesetz nicht eine einmalige Aufnahme in die Bürgerschaft zu verfügen, sondern eine fortdauernde. Dass aber auf unbestimmte Zeit immer alle Handwerker und Exilierten Aufnahme in die Bürgerschaft finden sollten, scheint weder erstrebenswert noch realistisch (vgl. ebd.). Demnach sind zwar alle Fremden, die kein Handwerk betrieben oder Exilierte waren, grundsätzlich von der Bürgerschaft ausgeschlossen gewesen, aber auch diejenigen, die diese Kriterien erfüllten, seien nicht automatisch in die Bürgerschaft aufgenommen worden: Die letztendliche Entscheidung zur Aufnahme habe bei den Phratrien gelegen und sei abhängig von deren individuellen Reglements gewesen (vgl. ebd., S. 22). Plut. Sol. 24, 2; zu beachten ist, dass μετοικίζω hier nicht mit dem erst später etablierten Status eines Metöken gleichzusetzen ist, sondern den Prozess des Umsiedelns ausdrückt, vgl. Davies 1977, S. 115. Plut. Sol. 22, 1. Plut. Sol. 22, 1. Plut. Sol. 24, 2. Vgl. u. a. Cohen 2000, S. 63; Patzek 1995, S. 35; Deene 2011, S. 161. Der Ausdruck φεύγουσιν ἀειφυγίᾳ findet sich auch in Demosth. 21, 43 und Plat. Leg. 877c, wo damit jeweils die Strafe für einen Mörder ausgedrückt wird. Plut. Sol. 24, 2. Vgl. Baba 1984, S. 4.

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Vorbemerkungen

Mit der Beschränkung des Zugangs zum Bürgerrecht geht derweil nicht unbedingt auch eine Einschränkung der Immigration einher: Solons Ziel war es, den migrationsbedingten Anstieg der Bürgerzahlen einzudämmen, nicht aber, Fremde grundsätzlich aus Athen auszuschließen, wie Plutarch betont.198 Zwar mag die fehlende Aussicht auf Einbürgerung eine Übersiedelung nach Athen für einige unattraktiv gemacht haben. Es ist auch nicht bekannt, dass Solon gesonderte Maßnahmen ergriffen hätte, ansässige Fremde zu schützen, oder dass seine auf den persönlichen Schutz ausgelegten Verordnungen, wie z. B. die Abschaffung der Schuldsklaverei, Nichtbürgern zugutekam.199 Aber in all diesen Maßnahmen zeigt sich doch die Verminderung der Einwandererzahlen mehr als ein potenzieller Nebeneffekt denn als das Ziel. Die Absicht hinter diesen Maßnahmen war vielmehr die Stärkung des Bürgerkörpers durch selektive und eingeschränkte Erweiterung: Solons Entscheidungen sollten den Bürgern nützen und nicht den Nichtbürgern schaden. Solon mag, wie Whitehead treffend formuliert, mehr philódemos als philóxenos gewesen sein,200 aber das macht ihn noch lange nicht zu einem „misóxenos“. Schließlich ist keine Maßnahme bekannt, die auf eine offene Diskriminierung der Fremden hinweisen würde oder gar auf ein Aufenthaltsverbot für Fremde.201 Dass nur der Zugang zum Bürgerrecht aktiv eingeschränkt wurde, nicht aber die Einwanderung an sich, dürfte zu einer steigenden Zahl ansässiger Fremder geführt haben: nicht so sehr, weil es tatsächlich mehr Migranten gab, aber weil viele derjenigen, die einwanderten, nicht mehr in den Status eines Bürgers übergingen, sondern im Fremdenstatus verblieben. Für diese ansässigen Nichtbürger wurde zwar unter Solon kein bestimmter Status formuliert, der sie von nichtansässigen Fremden unterschied,202 aber die Notwendigkeit, einen solchen Status zu definieren, dürfte sich mit der steigenden Zahl ansässiger Nichtbürger erhöht haben.203 Solons Nachfolger Peisistratos wird eine Einbürgerungspraxis zugeschrieben, in deren Rahmen besonders dubiose Gestalten zu Athenern gemacht wurden.204 Wie Aristoteles berichtet, machte Peisistratos nämlich auch Personen „unreiner Abstammung“,205 die ihn 198 199 200 201 202 203

Plut. Sol. 24, 2; vgl. Garland 2014, S. 154f. Vgl. Finley 1981, S. 118; Todd 1993, S. 181. Vgl. Whitehead 1977, S. 142. Dagegen ebd. Vgl. Baba 1984, S. 4. Vgl. Whitehead 1991, S. 150. Whitehead zufolge war die Notwendigkeit dann unter Kleisthenes so groß, dass ihr nachzugeben unumgänglich wurde, vgl. Kap. I.3.2. 204 Vgl. Deene 2014, S. 161; Connor 1994, S. 171; Aristot. Ath. Pol. 13, 5 (s. u.). 205 Aristot. Ath. Pol. 13, 5: οἱ τῷ γένει μὴ καθαροὶ. Was die nicht einwandfreie Abstammung genau ist, wurde in der Forschung unterschiedlich interpretiert. Einige sind der Meinung, dass es sich hierbei um Fremde handelt (z. B. Bicknell 1969, S. 34), andere meinen hier Sklaven zu erkennen (z. B. Patterson 1981, S. 23f). Es ist schwer, hier eine endgültige Entscheidung zu treffen, doch scheint die erste Variante etwas besser begründet zu sein: Zum einen kann das γένος καθαρόν in Opposition zum ξένος stehen, also eines Fremden (z. B. Eur. Ion 673; vgl. LSJ s. v. καθαρός [4]). Zum anderen müsste der Einbürgerung von Sklaven ihre Freilassung vorausgehen, von der aber in Aristot. Ath. Pol. 13, 5 keine Rede ist.

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unterstützt hatten, zu Bürgern.206 Insgesamt scheinen die Peisistratiden die Sache mit der einwandfreien Abstammung nicht allzu genau genommen zu haben: Nicht nur stilisierten sie den fernab von Athen geborenen Theseus zum Einiger der Nation;207 Peisistratos hatte auch eine Nichtathenerin zur Frau.208 Obwohl die Peisistratiden den Zugang zum Bürgerrecht wenig restriktiv gehandhabt zu haben scheinen, haben sie seinen Wert nicht vermindert209 und auch die betreffenden Gesetze nicht verändert.210 Der neue Status der Eingebürgerten überdauerte die Herrschaft der Peisistratiden derweil nicht: Im Rahmen eines großangelegten diapsēphismós nach dem Sturz des Hippias wurden viele von ihnen wieder aus der Bürgerschaft entfernt.211 206 Aristot. Ath. Pol 13, 5. Bei denjenigen, die ihrer Schulden beraubt wurden, dürfte es sich um die gehandelt haben, die aufgrund der Aufhebung der Schuldknechtschaft durch Solon die bei ihnen ausstehenden Schulden anderer nicht mehr eintreiben konnten und daher in Armut geraten sind. Das waren aber bereits Athener, sodass die Einbürgerung diese nicht getroffen haben dürfte. Cohens Behauptung, dass Peisistratos viele, die in Armut lebten, zu Bürgern gemacht habe (vgl. Cohen 2000, S. 63), beruht daher allem Anschein nach auf einer falschen Lesung: Solon hob die Schuldknechtschaft für diejenigen Athener auf, die von anderen Athenern versklavt worden waren (vgl. Finley 1981, S. 118), und kaufte diejenigen Athener frei, die als Sklaven in der Fremde lebten (vgl. Vlassopoulos 2009, S. 347). Die einzigen, die von Solon um ihr Geld gebracht worden und aufgrund dieser Einbußen in Armut geraten waren, waren demnach bereits Athener. Sie mögen Peisistratos daher aus Wut über ihre Armut unterstützt haben, nicht aber in der Hoffnung, ein Bürgerrecht zu bekommen. 207 Vgl. Cohen 2000, S. 84. Theseus war der Sohn des athenischen Königs Aigeus und der Tochter des Pittheus, der in Troizen König war. Der Legende zufolge habe Aigeus den König von Troizen um Interpretation eines Spruches des Orakels von Delphi gebeten, das er wegen seiner Kinderlosigkeit konsultiert hatte. Pittheus habe dann veranlasst, dass Aigeus eine Nacht mit seiner Tochter verbringe. Aigeus habe dann ein Schwert und ein Paar Sandalen unter einem Stein versteckt und verfügt, dass sein eben gezeugter Sohn, wenn er stark genug sei, den Stein zu bewegen, sich nach Athen aufmache. Theseus erfüllte sein Schicksal und begab sich auf den langen Weg nach Athen, auf dem er zahlreiche Prüfungen erleiden musste, vgl. Stenger/Bäbler 2002 (DNP 12.1), Sp. 436f. Cohen weist darauf hin, dass die Evokation des Theseus durch die Peisistratiden Symbol der athenischen Offenheit gegenüber Fremden und der Bereitschaft zur Aufnahme von Fremden in die athenische Gemeinschaft war: Theseus sei der ultimative Außenseiter, aufgrund seiner Abstammung und seines Aufwachsens in fremden Landen einerseits, andererseits „polluted by his encounters on route“ (Cohen 2000, S. 84) und damit „the antithetic of autochthonic claims“ (ebd.). 208 Vgl. Patterson 1981, S. 23. 209 So war es z. B. nur Athenern vorbehalten, an den Olympischen Spielen teilzunehmen, vgl. Patterson 1981, S. 23f. 210 Thuk. 6, 54, 6. 211 Von diesem diapsēphismós berichtet Aristot. Ath. Pol. 13, 5. Ob sich der diapsēphismós ausschließlich gegen diejenigen Bürger, die ihr Bürgerrecht unter den Peisistratiden erlangt hatten, gerichtet hat, ist in der Forschung umstritten. Während z. B. Wüst 1964, S. 370 und Bicknell 1969, S. 34 davon ausgehen, dass die unter den Peisistratiden Eingebürgerten sein alleiniges Ziel waren, hat die neuere Forschung eine moderatere Einstellung angenommen. Der diapsēphismós von 510/09 dürfte demnach vor allem politischen Zwecken gedient haben: So galt es, nach dem Sturz der Tyrannen vor allem ihre Unterstützer loszuwerden (vgl. Blok 2005, S. 19; Bicknell 1969, S. 34). Unter den auf diese Art Ausgebürgerten dürften sich zweifelsohne viele befunden haben, die das Bürgerrecht von Peisistratos als Dank für ihre Unterstützung erhalten hatten, wenn auch sicherlich nicht alle (vgl. Cohen 2000, S. 64). Darüber hinaus dürfte der diapsēphismós aber auch weitere Unterstützer der Tyrannen getroffen haben, die das Bürgerrecht nicht ihnen zu verdanken hatten (vgl. Patterson

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Vorbemerkungen

I.3.2 Kleisthenes und die Einbürgerung ansässiger Nichtbürger Unter Kleisthenes habe es, wie Aristoteles berichtet, eine Masseneinbürgerung in Athen gegeben, mit der das Bürgerrecht an ξένους καὶ δούλους μετοίκους212 verliehen worden sei. Daraus ist zunächst erst einmal zu schließen, dass es zur Zeit des Kleisthenes einige Personen gegeben haben dürfte, vielleicht sogar eine erhebliche Zahl, die in Athen als Nichtbürger lebten.213 Ein Teil der Forschung nimmt an, dass die Gruppe dieser ansässigen Nichtbürger in der Tat von so signifikanter Größe war, dass Kleisthenes der Notwendigkeit nachgab, ihren Status zu definieren.214 Damit habe Kleisthenes, so die These, erstmals den Status ansässiger Fremder in Athen formalisiert.215 Diese Auffassung hat einige Schwächen. Zum einen ist der bereits zitierten Aussage des Aristoteles, welche die Hauptquelle für die Einbürgerungen unter Kleisthenes darstellt,216 nur zu entnehmen, dass es eine Unterscheidung von Bürgern und Nichtbürgern gab, aber diese Trennung lässt nicht zwangsläufig auf einen dritten Status schließen.217 Ganz im Gegenteil scheint doch gerade das Fehlen einer Erwähnung eines dritten Status sogar dafür zu sprechen, dass die Bürger-Nichtbürger-Dichotomie weiterhin, und zwar ohne Zwischenstufe, galt.218 Zum anderen wird bei eingehender Betrachtung plausibel, dass der Notwendigkeit einer Statusdefinition ansässiger Fremder von Kleisthenes

212 213

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1981, S. 23f), und eventuell könnte seine Durchführung sogar nur auf diese Gruppe begrenzt worden sein (vgl. Kienast 2005, S. 86f). Aristot. Pol. 1275b, 36. Vgl. Bicknell 1969, S. 34. Inwieweit sich diese Gruppe der ansässigen Nichtbürger aus denjenigen konstituierte, die im Rahmen des 510/09 durchgeführten diapsēphismós ihr Bürgerrecht verloren hatten, lässt sich nicht mehr feststellen. Es kann nur vermutet werden, dass nicht alle von ihnen nach dem Verlust des Bürgerrechts Athen verlassen haben, sondern weiterhin dort ansässig blieben (vgl. Wüst 1964, S. 370). Vgl. u. a. Manville 1994, S. 26; Whitehead 1986b, S. 81; Whitehead 1977, S. 143. Prominentester Vertreter dieser These ist Whitehead (vgl. Whitehead 1977, S. 143; Whitehead 1986b, S. 81), aber ähnlich u. a. auch Baba 1984, S. 4; Erdtmann 2013, S. 71; Oliver 1960, S. 505; Spahn 1995, S. 48; Wüst 1964, S. 370. Vgl. Bakewell 1997, S. 219; Kagan 1963, S. 42; Oliver 1960, S. 503. Diese Ableitung unternimmt Baba 1984, S. 3f: Ihm zufolge habe Kleisthenes durch die klare Trennung von Bürgern und Nichtbürgern die Formierung eines Status ansässiger Fremder begründet. Ähnlich auch: Patterson 1981, S. 134 und Bakewell 1997, S. 219f. Dagegen spricht allerdings Wüst 1964, S. 372: Ihm zufolge sei in Aristot. Pol. 1275b πολλοὺς nicht zu ξένους und δούλους μετοίκους zu ziehen, sondern sei als Indefinitpronomen aufzufassen. Demzufolge übersetzt Wüst „Denn er wies vielen den Status von xénoi métoikoi und dúloi métoikoi zu.“ (Wüst 1964, S. 372, ähnlich auch Klees 2000, S. 27 sowie Oliver 1960, S. 503). Das ist zwar grammatikalisch richtig, widerspricht aber dem Kontext, in den die Passage eingebettet ist: Hier geht es ganz zweifellos um die Verleihung des Bürgerrechts, wie Aristot. Pol. 1275b 37–40 zeigt, vgl. Kagan 1963, S. 43, dazu auch die Übersetzung von Schütrumpf: „… denn er nahm viele Metöken fremder und unfreier Herkunft in die Phylen auf “, sowie dessen Kommentar (Schütrumpf 1991, S. 399f). Dass Aristoteles hier das Wort métoikos verwendet, macht den Einwand nicht weniger gewichtig: Es könnte sich entweder um eine anachronistische Verwendung handeln (vgl. Bakewell 1997, S. 220) oder auch um eine Verwendung im nicht-statusrechtlichen Sinne, wie sie z. B. auch in IG I3 1357 zu finden ist (vgl. Bakewell 1997, S. 221 und Whitehead 1997, S. 64).

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nicht etwa durch die Einführung eines neuen Status Genüge getan wurde, sondern dadurch, dass sie eingebürgert wurden. Diese Vermutung wird auch dadurch gestützt, dass die Quellen keine regelmäßigen Bürgerrechtsverleihungen vor der ersten Hälfte des 4. Jahrhunderts belegen. Das könnte darauf hindeuten, dass Fremden andere Wege in die Bürgergemeinschaft offenstanden als die außerordentliche Verleihung des Bürgerrechts.219 Darüber hinaus berichtet Aristoteles, dass nicht nur ein paar wenigen, sondern πολλοὺς […] ξένους καὶ δούλους μετοίκους220 das Bürgerrecht verliehen wurde. Das bedeutet selbstverständlich nicht, dass dies alle ansässigen Nichtbürger betraf221 und die Gruppe mithin vollständig aufgelöst wurde. Es könnte aber auf eine erhebliche Dezimierung der Zahl ansässiger Fremder schließen lassen, deren Überbleibsel in einem nicht näher ddefinierten Status verbleiben konnten. All dies spricht dagegen, Kleisthenes die Formalisierung eines Status ansässiger Fremder zuzuschreiben.222 Es drängt sich in diesem Zusammenhang die Frage auf, wer diese xénoi und dúloi métoikoi waren, und auch dies wurde in der Forschung vielfach diskutiert. Dabei wurde z. B. vermutet, dass sich hinter den dúloi métoikoi diejenigen verbergen, die durch Solon von der Schuldsklaverei befreit wurden: Da sie ihre Vergangenheit als Sklaven nie abgelegt und sich in dieser Zeit fremde Gewohnheiten, eventuell sogar eine fremde Sprache, angeeignet hatten, wurden sie auch weiterhin als Sklaven wahrgenommen, worauf dúlos an dieser Stelle verweise.223 Die Nachkommen der von der Schuldsklaverei Befreiten waren, so die These weiter, die Unterstützer unreiner Herkunft, die von den Peisistratiden eingebürgert und im Zuge des diapsēphismós wieder ausgebürgert wurden.224 Um ihre Unterstützung habe sich Kleisthenes ganz besonders bemüht und ihnen im Gegenzug das Bürgerrecht in Aussicht gestellt.225 Allerdings verwundert es, dass Aristoteles die Unterstützer der Peisistratiden als von unreiner Herkunft charakterisiert, aber die

219 Vgl. Watson 2010, S. 265f. 220 Aristot. Pol. 1275b, 36. Selbst unter Anwendung der zweifelhaften Übersetzung von Wüst 1964, S. 372 und Oliver 1960, S. 503 (s. n 218) besteht kein Zweifel daran, dass es sich um ‚viele‘ Personen gehandelt haben dürfte. Etwas schwieriger ist es zu entscheiden, ob es sich bei Aristoteles um viele Fremde und (die) dúloi métoikoi oder um viele Fremde und viele dúloi métoikoi handelt. Beides ist grammatikalisch denkbar, wobei die erste Variante die Einbürgerung nicht vieler, sondern aller dúloi métoikoi meinen könnte. 221 Davies scheint seine Überlegungen auf die Annahme zu stützen, dass die Einbürgerung alle ansässigen Fremden getroffen habe und fragt zu Beginn seiner Ausführungen: „Did he or did he not put into […] the citizen body all the free residents of Attika […]?“ (Davies 1977, S. 116). So kommt er entsprechend auch zu dem Schluss, dass es in Athen im Jahr 500 keine freien Bewohner gab, die nicht das Bürgerrecht gehabt hätten (vgl. ebd., S. 117). Dies legen die Quellen aber nicht nahe, denn Aristoteles spricht eindeutig von der Einbürgerung vieler, aber nicht aller. 222 So auch schon Bakewell 1997, S. 210 und 220; Connor 1994, S. 36; Maurizio 1998, S. 302; Watson 2010, S. 265f; Patterson 1981, S. 134. 223 Vgl. Bicknell 1969, S. 35. 224 Aristot. Ath. Pol. 13, 5; vgl. Bicknell 1969, S. 35. 225 Vgl. Bicknell 1969, S. 35.

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Vorbemerkungen

des Kleisthenes als dúloi.226 Sofern es sich hier tatsächlich um ein und dieselbe Gruppe gehandelt hätte, wäre doch zu vermuten, dass entweder auch bei Ersteren auf eine sklavische Herkunft verwiesen worden wäre oder bei Letzteren auf eine unreine Herkunft. Umso schwerer wiegt dieser Einwand, wenn bedacht wird, dass es sich bei den Unterstützern der Peisistratiden schon um die erste Generation der Nachfahren der Schuldsklaven gehandelt haben dürfte und bei den unter Kleisthenes Eingebürgerten sogar um noch spätere Nachfahren. Wenn der Verweis auf die sklavische Vergangenheit dieser Gruppe bereits in der ersten Generation fehlt, verwundert es, dass er in der dritten oder vierten Generation wieder auftaucht. Zumal die in der Sklaverei mutmaßlich angeeigneten fremden Attribute nach so langer Zeit abgelegt worden sein dürften. Angesichts dessen überzeugt die Gleichsetzung der dúloi métoikoi mit den unter Solon befreiten Schuldsklaven nicht. Überzeugender scheint es derweil, in einem Teil der xénoi und dúloi métoikoi diejenigen zu sehen, die durch den diapsēphismós ihr Bürgerrecht verloren hatten. Gegen diese Annahme, dass Kleisthenes den diapsēphismós dadurch im Grunde rückgängig gemacht habe, ist in der Forschung vereinzelt zwar Widerspruch erhoben worden,227 aber sie überzeugt. Es mag zwar nicht unmittelbar nachvollziehbar sein, dass diejenigen, die im diapsēphismós das Bürgerrecht verloren haben, nun ausgerechnet denjenigen unterstützen sollten, dem sie ihre Misere zu verdanken haben. Allerdings ist hier zum einen darauf zu verweisen, dass bisher nicht belegt werden konnte, dass der diapsēphismós tatsächlich auf Geheiß des Kleisthenes durchgeführt wurde.228 Selbst wenn dies zuträfe, muss bedacht werden, dass der Verlust des Bürgerrechts, insbesondere in einer Zeit, in der ansässige Nichtbürger weder einen gesonderten Status noch besonderen Schutz genossen, schwerwiegend war.229 Ein gewisser Opportunismus ist hier wahrscheinlich: Die Ausgebürgerten dürften sich auf die Seite gestellt haben, die ihnen den größten Anreiz, in diesem Falle das Bürgerrecht, bot. Im Rahmen dessen wäre es auch für Kleisthenes ein Leichtes gewesen, die Bürgerrechtsverleihung zu begründen. So hätte argumentiert werden können, dass diejenigen, die im diapsēphismós als Tyrannenfreunde ausgebürgert wurden, mit der Unterstützung des Kleisthenes ihre Loyalität bewiesen und das Bürgerrecht verdient haben.230 Gerade für diejenigen, die ihr Bürgerrecht verloren hatten, muss die Unterstützung des Kleisthenes und die damit verbundene Aussicht, wieder Athener zu werden, eine immense Attraktivität besessen haben.231 Nicht zuletzt dürfte auch der Umstand, dass es sich bei einem großen Teil der Neueingebürgerten nicht um komplett Fremde gehandelt hat, sondern um solche, die das 226 Zu den Unterstützern der Peisistratiden: Aristot. Ath. Pol. 13, 5; zu den unter Kleisthenes Eingebürgerten: Aristot. Pol. 1275b, 36. 227 U. a. von Kienast 2005, S. 87. 228 Vgl. Wüst 1964, S. 373. 229 Vgl. Takabatake 1988, S. 454. 230 Ähnlich auch: Kienast 2005, S. 87. 231 Vgl. Wüst 1964, S. 370; Cohen 2000, S. 64.

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athenische Bürgerrecht bis zum diapsēphismós schon einmal besessen hatten, dazu beigetragen haben, dass die Masseneinbürgerung besseren Anklang fand. Darüber, wie die Einbürgerung der xénoi und dúloi métoikoi aufgenommen wurde, überliefern die Quellen zwar nichts,232 aber eben dieses Schweigen der Quellen könnte darauf hindeuten, dass diese Bürgerrechtsverleihungen keinen nennenswerten Widerstand auslösten. Das überrascht eingedenk der starken Vorurteile, die die Athener gegen ein solches Verfahren bekanntermaßen hegten.233 Eine mögliche Erklärung für diesen fehlenden Widerstand könnte sein, dass die Bürgerrechtsverleihungen entweder nicht umfänglich genug waren, um Gegenstimmen laut werden zu lassen, was aber allein schon durch die Betonung von πολλούς nicht naheliegt.234 Wahrscheinlicher ist, dass zumindest ein erheblicher Teil der Eingebürgerten das Bürgerrecht schon einmal besessen hatte und ihre (Wieder-)Aufnahme in die Bürgergemeinde daher leichter akzeptiert wurde. Es ist freilich nicht anzunehmen, dass es sich bei den von Kleisthenes Eingebürgerten ausschließlich um ehemalige Athener handelte, die im Rahmen des diapsēphismós ihr Bürgerrecht verloren hatten. Dass es unter ihnen auch Fremde im engen Sinne gegeben haben dürfte, steht außer Zweifel.235 Die zahlreichen Einbürgerungen stellten vor allem die Demen vor eine große Herausforderung.236 Ihnen oblag die Aufnahme der neuen Bürger,237 wenngleich sich das komplexe System aus Registrierung, Überprüfung der individuellen Ansprüche sowie Einspruchs- und Revisionsmöglichkeiten wohl erst im Verlaufe des 5. Jahrhunderts entwickelt haben dürfte.238 Durch die vielen Einbürgerungen sahen sich die Demen konfrontiert mit einer Vielzahl neuer Mitglieder. In diesen Kontext kann auch Kleisthenes’ Reform zur Ersetzung des Patronymikons durch das Demotikon gesetzt werden: Da ein Neueingebürgerter selbst oder sein Vater aller Wahrscheinlichkeit nach einen nichathenischen Namen getragen haben dürfte, hätte das Patronymikon ihn als einen Neueingebürgerten entblößt.239 Das gilt umso mehr für diejenigen Neueingebürgerten (und deren Nachkommen), die das Bürgerrecht nicht schon einmal besessen 232 233 234 235 236 237

Vgl. Whitehead 1977, S. 148. Vgl. Oliver 1960, S. 504. Aristot. Ath. Pol. 13, 5. Vgl. Kagan 1963, S. 43; Walters 1983, S. 333. Vgl. Wijma 2014, S. 101. In den Augen des Aristoteles, hat Kleisthenes die Demen im Zuge seiner Reformen zu Wächtern über das Bürgerrecht (Patterson 1981, S. 26) erhoben: Personen, die das Bürgerrecht zu Unrecht beanspruchten, so Aristoteles, mögen aufgrund des mehrstufigen Zulassungsverfahrens von den Phratrien unerkannt bleiben, aber nicht von den Demen (vgl. Patterson 1981, S. 26, bezugnehmend u. a. auf Aristot. Ath. Pol 42, 1–2). Dabei ist auch zu bemerken, dass im Rahmen der Reformen des Kleisthenes die Demenzugehörigkeit nicht länger durch den Wohnort bestimmt, sondern vererbt wurde (vgl. Hansen 1991, S. 47). 238 Vgl. Patterson 1981, S. 26f. 239 Vgl. u. a. Kagan 1963, S. 45; Meyer 1993, S. 110. Oliver 1960, S. 504 weist die These, dass die Abwendung vom Patronymikon der Verschleierung der nichtathenischen Herkunft gedient habe, auf der Basis zurück, dass auch Fremde ein Patronym gehabt hätten. Das ist richtig, allerdings ist der

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Vorbemerkungen

hatten. Aristoteles berichtet, dass Kleisthenes durch die vorgeschriebene Verwendung des Demotikons, welches keine Abstammung preisgab, anstelle des Patronymikons versuchte, die Neueingebürgerten als solche nicht erkennbar zu machen.240 Das war allerdings eher gut gemeint denn gut gemacht: Die Tradition, eine Person mit dem Patronymikon anzusprechen, war so tief in der Gesellschaft verankert, dass das Demotikon das Patronymikon nicht ersetzte, sondern allenfalls ergänzte.241 Während weder die Motive des Kleisthenes hinter der Phylenreform noch die Frage nach einem Kausalzusammenhang zwischen den Reformen und den Neueinbürgerungen auf Basis der Quellen abschließend zu klären sind,242 ist sicher festzustellen, dass sich Kleisthenes’ Maßnahmen auf die Bürger und Eingebürgerten konzentrierten, nicht aber auf ansässige Nichtbürger. Eine Formalisierung des Status ansässiger Fremder, d. h. die Schaffung eines Status zwischen Bürgern und Fremden, ist nicht festzustellen. Das bedeutet aber nicht, dass unter Kleisthenes nicht ein wichtiger Schritt in diesem Prozess gemacht wurde: Kleisthenes mag nicht der Begründer dieses Status sein, aber gleichwohl ein Grundsteinleger.243 So ist es z. B. wahrscheinlich, dass erst im Zuge der Phylenreform des Kleisthenes Bürgerlisten in den Demen eingeführt wurden244 und dass dies den bürokratischen Rahmen auch für die Registrierung ansässiger Fremder geboten haben könnte,245 die später ein wichtiger Bestandteil dieses Status

240 241 242

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springende Punkt hier nicht das Fehlen eines Patronyms, sondern dessen Fremdheit. Olivers These ist damit hinfällig, wie schon von Kagan festgestellt, vgl. Kagan 1963, S. 45. Aristot. Ath. Pol. 21, 4, vgl. Kagan 1963, S. 43. Vgl. Kagan 1963, S. 45f. Der Zusammenhang zwischen den Einbürgerungen und den Reformen des Kleisthenes ist in der Forschung bisweilen diskutiert worden. Kienast weist einen solchen Zusammenhang u. a. auf der Basis zurück, dass „die Verleihung des Bürgerrechts an Fremde im Rahmen der kleisthenischen Phylenreform […] aus den Angaben des Aristoteles nicht [hervor]geht.“ (Kienast 2005, S. 87). Diese Feststellung ist zweifelsohne richtig, allerdings muss die Einbürgerung überhaupt nicht Teil der Phylenreform gewesen sein, um mit dieser in Zusammenhang zu stehen: Die Forschung, insbesondere die ältere, sieht die Beziehung zwischen den Reformen des Kleisthenes und den Einbürgerungen nicht als eine, in der die Einbürgerungen Teil der Phylenreform waren, sondern in der sie die Phylenreform verursacht haben. Darüber hinaus vermutet Kienast, dass die aristotelische Interpretation, in der die Ersetzung des Patronymikons durch das Demotikon als eine direkte Folge der Einbürgerungen dargestellt wird, eine Fehlinterpretation ist, die vor allem der Absicht geschuldet sei, Kleisthenes als „Neugründer der attischen Demokratie“ (Kienast 2005, S. 75) darzustellen. Dem ist aber entgegenzuhalten, dass Aristoteles und seine Quellen Zugang zu zusätzlichem, inzwischen verlorenem Material gehabt haben könnten, welches weitere Informationen zu den kleisthenischen Maßnahmen enthielt (vgl. Davies 1977, S. 117) und auf dessen Basis er seine Interpretation gestaltet haben könnte. Die Zurückweisung eines Zusammenhangs zwischen der Phylenreform und den Einbürgerungen auf der Basis einer möglichen Fehlinterpretation des Aristoteles oder seiner Absicht, Kleisthenes als Neugründer der Demokratie darzustellen, ist also nicht überzeugend: Aller (Fehl-)Interpretation zum Trotz bleibt Aristoteles eine wichtige Quelle, vgl. ebd. Ähnlich auch Bakewell 1977, S. 210. Vgl. Spahn 1995, S. 48. Vgl. Patterson 1981, S. 134; Whitehead 1986b, S. 81.

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wurde. Nicht zuletzt dürfte durch die Reformen des Kleisthenes die Abgrenzung der Bürgergemeinde gegenüber den Nichtbürgern gestärkt worden sein,246 wobei die Dichotomie zwischen Bürgern und Nichtbürgern weiterhin bestand: Die Demenzugehörigkeit wurde nunmehr vererbt mit der Konsequenz, dass Neuankömmlinge nicht länger Bürger wurden, auch wenn das Bürgerrecht für sie nicht außer Reichweite war.247 I.3.3 Das Bürgerrechtsgesetz des Perikles Im Vergleich zu den Maßnahmen des Kleisthenes ist das Bürgerrechtsgesetz des Perikles in den antiken Quellen gut belegt.248 Umfangreichere Belege finden sich bei Aristoteles249, Plutarch250 und Aelian.251 Diese werden ergänzt durch kürzere potenzielle252 Bezugnahmen auf das Bürgerrechtsgesetz in Fragmenten des Philochoros253 und Krateros.254 Bei diesen besteht allerdings das Problem, dass sie weder das Bürgerrechtsgesetz noch ­Perikles selbst ausdrücklich erwähnen.255 Vielmehr beschäftigen sie sich thematisch mit der Einschreibung in eine Phratrie.256 Diese steht zwar in unmittelbarem Zusammenhang mit dem Bürgerrecht und macht daher eine Zuordnung zum Bürgerrechtsgesetz des ­Perikles wahrscheinlich; aufgrund der fehlenden expliziten Bezugnahme ist eine solche Zuordnung dennoch nicht ohne jeden Zweifel möglich. Hinzu kommt, dass insbesondere die Interpretation des Philochoros-Fragments als Teil des Bürgerrechtsgesetzes des Perikles fraglich ist, insofern als sie allein der angenommenen Position des Fragments im vierten Buch seiner Atthís entspringt. Das Fragment könnte aber auch dem dritten Buch zugeordnet werden, in dem Philochoros die Gesetze des Solon bespricht.257 Die vielen kleinen und großen Abweichungen der Quellenberichte zeugen davon, wie wenig Wert die antiken Autoren auf eine wörtliche Wiedergabe des Gesetzestextes legten und erlauben dem Umfang einiger der Belege zum Trotz nur eine Annä-

246 Vgl. Kapparis 2005, S. 73. 247 Vgl. Bakewell 1997, S. 220. Zur Einbürgerung von ansässigen Fremden durch Vergabe der politeía s. Kap. III.7.6; zu Cohens Theorie, dass ansässige Fremde nach einer gewissen Aufenthaltsdauer regelmäßig in den Kreis der Bürger aufgenommen wurden, s. Kap. II.6.1, S. 181. 248 Vgl. Walters 1983, S. 316; Blok 2009, S. 144. 249 Aristot. Ath. Pol. 26, 3 sowie Aristot. Ath. Pol. 42, 1, vgl. Walters 1983, S. 316. Eine weitere Bemerkung des Aristoteles, die sich auf das Bürgerrechtsgesetz beziehen könnte, ohne es aber explizit zu nennen (vgl. Blok 2009, S. 143) findet sich in Aristot. Pol. 1278a, 32–34. 250 Plut. Per. 37, 3. 251 Ail. var. 13, 24. 252 Vgl. Blok 2009, S. 142. 253 Philochoros FGrHist 328 F35a. 254 Krateros FGrHist 342 F4. 255 Vgl. Coşkun 2014b, S. 32. 256 Vgl. ebd. 257 Vgl. Blok 2009, S. 144.

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Vorbemerkungen

herung an das Original.258 Als Kern des von Perikles 451/50 eingebrachten Gesetzes kann mit hinreichender Sicherheit bestimmt werden, dass nur noch diejenigen Anspruch auf das athenische Bürgerrecht hatten, deren Vater und Mutter Athener waren. Dabei unterscheiden sich die Quellen zum Bürgerrechtsgesetz in zwei Punkten: Erstens wählen einige Quellen eine negative,259 andere eine positive Formulierung.260 Die letztgenannte Variante dürfte dabei mit einiger Wahrscheinlichkeit dem Original entsprochen haben: Der Vergleich mit ähnlichen Gesetzestexten zeigt, dass eine positive Formulierung in dieser Textsorte verbreiteter und damit am ehesten zu erwarten ist.261 Der zweite Unterschied, den die Quellen untereinander aufweisen, liegt in der Verwendung der Wörter astós und athēnaíos zur Designation des Bürgerstatus: Während dies in der Athenaíōn politeía mit astós ausgedrückt wird,262 verwenden Plutarch263 und Aelian264 athēnaíos. Beide Bezeichnungen waren in dieser Zeit üblich,265 sodass keine der beiden Varianten als mehr oder weniger originalgetreu vermutet werden kann.266 Die Datierung des Gesetzes auf das Jahr 451/50 gilt als gesichert: Aristoteles Einordnung in das Amtsjahr des Antidotos267 wird auch gestützt durch die Gleichsetzung dieses Jahres mit dem Jahr der römischen Konsuln Lucius Postumius und Marcus Horatius durch Diodor.268 Es ist aber debattiert worden, ob das Bürgerrechtsgesetz auch rückwirkend galt, d. h. ob es auch diejenigen betraf, die zum Zeitpunkt des Erlasses in den Demen eingetragen waren. Die Quellen berichten von einer Überprüfung der Bürgerlisten im Jahr 445/44, im Rahmen derer insgesamt 5.000 Personen das Bürgerrecht verloren hätten.269 Dafür, dass zu diesem Zeitpunkt bereits Eingetragene nicht betroffen waren, spricht zweierlei: Zum einen wird in der Reaktivierung des Bürgerrechtsgesetzes des Perikles von 403/02 betont, dass nur zukünftige Aufnahmen in die Bürgergemeinde betroffen seien, nicht aber diejenigen, die bereits Bürger sind.270

258 Vgl. Walters 1983, S. 316; Blok 2005, S. 17. 259 D. h. „kein Bürger soll sein, wer nicht von zwei athenischen Elternteilen geboren wurde“, so verwendet in Aristot. Ath. Pol. 26, 3 und Ail. var. 13, 24. 260 D. h. „Athener soll sein, wer von zwei athenischen Eltern geboren wurde“, so verwendet in Aristot. Ath. Pol. 42, 1 und Plut. Per. 37, 3. 261 Vgl. Blok 2009, S. 144 und Blok 2005, S. 17 262 Aristot. Ath. Pol. 26, 3 und 42, 1. 263 Plut. Per. 37, 3. 264 Ael. VH 13, 24. 265 Vgl. Coşkun 2014b, S. 4; Blok 2009, S. 145. 266 Vgl. Blok 2009, S. 145f; Coşkun 2014b, S. 4. Einzig das in der Suda s. v. δημοποίητος verwendete polítēs ist als nicht originalgetreu anzusehen, vgl. Blok 2009, S. 145f. 267 Aristot. Ath. Pol. 26, 3. 268 Diod. 11, 91, 1; vgl. Blok 2009, S. 143. 269 Plut. Per. 37, 3–4. 270 Das Bürgerrechtsgesetz von 403/02 wird im Kap. I.3.5 umfänglich behandelt. An dieser Stelle sei zum besseren Verständnis nur angemerkt, dass im Jahr 403/02 ein Bürgerrechtsgesetz eingebracht wurde, das dem des Perikles in vielen wichtigen Teilen ähnlich ist und dessen Gültigkeit nach einer längeren Periode der Nichtanwendung oder Abschaffung während der Zeit des Peloponnesi-

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Das Vorhandensein einer solchen Einschränkung könnte auch für die Vorlage dieses Gesetzes aus dem Jahr 451/50 vermutet werden.271 Zum anderen hätte Kimon als Sohn einer Thrakerin und eines Atheners sein Bürgerrecht verlieren müssen – aber dieser bekleidete in seinem Todesjahr 449 die ausschließlich den Bürgern vorbehaltene Position des Strategen, womit sein Bürgerrecht als erwiesen gelten darf.272 Eine außerordentliche Verleihung des Bürgerrechts an Kimon wäre für diese Zeit anachronistisch und damit unwahrscheinlich.273 Denkbarer wäre, dass die Athener in der Durchsetzung des Bürgerrechtsgesetzes Kimon einfach übersehen haben. Patterson weist diese Möglichkeit zwar auf der Basis der Unfairness zurück,274 aber die Überlegung lohnt, ob nicht im Fall von Personen, die sich als besonders fähig und nützlich für die Gemeinschaft erwiesen, ein Auge zugedrückt wurde. Ein solcher Fall dürfte bei Kimon ohne Zweifel vorgelegen haben, der das Amt des Strategen – entsprechend dem Vergabemodus durch Wahl statt durch Los – durch Eignung erlangt hat. Was das erste Argument angeht, so muss bedacht werden, dass das 403/02 eingebrachte Gesetz, so sehr das Bürgerrechtsgesetz des Perikles auch als Vorbild gedient haben mag, nicht zwingend ein genaues Abbild seines Vorgängers gewesen sein muss: Hinzufügungen oder Auslassungen können nicht ausgeschlossen werden. Was Kimons Bürgerstatus angeht, ist sein Todesjahr entscheidend: Die Überprüfung der Bürgerlisten wurde ausgelöst durch die Getreideschenkung des ägyptischen Königs im Jahr 445/44. Dieses Getreide sei, wie Plutarch berichtet,275 unter den Bürgern aufzuteilen gewesen, und erst in diesem Zusammenhang sei es zu einer Welle an Anzeigen nach dem neuen Bürgerrechtsgesetz unrechtmäßig eingeschriebener Personen gekommen. Wie Plutarch berichtet, seien einige fälschlich eingetragene Bürger bis dahin unentdeckt geblieben,276 und Kimon könnte, beabsichtigt oder unbeabsichtigt, einer von ihnen gewesen sein. Da dieser aufgrund seines Ablebens im Jahr 449 nicht mehr mit den anderen um einen Teil des Getreides konkurrierte, dürfte die Infragestellung seines Bürgerrechts wenig Interesse unter den Bürgern gefunden haben. Abgesehen davon, scheint die von Plutarch überlieferte Zahl von 5.000 Personen,277 die in diesem Zusammenhang das Bürgerrecht verloren, zu hoch, um anzunehmen, dass sie alle nach dem

271 272 273 274 275 276 277

schen Krieges evetnuell wiederherstellt. Im Bürgerrechtsgesetz von 403/02 ist aber ein Stichjahr für seine Gültigkeit vermerkt, nämlich das Amtsjahr des Eukleides (vgl. Coşkun 2014b, S. 13). Vgl. MacDowell 1993, S. 360f. Kimon ist der Sohn des Miltiades und der thrakischen Prinzessin Hegesipyle (Plut. Kim. 4, 1). Sein Todesdatum, das Jahr 449, ist bezeugt von Diod. 12, 4, 6. Vgl. Coşkun 2014b, S. 14. Vgl. Patterson 1981, S. 96. Plut. Per. 37, 3 sowie auch Philochoros FGrHist 328 F19. Plut. Per. 37, 3. Kears 2013, S. 157 weist die von Plutarch angegebene Zahl von 5.000 (Plut. Per. 37, 4) als „worthless“ zurück. Demnach habe Plutarch diese Zahl nur durch die Subtraktion der 14.040 von 19.000 erhalten, wobei Plutarch die 19.000 als die Gesamtzahl aller Bürger aufgefasst habe, vgl. Kears 2013, S. 157 n 15.

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Vorbemerkungen

Bürgerrechtsgesetz von 451/50 in die Demen eingetragen worden wären: Angesichts dessen, dass das Vergehen von jedem zur Anzeige gebracht werden konnte278 und die massive Strafe des Verkaufs in die Sklaverei drohte,279 ist es einerseits unwahrscheinlich, dass es 5.000 Personen überhaupt gewagt hätten, sich einzutragen, und andererseits ist es nicht überzeugend, dass die Demen all diese fälschlicherweise eingetragen hätten.280 Eine mögliche Erklärung für die hohe Zahl der Ausgetragenen bei nicht-rückwirkender Gültigkeit ist allerdings, dass die Bürgerlisten schlichtweg nicht regelmäßig überprüft worden sind oder diese Überprüfung nicht systematisch genug war, sodass 449 mit der ersten sorgfältigen Überprüfung plötzlich viele falsche Eintragungen gefunden worden sind. Aber auch hier erscheint die schiere Menge von 5.000 Personen zu hoch, um ein Versehen zu sein, selbst wenn den Bürgerlisten bis zum Jahre 449 nur flüchtige Blicke gegolten hätten. Darüber hinaus sollte auch bedacht werden, dass die Anzeige einer zu Unrecht eingetragenen Person für den Initiator, sollte sich sein Vorwurf bewahrheiten, durchaus lukrativ war,281 sodass zumindest erklärungsbedürftig wäre, warum diese Gelegenheit 5.000mal einfach versäumt worden wäre. Die wahrscheinlichere Schlussfolgerung, die sich aus dem Vorgenannten ergeben kann, ist daher, dass das Bürgerrechtsgesetz des Perikles auch rückwirkend Gültigkeit besaß, die umfängliche Durchsetzung aber erst mit einiger Verzögerung und erst durch einen Auslöser bedingt geschah.282 Mit der rückwirkenden Gültigkeit des Gesetzes und mit der offensichtlich hohen Bereitschaft der Athener, Unberechtigte aus den Reihen der Bürger zu entfernen, dürfte sich die Zahl der ansässigen Nichtbürger rapide erhöht haben. Doch das war nicht das einzige, was sich für die Fremden in Athen änderte: War das Bürgerrecht unter Kleisthenes zumindest nicht gänzlich unerreichbar, so wurde es dies mit dem Gesetz des Perikles. Die Demen wurden in ihrer Fähigkeit, zu entscheiden, wer als Mitglied aufgenommen werden soll, eingeschränkt und fallbasierte Entscheidungen, wie sie vormals noch denkbar gewesen waren, wurden durch die sich aus dem Gesetz des Perikles ergebenden klaren Vorgaben ausgeschlossen.283 Somit lag die Bestimmungsmacht darüber, inwiefern eine Person die Qualifikationen für das Bürgerrecht erfüllte,

278 Krateros FGrHist 342 F4. 279 Plut. Per. 37, 4; vgl. Patterson 1981, S. 22. 280 So auch Coşkun 2014b, S. 17. 281 Zur xenías graphḗ vgl. Kap. III.6.2.2. 282 Patterson 1981, S. 96 kommt zu einem anderen Schluss: Ihr zufolge habe das athenische System nicht die Möglichkeit gehabt, das Bürgerrechtsgesetz sofort rückwirkend durchzusetzen, wohl aber bei Neueinschreibungen. Dem ist zuzustimmen, aber nur insoweit als die sofortige Durchsetzung auf der weitreichenden Mithilfe der Athener beruhte. Diese hatten bis zur Getreideschenkung des ägyptischen Königs anscheinend keinen Anlass gesehen, sich dem Denunziantentum zu verschreiben (vgl. Patzek 1995, S. 39). Als dann aber ihr eigener Vorteil auf dem Spiel stand, wendete sich das Blatt, sodass die Ungeeignetheit des athenischen Systems zur rückwirkenden Durchsetzung als Argument für eine ausschließlich auf die Zukunft angelegte Gültigkeit des Gesetzes nicht überzeugt. 283 Vgl. Bakewell 1997, S. 224f; Coşkun 2014b, S. 12.

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nicht länger bei den Nachbarn und Verwandten, sondern bei der Polis.284 Die Feststellung der Rechtmäßigkeit des Anspruchs auf Bürgerrecht fiel zwar weiterhin den Demen zu, aber die Abstammung von zwei Athenern, die vormals eher Empfehlungscharakter hatte, wurde nunmehr zu einer zwingenden Notwendigkeit.285 Dabei ist das Bürgerrechtsgesetz des Perikles der erste Fall in der griechischen Antike, in dem eine verbindliche Definition derjenigen Voraussetzungen, die eine Person erfüllen musste, um in einer Polis Bürger werden zu können, vorliegt.286 Aus dem Gesetz des Perikles ergab sich darüber hinaus, dass Kinder aus Verbindungen zwischen Bürgern und Nichtbürgern287 nicht länger einen Anspruch auf das Bürgerrecht hatten.288 Bis dahin dürften zumindest Kinder eines athenischen Vaters und einer nichtathenischen Mutter289 ungehinderten Zugang zum Bürgerrecht gehabt haben.290 Die Ehe mit einer Nichtbürgerin blieb zwar formal erlaubt291 – ein tatsächliches Verbot einer solchen Verbindung ist erst für das 4. Jahrhundert belegt –292 aber sie wurde durch die fehlende Möglichkeit, bürgerliche Nachkommen hervorzubringen, für die Athener in höchstem Maße unattraktiv gemacht. Damit wurde die Bürgergemeinde aus rechtlicher Perspektive nicht nur hermetisch abgeriegelt,293 es reduzierten sich auch die Möglichkeiten eines Nichtatheners, das Bürgerrecht zugesprochen zu bekommen.294

284 285 286 287 288

289 290 291 292 293 294

Vgl. Patterson 1981, S. 28. Vgl. Blok 2005, S. 18. Vgl. ebd., S. 18f. Plut. Per. 37, 3; vgl. Coşkun 2014b, S. 6. Zur Frage, ob das auch für nichteheliche Kinder zweier Athener galt, vgl. u. a. Lotze 1981, S. 159; MacDowell 1976, S. 89; Rhodes 1978, S. 89f. Inwieweit Ehen zwischen Bürgern und Nichtbürgern in der Zeit vor dem Gesetz des Perikles eine übliche Praxis waren und inwieweit Kinder aus diesen Ehen zur Bevölkerungszahl beigetragen haben, ist noch nicht befriedigend geklärt worden. Blok 2007, S. 150 n 3 fasst die Forschungsgeschichte zusammen: Während ein Teil der Forschung (z. B. Patterson 1981, Hansen 1982, Bakewell 1997, Boegehold 1994, Dihle 2003) die Maßnahme des Perikles überhaupt erst in der hohen Zahl an Ehen zwischen Bürgern und Nichtbürgern begründet sieht, vermutet ein anderer Teil (u. a. Raaflaub 1998; Rhodes 1993), dass solche Ehen zwar hin und wieder geschlossen wurden, allerdings ohne einen erheblichen Einfluss auf die Gesamtpopulation gehabt zu haben. Vérilhac/Vial 1998, S. 40–81 stellen auf Basis ihrer Untersuchungen fest, dass Ehen zwischen Bürgern und Nichtbürgern sehr seltene Ausnahmen gewesen seien, da die Endogamie innerhalb der Polis der griechische Normalfall gewesen sei. Zu einem ähnlichen Schluss kommt auch Humphrey 1974, S. 93–94, der zufolge Ehen zwischen Bürgern und Nichtbürgern eine weitreichende Ablehnung erfuhren, da sie zu sehr mit einem aristokratischen Fehlverhalten in Bezug gesetzt worden seien: Durch die Verbindung zu anderen Poleis sei eine Entscheidungsfindung in Athen massiv erschwert worden. Vgl. Coşkun 2014b, S. 10; Oliver 2007, S. 78. Vgl. Coşkun 2014b, S. 10; Blok 2005, S. 20. Vgl. Walters 1983, S. 321; Todd 1993, S. 178; Patterson 1981, S. 95; Blok 2009, S. 150; MacDowell 1993, S. 361; Finley 1981, S. 87; Carey 1991, S. 87. Demosth. 59, 16 sowie Demosth. 59, 52. Vgl. Blok 2007, S. 310. Vgl. Hansen 1991, S. 38.

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Vorbemerkungen

Es ist in der Forschung diskutiert worden, ob die Begrenzung des Bürgerrechts auf diejenigen, deren beide Elternteile Athener waren, von einer hohen Bürgerzahl in Athen motiviert war. Aristoteles, demzufolge Perikles das Bürgerrecht wegen der vielen Bürger beschränkt habe,295 legt einen solchen Zusammenhang nahe. Es ist davon auszugehen, dass die hohe Zahl an Bürgern nicht zuletzt auch einer intensiven Migration geschuldet war,296 was zu einer Verschiebung des Verhältnisses zwischen gebürtigen Athenern und eingebürgerten Fremden zugunsten der letzteren geführt haben könnte.297 Damit ist insbesondere nach den 470er Jahren zu rechnen, als vermehrt Einwanderer nach Athen kamen und zahlreiche Bürgerrechtsverleihungen stattfanden.298 In Kombination mit der wachsenden Wertschätzung des Bürgerrechts in dieser Zeit299 und einem gesteigerten Bewusstsein der eigenen Identität in Abgrenzung zu Außenstehenden300 könnte der Wunsch nach einer Eindämmung des Zugangs zum Bürgerrecht lauter geworden sein und sich schließlich in dem Bürgerrechtsgesetz von 451/50 manifestiert haben:301 Eine hohe Bürgerzahl konnte schließlich die Vorteile der eigenen politeía in Gefahr bringen,302 insbesondere im Hinblick auf die Konkurrenz um Ämter303 und um Land.304 Dagegen ist aber einzuwenden, dass das demokratische System in Athen auch bei einer hohen Bürgerzahl noch funktioniert haben dürfte305 und dass der Knappheit an Land mit der Gründung von Kleruchien und Kolonien begegnet wurde:306 Der archäologische Befund legt die Expansion der Athener in das Umland nahe, und die Quellen geben, von den beiden Stellen in Aristoteles’ Werken abgesehen, keinen Hinweis auf eine Landkrise in dieser Zeit.307 Damit dürfte die Begrenzung des Bürgerrechts weniger der praktischen Notwendigkeit, die Zahl der Bürger einzuschränken, geschuldet sein als der höheren Wertschätzung des Bürgerrechts und dem Wunsch, sich gegen Außenstehende abzugrenzen.308 Aristoteles’ Interpretation der hohen Bürgerzahl als 295 Aristot. Ath. Pol. 26, 3. Ein ähnlicher Hinweis findet sich auch in einer Bemerkung in Aristot. Pol. 1278a, 32–34, wonach eine Polis, wenn es eine hohe Anzahl von Bürgern gab, den Anspruch auf Bürgerrecht Personen verschiedener Abstammung sukzessive entzieht, wobei zuletzt nur noch diejenigen Anspruch haben, deren Vater und Mutter Bürger waren. 296 Vgl. Akrigg 2011, S. 57; Patzek 1995, S. 38. 297 Vgl. Blok 2009, S. 147; Patterson 1981, S. 102. 298 Vgl. Carawan 2008, S. 389f; Connor 1994, S. 37; Ostwald 2007, S. 308; Watson 2010, S. 266; Hansen 1991, S. 53. 299 Vgl. Gray 2011, S. 49. 300 Vgl. Kapparis 2005, S. 73; Manville 1994, S. 27. 301 Vgl. Blok 2009, S. 147; Manville 1994, S. 27. 302 Vgl. Manville 1994, S. 27; Patterson 1981, S. 83. 303 Vgl. Blok 2009, S. 148; Hansen 1991, S. 38. 304 Vgl. Blok 2009, S. 149; Boegehold 1994, S. 60–65; Burke 1990, S. 11; Weiler 1989, S. 56. 305 Vgl. Blok 2009, S. 148. 306 Vgl. Blok 2009, S. 149; Patterson 1981, S. 102. 307 Vgl. Blok 2009, S. 154f. 308 Vgl. Blok 2009, S. 155; Patterson 1981, S. 104f; Connor 1994, S. 37; Coşkun 2014b, S. 20–22; Kapparis 2005, S. 72f; Watson 2010, S. 272 und S. 274. Diese Interpretation wird von Manville als „new paradigm“ bezeichnet (vgl. Manville 1994, S. 26f).

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Movens für das Bürgerrechtsgesetz ist damit als historisch inakkurat zu bewerten.309 Zurückzuweisen sind rassenideologische Beweggründe für das Bürgerrechtsgesetz des Perikles.310 Perikles hat die Athener zwar auf eine gemeinsame Abstammung besinnen wollen,311 aber sein Gesetz richtete sich explizit nicht gegen Fremde,312 was schon darin zu erkennen ist, dass es die Einwanderung als solche nicht verbot. Durch das Bürgerrechtsgesetz des Perikles wurde die Gruppe der athenischen Bürger de iure zu einer Abstammungsgemeinschaft verändert. Der einzige für Nichtbürger mögliche Zugang zum Bürgerrecht bestand nunmehr in der außerordentlichen Aufnahme in die Bürgergemeinschaft mittels der seltenen Verleihung des politeía-Privilegs.313 Dieser stark eingeschränkte, nahezu unmöglich gewordene Zugang zum Bürgerrecht für Nichtbürger dämmte einerseits das Wachstum der Bürgergemeinde ein,314 sorgte aber gleichzeitig auch für eine Erhöhung der Zahl ansässiger Nichtbürger, da Fremde weder an der Einwanderung noch an einer Wohnsitznahme in Athen gehindert wurden.315 Die Kluft zwischen Bürgern und Nichtbürgern vertiefte sich mit der gesteigerten Exklusivität des Bürgerrechts enorm.316 Diese Differenzierung wurde den Akteuren nicht nur immer stärker bewusst, sondern von ihnen auch immer mehr eingefordert,317 wovon z. B. die gesteigerte Verwendung des Demotikons auf Gräbern als Zeichen der Zugehörigkeit zur exklusiven Gruppe der Bürger zeugt.318 Mit der Schärfung der Gruppe der zum Bürgerdasein berechtigten ging notwendigerweise auch die Schärfung der Definition der Außenstehenden einher.319 Eingedenk dessen wurde die Formalisierung eines Status ansässiger Fremder von einem Teil der Forschung in den historischen Kontext des Bürgerrechtsgesetzes des Perikles, d. h. also in die Mitte des 5. Jahrhunderts, verortet:320 Dabei habe die auf Exklusion angelegte Definition des Bürgerrechts321 und die hermetische Abriegelung des Bürgerkörpers die Voraussetzung für die Ausprägung eines Status ansässiger Fremder geschaffen,322 insbesondere weil die Aufnahme in die Demen erst mit dem Gesetz des Perikles verbindlich geregelt wurde.323 Für diese Ansicht spricht auch der mutmaßlich rapide An309 310 311 312 313 314 315 316 317 318 319 320

Vgl. Blok 2009, S. 154–156; Walters 1983, S. 328. So auch schon Coşkun 2014b, S. 23; Patterson 1981, S. 97f; Walters 1983, S. 329; Patzek 1995, S. 38. Vgl. Blok 2009, S. 154; Coşkun 2014b, S. 154. Vgl. Ostwald 2007, S. 308; Patzek 1995, S. 36. Vgl. Patterson 1981, S. 133; MacDowell 1993, S. 361. Vgl. Hansen 1991, S. 38. Vgl. Kapparis 2005, S. 74; Ostwald 2007, S. 308; Patzek 1995, S. 36; Watson 2010, S. 273. Vgl. Blok 2007, S. 310; Hansen 1991, S. 38. Vgl. Kapparis 2005, S. 73. Vgl. Gray 2011, S. 49. Vgl. ebd.; Patzek 1995, S. 36; Kapparis 2005, S. 73; Wijma 2014, S. 66; Blok 2009, S. 147. U. a. Watson 2010, S. 272; Spahn 1995, S. 49; Patterson 1981, S. 134f; Bakewell 1997, S. 223; Coşkun 2014a, S. 110; Davies 1977, S. 106; Watson 2010, S. 275; Wijma 2014, S. 33. 321 Vgl. Patterson 1981, S. 134. 322 Vgl. Coşkun 2014b, S. 110. 323 Vgl. Deene 2011, S. 162.

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Vorbemerkungen

stieg der Zahl der Nichtbürger in dieser Zeit, bedingt durch ausgeprägte Einwanderung bei Unerreichbarkeit des Bürgerrechts einerseits sowie die zahlreiche Personen treffende Aberkennung desselben andererseits. Für die Zeit des Kleisthenes vermutete Whitehead,324 dass schon die schiere Anzahl der Nichtbürger die Formalisierung ihres Status zu einer Notwendigkeit machte. Diese Behauptung wurde im Vorangegangenen widerlegt: Kleisthenes hat nicht etwa den ansässigen Fremden einen eigenen Status geschaffen, sondern sie allem Anschein nach eingebürgert. Diese Option der Einbürgerung gab es mit dem Gesetz des Perikles aber nicht mehr, und es ist zumindest denkbar, dass der Ruf nach einem distinkten Status vonseiten der ansässigen Fremden so groß wurde und die Situation so ausweglos, dass ein solcher Status tatsächlich in dieser Zeit geschaffen wurde.325 So könnten die Athener auch dafür gesorgt haben, dass die Einwanderung nach Athen auch weiterhin attraktiv für Fremde war, selbst wenn es keine Aussicht mehr auf Aufnahme in die Bürgerschaft gab,326 was zweifelsohne auch im Interesse der Polis lag.327 Es gibt also, wie eben gezeigt, viele gute Gründe, die Formalisierung eines Status ansässiger Fremder im historischen Kontext des Bürgerrechtsgesetzes des Perikles statt in der Zeit des Kleisthenes zu verorten, wie es ein großer Teil der Forschung tut. Um diese These zu stützen, muss die Zeit zwischen den beiden Reformern betrachtet werden, denn auch hier könnte der Status der ansässigen Fremden formalisiert worden sein. Das wichtigste Indiz dafür, dass bereits vor Perikles ansässigen Fremden ein gesonderter Status zugesprochen wurde, ist die Verwendung des Wortes métoikoi zur Bezeichnung einer Gruppe von Fremden in den Quellen aus der ersten Hälfte des 5. Jahrhunderts und früher. Derjenige Teil der Forschung, der die Formalisierung eines Status ansässiger Fremder auf die Zeit des Perikles datiert, verweist darauf, dass métoikos in den Quellen aus der Zeit vor Perikles nicht einen bestimmten Status markiert, sondern vielmehr in einer nichttechnischen Bedeutung eine Person, die den Wohnort gewechselt hat,328 wie es z. B. bei Anaxilas aus Naxos der Fall gewesen sein dürfte.329 Das mag für

324 Vgl. Whitehead 1986b, S. 81; Whitehead 1977, S. 143. 325 So auch schon Wijma 2014, S. 31, ähnlich auch Fisher 1979, S. 65. 326 Darauf, dass die hermetische Abriegelung des Bürgerkörpers das Potenzial hatte, Fremde zu vergraulen, weist auch Blok 2007, S. 311 hin. 327 Vgl. Fisher 1979, S. 65; Watson 2010, S. 273; Finley 1981, S. 73. Fremde wurden dabei nicht nur als Arbeitskräfte zur Umsetzung des ambitionierten Bauprogramms des Perikles benötigt (vgl. Blok 2007, S. 311), sondern auch zur personellen Verstärkung der militärischen Einheiten (vgl. Whitehead 1977, S. 152; Mavrogordatos 2014, S. 44). 328 So u. a. Watson 2010, S. 268f; Baba 1984, S. 1; Whitehead 1977, S. 64. 329 SEG 22, 79 (um 510), Z. 3 markiert das erste Auftreten des Wortes métoikos in Attika (vgl. Whitehead 1977, S. 64 n 44). Die Annahme, dass es sich hierbei um einen Gebrauch des Wortes in einem nicht statusrechtlichen Kontext handelt, wird einerseits durch die frühe Entstehungszeit der Inschrift gestützt, andererseits auch dadurch, dass der Terminus hier in seiner nicht kontrahierten Form, also als met(é)oikos, vorliegt (vgl. ebd.): Spuren roter Farbe weisen darauf hin, dass das έ in der Wortmitte auf einen Rechtschreibfehler zurückzuführen ist und dort eigentlich ein α stehen sollte, vgl. Baba

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einige Quellen zutreffen; allerdings gibt es zwei Belege,330 jeweils aus den 60er Jahren des 5. Jahrhunderts, für die dies nicht gilt: das Demengesetz der Skambonidai331 und das Drama Hikétides des Aischylos.332 Das Demengesetz der Skambonidai ist der erste Beleg für den Terminus μέτοικος.333 In dieser Inschrift sind Regelungen der Deme vermerkt, die Opfer, religiöse Festivitäten und die Existenz einer eigenen Agora behandeln.334 Festgelegt wird auch, dass sowohl die Skambonidai als auch die métoikoi einen Anteil am Opferfleisch erhalten sollen.335 Dies ist auf zwei Ebenen von Interesse: Zum einen belegt die Inschrift die Anerkennung einer definierten Gruppe von Nichtbürgern,336 die aber nicht einfach nur Fremde sind.337 Zum anderen bedeutet die Festlegung über den Anteil am Opferfleisch, dass diese Personen qua ihrer Zugehörigkeit zu einer definierten Gruppe von Nichtbürgern mit bestimmten Rechten ausgestattet wurden.338 Der Terminus métoikos hat hier also eine technische Bedeutung: Er rekurriert auf eine Gruppe von Personen, die sowohl von den Bürgern auf der einen als auch von Fremden auf der anderen Seite zu unterscheiden sind.339

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1984, S. 1f. Die Verwendung von metá-oikon wiederum weist darauf hin, dass hier der Vorgang des Wohnortswechsels betont werden soll, entsprechend der Bedeutung des Verbs, vgl. ebd., S. 4. Bakewell 1997, S. 222f verweist noch auf einen dritten potenziellen Beleg. Ihm zufolge sei auch in Aischyl. Eum. 1009–1010 der Terminus métoikos in seiner Bedeutung als Status zu finden. In diesem Stück werden die Bürger von Athena aufgefordert, die Erinnyen, nachdem sie ihre Rachegelüste abgelegt haben, zu einem anderen Tempel zu führen, der von nun an ihnen gehöre. Es ist zwar richtig, dass auch an dieser Stelle métoikoi auf eine abgegrenzte Gruppe referiert, allerdings scheint hier doch der Vorgang des Umsiedelns der Erinnyen von einem Tempel in einen anderen vordergründig zu sein, während eine damit verbundene Statuszuschreibung nicht zu erkennen ist, weshalb diese Quelle im Folgenden nicht als Beleg für eine Formalisierung des Status ansässiger Fremder vor Perikles angeführt werden wird. IG I3 244. Die Hikétides wurden bereits weiter oben besprochen, s. S. 41 n 128. Vgl. Baba 1984, S. 3; Bakewell 1997, S. 221. Die Deme der Skambonidai ist eine der fünf städtischen Demen Athens, denen noch die Demen Koile, Kollytos, Melite und Kydathenaion zuzurechnen sind, wobei Kydathenaion flächenmäßig die größte der fünf Demen ist, vgl. Osborne 2007, S. 197. Vgl. Osborne 2007, S. 198. IG I3 244, Fac. C, Z. 6–9. Dass es sich um Nichtbürger handelt, wird durch die Gegenüberstellung der métoikoi mit den Skambonidai in Fac. C, Z. 6–9 deutlich, vgl. Bakewell 1997, S. 222. Wenn es sich um Fremde gehandelt hätte, wäre hier die Bezeichnung als xénoi zu erwarten. Vgl. Osborne 2007, S. 198. Watson sieht in IG I3 244 den ersten Beleg sowohl für den Umgang der Demen mit den Fremden als auch für eine beginnende Aversion der Bürger gegen Eingewanderte (vgl. Watson 2010, S. 269; ähnlich auch Whitehead 1986b, S. 81): Demnach seien die Skambonidai mit der Ankunft der vielen Migranten so überfordert gewesen, dass sie sich als ‚Alteingesessene‘ von diesen abgrenzen wollten, woraus sich der Wunsch entwickelt habe, das Bürgerrecht restriktiver zu verleihen. In der Unterscheidung zwischen den Skambonidai und den métoikoi in IG I3 244 zeige sich mithin die „answer of a particular deme faced with both the arrival of many immigrants and with a growing reluctance of its citizens of making immigrants citizens.“ (Watson 2010, S. 269).

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Vorbemerkungen

Ein weiterer Beleg, der darauf hindeuten könnte, dass es schon vor Perikles einen formalisierten Status ansässiger Fremder gegeben haben könnte, findet sich in den Hikétides des Aischylos. In der darin enthaltenen Beschreibung des neuen Status der Danaiden als métoikoi340 in Argos steht die Schutzgewährung deutlich im Vordergrund, was eingedenk der Fluchtsituation, in der sich die Töchter des Danaos befinden, auch nicht verwundert. Insbesondere die Ausführlichkeit in der Beschreibung des Status, den die Danaiden in Argos annehmen sollen, wurde in der Forschung als Beleg dafür angeführt, dass es sich hierbei um einen neuen, nicht allen Zuschauern geläufigen Status handelt, der aufgrund seiner Neuheit einer Erklärung bedurfte.341 Damit wäre die Entstehung eines formalisierten Status ansässiger Fremder etwa in diesen zeitlichen Kontext zu datieren. Ähnlich wie im Demengesetz der Skambonidai gehen auch hier mit der Zuordnung zu einer abgrenzbaren Gruppe Rechte einher, in diesem Fall der Anspruch auf Schutz. Damit lässt sich sagen, dass sowohl das Demengesetz der Skambonidai als auch die Beschreibung des Status der Danaiden potenzielle Belege dafür darstellen, dass noch vor dem Bürgerrechtsgesetz des Perikles der Begriff métoikos auf eine Person angewendet wurde, die ein Nichtbürger war und bestimmte Rechte hatte. Die Aussagekraft der beiden Quellen ist aber begrenzt. Im Hinblick auf das Demengesetz der Skambonidai ist zu bedenken, dass es nur über die Situation in dieser einen Deme informiert. Mithin kann aus dieser Quelle nicht auf einen gleichzeitigen Umgang mit Eingewanderten in den anderen Demen geschlossen werden: Insbesondere weil es bis zum Bürgerrechtsgesetz des Perikles keine demenübergreifenden Regelungen zur Einbürgerung von Fremden gab,342 ist mit regionalen Abweichungen zu rechnen. Was die Beschreibung der metoikía bei Aischylos angeht, mag sie zwar ausführlich sein, ist aber in ihrem Kern nicht umfangreich: Mehr als dass den Danaiden ein Wohnrecht und ein Schutz zugebilligt wird, ist dieser Quelle eigentlich nicht zu entnehmen. Das ist zwar schon recht viel, aber von einem ausdifferenzierten Status kann dennoch keine Rede sein.343

340 Vgl. Aischyl. Hik. 608–614. 341 Vgl. u. a. Bakewell 1997, S. 212. Dagegen spricht sich Watson aus, der in der Erklärung des Status der Danaiden nicht eine Neuerung sieht, sondern nur die Aufarbeitung eines aktuellen Problems, nämlich der Migranten, für das er mit der Erschaffung eines besonderen Schutzstatus einen Lösungsansatz bietet, vgl. Watson 2010, S. 271. 342 Vgl. Deene 2011, S. 162; Blok 2005, S. 19, sowie weiter oben in diesem Kapitel. 343 Die ältere Forschung (u. a. Baba 1984, S. 5; Whitehead 1977, S. 149; Patterson 1981, S. 134) führt zusätzlich noch das Themistokles-Dekret als einen weiteren Beleg für eine Formalisierung des Status ansässiger Fremder vor Perikles an. Die Authentizität dieser Inschrift ist aber höchst umstritten: Der Stein an sich stammt wohl erst aus dem 3. Jahrhundert (vgl. Johansson 2001, S. 69; Dow 1962, S. 353–368), und auch bei dem Text handelt es sich aller Wahrscheinlichkeit nach um eine spätere Erfindung (vgl. Johansson 2001, S. 71–78). Darüber hinaus erlaubt auch ihr schlechter Erhaltungszustand keine zuverlässige Rekonstruktion des Inhalts. Daher wird in der vorliegenden Arbeit darauf verzichtet, diese Inschrift als Quellenbeleg anzuführen.

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Die Quellen können also die Formalisierung eines Status ansässiger Fremder vor Perikles nicht belegen, wohl aber als eine Momentaufnahme in einem Prozess gelten, der schließlich zu einem solchen Status führte: Sowohl Aischylos als auch das Demengesetz der Skambonidai illustrieren eindrucksvoll das graduelle Bewusstwerden über eine Gruppe von Personen, die aufgrund ihres fehlenden Bürgerrechts weder den Bürgern noch aufgrund ihrer Ansässigkeit den Fremden zugeordnet werden konnte. Mag ein solcher Status damit noch nicht formalisiert worden sein, so kann anhand dieses Bewusstseins bereits eine Tendenz in diese Richtung konstatiert werden. Die Konsequenzen des Bürgerrechtsgesetzes des Perikles von 451/50 einerseits, d. h. die hermetische Abriegelung des Bürgerkörpers und der Verlust des Bürgerrechts einiger, und andererseits die nichtabebbende Einwanderung nach Athen könnten zusammen mit der graduellen Bewusstwerdung einer Unterschiedlichkeit ansässiger und nichtansässiger Fremder zu einer Formalisierung des Status ansässiger Fremder in dieser Zeit geführt haben. Damit ist die Formalisierung des Status ansässiger Fremder am wahrscheinlichsten in die Mitte des 5. Jahrhunderts und damit in den historischen Kontext des Bürgerrechtsgesetzes des Perikles zu datieren. I.3.4 Der Peloponnesische Krieg Die Auswirkungen des Peloponnesischen Krieges auf die athenische Bevölkerung, bürgerlich und nichtbürgerlich, können kaum überschätzt werden. Dabei muss insbesondere die Reduktion der Einwohnerzahlen betont werden, welche nicht nur auf die mit dem Krieg unmittelbar zusammenhängenden Verluste, sondern auch auf Pestausbrüche und Hungersnöte zurückzuführen ist.344 Diese Reduktion betraf aber nicht nur die Zahl der Bürger, sondern auch die der ansässigen Fremden: Auch sie hatten entsprechend ihrer Beteiligung an den Kampfhandlungen Gefallene zu beklagen,345 und nicht kampfbedingte Bedrohungen, wie die Pest und die Hungersnöte, trafen sie mit gleicher Härte. Zusätzlich ist auch mit einer Reduktion der Bevölkerungszahl durch Emigration zu rechnen, die vor allem die Gemeinschaft der ansässigen Fremden dezimiert haben dürfte.346

344 Vgl. Hansen 1991, S. 54. 345 Vgl. Whitehead 1977, S. 152; Gomme 1933, S. 12f. 346 Vgl. Whitehead 1977, S. 149; Whitehead 1984a, S. 57f; Burford 1965, S. 32; MacDonald 1981, S. 159– 165. MacDonald 1981 untersucht die Emigration von fremden Töpfern aus Athen und stellt fest, dass der Export von Tonwaren als athenisches Exportgut in der Zeit des Peloponnesischen Krieges bis zur endgültigen Niederlage Athens zwar nicht signifikant abnahm (vgl. ebd., S. 165), wohl aber ihre Einzigartigkeit: Tonwaren im für Athen vormals einmaligen rotfigürlichen Stil wurden während des Peloponnesischen Krieges auch andernorts hergestellt, womit athenische Tonwaren nicht länger eine besonders hervorgehobene Stellung in Griechenland hatten (vgl. ebd., S. 168). Zurückzuführen sei dies auf die Emigration zahlreicher Töpfer, die in Athen als Nichtbürger an-

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Vorbemerkungen

Obwohl sich die Zahl der ansässigen Fremden in Athen unter dem Einfluss des Krieges reduziert hat, sind sie nicht komplett aus dem Stadtbild verschwunden.347 Zum einen dürften sich Schwankungen in der Intensität des Krieges und vor allem die sich ständig verändernden Erfolgschancen der Athener, aus diesem Konflikt siegreich hervorzugehen, auch auf das Kommen, Bleiben und Gehen der Fremden ausgewirkt haben.348 So ging der 421 geschlossene Nikiasfrieden und die damit verbundene kurze Unterbrechung des Krieges mit einem erneuten Zustrom Fremder nach Athen einher,349 während das verheerende Scheitern der Athener bei der Sizilienexpedition eine Auswanderungswelle bewirkte.350 Zum anderen dürfte es für manche ansässige Fremde, insbesondere für diejenigen, die schon lange, vielleicht sogar seit Generationen, in Athen gelebt hatten, keine andere Möglichkeit gegeben haben als in Athen auszuharren, wenngleich das Verlassen der Polis aufgrund des Fehlens immobilen Eigentums für sie leichter gewesen wäre als für manchen Bürger.351 Ausschlaggebend für die Erhaltung einer gewissen Zahl ansässiger Fremder auch in Kriegszeiten ist sicherlich zudem, dass Athen, im Gegensatz zu anderen Poleis, anscheinend keine Maßnahmen durchführte, um die Fremden aus der Polis zu vertreiben.352 Vermutlich war sogar das Gegenteil der Fall, denn Athen verbot ansässigen Fremden die Ausreise in Kriegszeiten.353 Das könnte als eine athenische Maßnahme zur Verhinderung von Militärspionage gedeutet werden: Während andere Poleis durch xenēlasía verhinderten, dass fremde Spione an Informationen gelangten,354 verhinderten die Athener mit dem Ausreiseverbot, dass die Informationen nach außen getragen werden konnten.355 Der Krieg veränderte aber nicht nur die Zahl der Fremden, sondern auch ihre Gründe, nach Athen zu kommen: Zog Athen vormals noch als Hauptumschlagspunkt für Wirtschaft und Handel

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sässig waren und die Polis in der Zeit des Krieges verließen, um ihre Kunst andernorts auszuüben und dort zu verbreiten (vgl. ebd., S. 159 und S. 167). Vgl. Garland 2014, S. 164. Vgl. Duncan-Jones 1980, S. 102. Vgl. Garland 2014, S. 10. Vgl. ebd., S. 161. Zum Verbot für Fremde, immobiles Eigentum zu besitzen, vgl. Kap. III.2.3. Thuk. 2, 39, 1; vgl. Garland 2014, S. 97. Die Ausweisung von Fremden, oft als xenēlasía bezeichnet, ist ein im antiken Griechenland weit bekanntes Phänomen, wenngleich ihre Durchführung nur für wenige Poleis, u. a. Sparta, Apollonia und Lyttos, belegt ist (vgl. Figueira 2003, S. 46; Garland 2014, S. 97). Vgl. Whitehead 1984a, S. 58. Einschränkend ist allerdings darauf hinzuweisen, dass das Verbot, die Polis in Kriegszeiten zu verlassen, erst aus dem 4. Jahrhundert belegt ist, wonach ansässige Fremde, die Athen in Kriegszeiten verlassen hatten, nicht mehr zurückkehren durften (Demosth. 4, 36 und Kap. III.1.3). Eine ähnliche Beschränkung der Freizügigkeit auch für das späte 4. Jahrhundert anzunehmen, ist zwar plausibel, muss aber eine Vermutung bleiben. Vgl. Garland 2014, S. 97. Die Ausweisung von Fremden aus Angst vor Spionage wird auch von Perikles in seiner Rede zu Beginn des Krieges thematisiert, wobei die Offenheit der Athener gegenüber Fremden, insbesondere eingedenk der Spionagegefahr, von ihm als besonders ehrenwertes Gut betont wird: Thuk. 2, 39, 1.

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viele Einwanderer an, so gehörten am Ende des Peloponnesischen Krieges zweifellos auch zahlreiche Flüchtlinge und Söldner zum Alltagsbild der Stadt.356 Mit dem Fortschreiten des Krieges und je verheerender seine Auswirkungen wurden, rückten die Athener von der restriktiven Einbürgerungspolitik ab. Davon zeugen insbesondere die Verleihungen des Bürgerrechts an ganze Herkunftsgruppen von Fremden: Massenbürgerrechtsverleihungen sind in allen Phasen des Peloponnesischen Krieges bezeugt,357 wobei diejenigen an die Samier358 und an die Plataier359 die prominentesten waren. Massenverleihungen des Bürgerrechts waren derweil Bewältigungstaktik nicht nur im Peloponnesischen Krieg, sondern in vielen Krisensituationen, in deren Folge die Bürgerzahl auf ein kritisches Niveau sank.360 So wurde das Bürgerrecht nach der Niederlage der Athener bei Chaironeia 338 etwa an zahlreiche ansässige Fremde vergeben.361 Es wurde dabei sowohl an durch den Krieg vertriebene Verbündete Athens vergeben362 als auch an Fremde und ansässige Fremde, die auf der Seite der Athener kämpften.363 Auch Einzelverleihungen des Bürgerrechts sind für die Zeit des Peloponnesischen Krieges belegt.364 Während mit ihnen vor allem diplomatische Ziele verfolgt wurden,365 dürften bei den Gruppendekreten vor allem militärische und taktische Überlegungen überwogen haben. Einerseits sicherten sich die Athener durch Einbürgerungen ganzer Personenkreise die Loyalität der Geehrten: So begründen die Plataier ihre Treue gegenüber den Athenern damit, dass sie von den Athenern zum einen gegen den thebanischen Aggressor unterstützt wurden, zum anderen mit der Aufnahme in Athen als Bürger.366 Andererseits, so konstatiert die Forschung, hofften die Athener durch Masseneinbürgerung auch die Zahl der Kämpfer zu erhöhen.367 Letztgenannter Annahme ist aber zu widersprechen, denn ob die Verleihung des Bürgerrechts tatsächlich zu einer Verstärkung der Streitkräfte geführt hat oder über-

356 Vgl. Bäbler 1998, S. 46; McKechnie 1989, S. 22; Rubinstein 2018, S. 11; Garland 2014, S. 3. Inwiefern die Gründe, nach Athen zu kommen, sich auf das Leben der ansässigen Fremden in Athen und die Einstellung der Athener gegenüber diesen Fremden auswirkte, wird in Kap. II.2 dieser Arbeit diskutiert. 357 Vgl. Cohen 2000, S. 66. 358 IG II2 1. 359 Thuk. 3, 55, 3; Demosth. 59, 104; Isokr. 12, 94. 360 Aristot. Pol. 1278a 26–30; vgl. Klees 2000, S. 40. 361 Lykurg. 41; Demosth. 26, 11; vgl. Hansen 1991, S. 88; Cohen 2000, S. 70; Kears 2013, S. 204; Mavrogordatos 2014, S. 44. 362 Wie an die Plataier und Samier, dazu S. 360. 363 Vgl. Whitehead 1977, S. 153. So berichtet Diod. 13, 97, 1 dass von den Athenern 406 allen, die auf ihrer Seite kämpften, das Bürgerrecht zugestanden worden sei. 364 Vgl. Deene 2011, S. 163. 365 Vgl. ebd. So wurde das Bürgerrecht bspw. Sadokos zugesprochen, um seinen Vater Sitalkes als Verbündeten zu gewinnen (Thuk. 2, 29, 5; Thuk. 2, 69, 2; Aristoph. Ach. 145–147). 366 Thuk. 3, 55, 3–4. 367 Vgl. Connor 1994, S. 36; Whitehead 1977, S. 153; Deene 2011, S. 162f mit n 18; Cohen 2000, S. 67; Mavrogordatos 2014, S. 44.

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Vorbemerkungen

haupt führen sollte, ist zu bezweifeln. Die Zahl der Wehrfähigen hätte sich nämlich nur dann durch die Masseneinbürgerungen erhöht, wenn generell nur Träger des Bürgerrechts gekämpft hätten. Dem war aber nicht so: Auch Nichtbürger waren an den Kampfhandlungen auf der Seite der Athener beteiligt.368 Daher ist insgesamt nicht mit einer Erhöhung der Zahl der Streitkräfte zu rechnen, sondern letztlich nur mit einer Verschiebung des Verhältnisses von Bürgern zu Nichtbürgern innerhalb der Armee. Tatsächlich waren die Athener überhaupt nicht darauf angewiesen, ihre Truppenstärke mittels Einbürgerungen zu erhöhen, da ansässige Fremde ohnehin verpflichtet waren, sich militärisch einzubringen. Dass es eine solche Verpflichtung bereits in der Zeit des Peloponnesischen Krieges gab, wurde in der Forschung stellenweise zwar bezweifelt,369 wird aber sowohl durch den Bericht des Thukydides370 als auch durch Inschriften belegt, die ansässige Nichtbürger vom Militärdienst befreien.371 Letzteres wäre nur sinnvoll, wenn es auch einen verpflichtenden Militärdienst gab, von dem eine Befreiung notwendig gewesen wäre. Zudem dürfte Athen schon vor Beginn des Peloponnesischen Krieges die Mittel gehabt haben, eine Aushebung der ansässigen Nichtbürger durchzuführen.372 Wenn die tatsächliche Anzahl der Kämpfer durch die Massenverleihungen des Bürgerrechts also nicht erhöht wurde, muss ein anderes Ziel als nur die Erhöhung der Zahl der Wehrfähigen verfolgt worden sein. Der symbolische Wert des Bürgerrechts in dieser Zeit könnte etwa eine Rolle gespielt haben sowie der Gedanke, dass eine starke Bindung an die Gemeinschaft auch die Moral verbessert.373 Letzteres könnte z. B. das Movens der Athener für die Verleihung des Bürgerrechts an Söldner gewesen sein:374 Sie hätten ohnehin für Athen gekämpft, womit sich durch ihre Einbürgerung die Gesamtzahl der Streitkräfte nicht erhöht hätte; aber vielleicht

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Vgl. Whitehead 1977, S. 152; Gomme 1933, S. 12f. Dazu Kap. III.1.1 und III.1.2. Z. B. von Whitehead 1977, S. 86. Vgl. Thuk. 2, 13, 7. IG I3 28; IG I3 159 und IG I3 164; vgl. Adak 2003, S. 228. Alle drei Inschriften stammen aus der Zeit zwischen 450 und 430. Entscheidend ist hierbei die Phrase φρορᾶ̣ς ̣ καὶ στρατείας ἀτέλειαν, die in IG I3 159, Z. 11–12 ohne Zweifel und in IG I3 164, Z. 30 mit hoher Wahrscheinlichkeit zu belegen ist. In letztgenannter Inschrift ist zwar nur noch … ρορᾶ̣ς ̣ καὶ erhalten, aber der Beschluss richtet sich an zwei Gemeindeärzte, deren Freistellung von der Wehrpflicht eingedenk ihres Berufes durchaus sinnvoll ist. Schwieriger wird es allerdings in der Inschrift IG I3 28, deren Erhaltungszustand so schlecht ist, dass die Rekonstruktion des erhaltenen ορᾶς am Beginn von Z. 13 strittig ist. 372 Wenn der Status eines ansässigen Fremden am Beginn des Peloponnesischen Krieges bereits formalisiert worden war (s. o.), dürfte es auch irgendeine Form der Registrierung gegeben haben, und mittels der aus dieser Registrierung resultierenden Dokumente wäre eine Aushebung der ansässigen Fremden möglich gewesen; dazu S. 217. 373 Diese Behauptung wird auch dadurch gestärkt, dass das Bürgerrecht nicht nachträglich, sondern noch vor dem Zug in den Kampf verliehen wird, was sowohl eine Motivation bewirken als auch eine Erwartung großer Taten ausdrücken kann (vgl. Deene 2013, S. 72) 374 Diod. 13, 97, 1. Die eingebürgerten xénoi könnten Söldner gewesen sein, da xénos auch diese Bedeutung tragen kann, z. B. Xen. An. 1, 1, 10; Demosth. 18, 152; vgl. LSJ s. v. ξένος (IV).

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hofften die Athener auf eine größere Loyalität, wenn die ehemaligen Söldner das Bürgerrecht besaßen. Die Zeit des Peloponnesischen Krieges bildet somit eine weitere Epoche in der Geschichte der ansässigen Fremden in Athen: Durch die Lockerung der restriktiven Bürgerrechtspolitik verschwimmen die vormals so präzisen und offensichtlich unüberwindbar gemachten Grenzen zwischen Bürgern und Nichtbürgern erneut. Dabei scheint dem Bürgerrechtsgesetz des Perikles von 451/50 in dieser Zeit nicht gefolgt worden zu sein, wobei zu diskutieren ist, ob dieses in der Zeit des Krieges tatsächlich abgeschafft wurde oder weiterhin galt, ohne aber angewendet zu werden.375 Hinweise ergeben sich dabei vor allem aus einem Fall, in dem Perikles, der Initiator des Bürgerrechts selbst, die Umgehung seiner eigenen Festsetzungen versucht: Nachdem er durch den Tod seiner beiden in bürgerlicher Ehe geborenen Söhne Xanthippos und Paralos376 keine legitimen Erben mehr hatte, beantragte er, seinen unehelichen Sohn,377 den er mit der aus Milet stammenden Aspasia hatte, in die Phratrie aufzunehmen.378 Die Kernfrage ist, ob es sich hierbei um eine Ausnahmeregelung, d. h. eine Bürgerrechtsverleihung an einen Einzelnen, handelte oder um eine Gesetzesänderung. Perikles’ Situation war zwar prekär, aber sicherlich nicht einzigartig: Viele Athener werden sich durch den Krieg ohne ihre legitimen Söhne und Erben wiedergefunden haben.379 Eben weil dieses Problem weitverbreitet gewesen sein dürfte, könnte eine Änderung des Gesetzes und damit einhergehend eine für alle erreichbare Lösung auf breite Zustimmung in der Gemeinschaft gestoßen sein; schließlich hätten viele davon profitiert.380 Zudem scheint es doch eher ungewöhnlich, dass ausgerechnet für den Initiator des Gesetzes eine Ausnahme gemacht wird, während alle anderen weiterhin unter den Auswirkungen litten. Sofern es sich tatsächlich um eine Gesetzesänderung gehandelt hat, würde dies bedeuten, dass die im Bürgerrechtsgesetz des Perikles von 451/50 festgelegte Voraussetzung zweier athenischer Elternteile formal getilgt wurde. Als Beleg dafür wird in der Forschung auf die Fälle verwiesen, in denen neben dem unehelichen Sohn des Perikles auch andere nóthoi das Bürgerrecht besaßen. So werden Archeptolemos und Antiphon wegen Verrats zum Tode verurteilt und ihre ehelichen und unehelichen Nachkommen mit atimía belegt.381 Dass auch den nóthoi der Verurteilten die politischen Bürgerrechte entzogen werden, ergibt freilich nur dann Sinn, wenn diese das Bürgerrecht zunächst überhaupt besaßen.382 Auch der in Lysias’ 375 376 377 378 379 380 381

Vgl. Scafuro 1994, S. 156; Cohen 2000, S. 66; Cohen 1997, S. 75. Plut. Per. 24, 5 und Plut. Per. 36, 1–5. Plut. Per. 24, 6. Plut. Per. 37, 5. Vgl. Carawan 2008, S. 384. Vgl. ebd. Plut. Mor. 834 a–b: καὶ ἄτιμον εἶναι Ἀρχεπτόλεμον καὶ Ἀντιφῶντα καὶ γένος τὸ ἐκ τούτοιν, καὶ νόθους καὶ γνησίους. 382 Vgl. Lotze 1981, S. 165; ähnlich auch Carawan 2008, S. 399.

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Vorbemerkungen

Rede gegen Agoratos benannte Aristophanes dient als Beispiel für einen nóthos mit Bürgerrecht:383 Obwohl er nur einen athenischen Elternteil hat, trägt er ein Demotikon und agiert als Bürger.384 Schließlich stützt die Beweisführung des Euxitheos in Demosthenes’ 57. Rede die These, dass nóthoi das Bürgerrecht besaßen: Da Euxitheos’ Vater vor dem Archontat des Eukleides geboren sei, habe er das Bürgerrecht, obwohl er nur einseitig von einem Athener abstammte.385 Die These, dass das Gesetz des Perikles formal abgeändert worden sei, ist in der Forschung nicht unangefochten geblieben. Zunächst ist anzumerken, dass die bloße Existenz von Fällen, in denen nóthoi das Bürgerrecht besaßen, nicht zwangsläufig die formale Tilgung dieser Passage aus dem Gesetz des Perikles bezeugt, sondern nur, dass diese eine Vorgabe nicht beachtet oder im stillen Einvernehmen oft gebrochen wurde.386 Dafür spricht nicht zuletzt auch die geringe Anzahl der Belege für Nutznießer einer solchen Gesetzesänderung.387 Zudem ergibt sich die formale Aufhebung des Gesetzes weder zwangsläufig aus der betreffenden Stelle in Plutarchs Biografie des Perikles388 noch aus der Beweisführung des Euxitheos.389 Genauso wenig kann die Behauptung überzeugen, dass die Athener das Bürgerrechtsgesetz des Perikles formal aufhoben, um durch die Einbürgerung von nóthoi die durch den Krieg dezimierte Zahl athenischer Bürger zu erhöhen:390 Kurze Zeit später wurde im Rahmen des Bürgerrechtsgesetzes von 403/02 der Zugang zum Bürgerrecht wieder massiv eingeschränkt. Dass aber innerhalb von 15 Jahren durch die Aufhebung dieses Gesetzes allein die Bürgerzahl wieder auf einem Niveau war, das eine erneute Begrenzung verlangte, ist nicht

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Lys. 13, 58–60. Vgl. Carawan 2008, S. 400. Demosth. 57, 30. Ähnlich auch Carawan 2008, S. 400, der wiederum zu bedenken gibt, dass ein Gesetz, das so häufig gebrochen wurde, zwangsläufig mit der Zeit getilgt worden wäre (vgl. ebd.). Dagegen weist Lotze zu Recht darauf hin, dass Aristophanes’ Bezeichnung des Gesetzes gegen die nóthoi als Solonisch (Aristoph. Ornith. 1660–1666) nur das hohe Alter des Gesetzes und nicht dessen Aufhebung belegt, vgl. Lotze 1981, S. 162. Vgl. Walters 1983, S. 325. Plut. Per. 37, 5: „νόμον […] λυθῆναι“, wobei sich λυθῆναι von λύω [dt. lösen] ableitet. Im Zusammenhang mit einem Gesetz kann es zwar ‚aufheben‘ bedeuten (vgl. LSJ s. v. λύω II.4b), allerdings auch das Brechen eines Gesetzes oder einer Vereinbarung meinen (vgl. LSJ, s. v. λύω II.5). Im letztgenannten Sinn wird es bspw. in Hdt. 6, 106, 3 gebraucht. Aus Plut. Per. 37, 5 kann daher weder die Lockerung des Gesetzes konstatiert werden, wie z. B. von Patterson 1981, S. 141, noch dessen komplette Aufhebung. Perikles könnte in seinem Antrag demnach nicht um die von Carawan 2008, S. 384 angenommene Aufhebung des Gesetzes gebeten haben, sondern um Erlaubnis, dieses zu brechen, d. h. um eine Ausnahme. Demosth. 57, 30. Euxitheos gibt zwar an, dass sein Vater in einer Zeit geboren sei, in der auch Bürger wurde, wer nur einen Elternteil mit athenischem Bürgerrecht vorweisen konnte; aber auch in dieser Passage findet sich kein Hinweis darauf, ob dies gesetzmäßig so war oder nur die gängige Praxis, vgl. Walters 1983, S. 325. So z. B. Coşkun 2014b, S. 24f.

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anzunehmen.391 Dafür spricht auch, dass die Quellen selbst einen solchen Zusammenhang nicht benennen.392 Aus der erneuten Betrachtung des Beispiels des Perikles kann sich damit die Vermutung ergeben, dass nóthoi nicht grundsätzlich eingebürgert wurden, sondern nur in den Fällen, in denen der oíkos ansonsten ohne Erben geblieben wäre:393 Es ist schließlich genau diese Misere des Fehlens eines legitimen Erben, die das Mitleid des Publikums erregt.394 Diese Schlussfolgerung wird auch durch die Zitation des Gesetzes über den Ausschluss der nóthoi vom Erbe gestützt.395 Eine solche Praxis würde bedeuten, dass jeder Einzelfall einer gesonderten Prüfung bedurft hätte, wobei eine Formalisierung der Aufhebung des Gesetzes des Perikles, d. h. die formalisierte Erlaubnis, einen nóthos als Bürger einzutragen, wenn es keine legitimen Erben gibt, wahrscheinlich die Zahl derer erhöht hätte, die im Zuge dessen ihre nóthoi trotz lebender legitimer Erben ‚nur für alle Fälle‘ eingetragen hätten. Indem das Gesetz aber formal bestehen blieb, behielten sich die Athener die Möglichkeit vor, einerseits gegen unrechtmäßige Einschreibung vorzugehen, andererseits aber auch jeden Fall einer gesonderten Prüfung zu unterziehen, da die Einschreibung des nóthos grundsätzlich einer Ausnahmeerlaubnis bedurfte. Es ist nicht mehr eindeutig festzustellen, ob das Bürgerrechtsgesetz des Perikles in der Zeit des Peloponnesischen Krieges aufgehoben oder einfach nicht befolgt wurde. Allerdings kann auf Basis des eben Dargelegten zumindest vorsichtig spekuliert werden, dass eine formale Aufhebung des Bürgerrechtsgesetzes nicht wahrscheinlich ist. Vielmehr liegt nahe, dass das Gesetz eine Zeit lang in bestimmten Fällen nicht angewendet wurde bzw. regelmäßig Ausnahmen gewährt wurden: dann nämlich, wenn der oíkos keinen legitimen Erben hatte. Die Fälle, in denen nóthoi eingetragen wurden, sind also Ausnahmeregelungen, was aber keine formale Aufhebung des Gesetzes bedeutet. Dennoch wurde die Grenze zwischen Bürger und Nichtbürger dadurch wieder ein Stück weit durchlässiger.

391 Vgl. Walters 1983, S. 324. 392 Vgl. ebd.: Diejenigen Quellen, welche die Aufhebung oder Lockerung des Bürgerrechtsgesetzes von Perikles thematisieren, erwähnen nichts von einem Mangel an Bürgern und umgekehrt erwähnen die Quellen, die Hinweise auf einen Mangel an Bürgern geben, nicht die Einbürgerung von nóthoi. 393 Vgl. Carawan 2008, S. 403. 394 Vgl. ebd., S. 383f. 395 Aristoph. Ornith. 1660–1667. Hier muss allerdings bedacht werden, dass Aristophanes sich nur auf das Erbrecht bezieht, wobei anzunehmen wäre, dass die Aufnahme in die Bürgerschaft auch mit einem uneingeschränkten Erbrecht einherginge, vgl. Lotze 1981, S. 162 und 164.

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Vorbemerkungen

I.3.5 Das neue Bürgerrechtsgesetz von 403/02 In den Jahren 403/02396 wurde das Bürgerrechtsgesetz des Perikles auf Antrag von Aristophon und Nikomedes397 neu bestätigt398 und bestand in dieser Form das gesamte 4. Jahrhundert hindurch.399 Das Amtsjahr des Eukleides wurde damit zur Zäsur:400 Von nun an sollte das athenische Bürgerrecht nur denjenigen zustehen, deren beide Elternteile Athener waren.401 Im Gegensatz zu dem Bürgerrechtsgesetz des Perikles von 451/50 enthielt das neue Bürgerrechtsgesetz die Klausel, dass nur diejenigen betroffen waren, die vor dem Archontat des Eukleides die Volljährigkeit noch nicht erreicht hatten. In dieser Sache unterschieden sich die Anträge des Nikomedes und des Aristophon vermutlich: Nur Nikomedes’ Antrag dürfte die rückwirkende Anwendung des Gesetzes ausgeschlossen haben.402 Dabei könnte er diese Festlegung inkludiert haben, um even­tuellen Problemen bei der Durchsetzung des Gesetzes vorzubeugen, womit der Vorschlag des Nikomedes am wahrscheinlichsten als Addendum zu dem Antrag Aristophons gestaltet wurde.403 Während der Amtszeit des Eukleides wurde zudem entschieden, dass staatliche Fürsorge nur denjenigen Söhnen der im Krieg Gefallenen zustand, die das Bürgerrecht besaßen, nicht aber nóthoi und Adoptivsöhnen,404 was von Lysias in einer, leider nur fragmentarisch erhaltenen, Rede als ungerecht kritisiert wird.405 Darüber hinausgehend wurde im Rahmen des neuen Bürgerrechtsgesetzes von 403/02 bestimmt, dass das Bürgerrecht nur denjenigen außerordentlich verliehen wird, die sich durch einen herausragenden Dienst für Athen verdient gemacht haben.406 Ab diesem Zeitpunkt stießen alle Versuche Einzelner, die Zahl der Bürger auf unnatürlichem Wege zu verändern, d. h. zu vergrößern oder zu verkleinern, bei den Athenern auf Ablehnung.407 Das wird besonders darin deutlich, dass ab der Verabschiedung des

396 Die Datierung des Gesetzes ergibt sich aus Demosth. 57, 30, vgl. Lotze 1981, S. 171. 397 Vgl. Davies 1977, S. 118. Der Antrag des Aristophon geht hervor aus Demosth. 59, 16; Demosth. 59, 52 sowie Athen. 13, 577b–c, der des Nikomenes aus Schol. Aeschin. in or. 1, 39 (= Eumelos FGrHist 77F2). 398 Vgl. Carawan 2008, S. 394; Walters 1983, S. 322. 399 Vgl. Davies 1977, S. 106, der das Bürgerrechtsgesetz von 403/02 als die „final version“ sowie als das „classical system“ des athenischen Bürgerrechts bezeichnet. Ähnlich auch Coşkun 2014b, S. 25; Hansen 1991, S. 54; MacDowell 1993, S. 367. 400 Vgl. Lotze 1981, S. 161. 401 Athen. 13, 577b und auch Demosth. 59, 89; vgl. Scafuro 1994, S. 156; Oliver 2010, S. 159; Gray 2011, S. 49. 402 Vgl. Davies 1977, S. 118; Lotze 1981, S. 161; Kears 2013, S. 161. 403 Vgl. Lotze 1981, S. 161. 404 Vgl. ebd., S. 165. 405 Lys. frgm. 128 [Carey], 5–8 (= P. Hibeh 14 fr. (a) col. I); dazu auch Carawan 2008, S. 404; Lotze 1981, S. 164f. 406 Demosth. 59, 89; vgl. Deene 2011, S. 162. 407 Vgl. Meyer 1993, S. 117.

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Bürgerrechtsgesetzes im Jahr 403/02 bis zu den 330er Jahren jegliche Belege für die Verleihung des Bürgerrechts an Personengruppen fehlen.408 Dies also war die Situation, der sich die ansässigen Fremden im 4. Jahrhundert gegenübersahen: Das Bürgerrecht war unerreichbar, und die Grenze zwischen den Bürgern und den Nichtbürgern festgesetzt. Von wenigen Ausnahmen abgesehen, in denen einzelnen Personen das Bürgerrecht per Dekret zugesprochen wurde, blieb dem Rest nur noch das Leben als Nichtbürger in Athen oder der illegale Weg in die Bürgerschaft. Dass dieser letztgenannte Weg von einigen gewählt wurde oder dass die Athener Entsprechendes zumindest vermuteten, bezeugt der 346/45 durchgeführte diapsēphismós, im Rahmen dessen eine erneute Überprüfung der Bürgerlisten stattfand.409 Die meisten ansässigen Fremden dürften aber den ihnen zugewiesenen Status akzeptiert haben. Was das für sie und ihr Leben in Athen genau bedeutet hat, soll im folgenden Teil der Arbeit untersucht werden. I.4 Demographie der ansässigen Fremden in Attika „What does a statement about the Romans mean, if we do not know roughly how many Romans there were?“410 hat Peter Brunt einst gefragt. Die Frage nach dem ‚wie viele‘ ist nicht nur für die römischen Streitkräfte, sondern mehr noch für die ansässigen Fremden in Athen relevant: Sie erlaubt ein tieferes Verständnis der Zusammensetzung der athenischen Bevölkerung, kann helfen, die Inklusions- und Exklusionsbemühungen der Athener gegenüber den ansässigen freien Nichtbürgern zu kontextualisieren und macht Argumentationen, die sich auf die zahlenmäßige Relevanz ansässiger Fremder in Athen stützen,411 erst plausibel. Nicht zuletzt ergänzt die quantitative Analyse die qualitative: Die Behauptung, dass eine Beschäftigung mit den ansässigen Fremden sinnvoll und wichtig ist, um das klassische Athen zu begreifen, weil diese mehr als eine Randgruppe bildeten, gewinnt insbesondere durch ihre numerische Stärke an Bedeutung. Daher führt der dritte Weg der Annäherung an den Untersuchungsgegenstand dieser Arbeit über die Demographie der Fremden. Zwei Vorbehalte bestehen allerdings. Zum einen muss ganz besonders bei demographischen Untersuchungen bedacht werden, dass Athen in vielen Belangen, ganz besonders im quantitativen Bereich, keinesfalls der griechischen ‚Normalpolis‘ ent408 Vgl. ebd. 409 Aeschin. 1, 77; Demosth. 57, 26. Mit Isaios 12 und Demosthenes 57 sind zwei Reden erhalten, in denen sich Personen bemühen, die ihnen im Rahmen des diapsēphismós zugestoßene Aberkennung des Bürgerrechts als ungerechtfertigt zu beweisen. 410 Brunt 1971, S. 3. 411 So etwa Whiteheads Argumentation, dass ein formalisierter Status ansässiger Fremder erst durch die Menge der ansässigen Fremden in Athen und den Druck, den diese Masse aufgrund ihrer numerischen Stärke ausüben konnte, eingeführt wurde, vgl. Whitehead 1991, S. 150.

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Vorbemerkungen

sprach. Insbesondere was Immigrationszahlen angeht, bilden Athen und Sparta die beiden Extreme der Skala: In keiner anderen griechischen Polis war die Zahl ansässiger Fremder so hoch wie in Athen, in keiner so niedrig wie in Sparta.412 Zum anderen können quantitative Aussagen über antike Poleis immer nur Vermutungen darstellen, da die Quellen selbst keine zuverlässigen Aussagen darüber liefern können: Die antiken Schriften zeichnen sich mehr durch einen qualitativen denn durch einen quantitativen Zugang aus.413 Hier macht auch Athen keine Ausnahme. Das Vorhaben, eine genaue Zahl der ansässigen Fremden in Athen zu ermitteln, hat also wenig Aussicht auf Erfolg und ist daher auch nicht das Anliegen dieses Kapitels. Vielmehr soll es darum gehen, Verhältniswerte zu untersuchen: Die Gesamtzahl der ansässigen Fremden in Athen mag nicht ermittelbar sein, wohl aber vermögen die Quellen Aufschluss zu geben über die relative Größe der bürgerlichen und nichtbürgerlichen Bevölkerung, sowohl in Relation zueinander als auch zu anderen Bevölkerungsgruppen.414 Obgleich die Athener einige Listen über Personen führten, fehlen sowohl Bürgerverzeichnisse415 wie auch Listen über ansässige Fremde in der Überlieferung.416 Während die Existenz der auf Demenebene417 geführten Verzeichnisse gut belegt ist,418 ist aus den Quellen nicht zu entnehmen, dass es auch eine demenübergreifende Liste aller Bürger Athens gegeben habe.419 Allem Anschein nach sahen die Athener keinen Anlass, die Bürger auf Polisebene aufzulisten:420 Aktionen, wie die Eintreibung von Steuern oder die Aushebung der Soldaten, für die ein Verzeichnis aller Bürger benötigt wurde, erfolgten ohnehin auf Demenebene. Höchstwahrscheinlich hätten auch gut informierte Athener selbst die Frage nach der Gesamtbürgerzahl nicht genau beantworten können.421 Diese Vermutung wird auch dadurch gestützt, dass Demetrios von Phaleron, der ab 318 die Stadt verwaltete, die Notwendigkeit sah, einen Zensus der gesamten Bevölkerung durchzuführen. Eine so aufwändige Maßnahme wäre wohl kaum unternommen worden, hätte es bereits zuverlässige Angaben gegeben.422 Was 412 Vgl. Cohen 2000, S. 3; Nemeth 2001, S. 333; Garland 2014, S. 152. Garland ebd. behauptet, unter Berufung auf Hdt. 9, 35, 1, dass es in Sparta nur zwei ansässige Fremde gegeben habe, nämlich den Seher Teisamenos und dessen Bruder. Das geht aus der Stelle als solcher aber nicht hervor, denn Herodot spricht eindeutig nicht davon, dass die beiden Genannten die einzigen ansässigen Fremden waren, sondern nur davon, dass sie die einzigen waren, die je als Außenstehende das spartanische Bürgerrecht erhielten. Daraus ist zwar eine stark restriktive Einbürgerungspolitik abzulesen, nicht aber ein grundsätzlicher Ausschluss ansässiger Fremder. 413 Vgl. Finley 1981, S. 64. 414 Ähnlich auch schon Patterson 1981, S. 44. 415 Vgl. Hansen 1986, S. 14. 416 Vgl. Cohen 2000, S. 109. 417 Vgl. Hansen 1986, S. 14; Scafuro 1994, S. 16. 418 Demosth. 57, 26; Demosth. 44, 35 und 37; Isaios 7,1; Isaios 7, 27; Lykurg. 76. 419 Vgl. Hansen 1986, S. 15; Scafuro 1994, S. 156. 420 Vgl. Hansen 1986, S. 14. 421 Vgl. ebd., S. 13. 422 Vgl. ebd.

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die ansässigen Fremden anbelangt, so dürfte aus der Registrierungspflicht und der Pflicht, das metoíkion zu bezahlen, wie sie in Athen bestanden, eine Aufstellung von ansässigen Fremden entstanden sein.423 Dieses vielleicht von den pōlētaí geführte und im pōlētḗrion aufbewahrte Register ansässiger Fremder ist vor allem dann konsultiert worden, wenn Zweifel über die Entrichtung des metoíkion bestanden.424 Angesichts des Fehlens zeitgenössischer Listen müssen alternative Quellen zur Untersuchung der Größe der Population ansässiger Fremder herangezogen werden, die ursprünglich nicht die Vermittlung oder Ermittlung von Populationszahlen zum Ziel hatten, diese aber mal mehr, mal weniger beiläufig erwähnen. Dabei können die ersten ungefähren Aussagen über die Bevölkerungszahlen der Athener etwa ab dem Ende der Perserkriege getroffen werden.425 Präzisere Aussagen über die anteilsmäßige Zusammensetzung der Bevölkerung sind erst für das mittlere und späte 4. Jahrhundert möglich.426 Für die Bestimmung des Anteils ansässiger Fremder an der athenischen Gesamtbevölkerung sind vor allem drei Quellen in der Forschung herangezogen worden, nämlich die Angaben des Thukydides über die Zahl der athenischen Soldaten, der bereits erwähnte Zensus des Demetrios von Phaleron und Grabinschriften. Letztere ermöglichen einen eher qualitativen Blick auf die Beschaffenheit der Gruppe der ansässigen Fremden insgesamt und lassen weniger Rückschlüsse auf ihre tatsächliche Anzahl zu.427 I.4.1 Die Anzahl der ansässigen Fremden Im zweiten Buch seines Werkes gibt Thukydides die Zahl der athenischen Streitkräfte an.428 Demnach habe es zu Beginn des Peloponnesischen Krieges 29.000 Hopliten gegeben, wobei 13.000 im auswärtigen Einsatz waren und 16.000 die Mauern und Befestigungen verteidigten.429 Letztere umfassten dabei die jüngsten und ältesten Athe-

423 424 425 426 427 428 429

Vgl. Sosin 2016, S. 5. So etwa in Demosth. 25, 57; vgl. dazu Kap. III.2.1.1. Vgl. Patterson 1981, S. 45. Vgl. Jones 1955, S. 142. Vgl. Bäbler 1998, S. 204. Thuk. 2, 13, 6–7. Es stellt sich unweigerlich die Frage, ob die Zahlen des Thukydides eventuell korrumpiert sind; vgl. bspw. Gomme 1933, S. 3–5. Dagegen spricht allerdings, dass sich ähnliche, wenn auch nicht deckungsgleiche Angabe bei Diodor finden: Auch dieser gibt die Gesamtzahl der Hopliten mit 29.000 an, überliefert aber, dass die Truppen auf dem Schlachtfeld 12.000 Mann stark gewesen seien und die zur Verteidigung der Stadt Abgestellten 17.000, Diod. 12, 40, 4. Wie Duncan-Jones festgestellt hat, sind diese Angaben nah genug an denen des Thukydides, um deren Glaubwürdigkeit zu erhöhen; die Abweichungen deuten aber darauf hin, dass Diodor seine Angaben nicht nur von Thukydides übernommen hat, vgl. dazu Duncan-Jones 1980, S. 102.

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Vorbemerkungen

ner sowie ansässige Fremde, die den Hoplitenzensus erfüllten.430 Bezüglich der Frage, welche Anteile der 16.000 verteidigenden Hopliten jeweils auf die Athener und auf die ansässigen Fremden entfielen, weichen die Forschungsmeinungen deutlich voneinander ab: Sie reichen von 5.500 ansässigen Fremden,431 d. h. ca. 18 % aller Hopliten, bis hin zu 12.000,432 entsprechend 41 %.433 Die Entscheidung für die eine oder andere Tendenz kann nicht abschließend getroffen werden: Die Quellenlage ist dafür schlichtweg nicht ausreichend.434 Wie an späterer Stelle noch ausführlich darzulegen sein wird,435 ist lediglich mit einiger Sicherheit festzustellen, dass die Zahl der ansässigen Fremden unter den Hopliten mehr als 3.000, aber weniger als 16.000 betragen haben muss. Ausgehend von einer Gesamtzahl der Hopliten von 29.000 ergibt das einen Anteil der ansässigen Fremden zwischen 10 und 50 Prozent. Einschränkend ist allerdings anzumerken, dass sich die Angaben des Thukydides nur auf die Zahl der Hopliten beziehen und nicht auf die Gesamtbevölkerung: Selbst wenn bekannt wäre, wie viele ansässige Fremde es unter den Hopliten gab, würde das noch keine Aussage über diejenigen erlauben, die keine Hopliten waren.436 Zu denken ist hier nicht nur an ansässige Fremde, die zahlreich als Ruderer437 und Leichtbewaffnete dienten,438 sondern natürlich auch an Frauen, Kinder und Ältere, die überhaupt keinen Militärdienst leisteten. Nicht viel anders verhält es sich mit der in den Quellen überlieferten Zensuserhebung des Demetrios von Phaleron, die Ende des 4. Jahrhunderts durchgeführt wurde.439 Als Ergebnis des Zensus wurde überliefert, dass in Athen insgesamt 21.000 Bürger, 10.000 ansässige Fremde und 400.000 Sklaven gezählt worden seien.440 Die Zuverlässigkeit dieser Zahlen ist in der Forschung vielfach angezweifelt worden: So haben etwa Arnold W. Gomme und nach ihm auch Mogens Herman Hansen darauf hingewiesen, dass insbesondere die 400.000 Sklaven viel zu hoch angesetzt seien,

430 Thuk. 2, 13, 6–7; die Gesamtzahl von 29.000 Hopliten findet sich so auch in Diod. 12, 40, 4 wieder, s. o. 431 Vgl. Gomme 1933, S. 5. 432 Vgl. Duncan-Jones 1980, S. 102f. 433 Die numerische Bedeutung der ansässigen Fremden für die athenischen Streitkräfte wird in Kap. III.1.3 diskutiert. 434 Vgl. Patterson 1981, S. 65. 435 Dazu Kap. III.1.3. 436 Ähnlich Patterson 1981, S. 64; Hansen 1986, S. 16. 437 Thuk. 1, 143, 1; vgl. Duncan-Jones 1980, S. 102; Gomme 1933, S. 19, dazu Kap. III.1.1. 438 Dazu Kap. III.1.2. 439 Demetrios von Phaleron wurde 317 als Statthalter Athens eingesetzt und behielt diese Position, bis die Stadt im Sommer des Jahres 308 Demetrios Poliorketes in die Hände fiel. Demetrios floh zunächst nach Theben und später nach Ägypten und wurde dort von Ptomelaios I. als persönlicher Berater eingesetzt, wo er 280 starb; vgl. Schütrumpf 1997 (DNP 3), Sp. 429f. Neben der im Folgenden näher zu betrachtenden Zensuserhebung ist Demetrios von Phaleron in der Forschung vor allem durch die von ihm eingeführten Grabluxusgesetze bekannt geworden, dazu S. 100f. 440 Athen. 6, 272c (= Ktesikles, FGrHist 245, frgm. 1).

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dies aber die beiden anderen überlieferten Zahlen nicht korrumpiere.441 Insofern die beiden Angaben für die Bürger und die ansässigen Fremden als zumindest ungefähr zutreffend angenommen werden, stellt sich allerdings die drängende Frage, welcher Personenkreis in diesen Zahlen überhaupt erfasst ist. Während es sich bei der Zahl der Bürger wahrscheinlich um die Wehrfähigen handelte,442 ist es erheblich schwieriger festzustellen, wer bei den 10.000 ansässigen Fremden gezählt wurde: Während Gomme auch hier die Erfassung der wehrfähigen ansässigen Fremden vermutet, erwägt Hansen, ob es sich um die Zahl derjenigen handeln könnte, die das metoíkion zahlten.443 Diese beiden vorgeschlagenen Gruppen unterscheiden sich erheblich voneinander, und zwar nicht nur bezüglich der Beschaffenheit der erfassten Gruppe an sich, sondern vor allem hinsichtlich des Anteils der ansässigen Fremden an der Gesamtbevölkerung: Wenn in den 10.000 Personen nämlich nur wehrfähige Männer enthalten sind, ist die tatsächliche Anzahl aller in Athen lebenden ansässigen Fremden viel höher einzuschätzen, da nicht wehrfähige, ältere und jüngere Personen sowie Frauen nicht gezählt worden wären. Wenn dagegen unter den 10.000 Personen alle erfasst worden wären, die das metoíkion zahlten, mag die tatsächliche Zahl aller ansässigen Fremden in Athen zwar immer noch etwas höher gelegen haben, aber der Unterschied dürfte weit weniger erheblich gewesen sein als bei der ersten Variante, da grundsätzlich alle ansässigen Fremden dieses Merkmal trugen.444 Die Frage, wer diese 10.000 waren, ist demnach entscheidend – eine Antwort mag der Anlass dieser Zensuserhebung geben. So hat Hansen einen Zusammenhang mit der durchaus konfliktreichen Zeit gesehen: Vielleicht ergab sich aus der Befürchtung eines möglichen Angriffs des Ptolemaios die Notwendigkeit der zahlenmäßigen Erfassung der mobilisierbaren Streitkräfte.445 Ein militärischer Anlass für die Zensuserhebung würde es wahrscheinlich machen, dass es sich bei den 10.000 tatsächlich um Wehrfähige handelte.446 Angesichts eines potentiellen Aggressors wäre sicherlich auch das Wissen über die zur Verfügung stehenden

441 Vgl. Gomme 1933, S. 18; Hansen 1986, S. 31. 442 Vgl. Hansen 1986, S. 30. 443 Vgl. Hansen 1991, S. 90 sowie Hansen 1986, S. 31; ähnlich auch Whitehead 1977, S. 97. Dagegen: Stroszeck 2002, S. 160f, die davon ausgeht, dass die 10.000 wohl auch eine gewisse Zahl Nichtansässiger, aber ausschließlich Männer, umfassten. 444 Zur Zahlung des metoíkion waren ansässige Fremden verpflichtet, wenngleich es die Möglichkeit gab, sie durch Verleihung von Privilegien von dieser Pflicht zu befreien. Dazu Kap. III.2.1.1 sowie Kap. III.7.2. Ausgenommen waren wohl fremde Frauen, die nicht unabhängig in Athen gelebt haben, sowie Frauen, deren Söhne das metoíkion zahlten, dazu S. 156. 445 Vgl. Hansen 1986, S. 30. 446 Hansens Auffassung nach beträfen die 10.000, zumindest wenn es sich um Wehrfähige handelte, auch nur diejenigen ansässigen Fremden, die dauerhaft und nicht nur langfristig in Athen lebten; vgl. Hansen 1986, S. 31. Diese Ansicht ist aber zurückzuweisen, da die (beabsichtigte) Aufenthaltsdauer an sich unerheblich für die Zuweisung extrinsischer Merkmale, wie der Wehrdienstpflicht, war, dazu Kap. II.5.

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Vorbemerkungen

finanziellen Ressourcen wichtig; aber da auch die Sklaven mitgezählt wurden, liegt es nahe, dass die Initiatoren des Zensus doch eher manpower statt Geldmitteln interessiert haben könnte. In diesem Fall wäre also davon auszugehen, dass die tatsächliche Zahl aller ansässigen Fremden sehr viel höher war als die angegebenen 10.000 Personen. Ungeachtet der Frage, ob die überlieferten Angaben als absolute Zahlen den tatsächlichen Gegebenheiten entsprechen, ist vor allem das quantitative Verhältnis von ansässigen Fremden und Bürgern von Interesse. Die Vergleichbarkeit dieser beiden Angaben ist umso mehr gegeben, wenn es sich bei den 10.000 wirklich um Wehrfähige handelt, da diese in qualitativer Hinsicht denselben Ausschnitt aus der Bevölkerung, also Männer im wehrfähigen Alter, repräsentieren würden. Falls die Zahlen stimmen, könnte festgestellt werden, dass das Verhältnis der ansässigen Fremden zu Bürgern etwa 1:2 betrug, sodass die Fremden in der Gesamtbevölkerung etwa ein Drittel aller freien männlichen Personen ausmachten. Dieses Verhältnis scheint nicht nur plausibel,447 sondern passt auch relativ gut zu der Thukydides entnommenen Schlussfolgerung, dass die ansässigen Fremden zwischen 10 und 50 Prozent der Hopliten gestellt hätten,448 und ergänzt diese um eine vorsichtige Tendenz zur Mitte. Zu beachten ist allerdings, dass Thukydides’ Überlieferung und der von Demetrios erhobene Zensus die Situation der Bevölkerung fast einhundert Jahre entfernt voneinander darstellen und somit schon allein aufgrund ihres unterschiedlichen zeitlichen Kontextes nicht miteinander harmonieren müssen. Fraglich ist zudem, ob sich dieses Verhältnis auch auf Frauen übertragen ließe. Dabei hat die Forschung gelegentlich vermutet, dass sich unter den ansässigen Fremden mehr Männer als Frauen befunden haben dürften, sodass der Anteil fremder ansässiger Frauen in der Bevölkerung geringer gewesen wäre als der fremder ansässiger Männer.449 Hier liefern wiederum die Grab­ inschriften der ansässigen Fremden wichtige Hinweise, die sogar in die gegenteilige Richtung weisen: Tatsächlich deutet der Quellenbefund bei den Grabsteinen darauf hin, dass der Anteil von Frauen in der Gruppe der ansässigen Fremden in Athen sogar höher war als der in der Gruppe der Bürger.450 Dieser Umstand legt nahe, zumindest ein vergleichbares, keinesfalls aber ein geringeres Verhältnis von ansässigen fremden Frauen und Athenerinnen hinsichtlich ihres Anteils an der Gesamtbevölkerung aller freien in Athen lebenden Personen zu vermuten. Obwohl die Antwort auf die Frage, wie viele ansässige Fremde in Athen lebten, keine absolute Zahl sein kann, lassen sich plausible Vermutungen über ihre numerische Signifikanz anstellen – selbst wenn diese naturgemäß mehr oder minder vage bleiben

447 Vgl. Whitehead 1977, S. 97; ähnlich auch Stroszeck 2002, S. 160 und Patzek 1995, S. 37; etwas konservativer schätzt Finley 1973, S. 48 das Verhältnis ansässiger Fremder zu Bürgern mit höchstens 1 zu 2,5. 448 Dazu Kap. III.1.3. 449 Vgl. z. B. Whitehead 1977, S. 97; dagegen Hansen 1991, S. 93. 450 Vgl. Hansen 1991, S. 93.

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müssen. So kann zunächst einmal mit einiger Sicherheit festgestellt werden, dass die Gesamtzahl ansässiger Fremder in Athen geringer war als die der Bürger.451 Sehr wahrscheinlich ist zudem, dass nicht nur mehr Bürger als ansässige Fremde in Athen gelebt haben, sondern sogar deutlich mehr:452 Die Quellen legen nahe, dass in klassischer Zeit maximal jeder Dritte und mindestens jeder Zehnte in Athen ein ansässiger Fremder war. Konkretere Angaben über den Anteil ansässiger Fremder an der Gesamtbevölkerung sind schwierig zu tätigen und können nur mit einer gewissen Vorsicht geäußert werden. Nach dem bisher Gesagten erscheint plausibel, dass die ansässigen Fremden in Athen etwa ein Drittel bis ein Viertel der freien Gesamtbevölkerung ausmachten. Gemessen an ihrer numerischen Stärke besaß die Gruppe der ansässigen Fremden demnach durchaus eine demographische Relevanz.453 Einschränkend ist natürlich zu bedenken, dass die Zahl ansässiger Fremder in Athen auch einigen Schwankungen unterlag. So ist anzunehmen, dass sie am Vorabend des Peloponnesischen Krieges deutlich höher gewesen war als an dessen Ende – einerseits wegen Kriegsverlusten und Pestopfern, andererseits aber auch, weil zahlreiche ansässige Fremde Athen bei Kriegsausbruch verließen.454 Auch während des oligarchischen Umsturzes kam es zu einer Abnahme der Zahl ansässiger Fremder, die Athen scharenweise den Rücken kehrten: Sie waren erklärtes Ziel offener Anfeindungen und zahlreicher Maßnahmen der Tyrannis, die ihr Vermögen und Leben gleichermaßen gefährdeten.455 Unter den ansässigen Fremden, die Athen unter der Herrschaft der Dreißig verließen, befand sich auch Lysias, der seine spektakuläre Flucht in einer Rede schildert.456 Erst nach der Wiederherstellung der Demokratie 403/02 erholte sich die Zahl der ansässigen Fremden in Athen wieder.457 Einen weiteren Einbruch der Zahl ansässiger Fremder erlebte die Stadt während der stáseis der Jahre 357–355.458 Aber nicht nur kriegerische Auseinandersetzungen, sondern auch die wirtschaftliche Lage zogen Schwankungen in der Zahl der ansässigen Fremden nach sich, schließlich kam ein nicht unerheblicher Teil von ihnen mit großen Karriereabsichten nach Athen.459 451 Dagegen Coşkun 2014a, S. 104; Thür 1989, S. 118; Lanni 2006, S. 20; Hansen 1990, S. 90–94. Dabei ist allerdings zu bedenken, dass die Gruppe der ansässigen Fremden Männer und Frauen umfasst, die Gruppe der Bürger allerdings nur Männer. 452 Davon unberührt bleibt der Umstand, dass Bürger insgesamt nicht den größten Teil der athenischen Gesamtbevölkerung ausgemacht haben, ihre Zahl dürfte von der Anzahl der in Athen lebenden Sklaven übertroffen worden sein, vgl. bspw. Lanni 2006, S. 18. 453 Ähnlich Cohen 2000, S. 122; Akrigg 2011, S. 57; Gomme 1933, S. 20. 454 Vgl. Akrigg 2011, S. 58; Bäbler 1998, S. 46; Finley 1951, S. 64; MacDonald 1981, S. 159; Garland 2014, S. 161; Duncan-Jones 1980, S. 102; Hunter 2000, S. 15; Rubinstein 2018, S. 10. Dazu auch Kap. I.3.4. 455 So geht etwa aus Lysias’ Erzählung hervor, dass ansässige Fremde und ganz besonders deren Vermögen erklärtes Ziel der Dreißig waren: Lys. 12, 6–7, dazu auch Xen. Hell. 2, 3, 20 sowie Xen. Hell. 2, 3, 38; vgl. auch MacDonald 1981, S. 166; Garland 2014, S. 164. 456 Lys. 12, 8–16. 457 Vgl. Hansen 1991, S. 93; Rubinstein 2018, S. 10; ähnlich auch Oliver 2010, S. 164. 458 Isokr. 8, 21; dazu auch Gomme 1933, S. 22. 459 Vgl. Rubinstein 2018, S. 10. Dazu auch Kap. II.2.1.1.

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Vorbemerkungen

Ebendiese Schwankungen können erhebliche Auswirkungen auf das quantitative Verhältnis zwischen Bürgern und ansässigen Fremden in Athen gehabt haben. I.4.2 Die Verteilung der ansässigen Fremden in Attika Im Hinblick auf eine Demographie der ansässigen Fremden in Athen erlauben die Quellen nicht nur eine Einschätzung ihres quantitativen Anteils an der Gesamtbevölkerung, sondern auch einige Aussagen über ihre geographische Verteilung in Athen und den angrenzenden Gebieten. Aufgrund der typischen oikṓn en-Designation ist in vielen Fällen recht gut feststellbar, in welcher Deme die ansässigen Fremden Wohnsitze zu haben pflegten. Grundsätzlich ist zu betonen, dass zumindest in Athen keine allein den Nichtbürgern zugewiesenen Wohndistrikte existierten,460 sondern diese tatsächlich Tür an Tür mit den Bürgern lebten.461 Es können aber Gebiete ausgemacht werden, in denen sich ansässige Fremde vermehrt aufgehalten zu haben scheinen, denn obgleich grundsätzlich in fast jeder Deme auch ansässige Fremde zu finden waren,462 war ihre Verteilung auf die Demen keineswegs gleichmäßig: So zeigt der Quellenbefund für diejenigen ansässigen Fremden, deren Wohnhaftigkeit in einer bestimmten Deme festgestellt werden kann, dass über drei Viertel in der Tat in nur acht verschiedenen Demen ansässig waren und sich das verbliebene Viertel in ‚kleinen Portionen‘ auf die restlichen Demen verteilte.463 Insbesondere die unmittelbare Umgebung der Agora ist von der Forschung vielfach als bei ansässigen Fremden besonders beliebtes Gebiet hervorgehoben worden.464 Vor allem die Demen westlich der Agora bildeten die typischen Handwerkerviertel, in denen zahlreiche Händler ihre Arbeits- und Wohnstätten hatten: Zu nennen sind hier Melite und Kollytos, die mit einigen anderen Demen das durch seinen Friedhof und seine umfassenden Keramikfunde bekannt gewordene Kerameikosviertel bildeten.465 Neben den innerstädtischen Vierteln zeichnet sich auch der Piraeus, das Hafenviertel, als ein beliebter Wohnort ansässiger Fremder ab:466 Fast ein Fünftel aller ansässigen Fremden mit bekanntem Wohnort lebte hier.467 Dass diese vor allem Wohnorte in der

460 461 462 463

464 465 466 467

Diese sind etwa aus der Polis Gortyn bekannt, vgl. Whitehead 1977, S. 130. Vgl. Thür 1989, S. 117; dazu auch S. 261. Vgl. Cohen 2000, S. 18; Whitehead 1986b, S. 84. Vgl. Whitehead 1986b, S. 83. Whitehead gibt an, dass für 366 ansässige Fremde bestimmt werden kann, in welcher Deme sie gewohnt haben, wobei 302 Personen in den Demen Melite, Piraeus, Kollytos, Alopeke, Kydathenaion, Skambonidai, Keiriadai und Eleusis lebten; ähnlich auch Wijma 2014, S. 102. Vgl. Blok 2007, S. 318; Burford 1972, S. 82. Vgl. Burford 1972, S. 82. Vgl. Cohen 2000, S. 20; Garland 2014, S. 159; von Reden 1995, S. 25. Vgl. Whitehead 1986b, S. 84.

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Nähe von Warenumschlagsplätzen, wie dem Markt und dem Hafen, d. h. in urbanen Demen, bevorzugten, ist plausibel mit den Branchen zu begründen, in denen sie tätig waren: Da sie kein Land besitzen konnten, verfolgten sie nur selten eine landwirtschaftliche Karriere, sondern verdingten sich eher in Handwerk und Handel,468 was vor allem im Bereich des Marktes und des Hafens stattfand.469

468 Zu den beruflichen Einsatzgebieten ansässiger Fremder siehe S. 109ff sowie Kap. III.2.2. 469 So auch schon Gomme 1933, S. 40; Stelzer 1971, S. 129; McKechnie 1989, S. 179; Patzek 1995, S. 37; von Reden 1995, S. 25.

II. Intrinsische Merkmale II.1 Griechische oder nichtgriechische Herkunft Die Herkunft eines ansässigen Fremden nimmt einen besonderen Stellenwert unter den intrinsischen Merkmalen ein. Woher ein ansässiger Fremder stammt, ist zwar nicht immer, aber häufig recht gut festzustellen. Quellen, die eine bestimmte in Athen als Nichtbürger ansässige Person erwähnen, versäumen nur selten die Nennung des Herkunftsortes des oder der Bezeichneten. Dass die Herkunft des ansässigen Fremden in den Quellen in der Regel benannt ist, deutet darauf hin, dass der ansässige Fremde auch noch lange nach seiner Übersiedelung nach Athen Identifikationspunkte mit seiner Heimatpolis beibehält. Das schlägt sich sowohl in der Selbstbeschreibung wie auch in der Beschreibung durch andere, insbesondere durch die Athener, nieder. Das Merkmal Herkunft ist damit eines, das den ansässigen Fremden das ganze Leben in Athen hindurch anhaftet. Auch deshalb verdient es eingehender im Hinblick auf seine Konsequenzen für das Leben der ansässigen Fremden im Athen der klassischen Zeit untersucht zu werden. Nicht zuletzt nimmt die Herkunft eine besondere Stellung unter den intrinsischen Merkmalen ein, weil sie es ist, die einen Fremden definitionsgemäß zu einem Fremden macht. Weil Athen in klassischer Zeit das Ziel zahlreicher Einwanderer aus allen Ecken der bekannten Welt war, ist ihre Herkunft ein Merkmal, das innerhalb der Gemeinschaft der ansässigen Fremden in Athen wohl den größten Variantenreichtum aufweist. Welchen Anteil an der Population Fremde aus der griechischen Welt im Vergleich zu Nichtgriechen gehabt haben, ist nicht genau bestimmbar. Die einzige antike literarische Quelle,1 die einen vagen Hinweis auf die Zusammensetzung der Fremdenpopulation in Athen in der klassischen Zeit hinsichtlich des Verhältnisses zwischen Barbaren und Griechen gibt, stammt von Xenophon und informiert lediglich, dass die Nichtgriechen „viele“ gewesen seien.2 Erschwerend kommt hinzu,

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Vgl. Whitehead 1977, S. 109. Xen. Vect. 2, 3–4.

Griechische oder nichtgriechische Herkunft

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dass diese Bemerkung nicht mehr als den individuellen, vielleicht übertriebenen und nicht zwangsläufig der Realität entsprechenden Eindruck des Verfassers widerspiegelt.3 Aus der Aussage Xenophons kann daher nicht auf eine „barbarization of the metoikía“4 geschlossen werden. Von den mehr als 380 Herkunftsorten der ansässigen Fremden in Athen, die bisher identifiziert werden konnten,5 sind die meisten griechischen Gebieten zuzuordnen.6 Nichtsdestotrotz kamen auch zahlreiche Nichtgriechen nach Athen. Die Unterteilung in Griechen und Nichtgriechen, den héllēnes auf der einen und den bárbaroi auf der anderen Seite, ist das wohl prominenteste Beispiel herkunftsbezogener Differenzierung.7 Das Barbarenbild in den griechischen Quellen wurde in der klassischen Zeit als nahezu vollständiges Gegenbild zur Selbstwahrnehmung der Griechen entworfen.8 Im Zuge dessen ist dieses Fremdenbild nicht nur von einem deutlichen Überlegenheitsanspruch der Griechen gekennzeichnet, sondern auch mit allerlei negativen Zuschreibungen behaftet. So galten die Barbaren bei den Griechen als despektierlich,9 ungebildet10 und außerordentlich grausam.11 Das gänzliche Fehlen militärischer Finesse12 wogen die Barbaren in den Augen der Griechen mit Hinterhältigkeit und Blutdurst13 auf, was sie zu einem nicht zu unterschätzenden Gegner machte.14 Begründet wurden diese Zuschreibungen von den Griechen insbesondere im Sinne eines environmental determinism.15 Demzufolge prägten die Umweltbedingungen in einer Region das Wesen der dort beheimateten Individuen16 und ihrer Nachkommen.17 Wenig überraschend, galten den Griechen dabei ihre eigenen Umweltbedingungen als 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17

„Even if there weren’t that many […], someone could surely claim that there are ‚many‘“ Whitehead 1977, S. 111. Dagegen: Cohen 1992, S. 163 n 219, der Xen. Vect. 2, 3 als Beweis dafür anführt, dass Nichtgriechen einen Großteil der Fremdenbevölkerung in Athen ausmachten. So zu Recht auch schon Whitehead 1977, S. 111. Vgl. Stroszeck 2002, S. 162; Nemeth 2001, S. 331. Vgl. Garland 2014, S. 161; Brandt 1992, S. 194; Whitehead 1977, S. 111. Dabei ist Syrakus der am weitesten entfernte nachgewiesene Herkunftsort eines ansässigen Fremden in Athen, vgl. Nemeth 2001, S. 334. Vgl. Whitehead 1977, S. 112. Vgl. Weiler 1989, S. 55. Demosth. 45, 30. Z. B. Thuk. 2, 97; Hdt. 4, 46. Z. B. Men. Epitr. 895–899. Xen. An. 1, 7, 4; Thuk. 2, 81, 4 und 4, 126. Hdt. 8, 142; Demosth. 23, 135. Auf Vasenbildern sind die Barbaren als gleichwertige Gegner der Griechen dargestellt, vgl. Bäbler 1998, S. 9. Vgl. Isaac 2006, S. 35. Vgl. ebd. Vgl. ebd., S. 38, der auch auf einen sich daraus ergebenden Widerspruch hinweist: So würden die äußeren Bedingungen zur Herausbildung bestimmter Eigenschaften führen, die ihrerseits an die Nachkommen weitergegeben werden, auch ohne dass letztere diesen äußeren Bedingungen ausgesetzt wären, oder durch neue, günstigere Umweltbedingungen von den negativen Eigenschaften befreit werden könnten.

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Intrinsische Merkmale

ideal zur Herausbildung der besten physischen und charakterlichen Eigenschaften.18 Die Entstehung und Entwicklung des Barbarenbildes sind in der Forschung vielfach diskutiert worden. Dabei ist insbesondere die Frage, wann der bárbaros-Begriff seine negative Konnotation erhielt, von Interesse für die vorliegende Arbeit: Die Wandlung des Begriffs zum Negativen könnte einen Hinweis auf Veränderungen in der Gesinnung der Griechen gegenüber den Fremden geben, die wiederum zu einer Differenzierung von griechischen und nichtgriechischen Fremden geführt haben könnten. Die Anfänge der Bezeichnung fremder Ethnien als Barbaren sind etwa in das 8. Jahrhundert zu datieren und dürften in Zusammenhang mit der großen Kolonisation und verstärkter Handelstätigkeit gestanden haben.19 Der Begriff bárbaros referierte dabei auf die Vertreter unterschiedlichster Ethnien20 und bezeichnete diejenigen, die der griechischen Sprache nicht mächtig waren. Ein bárbaros war demnach in der frühen Bedeutung des Wortes ein Fremdsprachiger, wobei hier noch keine negative Konnotation festzustellen ist.21 Bis weit in das 5. Jahrhundert hinein deuten die Textzeugnisse entsprechend auf eine Neugier und Unvoreingenommenheit gegenüber den Barbaren.22 Dies scheint im übrigen nicht nur für gelegentliche Begegnungen mit Barbaren gegolten zu haben, sondern auch für das dauerhafte Zusammenleben: Archäologische Untersuchungen lassen vermuten, dass die Griechen auch gegenüber größeren Gruppen barbarischer Mitbewohner keine Berührungsängste gehabt haben.23 Ethnische Differenz war in der Zeit vor den Perserkriegen kein Inklusionshindernis,24 entscheidend war vielmehr die Bereitschaft des Einzelnen, sich langfristig an die lokalen

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Vgl. Erdtmann 2013, S. 50; Isaac 2006, S. 35f. Eindrucksvolles Beispiel hierfür liefern etwa Aristoteles’ Beobachtungen über die Beschaffenheit der Menschen in verschiedenen Klimagebieten: Aristot. Pol. 1327b 19–1328a 16 sowie Hippokrates’ Schrift Über die Umwelt, vgl. McKechnie 1989, S. 147. Vgl. Erdtmann 2013, S. 50f sowie Dihle 2003, S. 4. Vgl. Weiler 1989, S. 53f. Vgl. ebd., S. 54; Dihle 2003, S. 4; Dihle 1994, S. 47; Erdtmann 2013, S. 51. Ganz offenbar ist die Konnotationslosigkeit von bárbaros in den homerischen Epen, vgl. Erdtmann 2013, S. 52; Jones 1910, S. 208. So fehlt bspw. in der Deutung der Perserkriege des Aischylos jeglicher Überlegenheitsanspruch der Griechen gegenüber den Barbaren, vgl. Dihle 1994, S. 38; Erdtmann 2013, S. 50. Auch bei Herodot offenbart sich eine Bewunderung für viele fremde Kulturen und ein deutliches Bewusstsein hinsichtlich kultureller Differenzen, vgl. Dihle 2003, S. 11 und ähnlich S. 5. Davon zeugt bspw. eine im Geschichtswerk enthaltene Anekdote über die Bestattungsriten verschiedener Völker (Hdt. 3, 38, 3–4). Demnach habe König Dareios einst eine Gruppe von Griechen gefragt, für welchen Preis sie die Leichname ihrer Väter essen würden, statt diese traditionsgemäß zu verbrennen. Empört erklärten die Griechen, dass nichts sie zu so einer Gräueltat brächte (Hdt. 3, 38, 3). Daraufhin fragte Dareios die lokalen Ureinwohner im Beisein der Griechen, was es bräuchte, damit sie die Leichname ihrer Väter verbrannten – und diese empörten sich ihrerseits ob dieses grauenvollen Gedankens (Hdt. 3, 38, 4). Vgl. Erdtmann 2013, S. 58. Vgl. ebd., S. 52; Jones 1910, S. 208.

Griechische oder nichtgriechische Herkunft

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Konventionen zu halten,25 sodass einem Zusammenleben von Griechen und Barbaren, tatsächlich auch im Sinne eines Miteinanders und nicht nur Nebeneinanders, grundsätzlich nichts entgegenstand.26 Der Sieg über die Barbarenmacht in den Perserkriegen, so wurde in der Forschung argumentiert, hat das griechische Selbstbewusstsein aber so sehr gehoben, dass das resultierende Überlegenheitsgefühl zur Pejorisierung des Barbarenbegriffs führte.27 Hinzu tritt, dass die Barbaren in der klassischen Zeit die größte Anzahl von Sklaven in Griechenland ausmachten,28 was zu dem Ruf als ‚Sklavennaturen‘ geführt haben könnte, der den Barbaren anhing.29 Nicht etwa scharfsinnige anthropologische Beobachtungen, welche die Griechen z. B. im Umgang mit ihren Haussklaven machten, sondern eher quantitative Assoziationen führten dabei zu dieser Verbindung – so viele Sklaven schienen Barbaren gewesen zu sein, dass ein ‚natürlicher‘ Zusammenhang naheliegend war.30 Sowohl die vorwiegend barbarische Abstammung der Sklaven in Griechenland als auch der Sieg über die Perser dürften die Pejorisierung des Barbarenbegriffs begünstigt haben.31 Früheste Belege für eine negative Besetzung des Barbarenbegriffs stammen aber nicht etwa aus der Zeit der Auseinandersetzung mit den Barbaren in den Perserkriegen, sondern aus der Zeit innergriechischer Konflikte: Erst in den Dramen des Euripides, die während des Peloponnesischen Krieges aufgeführt wurden, finden sich Hinweise auf eine generelle und ernsthafte Ablehnung der Barbaren.32 Die propagierte Überlegenheit der Griechen gegenüber den Nichtgriechen spielt nicht zufällig erst in diesen Texten des 5. Jahrhunderts eine Rolle.33 Es war dies die Zeit, in der die Athener, überzeugt von ihrem eignen Können und Wissen, nicht nur zusehen mussten, wie sie ihre unangefochtene Vormachtstellung als Seemacht nach und nach einbüßten, sondern auch, wie die griechische Welt insgesamt in die Machtlosigkeit verfiel. Diese

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Vgl. Erdtmann 2013, S. 60, ähnlich auch Gray 2011, S. 62f. Vgl. Erdtmann 2013, S. 59. Vgl. u. a. MacDowell 1993, S. 371; Erdtmann 2013, S. 50; Jones 1910, S. 209; Dihle 2003, S. 10; Dihle 1994, S. 47. Vgl. Bäbler 1998, S. 14f; Burford 1972, S. 44; Finley 1981, S. 104; Hansen 1991, S. 123; Mavrogordatos 2014, S. 42. Dabei gab es auch Griechen, die z. B. durch Kriegsgefangenschaft in die Sklaverei gerieten oder bereits im Kindesalter in die Sklaverei verkauft wurden, vgl. Zelnick-Abramovitz 2005, S. 173. Z. B. Eur. Iph. A. 1400–1402; vgl. dazu Erdtmann 2013, S. 50; Eichler 1992, S. 862f; zu Aristoteles’ phýsei dúlos vgl. u. a. Millet 2007 passim. Vgl. Erdtmann 2013, S. 50; Bäbler 1998, S. 199. Ähnlich auch Erdtmann 2013, S. 50; Jones 1910, S. 209. Vgl. Dihle 1994, S. 47 mit n 30. So ist der thrakische König Polymestor im Drama Hekábē mit allen negativen Eigenschaften ausgestattet, die den Barbaren nachgesagt werden: bspw. Eur. Hek. 54–55 sowie auch 953–960. Vgl. Dihle 1994, S. 47; Dihle 2003, S. 13.

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Intrinsische Merkmale

politische Ohnmacht kam Mächten wie den Persern und Makedoniern zugute,34 was zu deutlichen Animositäten gegenüber diesen und anderen Barbaren führte.35 Das Heraufbeschwören der griechischen Überlegenheit diente so gewissermaßen der Selbstvergewisserung einerseits und der Erhaltung des Kampfeswillens andererseits.36 Etwa ab der zweiten Hälfte des 4. Jahrhunderts war das Motiv vom Barbaren als einem natürlichen Feind fest im Glauben der Griechen verankert,37 und es liegt nahe, dass diese Einstellung auch Konsequenzen für die ansässigen Fremden in Athen hatte. So könnte man vermuten, dass Fremde mit barbarischer Abstammung in Athen schlechter gestellt worden wären als griechische Fremde, was im Folgenden zu prüfen sein wird. Zunächst ist festzuhalten, dass die Pejorisierung des Barbarenbegriffs Nichtgriechen nicht davon abhielt, in Athen ansässig zu werden, und dass sich immer auch nichtgriechische Fremde unter den ansässigen Fremden in Athen befunden haben.38 Die Quellen belegen eine Vielzahl nichtgriechischer Herkunftsorte athenischer ansässiger Fremder. Die Verteilung ethnischer Gruppen unter den Fremden in Athen, sowohl was Freie als auch was Sklaven betrifft, unterlag selbstverständlich Schwankungen; dennoch lassen sich Trends ausmachen.39 Obwohl insgesamt nahöstliche Gebiete häufiger als nördliche Gebiete Herkunftsorte ansässiger Barbaren in Athen waren,40 bilden die Thraker die wohl größte Gruppe nichtgriechischer Fremder.41 Nicht nur sind sie schon seit frühester Zeit als Söldner in Athen belegt;42 darüber hinaus ist der Kult der thrakischen Göttin Bendis der älteste bezeugte fremde Kult im Piraeus,43 und die mit diesem Kult verbundenen Bendideia, an denen Fremde und Athener teilnahmen, waren einzigartig im athenischen Festkalender.44 Neben den Thrakern waren Syrer, Phryger, Karer, Ägypter, Skythen, Zyprioten und Lyder am häufigsten unter den

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Am deutlichsten zeigt sich der den Barbaren aus dem innergriechischen Konflikt entstandene Machtzuwachs wohl in den Festlegungen des Königsfriedens von 387 v. Chr. Hier schafften es die Perser durch kluge Verhandlungen, ihren Einfluss auf die kleinasiatischen Gebiete erheblich auszudehnen – sehr zum Leidwesen der Athener; vgl. Dihle 1994, S. 47–49. Vgl. Dihle 2003, S. 12. Vgl. Klinkott 2007, S. 225; Dihle 2003, S. 3; Brandt 1992, S. 192. Vgl. Mitchell 2006, S. 222. Die Quellen erlauben keine Rückschlüsse darauf, welche Anteile innerhalb der Gemeinschaft der Fremden auf Griechen und Nichtgriechen entfielen. Es scheint aber zumindest plausibel, zu vermuten, dass der Großteil der ansässigen Fremden in Athen aus griechischen Gebieten stammte, vgl. Ginestí Rosell 2012, S. 17; Garland 2014, S. 161; Whitehead 1977, S. 109. Eine eindeutig feststellbare Dominanz der griechischen Fremden über die Nichtgriechen findet sich aber wohl bei der ausschließlichen Betrachtung Freigeborener, vgl. Hansen 1991, S. 119. Vgl. Lewis 2011, S. 104. Vgl. ebd. sowie S. 110; Bäbler 1998, S. 14. Vgl. Lewis 2011, S. 104f. Vgl. Bäbler 1998, S. 183. Vgl. ebd., S. 190. Zum Kult der Göttin Bendis und dessen Verortung im kultischen Kontext der Polis vgl. bspw. Janouchová 2013, S. 95–98; Pache 2001passim; dazu auch Kap. III.5.3. Vgl. Bäbler 1998, S. 191; Wijma 2014, S. 36.

Griechische oder nichtgriechische Herkunft

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nichtgriechischen Fremden in Athen vertreten.45 Belegt sind zudem auch persische ansässige Fremde in Athen,46 sowie Äthiopier47 und Phönizier.48 Bei näherer Betrachtung zeigt sich schnell, dass für die Athener Barbar nicht gleich Barbar war. Eine Differenzierung innerhalb der Gruppe der Nichtgriechen tritt dabei besonders in den Vorurteilen zutage, welche die Athener nicht nur gegen die Barbaren allgemein, sondern auch gegen die jeweiligen Herkunftsgruppen im Besonderen hegten. Ressentiments gegenüber bestimmten Herkunftsgruppen sind bei den Griechen nicht nur aus dem alltäglichen Umgang mit den ansässigen Fremden entstanden, sondern auch im Rahmen ihrer Kolonisationsbemühungen und Handelsbeziehungen.49 Phryger wurden etwa mit den Trojanern in Verbindung gebracht und standen im Ruf nicht nur, verweichlicht zu sein, sondern auch einen Hang zum überschwänglichen Luxus zu haben;50 Thraker galten derweil als besonders stupide.51 Die Abneigung gegen die Karer fand sogar Einzug in den alltäglichen Sprachgebrauch: So mahnte man dazu, gefährliche Experimente erst an einem Karer auszuprobieren,52 und mit jemandem ‚karisch umgehen‘ war Synonym für eine schlechte Behandlung.53 Phönizier galten den Athenern als geldgierig, was vor allem auf ihr Engagement im Handelswesen zurückzuführen sein dürfte.54 Syrer wiederum haben den Spott der Komödiendichter vor allem wegen ihres typischen Verzichts auf Fischspeisen immer wieder aushalten müssen.55 Demgegenüber gibt es aber auch eine Reihe von Beispielen für Völker, denen die Griechen, fasziniert von Reichtum und Alter ihrer Kulturen, weniger polemisch gegenüberstanden.56 So erscheinen die Äthiopier bereits in den frühesten griechischen Schriften als die Verkörperung des ‚guten‘ Barbaren,57 und auch die Perser genossen bis in das 4. Jahrhundert hinein einen guten Leumund unter den Athenern.58 Insgesamt ist davon auszugehen, dass die Athener unterschiedliche Erfahrungen mit nichtgriechischen Völkern machten und dass sich diese zu einem differenzierten

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Vgl. Lewis 2011, S. 104; Stroszeck 2002, S. 162; Bäbler 1998, S. 70 mit Xen. Vect. 2, 3–4. So z. B. der in Hdt. 3, 160, 1 erwähnte Zopyros, vgl. Bäbler 1998, S. 102. Vgl. Bäbler 1998, S. 73. Vgl. ebd., S. 116. Vgl. ebd., S. 164 und 199; Dihle 2003, S. 4. Vgl. Bäbler 1998, S. 156. Vgl. ebd., S. 186. Z. B. Plat. Lach. 187a–b; ähnlich auch Kratinos frgm. 18 [Kassel/Austin] (= PCG IV, S. 132) ; Plat. Euthyd. 285C; vgl. dazu Bäbler 1998, S. 82. Vgl. Bäbler 1998, S. 82; etwa in Diog. Laert. 7, 65. Vgl. Bäbler 1998, S. 117. So etwa in Men. frgm. 631 [Kassel/Austin] (= PCG VI.2, S. 322); AGr VI 24 erzählt wohl von der Weihung eines Fischernetzes durch einen Syrer, vgl. Bäbler 1998, S. 181. Vgl. Dihle 2003, S. 5. Vgl. Isaac 2006, S. 36, mit Verweis auf Hdt. 1, 134. Vgl. Bäbler 1998, S. 105.

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Intrinsische Merkmale

Barbarenbild59 formierten, in dem sich Unterschiede und Gemeinsamkeiten nichtgriechischer Kulturen im Vergleich zu den Griechen, aber auch im Vergleich miteinander, niederschlugen. Dieser Eindruck ergibt sich etwa aus Xenophons Anábasis, in der die Unterschiedlichkeiten einzelner nichtgriechischer Völker, denen der Verfasser auf seiner Reise begegnet, aufmerksam herausgearbeitet werden.60 Ein differenziertes Barbarenbild zeigt sich auch in den Hikétides des Aischylos,61 wo sich die Ägypter, ruppige und gewaltbereite Draufgänger,62 und die Danaiden, bescheiden, überlegt und klug, aber nichtsdestoweniger Barbaren,63 gegenüberstehen.64 Es sind vor allem die ‚griechischen Eigenschaften‘, insbesondere das Verhältnis zu den griechischen Göttern,65 welche der Dichter den Danaiden zuschreibt und den Ägyptern abspricht, die darauf hindeuten, dass die Athener sich sehr wohl dessen bewusst waren, dass einige Barbarenvölker ihnen und ihrer Kultur näher standen als andere.66 Dieser Aufzählung eingedenk wurde vielfach konstatiert, dass die Athener den östlichen Nichtgriechen toleranter gegenübergetreten seien als den nördlich und im Schwarzmeerraum angesiedelten Völkern.67 Erklärt wird diese unterstellte Neigung der Athener damit, dass insbesondere diejenigen Orte, welche die Vielzahl der Sklaven in Athen stellten, in Verruf geraten seien.68 Diese Behauptung hält einer näheren Überprüfung jedoch nicht stand. Zum einen steht es zwar außer Frage, dass westliche und nördliche Gebiete wie Thrakien wichtige Lieferanten von Sklaven nach Athen waren;69 allerdings galt das für östliche Gebiete gleichermaßen: Die athenische Komödie, der viele der genannten Beispiele für Ressentiments gegenüber nichtgriechischen Fremdethnien entstammen, erweckt zumindest den Eindruck einer recht gleichmäßigen Verteilung nahöstlicher, westlicher und nördlicher Ethnien unter den athenischen Sklaven.70 Sklaven aus östlichen Gebieten treten in den Komödien nämlich nicht we59 60

Darauf weist bereits Mitchell 2006, S. 220–223 hin. Beispielhaft kann hier auf die kurz aufeinander folgenden Beschreibungen verschiedener fremder Völker in Xen. An. 5, 4, 30–5, 5, 6 verwiesen werden; vgl. Mitchell 2006, S. 223. 61 Vgl. ebd., S. 220. Zu den Hikétides des Aischylos vgl. S. 41 n 128. 62 Vgl. Mitchell 2006, S. 211. 63 Dies zeigt sich vor allem darin, dass die Argiver die Notwendigkeit empfinden, den Danaiden das Prinzip der Metoikie detailreich zu erklären, da sie offensichtlich davon ausgehen, dass die Neuankömmlinge mit diesem griechischen Konzept nicht vertraut sind (z. B. Aischyl. Hik. 370–375), vgl. Bakewell 1997, S. 212. Ähnlich auch Mitchell 2006, S. 214. 64 Vgl. Mitchell 2006, S. 220, ähnlich Bäbler 1998, S. 70. 65 Während die Danaiden die griechischen Götter um Hilfe anrufen, (Zeus [Aischyl. Hik. 212], Apollon [Aischyl. Hik. 214], Poseidon [Aischyl. Hik. 218] und Hermes [Aischyl. Hik. 220]), lehnt der Herold der Ägypter es ab, die Götter der Griechen anzuerkennen (Aischyl. Hik. 893–894 sowie 921–923), vgl. Mitchell 2006, S. 217. Hinzu tritt auch die griechische Abstammung der Danaiden, vgl. Mitchell 2006, S. 216. 66 Vgl. Mitchell 2006, S. 216. 67 U. a. Dihle 2003, S. 4–6 und 9; Isaac 2006, S. 36; Lewis 2011, S. 100; Bäbler 1998, S. 105. 68 Vgl. Lewis 2011, S. 110. 69 Vgl. Harding 1987, S. 178; Dihle 2003, S. 9; Lewis 2011, S. 99; Ginestí Rosell 2014, S. 249. 70 Vgl. Lewis 2011, S. 100 und 102.

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niger häufig auf als Sklaven aus anderen Regionen, und in einer Gattung, die sich mehr als jede andere dem alltäglichen Leben in Athen widmet, dürfte die Repräsentation der Sklaven verschiedener Herkunft in etwa auch der tatsächlichen alltäglichen Wahrnehmung des Publikums entsprochen haben71 oder zumindest hinreichend plausibel gewesen sein.72 Ergänzend kommt hinzu, dass der durchschnittliche Preis für einen Sklaven aus dem Osten und der für einen Sklaven aus nördlichen Gebieten etwa gleich war.73 Zwar gab es wohl die Überlegung, ob einige Regionen bessere Sklaven hervorbrachten als andere,74 aber die Herkunft schien kein ‚Qualitätsmerkmal‘ zu sein: Woher ein Sklave kam, schien sich nicht auf den Preis ausgewirkt zu haben und musste bei seinem Verkauf – anders als in Rom – nicht einmal angegeben werden.75 Zum anderen scheinen viele der vorgenannten Zuschreibungen nicht so sehr im Umgang mit Sklaven einer bestimmten Herkunft entstanden zu sein, sondern mit freien Personen dieser Abstammung, und insgesamt auch gar nicht in Bezug zur Sklaverei zu stehen. Hier ist etwa an die Phönizier zu denken, die den Ruf der Geldgier vor allem ihrer Handelsaktivität zu verdanken hatten76 und dem Erfolg einiger von ihnen im

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Vgl. Lewis 2011, S. 102. Dass eine Verbindung zwischen der Repräsentation von Sklaven fremder, nichtgriechischer Ethnien und ihrer tatsächlichen Anwesenheit im athenischen Alltag durchaus besteht (wie von Lewis 2011, S. 100–102 vorgeschlagen), zeigt das Beispiel der Skythen: Insbesondere skythische Bogenschützen waren den Athenern ein gewohnter Anblick (vgl. Stroszeck 2002, S. 165), was sich ab etwa der Mitte des 6. Jahrhunderts auch in der attischen Vasenmalerei widerspiegelt (vgl. Bäbler 1998, S. 164). Um das Jahr 480 enden diese Darstellungen allerdings abrupt, was allgemein auf ein Verschwinden der skythischen Bogenschützen aus Athen zurückgeführt wird: Zu dieser Zeit könnte die von den Persern ausgehende Gefahr so groß gewesen sein, dass die Skythen ihre Männer selbst brauchten und weniger Sklaven nach Athen lieferten (vgl. ebd., S. 169). Einschränkend für die These von Lewis ist aber auch zu bedenken, dass nichtgriechische Bogenschützen, auch skythische, weiterhin in den Komödien des Aristophanes auftauchen, auch nach dem Verschwinden ihrer Darstellung von den attischen Vasen (vgl. ebd.). Das könnte zumindest darauf hindeuten, dass die numerische Repräsentation nichtgriechischer Ethnien in Komödien nur einen eingeschränkten Blick auf ihren tatsächlichen Anteil erlaubt. Vgl. Lewis 2011, S. 95 sowie Pritchett/Pippin 1956, S. 278, die den Durchschnittspreis für einen Sklaven aus den östlichen Gebieten mit 179 ½ Drachmen und für einen Sklaven aus den westlichen Gebieten mit 173 Drachmen angeben. Eingedenk dessen kommen Pritchett et al. zu dem Schluss, dass der Preis eines Sklaven durch andere Faktoren als die Herkunft bestimmt worden sei, vgl. Pritchett/Pippin 1956, S. 278. Aristot. Oec. 1344b, 12–14; vgl. Lewis 2011, S. 94. Hierunter fällt auch der hin und wieder auftretende Gedanke, dass sich einige Ethnien besonders gut für bestimmte Aufgaben eignen oder in einem Bereich besonders talentiert seien. Zu denken wäre da bspw. an die Skythen, die aufgrund des ihnen zugeschriebenen Talents im Bogenschießen als Schützen und Wachleute eingesetzt wurden: Aristoph. Ach. 703–712, vgl. Stroszeck 2002, S. 165; MacDowell 1993, S. 363. Vgl. Lewis 2011, S. 95; dagegen Isaac 2006, S. 36. Vgl. Bäbler 1998, S. 120.

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Intrinsische Merkmale

athenischen Bankwesen.77 Der hohen Zahl aufwändig gestalteter Grabstelen zufolge78 zählten Phönizier in Athen außerdem zu den wohlhabendsten Nichtbürgern, was sicherlich auch zu jener Nachrede beigetragen hat. Dies steht nicht oder zumindest nur entfernt im Zusammenhang mit der Region Phönizien als Quelle für Sklaven. Dass ein reger Sklavenhandel nicht gleich ein ganzes Volk in Verruf brachte, wird auch dadurch deutlich, dass die Thraker, einer der größten Lieferanten von Sklaven nach Athen,79 sogar einen eigenen Kult im Piräus begründen durften. Ein solches Entgegenkommen deutet darauf hin, dass die thrakischen Einwanderer den Athenern teuer waren,80 wenngleich auch sie nicht vor Vorurteilen gefeit waren. Es ist auch die Veränderung der Einstellung der Athener gegenüber den Barbaren über die Zeit,81 die nahelegt, dass die Versorgung mit Sklaven aus einer bestimmten Region gar keinen so großen Stellenwert in der Meinungsbildung der Athener gehabt hat. Einerseits ist die negative Besetzung des Barbarenbegriffs erst im 5. Jahrhundert zu verorten, obwohl es Sklaven aus diesen Gebieten bereits viel länger gegeben haben dürfte. Andererseits ist die immer mehr ins Negative gewendete Einstellung der Athener gegenüber den Persern ein gutes Beispiel dafür, dass nicht etwa ein intensiver Sklavenhandel das Bild dieser Region bestimmt, sondern vor allem das aktuelle Verhältnis zu Athen. Zusammenfassend darf davon ausgegangen werden, dass die Athener ein differenziertes Barbarenbild pflegten, das Unterschieden zu und Gemeinsamkeiten mit ihrer eigenen, griechischen Kultur, aber auch der fremden Kulturen untereinander, Rechnung trug. Dabei sind keine stärkeren Vorurteile gegen nördlichere und westlichere Ethnien als gegenüber östlichen Kulturen festzustellen; im Gegenteil hatten die Athener gegen Ethnien aus allen Gebieten gewisse Ressentiments. Das heißt aber nicht, dass die Athener allen Ethnien mit demselben Grad an Aufgeschlossenheit oder Vorbehalt entgegentraten. Es erhärtet sich der Verdacht, dass nicht etwa die einer bestimmten Kultur innewohnenden Eigenschaften, wie intensiver Sklavenhandel, die Einstellung der Athener maßgeblich bestimmten, sondern das Verhältnis, das die Vertreter dieser Kultur mit Athen pflegten.82 Tatsächlich wäre es viel einleuchtender zu vermuten, dass ein intensiver Export von Sklaven die Pflege von Handelsbeziehungen begünstigte und damit sogar zur Wertschätzung des Anderen als Partner beitragen könnte. Zynisch formuliert, trägt der Sklavenhandel so zur Völkerverständigung bei.

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Zu denken ist hier insbesondere an Pasion und Phormion; zu ansässigen Fremden, insbesondere Freigelassenen, im Bankwesen vgl. S. 146f sowie 243f. Dass beide ihre Karriere als Sklaven begonnen haben, tut diesem Argument keinen Abbruch, vgl. Bäbler 1998, S. 120f. Vgl. Bäbler 1998, S. 204. Vgl. Harding 1987, S. 178. Vgl. Wijma 2014, S. 36. Vgl. Mitchell 2006, S. 223. Ähnlich auch schon Takabatake 1988, S. 455.

Griechische oder nichtgriechische Herkunft

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Es wird darin deutlich, dass die nichtgriechische Herkunft eines Fremden ein Differenzierungsmerkmal für die Athener darstellte, zumindest insofern sie von Interesse war und wahrgenommen wurde. Ob das aber auch einen Einfluss auf das Leben der nichtgriechischen Fremden in Athen hatte, bleibt zu untersuchen. Es stellen sich zwei Fragen: Erstens, ob verschiedene nichtgriechische Herkunftsgruppen auch einen anderen Status in Athen genossen, und zweitens, ob eine nichtgriechische Herkunft angesichts der scheinbar negativen Haltung der Athener gegenüber den Barbaren, zumindest in späterer Zeit, generell ein Problem darstellte. II.1.1 Nichtgriechen in Athen Eine nichtgriechische Abstammung war kein grundsätzliches Hindernis, sich in Athen einen Namen zu machen. Das illustriert etwa die Existenz von Ehrenmonumenten für nichtgriechische Fremde in Athen.83 Allerdings ist festzustellen, dass nichtgriechische Honoranten in den erhaltenen Ehrendekreten an griechische Nichtathener in der Unterzahl sind: Von insgesamt 144 erhaltenen und auswertbaren Inschriften aus der Zeit zwischen 403 und 336 sind nur 19 für nichtgriechische Fremde bestimmt.84 Es darf davon ausgegangen werden, dass die inschriftliche Überlieferung eine Zufallsauswahl aller Dekrete darstellt.85 Das bedeutet, dass die 144 auswertbaren Inschriften zwar nicht die absolute, aber die relative Verteilung der Herkunft der Honoranten repräsentieren. Folgerichtig deutet der epigraphische Befund also darauf hin, dass Ehrungen von den Athenern im 4. Jahrhundert häufiger an griechische Fremde denn an nichtgriechische Fremde vergeben wurden.86 83 84

85 86

Z. B. IG II2 7967 (Stele für Hermaios aus Ägypten) und IG I3 1344 (Stele für den Karer Tymnes), beide Beginn 4. Jahrhundert v. Chr.; vgl. auch Bäbler 1998, S. 84. Vgl. Hagemajer Allen 2003 passim. Hagemajer Allen untersucht in ihrem Aufsatz die inschriftlichen Belege der athenischen Außenpolitik im 4. Jahrhundert (vgl. ebd., S. 202), die, von wenigen Ausnahmen abgesehen, vor allem aus Ehrendekreten bestehen (vgl. ebd. sowie S. 204). Von den insgesamt 263 Inschriften aus der Zeit zwischen 403 und 336, welche außenpolitische Entscheidungen der Athener belegen, kann die Herkunft der Honoranten in 144 Inschriften eindeutig bestimmt werden. Dabei stammen 125 Honoranten aus griechischen und 19 Honoranten aus nichtgriechischen Gebieten (vgl. ebd. S. 204). Hinzu treten drei weitere Dekrete, deren Honoranten Hagemajer Allen als wahrscheinliche Nichtgriechen vermutet, die aber aufgrund fehlender Identifikation in der zugehörigen Inschrift nicht eindeutig als solche zu beweisen sind (vgl. ebd. S. 207). Vgl. Hagemajer Allen 2003, S. 210. Hagemajer Allen zieht diese Schlussfolgerung nicht. Stattdessen weist sie darauf hin, dass die numerische Dominanz griechischer Honoranten auch in der unterschiedlichen Frequenz begründet sein könnte, mit der die Athener die Ehrungen für Griechen und Nichtgriechen ‚zu Stein brachten‘ (vgl. Hagemajer Allen 2003, S. 210). Eine Begründung für diese Vermutung bleibt Hagemajer Allen jedoch schuldig. Dagegen ist mir keine Quelle bekannt, die darauf hinweisen würde, dass die Inschriftenpraxis für griechische und nichtgriechische Honoranten unterschiedlich gewesen wäre, und es scheint auch nicht plausibel. Wenn man bedenkt, dass Ehreninschriften Garanten für die Erfüllung der Ehrenversprechen einerseits und Ansporn für andere potenzielle Wohltäter

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Intrinsische Merkmale

Es wäre leicht zu vermuten, dass sich bei der Vergabe der Ehrungen die negative Einstellung der Athener gegenüber den Barbaren in ihrem Handeln widerspiegelt: Aufgrund ihrer Ressentiments gegenüber den bárbaroi verliehen die Athener Ehrungen vielleicht bereitwilliger an Griechen als an Nichtgriechen. So könnte schnell geschlussfolgert werden, dass es für Nichtgriechen schwieriger war, einen Ehrenstatus in Athen zu erlangen, als für griechische Fremde. Allerdings ist bei dieser Schlussfolgerung Vorsicht geboten: Die Vergabe von Ehrungen an Nichtathener, egal ob Griechen oder Nichtgriechen, ist ein diplomatischer Akt,87 und dass überwiegend Griechen unter den Honoranten waren, mag darin begründet sein, dass die Athener (zahlenmäßig) mehr diplomatische Beziehungen zu anderen Griechen knüpften als zu Nichtgriechen.88 Damit würde sich in der Überzahl griechischstämmiger Honoranten nur die diplomatische Ausrichtung der athenischen Außenpolitik und nicht etwa eine Ablehnung der Barbaren widerspiegeln. Hinzu kommt, dass die Distribution der einzelnen Ehrungen in den Gruppen der Griechen und der Nichtgriechen in etwa gleich ist.89 Dabei wäre doch zu vermuten, dass, wenn ideologische Vorbehalte die Vergabe von Ehrungen bestimmten, bei den Nichtgriechen häufiger wenig prestigeträchtige Ehrungen,90 wie Kronen und Belobigungen, zu finden wären. Tatsächlich ist der relative Anteil derjenigen, die das Bürgerrecht, die wohl höchste Ehrung,91 erhalten haben, unter den nichtgriechischen Honoranten sogar höher als unter den griechischen.92 Gleiches gilt im übrigen auch für die Proxenie: Wenn es zuträglich schien, ernannten griechische Gemeinden durchaus auch Barbaren zu próxenoi.93 Mit anderen Worten: Nicht-griechischstämmige Honoranten hatten dieselbe Chance auf eine bestimmte Ehrung wie griechisch-stämmige, und eine nichtgriechische Abstammung war für die Athener kein Grund, auf die Vergabe einer Ehrung zu verzichten.94 Insgesamt lässt sich sagen, dass eine nichtgriechische Abstammung kein Ausschlusskriterium und mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht einmal ein Hindernis für die Akquirierung von Ehrungen darstellte.95

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Athens andererseits darstellen (vgl. Lambert 2011, S. 193f sowie auch Kap. III.7.1 zur Praxis der Privilegienvergabe), dann ergibt sich daraus meines Erachtens kein Grund, warum griechische und nichtgriechische Fremde hier unterschiedlich behandelt worden sein sollten, und damit auch kein Anlass, die Repräsentativität des Korpus anzuzweifeln. Vgl. Hagemajer Allen 2003, S. 202. Vgl. ebd., S. 210. Vgl. ebd., S. 213f. Zur Bedeutung und Vergabepraxis von Ehrungen s. Kap. III.7.1. Vgl. Lambert 2006, S. 115; vgl. hierzu die Ausführungen zur politeía in Kap. III.7.6. Während 7 % aller griechischen Ehrenempfänger das Bürgerrecht erhielten, waren es unter den Nichtgriechen 10 %, vgl. Hagemajer Allen 2003, S. 213. Vgl. Mack 2015, S. 130; Hagemajer Allen 2003, S. 231. Vgl. Hagemajer Allen 2003, S. 212. Vgl. ebd.; Fisher 2010, S. 344; Mack 2015, S. 50.

Griechische oder nichtgriechische Herkunft

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Als Paradebeispiel für einen erfolgreichen Nichtgriechen in Athen darf Pasion gelten.96 Um 43097 in Phönizien geboren,98 kam Pasion als Sklave nach Athen.99 Bei seiner Tätigkeit in der Bank seiner Besitzer Archestratos und Antisthenes erwies sich Pasion als vertrauenswürdig und außerordentlich talentiert im Geschäftemachen,100 sodass ihm nach einiger Zeit nicht nur die Freiheit geschenkt, sondern auch die Bank vermacht wurde.101 Mit der Zeit wurde Pasion so zu einem der erfolgreichsten und angesehensten Bewohner Athens:102 Nicht nur besaß er ein immenses Vermögen,103 sondern er bekam auch das athenische Bürgerrecht zugesprochen.104 Pasions Aufstieg ist zweifelsohne bemerkenswert, aber wahrscheinlich nicht unbedingt einzigartig,105 denn nichtgriechische ansässige Fremde dürften für die Athener in allen sozialen Schichten nicht ungewöhnlich gewesen sein.106 Die Möglichkeit, sich auch als Nichtgrieche in Athen zu etablieren, gab es also, doch bedeutet dies nicht, dass der Aufstieg den Zugezogenen besonders leicht gemacht wurde. In der Realität war die Bezugnahme, stellenweise sogar als ein Vorwurf, auf eine nichtgriechische Herkunft keine Seltenheit. So wurde die Betonung einer nichtgriechischen Abstammung als eine Möglichkeit vor Gericht genutzt, den Gegner beim Publikum in Misskredit zu bringen,107 wenngleich bei weitem nicht in dem Maße, in dem die Forschung108 dies bisweilen vermutete.109 Im Kern ging es nämlich bei der Dis96 97 98

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Vgl. Bäbler 1998, S. 120 und ähnlich S. 89. Zur nichtgriechischen Abstammung Pasions s. Trevett 1992, S. 1. Pasions Geburtsjahr kann nur annähernd bestimmt werden, vgl. dazu Trevett 1992, S. 1. Zur Rekonstruktion der Biografie des Pasion: Davies 1971, S. 427–442 (= APF 11672 Πασίων). Vgl. Deene 2011, S. 164; Trevett 1992, S. 1. Dass Pasion einen griechischen Namen trägt, obwohl er wahrscheinlich aus Phönizien, sicher aber nicht aus Griechenland (vgl. Trevett 1992, S. 1), stammt, darf nicht verwundern: Viele in Athen lebende Phönizier gaben sich selbst griechische Namen (vgl. Ginestí Rosell 2014, S. 250 sowie Ginestí Rosell 2012, S. 107f). Diese sind oft Übersetzungen des phönizisch-theophoren Namens und entstanden durch Gleichsetzung der griechischen und phönizischen Gottheiten, so z. B. die Benannten in IG II2 9035, IG II2 9034, IG II2 10270 und IG II2 8388, vgl. Ginestí Rosell 2014, S. 250 sowie Ginestí Rosell 2012, S. 108. Demosth. 36, 43 und Demosth. 36, 45; vgl. Deene 2011, S. 164. Demosth. 36, 43–44, ähnlich auch: Isokr. 17, 6. Demosth. 36, 43 sowie Isokr. 17, 4. Dazu auch Deene 2011, S. 164; Davies 1971, S. 429 (= APF 11672 Πασίων II). In welcher Form die Übertragung der Bank auf Pasion stattgefunden hat, ist nicht abschließend zu klären. Deene 2011, S. 164 vermutet eine Schenkung aufgrund von Pasions geschäftlichen Geschicken, von denen Demosth. 36, 43 zeugt. Pasions Leben und Karriere werden im Verlauf dieser Arbeit noch häufiger eine Rolle spielen; zu seinem sozialen Aufstieg siehe S. 244 sowie 272f. Das Vermögen des Pasion soll bei seinem Tod etwa 70 Talente betragen haben, wie Demosth. 36, 5 berichtet; dazu auch Deene 2011, S. 164. Demosth. 59, 2. Vgl. Deene 2011, S. 165. Vgl. Bäbler 1998, S. 200. Z. B. in Hyp. 3, 3. Vgl. Isaac 2004, S. 355; Kears 2013, S. 6; Seager 1966, S. 180. U. a. Isaac 2004, S. 355; Kears 2013, S. 6; Seager 1966, S. 180; Jones 1910, S. 208; Whitehead 1977, S. 112. Wie MacDowell 1993, S. 359 feststellt.

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Intrinsische Merkmale

kreditierung eines Fremden vor Gericht nicht so sehr darum, dass er kein Grieche war, sondern in erster Linie war er kein Athener110 und hatte demnach auch keinen Anteil und entsprechend, so der Vorwurf, auch kein Interesse am Wohl der Polis.111 Anders verhält es sich aber mit Spott: Scherze werden nur über eine nichtgriechische Herkunft gemacht.112 Dabei werden die bestimmten Völkern zugeschriebenen Eigenschaften als komisches Moment gebraucht,113 aber auch das Fremdsein an sich und damit verbunden der von einigen anscheinend öfter unternommene Versuch, Athener zu werden.114 Bemerkenswert ist dabei, dass solche Scherze nicht nur tatsächliche Fremde trafen, sondern auch Athener:115 Euathlos etwa wird von Aristophanes als skythischer Wildling116 bezeichnet, obwohl er ein athenischer Bürger war.117 Es scheint nicht unerheblich zu sein, dass zwar Witze über eine barbarische Abstammung gemacht wurden, aber dies vor Gericht gegenüber der nichtathenischen Identität zurücktrat. Es darf sicherlich angenommen werden, dass ein Redner vor Gericht alle Register zog, um seinen Kontrahenten zu diskreditieren.118 Aber dann wäre es doch zu erwarten, dass eine nichtgriechische Abstammung ebenfalls gegen den Gegner vorgebracht worden wäre – zumindest, wenn die barbarische Herkunft einer Person geeignet wäre, diese in ein schlechtes Licht zu rücken. Es scheint, dass die zugeschriebene Unterlegenheit der Nichtgriechen und die diversen Zuschreibungen an die verschiedenen Völker in der Komödie zwar genutzt wurden, um allerlei Assoziationen119 zu wecken, im ‚realen‘ Kontext aber den einzelnen Personen nicht vorgehal-

110 Vgl. Seager 1966, S. 180; ähnlich Rubinstein 2018, S. 6; Whitehead 1977, S. 113f; Todd 1993, S. 194; Kears 2013, S. 122. 111 So z. B. in Aeschin. 2, 22; vgl. Seager 1966, S. 180; Vlassopoulos 2009, S. 355f. 112 Vgl. Bäbler 1998, S. 200; MacDowell 1993, S. 370f, Kaimio 1999, S. 55. Es war vor allem das sich entwickelnde Überlegenheitsgefühl der Athener gegenüber den Barbaren und die damit einhergehenden Vorurteile gegen sie, welche die Zuschreibung einer nichtgriechischen Abstammung in Aristophanes’ Zeit komisch erscheinen ließen, vgl. MacDowell 1993, S. 371. 113 So wird Euathlos etwa als skythischer Wilder bezeichnet, Aristoph. Ach. 703–712; vgl. MacDowell 1993, S. 362; dazu auch Whitehead 1977, S. 112. 114 So könnte die Bemerkung in Aristoph. Av. 11, dass Exekestides sehr gut darin sei, nach Athen zu gelangen, darauf hindeuten, dass er sich unter die Bürgerschaft gemogelt hat, obwohl ihm das Bürgerrecht nicht zustand, vgl. MacDowell 1993, S. 365. Ähnlich auch Aristoph. Av. 31–32 über den Dichter Akestor, vgl. MacDowell 1993, S. 366 und Kaimio 1999, S. 57. 115 Vgl. MacDowell 1993, S. 359; Kaimio 1999, S. 56; Vlassopoulos 2009, S. 356. 116 Aristoph. Ach. 704: Σκυθῶν ἐρημίᾳ. Diese Bezeichnung ist wohl eine Anspielung auf die Heimat der Skythen: Als Nomaden lebten sie ursprünglich in der südrussischen Steppe, vgl. Stroszeck 2002, S. 165. 117 Der Bürgerstatus des Euathlos ergibt sich aus dem Umstand, dass er vor der Ekklesia sprechen durfte und zudem auch einige Klagen eingebracht hat, vgl. MacDowell 1993, S. 363f. Diese beiden Rechte waren athenischen Bürgern vorbehalten. Einen ähnlichen Sachverhalt vermutet MacDowell auch in Aristoph. Batr. 679–681, wo Kleophon als Sohn einer Thrakerin bezeichnet wird. 118 Vgl. z. B. Kears 2013, S. 6. 119 Vgl. Seager 1966, S. 180. So z. B. in Hyp. 3, 3, wo die Herkunft des Beklagten aus Ägypten den Eindruck verstärken soll, dass ihm nicht zu trauen sei.

Griechische oder nichtgriechische Herkunft

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ten wurden.120 Eine nichtgriechische Abstammung taugte demnach anscheinend zum Scherz, aber nicht zum Vorwurf gegen eine bestimmte Person. Nichtsdestotrotz gab es durchaus Kontexte, in denen Nichtgriechen aufgrund ihrer Herkunft anders behandelt wurden, z. B. indem sie explizit ausgeschlossen wurden. Das betraf etwa die aktive Teilnahme an den Olympischen Spielen, die Nichtgriechen wohl verwehrt werden konnte,121 und traf vielleicht auch auf die anderen Panhellenischen Agone zu.122 In anderen religiös-kultischen Kontexten hingegen finden sich keine Belege für einen expliziten Ausschluss von Nichtgriechen. Zwar gibt es Beispiele dafür, dass der Zugang zu einzelnen Heiligtümern oder Kulten Personengruppen aufgrund ihrer Herkunft bisweilen verboten wurde.123 Ein Beispiel dafür, dass der Zutritt zu einem bestimmten Heiligtum explizit nur auf Griechen beschränkt wurde, ist aber nicht überliefert:124 Wenn Nichtgriechen der Besuch eines Heiligtums verwehrt wur-

120 Ähnlich auch Kaimio 1999, S. 58. 121 Herodot berichtet etwa, dass Kontrahenten des Makedonenkönigs Alexandros versucht hätten, seine Beteiligung an den Olympischen Spielen zu verhindern, indem sie ihn als bárbaros denunzierten. Erst als Alexandros seine hellenische Abstammung belegt hatte, durfte er am Wettlauf teilnehmen: Hdt. 5, 22; vgl. Stroszeck 2002, S. 164; Funke 2006, S. 9. Die letztendliche Entscheidung, wer teilnahmeberechtigter Grieche war und wer nicht, lag also wohl bei den Kampfrichtern, die trotz festgelegter Kriterien (vgl. Funke 2006, S. 9 mit n 31) einen relativ großen Entscheidungsspielraum hatten. Dementsprechend gibt es Belege für Nichtgriechen, die an den Olympischen Spielen teilgenommen haben (vgl. Nielsen 2014, S. 136), bei denen es sich aber auch um Einzelfallentscheidungen handeln könnte und die daher nicht eine grundsätzliche Zulassung von Nichtgriechen belegen. 122 Der Ausschluss von Nichtgriechen von den Panhellenischen Agone geht aus den Quellen nicht eindeutig hervor. Einen grundsätzlichen Ausschluss proklamiert bspw. Funke 2006, S. 9 mit Verweis auf Hdt. 5, 22 (ebd. n 31). Aus dieser Quellenstelle geht aber nur der Ausschluss der Nichtgriechen von den Olympischen Spielen hervor. Plutarch (Plut. Mor. 418a) bemerkt zwar, dass alle Griechen bei den Pythischen Spielen eingebunden worden seien. Da es hier aber um den Besuch der Spiele und nicht um die aktive Teilnahme geht, der nicht mal bei den Olympischen Spielen nur Griechen vorbehalten war (Funke 2006, S. 9; Anagnostopoulou/Koliadis 2006, S. 90), könnte damit auch einfach das Zielpublikum gemeint sein, ohne zu behaupten, dass andere Ethnien ausgeschlossen waren. Für die Isthmischen Spiele bemerkt Polybios (Pol. 2, 12, 8), dass im Jahr 228 erstmalig Römer zugelassen worden sind. Jedoch ist nirgends expliziert, dass diese die ersten Nichtgriechen waren, die an den Isthmischen Spielen teilnahmen und damit nicht ausgeschlossen, dass andere bárbaroi daran teilnehmen konnten (dagegen Schneider in RE s. v. Isthmia, Sp. 2251). Das schwerwiegendste Indiz für den Ausschluss von Nichtgriechen sind derweil die Siegerlisten (vgl. Klee 1918, mit S. 71–76 zu den Olympischen Spielen, S. 76–88 zu den Pythischen Spielen, S. 88–98 für die Isthmischen Spiele; S. 98–108 für die Nemeischen Spiele sowie die Siegerliste Panhellenischer Spiele (IACP III.16) in Hansen/Nielsen (Hrsg.) 2004, S. 1350f), auf denen keine Nichtgriechen verzeichnet sind. Auf der anderen Seite gibt es keine Belege, dass einer Person aufgrund ihrer Abstammung die Teilnahme an einem der Panhellenischen Agone verwehrt worden ist, vgl. Nielsen 2014, S. 136. 123 Dazu S. 22. 124 Vgl. Funke 2006, S. 9, der diesen Umstand überzeugend damit begründet, „dass es dem polytheistischen Denken der Griechen widersprochen hätte, Fremde im Sinne von Andersgläubigen von den Kulten grundsätzlich auszuschließen.“

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Intrinsische Merkmale

de, dann nur im Rahmen einer Festlegung, die alle Fremden ausschloss.125 Hier scheint also nicht die fehlende griechische Abstammung, sondern vielmehr die fehlende Zugehörigkeit zur jeweiligen (lokalen) Gemeinschaft entscheidend gewesen zu sein. Das wird insbesondere dort deutlich, wo Sklaven, die vorwiegend keine Griechen waren, und ansässigen Fremden die Teilnahme an verschiedenen Kulten erlaubt wurde, während sie anderen Fremden verwehrt blieb:126 Maßgebend war, dass sie dauerhaft in der Polis lebten, und anscheinend nicht, woher sie ursprünglich kamen.127 Vom eventuellen Ausschluss von allen oder einigen der Panhellenischen Spiele abgesehen, ist nicht bekannt, dass es spezielle Praktiken oder Reglements gab, die nichtgriechische ansässige Fremde schlechter stellten als griechische. Ganz im Gegenteil weisen die Quellen sogar an vielen Stellen darauf hin, dass sich auch ansässige Fremde nichtgriechischer Herkunft gut in die Gemeinschaft einfügen konnten.128 So zeugen etwa die Grabstelen von Nichtgriechen in Athen von einem hohen Grad der Anpassung an die lokalen Gepflogenheiten und von der Bemühung, einige athenische Standards zu übernehmen.129 Gleichzeitig zeichnen sich die Grabsteine von Nichtgriechen aber auch durch Eigenheiten aus:130 So wird auf den Epitaphen häufig auf besondere berufliche Leistungen des Verstorbenen verwiesen,131 und einige tragen sogar zweisprachige Inschriften.132 Umgekehrt zeigt sich bei der Betrachtung der Gräber auch die Toleranz der Athener gegenüber den nichtgriechischen Einwohnern: Das Grabluxusgesetz scheint für Bestattungen von Fremden weit weniger streng gehandhabt worden zu sein als für Athener.133 Zudem werden auch bezüglich der Bestattungsorte keine

125 So war Fremden grundsätzlich der Zugang zum Heraion in Amorgos verboten: IG XII 7, 2 Z. 10; vgl. Funke 2006, S. 4. Auch im argivischen Heiligtum der Hera durften Fremde nicht opfern: Hdt. 6, 81, 1; vgl. Butz 1996, S. 84. 126 Vgl. Funke 2006, S. 3; dazu Kap. III.5.2, insbesondere S. 296. 127 Ähnlich Funke 2006, S. 3; Brandt 1992, S. 192 sowie Gray 2011, S. 62f. 128 Vgl. Ginestí Rosell 2012, S. 139. Dihle 2003, S. 13 verweist in diesem Zusammenhang darauf, dass Isokrates (Isokr. 8, 50) jeden als Griechen anerkennen wollte, der an der griechischen Bildung teilhatte. 129 Vgl. Bäbler 1998, S. 201; Fisher 2010, S. 344; Ginestí Rosell 2014, S. 249; Bergemann 1997, S. 147f. 130 Zur Darstellung der ansässigen Fremden auf Grabstelen: Bergemann 1997, S. 146–148. 131 Beispiele hierfür bilden etwa die Grabstele des Sosinos aus Gortyn, der sich als Schmied darstellen lässt (Bergemann 1997, 77, 3–4 = ebd. CAT 1.202), oder das Grabmal des in seinem Beruf dargestellten Flötenspielers Potamon aus Theben (Bergemann 1997, CAT 2.235), vgl. Bergemann 1997, S. 147f; Bäbler 1998, S. 204. Eine vergleichbare Bezugnahme auf den Beruf der Verstorbenen findet sich in bürgerlichen Grabstelen nicht, vgl. Bergemann 1997, S. 147 mit n 187. 132 Z. B. IG II2 10270 und IG II2 8388, vgl. Ginestí Rosell 2014, S. 250 sowie Ginestí Rosell 2012, S. 107. Die meisten zweisprachigen Inschriften, so auch die genannten Beispiele, gehören Phöniziern, was wohl darauf zurückzuführen ist, dass die phönizische Gemeinschaft eine der größten Gruppen von ansässigen Fremden in Athen war, vgl. Ginestí Rosell 2014, S. 250. 133 Vgl. Kurtz/Boardman 1985, S. 197. Das zeigt sich bspw. in den bereits genannten aufwändig ausgestalteten Grabmälern für Phönizier, dazu S. 94.

Griechische oder nichtgriechische Herkunft

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Unterschiede zwischen griechischen und nichtgriechischen Fremden gemacht, sondern beide nebeneinander bestattet.134 Insgesamt scheint es sich als nichtgriechischer Fremder in Athen nicht unbedingt schlechter gelebt zu haben denn als griechischer Fremder. Bisweilen konnte ein barbarischer Hintergrund sogar durchaus förderlich sein. Dies lässt zumindest das Beispiel des Athenogenes vermuten,135 der sich als Ägypter ausgab, um sein Parfüm besser verkaufen zu können und die Vorteile aus der Verbindung zur Gemeinschaft der Ägypter in Athen zu nutzen.136 Es darf zumindest Zweifel daran geäußert werden, dass Athenogenes das Image des Exoten gepflegt hätte, wenn ihm daraus tatsächlich erhebliche Nachteile entstanden wären. Eine grundsätzliche Ablehnung aller Barbaren hätte nicht zuletzt der Polis selbst geschadet: Einerseits kamen viele Händler und Handwerker aus Gebieten außerhalb Griechenlands,137 andererseits griff man auch zur militärischen Unterstützung auf nichtgriechische Einwohner Athens zurück.138 Dass die Quellen kaum über gegen die Nichtgriechen gerichtete Maßnahmen berichten, bedeutet freilich nicht, dass die Athener eine grundsätzlich positive Einstellung den Barbaren gegenüber pflegten.139 Es steht außer Zweifel, dass die Bezeichnung als bárbaros über die Zeit eine stark negative Konnotation erhielt140 und dass eine gemeinsame Kultur und Abstammung das Potential hatten, auch ein Gemeinschaftsgefühl hervorzubringen, auf das man sich bisweilen – auch gegen und in Abgrenzung zu anderen Kulturen – berufen konnte.141 Jedoch scheint sich diese Einstellung nicht in der Praxis niedergeschlagen zu haben,142 wie mitunter behauptet wird.143 Im vorangegangenen Abschnitt wurde untersucht, welche Konsequenzen eine nichtgriechische Herkunft für das Leben als Fremder in Athen hatte. Dabei konnte festgestellt werden, dass die Athener eine nichtgriechische Abstammung zur Kenntnis

134 Vgl. Bäbler 1998, S. 205. 135 Hyp. 3 passim, vgl. Kears 2013, S. 91; Patterson 2000, S. 106. 136 Vgl. Kears 2013, S. 92. Athenogenes gibt sich zwar als Ägypter aus (Hyp. 3, 4), dürfte aber mindestens bereits in dritter Generation in Athen gelebt haben, wie Hyp. 3, 19 vermuten lässt. Dass er als Logograph arbeitet, deutet zudem darauf hin, dass er das Griechische fließend beherrscht, und auch sein Name macht eine Geburt in Athen sehr wahrscheinlich, wie Kears 2013, S. 92 überzeugend darlegt. Dass er sich aber eher als Ägypter denn als Athener inszeniert, deutet Kears ebd. überzeugend als Geschäftsstrategie. 137 Vgl. z. B. Jones 1910, S. 209; Bäbler 1998, S. 46; Cohen 1992, S. 163; Burford 1972, S. 52; Bayliss 2004, S. 85. Nur exemplarisch soll dazu auch auf IG II2 1957 verwiesen werden, eine Auflistung von Händlern verschiedenster griechischer und nichtgriechischer Abstammungen. 138 Vgl. Graham 1992, S. 265; Garland 2014, S. 163 mit Xen. Vect. 2, 3. 139 So konstatiert von Bäbler 2005, S. 81, ähnlich auch Coşkun 2014a, S. 85. 140 Vgl. Weiler 1989, S. 53. 141 So etwa in Hdt. 8, 144, 2 und in Isokrates’ Panegyrikos (Isokr. 4 passim, besonders 4, 173). Vgl. u. a. Gruen 2013, S. 2 und S. 20; Jones 1910, S. 209; Brandt 1992, S. 191. 142 Ähnlich auch Walters 1983, S. 329; Burford 1972, S. 56; Whitehead 1977, S. 112–115; Kapparis 2005, S. 111; Kears 2013, S. 122; Brandt 1992, S. 201. 143 U. a. durch Klees 2000, S. 32; Brandt 1992, S. 200; Cohen 1997, S. 80.

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Intrinsische Merkmale

nahmen, mit bestimmten Vorurteilen verbanden und in bestimmten Kontexten darauf Bezug nahmen. Diese Haltung der Athener führte aber anscheinend nicht dazu, Fremde aufgrund ihrer nichtgriechischen Abstammung zu benachteiligen.144 Zudem wurde gezeigt, dass die Athener ein sehr differenziertes Barbarenbild entwickelten, in das Unterschiede und Gemeinsamkeiten fremder Kulturen untereinander und mit der griechischen Kultur einflossen. II.1.2 Griechen in Athen Zwar begriffen sich die Griechen als Kulturgemeinschaft, allerdings nur in Abgrenzung zu den Barbaren.145 Die innergriechischen Beziehungen waren derweil geprägt von der Überzeugung, dass der Normalzustand zwischen den jeweiligen Poleis der Kriegszustand war und dass Frieden einer gesonderten und expliziten Erklärung bedurfte. Das griechische Gemeinschaftsbewusstsein fand in innergriechischen Belangen daher nur geringe Verbreitung.146 Vielmehr dominierte die Abgrenzung der Bürger einer Polis von den Nichtansässigen,147 konkret also der Athener von den Nichtathenern. Dementsprechend waren nicht nur Nichtgriechen, sondern einjeder Fremder, der nicht das athenische Bürgerrecht besaß, potenziell Opfer von Ausgrenzungen.148 Es bleibt daher, sich den griechischen Fremden in Athen zuzuwenden. Dabei soll versucht werden, den ‚griechischen Teil‘149 der Population ansässiger Fremder in Athen zu charakterisieren. Hier steht z. B. die Frage im Zentrum, ob und welche Herkunftsgruppen stärker vertreten waren als andere und ob die Athener innerhalb der Gruppe der griechischen Fremden ähnlich differenzierten wie bei den nichtgriechischen Fremden. Griechen machten den Großteil der ansässigen Fremden im klassischen Athen aus.150 Nahezu alle Regionen der griechischen Welt sind als Herkunftsorte vertreten, sodass eine vergleichsweise hohe Varianz innerhalb der Gruppe der ansässigen griechischen Fremden in Athen festzustellen ist. Um sich einen Überblick über die Grup-

144 Die Ausnahme bilden hier die Panhellenischen Spiele, s. o. 145 Vgl Brandt 1992, S. 191. 146 Vgl. ebd., S. 192 und 202. 147 Vgl. Mitchell 2006, S. 215; Brandt 1992, S. 192; Whitehead 1984a, S. 50; Cohen 2000, S. 50; Butz 1996, S. 84. 148 Vgl. Stroszeck 2002, S. 163. 149 Im Folgenden soll eine Person dann als Grieche/Griechin bzw. griechisch-stämmig gelten, wenn sie aus einer griechischen Polis stammt. Eine Polis soll dann als griechisch gelten, wenn sie im IACP aufgeführt ist. Insofern nur eine Region, nicht aber eine Polis als Herkunft einer Person bestimmt werden kann, soll eine Person im Folgenden dann als Grieche/Griechin gelten, wenn er oder sie aus einer überwiegend griechisch geprägten Region stammt. In Anlehnung an die Arbeit von Bäbler 1998 passim begreife ich als Nichtgriechen im Folgenden die Ägypter, Karer, Lyder, Myser, Paphlagonier, Perser, Phönizier, Phryger, Skythen und Thraker sowie die Italiker. 150 Vgl. Garland 2014, S. 161; Brandt 1992, S. 194; Whitehead 1977, S. 111; Ginestí Rosell 2012, S. 17.

Griechische oder nichtgriechische Herkunft

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pe der griechischstämmigen ansässigen Fremden in Athen zu verschaffen, sind das Lexicon of Greek Personal Names sowie der zugehörige Annex to the Lexicon of Greek Personal Names: The Foreign Residents of Athens151 ein guter Anlaufpunkt. Das seit dem Erscheinen dieser beiden Publikationen neu hinzugekommene oder revidierte Quellenmaterial berücksichtigen die bis 2008 regelmäßig erschienenen Addenda und Corrigenda zum LGPN sowie das online verfügbare Athenian Onomasticon.152 Die Zahl der auf diesen Korpora basierenden Nachweise für ansässige freie griechische Fremde in Athen in der klassischen Zeit beläuft sich auf etwa 990.153 Freilich lassen sich anhand der Überlieferung keine genauen Zahlen feststellen.154 Es können aber Aussagen darüber getroffen werden, mit welcher Verteilung bestimmter Herkunftspoleis bei den ansässigen Fremden gerechnet werden kann. Zudem können bestimmte Trends ausgemacht werden, etwa in Bezug auf die geographische Entfernung oder die diplomatischen Beziehungen zwischen Athen und der Herkunftspolis. Zunächst stellt sich die Frage, aus welchen Regionen ansässige griechische Fremde in Athen stammen. Die größte Anzahl von Belegen für ansässige Fremde in Athen ist Personen aus der unmittelbar an Attika grenzenden Region155 Böotien zuzuordnen,156 wobei die beiden böotischen Poleis Theben und Plataiai die Herkunftsorte der beiden größten Gruppen ansässiger Fremder bilden.157 Allerdings setzt sich dies bei den anderen benachbarten Regionen Athens (Euboia, Megaris, Korinthia und Argolis) nicht fort.158 Bereits die zweitgrößte Gruppe ansässiger Fremder bilden nämlich Personen 151 152

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Hrsg. v. Osborne/Byrne/Lovanii 1996. Darin sind insgesamt 8209 in Attika ansässige Fremde verzeichnet, wobei die Herkunft von 7390 dieser Personen bestimmt werden konnte. http://www.seangb.org (zuletzt abgerufen am 01.04.2022). Die Webseite wird betreut von Sean G. Byrne, der neben Michael J. Osborne Autor des Annex to the Lexicon of Greek Personal Names: The Foreign Residents of Athens war. Das vorliegende Kapitel wurde vorwiegend unter Verwendung der Online-Ressource erstellt. Dies ist einerseits in der Möglichkeit der einfacheren Verarbeitung und Auswertung der Datensätze, bspw. durch die Suchfunktion oder durch Sortierungsvarianten, begründet, andererseits aber auch darin, dass die Online-Ressource durch regelmäßige Updates (dieser Arbeit liegt die Version vom 18.08.2018 zugrunde, die mit dem zum Zeitpunkt der Niederschrift dieser Arbeit aktuellen Update vom 03.06.2021 keine Änderungen erfahren hat) die aktuellen Daten präsentiert. Die Suche wurde beschränkt auf Belege, die zwischen 600 und 301 datiert werden (Suche ‚-600 bis -301‘) und ansässige Fremde (Suche Foreign residents only) beider Geschlechter in Athen bezeugen. Diese Suchparameter lieferten insgesamt 1129 Treffer. Diese Zahl wurde weiter reduziert um alle Sklaven (20 Personen) sowie um die Nichtgriechen (121 Personen). Vgl. dazu Kap. I.2.1 und zum Quellenproblem Kap. I.2. In der Zuordnung einer Polis zu einer bestimmten Region folge ich den regionalen Zuordnungen im IACP. Böotische Poleis, die als Herkunftsorte ansässiger Fremder in Athen belegt sind: Theben (52 Personen), Plataiai (39 Personen), Eteonos/Skaphlai (10 Personen), Thespiai (7 Personen), Oropos (5 Personen), Orchomenos (2 Personen), Tanagra (1 Person) und Thisbai (1 Person). Hinzu treten weitere 17 Personen, die der Region Böotien, aber keiner Polis zugerechnet werden können. Die Herkunft aus Theben ist für 52 Personen belegt, die Herkunft aus Plataiai für 39 Personen. Erst an dritter Stelle folgt das Seebundsmitglied Olynth mit 37 Belegen. Megaris: 36 Belege; Euboia: 34 Belege; Korinthia: 33 Belege; Argolis: 26 Belege.

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Intrinsische Merkmale

aus dem deutlich weiter entfernten kleinasiatischen Ionien,159 und auch die folgenden Plätze belegen Regionen, die eine recht weite Reise erfordern.160 Dieser Befund legt nahe, dass die ansässigen griechischen Fremden in Athen eher aus entfernteren Regionen stammten denn aus den umliegenden Gebieten. Allerdings ist bei dieser Interpretation auch Vorsicht geboten: Es muss bedacht werden, dass der überwiegende Teil der Belege aus Grabinschriften stammt, sodass die Quellen genau genommen in vielen Fällen eigentlich nur belegen, dass Fremde aus weiter entfernten Regionen häufiger in Athen sterben als Fremde aus dem Umland. Die vorsichtigere Interpretation des Befundes könnte demnach lauten, dass Personen, deren Heimatorte weiter entfernt sind von Athen, öfter bis zu ihrem Tod in Athen bleiben als Fremde aus benachbarten Regionen. Dieser Befund wäre damit erklärbar, dass Fremde aus Nachbarregionen häufiger nach einer gewissen Zeit in ihre Heimat zurückkehrten, während Personen aus weiter entfernten Gebieten angesichts der langen, beschwerlichen und oft gefährlichen Reise eher in Athen blieben. Diese These wird auch durch den Umstand gestützt, dass die Belege für Personen aus nähergelegenen Gebieten variantenreicher sind: Während beispielsweise ansässige Fremde aus Ephesos (Ionien) ausschließlich aus Grabinschriften bekannt sind,161 können Personen aus Theben (Böotien) mit Quellen unterschiedlicher Art belegt werden. Obgleich auch hier die Grabinschriften als Quellengattung überwiegen,162 finden sich unter anderem auch Ehrendekrete163 oder Weihinschriften.164 Zudem beschränken sich die Belege über Thebaner in Athen nicht nur auf epigraphische Quellen, sondern umfassen auch die literarische Überlieferung.165 Im Gegensatz zu ansässigen Fremden aus Ephesos sind damit auch ansässige Thebaner in Athen belegt, die nicht zwangsläufig in Athen gestorben sind. Dass einige Thebaner Athen lebend wieder verlassen haben, erhärtet die Vermutung, dass Personen, die aus der näheren Umgebung stammen, der Polis Athen eher wieder den Rücken kehren als Personen, die weiter entfernt beheimatet sind und häu159 Insgesamt finden sich 110 Belege für ansässige Fremde aus dem ionischen Raum. Folgende ionische Poleis sind als Herkunftsorte ansässiger Fremder in Athen belegt: Ephesos (24 Belege), Erythrai (5 Belege), Klazomenai (4 Belege), Kolophon (5 Belege), Magnesia (1 Beleg), Phokaia (1 Beleg), Smyrna (1 Beleg), Teos (3 Belege), Chios (8 Belege), Miletos (22 Belege), Samos (37 Belege). 160 Chalkidike: 64 Belege, Propontisküste: 56 Belege, Ägäis: 54 Belege, Mygdonia: 50 Belege, Pontos: 43 Belege. 161 So sind z. B. Fremde aus Ephesos ausschließlich über Grabinschriften belegt, vgl. Osborne/Byrne 1996, S. 68–70. 162 Von insgesamt 52 Nachweisen für ansässige Fremde aus Theben (Böotien) in Athen sind 35 Grabinschriften, vgl. Osborne/Byrne 1996, S. 102–105: Nr. 2385; 2388–2391; 2397; 2401; 2403; 2409; 2415; 2417; 2418; 2420–2423; 2426; 2437; 2443; 2446–2449; 2452; 2453; 2456–2458; 2460; 2462; 2465; 2472–2474; 2476. 163 Z. B. für einen gewissen Phryniskos (Osborne/Byrne 1996, S. 105 Nr. 2469): IG II2 1186, Z. 37. 164 Z. B. von Kerykides (Osborne/Byrne 1996, S. 105 Nr. 2428): IG II2 1569. 165 Z. B. zu Androkleidas (Osborne/Byrne 1996, S. 105 Nr. 2385): Plut. Pelop. 5–6.

Griechische oder nichtgriechische Herkunft

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figer bis zu ihrem Tod bleiben. Wenn diese These richtig ist, wirft dies ein anderes Licht auf die Abstammung der Fremden: Es scheint anhand des Quellenbefundes, dass die ansässigen griechischen Fremden in Athen eher aus entfernteren Regionen stammen als aus den umliegenden Gebieten. Dies ist aber der Dominanz sepulkraler Quellen geschuldet, in denen Fremde, die nicht bis zu ihrem Tod in Athen gelebt haben, nicht repräsentiert sind. Dazu passt auch der Umstand, dass die in den literarischen Quellen stellenweise aufgegriffenen größeren Zusammenschlüsse von ansässigen Fremden derselben Herkunft zu mehr oder minder formalisierten Gemeinschaften häufig Einwanderer aus der näheren Umgebung betreffen.166 Von der geographischen Entfernung zwischen Athen und der Heimatpolis eines ansässigen Fremden abgesehen, wurde in der Forschung bisweilen auch vermutet, dass ansässige Fremde insbesondere aus Poleis stammten, die diplomatische oder wirtschaftliche Kontakte zu Athen pflegten.167 Der Umstand, dass knapp die Hälfte der bekannten griechischen ansässigen Fremden aus Poleis kommen, die Mitglieder des Delisch-Attischen Seebunds waren, bestätigt diese Annahme.168 Es bleibt schließlich zu fragen, ob griechische Fremde Ziel von Restriktionen waren. Dabei finden sich insbesondere im religiösen Kontext einige Beispiele aus der griechischen Welt, in denen bestimmte (griechische) Personengruppen aufgrund ihrer Herkunft ausgeschlossen wurden:169 So war den Thebanern die Befragung des Orakels im Tempel des Amphiaraos verboten,170 und Dorer durften in Paros nicht am Kult der Stadtgottheit teilnehmen.171 In Athen waren Dorer vom Besuch des Tempels der Athena auf der Akropolis ausgeschlossen.172 Ähnlich wie bei den Nichtgriechen finden sich auch an den Gräbern der griechischen Fremden in Athen charakteristische Merkmale, die sie von den athenischen unterscheiden. Die Bezugnahmen auf die Heimat des Verstorbenen, etwa durch Verwendung eines Dialekts oder durch regional typische Zierelemente, drücken dabei die ungebrochene Verbundenheit des Verstorbenen mit seinem Herkunftsort aus und machen auf seine Identität aufmerksam.173 Die Gräber von ansässigen Fremden in Athen zeigen dabei einen sehr unterschiedlichen Grad der Assimilierung an lokale athenische Praktiken, was insbesondere in der Sprache der Epigramme zum Ausdruck kommt: 166 Die größte Gemeinschaft ansässiger Fremder dürften die Plataier gebildet haben (vgl. Lys. 23, 5–6), aber auch die Milesier, vgl. Gray 2011, S. 47f; Nemeth 2001, S. 335; vgl. dazu Kap. III.3.1.4. 167 Vgl. z. B. Ginestí Rosell 2012, S. 138; Nemeth 2001, S. 334f. 168 Insgesamt können 153 griechische Poleis als Herkunftsorte ansässiger Fremder in Athen im Untersuchungszeitraum bestimmt werden, wobei 68 von ihnen Mitglieder des Seebunds waren. Von den 883 griechischen ansässigen Fremden in Athen, für die eine Polis als Herkunftsort bestimmt werden konnte, stammen 404 aus Mitgliedstaaten des Seebunds. 169 Vgl. u. a. Funke 2006, S. 2. 170 Hdt. 8, 134, 2. 171 IG XII,5 225; vgl. Funke 2006, S. 4 sowie Butz 1996, S. 82. 172 Hdt. 5, 72, 3–4, dazu auch Butz 1996, S. 83. 173 Vgl. Ginestí Rosell 2014, S. 242 und S. 252.

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Intrinsische Merkmale

Während einige Grabepigramme durchgehend in attischem Dialekt verfasst sind,174 kombinieren andere fremde Dialektmerkmale mit attischen175 oder sind sogar ganz im fremden Dialekt verfasst.176 Die Intensität der Verwendung heimatlicher Dialektmerkmale in Grabepigrammen ist dabei auch innerhalb derselben Herkunftsgruppe nicht einheitlich ausgeprägt. So gibt es unter den Grabinschriften für Böotier sowohl Epigramme im böotischen wie auch im attischen Dialekt.177 Ob sich die Hinterbliebenen, die das Epitaph in Auftrag gegeben haben, für eine böotische oder eine attische Inschrift entschieden, dürfte dabei auch vom Grad ihrer Verbundenheit zu ihrer böotischen Herkunft einerseits und ihrer athenischen Heimat andererseits bestimmt worden sein.178 Vor diesem Hintergrund verwundert es nicht, dass in Grabepigrammen für Fremde aus Plataiai, einer Polis, die enge Verbindungen zu Athen pflegte, attische Dialektmerkmale überwiegen.179 Dem gegenüber stehen Fremde aus dem böotischen Theben, dem kulturellen und politischen Zentrum der Region, in deren Grabepigrammen das Böotische überwiegt.180 II.1.3 Fazit: Griechen und Nichtgriechen in Athen Ob ein Fremder aus dem griechischen Mutterland oder aus einem nichtgriechischen Gebiet stammte, war für die Athener durchaus von Interesse und stellenweise auch einer Bemerkung wert, wie Komödien, Gerichtsreden oder die Geschichtsschreibung illustrieren. Eine fremde Herkunft zu bemerken bedeutet freilich nicht, eine fremde 174 Z. B. IG II2 7965 für Praxinos aus Aigina, vgl. Ginestí Rosell 2014, S. 243f. 175 Z. B. das Grabepigramm IG I3 1353 für Pythios aus Megara, welches eine Mischung aus dorischen und attischen Formen zeigt, vgl. Ginestí Rosell 2014, S. 242. 176 Z. B. IG II2 8866 für Euthenika aus Böotien, vgl. Ginestí Rosell 2014, S. 244. 177 Im attischen Dialekt z. B. IG II2 8883, IG II2 8888, IG II2 8868, IG II2 10096, im böotischen Dialekt z. B. IG II2 8866, IG II2 8881, Agora 17.498, vgl. Ginestí Rosell 2014, S. 244. 178 Ginestí Rosell 2012, S. 119 vermag hier drei „soziokulturelle Haltungen“ zu erkennen: erstens diejenigen, die nur attische Sprache wählen und vollständig in die neue Gesellschaft integriert sind, zweitens diejenigen, die beim Böotischen bleiben und somit ihre Herkunft noch sehr stark betonen, und eine dritte, sehr kleine Gruppe, die beide Dialekte verbindet, um entsprechend Elemente ihrer alten und ihrer neuen Heimat in Einklang zu bringen. 179 Dazu Ginestí Rosell 2012, S. 34–43, insbesondere S. 42f: Von den acht Grabepigrammen, die sicher Personen aus Plataiai zugeordnet werden können, sind fünf im attischen Dialekt geschrieben (Agora 17.648; Agora 17.649; Agora 17.647; IG II2 10096; IG II2 10091) und eine weitere (SEG 37, 171) trägt Dialektmerkmale des Attischen und des Böotischen. Bei den zwei verbliebenen (IG II2 10092 sowie IG II2 10090) sind weder attische noch böotische Dialektmerkmale eindeutig festzustellen, vgl. ebd. S. 36 sowie S. 42 mit Tab. 1. Hervorzuheben ist, dass keine der Grabinschriften für Plataier allein böotische Dialektmerkmale aufweist, im Gegensatz etwa zu den Epigrammen für böotische Thebaner, bei denen neun von insgesamt 28 Inschriften allein im böotischen Dialekt verfasst sind (vgl. ebd.). 180 Vgl. Ginestí Rosell 2012, S. 43.

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Herkunft abzulehnen: So konnte in diesem Kapitel gezeigt werden, dass keine Maßnahmen ergriffen wurden, die verhindert hätten, dass nichtgriechische Fremde in Athen Fuß fassen konnten. Damit waren nichtgriechische Fremde nicht schlechter gestellt als ihre griechischen Pendants, wovon nicht nur die Beispiele erfolgreicher Nichtgriechen in Athen zeugen. Die Grabmäler für Nichtgriechen verdeutlichen zudem, dass die Athener fremde Kulturen in ihrer Mitte nicht ablehnten: Nicht nur scheinen die Athener die Verwendung von nichtgriechischen Gestaltungselementen auf Grabsteinen nicht unterbunden zu haben, sondern es gab auch auf den Friedhöfen keine Trennung zwischen Griechen und Nichtgriechen. Auch der Umstand, dass die Referenz auf eine nichtgriechische Abstammung zwar einige Vorurteile hervorrufen konnte, sich ihre Verwendung aber auf die Bühne beschränkte und bspw. vor Gericht keinen Einzug fand, zeigt, dass die Unterscheidung zwischen griechischen und nichtgriechischen Fremden bei den Athenern keine praktischen Konsequenzen nach sich zog. Wurde bestimmten Personengruppen aufgrund ihrer Herkunft etwa das Betreten eines Tempels oder die Befragung eines Orakels untersagt, traf dies eher Griechen als Nichtgriechen: Während ein Nichtgrieche vielleicht akzeptieren musste, an den Olympischen Spielen nur als Zuschauer teilnehmen zu können, musste sich etwa der dorische Fremde mit einigen ‚Hausverboten‘ in Tempeln und Heiligtümern arrangieren. Die vorangegangenen Ausführungen liefern zwei Erkenntnisse: Erstens wird deutlich, dass die nichtgriechische oder griechische Herkunft eines ansässigen Fremden in Athen ein Merkmal ist, das die Fremden ein Leben lang tragen, mit dem sich einige auch bis zum Tod identifizieren und auf das vonseiten der Athener gelegentlich auch rekurriert wurde. Es zeigt sich aber zweitens auch, dass eine griechische oder nichtgriechische Herkunft keine Konsequenzen nach sich zog, die die Stellung einer Person und ihre gesellschaftlichen Partizipationsmöglichkeiten in einem Ausmaß beeinflussten, das zur Formierung zweier unterschiedlicher Statusgruppen führen würde oder das vermuten ließe, dass die Athener eine solche Differenzierung zwischen Griechen und Nichtgriechen vorgenommen hätten. II.2 Beweggründe, nach Athen zu kommen Die Gründe für die Umsiedelung nach Athen dürften so vielfältig gewesen sein wie die Gruppe der Fremden selbst. Für viele von ihnen strahlte diese Polis eine große Attraktivität aus: So mögen einige von den wirtschaftlichen Möglichkeiten angezogen worden sein, die Athen ihnen mit seinem Hafen und den Minen bot, andere von der Stadt als Ort des gelehrten Austauschs und künstlerischen Schaffens und wieder andere von den zahlreichen Bauprojekten, die in Athen in der klassischen Zeit Handwerker, Künstler und Arbeiter in die Stadt lockten. Dabei hat die Forschung stellenweise auch zu bedenken gegeben, dass das Vorhandensein eines mehr oder minder ausdifferenzierten Status für

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Intrinsische Merkmale

ansässige Fremde, der schließlich nicht nur mit allerlei Verpflichtungen, sondern auch mit einem gewissen Wohnrecht unter dem Schutz der Athener einherging, die Stadt zusätzlich zu einem beliebten Wohnsitz ansässiger Fremder machte. Während einige sich bewusst entschieden haben, die Heimat hinter sich zu lassen, waren andere dazu gezwungen worden. Sie alle fanden als ansässige Fremde ein neues Leben in Athen. Dabei stellt sich die Frage, inwiefern der Beweggrund, aus dem heraus eine Person die Ansässigkeit in Athen wählte, die Gestaltungsmöglichkeiten dieses Lebens beeinflusste. Beispielsweise könnte vermutet werden, dass ein aufgrund seiner athenfreundlichen Gesinnung aus der Heimat Verbannter in der Stadt anders Aufnahme fand als ein Handwerker, der Athen als strategisch besten Standort seines Gewerbes erkannt hatte. Die Freiwilligkeit der Migration ist in der Forschung hin und wieder als Unterscheidungsmerkmal innerhalb der Gruppe der ansässigen Fremden vorgeschlagen worden.181 Das folgende Kapitel widmet sich daher denjenigen, die ihre Heimat freiwillig verlassen haben, und denjenigen, die ihre Heimat unfreiwillig verlassen haben, und beurteilt ihre Beweggründe, nach Athen zu kommen. Damit verbunden gilt es auch zu untersuchen, was Athen für ansässige Fremde überhaupt als Lebensort attraktiv machte – das offenbart zuletzt auch einige der Hoffnungen und Erwartungen, die mit der Umsiedelung verbunden waren. II.2.1 Freiwillige Migration: Athen als Stadt der unbegrenzten Möglichkeiten Wenn in der Forschung von ansässigen Fremden in Athen die Rede ist, beziehen sich die Autoren und Autorinnen häufig auf freiwillig Eingewanderte. Dabei stehen vor allem wirtschaftliche Interessen als Gründe für die Umsiedelung hoch im Kurs,182 einige Forschungsbeiträge sehen die große Anzahl ansässiger Fremder in Athen überhaupt erst in der großen Anzahl der economic migrants183 begründet.184 Ein wichtiges Charak-

181 So etwa von Brandt 1992, S. 195 und Dimopoulou-Piliouni 2008, S. 29. 182 So etwa Garland 2014, S. 155; Erdtmann 2013, S. 59; Bäbler 1998, S. 46; Burke 1990, S. 5; Burford 1972, S. 58; Hunter 2000, S. 15; Oliver 2010, S. 164. Vgl. dazu Akrigg 2015, S. 162, der die Annahme, dass ansässige Fremde vor allem aus wirtschaftlichen Gründen nach Athen kamen, ablehnt. 183 Um eine Assoziation mit der im deutschen Sprachgebrauch häufig pejorativ verwendeten Bezeichnung ‚Wirtschaftsmigrant‘ bzw. ‚Wirtschaftsflüchtling‘ (vgl. dazu z. B. Wengeler 1995, S. 733f, sowie Preuß, Roland: Die Mär vom großen Missbrauch, in: Süddeutsche Zeitung vom 29.01.2015, online: https://www.sueddeutsche.de/politik/debatte-ueber-fluechtlinge-die-maer-vom-grossen-miss brauch-1.2325553; abgerufen am 21.11.2019) zu vermeiden, verwende ich hier den in der englischen Fachliteratur üblichen Terminus. Einen economic migrant verstehe ich im Folgenden als eine Person, die freiwillig nach Athen kam, um die subjektiv als günstiger im Vergleich zur eigenen Heimat empfundenen wirtschaftlichen Chancen zu nutzen, in der Absicht, den eigenen Lebensstandard zu verbessern. 184 Vgl. Akrigg 2015, S. 158.

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teristikum ebendieser ist, dass sie Athen auch bereitwillig wieder verließen, wenn die Polis ihnen nichts mehr zu bieten hatte.185 Der Ruf Athens als Wirtschaftsmetropole mag sicherlich viele angezogen haben;186 ob sie sich aber auch tatsächlich in Athen niederließen, war vor allem eine Frage der tatsächlichen Möglichkeiten, Geld zu verdienen.187 Damit gilt es zunächst zu prüfen, in welchen Branchen Fremde sich eine wirtschaftliche Besserstellung erhoffen konnten. II.2.1.1 Wirtschaftliche Attraktivität Athens Bei der Frage, in welchen Bereichen die ansässigen Fremden in Athen tätig waren, ist eine ihnen auferlegte Einschränkung zu betonen, welche die Zahl ihrer möglichen Einsatzgebiete schon von vornherein deutlich schmälert: Sie konnten kein Land in Attika besitzen.188 Durch diese Beschränkung wurde die Landwirtschaft zu einer wenig attraktiven Branche für ansässige Fremde. Stattdessen waren sie anscheinend vorrangig in den übrigen, d. h. nichtlandwirtschaftlichen Branchen, wie dem Handwerk und dem Handel, tätig.189 Gegen diese Sichtweise wurde in der Forschung immer wieder Einspruch erhoben. Dabei wurde behauptet, dass sie auf eine falsche Interpretation der Quellen zurückzuführen sei, die den Bürgern einen Widerwillen unterstellte, in außerlandwirtschaftlichen Berufen zu arbeiten.190 So verweisen die Gegner der Ansicht, dass ansässige Fremde vorrangig in Handwerk und Handel tätig waren, darauf, dass es für sie durchaus möglich gewesen sei, Land zu pachten,191 sich als Arbeiter auf dem Grundstück eines Bürgers zu verdingen192 oder sogar dank énktēsis eigenes Land zu besitzen.193 Es ist sicherlich nicht von der Hand zu weisen, dass es prinzipiell auch für ansässige Fremde Wege gab, in die Landwirtschaft zu gehen; die Frage ist aber, wie oft sie diese Möglichkeit auch wirklich nutzten: Die énktēsis war ein seltenes Privileg, das nur den wenigsten ansässigen Fremden den Weg zum Grundbesitzer freigemacht haben

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Vgl. Rubinstein 2008, S. 9; Akrigg 2015, S. 159. Vgl. Whitehead 1977, S. 18. Vgl. Akrigg 2015, S. 159f. Vgl. Whitehead 1977, S. 117. Vgl. ebd., S. 18; Reed 2003, S. 57; Stroszeck 2002, S. 161. So etwa bei Hasebroek 1965, S. 23. Ein Beispiel hierfür ist in Lysias Verteidigungsrede wegen Beseitigung eines Ölbaumstumpfes zu finden (Lys. 7). In dieser Rede muss sich der Sprecher vor dem Areopag wegen des Vorwurfs verantworten, einen der heiligen Ölbäume, die sich angeblich auf seinem Land befunden haben, gefällt zu haben. Im Zuge seiner Verteidigung rekapituliert der Sprecher umfassend, wem er dieses Land verpachtet hat (Lys. 7, 9–10). Unter den Pächtern, so gibt der Sprecher an, habe sich dabei auch Alkias befunden, ein Freigelassener des Antisthenes (Lys. 7, 10), dazu Akrigg 2015, S. 161. 192 Vgl. Hansen 1991, S. 119f; Akrigg 2015, S. 161. 193 Vgl. Hansen 1991, S. 119f.

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dürfte.194 Die Verpachtung von Ländereien an Nichtbürger ist sicherlich denkbar; aber der Umstand, dass in den Quellen nur ein einziges Beispiel für einen nichtbürgerlichen Pächter sicher belegt werden kann,195 legt zumindest nahe, dass es selten vorkam. Unter den Erntehelfern gab es sicherlich auch viele ansässige Fremde, jedoch ist die Frage, ob es sich hier nicht vor allem um Saisonarbeit gehandelt hat, an deren Ende die Betroffenen sich auf andere Branchen konzentriert oder Athen verlassen haben. Daneben weisen einige Kritiker darauf hin, dass auch Bürger in Handwerk und Handel tätig sein konnten und waren.196 Auch hier ist nichts einzuwenden, außer dass die Richtigkeit der Vermutung, dass die ansässigen Fremden eher in Handwerk und Handel denn in der Landwirtschaft tätig waren, durch die ebenso bestehende Beschäftigung der Bürger in diesen Bereichen nicht beeinträchtigt wird. Dass sich Fremde vorrangig in diesen Bereichen verdingten, bedeutet schließlich nicht, dass in diesen Branchen Tätige vorrangig – oder gar ausschließlich – Fremde waren.197 Aus demselben Grund schließt der Umstand, dass Fremden der Weg in die Landwirtschaft nicht grundsätzlich verwehrt war, nicht aus, dass der Beruf des Bauern eine bürgerliche Domäne blieb.198 Letzteres scheint aus zwei Gründen indiziert: Zum einen spricht die Überzahl der Quellenbelege für in Handwerk und Handel tätige ansässige Fremde gegenüber denjenigen, die ihr Geld in der Landwirtschaft verdienten,199 dafür, dass diese Bereiche in der Tat bevorzugt wurden.200 Zum anderen ist zu vermuten, dass sich ansässige Fremde eher Bereichen zuwandten, in denen sie gegenüber den Bürgern geringere Diskriminierung erfuhren. Während in der Landwirtschaft allein das fehlende Recht auf Landbesitz in vielen Fällen zum Ausschluss geführt haben dürfte, konnten sie in Handwerk und Handel eher auf Augenhöhe mit den Bürgern in einen Wettbewerb treten:201 So konnten auch sie bspw. einen Stand auf dem Markt errichten.202 Als eine der größten Attraktionen für potenzielle ansässige Fremde (und economic migrants im Besonderen) ist in der Forschung vor allem der Hafen herausgestellt worden.203 Dagegen hat Ben Akrigg nicht zu Unrecht eingewandt, dass die Arbeitsmöglichkeiten für Fremde hier besonders gering gewesen wären: Einerseits, weil längst nicht so viele Personen hier tätig gewesen seien, wie üblicherweise angenommen 194 Vgl. Kap. III.7.4 zum Privileg der énktēsis. 195 Lys. 7, 10. 196 Vgl. Hansen 1991, S. 120; Akrigg 2015, S. 162; ähnlich auch Jones 1955, S. 152. Ein Beispiel hierfür ist der Athener Diodotos, der sein Geld sehr erfolgreich im Handel verdiente: Lys. 32, 4. 197 So auch schon Whitehead 1977, S. 117. 198 Vgl. Whitehead 1977, S. 117. 199 Ein längerer Beleg findet sich in TOD 100 (= RO 4), wo mehrere Fremde jeweils mit ihren Tätigkeiten aufgelistet sind – die Mehrzahl von ihnen ist mit einer handwerklichen Tätigkeit ausgewiesen, vgl. auch Jones 1955, S. 152. 200 Vgl. Nemeth 2001, S. 331. Hierzu s. weiter unten in diesem Kapitel. 201 Das räumt auch Hansen ein, vgl. Hansen 1991, S. 120. 202 Dazu Kap. III.2.5, S. 255f. 203 Vgl. z. B. Whitehead 1977, S. 18.

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wird,204 andererseits, weil die meisten Aufgaben hier von Sklaven, nicht von ansässigen Fremden, übernommen worden seien.205 Diese Auffassung ist bestimmt nicht falsch, was die Hafenarbeiter betrifft. Indem Akrigg den Hafen als Attraktion für potenzielle ansässige Fremde aber so vehement ausschließt, vergisst er, dass mit dem Hafen auch Athens Identität als Handelsmetropole einherging,206 die wiederum zahlreiche Fremde schon berufsbedingt nach Athen führte. So machten einige émporoi Athen als ansässige Fremde zur Heimat – sei es auch nur auf Zeit: Dass Händler am Ende der Saison den Winter als ansässige Fremde dort verbrachten, wohin es sie eben gerade verschlagen hatte, war durchaus üblich.207 Für die viele émporoi wird ihr Aufenthalt in Athen jedoch auch nur eine Stippvisite gewesen sein.208 Obwohl die antiken Schriften in nicht-politischen und nicht-gerichtlichen Zusammenhängen Fremde vor allem als Händler nennen,209 war ihr Anteil unter den ansässigen Fremden im Vergleich zu anderen Berufen tatsächlich wohl eher gering.210 Neben dem großen Hafen bot Athen auch die Silberminen des Laureion als standortspezifische potenzielle Einkommensquelle; jedoch ist auch hier damit zu rechnen, dass die Arbeit selbst vor allem von Sklaven verrichtet wurde.211 Unter den Pächtern der Silberminen sind lediglich zwei Fremde genannt, Kallaischros und sein Sohn Stesileides, die aus Siphnos stammten.212 Die Beteiligung an den Minen war Fremden aber wohl grundsätzlich gestattet.213 Darauf weist zumindest Xenophon hin, dessen Vorschlag, Konzessionen für die Minen an interessierte Fremde zu vergeben, um die Wohlhabenden unter ihnen nach Athen zu locken (wie er selbst sagt) bereits umgesetzt wurde.214 Aufgrund der fast vollständigen Abwesenheit von Fremden in den Quellen zu den Laureionminen hat ein Teil der Forschung vermutet, dass diese über-

204 Vgl. Akrigg 2015, S. 160. 205 Vgl. ebd. 206 Brandt hat festgestellt, dass die handelspolitische Bedeutung einer Polis nicht zwangsläufig auch mit einem erhöhten Anteil Fremder in der Bevölkerung einhergeht: Für Athen kann ein solcher Zusammenhang, etwa wegen der mit den wirtschaftlichen Höhen und Tiefen der Stadt etwa zeitgleichen Schwankungen in der Population der ansässigen Fremden (vgl. etwa Garland 2014, S. 161; Duncan-Jones 1980, S. 102; Oliver 2010, S. 164), zwar vermutet werden; in Korinth etwa ist dies aber nicht der Fall, vgl. Brandt 1992, S. 198f. 207 Vgl. McKechnie 1989, S. 179; ähnlich de Ste. Croix 1983, S. 266. 208 Vgl. Reed 2003, S. 56; de Ste. Croix 1983, S. 95f; Pébarthe 2016, S. 223. 209 Vgl. Reed 2003, S. 56. 210 Vgl. Nemeth 2001, S. 336. Nemeth hat in seinem Beitrag unter anderem die Berufsgruppen untersucht, die unter den ansässigen Fremden in Athen vertreten sind, und herausgefunden, dass nur etwa ein Zehntel aller ansässigen Fremden als Händler identifiziert werden. Viel häufiger sind derweil Künstler, Soldaten und Seeleute, vgl. ebd. 211 Vgl. Akrigg 2015, S. 160. 212 Vgl. Crosby 1950, S. 205; Hansen 1991, S. 98. 213 Vgl. Bakewell 2008, S. 104; Hansen 1991, S. 97. 214 Xen. Vect. 4, 11–12.

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haupt nicht215 oder erst deutlich später216 auch an Fremde verpachtet wurden. In jedem Falle scheinen sie keine bedeutende Einnahmequelle für die ansässigen Fremden gewesen zu sein. Auch die militärischen Ambitionen Athens boten für potenzielle und tatsächliche ansässige Fremde sicherlich attraktive Verdienstmöglichkeiten, etwa in der Manufaktur von Waffen und Kriegsmaterial. So waren die zwei größten bekannten Fabriken in Athen nicht nur ausgerechnet eine Schildfabrik und eine Rüstungsfabrik, sondern sie gehörten auch jeweils ansässigen Fremden:217 Der freigelassene und später eingebürgerte Pasion besaß eine Schildfabrik,218 und der aus Syrakus eingewanderte Kephalos, Vater des Lysias, stellte Rüstungen her.219 Von diesen beiden Beispielen abgesehen, haben ansässige Fremde als Besitzer von Fabriken aber wohl keine Rolle gespielt.220 Häufiger sind sie derweil als Soldaten oder Ruderer belegt.221 Viele Perspektiven bot Athen auch Handwerkern und Künstlern. Durch ihre berufsbedingten Besuche in verschiedenen Poleis wurden sie zu einem entscheidenden Faktor und Träger der kulturellen, wirtschaftlichen und politischen Entwicklung des antiken Griechenland.222 Besonders das ambitionierte Bauprogramm des Perikles im 5. Jahrhundert zog viele von ihnen nach Athen, und obwohl die meisten die sichere Perspektive hatten, Athen irgendwann wieder zu verlassen, dürften viele Projekte eine doch zumindest längere Aufenthaltsdauer in der Polis verlangt haben.223 Sie bildeten einen nicht unerheblichen, vielleicht sogar den größten Teil ansässiger Fremder in Athen.224 Aufgrund einiger erhaltener Bauinschriften sind sie und ihre Beteiligung an der Gestaltung der Stadt uns auch heute noch zugänglich,225 so etwa in den Bauinschriften des Erechtheions.226 Dabei erlauben die Inschriften nicht nur die Identifikation ei-

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Vgl. Bakewell 2008, S. 104; Hansen 1991, S. 97. Vgl. Burke 1990, S. 4. Vgl. Jones 1955, S. 153. Demosth. 36, 4. Z. B. Lys. 12, 8. Akrigg 2015, S. 161 weist zu Recht darauf hin, dass Kephalos’ Umzug nach Athen wohl auf expliziten Wunsch des Perikles hin geschah (Lys. 12, 4) und nicht aus wirtschaftlichem Interesse (vgl. Akrigg 2015, S. 161). Während das zutreffen mag, aber auch einfach einen rhetorischen Zweck in Lysias’ Rede erfüllen könnte, dürfte Kephalos’ durchaus gut laufendes Geschäft zumindest einen möglichen Grund geboten haben, dass ebendieser in Athen blieb. Vgl. Jones 1955, S. 153. Vgl. Nemeth 2011, S. 335f; Ostwald 2007, S. 307; Fuks 1984b, S. 62. So etwa in Isokr. 4, 167–168, wo der hohe Anstieg der Zahl von Söldnern in der Stadt bemerkt wird. Vgl. Garland 2014, S. 152; McKechnie 1989, S. 154. Vgl. Burford 1965, S. 32; McKechnie 1989, S. 147. Vgl. Whitehead 1981, S. 224. Vgl. Epstein 2008, S. 108. Ansässige Fremde sind in den Listen durch ihre Designation oikṓn en + Demenname deutlich markiert, vgl. Lambert 2000, S. 157; Randall 1953, S. 200. Die Bauinschriften des Erechtheions umfassen die Inschriften IG I2 111; IG I2 372; IG I2 373; IG I2 374 sowie IG I2 967. Dazu auch Epstein 2008, S. 108.

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ner genannten Person als Sklave, Bürger oder ansässiger Fremder,227 sondern geben auch den Beruf oder zumindest die Aufgabe des Bezeichneten bei den Bauarbeiten an und verzeichnen dazu den erhaltenen Lohn – der übrigens für Sklaven, Bürger und ansässige Fremde derselbe war.228 Die Auflistung der Arbeiter zeigt zudem, dass die meisten von ihnen als ansässige Fremde in Athen lebten.229 Daneben berichten auch die literarischen Quellen von Handwerkern und bildenden Künstlern, die vor allem im 5. Jahrhundert, angezogen durch das Bauprogramm des Perikles, aus der Ferne nach Athen kamen, um ihre téchnai auszuüben – ihre Werke selbst haben die Zeit in der Regel nicht überlebt.230 Dabei offenbaren die Quellen, dass Angehörige dieser Gruppe häufig auch Empfänger von Privilegien oder sogar des Bürgerrechts waren.231 Einer der frühesten überlieferten fremden Künstler ist Polygnotos aus Thasos, der wohl in den 460er Jahren nach Athen kam.232 Er erhielt das athenische Bürgerrecht für die unentgeltliche Anfertigung einiger Arbeiten.233 Als weiteres Beispiel für privilegierte fremde Künstler darf Hippodamos von Milet gelten, der wohl einen großen Anteil an der Neugestaltung des Piraeus hatte.234 Er erhielt die énktēsis in Athen, vielleicht sogar das Bürgerrecht.235 Eine hohe Mobilität wurde in der Antike aber nicht nur Künstlern und Handwerkern abverlangt. So sah auch der Arztberuf häufig Ortswechsel vor – aus wissenschaftlichem Interesse, entweder um sich selbst weiterzubilden oder um die eigenen Erkenntnisse und Fähigkeiten weiterzugeben, und aus pragmatischen Gründen, etwa um Werkzeuge oder Medizin zu beschaffen.236 Die Bedeutung des Reisens für den Arzt und dessen Vorbereitung auf ein Leben auf Reisen wird dabei schon im Corpus Hippocraticum betont.237 Die Wanderlust der Ärzte konnte aber durchaus zum Pro­blem 227 Sklaven sind an der Angabe des Namens ihres Besitzers eindeutig als solche zu erkennen, z. B. in IG I3 476, Z. 230–231, Bürger an der Angabe der Deme, zu der sie gehörten, etwa in IG I3 476, Z. 164–165. 228 Vgl. Randall 1953, S. 209, dazu S. 242. 229 Vgl. Wijma 2014, S. 29; Randall 1953, S. 201 und S. 203. 230 Vgl. Ostwald 2007, S. 316f. 231 Vgl. Brandt 1992, S. 197. 232 Vgl. Ostwald 2007, S. 317. 233 Harp. s. v. Πολύγνωτος; Suda s. v. Πολύγνωτος. Vgl. Brandt 1992, S. 197 sowie Ostwald 2007, S. 317. 234 Vgl. Wycherley 2007, S. 203; Ostwald 2007, S. 315. 235 In einem Kommentar zu Aristophanes’ Werk Die Ritter (Schol. Aristoph. Equ. 327) wird erwähnt, dass Hippodamos ein Haus im Piraeus besessen habe. Daraus ergibt sich aber nicht zwangsläufig der Schluss, dass Hippodamos ein Eingebürgerter war (vgl. Ostwald 2007, S. 316), denn auch mit dem Privileg der énktēsis wäre Hippodamos dazu berechtigt gewesen. Ein mögliches Bürgerrecht in Athen wird allenfalls dadurch angedeutet, dass sein Sohn Archeptolemos in Athen politisch aktiv war: Aristoph. Hipp. 795; Lys. 12, 67–68; vgl. Ostwald 2007, S. 316. 236 Vgl. McKechnie 1989, S. 148. 237 So betont der Autor von De Medico, dass es sich für einen Arzt lohnt, einen Militärkonvoi zu begleiten: Nirgendwo besser könne er die Versorgung von Fleischwunden erlernen: Hippokr. medic. 14, vgl. McKechnie 1989, S. 147. Das Reisen scheint aber schon vor Hippokrates eng mit dem Arztberuf verbunden gewesen zu sein, wie Hdt. 3, 131 vermuten lässt, vgl. Cohn-Haft 1956, S. 10. Damit

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für die Poleis werden: Während die Fähigkeiten des Bildhauers, nachdem dieser am Ende eines Bauprojekts die Stadt wieder verlassen hatte, entbehrlich geworden waren, war das Fehlen eines Arztes fatal. Vielleicht ist darauf auch zurückzuführen, dass die Poleis eine hohe Bereitschaft zeigten, Mediziner mit umfassenden Privilegien auszustatten. So geschehen etwa im Falle des aus Argos stammenden Arztes Euenor,238 der im Jahr 337/36 aufgrund seiner intensiven Bemühungen zum Wohle der Athener zunächst zum próxenos ernannt wurde239 und danach 322/21 die énktēsis240 und schließlich auch das athenische Bürgerrecht erhielt.241 Obwohl nur die letztgenannte Inschrift einen Verweis auf seinen Beruf enthält,242 liegt ein Zusammenhang zwischen der Verleihung der Ehren und Euenors Tätigkeit als Arzt nahe: Aufgrund der auffallenden zeitlichen Nähe der Verleihung sowohl der énktēsis wie auch der politeía zu größeren militärischen Ereignissen243 könnte sich Euenor vielleicht durch die Behandlung von Verletzten für den Erhalt von Privilegien qualifiziert haben.244 Insbesondere in der Verleihung ausgerechnet der énktēsis und der politeía dürfte dabei das Bemühen der Athener deutlich werden, Euenor als Ansässigen in der Stadt zu behalten. Während der Hafen Händler und die vielen Bauprojekte Handwerker anzogen und während allein schon die hohe Einwohner- und Besucherzahl diversen Gewerben genügend Kunden versprach,245 war Athen schließlich auch Ziel zahlreicher Gelehrter.246 Auch sie mögen hier nicht immer dauerhaft ansässig geworden sein; schließlich gehörte das Reisen nicht weniger zu ihrem Beruf als zu denen der Vorgenannten.247 Einige von ihnen dürften Athen aber zumindest für eine längere Zeit bewohnt haben,

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einher geht auch die Feststellung, dass athenische Ärzte keineswegs den Fremden vorgezogen wurden, sondern oft genug sogar das Gegenteil der Fall war, vgl. Nutton 2013, S. 88. Die medizinischen Schriften des Euenor, darunter sein fünf Bücher umfassendes Hauptwerk, sind zwar nicht erhalten geblieben, die Angaben des Caelius Aurelianus über ihn, lassen aber zumindest den Schluss zu, dass sich Euenor vorwiegend der Therapeutik gewidmet hat: Cael. Aurel. chron. 3,122, vgl. Nutton 1998 (DNP 4), Sp. 226. IG II2 373, Z. 4–7. IG II2 373, Z. 29–31. IG II2 374, Z. 14–17. IG II2 374, Z. 4. Die énktēsis wurde Euenor 322/21 und damit in zeitlicher Nähe zur Schlacht von Chaironeia verliehen, die politeía vielleicht im Kontext des Lamischen Krieges, vgl. Osborne Nat. D50, mit dem zugehörigen Kommentar, insbesondere S. 130. Vgl. Walbank 1991, S. 201. Vgl. Akrigg 2015, S. 162, der auch Athens vergleichsweise hohe Einwohnerzahl als Attraktion für Fremde ansieht. Ostwald weist zu Recht darauf hin, dass wohl erst die Verlegung der Seebundskasse aus Delos im Jahr 454 Athen zu einem interessanten Reiseziel von Gelehrten gemacht habe: So sei, von zwei Ausnahmen abgesehen, nach den Perserkriegen und vor der Verlegung der Seebundskasse kein Aufenthalt eines Gelehrten in Athen belegt, vgl. Ostwald 2007, S. 307. Vgl. McKechnie 1989, S. 150 und 152. So zeigen schon Diogenes Laertios’ Berichte über die Seereisen des Philosophen Aristippos die Bedeutung, die das Reisen für einen Philosophen hatte: Diog. Laert. 2, 71 und 2, 77.

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z. B. um eine der renommierten Schulen zu besuchen, um dort zu lernen oder zu lehren. Unter ihnen befand sich einer der berühmtesten Einwohner Athens, Aristoteles, über dessen Leben als ansässiger Fremder die Quellen aber nicht berichten.248 Ein anderes, ertragreicheres Beispiel ist der Philosoph Xenokrates. Geboren in Kalchedon im Jahr 396/95, kam er wohl schon in den frühen 370er Jahren nach Athen, um Schüler Platons zu werden.249 Nach dessen Tod verließ Xenokrates die Polis zunächst gemeinsam mit Aristoteles in Richtung Assos, einer persönlichen Einladung des dortigen Herrschers Hermias folgend,250 besuchte dann seine eigene Heimat Kalchedon und kehrte schließlich 339/38 nach Athen zurück, wo er die Akademie als Nachfolger des Speusippos übernahm.251 II.2.1.2 Freiwillig Emigrierte als Zielgruppe athenischer Einwanderungspolitik Ansässige Fremde, die freiwillig, in der Absicht, ihre Lebensumstände zu verbessern, nach Athen kamen, finden sich also in allen möglichen Branchen: Es gibt in der Tat keinen Beruf, zumindest abseits der politischen Sphäre, der nicht auch von ansässigen Fremden ausgeübt wurde. Insgesamt ergibt sich der Eindruck, dass die ansässigen Fremden vor allem Berufe ausübten, in denen ihr fehlendes Recht auf Landbesitz keinen Nachteil brachte. Zugleich deutet sich an, dass die Athener durch die Vergabe von Privilegien oder durch Einbürgerungen eine Einwanderungspolitik verfolgten, die sich profitabel auf ihre eigenen Interessen auswirkte. Zu denken ist hier etwa an die Einbürgerung eines Künstlers, der auf seinen Lohn verzichtete, oder an die Verleihung der énktēsis an einen Arzt, vielleicht auch, um seinen Verbleib in der Polis wahrscheinlicher zu machen. Economic migrants waren eine wichtige Zielgruppe der athenischen Einwanderungspolitik. Einerseits, weil erst die Anwesenheit fremder Baumeister, Arbeiter und Künstler ambitionierte Großprojekte wie das Bauprogramm des Perikles ermöglichte, andererseits, weil sie auch die athenische Wirtschaft selbst ankurbelte:252 Xenophons Vorschläge, wie Athen noch mehr Einwanderer anziehen konnte, richteten sich vor allem an ebendiese.253 Zugleich kann auch beobachtet werden, dass den Athenern nicht nur die Attraktivität ihrer Stadt für potenzielle ansässige Fremde bewusst war, sondern auch, dass besonders die Präsenz der economic migrants davon abhing, dass diese At248 Vgl. Whitehead 1981, S. 243. 249 Diog. Laert. 4, 1. Zu Xenokrates’ Geburtsjahr und dem Datum seiner Umsiedelung nach Athen vgl. auch Whitehead 1981, S. 224. 250 Strab. 13, 57; vgl. Whitehead 1981, S. 232. 251 Ind. Acad. 22–23; Strab. 13, 57; vgl. Whitehead 1981, S. 232. 252 Xen. Vect. 2, 1 sowie 3, 5; vgl. Akrigg 2015, S. 161 sowie 163; Epstein 2008, S. 112; Whitehead 1977, S. 126; Nemeth 2011, S. 337. 253 Xen. Vect. 2, 1; vgl. Akrigg 2015, S. 163.

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traktivität von Dauer war.254 Darum waren die Athener redlich bemüht. So war bspw. die Sicherung des Hafens durch seine Ummauerung eine wichtige Priorität, um den Händlern den Schutz garantieren zu können, den sie erwarteten255 – schließlich war es nicht zuletzt auch die Aussicht auf Sicherheit, die Migranten nach Athen zog.256 Ein weiterer Faktor des Lebens in Athen, von dem potenzielle ansässige Fremde angezogen wurden, war auch die Anerkennung dieser Gruppe an sich. Wer in Athen ansässig war, dem wurden zwar allerhand Pflichten auferlegt, und viele von diesen wurden mitunter sicherlich auch als eine Belastung empfunden,257 aber mit der Ansässigkeit in Athen gingen auch verschiedene Rechte einher:258 So mussten sich die ansässigen Fremden in Athen zwar den geltenden Gesetzen unterwerfen und bei deren Missachtung mit entsprechenden Strafen rechnen,259 gleichzeitig konnten sie aber auch ein ihnen zugefügtes Unrecht vor einem athenischen Gericht anzeigen und sich darauf verlassen, dass das athenische Rechtswesen dieses Unrecht bestrafen würde.260 Zudem zeigen ihre bereits ausführlich dargestellten wirtschaftlichen und intellektuellen Engagements, dass ansässige Fremde in Athen durchaus ‚wettbewerbsfähig‘ waren. Für Athen bedeutete das freilich auch, den Status ansässiger Fremder für potenzielle Zuwanderer immer attraktiv zu halten, und diese nicht, etwa durch hohe Steuern oder massive Einschränkungen ihrer Möglichkeiten, zu verprellen. II.2.2 Unfreiwillige Migration: Athen als Retter in der Not Die Annahme, dass die meisten in Athen lebenden Fremden tatsächlich von wirtschaftlichen Interessen geleitet und aus freien Stücken nach Athen kamen, ist in der Forschung der letzten Jahre in die Kritik geraten. So hat bereits Sabine Tausend zeigen können, dass etwa reine Abenteuerlust als Movens für Ortswechsel kaum eine Rolle spielte.261 Ben Akrigg sprach sich derweil für eine umfassendere Beachtung der Gruppe der Freigelassenen aus: ihre Interessen und Erlebnisse als Personen, deren Umsiedlung nach Athen keineswegs freiwillig vonstatten gegangen sein dürfte, wichen mitun-

254 Vgl. Burford 1965, S. 34; Akrigg 2015, S. 169; Garland 2014, S. 150; Rubinstein 2018, S. 9f; Seager 1966, S. 180. 255 Vgl. Burke 1990, S. 5–7. 256 Vgl. Bäbler 1998, S. 46; Garland 2014, S. 5 sowie S. 126; Whitehead 1977, S. 126. 257 Zu denken ist hier z. B. an den Militärdienst (vgl. Kap. III.1.3) oder verschiedene steuerliche Verpflichtungen (vgl. Kap. III.2.1). 258 Vgl. Coşkun 2014a, S. 104; Ostwald 2007, S. 307. 259 Lys. 22, 5. 260 Dazu Kap. III.6.1.2. 261 Vgl. Tausend 2014, S. 486.

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ter erheblich von denen der economic migrants ab.262 Dabei stellte Akrigg nachdrücklich heraus, dass die Gruppe der Fremden, unter anderem auch weil sie freiwillige und unfreiwillige Migranten umfasste, als stark heterogen begriffen werden muss.263 Die von Akrigg hervorgehobenen Freigelassenen bilden einen Teil der unfreiwillig nach Athen umgesiedelten Personen. Ihnen ist in der vorliegenden Arbeit ein eigenes Kapitel gewidmet.264 Eine andere Gruppe von Personen, die gewissermaßen unfreiwillig nach Athen gelangt sind, bilden Freigeborene, die gezwungen wurden, ihre Heimat zu verlassen. Die Gründe dafür sind vielfältig und den in der heutigen Zeit geläufigen gar nicht so unähnlich: Krieg, Vertreibung, Armut und politische Verfolgung in der Heimat gehörten damals wie heute zu den häufigsten. II.2.2.1 Kriegsflüchtlinge Militärische Auseinandersetzungen brachten, wie Isokrates feststellt,265 zwei Gruppen von Personen nach Athen: Einerseits diejenigen, die ein wirtschaftliches Interesse hatten, weil sie ein Kriegshandwerk betrieben,266 andererseits Flüchtlinge, die Athen in der Hoffnung auf Sicherheit aufsuchten.267 Letztere dürften vor allem im Peloponnesischen Krieg zahlreich um Aufnahme in die Stadt ersucht haben und sind von den Athenern in dieser Zeit wohl auch aufgrund ihres potenziellen Beitrags zum Militär bereitwillig aufgenommen worden.268 Aber auch kleinere und lokal begrenzte Auseinandersetzungen führten zu Fluchtbewegungen. Dadurch scheint die Anzahl von Flüchtigen zu keiner Zeit gering gewesen zu sein:269 In seiner als Archidamos bekannten Rede bemerkt Isokrates, dass es zu seiner Zeit so viele Flüchtlinge aus einer einzigen Stadt gäbe wie früher auf der ganzen Peloponnes.270 Armut, teils selbst eine Auswirkung militärischer Konflikte, ist ein weiterer Faktor, der Personen zwang, ihre Heimat zu verlassen.271

262 Vgl. Akrigg 2015, S. 172f. 263 Vgl. ebd., S. 173. Ähnlich auch Günther, die sich ebenfalls um eine stärkere Beachtung allerdings von Kriegsflüchtigen innerhalb der Gruppe der ansässigen Fremden in Athen ausspricht, vgl. Günther 2014, S. 267. 264 Dazu Kap. II.3. 265 Isokr. 4, 167–168; ähnlich auch Isokr. 5, 120–123. 266 Bei den in Isokr. 4, 168 benannten πολέμους καὶ στάσεις ἡμῖν αὐτοῖς ἐμποιήσαντες handelt es sich, wie Fuks überzeugend darlegt, vor allem um Söldner. Dies ergibt sich aus dem Kontrast mit den in der folgenden Passage Erwähnten, die mit Frau und Kindern geflüchtet seien; vgl. Fuks 1984b, S. 61f. 267 Vgl. Bäbler 1998, S. 46. 268 Vgl. Rubinstein 2018, S. 11; Bäbler 1998, S. 46. 269 Vgl. Fuks 1984b, S. 65; McKechnie 1989, S. 25. 270 Isokr. 6, 68. 271 Vgl. Fuks 1984b, S. 63; Tausend 2014, S. 479.

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Eines der bekanntesten Beispiele für eine Gruppe von Kriegsflüchtlingen bieten die Plataier, die nach der Zerstörung ihrer Stadt in Athen aufgenommen wurden.272 Ihre Bitte um Schutz in der Stadt ist in Isokrates’ Plataïkós umfänglich dokumentiert273 und der Erfolg ihres Gesuches in anderen Quellen überliefert. Demnach erhielten sie eine nahezu vollumfängliche Gleichstellung mit den Athenern in Form der Verleihung des Bürgerrechts,274 mit der einzigen Einschränkung, dass die erste Generation dieser eingewanderten Plataier untauglich war, ein Amt als Priester oder Archont zu besetzen.275 Die Verleihung des Bürgerrechts beschränkte sich dabei auf diese eine schutz- und hilfesuchende Gruppe von Plataiern und schloss künftige Einwanderer aus Plataiai, sofern diese nicht selbst die politeía zugesprochen bekamen, kategorisch aus.276 Selbstverständlich sind die Plataier aber nicht die einzige Gruppe von Flüchtlingen, die sich nach Athen wandten. Die Quellen belegen zwar die Existenz zahlreicher ähnlicher Fälle von Gruppen aus ganz Griechenland, allerdings nicht in einer auch nur annähernd vergleichbaren Ausführlichkeit.277

272 Plataiai wurde 431 von den Thebanern eingenommen, die mit Hilfe städtischer Verschwörer um Naukleides (Thuk. 2, 2, 2), ohne Kampfhandlungen in die Stadt eindringen und deren Übernahme friedlich verkünden konnten (Thuk. 2, 2, 3). Nachdem die Plataier den ersten Schreck über das so unerwartete Einfallen der Thebaner überwunden hatten, bemerkten sie, dass die Gegner wohl in nur geringer Zahl erschienen waren (Thuk. 2, 3, 2) (die Nachhut war noch auf dem Weg, Thuk. 2, 5, 1). Angesichts dessen planten die besetzten Plataier listenreich ihren Widerstand: In der übernächsten Nacht überraschten sie die Eindringlinge, töteten die meisten von ihnen und nahmen die verbliebenen gefangen (Thuk. 2, 3, 4–2, 4, 7). In der Befürchtung, dass die feindliche Nachhut ihren Landsleuten außerhalb der Stadtmauern Schaden zufügen würde, nutzten die Plataier ihre Gefangenen als Verhandlungsmasse: Wenn die Thebaner ihre Ländereien verließen, so würde man die Gefangenen unversehrt übergeben, andernfalls würde man sie töten (Thuk. 2, 5, 5). Die Thebaner zogen sich daraufhin zurück, doch sobald die Plataier ihre Leute eingesammelt und in Sicherheit gebracht hatten, richteten sie die thebanischen Geiseln – wohl entgegen ihren Versprechungen – hin (Thuk. 2, 5, 7). Gleichzeitig wurden Boten zu den Athenern geschickt, die wiederum ein Heer und Proviant entsandten (Thuk. 2, 6, 2–4) sowie Frauen, Kinder und kampfuntaugliche Männer aus der Stadt evakuierten (Thuk. 2, 6, 4). 273 Isokr. 14 widmet sich dem Gesuch der Plataier um Aufnahme in Athen, um Schutz vor Unrecht und nicht zuletzt um Unterstützung, Rache an den Thebanern für das an ihnen verübte Übel zu nehmen. 274 Demosth. 59, 104 sowie auch Isokr. 12, 94; Isokr. 14, 5; Thuk. 3, 55, 5; Thuk. 3, 63, 2; Diod. 15, 46, 6; vgl. Kapparis 1995, S. 359; dazu auch Hunt 2001, S. 362. Zur Einbürgerung der Plataier und zur Verleihung des Privilegs der politeía allgemein s. Kap. III.7.6. 275 Demosth. 59, 92 sowie 104. 276 Demosth. 59, 104: ἐπειδὰν δὲ νεμηθῶσι, μὴ ἐξέστω ἔτι Ἀθηναίῳ μηδενὶ γίγνεσθαι Πλαταιέων, μὴ εὑρομένῳ παρὰ τοῦ δήμου τοῦ Ἀθηναίων. 277 Vgl. Rubinstein 2018, S. 11.

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II.2.2.2 Politische Flüchtlinge Eine weitere Gruppe unter den nach Athen Geflüchteten bilden politische Flüchtlinge – schließlich war Athen schon in frühester Zeit ein beliebter Zufluchtsort für Verbannte.278 Vor allem der Fall, dass Personen aufgrund ihrer athenfreundlichen Gesinnung gezwungen waren, ihre Heimat zu verlassen, ist anscheinend keine Seltenheit gewesen.279 Besonders Personen, die den Titel des próxenos trugen, waren prädestiniert, aufgrund ihrer Verbindung zu einer fremden Polis in Bedrängnis zu geraten. Darauf deuten einige Belege für Gewaltanwendung gegen próxenoi in ihrer Heimatstadt, bis hin zu deren Ermordung.280 Entsprechend war die Polis, welche die proxenía verliehen hat, auch oft die erste Adresse als Fluchtort, wie das Beispiel des Alkibiades zeigt.281 Ob eine Person aus eigener Entscheidung die Heimat als politisch Verfolgter verlässt oder auf eine explizite Aufforderung hin, ist in der Regel aber kaum festzustellen: Das in den Quellen für das Verlassen der Heimat aus wichtigem Grund verwendete Verb φεύγειν kann sowohl das Vertriebenwerden als auch das Fliehen des Bezeichneten bedeuten.282 Aber auch wer kein próxenos der Athener war, konnte sich als athenischer Sympathisant in seiner Heimat unbeliebt machen, was insbesondere die Bezugnahmen auf jene nahelegen, die deshalb verbannt wurden.283 Ein Beispiel dafür findet sich etwa in Korinth: Nach einer verheerenden Niederlage der Athener gegen die Spartaner in der Schlacht von Lechaion im Jahr 391, fanden die überlebenden Athener in Ko­rinth Schutz. Als aber diejenigen, die sich für die Aufnahme der Athener ausgesprochen hatten, für diese proathenische Aktion selbst ins Exil geschickt wurden, nachdem die Spartaner Korinth eingenommen hatten, fanden die Exilierten ihrerseits Aufnahme in Athen.284 Weitere Beispiele bieten Ekphantos und seine Unterstützer,285 die den Athenern 390/89 die Rückgewinnung von Thasos ermöglichten, sowie Archebios und Herakleides. Letztere bewirkten durch die Übergabe von Byzantion an Thrasybulos im Jahr 390, dass die Athener den Hellespont übernehmen konnten und damit eine gestärkte Position bei den Verhandlungen mit den Spartanern hatten.286 Aufgrund ihres Einsatzes für die fremde Stadt wurden sie alle aus ihrer Heimat vertrieben und fanden in Athen nicht nur Aufnahme, sondern wurden auch mit dem umfangreichen Privileg 278 Thuk. 1, 2, 6; dazu Erdtmann 2013, S. 59; Deene 2006, S. 161. 279 Vgl. Gerolymatos 1987, S. 46; Nemeth 2001, S. 336. 280 Vgl. Gerolymatos 1986, S. 12. So ein Fall begegnet etwa in IG II2 111, Z. 37–40, wo ein próxenos der Athener in Kos getötet wurde. Ähnlich geschah es auch Peithias in Kerkyra, der aber den Titel des próxenos nicht trug, sondern von Thukydides nur als ethelopróxenos bezeichnet wird, Thuk. 3, 70, 3. 281 Alkibiades flieht zu den Spartanern, deren próxenos er ist: Thuk. 5, 43, 2; vgl. Gerolymatos 1986, S. 11. 282 LSJ s. v. φεύγω; vgl. Garland 2014, S. 80. 283 Demosth. 20, 53–54; Demosth. 20, 60; vgl. Gerolymatos 1987, S. 46; West 1995, S. 241. 284 Demosth. 20, 52–54. 285 Demosth. 20, 59; dazu auch Walbank 1995, S. 64; Gerolymatos 1987, S. 46 und passim. 286 Demosth. 20, 60.

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der atéleia pántōn ausgestattet.287 Um politische Flüchtlinge handelt es sich wohl auch bei einer Gruppe aus Akarnanien, die im Jahr 338 in Athen Aufnahme fand und umfassend privilegiert wurde.288 II.2.2.3 Unfreiwillig Emigrierte als Zielgruppe athenischer Einwanderungspolitik Auch Personen, deren Übersiedelung nach Athen ein unfreiwilliges Verlassen der Heimat vorausging, haben die Athener als potenzielle Zielgruppe ihrer Einwanderungspolitik erkannt. Mehr noch legen die Quellen nahe, dass es stellenweise sogar als Notwendigkeit empfunden wurde, Flüchtlinge in der Stadt aufzunehmen. Die Rede des Demosthenes gegen Leptines offenbart ein deutliches Bewusstsein einer Verpflichtung der Athener gegenüber denjenigen, die nur aufgrund ihrer Unterstützung für die Athener zur Flucht gezwungen waren.289 Nicht zuletzt appellieren auch die Plataier an das Gewissen der Athener, wenn sie um Aufnahme in die Stadt und um deren Unterstützung bitten.290 Dabei ist nicht zu leugnen, dass Demosthenes’ leidenschaftlichem Plädoyer für die athenische Verpflichtung zur Dankbarkeit gegen ihre Unterstützer auch eine ganz pragmatische Kalkulation zugrunde liegt, die er selbst benennt: Wenn Athen seine Sympathisanten jetzt im Stich lässt, werden diese in Zukunft auch das Wort nicht mehr für die Athener ergreifen.291 So war die Aufnahme von politischen Flüchtlingen auch ein Signal an potenzielle Unterstützer überall: Wer den Athenern hilft, dem helfen die Athener.292 Ein besonderes Schutzversprechen gaben die Athener dabei in Form der Verleihung der asylía an Einzelpersonen ab, wobei vor allem próxenoi zu den Honoranten dieses Privilegs gehörten – sicherlich nicht zuletzt, weil sie besonders gefährdet waren, durch eine proathenische Einstellung in die Bredouille zu geraten.293

287 Dass Demosthenes (Demosth. 20, 60) die Privilegien für die Gruppe um Ekphantos und die für Archebios und Herakleides gemeinsam abhandelt, legt nahe, dass alle dieselben Privilegien zugesprochen bekamen, vgl. Gerolymatos 1987, S. 46. Die Geflüchteten wurden auch zu euergétai und próxenoi ernannt, allerdings sind dies eher Titel denn Privilegien, deren tatsächliche Auswirkungen auf das Leben in Athen, wenn überhaupt, sehr gering waren, dazu Kap. III.7.5. 288 IG II2 237, Z. 22–31. Die zugesprochenen Privilegien umfassten énktēsis (Z. 25), atéleia (Z. 26), Gleichstellung mit den Athenern im Gerichtswesen (Z. 26–27), das Recht, die eisphorá mit den Athenern zu zahlen (Z. 27), sowie den besonderen Schutz der bulḗ und der Strategen vor Unrecht (Z. 28–31); dazu Henry 1983, S. 206; Walbank 1991, S. 201; Miller 2014, S. 141; Whitehead 1977, S. 23 n 65. 289 Z. B. Demosth. 20, 133. 290 Isokr. 14, 1. 291 Demosth. 20, 50. 292 So berufen sich die Plataier in Isokrates’ Plataïkós auf den Ruf der Athener, sich ihren Unterstützern erkenntlich zu zeigen, Isokr. 14, 1. 293 Zur Bedeutung des próxenos-Titels s. Kap III.7.5. Zu Schutzzusicherungen einzelner Poleis an ihre

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Das Vorgenannte mag schnell den Eindruck erwecken, dass die Athener sich Flüchtlingen gegenüber besonders freundlich gezeigt hätten und diese in der Regel mit offenen Armen empfingen – in der Tat ist das auch der Eindruck, den die Athener bisweilen zu erwecken beabsichtigten.294 Er gerät jedoch schnell angesichts des Umstandes ins Wanken, dass diese scheinbar großherzige Aufnahme keineswegs für alle Flüchtlinge galt. Der Grund, warum kaum ein konkreter Fall für die Ankunft von Kriegsflüchtlingen belegt ist,295 dürfte vor allem darin zu finden sein, dass diese eben nicht mit soviel Aufhebens und Privilegien empfangen wurden wie die politischen Flüchtlinge. Selbst der Fall der Plataier, die als Beispiel für die Aufnahme von Kriegsflüchtlingen angeführt wurden, weil sie Athen nach der Zerstörung ihrer Stadt aufsuchten, bestätigt diesen Eindruck: Sie argumentieren selbst, dass sie lange schon Unterstützer der Athener waren und ihrem Hilfegesuch deshalb stattzugeben ist.296 Damit verbunden ist auch die Feststellung, dass politisch Verbannte in der Regel mit einer Kombination von Privilegien ausgestattet wurden, die von Honorant zu Honorant nur wenig unterschiedlich war:297 Sie umfasste in der Regel die énktēsis298 sowie die prozessrechtliche Gleichstellung der Honorierten mit den Athenern.299 Hinzu trat in vielen Fällen die atéleia oder isotéleia,300 regelmäßig auch die atéleia pántōn. Letztere ist dabei nahezu ausschließlich in Dekreten zu finden, die politische Flüchtlinge betrafen.301 Seltener wurde derweil das Bürgerrecht verliehen:302 Während die vorgenannten Privilegien in den Dekreten für Exilierte überwiegend der ganzen Gruppe zugesprochen wurden, werden in der Regel nur ihre Anführer zu Bürgern gemacht.303 So geschehen etwa im Falle der akarnanischen Flüchtlinge, deren Anführer Phormion und Karphinas eingebürgert wurden, während der Rest der Gruppe diverse andere Privilegien erhielt.304

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próxenoi, insbesondere in Form von aspháleia, vgl. Pauling 2018, S. 270ff sowie auch Mack 2015, S. 355; ähnlich auch Hagemajer Allen 2003, S. 223. Dies wird etwa in der hitzigen Debatte zwischen Demophon, dem König der Athener, und seinem argivischen Pendant bzw. dessen Boten deutlich: Die Schutzsuchenden nicht auszuliefern, scheint darin eine Ehrensache und eine Frage des Stolzes für die Athener zu sein: Eur. Heraclid. 252–266; vgl. Garland 2014, S. 126. Kriegsflüchtlinge tauchen in den Quellen vielmehr als eine ‚anonyme Masse‘ auf, so etwa bei Isokr. 4, 167f. Isokr. 14, 1; vgl. Garland 2014, S. 120. Vgl. Brandt 1992, S. 195; Rubinstein 2018, S. 13. Dabei konnten Abweichungen in der Art der verliehenen énktēsis auftreten, vgl. Henry 1983, S. 206 sowie Kap. III.7.4. Sog. epimeleísthai-Klausel, dazu Adak 2003, S. 212. Vgl. Brandt 1992, S. 195. Vgl. Adak 2003, S. 230. Vgl. Brandt 1992, S. 195. Vgl. u. a. Hagemajer Allen 2003, S. 223. IG II2 237, zur Einbürgerung von Phormion und Karphinas: Z. 15–22; Zur Verleihung der Privilegien an den Rest der Gruppe: Z. 21–31.

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Intrinsische Merkmale

II.2.3 Eine Frage der Ehrungen Es ergibt sich aus dem Vorstehenden, dass die Gründe, warum ein Fremder in Athen ansässig wurde, sich vor allem auf seinen Zugang zu Privilegien auswirkte. Es entsteht dabei der Verdacht, dass Sympathisanten der Athener, die aufgrund ihrer proathenischen Gesinnung in ihrer Heimatstadt in Ungnade fielen und fliehen mussten, die besten Chancen hatten, eine Besserstellung in Athen zu erreichen. Dazu scheinen die Privilegien umso besser zu werden, je mehr man riskierte – so durften Drahtzieher größerer Aufstände in einigen Fällen sogar auf das Bürgerrecht hoffen. Unter den freiwillig Emigrierten hatten vor allem diejenigen Chancen auf Privilegien, die ihre Profession zu Gunsten der Athener zu nutzen wussten: Entweder weil sie mit ihrer Anwesenheit einen Mangel ausglichen, wie der Arzt Euenor, oder weil sie sich anderweitig besonders verdient machten, etwa durch Gehaltsverzicht. Dem gegenüber stehen Personen, die sich selbst – pointiert ausgedrückt – für Athen noch nicht als nützlich erwiesen haben. Zu denken ist hier etwa an Schutzsuchende, die ohne politischen Hintergrund aus ihrer Heimat fliehen mussten, oder an economic migrants, die sich in Athen schlichtweg bessere Chancen ausrechneten. Sie empfingen dort in den wenigsten Fällen Privilegien. Im Angesicht dessen lässt sich die Vergabe von Ehrungen an ansässige Fremde als wichtiges Instrument der Athener begreifen. Dabei scheint deren Vergabepraxis einen Versuch darzustellen, bestimmte Bedürfnisse der Polis zu befriedigen bzw. Grundbedürfnisse zu sichern. Eindrucksvolles Beispiel hiervon ist die Ehrung von Getreidehändlern: So hat Christian Marek die bevorzugte Ernennung dieser zu próxenoi, nebst der damit verbundenen Gewährung diverser Privilegien, als Beweis dafür angeführt, dass die gezielte Vergabe von Ehrentiteln und Privilegien an Getreidehändler einen Beitrag zur Sicherstellung der Kornversorgung leistete.305 Ein Bedürfnis Athens war freilich auch, Fürsprecher und Informanten in anderen Poleis zu haben.306 Dies wiederum stellten die Athener einerseits sicher, indem sie ihren Unterstützern schon Sicherheitsversprechen gaben, ohne dass eine konkrete Gefahr vorlag, etwa durch die Verleihung der asylía an próxenoi. Andererseits signalisierten sie potenziellen Fürsprechern auch mit der Aufnahme politischer Flüchtlinge und der Vergabe umfassender Privilegien an diese, dass ihre Sympathisanten sich auf die Athener verlassen konnten.307 Diesen Ruf der Athener galt es immer wieder neu zu bestätigen. Es ergibt sich also, dass die Privilegien auch ein Instrument waren, Einfluss auf die Gruppe der ansässigen Fremden zu nehmen, und zwar sowohl im Hinblick auf ihr Verhalten als auch auf ihre Zusammensetzung. Einerseits dürfte die Aussicht auf 305 Vgl. Marek 1984, S. 360; ähnlich auch Finley 1973, S. 162–164; Pébarthe 2016, S. 225. Zur Wahl der Empfänger der Proxenie s. Kap III.7.5. 306 Vgl. Gerolymatos 1986 passim, z. B. S. 85f. 307 Ähnlich Hagemajer Allen 2003, S. 223.

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eine Bevorteilung den einen oder anderen zu einem besonderen Dienst an den Athenern angespornt haben.308 Andererseits passt die Privilegierung ansässiger Fremder auch gut zu den von Xenophon in seinen Póroi diskutierten Möglichkeiten, Athen für Einwanderer attraktiver zu machen: So schlägt er im Rahmen dessen vor, einige Einschränkungen von den ansässigen Fremden zu nehmen,309 darunter auch das Verbot immobilen Eigentums, was in der Praxis nichts anderes als die grundlegende Verleihung der énktēsis bedeutete.310 Schließlich diente die Verleihung von Privilegien an ganz bestimmte Personen auch dazu, diese Personen in Athen zu halten oder ihnen ähnliche anzuziehen. II.2.4 Fazit: Freiwillig und unfreiwillig Emigrierte in Athen Athen war Ziel sowohl freiwillig wie auch unfreiwillig Emigrierter. Für Erstgenannte bot die Metropole zahlreiche Anreize: Angefangen vom Hafen, der die Händler anzog, über den stetigen Ausbau der Stadt, der Handwerkern und Künstlern zahlreiche Möglichkeiten bot, bis hin zu den Schulen, in denen Gelehrte unterschiedlichster Herkunft sich trafen. Ihren Lebensunterhalt verdienten ansässige Fremde vorwiegend im Handwerk und Handel, seltener in der Landwirtschaft. Aber auch Personen, die in Athen eher Zuflucht denn das große Geld suchten, fanden sich zahlreich unter den ansässigen Fremden. Sie flohen vor dem Krieg, etwa wegen der Zerstörung ihrer Stadt, oder sie kamen als politische Flüchtlinge nach Athen. Sowohl die einen wie auch die anderen wurden von den Athenern im Rahmen ihrer Einwanderungspolitik bedacht. Für die freiwillig Emigrierten war Athen bemüht, durch die Gewährung vieler Rechte und die Beschränkung der Pflichten auf einen angemessenen Umfang ein dauerhaftes Leben in Athen attraktiv zu machen. Politische Flüchtlinge wiederum konnten in Athen nicht nur auf Aufnahme hoffen, sondern auch auf die Gewährung umfassender Privilegien. Im Vorangegangenen konnte zudem festgestellt werden, dass die Gründe, die eine Person dazu bewogen nach Athen zu kommen und dort zu leben, den Zugang zu Privilegien beeinflussten: Politische Flüchtlinge waren besonders häufig Empfänger von Ehrungen, wie auch Personen, die etwa im Rahmen der Ausübung ihrer Tätigkeit Athen von besonderem Nutzen waren. Dieser Zusammenhang zwischen der Privilegierung einer Person und dem Nutzen, den diese Person für die Athener hatte, ist sicherlich weder kontraintuitiv noch besonders überraschend. Zudem ist die Feststellung dieses Zusammenhangs an sich auch noch nicht ausreichend, um eine Differen308 Vgl. Lambert 2011, S. 194. 309 Xen. Vect. 2 und 3; vgl. Fisher 2010, S. 341. 310 Xen. Vect. 2, 6; vgl. Thür 1989, S. 121.

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zierung der ansässigen Fremden anhand ihrer Beweggründe, nach Athen zu kommen, zu rechtfertigen: Diese wird erst durch eine Untersuchung der Privilegien und deren Differenzierungspotenzial nahegelegt.311 II.3 Freigeborene und Freigelassene Anders als in Rom, wo der Sklave nach seiner Freilassung zum Bürger aufstieg,312 wurden ehemalige Sklaven in Griechenland nach ihrer Freilassung nicht in die Bürgergemeinschaft aufgenommen, sondern erhielten den Status der ansässigen Nichtbürger. Nicht zuletzt dürfte es auch dieser Umstand gewesen sein, der maßgeblich zur Größe der Fremdenpopulation in Athen beigetragen hat.313 Kaum ein Aspekt der Population der ansässigen Fremden in Athen ist in der Forschung so intensiv diskutiert worden wie die Zusammenfassung freigelassener und freigeborener ansässiger Fremder zu einer gemeinsamen Statuskategorie und die Frage nach ihrer daraus vermeintlich resultierenden Gleichstellung. Das Merkmal ‚freigelassen‘ bzw. ‚freigeboren‘ steht damit im Verdacht, sich erheblich auf den Status eines ansässigen Fremden in Athen in der klassischen Zeit ausgewirkt zu haben, was im Folgenden zu prüfen sein wird. II.3.1 Freilassungspraxis in Athen Sklavenbesitz war im klassischen Athen üblich und keinen Sklaven zu haben ein deutliches Zeichen von Armut.314 Nicht nur freie Bürger konnten sich Sklaven halten: Sogar Unfreie konnten selbst Sklavenhalter sein.315 Wer es sich leisten konnte, beschäftigte mehrere Sklaven: Der größte bekannte Sklavenbesitz in Athen war der des Nikias, der über etwa 1.000 Minensklaven verfügte.316 Besitzer von Sklaven hatten grundsätzlich das Recht, ihnen die Freiheit zu schenken. Vor allem Haushaltssklaven und fähige Handwerkssklaven konnten darauf hoffen, dass ihr Herr irgendwann von diesem Recht Gebrauch machen würde.317 Die Praxis der Freilassung selbst setzte sich erst im Laufe des 5. Jahrhunderts in Athen durch318 und intensivierte sich von da an.319 In der

311 312 313 314 315 316 317 318 319

Dazu Kap. III.7. Vgl. Hermann-Otto 2015, S. 58. So u. a. vermutet von Akrigg 2015, S. 162. Lys. 5, 5; vgl. Fisher 2010, S. 332. Vgl. Cohen 2000, S. 108. Xen. Vect. 4, 14; vgl. Burford 1972, S. 43. Vgl. Finley 1981, S. 122. Vgl. Hermann-Otto 2009, S. 89. Vgl. Klees 2000, S. 4 sowie Hermann-Otto 2009, S. 99.

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Regel veranlassten Privatpersonen die Freilassung; von der Polis initiierte Freilassungen waren die Ausnahme.320 Zentral für den Vorgang der Freilassung war seine Bekanntmachung, bspw. im Rahmen einer öffentlichen Ankündigung:321 Nicht nur hatte die Polis selbst ein Interesse daran, Freilassungen auf ihrem Gebiet zu registrieren,322 auch der Freilasser konnte so im Rahmen der Freilassung getroffene Vereinbarungen durchsetzen und wurde nicht länger für eventuelle Erbsachen oder Vormundschaften haftbar gemacht.323 Für den Freigelassenen war die Bekanntmachung seines neugewonnenen Status von immenser Bedeutung, um sicherzustellen, dass er nicht bei nächstbester Gelegenheit als (vermeintlich) Entlaufener zu seinem ehemaligen Herrn zurückgebracht wurde oder dieser unrechtmäßige Ansprüche auf ihn erhob. Die öffentliche Bekanntmachung wirkte nicht zuletzt als Garantie dafür, dass der Freigelassene einerseits Rechte einfordern konnte und dass andererseits auch Pflichten von ihm eingefordert werden konnten. Obwohl keine Belege dafür bekannt sind, ist die Forschung zuweilen davon ausgegangen, dass Freilassungen an offizieller Stelle angezeigt werden mussten und die Freilassungsurkunden in Athen archiviert worden seien.324 Die Quellenlage zu Freilassungen in Athen ist ungünstig; die meisten Informationen über die griechische Freilassungspraxis stammen aus anderen Poleis.325 Für Regionen, deren Freilassungspraxis wiederum gut belegt ist,326 fehlen aber Informationen über den Status der Freigelassenen.327

320 Vgl. Herrmann-Otto 2009, S. 99; Zelnick-Abramovitz, 2009, S. 305; Harding 1987, S. 179. Ein Beispiel für eine von der Polis initiierte Freilassung könnte in IG II2 10 vorliegen. Die Inschrift enthält einen Beschluss, der Belohnungen für eine Gruppe von Personen vorsieht, die bei der Wiederherstellung der Demokratie geholfen haben, sowie eine Liste mit Namen. Allerdings ist die Inschrift an der entscheidenden Stelle gebrochen, nämlich genau da, wo diese Gruppe von Personen näher bestimmt wurde (Z. 2). Erhalten ist lediglich οι. Klar ist, dass es sich hierbei um Personen handeln muss, die keine Athener waren, da Z. 9 die Belohnungen für Athener festlegt, die damit anscheinend nicht in der ersten Gruppe inkludiert waren. Osborne hat vorgeschlagen, … οι zu xénoi zu erweitern, was in der Forschung allgemein Anklang gefunden hat (vgl. Osborne 1981, S. 38f). In einem Aufsatz hat Harding diese Lesung allerdings kritisiert: Dass einige der aufgeführten Namen eindeutig Sklaven zuzuordnen sind, spreche dagegen, dass die Gruppe in der Inschrift als xénoi bezeichnet worden sein könnte (vgl. Harding 1987, S. 178). Stattdessen schlägt Harding vor, in Z. 4 dúloi zu lesen, was die Inschrift zu einem Beleg für eine von der Polis angeordnete ‚Massenfreilassung‘ machen würde. 321 Vgl. Kamen 2013, S. 4. 322 Darauf deuten zumindest die Listen über Freilassungsvorgänge hin, die in einigen Poleis geführt wurden, vgl. Zelnick-Abramovitz 2009, S. 307; z B. SEG 37, 450 sowie IG IX,2 109a. Nicht zuletzt unterlag die Freilassungspraxis wohl auch bestimmten Freilassungsgesetzen (vgl. Zelnick-Abramovitz 2009, S. 308), deren Einhaltung die Polis verfolgte. 323 Vgl. Zelnick-Abramovitz 2009, S. 307. 324 Zuletzt ebd., S. 306; s. auch weiter unten in diesem Kapitel. 325 Vgl. Sosin 2017, S. 132. 326 Insbesondere Thessalien und Delphi, vgl. Hunt 2018, S. 118. 327 Vgl. Zelnick-Abramovitz 2009, S. 304 sowie 309.

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Es ist dieser Hintergrund, vor dem die athenischen phiálai-Inschriften einen besonderen Stellenwert einnehmen.328 Mit der Freilassung erhielt der Betreffende eine neue gesellschaftliche Existenz.329 Anders als in Rom wurde er in Athen aber nicht in die Gemeinschaft der Bürger aufgenommen, sondern blieb ein Nichtbürger.330 Welchen Status die Freigelassenen in Athen danach annahmen, ist in der Forschung umstritten. Während einige der Meinung sind, dass der Freigelassene in die einzige ihm offenstehende Statuskategorie der ansässigen Fremden eintritt und damit von freigeborenen ansässigen Fremden ununterscheidbar wird,331 gehen andere davon aus, dass Freigelassene einen eigenen Status in Athen annehmen,332 der sich in unterschiedlichem Maße von dem der Freigeborenen unterscheidet. Welcher der beiden Ansichten am ehesten Glauben geschenkt wird, entscheidet auch, welche Definition eines métoikos Gültigkeit hat. Hierbei spielt der Grad der Assimilation von freigelassenen und freigeborenen ansässigen Fremden eine Rolle, aber auch die Frage, welche Merkmale einen métoikos auszeichnen (können): Zu akzeptieren, dass Freigelassene den Status von Metöken annehmen, bedeutet schließlich auch, die Merkmale, die Freigelassene tragen, in der Definition eines Metöken zu berücksichtigen. Wenn auch Freigelassene Metöken werden können, so kann ein Metöke beispielsweise kein „willingly expatriated foreigner, […] one who had never lost his civic status or rights in his natal city “333 sein. Gerade weil Freigelassene einen nicht unerheblichen Anteil innerhalb der ansässigen Fremden einnehmen, ist ihre Berücksichtigung von großer Bedeutung, wenn es um die Definition eines Metöken geht. Die Freilassung war gemeinhin als eine Belohnung für gutes Verhalten gedacht und wirkte so auch als Ansporn für andere Sklaven.334 Obwohl die finanzielle Kompensation sicherlich in den meisten Freilassungsfällen eine Rolle spielte, waren finanzielle Anreize nicht die einzigen Gründe, einen Sklaven aus dem Dienst zu entlassen. Insbesondere in Fällen, in denen Kinder freigelassen wurden oder in denen eine Verwandtschaft von Herrn und Sklaven offenbar war, dürften auch andere Beweggründe zur Freilassung beigetragen haben.335 Außerdem konnte die Freilassung auch ein von Vgl. zu den phiálai-Inschriften S. 326f. Vgl. Klees 2000, S. 4. Vgl. Whitehead 1977, S. 16; Finley 1973, S. 78; Klees 2000, S. 5. Vgl. Sosin 2016, S. 4 und passim; Akrigg 2015, S. 173. Vgl. Zelnick-Abramovitz 2005a passim, besonders S. 125; Dimopoulou-Piliouni 2008, S. 29; Kamen 2013, S. 39–42 sowie S. 44; Hansen 1991, S. 119; Harding 1987, S. 181. 333 Dimopoulou-Piliouni 2008, S. 29. 334 Vgl. Fisher 2010, S. 332; Zelnick-Abramovitz 2005a, S. 159; Bäbler 1998, S. 34. Ein gutes Beispiel hierfür ist Pasion, der wegen guter Führung einerseits und wegen seines herausragenden Geschäftssinnes andererseits freigelassen wurde, Demosth. 36, 43–44. 335 Vgl. Zelnick-Abramovitz 2005a, S. 164–167. So belegt etwa eine Inschrift aus Delphi die Freilassung einer jungen Sklavin durch ihren Vater: FD III,2 216; dazu Tucker 1982, S. 229 mit n 17 und ebd. für weitere Beispiele. 328 329 330 331 332

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der Polis selbst gesetzter Anreiz für eine bestimmte Leistung sein: So etwa wurden im Kontext des Hermokopidenfrevels im Jahr 415 Sklaven mit der Freiheit belohnt, die Informationen über die Täter zu geben bereit waren.336 In diesen Fällen entließ man den Sklaven wohl auch ohne finanzielle Gegenleistung in die Freiheit. Das Freikaufen durch den Sklaven selbst (oder eine dritte Person) dürfte in Griechenland die Regel gewesen sein.337 Ob es ein Sklave schaffte, sich bis zur Freilassung hochzuarbeiten, hing einerseits von seinen eigenen Fähigkeiten ab, andererseits aber von seinem Einsatzgebiet und der allgemeinen Arbeitsorganisation. Dabei scheinen vor allem die Sklaven einen Vorteil gehabt zu haben, die im Handel oder im Finanzwesen tätig waren und recht selbstständig und mit vielen Vollmachten ausgestattet arbeiteten.338 Nicht alle Sklaven arbeiteten außerdem in direkter Nähe zu ihren Herren: Die sogenannten chōrís oikúntes339 lebten für sich und bekamen so wahrscheinlich viele Gelegenheiten, Geld für ihre Freilassung anzusparen.340 Es scheint außerdem, dass einige Sklaven in günstigen Positionen einen Teil der durch ihre Arbeit erwirtschafteten Gewinne einbehalten konnten.341 Sklaven, die nicht einfach an monetären Gewinnen beteiligt werden konnten, wurde wahrscheinlich ein kleines Gehalt gezahlt.342 Auf diesem Wege konnten einige Sklaven durchaus zu einem Vermögen gelangen,343 mit dem sie sich ihre eigene Freiheit erkaufen konnten.344 Im Falle, dass das eigene Geld nicht ausreichte, gab es schließlich noch die Möglichkeit, sich die Freiheit über eine dritte Person kaufen zu lassen oder das fehlende Geld bei Sponsoren einzutreiben bzw. zu 336 Thuk. 6, 27, 2 sowie And. 1, 12–28 und besonders 1, 27–28; vgl. Kamen 2013, S. 33. Dasselbe könnte auch auf den von der Polis freigelassenen Epigonos in IG XII,1 383 zutreffen, vgl. Zelnick-Abramovitz 2005b, S. 109 mit n 10. 337 Vgl. Zelnick-Abramovitz 2005a, S. 208. 338 Vgl. Herrmann-Otto 2009, S. 95; Cohen 2000, S. 108; Wrenhaven 2009, S. 368. 339 Der Status der chōrís oikúntes ist umstritten, vgl. u. a. Hermann-Otto 2009, S. 95; Klees 2000, S. 16; Kamen 2013, S. 46; Sosin 2015 passim. Beispiele für Sklaven, die ein sehr eigenständiges Leben abseits ihres Herrn führten, sind etwa Phormion und Pasion, die eine Bank managten (s. u.), aber auch Midas und seine Söhne, die ein Parfümgeschäft leiteten (Hyp. 3), vgl. Zelnick-Abramovitz 2005a, S. 180 und 215f; Klees 2000, S. 15f. 340 Vgl. Zelnick-Abramovitz 2005a, S. 180; Kamen 2016, S. 413. 341 Vgl. Kamen 2016, S. 414. Darauf deutet allem voran die Existenz einer sogenannten apophorá hin, die von denjenigen Sklaven an ihren Herren gezahlt wurde, die als gelernte Handwerker oder als Manager außerhalb seines Haushalts tätig waren. In Aeschin. 1, 97 etwa erhält der angeklagte Timarchos einen Betrag von 2 Obolen am Tag von seinen als Schuhmacher tätigen Sklaven und sogar 3 Obolen vom geschäftsführenden Sklaven. Dabei handelt es sich um einen festen Betrag, der unabhängig von den Tageseinnahmen zu entrichten ist, was zumindest vermuten lässt, dass im Falle größerer Einnahmen der erwirtschaftete Überschuss bei den Sklaven verblieb und von ihnen nach eigenem Willen genutzt werden konnte (vgl. Kamen 2016, S. 416). Auch Neaira schien einen beträchtlichen Betrag für ihre Freilassung angespart zu haben: Demosth. 59, 30. 342 Vgl. Kamen 2016, S. 414 sowie 417f. 343 Xen. Ec. 14, 9; Ps.-Xen. Ath. Pol. 1, 11; vgl. Kamen 2016, S. 419; dazu auch Dimopoulou-Piliouni 2008, S. 36 344 Vgl. Kamen 2016, S. 416 und 422; Wrenhaven 2009, S. 368 und 370; Zelnick-Abramovitz 2005a, S. 180.

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Intrinsische Merkmale

leihen.345 Prädestiniert für die Freilassung mittels einer solchen Abmachung waren vor allem die Herzensbrecher unter den Sklaven, wie Neaira346 und Midas.347 Allerdings zog nicht jede Freilassung die uneingeschränkte Selbstbestimmung des ehemaligen Sklaven nach sich. Vielmehr existierte in Griechenland ein Status zwischen frei und unfrei, in den eine Person bei einer an bestimmte Bedingungen geknüpften Freilassung treten konnte.348 Im Rahmen dieses besonderen Modus einer Freilassung bestimmte eine sogenannte paramonḗ-Klausel,349 dass der Betreffende auch nach seiner Freilassung noch eine gewisse Zeit Dienste für seinen ehemaligen Herrn zu leisten habe.350 Um welche Dienste es sich dabei handelte, oblag der individuellen Vereinbarung zwischen den Parteien. Auch wie lange der ehemalige Sklave noch in diesem „half-way-free-status“351 aushalten musste, wurde vom Freilassenden festgelegt. Dabei konnte es sich um einige Jahre,352 aber auch um den Rest seines Lebens handeln.353 Für

345 Vgl. Zelnick-Abramovitz 2005a, S. 81f; Kamen 2016, S. 424. In einigen Poleis war auch ein sogenannter ‚fiktiver Verkauf ‘ möglich, in dessen Rahmen ein Sklave symbolisch an einen Gott verkauft wurde und damit de facto die Freiheit erlangte. Diese Art der Freilassung scheint es in Athen aber nicht gegeben zu haben, vgl. Kamen 2016, S. 424. 346 Demosth. 59, 30–32: Neaira wurde eine Zeit lang als Mätresse zweier Männer gehalten, die ihr, als sie heirateten, den Kauf ihrer Freiheit für 20 mnaí anboten. Neaira, deren Ersparnisse nicht ausreichten, bestellte daraufhin einige ihrer Verehrer nach Korinth mit der Bitte, den Restbetrag beizusteuern. Kamen behauptet in diesem Zusammenhang, dass Neaira von Rechts wegen nicht in der Lage gewesen sei, sich freizukaufen (vgl. Kamen 2016, S. 424). Diese Behauptung ist allerdings anhand der Quelle nicht haltbar: Demosth. 59, 30 verweist nur auf Neairas finanzielles Unvermögen, weshalb sie Phrynion um die Aufstockung ihrer Ersparnisse bat (Demosth. 59, 31). Eine Rechtsunfähigkeit, ihre eigene Freiheit zu erkaufen, ergibt sich daraus aber nicht. 347 Die Rede des Hypereides gegen Athenogenes (Hyp. 3) behandelt die Freilassung des Sklaven Midas und seiner Söhne, indem ihr ehemaliger Herr Athenogenes diese an den Sprecher verkaufen wollte (Hyp. 3, 3). Der Sprecher selbst wurde dabei aber gehörig übers Ohr gehauen, denn er erwarb nicht nur die Sklaven, sondern auch deren Schulden (Hyp. 3, 4). 348 Vgl. u. a. Finley 1981, S. 141; Kamen 2013, S. 32. Rachel Zelnick-Abramovitz widmete diesem Zwischenstatus ein umfassendes Werk, vgl. Zelnick-Abramovitz 2005a passim. 349 Es wurde in der Forschung bisweilen bezweifelt, dass paramonḗ-Freilassungen in Athen praktiziert wurden, da die Verwendung dieses Terminus vor dem 3. Jahrhundert nicht nachweisbar ist, vgl. u. a. Dimopoulou-Piliouni 2008, S. 31. In diesem Fall ist aber Kamen zuzustimmen, dass das Fehlen eines terminus technicus nicht zwangsläufig bedeutet, dass die Praxis als solche nicht bestanden hat, vgl. Kamen 2013, S. 38 n 28; auch Finley 1981, S. 143; Klees 2000, S. 17; Zelnick-Abramovitz 2005a, S. 207. Für Athen lässt das von Diogenes Laertios überlieferte Testament des Lykon (Diog. Laert. 5, 73) kaum Zweifel daran zu, dass eine Freilassung mit Auflagen in Athen möglich war, vgl. Kamen 2013, S. 38f; Klees 2000, S. 12. Auch Platon kennt die Idee einer paramonḗ-Freilassung: Plat. Leg. 914e–915c; vgl. Zelnick-Abramovitz 2005a, S. 224. 350 Vgl. Kamen 2013, S. 37; Dimopoulou-Piliouni 2008, S. 31. Zelnick-Abramovitz bezeichnet eine Freilassung in diesem Zusammenhang als ein „exchange of freedom for service“, Zelnick-Abramovitz 2005a, S. 153. 351 Finley 1981, S. 141, ähnlich auch Kamen 2013, S. 42 und Klees 2000, S. 15. 352 So in Diog. Laert. 5, 73. 353 Vgl. Zelnick-Abramovitz 2005a, S. 225f; Dimopoulou-Piliouni 2008, S. 31.

Freigeborene und Freigelassene

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den Fall, dass der Freigelassene die Abmachung bricht, behielt sich der (ehemalige) Sklavenbesitzer auf diesem Wege Eigentumsbefugnisse über den Freigelassenen vor.354 Die Ausgestaltung einer solchen ‚vorbehaltlichen Freilassung‘355 war damit individuell sehr verschieden und konnte das Leben der Beteiligten in sehr unterschiedlichem Maße, wenn auch immer nur für eine begrenzte Zeit,356 beeinflussen. Das führte wohl dazu, dass in der Forschung sehr unterschiedliche Einschätzungen über den Status der in Athen nach diesem Modus Freigelassenen getroffen wurden: Dabei reicht die Skala von einem Sklaven357 bis hin zu einem annähernd Freien.358 Je nachdem, an welchem Ende dieser Skala die eigene Ansicht zu verorten ist, resultiert daraus auch eine mögliche Unterteilung von Freigelassenen in zwei Gruppen: Diejenigen, die ohne Auflagen freigelassen wurden, einerseits und diejenigen, die mit Auflagen freigelassen wurden, andererseits. Dessen eingedenk, stellen sich mehrere Fragen: Zunächst muss geklärt werden, welchen Status Freigelassene in Athen innehatten. Dabei ist von Interesse, ob der Status von Freigelassenen dem der freigeborenen Nichtbürger in Athen genau entsprach oder ob es sich hier nicht vielmehr um zwei unterschiedliche und unterscheidbare Statuskategorien handelt. Weiter ist zu untersuchen, ob verschiedene Modi der Freilassung, insbesondere die vorbehaltliche Freilassung, diesen Status beeinflussten.

354 Vgl. Klees 2000, S. 17. Einige Freilassungsverträge enthielten auch eine Liste von Strafen, die vorgesehen waren, falls der Freigelassene gegen die Abmachung verstoßen sollte, vgl. Zelnick-Abramovitz 2005a, S. 233 mit n 109. Beispiele finden sich in SGDI 1804 sowie SGDI 1854. 355 In der (englischen) Literatur wird entweder der Begriff der paramonḗ-Freilassung (z. B. DimopoulouPiliouni 2008; Finley 1984; Klees 2000; Sosin 2017, S. 132 n 10) oder die Bezeichnung „conditional manumission“ (z. B. Kamen 2013) gebraucht. Allerdings sind beide Bezeichnungen, wie ZelnickAbramovitz sehr überzeugend dargelegt hat, irreführend (vgl. Zelnick-Abramovitz 2005a, S. 223): paramonḗ bedeutet im eigentlichen Sinne, dass der (ehemalige) Sklave im Hause seines Herren verbleibt, was aber nicht bei allen Freilassungen dieser Art zwangsläufig verlangt wurde (vgl. ebd. und S. 230). Die Bezeichnung als Freilassung unter bestimmten Bedingungen (‚conditional‘) wiederum sei nicht treffend, da sie suggeriere, dass es auch bedingungslose Freilassungen gebe. Dies sei aber, so Zelnick-Abramovitz, schon allein deshalb unzutreffend, weil jede Freilassung immer nur unter der Bedingung der Zustimmung des Freilassenden stattfinden könne und eine Freilassung damit grundsätzlich bedingt sei (vgl. ebd., S. 223). Stattdessen schlägt Zelnick-Abramovitz vor, für diesen Modus der Freilassung die Bezeichnung „deterred manumission“ zu verwenden. ‚Vorbehaltliche Freilassung‘ scheint in einer deutschsprachigen Arbeit den überzeugenden Einwänden Zelnick-Abramovitz’ am ehesten Genüge zu tun. 356 Vgl. Zelnick-Abramovitz 2005a, S. 225; Klees 2000, S. 17. 357 So bspw. Klees 2000, S. 15. 358 Vgl. Zelnick-Abramovitz 2005a, S. 230; Kamen 2013, 39–41.

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Intrinsische Merkmale

II.3.2 Merkmale der Freigelassenen Um die Stellung der Freigelassenen im klassischen Athen erfassen und beschreiben zu können, gilt es im Folgenden zu überprüfen, welche Rechte, Privilegien und Beschränkungen freigelassene ansässige Fremde in Athen mit den freigeborenen teilten und welche ihnen allein vorbehalten waren. II.3.2.1 Das triṓbolon Es besteht kaum ein Zweifel, dass Freigelassene grundsätzlich zu den ansässigen Fremden in Athen gehörten, die das metoíkion entrichten mussten.359 Neben diesem wird aber noch eine weitere Gebühr erwähnt, die der Forschung allerlei Kontroversen beschert hat: das triṓbolon. Die Quellen treffen, wenn überhaupt, sehr spärliche Aussagen über diese Gebühr, und zeitgenössische Quellen schweigen darüber sogar ganz und gar.360 Die früheste Erwähnung des triṓbolon findet sich bei Harpokration361 und später bei den Grammatikern Pollux362 und Hesychios.363 Während Pollux und Hesychios das triṓbolon allerdings als einen Teil des metoíkion auffassen, der von allen Metöken zu entrichten war, beschränkt Harpokration den Kreis der Zahlungspflichtigen auf Sklaven, die vom Herren entlassen worden waren.364 Diese Auffassung stützt Harpokration namentlich auf den Komödiendichter Menander, der dies in seinen heute verlorenen Werken Anatitheménē und Dídymai erwähne. Von allen den ansässigen Fremden auferlegten Abgaben hat das triṓbolon der Forschung am meisten Rätsel aufgegeben. Die Mehrheit ist der Anmerkung des Harpokration gefolgt, sodass die Annahme, das triṓbolon sei eine nur von Freigelassenen zu entrichtende Abgabe, obwohl nicht über alle Zweifel erhaben,365 als communis opinio 359 360 361 362 363 364 365

Harp. s. v. μετοίκιον; auch Demosth. 22, 61, s. Kap. III.2.1.1. Vgl. Sosin 2016, S. 7 und Zelnick-Abramovitz 2005a, S. 210. Harp. s. v. μετοίκιον. Poll. 3, 55. Hesych. s. v. μετοίκιον. Harp. s. v. μετοίκιον: δοῦλοι ἀφεθέντες ὑπὸ τῶν δεσποτῶν. Joshua Sosin hat dagegen unlängst Einspruch erhoben und das nicht ganz zu Unrecht (vgl. Sosin 2016, S. 6). Der Widerspruch zwischen Pollux und Hesychios auf der einen und Harpokration auf der anderen Seite bezüglich des Personenkreises, der das triṓbolon zu zahlen hatte, ist unübersehbar, und es bedarf zunächst einer Klärung, ob Harpokrations Behauptung überhaupt Gültigkeit beigemessen werden kann. Auf rein formaler Ebene spricht für die Glaubwürdigkeit Harpokrations, dass es sich nicht nur um die älteste Belegstelle für das triṓbolon handelt, sondern dass die Aussage auch unter Berufung auf eine zeitgenössische Quelle getätigt wurde. Zudem ist zu betonen, dass die Aussagen von Harpokration, Pollux und Hesychios eigentlich gar nicht konträr sind: Nur Harpokration erwähnt Freigelassene überhaupt in seinem Eintrag zum metoíkion, sodass auch die Betonung ­eines Unterschiedes zwischen Freigelassenen und Freigeborenen eigentlich nur von ihm zu erwarten wäre.

Freigeborene und Freigelassene

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gelten darf.366 Damit teilt das triṓbolon die ansässigen Fremden in Athen bereits in zwei Gruppen: einerseits die Freigeborenen, die nicht zur Zahlung verpflichtet sind, andererseits die Freigelassenen, die es entrichten müssen.367 Welche Bedeutung man dem triṓbolon als Differenzierungsmerkmal aber beizumessen hat, hängt maßgeblich von den Modalitäten dieser Abgabe ab. Als einigermaßen gesichert darf gelten, dass das triṓbolon nur von Freigelassenen und nicht von Freigeborenen erhoben wurde – immerhin darin sind sich die Quellen einig – und dass es sich um eine Abgabe in Höhe von drei Obolen handelte, wie der Name schon sagt. Weit weniger sicher sind derweil die weiteren Details, z. B. hinsichtlich des Zahlungsintervalls, des Ortes der Zahlung, des zuständigen Beamten oder des Zahlungszwecks überhaupt. So geht aus den Quellen nicht eindeutig hervor, ob das triṓbolon einmalig zu zahlen oder regelmäßig zu entrichten war.368 Es wurde in der Forschung bisweilen versucht, die Abgabe als eine Einschreibegebühr zu interpretieren, die nur einmalig und zwar zum Zeitpunkt der Einschreibung zu zahlen war.369 Allerdings stellt sich bei dieser Interpretation die Frage, warum eine solche Gebühr nur von den Freigelassenen erhoben wurde und nicht auch die Freigeborenen hätte betreffen sollen – schließlich mussten auch diese sich in einer Deme einschreiben. Sinnvoller scheint es da schon, angesichts des Kreises der Zahlungspflichtigen, im triṓbolon eine Gebühr zu sehen, die in irgendeiner Weise mit dem Akt der Freilassung selbst verbunden war.370 Zwei Ereignisse im Prozess der Freilassung kämen dafür in Frage: erstens die Erklärung der Freiheit – damit wäre das triṓbolon eine Art oder ein Teil einer Freilassungsgebühr – und zweitens die Bekanntmachung der neugewonnenen Freiheit – damit wäre das triṓbolon eine Publikationsgebühr.371 Letztere Variante, die Publikationsgebühr, ist attraktiv, insofern eine solche Gebühr auch aus anderen Teilen Griechenlands bekannt ist.372 Hinzu tritt, dass sich eine Freilassungsgebühr wohl eher am Wert des Sklaven bzw. am Preis seiner Freilassung orientiert hätte – in Rom etwa betrug die vicesima libertatis ein Zwanzigstel des Sklavenwertes.373 Das triṓbolon aber ist auf einen Betrag von drei Obolen festgelegt – und zwar für jede(n). Egal, welcher der beiden Varianten, Freilassungs- oder Publikationsgebühr, hier der Vorzug gegeben wird: Beide würden wohl am ehesten

366 367 368 369 370 371 372

U. a. Kamen 2013, S. 44; Klees 2000, S. 21; Zelnick-Abramovitz 2005a, S. 311. Vgl. Kamen 2013, S. 45; Klees 2000, S. 9; Zelnick-Abramovitz 2005a, S. 311. Vgl. Klees 2000, S. 9; Zelnick-Abramovitz 2005a, S. 311. Vgl. u. a. Sosin 2016, S. 6; Klees 2000, S. 9; Zelnick-Abramovitz 2005a, S. 311. Vgl. Sosin 2016, S. 7; Zelnick-Abramovitz 2005a, S. 197f. Vgl. Zelnick-Abramovitz 2005a, S. 198. Vgl. ebd., S. 199–201. So wurde etwa in Thessalien eine Gebühr für die Publikation der Freilassungsdokumente erhoben: IG IX,2 542, Z. 5. Zelnick-Abramovitz sieht die athenische Variante der Publikationsgebühr für Freilassungen in den athenischen phiálai; vgl. Zelnick-Abramovitz 2005a, S. 201, zu den phiálai S. 326f. 373 Vgl. Zelnick-Abramovitz 2005a, S. 199 n 40.

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Intrinsische Merkmale

eine einmalige Zahlung bedeuten. Das triṓbolon wäre damit in beiden Varianten keine regelmäßig erhobene Steuer, sondern am ehesten eine einmalige Gebühr. Weitere Informationen über das triṓbolon könnte auch der Ort eröffnen, an dem es zu entrichten war – allerdings liefern die Quellen hier unterschiedliche Informationen. Pollux zufolge sei das triṓbolon beim grammateús zu bezahlen gewesen,374 laut Harpokration und Hesychios bei den telṓnai.375 Keine der beiden Varianten ist ausgeschlossen: Zwar waren die telṓnai wohl nicht an der Eintreibung der Steuern von ansässigen Fremden beteiligt,376 aber als Einmalzahlung war das triṓbolon keine Steuer, sodass eine Zahlung an sie durchaus möglich gewesen wäre. Dass die Freigelassenen die Gebühr beim grammateús hinterlegten, ist aber genauso denkbar, umso mehr, als zeitgleich mit der Zahlung des triṓbolon auch die Registrierung in der Deme stattgefunden haben könnte.377 Ob es sich bei dem zuständigen Beamten dabei um denselben handelte, der auch die Registrierung der freigeborenen ansässigen Fremden übernahm, ist nicht festzustellen, aber vorstellbar. Parallel zum metoíkion als symbolischer Bürde378 wurde von Rachel ZelnickAbramovitz auch das triṓbolon als eine Herabsetzung bewertet, mit der die sklavische Vergangenheit der Zahlungspflichtigen hervorgehoben wird.379 Die Möglichkeit, dass es sich bei dem triṓbolon gar nicht um eine Steuer, sondern um eine einmalige Zahlung handelte, lässt diese These aber zumindest fraglich erscheinen: Der Grad der Herabsetzung durch eine einmalige Zahlung dürfte gering gewesen sein. Das gilt umso mehr, wenn es sich beim triṓbolon um eine Publikationsgebühr gehandelt hat – hier hätte überhaupt keine Differenz zu den freigeborenen Fremden bestanden, da diese die Dienstleistung nicht hätten in Anspruch nehmen müssen. II.3.2.2 Die Wahl des prostátēs Das triṓbolon war nur ein Aspekt, in dem sich freigelassene und freigeborene ansässige Fremde im Athen der klassischen Zeit voneinander unterschieden. Eine weitere Einschränkung der absoluten Freiheit eines freigelassenen ansässigen Fremden betraf die Wahl des prostátēs: Während freigeborene ansässige Fremde sich ihren prostátēs frei unter den athenischen Bürgern wählen konnten, waren die Freigelassenen gezwungen, ihren ehemaligen Herrn und Freilasser zu benennen. Dies hat die Forschung aus der Existenz der apostasíu díkē geschlossen, einer Klage, die gegen Freigelassene 374 375 376 377

Poll. 3, 55. Hesych. s. v. μετοίκιον; Harp. s. v. μετοίκιον. Dazu Kap. III.2.1.1. Vgl. Zelnick-Abramovitz 2005a, S. 311; Klees 2000, S. 5; ähnlich Whitehead 1977, S. 75; zur Einschreibung in eine Deme vgl. Kap. III.4.4. 378 Dazu Kap. III.2.1.1.2. 379 Vgl. Zelnick-Abramovitz 2005a, S. 311.

Freigeborene und Freigelassene

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vorgebracht werden konnte, die einen anderen als ihren Freilasser zum prostátēs genommen hatten.380 In der jüngsten Forschung wurde diese Vorgabe allerdings einiger Kritik ausgesetzt. So hat Joshua Sosin darauf hingewiesen, dass eine solche Regel im Falle eines Freilassers, der kein Bürger Athens war, zu einem unlösbaren Widerspruch geführt hätte, denn der prostátēs musste zwingend ein Athener sein.381 Es entspricht zweifelsohne den Tatsachen, dass auch Nichtathener Sklaven besitzen konnten, und es gibt auch keinen Grund, daran zu zweifeln, dass es auch in diesen Konstellationen zu Freilassungen kam, die durchaus zu einem (wie von Sosin formulierten) Konflikt führten. Die Freilassung des Pasion zeigt aber, dass solcher Konflikt durchaus gelöst werden konnte: Pasion wurde von zwei Nichtbürgern freigelassen382 und nahm sich Pythodoros, einen Athener, als prostátēs.383 Aus diesem Fall schließt Rachel Zelnick-Abramovitz, dass das Recht, prostátēs zu werden, im Falle eines nichtbürgerlichen Freilassers auf einen Bürger übertragen werden konnte.384 Dabei dürfte es sich hier aber weniger um einen Akt der Freiwilligkeit als um eine Unvermeidlichkeit gehandelt haben, denn dem Freilasser, der kein athenischer Bürger war, blieb überhaupt keine andere Wahl, als auf diesen Posten zu verzichten. Zudem ist fraglich, ob es sich hierbei um eine tatsächliche Übertragung des Vorrechts gehandelt hat: Dies würde bedeuten, dass der nichtbürgerliche Freilasser einen Einfluss darauf gehabt hätte, wer an seiner Statt diese Rolle übernimmt, indem er ihm sein Vorrecht zuspricht. In diesem Fall würde sich aber die Frage stellen, wie vorgegangen würde, wenn der Freigelassene dann trotzdem einen anderen prostátēs wählte. Die apostasíu-Klage ist eine díkē, also eine Privatklage, die nur vom Geschädigten vorgebracht werden kann.385 Der Geschädigte in der benannten Konstellation wäre eigentlich der nichtbürgerliche Freilasser, der aber wiederum aufgrund seines fehlenden Bürgerstatus von vornherein keinen Anspruch hätte, den er vor Gericht hätte verteidigen können. Die einzig plausible Lösung scheint hier zu sein, dass sich ein Freigelassener seinen prostátēs selbst wählt, wenn sein ehemaliger Herr aufgrund des fehlenden Bürgerrechts nicht infrage kam: nicht weil die Einschränkung auf die Wahl­ freiheit in diesem Falle aufgehoben wurde, sondern weil niemand da war, der einen gerichtlich durchsetzbaren Anspruch gehabt hätte – nullo actore nullus iudex.

380 Vgl. Whitehead 1977, S. 16; Zelnick-Abramovitz 2005a, S. 312; Klees 2000, S. 14; Dimopoulou-Piliouni 2008, S. 33; ähnlich auch Kamen 2013, S. 39. 381 Vgl. Sosin 2016, S. 9: „Any rule that sought to constrain a freedman to name his manumitter as prostátēs would have failed to cover those who were freed by non-citizens. This would have been a gaping loophole.“; ähnlich auch Zelnick-Abramovitz 2005a, S. 251–253. 382 Demosth. 36, 45–48. 383 Isokr. 17, 33. 384 Vgl. Zelnick-Abramovitz 2005a, S. 254. 385 Vgl. Meyer 2010, S. 45. Die díkē steht damit im Gegensatz zur graphḗ, die jeder Athener und in einigen Fällen sogar jede persönlich freie Person, ob Bürger oder Nichtbürger, vorbringen kann, vgl. Meyer 2010, S. 45.

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Intrinsische Merkmale

Es drängt sich die Frage auf, welchem Zweck die Regel, dass ein Freigelassener seinen ehemaligen Herrn zum prostátēs bestimmen muss, dient. Sosin meint, dass diese Vorgabe vor allem die Rechte des ehemaligen Sklavenbesitzers schützen sollte.386 Diese Interpretation geht davon aus, dass sich aus ihrer Funktion Vorteile für den prostátēs ergeben, die diese Rolle so attraktiv machen, dass das Recht, sie zu übernehmen, etwas Schützenswertes ist. Welche konkreten Interessen des ehemaligen Sklavenbesitzers es durch das Vorrecht auf Prostasie zu schützen gilt, erklärt Sosin derweil nicht. Es bleibt nur zu vermuten, dass es sich hierbei um Besitzansprüche auf den Freigelassenen handelt, die freilich nur dann bestehen, wenn der ehemalige Sklave mit Auflagen vorbehaltlich freigelassen wurde.387 Indem dem Freilasser das Vorrecht, die Prostasie für seinen ehemaligen Sklaven zu übernehmen, von der Polis garantiert wird, würde sichergestellt, dass er seine Ansprüche im Falle einer Verletzung der zur Freilassung getroffenen Abmachungen durchsetzen kann. Allerdings ist es dann doch verwunderlich, dass der Zwang, den ehemaligen Herrn als prostátēs zu wählen, nicht nur auf vorbehaltlich Freigelassene beschränkt wurde, sondern alle Freigelassenen betraf. Damit verbunden, legt diese Sichtweise auch nahe, dass zwischen dem prostátēs und seinem ‚Schützling‘ ein Machtgefälle bestand. Obgleich die Funktion des prostátēs im Leben eines ansässigen Fremden aufgrund der schlechten Quellenlage weitgehend unklar ist, besteht kein Anlass, ein so stark asymmetrisches Verhältnis zu vermuten, dass dem prostátēs eine tatsächliche Handhabe gegen seinen Schützling entstanden wäre. Schließlich ist auch nicht plausibel, dass die Durchsetzung von Ansprüchen eines ehemaligen Herrn an den von ihm vorbehaltlich Freigelassenen nur der Funktion seines prostátēs gelingen konnte. Wenn es also nicht um den Schutz der Ansprüche des ehemaligen Sklavenbesitzers ging, muss es einen anderen Grund für die eingeschränkte Wahlfreiheit eines Freigelassenen gegeben haben. Ein ganz pragmatischer könnte gewesen sein, dass der prostátēs in der Lage gewesen sein musste, zu bezeugen, dass der ehemalige Sklave tatsächlich freigelassen wurde – und wer wäre besser dafür geeignet als der Freilasser selbst?388 Darüber hinaus könnte es auch eine gewollte Benachteiligung Freigelassener gegenüber Freigeborenen gewesen sein,389 ein „smack of servility“,390 der – wie auch das triṓbolon –391 an die sklavische Vergangenheit des Betroffenen erinnerte.392

386 Vgl. Sosin 2016, S. 8f. 387 Zur Freilassung mit Auflagen S. 128f in diesem Kapitel. 388 So etwa in Isokr. 17, 13–14, wo Pasion die Freiheit seines ehemaligen Sklaven bestätigt, dessen prostátēs er jetzt zu sein scheint. Zum prostátēs vgl. Kap. III.8. 389 Dagegen Sosin 2016, S. 8. 390 Akrigg 2015, S. 166. 391 Vgl. Klees 2000, S. 9. 392 Ähnlich auch Klees 2000, S. 6. Dass eine Demarkierungsabsicht hinter einer die ansässigen Fremden betreffenden Auflage stehen kann, zeigt das Beispiel des metoíkion, vgl. Kap. III.2.1.1.3, sowie u. a. Whitehead 1977, S. 76.

Freigeborene und Freigelassene

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Der letzte Einwand erfordert es, nach den tatsächlichen Konsequenzen zu fragen, welche das fehlende Recht, sich seinen prostátēs frei wählen zu können, mit sich brachte. Die Antwort ist aber nicht leicht zu geben, weil die genaue Funktion des prostátēs im Leben eines ansässigen Fremden aufgrund der schlechten Quellenlage ungeklärt ist.393 Eine Stelle in einer Rede des Isokrates weist darauf hin, dass der prostátēs Einfluss auf das Ansehen eines ansässigen Fremden hat.394 Das könnte daran liegen, dass der Zugang zur athenischen Gesellschaft dem Fremden ganz maßgeblich durch seinen prostátēs ermöglicht worden ist: Er stellte den entscheidenden Knotenpunkt im sozialen Netzwerk eines ansässigen Fremden dar.395 Zu welchen Kreisen der Fremde Zugang hatte, entschied sich damit in gewissem Maße durch den prostátēs. Es ist daher denkbar, dass ein einflussreicher prostátēs einem ansässigen Fremden damit den Aufstieg auf der sozialen Leiter erleichtern oder überhaupt erst ermöglichen konnte. Im Umkehrschluss bedeutet das freilich auch eine Benachteiligung desjenigen, der keine Möglichkeit hat, seine Chancen durch die Wahl seines prostátēs zu optimieren. Insbesondere Freigelassene, die im Rahmen ihrer als Sklaven ausgeübten Tätigkeit auch Aussichten hatten, Kontakte zu einflussreicheren Personen zu knüpfen, wie Banksklaven,396 dürften hier versäumte Gelegenheiten zu beklagen gehabt haben. II.3.2.3 exeleútheroi und apeleútheroi Es hat in der Forschung einige Ansätze gegeben, die Gruppe der Freigelassenen zu unterteilen. Dazu haben einerseits sicherlich die heterogenen Lebenssituationen und Chancen, wie sie u. a. durch die eingeschränkte Wahl des prostátēs oder die Freilassung unter Vorbehalt geschaffen wurden, beigetragen. Andererseits bot auch die stellenweise sehr differenzierte Terminologie in den Quellen Anlass zu einer Unterscheidung zwischen den Fremden, die darauf schließen lässt, dass es unterschiedliche Kategorien von Freigelassenen im klassischen Athen gegeben hat. Die Differenzierung in apeleútheroi und exeleútheroi hat dabei für einige Diskussionen in der Forschung gesorgt.397 Der einzige Konsens, der bisher erreicht wurde, besteht darin, dass sich die

393 Vgl. Kap. III.8.1. 394 Isokr. 8, 53: καὶ τοὺς μὲν μετοίκους τοιούτους εἶναι νομίζομεν οἵους περ ἂν τοὺς προστάτας νέμωσιν. (Auch beurteilen wir die Beschaffenheit der métoikoi danach, wen sie sich zum prostátēs erwählen). 395 Vgl. Zelnick-Abramovitz 2000, S. 67. 396 Zu den Banken als Möglichkeit, Kontakte zu knüpfen, S. 146f in diesem Kapitel sowie Kap. III.3.1.1. 397 Zurückgewiesen wird die These, dass es sich bei apeleútheroi und exeleútheroi um zwei unterschiedliche Gruppen von Freigelassenen handle, u. a. von Joshua Sosin, vgl. Sosin 2016 passim, besonders S. 10–12.

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Intrinsische Merkmale

Termini apeleútheros und exeleútheros auf Freigelassene beziehen und außerdem in der klassischen Zeit in Athen keine Synonyme waren.398 Der überwiegende Teil der Forschung geht davon aus, dass der Grad der Abhängigkeit vom Freilasser das differenzierende Kriterium innerhalb der Gruppe der Freigelassenen war.399 Dabei werden denjenigen, die vollständige Freiheit genossen und in keinem Abhängigkeitsverhältnis zu ihrem ehemaligen Besitzer standen wie auch ihm gegenüber keinerlei Verpflichtungen hatten, diejenigen gegenübergestellt, deren sklavische Vergangenheit ihnen in irgendeiner Weise nachhing –in Form von Leistungen, die sie ihrem Freilasser noch zu erbringen hatten, oder der Pflicht, ihn als prostátēs benennen zu müssen.400 Bezogen auf den Grad der Freiheit steht der apeleútheros einem Sklaven und der exeleútheros einer freien Person näher.401 Die vorangegangenen Ausführungen bringen aber einen Widerspruch hervor, der einer Klärung bedarf: Weil allein schon die lose Verbundenheit zum ehemaligen Herrn durch Benennung desselben zum prostátēs den Freigelassenen zum apeleútheros machte, diese aber für alle Freigelassenen Pflicht war, dürfte es eigentlich keine exeleútheroi geben. Dieser Widerspruch wiegt umso schwerer, da bisher betont wurde, dass kein Freigelassener von der Pflicht, seinen Freilasser zum prostátēs zu benennen, entbunden wurde, sondern der Freilasser allenfalls seine Ansprüche aufgrund seiner eigenen Ungeeignetheit nicht durchsetzen konnte.402 Es könnte hierfür mehrere Erklärungen geben. Zunächst wäre es denkbar, dass die Freigelassenen eben doch von der Verpflichtung befreit werden konnten, ihren ehemaligen Herrn als prostátēs zu nehmen. 398 Vgl. z. B. Dimopoulou-Piliouni 2008, S. 47. Dies geht aus der parallelen Verwendung beider Bezeichnungen hervor, bspw. im Werk des Sophokles (Soph. Ai. 1258 und Soph. Ichn. 199) sowie aus dem von Demosthenes überlieferten Bericht über die exeleútheroi und apeleútheroi nómoi (Poll. 3, 83; vgl. Whitehead 1977, S. 25 n 90). In den späteren Quellen scheinen die beiden Termini aber austauschbar zu sein, z. B. in Cass. Dio 39, 38, 6 sowie auch bei Ar. Byz. frgm. 332–333 [Slater], vgl. Zelnick-Abramovitz 2005a, S. 120. 399 Nicht alle Forschungsbeiträge unterscheiden anhand dieses Kriteriums zwischen apeleútheroi und exeleútheroi. Dimopoulou-Piliouni weist darauf hin, dass auch der Zeitpunkt der Versklavung als entscheidendes Kriterium taugen könnte, wonach apeleútheroi Freigelassene sind, die als Sklaven geboren wurden, und exeleútheroi Freigeborene, die im Laufe ihres Lebens versklavt wurden; vgl. Dimopoulou-Piliouni 2008, S. 37f. Diese Deutung geht zurück auf einige lexikographische Quellen, die exeleútheroi entsprechend definieren: Eust. 2, 1751; Harp. s. v. ἀπελεύθερος; Ammon. Adv. Voc. 65 [Nickau], vgl. Zelnick-Abramovitz 2005a, S. 103; Meyer 2010, S. 55 n 154. 400 Eine solche Unterscheidung treffen u. a. Dimopoulou-Piliouni 2008; Klees 2000; Kamen 2013; Zelnick-Abramovitz 2005a; Sosin 2016, S. 12. 401 Vgl. Zelnick-Abramovitz 2005a, S. 106. Zelnick-Abramovitz weist zudem auch auf die sprachlichen Konstruktionen hin, in denen apeleútheros und exeleútheros gebraucht werden, vgl. ZelnickAbramovitz 2005a, S. 105–107. Demnach wird apeleútheros regelmäßig in Verbindung mit einem Personennamen oder einem Substantiv im Genitiv in den Quellen gebraucht. Dass dies bei dem Terminus exeleútheros nicht der Fall ist (vgl. ebd., S. 120) deute, so Zelnick-Abramovitz, darauf hin, dass sich der apeleútheros noch in einem Zugehörigkeitsverhältnis befindet (vgl. ebd., S. 106), dazu auch Meyer 2010, S. 55 n 154. Für eine umfangreiche Untersuchung der Wörter apeleútheros/ exeleútheros und deren Ableitungen s. Zelnick-Abramovitz 2005a, S. 105–126. 402 Entsprechend dem nullo actore nullus iudex -Prinzips, dazu S. 133, dagegen Klees 2000, S. 6.

Freigeborene und Freigelassene

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Der einzige, der eine solche Pflichtentbindung vornehmen könnte, ist derjenige, der ihn freigelassen hat, und zwar indem er auf seine Ansprüche verzichtet. Hierbei ist zu bedenken, dass die apostasíu-Klage, die der Freilasser einreichen würde, um seine Interessen durchzusetzen, eine díkē ist, also eine Privatklage, die nur der Freilasser und kein anderer einreichen kann.403 Das bedeutet, dass im Rahmen einer Absprache zwischen Freilasser und Freigelassenem letzterer von seiner Verpflichtung, eine bestimmte Person als prostátēs zu benennen, befreit werden kann, indem der Freilasser auf die Durchsetzung seines Anspruchs verzichtet. Mit der Erklärung des Verzichts auf alle Ansprüche an seinen ehemaligen Sklaven würde der Freilasser den Betreffenden damit zu einem exeleútheros machen. In diesem Fall würde es sich also um einen besonderen Modus der Freilassung handeln, als dessen Resultat der Freigelassene in die vollumfängliche Unabhängigkeit von seinem ehemaligen Herrn, de facto in den Status des exeleútheros, entlassen wird.404 Dabei ist durchaus wahrscheinlich, dass dies regelmäßig in Form einer stillen Übereinkunft geschah. Zu betonen ist, dass dem Freigelassenen die Wahl seines prostátēs hier zwar de facto ermöglicht wird, indem der Freilasser auf die Durchsetzung seiner Ansprüche verzichtet, der Freigelassene aber de iure nicht von der Pflicht befreit worden ist, seinen Freilassers als prostátēs zu benennen. Mit anderen Worten: Der Anspruch des Freilasser auf die Prostasie besteht de iure weiterhin, wird aber nicht durchgesetzt, was dem Freigelassenen de facto die freie Wahl des prostátēs ermöglicht. Eine zweite Erklärung betrifft das Verhältnis zwischen dem prostátēs und seinem Schützling. Theorien, die als zentrales Merkmal eines exeleútheros die freie Wahl des prostátēs vorsehen, setzen im Umkehrschluss voraus, dass ein enges Abhängigkeitsverhältnis zwischen prostátēs und Freigelassenem bestand – so eng zumindest, dass es einen Unterschied machte, wer diese Aufgabe für den Freigelassenen übernahm. In der Folge würde die komplette Freiheit des ehemaligen Sklaven allein durch die Benennung seines ehemaligen Besitzers als prostátēs verhindert werden und zwar in einem solchen Maße, dass die Herr-Sklave-Beziehung trotz der Freilassung de facto fortdauert.405 Wer demnach seinen ehemaligen Herrn als prostátēs benennt (oder benennen muss), so die Schlussfolgerung, kann höchstens apeleútheros, aber kein exeleútheros sein. Hier kann eingewandt werden, dass es durchaus denkbar ist, dass das prostátēs-Verhältnis keineswegs ein starkes Abhängigkeitsverhältnis war und dass auch Freigelassene, die ihren ehemaligen Herrn als prostátēs benannten, einen hohen Grad 403 Eine díkē kann nur vom Geschädigten eingereicht werden, der in diesem Fall der Freilasser wäre, vgl. Meyer 2010, S. 45. 404 Es wäre denkbar, dass dieser Modus der Freilassung in die vollständige Freiheit in Inschriften aus Thessalien begegnet; dazu Zelnick-Abramovitz 2005b passim; ähnlich auch schon DimopoulouPiliouni 2008, S. 43. Bisweilen wurde außerdem vermutet, dass der Freilasser zum Verzicht auf seine Ansprüche auch gezwungen werden kann, wenn sein Freigelassener den apostasíu-Prozess gewinnt, vgl. Klees 2000, S. 6. Dazu auch Kap. III.6.2.3. 405 So etwa Zelnick-Abramovitz 2005a, S. 107–120.

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Intrinsische Merkmale

an Unabhängigkeit erreichen konnten. Selbst wenn Freigelassene grundsätzlich ihren ehemaligen Besitzer als prostátēs benennen mussten, konnte es verschiedene Grade der Abhängigkeit geben. Ehemalige Sklavenbesitzer scheinen sich zwar Ansprüche auf bzw. gegenüber apeleútheroi vorbehalten zu haben, diese leiteten sie aber nicht aus ihrer Rolle als prostátēs ab.406 Im Gegensatz dazu könnten exeleútheroi frei von solcherlei Ansprüchen gewesen sein, was auch durch die Benennung des Freilassers als prostátēs nicht behindert wird. Die komplette Freiheit aber bleibt für einen ehemaligen Sklaven immer unerreichbar, weshalb es ein Freigelassener auch nur zu einem apeleútheros oder exeleútheros, nie aber zum eleútheros407 bringen kann.408 Es drängt sich die Vermutung auf, dass dies auch so gewollt war: Das Stigma des Unfreien, so scheint es, konnte und sollte ein einmal Versklavter nicht ablegen, und die Beschneidung der Freiheit, seinen prostátēs selbst unter den Athenern wählen zu können, war ein geeigneter Weg, dies sicherzustellen. Hätte es eine Gruppe von Freigelassenen gegeben, die von Rechts wegen im Stande gewesen wären, ihren prostátēs selbst zu wählen, wäre die Differenzierung zwischen diesen Freigelassenen und den Freigeborenen so gering, dass es keinen – oder nur einen vernachlässigbaren – Unterschied zwischen freigeborenen Nichtbürgern und freigelassenen Nichtbürgern gegeben hätte. Warum diese Freigelassenen dann aber dennoch als eine nominell eigene Gruppe, die exeleútheroi, begriffen worden sein sollten, ist nicht klar. Stattdessen sollte die Möglichkeit in Betracht gezogen werden, dass in Bezug auf die Wahl des prostátēs kein Unterschied zwischen exeleútheroi und apeleútheroi besteht: Es spricht nichts dagegen, anzunehmen, dass allen Freigelassenen die Wahl des prostátēs grundsätzlich de iure verwehrt blieb409 und andere Aspekte die Unterscheidung zwischen exeleútheroi und apeleútheroi begründen. Allem voran wäre hier an die Freilassung unter Vorbehalt zu denken. Seinen ehemaligen Freilasser zum prostátēs nehmen zu müssen, so die hier vorgeschlagene These, ist damit ein grundlegendes Merkmal der freigelassenen ansässigen Fremden und gilt sowohl für exeleútheroi

406 Ein Auszug aus Isaios’ vierter Rede liefert ein gutes Beispiel dafür: Die Rede entstammt einem Prozess um den Besitz eines gewissen Nikostratos, der wohl ohne Erben gestorben ist (Isaios 4, 1). Unter denen, die sich um die Übernahme des Grundstücks bewerben, befinden sich auch Ktesias und Kranaus. Sie begründen ihren Anspruch zunächst damit, dass Nikostratos bei ihnen Schulden in Höhe von einem Talent gehabt habe. Als sie hierfür keinen Beweis liefern können, ändern sie die Strategie: Sie geben an, dass Nikostratos ihr apeleútheros gewesen sei und leiten daraus ihr Recht auf Inbesitznahme des Grundstücks ab: Isaios 4, 9. 407 Eleútheros versteht sich hier im Sinne des Gegenteils zu einem Sklaven, wie es in den Quellen stellenweise belegt ist, vgl. Hansen 1991, S. 75f sowie Lotze 1981, S. 175f; ähnlich auch Kamen 2013, S. 38; Zelnick-Abramovitz 2005a, S. 128. 408 Zu einem ähnlichen Schluss kommt auch Zelnick-Abramovitz 2005a, S. 102 sowie 304; dagegen aber Klees 2000, S. 7. 409 De facto könnte diese aber durch Verzicht des Freilassers auf die Durchsetzung seiner Ansprüche möglich gewesen sein, siehe S. 133 dieses Kapitels.

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als auch für apeleútheroi. Die Freiheit, sich einen beliebigen Athener zum prostátēs nehmen zu können, unterscheidet damit freigeborene von freigelassenen ansässigen Fremden. Vielmehr als die freie Wahl des prostátēs differenzierte der Modus der Freilassung die Gruppe der freigelassenen ansässigen Fremden in Athen. Eine Freilassung unter Vorbehalt und mit Auflagen, wie sie im Vorangegangenen bereits angesprochen wurde,410 veränderte das Leben eines Freigelassenen in Athen natürlich in unterschiedlichem Maße. So könnte die Freilassung beispielsweise mit bestimmten finanziellen Verpflichtungen einhergegangen sein, wie die Abzahlung der Freikaufsumme ganz oder in Raten411 oder die Beteiligung des Herrn an erwirtschafteten Gewinnen nach der Freilassung.412 Das würde den Freigelassenen schon finanziell in eine schlechtere Position bringen als ­einen Freigeborenen, der zumindest für seine Freiheit keine regelmäßigen Abgaben erbringen musste.413 Doch die Auflagen, mit denen die Freiheit ausgesprochen wurde, gingen in vielen Fällen über finanzielle Verbindlichkeiten hinaus. Insbesondere Diensttätigkeiten waren regelmäßig Teil der Verpflichtungen, die einem ehemaligen Sklaven für seine Freilassung im Rahmen einer sogenannten paramonḗ-Klausel auferlegt wurden.414 Welche Dienste dies genau umfasste, bestimmten die individuellen Abmachungen zwischen den Parteien. Es ist aber naheliegend, dass es sich in den meisten Fällen aber vor allem um die Fortsetzung der Tätigkeit handelte, die der nun Freie in seiner Zeit als Sklave ausgeübt hatte. Die ihm von seinem Freilasser auferlegten Pflichten dürften dem ehemaligen Sklaven auf vielen Ebenen Unannehmlichkeiten bereitet haben. Zum einen war er in der Freiheit, sich seine Tätigkeit auszuwählen, eingeschränkt und musste die Arbeiten verrichten, die sein ehemaliger Herr verlangte.415 Es darf bezweifelt werden, dass der Freigelassene für diese Tätigkeiten Lohn erhalten hat:416 Einerseits belegen hellenistische Inschriften, dass dies in späterer Zeit nicht der Fall war.417 Andererseits würde es doch sehr überraschen, wenn der Freilasser seine gute Verhandlungsposition nicht ausgenutzt hätte, um eine kostenlose Arbeitskraft zu bekommen. Damit ist natürlich auch

410 Dazu S. 128f. 411 Ein Beispiel hierfür findet sich etwa in der Freilassung eines gewissen Sosonos (IG VII 3376), der zu diesem Zweck anscheinend einen Kredit in Höhe seiner Freikaufsumme bei seinem (ehemaligen) Herrn aufgenommen hatte, vgl. dazu Zelnick-Abramovitz 2005a, S. 230 mit n 102. 412 Vgl. Klees 2000, S. 26. 413 Vgl. ebd. 414 Paramonḗ kommt als technischer Terminus erst in Freilassungsinschriften des 3. Jahrhundert v. Chr. auf (vgl. Kamen 2013, S. 37), aber das Grundprinzip, sich die Dienste seines ehemaligen Sklaven auch noch über seine eigentliche ‚Sklavenzeit‘ hinaus zu sichern, gab es bereits seit frühester Zeit, wie das von Diogenes Laertios überlieferte Testament des Lykon belegt, vgl. Kamen 2013, S. 38 mit n 28. 415 Vgl. Kamen 2013, S. 40. 416 Vgl. ebd. 417 Vgl. ebd. mit n 39 und n 40.

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Intrinsische Merkmale

ein wirtschaftlicher Schaden aufseiten des Freigelassenen zu vermuten – schließlich stellt er seine Arbeitskraft umsonst zu Verfügung. Wenn man davon ausgeht, dass es sich bei den Dienstverpflichtungen gegenüber dem Freilasser nicht nur um kleinere Gelegenheitsaufgaben gehandelt haben wird, sondern um eine täglich, oder nahezu täglich, über mehrere Stunden auszuübende Tätigkeit, dürften Freilassungen unter Auflagen in diesen Fällen auch Konsequenzen für den Wohnort des Freigelassenen gehabt haben, denn der Freigelassene hätte in der Nähe desjenigen bleiben müssen, für den Dienstleistungen zu erbringen waren.418 Obwohl der Betreffende also als freier Mensch seinen Wohnort frei wählen konnte und es ihm grundsätzlich freistand, Athen jederzeit zu verlassen,419 war dies in der Praxis nicht der Fall. In einigen Fällen blieb der Freigelassene sogar noch im Haus des ehemaligen Herrn und hatte damit wahrscheinlich weniger Unabhängigkeit als die chōrís oikúntes.420 Auch hierin unterschieden sich die Freigelassenen nicht nur von den Freigeborenen, sondern auch untereinander. II.3.2.4 Gerichtsbarkeit In Zusammenhang mit der Situation der Freigelassenen in Athen wurde in der Forschung bisweilen auch auf den unsicheren Rechtsstatus der Freigelassenen und besonders auf die Gefahr der Wiederversklavung hingewiesen.421 Insbesondere für Athen ist es denkbar, dass eine Person leicht zu Unrecht Anspruch auf einen Freigelassenen erheben konnte: Die Größe der Polis und der vergleichsweise hohe Grad an Anonymität dürfte hier Gelegenheiten genug geboten haben.422 Hinzu tritt, dass unklar ist, ob es eine ‚Meldepflicht‘ für Freilassungen gab oder ob überhaupt eine verbindliche Form bestand, in der Freilassungen angezeigt werden konnten. Es steht außer Frage, dass eine solche Registrierungspflicht (oder Möglichkeit) im Interesse aller Beteiligten gewesen wäre.423 Aber wenn der Freiheitsstatus einer Person in Diskussion gerät, werden nicht etwa Freilassungsdokumente konsultiert, die, wie die Forschung vermutet, in Archiven aufbewahrt wurden,424 sondern Zeugen.425 Dieses Vorgehen verwundert: 418 Vgl. Zelnick-Abramovitz 2005a, S. 145 und 304; Kamen 2013, S. 40. 419 Vgl. Kamen 2013, S. 46. Mit Hyp. 3, 33 ist ein Gesetz belegt, das ansässigen Fremden untersagte, Athen in Kriegszeiten zu verlassen. 420 Dies ist wohl im Testament des Lykon der Fall (Diog. Laert. 5, 73), wo bestimmt wird, dass einige der Sklaven auch nach seinem Tod noch mehrere Jahre im Hause des Lykon verbleiben sollen, vgl. Kamen 2013, S. 38. 421 U. a. Sosin 2016, S. 10; Dimopoulou-Piliouni 2008, S. 34; Finley 1981, S. 148. 422 Vgl. Vlassopoulos 2009, S. 350; Kamen 2013, S. 35. 423 Vgl. Zelnick-Abramovitz 2009, S. 307. 424 Vgl. ebd., S. 306; dagegen Vlassopoulos 2009, S. 350. 425 In Demosth. 58, 19–21 wird ein solcher Statusdisput geführt, wobei an keiner Stelle das Vorlegen von Dokumenten verlangt wird, die die Freiheit des Betreffenden beweisen würden, sondern nur

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Wenn Freilassungen dokumentiert worden wären, ist nicht ersichtlich, warum nicht diese Dokumente, sondern Zeugen vor Gericht zur Beweisführung vorgebracht worden wären. Zumal in anderen Belangen, wie etwa bei Streitigkeiten um die Zahlung des metoíkion, sehr wohl Registrierungslisten konsultiert wurden.426 Mag eine Dokumentation der Freilassungen also auch im Interesse aller gewesen sein, darf zumindest daran gezweifelt werden, dass es ein ‚Freigelassenenverzeichnis‘ gab oder dass Freilassungen in Athen systematisch und regelmäßig registriert wurden. Dieser Umstand dürfte die Gefahr der Wiederversklavung durch Erhebung unrechtmäßiger Ansprüche Freigelassener noch erhöht haben.427 Entsprechend versuchten die Betroffenen, einige Schutzvorkehrungen zu treffen. Die öffentliche Bekanntgabe der Freilassung war ein wichtiger Teil des Prozederes. Sie diente nicht zuletzt dem ehemaligen Sklaven als Schutz vor den unrechtmäßigen Ansprüchen anderer428 und erhöhte die Chancen, im entscheidenden Moment Zeugen präsentieren zu können.429 Für den Fall einer strittigen Freilassung bestand die Möglichkeit einer exhairéseōs díkē.430 Ankläger in einer solchen Prozedur war derjenige, der den Anspruch auf den (vermeintlichen) Sklaven erhob431 – nicht also der Geschädigte, d. h. derjenige, auf den Anspruch erhoben wird, oder ein in seinem Namen zur Handlung Befugter, wie vielleicht der prostátēs.432 Daraus ergibt sich, dass ein Freigelassener und zu Unrecht als Sklave Beanspruchter selbst überhaupt keine rechtliche Handhabe gegen seinen Peiniger hätte. Vielmehr scheint es sich bei diesem Verfahren um eines zu handeln, das mehr die Interessen der Sklavenbesitzer im Sinn hatte und diese vor flüchtigem oder gestohlenem ‚Eigentum‘ zu schützen beabsichtigte,433 als dass es die unrechtmäßige Versklavung von Freigelassenen verhindern sollte.434

426 427 428 429

430 431 432 433 434

die Aussagen der Zeugen diskutiert werden, vgl. auch schon Cohen 2000, S. 111; Klees 2000, S. 21. Ein Beispiel findet sich in einer Rede des Isokrates, in welcher der Besitzer (fälschlich) seinen Sklaven als Freigelassenen ausgibt, um dessen Aussage vor Gericht unter Anwendung der Folter zu verhindern; Isokr. 17, 14; dazu auch S. 317ff. So etwa im Fall der Freigelassenen Zobia, die zur Feststellung ihres Personenstatus ins pōlētḗrion gebracht wird: Demosth. 25, 57 dazu S. 229ff. Ähnlich auch Klees 2000, S. 21f; Kamen 2013, S. 51. Dazu S. 125f dieses Kapitels. Freilich dürfte hier aber nicht nur entscheidend gewesen sein, wie viele Personen bei Bekanntgabe der Freilassung anwesend waren, sondern vor allem, ob der Betreffende im entscheidenden Moment genügend Leute überzeugen konnte, ihre Aussage für ihn auch tatsächlich zu tätigen. Das soziale Netzwerk war somit eine Komponente, die keinesfalls unterschätzt werden sollte; dazu auch Klees 2000, S. 22. Vgl. Zelnick-Abramovitz 2005a, S. 292; Vlassopoulos 2009, S. 352 sowie Thür 1998a (DNP 4), Sp. 342. Harp. s. v. ἐξαιρέσεως δίκη. Zur Frage, ob der prostátēs Rechtsgeschäfte im Namen seines Schützlings tätigen darf, s. Kap. III.8.1. Ähnliches vermutet auch Joshua Sosin, der sich damit allerdings auf die freie Wahl des prostátēs und die apostasíu díkē bezieht, vgl. Sosin 2016, S. 8; ähnlich auch Kamen, die auf den symbolischen Wert auferlegter Beschränkungen verweist, vgl. Kamen 2013, S. 53. So behauptet u. a. von Vlassopoulos 2009, S. 352.

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Intrinsische Merkmale

In vieler Hinsicht befand sich der freigelassene ansässige Fremde also in einer prekären Rechtslage, in der die Gefahr, durch unrechtmäßigen Anspruch wieder in die Sklaverei zu geraten, nicht zu unterschätzen war. Es drängt sich aber die Frage auf, ob ein freigeborener ansässiger Fremder erheblich besser gestellt war. Die Größe und Anonymität der Polis, die bereits als begünstigende Faktoren angeführt wurden, einen Freigelassenen wieder zu versklaven, bieten einem Freigeborenen nämlich auch weniger Sicherheit. Es könnte hier sogar behauptet werden, dass, wenn es schon einem Freigelassenen schwerfällt, seinen freien Status zu beweisen, ein Freigeborener noch weniger Erfolgsaussichten hat – schließlich kann er kaum Zeugen oder Dokumente einer Freilassung präsentieren, die nie stattgefunden hat. Selbstverständlich würde auch ein freigeborener ansässiger Fremder Personen vor Gericht aufrufen können, die für seine Freiheit bürgen könnten, aber auch hier hängt der Erfolg vom sozialen Netzwerk des Betroffenen ab. Ein erst kürzlich zugezogener Freigeborener etwa, dessen einzige Zeugen für seine persönliche Freiheit eventuell weit entfernt in seiner Heimatpolis leben, dürfte hier vielleicht sogar schlechtere Karten haben als ein Freigelassener. Dass einem zu Unrecht in die Sklaverei genommenen Fremden anscheinend keine Klageverfahren offenstanden, die er in diesem Fall bemühen konnte, erschwert die Sache zusätzlich. Angesichts dessen ist ein Freigelassener nicht grundsätzlich einem höheren Risiko ausgesetzt, in die Sklaverei zu geraten, als ein Freigeborener.435 Dass es in den benannten Belangen keinen Vorteil hatte, frei geboren zu sein, ist darin begründet, dass sämtliche Nichtbürger, ob freigelassen oder freigeboren, der Gefahr ausgesetzt waren, in die Sklaverei zu geraten. Der Verkauf in die Sklaverei war zwar für Athener durch die solonischen Reformen unmöglich gemacht worden; aber diese Regelung schützte weder freigeborene noch freigelassene ansässige Fremde,436 was in der Forschung bisweilen vergessen worden ist.437 Im Gegenteil drohte der Verkauf in die Sklaverei Nichtathenern als Strafe für bestimmte Vergehen und wurde anscheinend auch regelmäßig angewandt. Zu diesen Vergehen gehörten alle Übertretungen der durch den Nichtbürgerstatus gesetzten Grenzen, wie das Nichtzahlen des metoíkion438 und die Anmaßung des Bürgerrechts.439 In Bezug auf die Gefahr der Versklavung weisen freigelassene und freigeborene Fremde also keine Unterschiede auf. Dennoch gibt es auf der juristischen Ebene einen beachtlichen Unterschied zwischen freigelassenen und freigeborenen ansässigen Fremden. Einige Quellen deuten nämlich darauf hin, dass es bestimmte Gesetze gegeben hat, die speziell an freigelasse-

435 Gegen diese These: Kamen 2013, S. 51. 436 Vgl. Todd 1993, S. 181; Finley 1981, S. 148. 437 So u. a. von Coşkun 2014b, S. 26, der die in sich widersprüchliche Behauptung aufstellt, dass der Verkauf in die Sklaverei nur anmaßenden Sklaven gedroht habe. 438 So drohte der Freigelassenen Zobia die Wiederversklavung, hätte sie das metoíkion nicht bezahlt; Demosth. 25, 57. 439 Aristot. Ath. Pol. 42, 1.

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ne ansässige Fremde gerichtet waren.440 Leider sind die Belege für diese Gesetze nur sehr spärlich: Einzig in einer von Pollux paraphrasierten Aussage des Demosthenes werden Freigelassenengesetze in Athen erwähnt.441 Weitere Details oder gar die Inhalte dieser Bestimmungen werden nicht benannt. Denkbar ist, dass sie Regelungen enthielten, die das Verhältnis zwischen der Polis und dem Freigelassenen betrafen,442 Vorschriften bezüglich der Wahl des prostátēs443 oder steuerlicher Abgaben oder dass sie das Prozedere der Freilassung festlegten444 oder verschiedene Freilassungsmodi, wie die Freilassung mit Auflagen, definierten. Bisweilen wird in der Forschung in diesem Zusammenhang auch auf die Freigelassenengesetze verwiesen, die Platon in seinen Nómoi ausführt:445 Diese können zwar nicht als Bericht über die tatsächliche Situation in Athen aufgefasst werden,446 wohl aber Hinweise geben, welche Bereiche solcherlei Gesetze hätten betreffen können.447 In den von Platon erdachten Gesetzen448 werden die wirtschaftlichen, sozialen und rechtlichen Optionen eines Freigelassenen reguliert und überwiegend empfindlich beschränkt. So sieht Platon vor, dass ein Freigelassener zwar Besitz anhäufen kann, 440 Vgl. Kamen 2013, S. 45; Dimopoulou-Piliouni 2008, S. 36; Sosin 2016, S. 12; Zelnick-Abramovitz 2005a, S. 121. 441 Poll. 3, 83: καὶ Δημοσθένης φησὶν ἐξελευθερικοὺς νόμους καὶ ἀπελευθερικοὺς νόμους. Ob aufgrund dieser Aussage darauf geschlossen werden kann, dass es zwei unterschiedliche Sets von Gesetzen gab, von denen sich eines an exeleútheroi und eines an apeleútheroi richtete (z. B. DimopoulouPiliouni 2008, S. 36), oder die hier benannte Gesetzessammlung beide Gruppen von Freigelassenen gleichermaßen traf, ist durch Joshua Sosin in die Diskussion geraten. Sein Einwand, dass „nothing here shows that Pollux thought that apeleútheros and exeleútheros denoted different legal facts. “ (Sosin 2016, S. 10), ist berechtigt, denn eine Übersetzung dieser Passage als ‚Gesetze für exeleútheroi und apeleútheroi‘ wäre grammatikalisch ebenso zulässig. Zu sagen, dass es nichts gäbe, das auf zwei verschiedene Gesetzesgruppen hinwiese, ist aber sicherlich eine stark polemisierte Aussage: Die Konstruktion mit καὶ würde auch das möglich machen. Sosins Proklamation, dass diese Stelle die Existenz zweier Gruppen von Freigelassenen gänzlich unmöglich macht (vgl. Sosin 2016, S. 10), ist jedenfalls zurückzuweisen. 442 Vgl. Klees 2000, S. 7. 443 Vgl. ebd. 444 Vgl. Zelnick-Abramovitz 2009, S. 308 sowie Zelnick-Abramovitz 2005a, S. 73. 445 Vgl. Klees 2000, S. 7f. 446 So auch Klees 2000, S. 8. 447 Dagegen Zelnick-Abramovitz 2005a, S. 224, die annimmt, dass die von Platon beschriebenen Gesetze der tatsächlichen athenischen Rechtsprechung ähneln. Dies scheint allerdings schon deshalb ausgeschlossen zu sein, weil in den Quellen einige Beispiele freigelassener ansässiger Fremder belegt sind, welche Gesetze brechen, ohne eine Strafe zu erfahren. So sieht Platon vor, dass ein ansässiger Fremder, ob freigelassen oder freigeboren, sollte er Vermögen besitzen, das ihn einer Zensusklasse höher als die dritte zuordnete, Athen binnen 30 Tagen zu verlassen hat (Plat. Nom. 915 b–c). Wäre dieses Gesetz tatsächlich genuin, so hätte es in Athen keine reichen ansässigen Fremden geben dürfen – Phormion und Pasion beweisen aber das Gegenteil. Freilich könnte vermutet werden, dass für diese beiden eine Ausnahme gemacht worden wäre, aber diese Möglichkeit schließt Platon eigentlich aus: Plat. Nom. 915 c. 448 Plat. Nom. 915 a–c, mit dem Kommentar von Schöpsdau 2011, der auch auf die Unzulässigkeit von Schlüssen von Platons Gesetzen auf die athenischen Verhältnisse hinweist: Schöpsdau 2011, S. 465. Die Passagen werden im Folgenden einzeln zitiert und besprochen.

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Intrinsische Merkmale

dieser aber den seines Freilassers nicht übersteigen darf,449 und dass er auch nicht ohne die Zustimmung seines früheren Herrn heiraten darf.450 Zudem darf der Freigelassene oder irgendein Fremder sich nicht dauerhaft in der Polis niederlassen: Nach zwanzig Jahren hat er die Polis wieder zu verlassen und sein gesamtes Hab und Gut mitzunehmen,451 es sei denn, er bekommt eine besondere Bleibeerlaubnis von den zuständigen Beamten und seinem Freilasser ausgesprochen.452 Platons Freigelassenengesetze regeln aber auch das Verhältnis zwischen dem Freigelassenen und seinem ehemaligen Herrn. Zum einen werden dem Freilasser viele Möglichkeiten vorbehalten, aktiv Einfluss auf das Leben des Freigelassenen zu nehmen, etwa indem eine Heirat nicht ohne seine Zustimmung stattfinden darf.453 Falls der Freigelassene reicher sein sollte als sein Freilasser, sieht Platon außerdem vor, dass der Freigelassene das Surplus an seinen ehemaligen Herrn abzutreten hat.454 Zum anderen entwirft Platon aber auch eine über die Freilassung hinausgehende Dienstpflicht des Freigelassenen: Dieser habe sich dreimal im Monat bei seinem ehemaligen Herrn einzufinden, um einige Aufgaben zu erledigen.455 Darin tritt deutlich hervor, welch enges Verhältnis zwischen Freigelassenem und ehemaligem Herrn Platon im Sinn gehabt hat. Eine solche über die Freilassung hinausgehende Beziehung, wenngleich kaum im selben Maße eng, ist auch in der in Athen gültigen Vorgabe, den ehemaligen Herrn als prostátēs benennen zu müssen, zu erahnen. Welche Unterschiede zwischen freigelassenen und freigeborenen ansässigen Fremden in Athen durch die Freigelassenengesetze geschaffen wurden und vor allem wie gravierend diese waren, ist aufgrund der schlechten Quellenlage nicht mehr feststellbar.456 Ihre bloße Existenz aber, die in der Forschung ganz zu Recht nicht infrage gestellt wird,457 lässt kaum einen Zweifel daran, dass auf gesetzlicher Ebene freigeborene und freigelassene ansässige Fremde voneinander unterschieden wurden, indem es Gesetze gab, die ausschließlich Freigelassene, und zwar aufgrund ihrer sklavischen Vergangenheit, betrafen, Freigeborene aber nicht behelligten.

449 Plat. Nom. 915 a–b: πλουτεῖν δὲ τοῦ ἀπελευθερώσαντος μὴ ἐξεῖναι μᾶλλον· (Text: Diés/Souilhé). 450 Plat. Nom. 915 a: καὶ περὶ γάμου ποιεῖν ὅτίπερ ἂν συνδοκῇ τῷ γενομένῳ δεσπότῃ. (Text: Diés/Souilhé). 451 Plat. Nom. 915 b: μὴ πλείω δὲ εἴκοσιν ἐτῶν μένειν τὸν ἀφεθέντα, ἀλλὰ καθάπερ καὶ τοὺς ἄλλους ξένους ἀπιέναι λαβόντα τὴν αὑτοῦ πᾶσαν οὐσίαν, … (Text: Diés/Souilhé). 452 Plat. Nom. 915 b: ἐὰν μὴ πείσῃ τούς τε ἄρχοντας καὶ τὸν ἀπελευθερώσαντα. (Text: Diés/Souilhé). 453 Plat. Nom. 915 b. 454 Plat. Nom. 915 b. 455 Plat. Nom. 915 a: θεραπεία δὲ φοιτᾷν τρὶς τοῦ μηνὸς τὸν ἀπελευθερωθέντα πρὸς τὴν τοῦ ἀπελευθερώσαντος ἑστίαν, ἐπαγγελλόμενον ὅ τι χρὴ δρᾷν τῶν δικαίων καὶ ἅμα δυνατῶν. (Text: Diés/ Souilhé). 456 Ähnlich auch Klees 2000, S. 20. 457 Vgl. Dimopoulou-Piliouni 2008, S. 36; Kamen 2013, S. 53; Klees 2000, S. 7; Zelnick-Abramovitz 2005a, S. 122. Selbst Sosin stimmt zu, dass „there were obviously laws, that specifically targeted freedmen and were irrelevant to freeborn metics.“ (Sosin 2016, S. 12f).

Freigeborene und Freigelassene

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II.3.3 Unterscheidung im Alltag Im Vorstehenden konnten einige Unterschiede zwischen freigelassenen und freigeborenen ansässigen Fremden festgestellt werden. Vieles deutet darauf hin, dass die Athener eine deutliche Trennung zwischen diesen beiden Gruppen vornahmen: So hatten Freigelassene eine wirtschaftliche Verpflichtung, das triṓbolon, mehr zu erfüllen als die Freigeborenen, und es galten für sie zudem spezielle Gesetze, wenngleich deren Inhalt von der heutigen Forschung nur vermutet werden kann. Deutlich wurde die Ungleichheit zwischen Freigelassenen und Freigeborenen auch in Bezug auf den prostátēs: Während erstere ihren ehemaligen Herrn benennen mussten, konnten Freigeborene frei unter den Athenern wählen. Es bleibt aber die Frage, welche Auswirkungen all diese Unterschiede tatsächlich auf die Gemeinschaft der ansässigen Fremden im Athen der klassischen Zeit hatten und ob diese tatsächlich so gravierend waren, dass eine Unterscheidung zwischen Freigelassenen und Freigeborenen gerechtfertigt und sinnvoll ist. Es zeigt sich schnell, dass die Athener nicht nur in Gesetzen und Steuern, sondern auch bei vielen anderen Gelegenheiten Unterschiede zwischen freigeborenen und freigelassenen Fremden machten. So wurde freigeborenen ansässigen Fremden häufiger das Bürgerrecht verliehen als freigelassenen.458 Beim Panathenäenfest waren nur freigeborene ansässige Fremde an der Prozession beteiligt, während die freigelassenen nur als Träger von Eichenzweigen erwähnt werden.459 Auch die attischen Redner zeigen, dass eine sklavische Vergangenheit nie in Vergessenheit geriet, sondern ein gern genutztes Mittel war, um den Gegner zu diffamieren.460 Sicherlich mögen diese Unterschiede auch weitgehend dadurch begründet sein, dass Freigeborene häufiger unter günstigeren z. B. ökonomischen Bedingungen als ansässige Fremde in Athen starteten. Aber dem ist entgegenzuhalten, dass auch Freigelassene nicht ‚bei Null‘ anfingen – gerade, weil sie in aller Regel wohl schon eine Weile in Athen lebten, konnten sie etwa von einem Netzwerk profitieren, in dem es Fürsprecher gab, die sich für sie einsetzten.461 Es ist jedenfalls keine allzu weit hergeholte Vermutung, dass die Einschränkungen, wie bei der Wahl des prostátēs, eine bestimmte Einstellung der Athener den freigelassenen ansässigen Fremden gegenüber widerspiegeln könnten. Dabei verweist die Forschung stellenweise darauf, dass die vorwiegend barbarische Herkunft der Sklaven

458 Vgl. Kamen 2013, S. 50 sowie Klees 2000, S. 41f. Klees verweist dazu auf Hdt. 3, 75, wo Themistokles seinen Freigelassenen nach Thespiai schickt, da dort gerade Bürger gesucht würden, vgl. ebd. 459 Anecd. Bekk. 242, 3–6; vgl. Klees 2000, S. 41 sowie Wijma 2013, S. 43 n 24. 460 Vgl. Kamen 2013, S. 54; Klees 2000, S. 28; Whitehead 1977, S. 116; Trevett 1992, S. 160. So etwa in Demosth. 20, 131–133, ähnlich auch Isaios 6, 49. 461 Dazu Kap. III.3.1.3.

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Intrinsische Merkmale

in Athen maßgeblich dazu beigetragen hat, das Ansehen der Gruppe der Freigelassenen zu verschlechtern.462 Die Vermutung dieses Zusammenhangs, dass die Benachteiligung und Einschränkung Freigelassener vordergründig auf deren vorwiegend nichtgriechische Herkunft zurückzuführen und der sklavische Hintergrund nur sekundär sei, muss aus zwei Gründen in Zweifel gezogen werden: Erstens wurde im vorangegangenen Kapitel festgestellt, dass eine nichtgriechische Abstammung von den Athenern zwar bemerkt wurde, aber die Stellung einer Person in keinem erheblichen Ausmaß beeinflusste.463 Zweitens muss die Einstellung der Athener zum Leben in Sklaverei bedacht werden: Der Glauben, dass ein Leben in Sklaverei einen dauerhaften, irreparablen Schaden an der Person hinterlässt, ist tief im griechischen Weltbild verankert.464 Anders als zu den Barbarenvölkern, deren Unterschiede den Griechen durchaus bewusst waren,465 hatten sie keine differenzierte Einstellung zu den Sklaven. Nicht zu vergessen ist auch, dass es der Vorwurf einer sklavischen Vergangenheit ist, nicht der einer barbarischen Herkunft, der vor Gericht den Gegner schwächen soll: Eine nichtgriechische Herkunft und eine sklavische Vergangenheit gehen in vielen Fällen Hand in Hand, und dieses gemeinsame Auftreten macht es zweifelsohne schwierig zu bestimmen, ob die Benachteiligungen gegenüber Freigelassenen auf das Merkmal ‚ehemaliger Sklave‘ oder auf das Merkmal ‚nichtgriechische Herkunft‘ zurückzuführen sind. Sicherlich liegt die Antwort in einer Kombination dieser beiden, wobei auf Basis der vorangegangenen Ausführungen die Komponente der sklavischen Herkunft sehr deutlich zu überwiegen scheint. Unter diesem Gesichtspunkt ist es auch durchaus plausibel, nicht zwischen griechischen und nichtgriechischen ansässigen Fremden in Athen zu unterscheiden, wohl aber zwischen freigeborenen und freigelassenen ansässigen Fremden. Die vorangegangenen Ausführungen haben vor allem Beschränkungen und Benachteiligungen der Freigelassenen in Athen betont: zusätzliche Steuern, keine freie Wahl des prostátēs, eingeschränkte Freizügigkeit, keine freie Berufswahl und die eigene sklavische Vergangenheit als permanenten Makel, um die wichtigsten zu nennen. Ein Freigelassener zu sein ist in Athen zweifelsfrei ein Handicap, aber kein Ausschlusskriterium, wie erfolgreiche Biographien, etwa die des Pasion und Phormion, beweisen.466 In bestimmten Situationen kann sich die sklavische Vergangenheit sogar als durchaus nützlich für das Leben in Athen erwiesen haben.467 Insbesondere Sklaven, die im Bankwesen 462 U. a. Dihle 2003, S. 9. Kamen 2013, S. 50 etwa erklärt die Zurückhaltung in der Verleihung des Bürgerrechts an Freigelassene mit der überwiegend nichtgriechischen Herkunft; ähnlich auch Klees 2000, S. 42. 463 Kap. II.1.1. 464 Vgl. Isaac 2006, S. 43. Bereits in Homers Odyssee findet sich dieser Gedanke: Hom. Od. 17, 322– 323. 465 Vgl. hierzu Kap. II.1. 466 Vgl. S. 255. 467 Vgl. Taylor 2015, S. 48.

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tätig waren, hatten einige Gelegenheiten, aus ihrer Situation Vorteile zu ziehen. Zum einen boten sich ihnen Möglichkeiten, sich Schlüsselqualifikationen anzueignen, die sie sogar einigen Bürgern voraushatten: allem voran die Fähigkeit, lesen und schreiben zu können.468 Außerdem hatten Banksklaven in vielen Positionen direkten Kontakt zu ihren Kunden, was ihnen die Gelegenheit gab, persönliche Beziehungen zu knüpfen469 und vor allem Bekanntschaften auch in exklusiveren Kreisen zu machen. Dieses soziale Kapital konnte ihnen als Freigelassenen durchaus helfen, sich einen vorteilhaften Platz in der Gesellschaft zu sichern.470 Das Bankgewerbe bot aber auch finanzielle Vorteile und häufig auch die Aussicht auf ein nicht bescheidenes Erbe: Da die Identität einer Bank in vielen Fällen eng mit der Identität desjenigen verknüpft war, der die Geschäfte leitete,471 und das wiederum häufig nicht zwangsläufig der älteste Sohn, sondern eben der geschäftsführende Sklave war,472 wurden Banken nicht selten an Nichtbürger vererbt.473 Es waren diese Möglichkeiten, die das Bankwesen zu einem lukrativen und beliebten, aber auch typischen Betätigungsfeld für Freigelassene machten.474 II.3.4 Der Freigelassene als métoikos in Quellen und Forschung Ein nicht unerheblicher Teil der Forschungsliteratur stützt seine Argumente für oder gegen die Freigelassenen als eigene Kategorie ansässiger Fremder auf die terminologische Differenzierung zwischen freigelassenen und freigeborenen ansässigen Fremden in den Quellen. Insbesondere Quellenstellen, in denen Freigelassene neben métoikoi genannt werden, spielen dabei eine wichtige Rolle. Aber auch der inhaltliche Ausschluss von Freigelassenen, bspw. indem einem Metöken Merkmale zugeschrieben werden, die auf einen Freigelassenen unmöglich zutreffen können, wurde bisweilen angeführt, um die Nichtzugehörigkeit der Freigelassenen zur Gruppe der Metöken zu beweisen. Ein solches Beispiel findet sich in der Definition der Metoikie des Lexikographen Harpokration. Dort werden der Wohnortswechsel und die (dauerhafte) Wohnsitznahme in einer anderen Polis als Merkmale eines métoikos definiert.475 Davon ausge-

468 469 470 471 472 473

Vgl. Cohen 1992, S. 72. Vgl. ebd. Vgl. Taylor 2015, S. 48, ähnlich auch Cohen 1992, S. 61. Vgl. Cohen 1992, S. 71. Vgl. Shipton 1997, S. 410. Vgl. Cohen 1992, S. 61; Klees 2000, S. 25. Dabei ist ausschließlich das Geschäft i. S. eines ‚ideellen‘ Kapitals gemeint. Da Nichtbürger in Athen keine Immobilien besitzen durften (vgl. Kap. III.2.3), wäre das Vererben des ‚physischen‘ Geschäfts unmöglich. 474 Vgl. Klees 2000, S. 36; Shipton 1997, S 403. 475 Harp. s. v. μετοίκιον: μέτοικος μέν ἐστιν ὁ ἐξ ἑτέρας πόλεως μετοικῶν ἐν ἑτέρᾳ καὶ μὴ πρὸς ὀλίγον ὡς ξένος ἐπιδημῶν, ἀλλὰ τὴν οἴκησιν αὐτόθι καταστησάμενος. Dazu Kap. II.6.1 und II.6.3.

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hend, hat Athina Dimopoulou-Piliouni argumentiert, dass Freigelassene unmöglich unter die Metöken in Athen gezählt haben können.476 Denn es seien, so DimopoulouPiliouni weiter, die Freiwilligkeit der Übersiedelung einerseits und das Bürgerrecht in einer anderen Polis diejenigen Merkmale, die einen métoikos von einem Freigelassenen unterschieden.477 Es ist klar, dass ein Sklave seinen Wohnort nicht selbst gewählt hat, sondern es ihn unfreiwillig durch Verkauf und Verschleppung in eine bestimmte Polis verschlagen hat. Auch nach seiner Freilassung war die Freizügigkeit eines ehemaligen Sklaven durch die Verpflichtung, seinem Herrn eine begrenzte Zeit weiterhin Dienste zu erweisen, unter Umständen eingeschränkt.478 Außer Zweifel steht auch, dass ein Freigelassener kein Bürgerrecht besaß: Dieses verfiel entweder im Moment der Versklavung oder bestand bei Geburt in die Sklaverei von vornherein nicht. Problematisch an der Deutung von Dimopoulou-Piliouni ist allerdings, dass sie weitaus mehr interpretiert, als tatsächlich da ist: Eine freiwillige Übersiedelung wird von Harpokration an keiner Stelle erwähnt,479 und auch ein Bürgerrecht wird nirgends genannt. Einzig der Schluss, dass ein Metöke vormals in einer anderen Polis gelebt haben muss, lässt sich ohne Zweifel ziehen. In welchem Status er dieses Leben in der anderen Polis führte, ob als Bürger, Nichtbürger oder Sklave, scheint aber für die Annahme der Identität eines métoikos in Athen unerheblich zu sein. Im weiteren Verlauf seines Eintrages kommt Harpokration auch auf die Freigelassenen zu sprechen.480 Dies wurde in der Forschung auf zwei unterschiedlichen, in der Tat sogar gegensätzlichen Wegen interpretiert: Matthew Kears sieht den Umstand, dass Freigelassene dort erwähnt werden, als Beleg dafür an, dass sie unter die métoikoi gefasst wurden.481 Problematisch an diesem Einwand ist allerdings, dass der betreffende Eintrag von Harpokration sich nicht mit dem métoikos befasst, sondern mit dem metoíkion. Dass Freigelassene erwähnt werden, bedeutet also nicht, dass sie Metöken waren, sondern nur, dass sie das metoíkion entrichteten. Joshua Sosin sieht genau dies als statuskonstituierendes Merkmal eines Metöken.482 Dem ist aber wiederum entgegenzuhalten, dass die gesonderte Erwähnung der Freigelassenen doch dafür spricht, dass ehemalige Skla-

476 Vgl. Dimopoulou-Piliouni 2008, S. 29. 477 Vgl. ebd., S. 29f: „A fundamental difference between a metic and a manumitted slave appears to be that the first was the citizen of another city, who chose to leave his natal city and move and live permanently into another. A metic was a willingly expatriated foreigner, a free man making his living permanently abroad, one who had never lost his civic status or rights in his natal city.“ Zum Bürgerrecht ähnlich auch ebd., S. 50. 478 Bspw. im Rahmen der paramonḗ-Freilassung, siehe S. 128f. 479 Einzig könnte angeführt werden, dass das Verb μετοικεῖν von Harpokration in der aktiven Form verwendet wird und damit tatsächlich ‚umsiedeln‘ im Gegensatz zu ‚umgesiedelt werden‘ bedeutet. Allerdings ist die passive Form von μετοικεῖν in den antiken Quellen an keiner Stelle belegt. 480 Harp. s. v. μετοίκιον: ὅτι δὲ καὶ οἱ δοῦλοι ἀφεθέντες ὑπὸ τῶν δεσποτῶν ἐτέλουν τὸ μετοίκιον ἄλλοι τε τῶν κωμικῶν δεδηλώκασι καὶ Ἀριστομένης. 481 Vgl. Kears 2013, S. 45. 482 Vgl. Sosin 2016, S. 12.

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ven gerade nicht als métoikoi begriffen wurden: Würden sie selbstverständlich zu dieser Gruppe gezählt werden, hätte es keiner gesonderten Erwähnung bedurft, dass auch sie diese Steuer entrichteten.483 Ob Harpokrations Eintrag eher den Ausschluss der Freigelassenen von der Gruppe der métoikoi in Athen nahelegt oder das genaue Gegenteil, ist sicherlich nicht ohne jeden Zweifel zu entscheiden. Allerdings rechtfertigen die vorangegangenen Ausführungen meines Erachtens eine vorsichtige Tendenz zum Ausschluss der Freigelassenen aus der Gruppe der métoikoi. Zwar schließen die von Harpokration definierten Merkmale, wie Wohnortswechsel und dauerhafte Wohnsitzname in der neuen Polis, Freigelassene nicht explizit aus. Jedoch ist ein Nichtausschließen aus der Gruppe keinesfalls gleichbedeutend mit einem Einschließen in die Gruppe: So bedarf es anscheinend auch keiner gesonderten Erwähnung, dass ein métoikos ein persönlich freier Mensch ist, was aber ebenso ein wichtiges Merkmal sein dürfte. Noch schwerer wiegt aber die gesonderte Erwähnung des Umstandes, dass auch Freigelassene das metoíkion zu zahlen haben, die überflüssig gewesen wäre, wenn sie bei den métoikoi schon inbegriffen gewesen wären. Besonders Quellenstellen, in denen Metöken und Freigelassene nebeneinander genannt werden, haben in der Forschung zu Diskussionen geführt: Einige betonen, dass die terminologische Differenzierung von Freigelassenen und Metöken darauf hindeute, dass eine Trennung zwischen diesen beiden Kategorien ansässiger Fremder bestand und praktiziert wurde.484 Kritiker dieser Ansicht verweisen dabei vor allem auf die Art und den Gesamtkontext der jeweiligen Quellen. Wenn Pseudo-Xenophon in seiner Athēnaíōn politeía Bürger, Sklaven, Freigelassenen und Metöken getrennt voneinander aufzählt,485 so ist dies wohl eher dem Ziel des Textes geschuldet, als dass damit zwei Statuskategorien belegt werden:486 Dass er die einzelnen Personengruppen so kleinlich voneinander trennt, soll dabei sprachlich an die Unterschiede erinnern, die er im Alltag aufgrund des gesellschaftlichen Verfalls vergeblich zu suchen scheint.487 Auch Aristoteles differenziert in seinen Politiká stellenweise488 zwischen Freigelassenen und métoikoi489 und schließt die Zugehörigkeit von Freigelassenen zur Gruppe der 483 484 485 486

Ähnlich auch schon Dimopoulou-Piliouni 2008, S. 32. So u. a. von Kamen 2013, S. 45; Klees 2000, S. 20 und 27. Ps.-Xen. Ath. Pol. 1, 10. Dimopoulou-Piliouni 2008, S. 34 führt Ps.-Xen. Ath. Pol. 1, 10 als möglichen Beleg für die Statusdifferenzierung zwischen Freigelassenen und Metöken an. 487 Vgl. Kamen 2013, S. 45; ähnlich Bäbler 1998, S. 22 und auch Whitehead 1997, S. 115. 488 Aristot. Pol. 1277b 33–1278a 2. Klees führt ebenfalls Aristot. Pol. 1275b 36f: πολλοὺς γὰρ ἐφυλέτευσε ξένους καὶ δούλους μετοίκους als Belegstelle an. Dabei geht er davon aus, dass sich μετοίκους an dieser Stelle sowohl auf ξένους als auch auf δούλους bezieht; ähnlich auch Schütrumpf 1991, S. 399f. Diese Übersetzung ist schwierig und höchst umstritten. In einer alternativen Übersetzung würde es hier derweil keine Unterscheidung von zwei verschiedenen Klassen von Metöken geben, sondern von Fremden und dúloi métoikoi; vgl. S. 54 n 218. 489 Aristot. Pol. 1278a 1–2.

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métoikoi dabei teilweise sogar recht eindeutig aus.490 Allerdings verzichtet er an anderer Stelle im Werk darauf, eine separate Kategorie von Freigelassenen zu nennen: So weist er im Zusammenhang mit der Größe einer Stadt und deren Einwohnerzahl darauf hin, dass es in jeder Polis auch eine beachtliche Zahl an Sklaven, métoikoi und Fremden gegeben habe.491 Freigelassene dürften ganz ohne Zweifel auch zu den Nichtbürgern, die sich in der Polis befinden, gezählt haben, die Aristoteles hier nennt. Dass aber keine gesonderte Kategorie Freigelassener erwähnt wird, ist eigentlich nur dadurch zu erklären, dass Freigelassene in einer der bereits benannten einbegriffen sind. Die einzig denkbare Kategorie für Freigelassene wäre dabei die der métoikoi.492 Schließlich ist auch zu bedenken, dass Aristoteles’ Aussagen in den Politiká nicht zwangsläufig die athenischen Verhältnisse widerspiegeln,493 sondern auch auf eine andere Polis verweisen könnten.494 Dieser Einwand wiegt umso schwerer, als Aristoteles in der Athēnaíōn politeía nirgends eine Differenzierung zwischen Freigelassenen und Metöken vornimmt.495 Eine weitere Quellenstelle, die in der Forschung bisweilen angeführt wurde, um eine Unterscheidung zwischen Metöken und Freigelassenen zu belegen,496 ist die vierte Rede des Demosthenes, wo wörtlich métoikoi und chōrís oikúntes die Schiffe bemannen sollen.497 Allerdings ist die Bezeichnung chōrís oikúntes hier problematisch. In der Regel bezeichnet dieser Terminus nicht einen Freigelassenen, sondern einen getrennt von seinem Herrn lebenden und in einiger Selbstständigkeit wirtschaftenden Sklaven.498 In Anbetracht des Kontextes, der Bemannung der Kriegsflotte, ist aber eigent490 Als Beleg für eine separate Kategorie von Freigelassenen führen dies Kamen 2013, S. 45 und Dimopoulou-Piliouni 2008, S. 35 an, sowie mit Einschränkung auch Whitehead 1977, S. 17. 491 Aristot. Pol. 1326a 18–20, dazu auch: Whitehead 1991, S. 138. 492 Da Freigelassene kein Bürgerrecht besitzen, können sie nicht zu den Bürgern gezählt werden; da sie persönlich frei sind, nicht zu den Sklaven; und da sie ansässig sind, nicht zu den Fremden. So auch schon Whitehead 1991, S. 139. Dagegen: Klees 2000, S. 6, der zwar behauptet, dass Freigelassene den métoikoi oder den xénoi zugeordnet wurden, dafür aber keine Quellenbelege anführt. Auch Dimopoulou-Piliouni rechnet Freigelassene unter die xénoi, ohne diese Entscheidung jedoch zu begründen (vgl. Dimopoulou-Piliouni 2008, S. 29), womit diese Zuordnung wohl eher die wörtliche Bedeutung von xénos als ‚Fremder‘ denn eine Statusbezeichnung meint. 493 Vgl. Whitehead 1977, S. 17. 494 Die Unterscheidung zwischen freigelassenen und freigeborenen ansässigen Fremden ist u. a. für Koresia belegt: IG XXII, 5 647.10, vgl. Whitehead 1977, S. 10. 495 Zu erwarten wäre eine terminologische Unterscheidung zwischen Freigelassenen und Metöken etwa in Aristot. Ath. Pol. 57, 3, wo aber nur zwischen xénoi und métoikoi unterschieden wird. Noch mehr würde eine Differenzierung in Aristot. Ath. Pol. 58, 2–3 zu erwarten sein: An dieser Stelle unterscheidet Aristoteles zwar viele Arten von (ansässigen) Fremden, aber die Freigelassenen werden nicht gesondert aufgeführt, sondern vielleicht bei den Metöken mitgenannt. 496 So von Kamen 2013, S. 46; Whitehead 1977, S. 17. 497 Demosth. 4, 36. 498 Die Verwendung des Terminus apeleútheros zur Bezeichnung eines Freigelassenen ist auch bei Demosthenes belegt und ihm daher geläufig, z. B. Demosth. 27, 19. Dagegen Joshua Sosin, der hinter der Bezeichnung chōrís oikúntes eine Bezugnahme auf Söldner, allerdings nicht im Sinne eines terminus technicus, vermutet: Sosin 2015 passim.

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lich nicht ersichtlich, warum neben métoikoi ausschließlich von ihrem Herrn getrenntlebende Sklaven die Mannschaft ausmachen sollten und nicht Sklaven allgemein. Eine Möglichkeit wäre, in den chōrís oikúntes nicht eine Bezeichnung für Sklaven zu sehen, sondern für ehemalige Sklaven: Dabei könnte chōrís oikúntes in seiner engsten Bedeutung als ‚getrennt lebende‘ auf die eingeschränkte Freiheit eines unter Auflagen Freigelassenen hindeuten. In dieser Deutung handelt es sich bei der Schiffsmannschaft also nicht um métoikoi und Sklaven, sondern um métoikoi und eine bestimmte Gruppe von Freigelassenen. Diese Deutung fügt sich auch gut in die Reihe der bereits zitierten Quellenstellen bei Pseudo-Xenophon und Aristoteles. Diese stellen nämlich den métoikoi in beiden Fällen nicht irgendwelche Freigelassenen gegenüber, sondern apeleútheroi. Bei ihnen handelte es sich, wie oben festgestellt wurde, um ehemalige Sklaven, die nur eine sehr beschränkte Freiheit genossen, da sie ihrem ehemaligen Herrn auch über ihre Freilassung hinaus verpflichtet blieben. Diese begrenzte Freiheit war im Alltag auch spürbar und unterschied sie nicht nur von freigeborenen ansässigen Fremden, sondern auch von den uneingeschränkt freien exeleútheroi. Es wäre zumindest eine Überlegung wert, ob nicht in denjenigen Quellenstellen, die métoikoi und apeleútheroi als zwei separate Gruppen benennen, eine Unterscheidung nicht etwa zwischen Metöken und Freigelassenen, sondern zwischen Metöken und vorbehaltlich Freigelassenen zum Ausdruck kommt.499 Die Vermutung, dass exeleútheroi zu den métoikoi gezählt werden, apeleútheroi aber nicht, wird auch durch die epigraphische Überlieferung untermauert: Während métoikoi und apeleútheroi in Inschriften hin und wieder als Bezeichnungen für bestimmte Personengruppen auftauchen,500 ist das bei dem Begriff exeleútheros nicht der Fall.501 Damit würde also die uneingeschränkte Freiheit innerhalb der Gruppe der ansässigen Fremden in Athen den Unterschied zwischen einem métoikos und einem Nicht-métoikos ausmachen. Problematisch für diese Deutung sind allerdings diejenigen Stellen, in denen die Gruppe der métoikoi nicht weiter unterteilt wird. So etwa in der im Vorangegangenen bereits zitierten Stelle in Aristoteles’ Politiká,502 an der sich der Autor mit der Größe einer Polis beschäftigt. Bei dieser Stelle ist unstrittig, dass auch die Freigelassenen in der Aufzählung inbegriffen sein müssen, auch wenn sie nicht in einer gesonderten Kategorie aufgeführt werden.503 Dass Aristoteles an anderer Stelle im selben Werk diese Unterscheidung aber wieder trifft, ist symptomatisch für den Gesamtbefund aus den antiken 499 Dass apeleútheroi nicht unter die métoikoi gerechnet werden, hält auch schon DimopoulouPiliouni 2008, S. 35 für plausibel. Gleichfalls schlägt Zelnick-Abramovitz eine Abgrenzung zwischen den apeleútheroi und den tatsächlich Freien vor, vgl. Zelnick-Abramovitz 2005a, S. 108. 500 So werden Personen bspw. in IG II2 7155; IG II2 10935; IG II2 12442 als apeleútheros bezeichnet. 501 Der Begriff exeleútheros taucht nur in nichtathenischen Inschriften auf, z. B. aus Chios (I. Chios 154) oder Sizilien (SEG 53, 1008.1). 502 Aristot. Pol. 1326a 18–20. 503 Ähnlich auch schon Whitehead 1991, S. 138f.

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Quellen, in denen die Freigelassenen mal als Teil der Metöken, mal als eigene Gruppe neben den Metöken bestimmt werden.504 Diese Abweichungen finden sich aber nicht in allen Textsorten: Offizielle Dokumente, wie Gefallenenlisten oder Beschlüsse, führen Freigelassene im Allgemeinen und apeleútheroi im Besonderen nicht als eigene Gruppe in Abgrenzung zu métoikoi auf,505 während Bezeichnungen wie métoikoi oder xénoi nicht unüblich sind.506 Dies wurde in der Forschung stellenweise zum Anlass genommen, eine Subsummierung der apeleútheroi unter die métoikoi, gar eine rechtliche Gleichstellung,507 zu konstatieren.508 Dem ist weitgehend, aber nicht uneingeschränkt zuzustimmen. Zum einen findet sich der Terminus apeleútheros sehr wohl in der epigraphischen Überlieferung und auch in Dokumenten, welche die Polis betreffen,509 allerdings nicht in Abgrenzung zu métoikoi, wie es in der literarischen Überlieferung der Fall ist. Das zeigt zwar, dass der Begriff apeleútheros auf eine bestimmte Personengruppe verweisen kann, aber nicht, dass diese Personengruppe von der Gruppe der métoikoi unterschieden wird. Hinzu tritt nicht zuletzt auch die Quellenlage allgemein: Die fehlende gemeinsame Nennung von métoikoi und apeleútheroi in Polisdokumenten dürfte auch der schlechten Überlieferung geschuldet sein. Diese Überlegung wird umso wichtiger, wenn man die geringe Häufigkeit der Quellenstellen in der literarischen Überlieferung, die zwischen métoikoi und apeleútheroi unterscheiden, bedenkt. Klar ist aber, dass die geringe Anzahl der Belege für eine Differenzierung von apeleútheroi und métoikoi darauf schließen lässt, dass die Unterscheidung dieser beiden Gruppen bei weitem nicht so zwingend war wie etwa die zwischen Sklaven und métoikoi oder die zwischen Bürgern und métoikoi, sondern vielmehr im Ermessen des Autors lag. Dabei scheint es in der literarischen Überlieferung nicht bloß eine Geschmacksfrage510 zu sein, ob der Autor zwischen den Freigelassenen und Freigeborenen sprachlich differenziert oder nicht. Die apeleútheroi nicht zu den Metöken zu zählen, sondern als eine eigene Gruppe zu nennen, markiert eine bewusste Ausgrenzung der apeleútheroi und betont die gesellschaftliche Stratifizierung. Pseudo-Xenophons Schimpftirade auf den Verfall der athenischen Gesellschaft ist ein exzellentes Beispiel.511 Die sprachliche Unterscheidung

504 505 506 507 508

Vgl. Kamen 2013, S. 45; Klees 2000, S. 5f; Whitehead 1977, S. 17. Vgl. Klees 2000, S. 6; Whitehead 1977, S. 17; Zelnick-Abramovitz 2005a, S. 104. So z. B. in SEG 1, 14; IG I3 82; IG I3 1032; IG II2 1036. Vgl. Klees 2000, S. 26. So u. a. Klees 2000, S. 6; Whitehead 1977, S. 17. Dagegen Zelnick-Abramovitz, die zwar keine Sondernennung der Freigelassenen in offiziellen Dokumenten feststellen kann (vgl. Zelnick-Abramovitz 2005a, S. 104), aber die Freigelassenen dennoch als „distinct category in the legislation of the Polis“ ansieht, vgl. ebd., S. 307. 509 So in IG I3 96, Z. 3; vgl. Osborne 2000b, S. 79, Nr. 172. 510 Vgl. Whitehead 1977, S. 17. 511 Ps.-Xen. Ath. Pol. 1, 10.

Freigeborene und Freigelassene

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oder Zusammenfassung von apeleútheroi und métoikoi ist damit nicht willkürlich, sondern bewusst und zielgerichtet. Dass eine terminologische Differenzierung zwischen métoikoi und apeleútheroi nicht zwingend war, bedeutet freilich nicht, dass es sie nicht gab. Inwiefern sie aber auch üblich war, ist wiederum eine andere Frage, die auf Basis unserer Quellen nicht abschließend geklärt werden kann.512 Der vorangegangenen Ausführungen eingedenk, lässt sich aber schlussfolgern, dass die Athener zumindest in manchen Kontexten zwischen métoikoi und bestimmten Freigelassenen differenziert haben. Entscheidend ist dabei, dass diese Unterscheidung sich nicht per se auf alle Freigelassenen bezog, sondern nur auf apeleútheroi, also auf diejenigen, die keine uneingeschränkte Freiheit genossen. Insofern zogen die Athener die Grenze zwischen diesen beiden Gruppen nicht einfach bei der Frage, ob eine Person freigeboren oder freigelassen war, sondern vielmehr entlang des Grades der Freiheit, die eine Person genoss. Waren exeleútheroi in dieser Hinsicht bereits nahezu vollständig an die freigeborenen ansässigen Fremden assimiliert, trennten die ihnen auferlegten Einschränkungen die apeleútheroi deutlich vom Rest. II.3.5 Fazit: Die nie wirklich Freien? In den vorangegangenen Ausführungen wurden zahlreiche Unterschiede zwischen freigelassenen und freigeborenen ansässigen Fremden in Athen behandelt. Diese umfassten u. a. eine Sondersteuer für Freigelassene, die Beschränkung der Freiheit, sich einen beliebigen Athener zum prostátēs wählen zu können sowie Gesetze, die nur auf Freigelassene zutrafen. Unterschiede zwischen freigeborenen und freigelassenen ansässigen Fremden wurden dabei nicht nur durch Regularien bestimmt, sondern auch im alltäglichen und gesellschaftlichen Umgang bestätigt, sei es durch verschieden starke Einbeziehung in religiöse Belange, rednerische Bezugnahmen auf die Herkunft bzw. Abstammung oder durch die gelegentliche Verwendung einer besonderen Bezeichnung für die Gruppe der Freigelassenen in Athen. Dies führte zu einer deutlichen Unterschiedlichkeit freigeborener und freigelassener ansässiger Fremder in Athen, die in der Forschung bereits mehrfach vermutet worden ist.513 Aus deser Einsicht haben einige Forschungsbeiträge gefolgert, dass Freigelassene in Athen keine métoikoi waren.514 512 Whiteheads Aussage, dass die Unterscheidung zwischen métoikoi und Freigelassenen „a common and perfectly natural distinction in everyday speech and thought.“ (Whitehead 1977, S. 115) gewesen sei, ist bestenfalls als eine mutige Behauptung zu bewerten. 513 So u. a. von Dimopoulou-Piliouni 2008, S. 35; Kamen 2013, S. 44; Whitehead 1977, S. 115; Zelnick-Abramovitz 2009, S. 309; Zelnick-Abramovitz 2005a, z. B. S. 104 sowie S. 313. 514 So u. a. Dimopoulou-Piliouni 2008, S. 46; Kamen 2013, S. 41; Zelnick-Abramovitz 2005a, S. 128 sowie 313.

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Stattdessen seien Freigelassene in eine eigene Statuskategorie eingeordnet worden, die der Klasse der métoikoi untergeordnet gewesen sei.515 Ein anderer Teil der Forschung lehnt eine derartige Statusdifferenzierung hingegen ab: Zwar bestünden Unterschiede zwischen freigelassenen und freigeborenen Fremden, diese hätten sich aber nicht in zwei unterschiedlichen Status manifestiert.516 Demnach seien Freigelassene und Freigeborene allenfalls ‚Subkategorien‘ der métoikoi.517 Die vorangegangenen Ausführungen haben gezeigt, dass beide Ansätze kritisch zu sehen sind. Betrachtet man nämlich die ansässigen Fremden in Athen unter dem Aspekt ihrer (aktuellen wie vergangenen) Freiheit, so zeigt sich, dass die Grenze nicht unbedingt nur zwischen Freigelassenen und Freigeborenen verlief. Vielmehr differenzierten die Athener nach dem Maß, in dem ein Individuum über sich selbst bestimmen konnte oder in dem seine Freiheit eingeschränkt war. In diesem Aspekt unterschieden sich freigelassene und freigeborene ansässige Fremde, denn während die Letztgenannten sich ihren prostátēs frei wählen konnten, war er für Freigelassene vorgegeben. Vielmehr noch unterscheidet der Grad der Selbstbestimmung aber die Freigelassenen untereinander, wie in diesem Kapitel immer wieder deutlich hervorgetreten ist. Obwohl exeleútheroi und apeleútheroi gleichermaßen geschäftsfähig und rechtsfähig gewesen zu sein scheinen,518 waren apeleútheroi ihrem Herrn weiterhin verpflichtet und erlitten damit deutliche Einschränkungen etwa im Hinblick auf ihre Freizügigkeit oder ihre Möglichkeiten, finanziellen Gewinn zu erwirtschaften. Dieser Unterscheidung trugen die Athener Rechnung, indem die apeleútheroi in manchen Kontexten sprachlich von den métoikoi abgegrenzt wurden. Ausschlaggebend ist also nicht der Unterschied zwischen Freigeborenen und Freigelassenen, sondern zwischen apeleútheroi auf der einen Seite sowie exeleútheroi und eleútheroi auf der anderen. II.4 Frauen und Männer als ansässige Fremde Eine ganze Zeit lang wurden ansässige Fremde in Athen vor allem mit Personen männlichen Geschlechts gleichgesetzt. Dabei zeigen Untersuchungen von Grabsteinen, dass der Anteil von Frauen unter den ansässigen Fremden in der Tat sogar höher war als unter den Bürgern.519 Dazu dürfte nicht zuletzt der Umstand beigetragen haben, dass weibliche Sklaven anscheinend öfter freigelassen wurden als ihre männlichen Pen-

515 Vgl. u. a. Dimopoulou-Piliouni 2008, S. 46; de Ste. Croix 1983, S. 178f; Zelnick-Abramovitz 2005a, S. 337f. 516 Vgl. Akrigg 2015, S. 173; Hansen 1991, S. 119; Klees 2000, S. 6; Sosin 2016, S. 7; Whitehead 1977, S. 115. 517 So etwa Whitehead 1977, S. 115 sowie Whitehead 1991, S. 139; Freigeborene und Freigelassene als Subkategorien von Metöken zieht auch Kamen 2013, S. 43 in Betracht. 518 Vgl. Klees 2000, S. 8. 519 Vgl. Hansen 1991, S. 93; Hansen 2004, S. 627; Kennedy 2014, S. 1.

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dants.520 Auch im Drama erscheinen Frauen als ansässige Fremde und das insgesamt sogar häufiger als Männer.521 Nicht zu Unrecht sind fremde Frauen in Athen daher in den letzten Jahren vermehrt in den Fokus der Forschung geraten. Diese Entwicklung bezeugt einerseits den Trend des wachsenden Interesses der althistorischen Forschung an Themenbereichen jenseits des männlichen athenischen Bürgers, in den sich auch eine Arbeit über die ansässigen Fremden in Athen einfügt. Andererseits zeigt sich darin auch ein Bewusstsein, dass ansässige fremde Frauen und ansässige fremde Männer in Athen unterschiedlich lebten.522 Das Geschlecht ist zweifelsohne ein Merkmal, das die ansässigen Fremden in Athen voneinander unterscheidet. Unter welchen Aspekten, mit welchen Auswirkungen und ob das Geschlecht auch den Status des jeweiligen Individuums in Athen mitbestimmt, wird im vorliegenden Kapitel zu prüfen sein. II.4.1 Das metoíkion Eine Differenzierung von weiblichen und männlichen ansässigen Fremden in Athen und ein Anhaltspunkt dafür, dass die Athener Unterschiede zwischen Frauen und Männern bei ‚ihren‘ Fremden gemacht haben, finden sich in der Besteuerung der beiden Geschlechter. Wie ihre männlichen Gegenparts waren auch ansässige fremde Frauen in Athen verpflichtet, das metoíkion zu bezahlen.523 Falls sie versuchen sollten, sich dem zu entziehen, drohte auch ihnen der Verkauf in die Sklaverei: Das ergibt sich eindeutig aus einem aufgrund dieses Vergehen eingeleiteten Verfahrens gegen eine gewisse Zobia, die als Fremde in Athen lebte.524 Allerdings galten für Frauen und Männer unterschiedliche Beträge. Harpokration zufolge zahlten ansässige fremde Frauen in Athen nur die Hälfte, nämlich 6 statt der für Männer vorgeschriebenen 12 Drachmen im Jahr.525 Das gilt aber nur, so berichtet Harpokration, wenn sie keinen zahlungs-

520 Vgl. Zelnick-Abramovitz 2005a, S. 153f. Es ist dabei zu bedenken, dass das Verhältnis von Frauen und Männern unter den Freigelassenen nicht in jeder Polis zu Gunsten der Frauen ausfällt und darüber hinaus auch nicht aus jeder Polis bekannt ist. Zelnick-Abramovitz, bezugnehmend auf die Arbeiten von Grainger 2000, S. 38f, vermutet allerdings, dass vor allem in wirtschaftlich fortschrittlichen Poleis, zu denen sicherlich auch Athen zählte, mehr Frauen als Männer freigelassen worden seien, vgl. Zelnick-Abramovitz 2005a, S. 154. 521 Vgl. Kennedy 2014, S. 27. 522 Dieser Vorstellung verschließt sich David Whitehead noch gänzlich, vgl. Whitehead 1977, S. 26 n 102. 523 Harp. s. v. μετοίκιον. 524 Demosth. 25, 56–58; dazu auch Todd 1997, S. 115. Der in Demosthenes 25 aufgegriffene Fall ist der einzige Beleg für die Klage gegen eine in Athen ansässige fremde Person wegen Nichtzahlens des metoíkion. 525 Harp. s. v. μετοίκιον. Harpokration ist zwar die einzige Quelle für eine unterschiedliche Besteuerung von Frauen und Männern in Athen, wird aber grundsätzlich als glaubwürdig eingestuft, vgl. Todd 1997, S. 114. Dass der Betrag von 12 bzw. 6 Drachmen der jährliche Beitrag war, ist nicht ab-

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pflichtigen Sohn hatten: Gab es einen Sohn, der das metoíkion zahlte, war die Mutter von der gesamten Zahlung befreit.526 Die Forschung hat allerdings die Zahlungspflicht bisweilen nicht auf die von Harpokration benannten Frauen begrenzt, die keinen Sohn hatten, sondern auf unabhängige, d. h. vor allem unverheiratete oder verwitwete,527 ansässige fremde Frauen im Allgemeinen bezogen.528 Aus dem Quellenbefund ist dieser Schluss zwar nicht zu ziehen, denn Harpokration nennt als vom metoíkion Befreite wirklich nur Mütter von zahlungspflichtigen Söhnen,529 aber es ist in Anbetracht des Gesamtkontextes plausibel: Wenn das metoíkion unter anderem erhoben wurde, um einen Überblick über die Gemeinschaft der ansässigen Fremden in Athen zu behalten,530 könnte die Bestimmung, dass eine Frau ohne männliche Verwandte ebenfalls eine Zahlung zu leisten hatte, ein administratives Instrument der Athener dargestellt haben, mit dem sie einen Überblick auch über diejenigen Frauen behielten, die nicht über die Zahlung ihres Ehemannes oder Sohnes erfasst werden konnten.531 Dem Umstand, dass Ehefrauen und Mütter zahlungspflichtiger Söhne von dieser Steuer befreit wurden, könnte der Versuch zugrunde gelegen haben, den Geldbeutel der ansässigen Fremden nicht über Gebühr zu belasten – schließlich sollte das Leben in Athen für ansässige Fremde attraktiv bleiben.532 Eingedenk dessen dürften übrigens auch nicht nur Ehefrauen und Mütter zahlungspflichtiger Söhne, sondern auch Töchter befreit gewesen sein, die im oíkos des zahlungspflichtigen Vaters lebten.

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schließend festzustellen, aber aufgrund guter Indizien zumindest sehr wahrscheinlich, vgl. hierzu Kap. III.2.1.1. Harp. s. v. μετοίκιον: […] καὶ ὅτι τοῦ υἱοῦ τελοῦντος ἡ μήτηρ οὐκ ἐτέλει; dazu auch Whitehead 1977, S. 75f sowie weiter unten. So sinngemäß Kennedy 2014, S. 2. Vgl. Whitehead 1977, S. 75; Kennedy 2014, S. 2. Letztere führt dazu aus, dass eine Frau dann unabhängig sei, wenn sie keinen Vormund vorweisen könne: „An independent woman was recognized in law as being her own master […] and she was assumed to have been unmarried or widowed and without a male relative to stand as her representative.“ (ebd.). Wäre Harpokration der Meinung gewesen, dass auch verheiratete Frauen ausgeschlossen gewesen wären, so ist nicht nachvollziehbar, warum er diese in seiner doch sehr detaillierten Besprechung des metoíkion unterschlagen hätte. Allein auf Basis der vorliegenden Quelle sind alle anderen Frauen (verheiratete, ledige, verwitwete, Mütter von Töchtern etc.) verpflichtet, das metoíkion in Höhe von 6 Drachmen zu zahlen. Es ist allerdings vorstellbar, dass sich die genauen Modalitäten der Zahlung, insbesondere was solche Detailfragen betrifft, Harpokrations Kenntnis entzogen haben. Grundsätzlich kann das infrage stehende Wort υἱός sowohl auf männliche wie auch auf weibliche Kinder referieren (vgl. LSJ s. v. υἱός, ὁ [3]), was dann alle Mütter einschließen würde; die häufigste Bedeutung ist aber tatsächlich die eines Sohnes, vgl. ebd. Vgl. S. 231. Vgl. Todd 1997, S. 115. Zur Höhe des metoíkion vgl. Kap. II.2.1.1.

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II.4.2 Erwerbstätigkeit fremder ansässiger Frauen Dass ansässige fremde Frauen in Athen ihre eigenen Steuern zahlten, war nicht zuletzt deshalb möglich, weil sie ihren eigenen Lebensunterhalt verdienen konnten und nicht zwangsläufig auf die Zuwendungen eines Mannes angewiesen waren. Insbesondere für ehemalige Sklavinnen, die in der Regel ohne ihren Partner freigelassen wurden, war dies überlebensnotwendig.533 Vor allem die Prostitution diente dabei vielen freigelassenen und auch einigen freigeborenen ansässigen fremden Frauen als Einkommensquelle.534 So betrieb die aus Milet535 stammende Aspasia, die Gefährtin des Perikles, ein anscheinend lukratives und bekanntes Bordell in Athen.536 Dabei ist zu bedenken, dass besonders die Beschäftigung im ‚ältesten Gewerbe der Welt‘ die Aussichten von Sklavinnen auf eine Freilassung begünstigte. Einerseits, weil es in höchstem Maße lukrativ war und sich durch eine intensive Nachfrage auszeichnete, wie die hohen Preise für Mätressen in Athen zeigen.537 Andererseits bedeutete der enge Kundenkontakt in diesem Gewerbe für eine Sklavin auch die Möglichkeit, viele Bekanntschaften zu knüpfen, unter denen auch der eine oder andere Gönner sein konnte, der ihr den Weg in die Freiheit ermöglichte. Dies war etwa bei Neaira der Fall, einer Korintherin, die als Sklavin zweier Athener beschäftigt war.538 Als die beiden Männer heirateten und ihre Gespielin loswerden wollten, boten sie Neaira an, sich freizukaufen. Dank ihrer lukrativen Beschäftigung und guten Kontakte hatte diese wohl bereits eine nicht unerhebliche Summe beiseitegelegt,539 die aber nicht ganz ausreichte, um die Forderungen ihrer Herrn zu begleichen.540 Aus diesem Grunde bat sie im Kreise ihrer Kunden um finanzielle Unterstützung, die sie schließlich bei Phrynion fand.541 Neben der Prostitution betätigten sich ansässige fremde Frauen in Athen auch in anderen Branchen, um ihren Lebensunterhalt zu verdienen. So gehörte die Beschäftigung als Amme zu den typischen Einsatzbereichen.542 Davon zeugen nicht nur Erwäh533 Vgl. Wrenhaven 2009, S. 370. 534 Das ergibt sich vor allem aus Inschriften, in denen auffällig viele freigelassene Frauen als freigelassene Wollarbeiterinnen gekennzeichnet wurden, z. B. in IG II2 1553, IG II2 1560 sowie IG II2 1570. Zur Identifikation der Wollarbeiterin als Prostituierte in Inschriften und bildlichen Darstellungen vgl. Wrenhaven 2009 passim. 535 Die Quellenangaben über Aspasias Herkunft sind nicht eindeutig: Athen. 12, 45 berichtet, sie stamme aus Megara, Plut. Per. 24, 2 ordnet ihr aber eine Herkunft aus Milet zu. In der Forschung wird sie i. d. R. als Milesierin angenommen, vgl. z. B. Kennedy 2014, S. 74. 536 Plut. Per. 24, 3 sowie Athen. 12,533d. 537 Vgl. Wrenhaven 2009, S. 384: Die in IG I3 422 als zweitteuerste Person verkaufte Frau aus Makedonien dürfte mit hoher Wahrscheinlichkeit eine Prostituierte gewesen sein. 538 Vgl. Demosth. 59, 30–32. 539 Demosth. 59, 31. 540 Zu Kamens Behauptung, dass Neaira von Rechts wegen nicht in der Lage gewesen sei, sich freizukaufen S. 128 n 346. 541 Demosth. 59, 32. Zur Geschichte, wie Neaira ihre Freiheit erlangte, vgl. auch Hamel 2013, S. 37–48. 542 Vgl. Kennedy 2014, S. 133; Kosmopoulou 2001, S. 291.

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nungen nichtathenischer Ammen in den literarischen Quellen,543 sondern auch einige Gräber, die fremde Frauen als Ammen ausweisen.544 Ähnlich wie die Prostitution war zudem die Kinderpflege eine Beschäftigung, die zu einem nicht unerheblichen Teil von Sklavinnen ausgeführt wurde. Daher darf zumindest vermutet werden, dass die freien ansässigen Fremden, die als Ammen tätig waren, als Sklavinnen angefangen und ihre Tätigkeit als Freigelassene weitergeführt haben. Insbesondere im Fall der Ammen dürfte es auch nicht selten gewesen sein, dass sie, wenn ihre Zöglinge ihrer Pflege nicht mehr bedurften und sie selbst auch schon ein gewisses Alter erreicht hatten, in die Freiheit entlassen wurden.545 Darüber hinaus sind ansässige fremde Frauen auch als Musikerinnen,546 Besitzerinnen von Tavernen547 und Marktfrauen548 bekannt549 – allesamt Berufe, die für Athenerinnen undenkbar gewesen wären.550 II.4.3 Selbstständigkeit und Selbstverantwortlichkeit Es verstärkt sich aus dem Vorgenannten der Eindruck, dass fremde ansässige Frauen in Athen ein hohes Maß an Selbstständigkeit besaßen. Der Umstand, dass ein feminines Pendant zum den ansässigen Fremden designierenden oikṓn en, nämlich oikúsa en, existierte und gebraucht wurde,551 verstärkt diesen Eindruck und ist stellenweise auch als Beleg für weibliche métoikoi angeführt worden.552 Darüber hinaus gibt es weitere Anhaltspunkte dafür, dass die Polis Athen ansässige fremde Frauen sehr wohl als eigenständige Personen im juristischen Sinne anerkannte: Allein schon die Tatsache, dass zumindest ein Teil der fremden ansässigen Frauen in Athen überhaupt verpflichtet war, eine Steuer zu entrichten und im Falle eines Verstoßes auch ihnen empfindliche Strafen drohten,553

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Z. B. Demosth. 47, 55. Z. B. IG II2 9112; IG II2 7873; vgl. dazu Kennedy 2014, S. 134. Dieser Fall dürfte in Demosth. 47, 55 beschrieben sein. Z. B. in IG II2 1557, Z. 63. IG II2 1553, Z. 14–16; IG II2 1557, Z. 51. IG II2 1554, Z. 40; IG II2 1570, Z. 73. In der Forschung hält sich die These hartnäckig, dass all diese vorgenannten Berufszweige tatsächlich nur einen ‚Code‘ darstellen und die Genannten eigentlich Prostituierte waren, dazu Kennedy 2014, S. 126–133. Vgl. Kennedy 2014, S. 125. So etwa in IG II2 1553, Z. 8, Z. 13, Z. 19 und Z. 21; IG II2 1556, Z. 28. Belege, in denen Frauen explizit als métoikoi adressiert werden, gibt es erst für die spätere Zeit, vgl. Fraser 1995, S. 70. Eine feminine Ableitung des Terminus métoikos ist im Übrigen nicht zu erwarten, denn als zusammengesetztes Adjektiv ist métoikos zweiendig, womit die maskuline und die feminine Form des Wortes gleich lauten. Zur Bezeichnung von Athenerinnen vgl. Blok 2004, S. 1–8 sowie Patterson 1987, S. 50–57. So etwa von Todd 1992, S. 118. Z. B. drohte Zobia der Verkauf in die Sklaverei, hätte sie das metoíkion nicht bezahlt: Demosth. 25, 57; vgl. auch Avilés 2011, S. 5, der aber – in Anbetracht dieser Stelle fälschlich – angibt, dass nur aus ­Gortyn Fälle bekannt wären, in denen Frauen mit einer Strafe gedroht worden sei.

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deutet darauf hin.554 Dass sich fremde ansässige Frauen bisweilen vor Gericht verantworten mussten, ist ein weiteres Indiz für ihre Anerkennung als eigenständige Personen: Nicht nur waren die drohenden Strafen von ihnen selbst zu tragen; besonders hervorzuheben ist, dass sie denen für männliche ansässige Fremde entsprachen, etwa für das Nichtzahlen des metoíkion.555 Interessant ist in diesem Zusammenhang auch das Gesetz über die Ehe zwischen athenischen Bürgern bzw. Bürgerinnen und nichtathenischen Fremden.556 Dieses besagt, dass dem fremden Partner einer Athenerin oder der fremden Partnerin eines Atheners der Verkauf in die Sklaverei (und seines bzw. ihres ganzen Besitzes) droht. Sowohl männliche als auch weibliche Fremde erwartete also die gleiche Strafe.557 Den jeweils anderen, d. h. bürgerlichen, Part solcherlei tragischer Romanzen trifft aber, wenn überhaupt, eine deutlich mildere Strafe: Während der Athener mit einer Buße von 1.000 Drachmen zu rechnen hat, erwähnt das Gesetz keinerlei Strafe für Athenerinnen. Hier herrschen also deutliche Unterschiede, zum einen in der Bestrafung von Bürger/innen und Nichtbürger/innen, zum anderen im Hinblick auf die Bestrafung der weiblichen und der männlichen Verurteilten innerhalb derselben Statusgruppe.558 Es ist zumindest eine Überlegung wert, ob der Umstand, dass Bürgerinnen und Bürger unterschiedlich, weibliche und männliche ansässige Fremde aber gleich bestraft wurden, nicht auch eine unterschiedliche Freiheit in Bezug auf die Partnerwahl reflektiert: Athenerinnen wählten ihre Ehepartner nicht selbst, sondern wurden von ihrem kýrios in die Ehe gegeben. Folgerichtig wären sie dann auch nicht zu bestrafen gewesen, wenn die für sie arrangierte Verbindung den Gesetzen widersprach. Anders mag es sich bei der Nichtathenerin verhalten haben, die vielleicht deshalb selbst zur Verantwortung gezogen wird, weil sie den Gesetzesbruch tatsächlich zu verantworten hatte, da sie ihren Partner selber wählte.559 Dass es überhaupt ein Gesetz gab, das fremde ansässige Frauen bestrafte, welche die Ehe mit bürgerlichen Partnern eingingen, könnte dann darüber hinaus zeigen, dass die Polis Athen sich der Unabhängigkeit fremder Frauen in dieser Sache und der Notwendigkeit, regulierend einzugreifen, durchaus bewusst war. Andererseits ist in der athenischen Rechtsprechung ein solch hohes Maß an Fairness nicht unbedingt selbstverständlich, und die drastischere Bestrafung der fremden 554 Ähnlich auch schon Todd 1997, S. 115. 555 So etwa der Verkauf in die Sklaverei bei Nichtzahlung des metoíkion, der sowohl männlichen als auch weiblichen ansässigen Fremden drohte, z. B. Demosth. 25, 57. Ähnlich Patterson 1994, S. 202f, die darauf hinweist, dass eine Klage gegen eine Frau tatsächlich ihr selbst galt und nicht nur eine Möglichkeit war, ihrem Mann zu schaden. 556 Demosth. 59, 16. 557 Darauf weist die Phrase κατὰ ταὐτὰ in Demosth. 59, 16 hin; vgl. Bakewell 2008, S. 102. 558 Zur unterschiedlichen Bestrafung von Athenerinnen und Athenern, die jeweils die Ehe mit einem bzw. einer Fremden eingegangen sind, vgl. Bakewell 2008, S. 102–104. 559 Auch Bakewell zieht in Betracht, dass die unterschiedliche Bestrafung von Athenern und Athenerinnen die unterschiedlichen Freiheiten in der Partnerwahl reflektieren, verwirft diese Möglichkeit aber, vgl. Bakewell 2008, S. 103.

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Frauen gegenüber den Athenerinnen könnte auch einfach die Tendenz widerspiegeln, Fremden härtere Strafen als den Bürgern aufzubürden, die sich schließlich auch in der Bestrafung der männlichen Ehepartner offenbart. Mindestens wird in diesem, explizit an fremde Frauen gerichteten,560 Gesetz aber deutlich, dass sie von der Polis durchaus als Personen im juristischen Sinne begriffen wurden, die zumindest im Bereich der Eheschließungen im Gegensatz zu Athenerinnen, genauso wie männliche Fremde auch, für Fehlverhalten bestraft wurden. Weibliche und männliche ansässige Fremde in Athen unterlagen also in einigen Bereichen den gleichen oder zumindest ähnlichen Reglementierungen, wie der Pflicht zur Zahlung des metoíkion oder der eben besprochenen Strafmündigkeit bei Heirat mit einem Athener bzw. einer Athenerin. In anderen Bereichen gab es wiederum eklatante Unterschiede zwischen den beiden Geschlechtern. Zu denken ist hier vor allem an die Vergabe von Privilegien und Ehrungen, die in der Regel keine Frauen als Empfängerinnen vorsah. Das dürfte auch damit zusammenhängen, dass ein großer Teil der Privilegien Bereiche betraf, in die ausschließlich oder fast ausschließlich Männer involviert waren. Zu denken ist hier etwa daran, einen Ehrenplatz bei Festen zu haben,561 oder an militärische Privilegien.562 Da Frauen grundsätzlich bei Festen keinen Sitzplatz einnahmen und an kriegerischen Kampfhandlungen ohnehin nicht beteiligt waren, wäre eine Privilegierung in diesen Bereichen gar nicht zu erwarten. Allerdings sieht es in Bereichen, an denen auch Frauen Anteil hatten (wie Steuern und Wirtschaft, wo sie durch die Verpflichtung das metoíkion zu zahlen und durch ihre Erwerbstätigkeit mitwirkten) nicht anders aus. So gibt es keine Belege, in denen Frauen Privilegien wie isotéleia, atéleia oder énktēsis verliehen werden.563 Auch für die Verleihung der Proxenie an Frauen gibt es – mit einer Ausnahme564 – keine Belege.565

560 So auch Bakewell 2008, S. 107, der darauf hinweist, dass das Ziel des Gesetzes nicht nur war, Kinder, die aus Ehen von Athenern und Nichtathenerinnen bzw. Athenerinnen und Nichtathenern hervorgegangen sind, vom Bürgerrecht auszuschließen. Das Gesetz sei vielmehr auch ein „bulwark against the allure and mores of un-Athenian women“ (ebd.) gewesen. 561 Durch das Privileg der prohedría vergeben, vgl. Mack 2015, S. 125. 562 So das tás strateías strateúesthai metá Athēnaíōn-Privileg, dessen Inhalt in der Forschung mehrfach diskutiert worden ist, vgl. Adak 2003, S. 232, dazu S. 216f. 563 Rubinstein führt IG II2 7873, das Grabmal für eine gewisse Melitta unbekannter Herkunft als Beispiel für eine Frau mit isotéleia an, vgl. Rubinstein 2018, S. 13. Dies ist aber ein Irrtum: Z. 1–3 designieren eindeutig den Vater der Verstorbenen, Apollodor, und nicht die Memorierte selbst als isotelḗs, vgl. dazu auch die Übersetzung von Kennedy 2014, S. 134–136. 564 In IG I2 159 wird die proxenía einem gewissen Dorkidos und seiner Frau verliehen, vgl. Walbank 1978, S. 358–361; Marek 1984, S. 130. 565 Ähnlich Cohen 1992, S. 103.

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II.4.4 Archippes Leben nach Pasions Tod: Der Status der Ehefrauen Eingebürgerter Es stellt sich die Frage, inwiefern nichtathenische Ehefrauen ansässiger Fremder von der Privilegierung ihres Partners profitierten. Dabei ist zunächst festzustellen, dass Ehrungen oder Privilegien in bestimmten Bereichen, an denen Frauen ohnehin nicht teilhatten, ohne Auswirkung blieben.566 Hinzu kommt, dass auch steuerliche Titel, wie isotéleia und atéleia wirkungslos wären, da Ehefrauen kein metoíkion zahlten.567 Es bleibt damit die Einbürgerung, das politeía-Privileg, das der Forschung in der Vergangenheit einiges Kopfzerbrechen bereitet hat. Dabei steht die Frage im Zentrum, ob die Ehefrau eines eingebürgerten ehemaligen ansässigen Fremden entweder ebenfalls den Status einer Athenerin erhält oder im Status einer Nichtbürgerin verbleibt, oder anders ausgedrückt, ob sie von einer xénē zu einer polítis wird.568 In den Dekreten, die das Bürgerrecht verleihen, sind die Ehefrauen nie genannt, und Frauen allein wird das Bürgerrecht nie verliehen.569 Der Fall der Archippe wird in der Forschung häufig als Beispiel für die Frage nach dem Bürgerrechtsstatus der Ehefrauen Eingebürgerter in Athen angeführt,570 da er der einzige umfassend belegte Fall einer solchen Konstellation ist. Archippe, eine Nichtathenerin571 unbekannter Herkunft,572 war die Ehefrau des wohlhabenden Bankiers und Freigelassenen Pasion. Die Ehe wurde wahrscheinlich vor 395 geschlossen.573 Dank großzügiger finanzieller Beiträge zur Staatskasse574 erhielt Pasion wohl in den frühen 380er Jahren das athenische Bürgerrecht.575 Von der Verleihung der politeía wurden anscheinend auch die beiden aus dieser Ehe hervorgegangenen Söhne Apollodor und Pasikles576 erfasst: Beide heirateten ihrerseits Athenerinnen, und Apollodor ver-

566 Zu denken ist hier etwa an militärische Privilegien, aber auch an bestimmte kultisch-religiöse Bevorzugungen, s. o. 567 Dazu S. 156. 568 Zur Bürgerbezeichnung von Frauen vgl. bspw. Blok 2004 passim. 569 Vgl. Cohen 1992, S. 103; Whitehead 1983, S. 112. 570 So u. a. von Carey 1991; Whitehead 1986a; Cohen 1992; Zelnick-Abramovitz 2005a, S. 327; de Ste. Croix 1970, S. 274. 571 Die nichtathenische Herkunft der Archippe ist in der Vergangenheit zwar angezweifelt worden, vgl. APF Nr. 11672 Πασίων II, ergibt sich aber recht eindeutig daraus, dass sie eine straflose und damit wohl rechtmäßige Ehe mit dem damaligen Nichtbürger Pasion eingehen konnte, vgl. Carey 1991, S. 84 sowie Zelnick-Abramovitz 2005a, S. 326f. 572 Vgl. Carey 1991, S. 84. 573 Vgl. ebd., S. 85. Carey leitet das Datum der Eheschließung vor allem aus dem Geburtsjahr des gemeinsamen Sohnes Apollodor her: Dieser sei 395 geboren worden, und die Ehe muss folglich früher geschlossen worden sein. 574 Demosth. 59, 2; vgl. Deene 2012, S. 164f; Osborne 1986, S. 48. 575 Vgl. Osborne 1983, S. 48 (= Osborne Nat. T30) sowie Davies 1971, S. 428f. 576 Vgl. Osborne 1983, S. 48

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folgte sogar eine ambitionierte politische Karriere in Athen.577 Nach Pasions Tod im Jahr 370/69578 heiratete Archippe, entsprechend der testamentarischen Festlegung des Verstorbenen,579 Phormion, einen Freigelassenen und ehemaligen Banksklaven Pasions. Archippe brachte zudem eine beträchtliche Mitgift in die Ehe, die Pasion ebenfalls in seinem Testament festgelegt hatte.580 Sie starb im Jahre 360.581 In den Quellen selbst ist Archippes Status nach der Einbürgerung Pasions und nach dessen Tod nicht bestimmt, und ein Vergleichsfall ist nicht belegt.582 Aussagen über Auswirkungen, welche die Verleihung der politeía an Pasion auf sie hatte, müssen sich daher auf ihre in den Quellen beschriebenen Handlungsmöglichkeiten stützen. Problematisch ist dabei, dass eben diese in den Quellen beschriebenen Handlungen der Archippe in vielen Fällen widersprüchlich sind und sich teils im Hinblick auf die Frage, ob sie xénē oder polítis ist, sogar gegenseitig ausschließen: Einige markieren A ­ rchippe unweigerlich als ansässige Fremde, andere wiederum weisen sie deutlich als Athenerin aus. Um den Status der Archippe festzustellen, ist zunächst die Eheschließung zwischen ihr und Phormion zu betrachten. Sicher ist, dass Phormion ein ehemaliger Banksklave war, der von Pasion selbst freigelassen583 und damit ein ansässiger Fremder in Athen wurde. Das Bürgerrecht wurde ihm erst 361/60 verliehen,584 sodass er zum Zeitpunkt der Hochzeit mit Archippe, die unmittelbar nach Pasions Tod im Jahr 368,585 also sieben Jahre zuvor, stattfand, kein athenischer Bürger war. Eingedenk des Verbots von Verbindungen zwischen Athenern und Nichtathenerinnen, bzw. Athenerinnen und Nichtathenern,586 ergibt sich, dass Archippe und Phormion denselben Status im Hinblick auf das Bürgerrecht haben mussten. Da Phormion ein Nichtbürger war, musste Archippe also auch eine Nichtbürgerin gewesen sein.587 Wäre Archippe von der Verleihung der politeía an Pasion betroffen gewesen, hätte die Eheschließung gegen das Gesetz verstoßen. In diesem Fall wäre Phormion in die Sklaverei verkauft und sein Hab und Gut konfisziert worden.588 Davon, dass dies aber nicht passiert ist, zeugt sein putzmunterer Auftritt in der 34. und 36. Rede des Demosthenes.589 Es könnte an die-

577 578 579 580 581 582 583 584 585 586 587 588

Vgl. ebd. Vgl. Deene 2011, S. 164; Carey 1991, S. 85. Demosth. 45, 28 sowie Demosth. 59, 8. Demosth. 45, 28. Demosth. 36, 32 und Demosth. 45, 4; vgl. Carey 1991, S. 85f. Vgl. Carey 1991, S. 84; Osborne 1983, S. 150. Demosth. 46, 13. Vgl. Osborne 1983, S. 55 (= Osborne Nat. T48). Vgl. Whitehead 1986a, S. 111. Vgl. auch Kap. III.3.1.2. Vgl. Carey 1991, S. 84f. So lautete die Strafe für einen Nichtathener, der eine Verbindung mit einer Athenerin einging: Demosth. 59, 16. 589 Vgl. Cohen 1992, S. 103 sowie 108f.

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ser Stelle vermutet werden, dass das Gesetz, das die Ehe zwischen Athenerinnen und Nichtathenern und umgekehrt verbietet, zum Zeitpunkt der Eheschließung zwischen Archippe und Phormion (noch) nicht aktiv war.590 Immerhin stammt der Beleg für dieses Gesetz aus der 59. Rede des Demosthenes, die erst einige Jahre später gehalten wurde.591 Dagegen hält Christopher Carey, dass selbst im Falle einer Gesetzeskonformität Archippe Phormion aus rein gesellschaftlichen Gründen nicht geheiratet hätte, wäre sie selbst Bürgerin gewesen und er Nichtbürger.592 Zumal ihre großzügige Mitgift es sicherlich einfach gemacht hätte, auch unter den Bürgern einen willigen Bräutigam zu finden.593 Dieser Einspruch birgt jedoch die Schwierigkeit, dass Archippes Partnerwahl nicht ihre eigene war, sondern allein Pasions Letztem Willen entsprach.594 Weil Pasion damit nicht nur seinen Nachfolger in der Ehe, sondern auch in der Leitung seines Bankgeschäfts bestimmte, dürfte diese Entscheidung auch das Ergebnis betrieblicher Überlegungen gewesen sein. Das Geschäft an einen der eigenen (ehemaligen) Banksklaven zu vererben, indem man ihm die eigene Witwe zur Frau gibt, war in Athen überhaupt nicht unüblich.595 So ist es zumindest nicht ganz auszuschließen, dass auch im Falle einer Statusdisparität die Ehe zwischen Archippe und Phormion zustande gekommen wäre, wenn nicht ein Gesetz sie verboten hätte. Dennoch deutet die Eheschließung mit Phormion, einem Nichtbürger, darauf hin, dass Archippe nicht von der Verleihung des Bürgerrechts an ihren Mann betroffen war und selbst eine ansässige Fremde blieb.596 Neben ihrer Partnerwahl kann aber auch die Situation Archippes als Pasions Erbin Aufschlüsse über ihren Status geben. Nach seinem Tod hinterlässt ihr Pasion eine beträchtliche Mitgift: Neben Sklavinnen, Goldschmuck und Geld umfasste diese auch immobiles Eigentum, nämlich ein Haus im Wert von 100 mnaí.597 Damit ist entweder Archippe als Empfängerin des Erbes zur Besitzerin oder Phormion als Empfänger der Mitgift zum Besitzer immobilen Eigentums geworden,598 was für Nichtbürgerinnen und Nichtbürger in Athen unmöglich war.599 Dass Phormion später das Bürgerrecht

590 Vgl. Carey 1991, S. 85; dagegen aber Whitehead 1986a, S. 111f. 591 Die Rede gegen Neaira wurde wohl im Jahr 340 vor einem athenischen Gericht gehalten, vgl. Kapparis 1999, S. 1 sowie S. 28f. 592 Vgl. Carey 1991, S. 85. 593 Vgl. ebd. 594 Pasion hat in seinem Testament die Heirat zwischen Phormion und Archippe verfügt: Demosth. 45, 28 sowie Demosth. 59, 8. 595 Vgl. Cohen 1992, S. 71. 596 So schlussfolgern auch Carey 1991, S. 84 und Zelnick-Abramovitz 2005a, S. 326; dazu auch Osborne 1983, S. 150f. 597 Demosth. 45, 28. Aller Wahrscheinlichkeit nach handelte es sich dabei um ein vermietetes Haus, vgl. Whitehead 1986a, S. 112. 598 Vgl. Whitehead 1986a, S. 112. 599 Vgl. ebd., S. 112f; de Ste. Croix 1970, S. 274; Cohen 1992, S. 104. Ausgenommen sind selbstverständlich diejenigen ansässigen Fremden, die énktēsis besaßen, dazu Kap. III.7.4.

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bekommen sollte und damit auch Immobilien besitzen konnte, hätte Pasion kaum antizipieren können:600 Er stirbt sieben Jahre vor Phormions Einbürgerung.601 Es kann auch ausgeschlossen werden, dass Phormion oder Archippe das Privileg der énktēsis, das Recht auf Grundbesitz, besaßen.602 Denkbar wäre noch, dass das Haus nie tatsächlich in den Besitz Archippes oder Phormions gelangen, sondern sofort verkauft werden sollte. Während David Whitehead dies als unwahrscheinlich einstuft,603 weist Carey darauf hin, dass der Verkauf der Immobilie sowieso unausweichlich gewesen sei: Da die Kinder von Archippe und Phormion selbst nie Bürger und damit nie Besitzer immobilen Eigentums hätten werden können, hätte es keine Erben gegeben.604 Für den Verkauf, so Carey, wäre jeder Zeitpunkt, insbesondere unmittelbar nach dem Tode Pasions, denkbar.605 Zwei Aspekte entkräften aber Careys Einsprüche. Erstens, selbst wenn der unmittelbare Verkauf beabsichtigt gewesen wäre, hätte einer der beiden – Phormion oder Archippe – wenigstens ganz kurzfristig und nur formal Eigentümer sein müssen, um den Verkauf zu vollziehen. Die einzige Möglichkeit, die Eigentümerschaft gänzlich zu verhindern, bestünde darin, dass Pasion den Erlös des Verkaufs vererbt, aber darauf gibt die Quelle keinen Hinweis. Zweitens, hätte Pasion tatsächlich vorhergesehen, dass es besitzrechtliche Schwierigkeiten geben könnte, wie Carey andeutet,606 hätte er den Verkauf der Immobilie entweder bereits zu Lebzeiten veranlassen, in seinem Testament selbst bestimmen oder, um die Mieten weiterhin einzunehmen, seinem Sohn Apollodor vererben607 und ihn mit dem Verkauf betrauen können. Da auch dies wohl nicht der Fall gewesen ist, scheint ein sofortiger Verkauf, wie ihn Carey vermutet, nicht von Pasion vorgesehen worden zu sein. Wenn Phormion (aufgrund des fehlenden Bürgerrechts und der fehlenden énktēsis) also sicher nicht der Besitzer der Immobilie sein konnte und der unmittelbare Verkauf dersel-

600 Vgl. Carey 1991, S. 86. 601 Pasions Tod wird auf das Jahr 370/69 datiert, die Verleihung des Bürgerrechts an Phormion auf das Jahr 361/60, vgl. Osborne 1983, S. 55 (=Osborne Nat. T48). 602 Vgl. Carey 1991, S. 86; Whitehead 1983, S. 113. Die Verleihung von énktēsis an Frauen ist nicht belegt. Dass Phormion keine énktēsis besaß, ergibt sich aus Demosth. 36, 6: Dort geht es um die prekäre Situation, in der sich Phormion befindet, da er die im Rahmen des Bankgeschäfts auf Grundstücke gegebenen Hypotheken wegen seines fehlenden Rechts auf Grundbesitz nicht einfordern kann. Zur énktēsis vgl. Kap III.7.4. 603 Vgl. Whitehead 1986a, S. 112. 604 Vgl. Carey 1991, S. 86. Die Bürgerrechtsverleihung an Phormion und seinen Sohn (vgl. Osborne 1983, S. 55f) war für Pasion nicht absehbar: Pasion starb im Jahr 368, Phormion erhielt das Bürgerrecht erst 361/60, vgl. S. 360. 605 Vgl. Carey 1991, S. 86. Carey hält einen unmittelbaren Verkauf sogar für noch wahrscheinlicher, da Pasion die Eigentumsprobleme hätte kommen sehen müssen, vgl. Carey 1991, S. 86. 606 Vgl. ebd. 607 Mit der Bürgerrechtsverleihung an Pasion wurde auch Apollodor zum Athener (dazu S. 361f) und war damit berechtigt, Land zu besitzen.

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ben auch nicht vorgesehen war, musste Archippe die Besitzerin gewesen sein.608 Dieser Umstand würde sie als Bürgerin markieren. Es gibt schließlich einen dritten Lebensbereich, dessen Betrachtung Aufschluss über Archippes Stand nach Pasions Tod geben könnte, nämlich der Bürgerstatus ihrer Nachkommen. Mit dem Bürgerrechtsgesetz des Perikles 451/50 wurde es ein ‚Exklusivrecht‘ athenischer Frauen, athenische Bürger mit vollen Rechten zu gebären. Sowohl Apollodor als auch Pasikles, Archippes Söhne mit Pasion, waren athenische Bürger kraft Pasions Einbürgerung.609 Mit Phormion hatte Archippe zwei weitere Söhne,610 die mit der Einbürgerung Phormions611 ebenfalls das Bürgerrecht erhielten.612 Zwar ergibt sich, dass alle Söhne Archippes Athener waren, aber nur einer hatte das Bürgerrecht von Geburt an.613 Damit waren mindestens drei von ihnen Eingebürgerte, und als solche traf sie die Einschränkung, dass sie weder das Archontat noch irgendein Priesteramt bekleiden durften.614 Streng genommen entscheidet sich Archippes Status an Pasikles, dem zweiten Sohn mit Pasion: Er wurde nach der Einbürgerung seines Vaters und damit formal (als Sohn eines Atheners) als Athener geboren, und die Frage ist, ob auch er von den genannten Einschränkungen betroffen war. Wenn dem nicht so war, würde das im Umkehrschluss für Archippes Status als Athenerin sprechen.615 Spätestens an dieser Stelle ist das erlaubte Maß an Spekulation erschöpft: Die Quellen erwähnen nicht, dass Pasikles Archon oder Priester gewesen sei, noch dass er ein solches Amt angestrebt hätte. Ob das aber im Nichtdürfen oder im Nichtwollen begründet war, ist nicht zu rekonstruieren, insbesondere da Pasikles wohl nicht die politischen Ambitionen seines älteren Bruders Apollodor teilte. Der Weg, Archippes Status über den Bürgerstatus ihrer Nachkommen zu erschließen, führt zwar in eine Sackgasse, aber das entsprechende Gesetz selbst könnte einen Hinweis auf die Frage nach dem Status der Frauen von Eingebürgerten – und damit auch auf Archippes Status – geben. Whitehead stellt nämlich nicht unberechtigt die Überlegung an, dass allein der Umstand, dass es ein solches Gesetz gibt, zeigte, dass die Einbürgerung des Mannes nicht die seiner Ehefrau einschließt.616 Wäre dem so gewesen, so Whitehead, wäre der Zusatz ‚wenn sie von einer Athenerin abstammen‘617 überflüssig – schließlich wäre jeder eheliche Sohn eines Eingebürgerten dann auch 608 609 610 611 612 613 614 615 616 617

Vgl. Whitehead 1983, S. 113. Vgl. S. 361f. Nur der Name des älteren Sohnes, Archippos, ist überliefert. Demosth. 46, 13 und Demosth. 45, 71–72, Osborne Nat. T48. Vgl. Osborne 1983, S. 55f (=Osborne Nat. T49 und T50) sowie Whitehead 1986a, S. 110. Pasikles wurde nach der Einbürgerung Pasions (Osborne Nat. T30) und damit formal als Athener geboren, vgl. Osborne 1983, S. 48. Demosth. 59, 92; zu dieser Einschränkung s. auch Kap. III.7.6. Das Gesetz sieht schließlich vor, dass die Söhne von Eingebürgerten nur dann zum Archontat und zur Priesterschaft zugelassen waren, wenn sie von einer Athenerin geboren wurden: Demosth. 59, 92. Vgl. Whitehead 1986a, S. 112. Demosth. 59, 92: ἐὰν ὦσιν ἐκ γυναικὸς ἀστῆς.

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von einer Athenerin geboren. Dieser Einwand ist nicht von der Hand zu weisen und spricht dafür, dass der Status einer fremden Frau eben nicht einfach dem ihres Mannes entsprach, wie Whitehead selbst in Erwägung gezogen hat.618 Die vorangegangenen Ausführungen lassen erkennen, wie vertrackt die Problematik ist. Der Fall Archippe zeigt dabei, dass ihr Status weder dem einer Bürgerin noch dem einer Nichtbürgerin ohne erhebliche Einschränkungen zuzuordnen ist: Einerseits kann sie anscheinend straffrei eine Ehe mit einem Nichtbürger eingehen, was nur möglich wäre, wenn sie selbst Nichtbürgerin war, andererseits kann sie wohl Immobilien besitzen, was ihr wiederum nur als Bürgerin gestattet wäre. Die Unmöglichkeit, Archippe eindeutig den Bürgern oder den Nichtbürgern zuzuordnen, hat die Forschung dazu gebracht, einen Mischstatus zu vermuten, in dem sich Pasions Witwe befunden haben könnte.619 Dazu hat Whitehead auf eine Stelle in der 46. Rede des Demosthenes verwiesen, in der Archippes Status sowohl als astḗ als auch als xénē angesprochen wird.620 Dagegen hält Carey, dass die entsprechende Rede des Demosthenes ein nur oberflächliches juristisches Verständnis des Autors demonstriere621 und der Sprecher allenfalls die Vielzahl an Möglichkeiten verdeutlichen will, die dem Gegner offen gestanden hätten, um die Erbschaft zu verhindern.622 Ein Status sowohl einer Bürgerin als auch einer Fremden sei daraus, so Carey, aber nicht ableitbar.623 Auf den Punkt gebracht, besteht Konsens darüber, dass Archippe weder ausschließlich Bürgerin noch ausschließlich Nichtbürgerin war, und Dissens in der Frage, ob sie entweder ‚sowohl als auch‘ (Whitehead) oder ‚weder noch‘ (Carey) war.624 Noch mehr aber drängt sich die Frage auf, ob die Athener selbst eine solche Zuordnung hätten vornehmen können. Dazu muss bedacht werden, wie klein die Gruppe derjenigen Frauen gewesen sein musste, die sich in derselben Situation wie Archippe befanden: Die Verleihung des Bürgerrechts war in Athen ein sehr seltenes Privileg und der Kreis der Honoranten entsprechend klein.625 Damit wird fraglich, ob es überhaupt vergleichbare Fälle vor Archippe gegeben hat, die zu einer gesetzlichen Regulierung eines solchen Spezialfalls geführt oder die Notwendigkeit einer solchen aufgezeigt hätten. So muss zumindest in Betracht gezogen werden, dass der Fall Archippe ein Präzedenzfall war, für den die Athener selbst keine Lösung parat hatten. Der Grauzonenstatus der

618 619 620 621 622

Vgl. Whitehead 1986a, S. 114. So etwa ebd., S. 113; Zelnick-Abramovitz 2005a, S. 328; Cohen 1992, S. 105. Demosth. 46, 23. Vgl. Carey 1991, S. 86. Dagegen John K. Davies, der Apollodor als „quite neurotically status conscious both in speech and elsewhere“ bezeichnet, vgl. Davies 1977, S. 113. In der Rede versucht Apollodor die Frau seines inzwischen verstorbenen Vaters zu diffamieren, indem er ihr vorwirft, in eheähnlicher und damit illegaler Gemeinschaft mit dem Athener Stephanos zu leben. 623 Vgl. Carey 1991, S. 86. 624 Dazu auch Cohen 1992, S. 105. 625 Dazu Kap. III.7.6.

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Archippe wäre damit mehr ein Versehen denn ein kalkulierter Geniestreich gewesen, wie ihn Whitehead und Carey zu vermuten scheinen.626 Vieles deutet darauf hin, dass der Status der Witwen der eingebürgerten (ehemaligen) ansässigen Fremden in Athen nicht formalisiert war. Ausgehend vom Fall der Archippe, könnte zumindest vermutet werden, dass eine Frau nach dem Tod ihres Mannes diese Situation zu ihrem Vorteil nutzen konnte, indem sie sich (eventuell sogar nach Belieben) bald die Freiheiten einer Nichtbürgerin, bald die einer Bürgerin nahm. Dass der Status der Ehefrauen von Eingebürgerten so unbestimmt blieb, schien die Athener selbst nicht zu stören – oder zumindest nicht genug, um Gegenmaßnahmen zu ergreifen. Das könnte einerseits durch den sehr kleinen Kreis Betroffener begründet sein, andererseits durch den wahrscheinlich vergleichsweise geringen Schaden, welcher der Polis dadurch entstanden ist. Anders verhielt es sich derweil mit den Söhnen der Eingebürgerten: Diese blieben von den höchsten Ämtern der Polis ausgeschlossen.627 Die Bereitschaft der Athener, die Neuankömmlinge an der Polis teilhaben zu lassen, hörte offenbar auf hoher politischer Ebene auf. Da Frauen dort ohnehin keine Rolle spielten, bestand noch weniger Anlass, den Status der Ehefrauen Eingebürgerter oder ihrer Töchter628 zu regulieren. II.4.5 Die Gleichstellung von ansässigen fremden Männern und Frauen Des Vorgenannten eingedenk zeigt sich, dass die Athener zwischen ansässigen fremden Frauen und Männern unter verschiedenen Aspekten in unterschiedlichem Maße differenzierten: Deutliche Unterschiede gab es bei der Verleihung von Privilegien, da Frauen davon grundsätzlich ausgeschlossen waren. Weniger deutlich wurde in Bezug auf das metoíkion unterschieden, denn obwohl der Betrag für Frauen ein anderer als für Männer war und bei den Frauen auch pauschale Ausnahmen gemacht wurden, waren beide Geschlechter grundsätzlich zahlungspflichtig. Vor Gericht wiederum waren die

626 An einer Stelle bezeichnet Whitehead Archippes Status als „indetermined enough“, was zumindest schon in die Richtung deutet, dass ihr Status nicht von den Athenern bestimmbar wäre, vgl. Whitehead 1986a, S. 113. 627 Demosth. 59, 92. 628 Die Forschung geht im Allgemeinen davon aus, dass die Bürgerrechtsverleihung nicht nur auf die Söhne, sondern auch auf die Töchter der Honoranten ausgedehnt wurde, vgl. Cohen 1992, S. 105; Zelnick-Abramovitz 2005a, S. 326. Das könnte aus Demosth. 59, 92 geschlossen werden; jedoch fährt genau diese Passage fort mit der Beschränkung für die Besetzung der Priesterschaften und des Archontats, die nur die männlichen Nachkommen betrifft. Auch die Fallstudie Archippe hilft hier nicht weiter, denn von gemeinsamen Töchtern mit Pasion oder Phormion ist nichts überliefert. Somit ist es zwar sehr wahrscheinlich, dass auch die Töchter von Eingebürgerten von der politeía betroffen waren; dies jedoch kann nicht abschließend belegt werden. Klar ist aber in jedem Fall, dass der Status der Töchter nicht expliziert ist.

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ansässigen Fremden nicht nach Geschlecht differenziert. Wenn man bedenkt, wie absolut die Grenze zwischen Frauen und Männern bei den athenischen Bürgern gezogen war, ist allein dies schon eine bemerkenswerte Feststellung. Es lohnt sich jedoch, noch einen Schritt weiter zu gehen und die Bedeutung der einzelnen Bereiche genauer unter die Lupe zu nehmen. So ist es zwar richtig, dass Frauen keine Chance hatten, ihre eigene Situation durch besondere Privilegien zu verbessern; allerdings spielten sie in den vielen Bereichen, in denen eine Besserstellung durch Honorierung erzielt werden konnte, ohnehin keine Rolle. Hinzu tritt, dass die Verleihung von Privilegien eher zu den außergewöhnlichen und seltenen Erlebnissen im Leben eines ansässigen Fremden in Athen gezählt haben dürfte. Dass sie selbst davon ausgeschlossen waren, dürften Frauen zumindest im Alltag nicht sehr deutlich wahrgenommen haben. Einschränkend ist sicherlich zu bedenken, dass Ehrungen und Privilegien in den seltenen Fällen, in denen sie verliehen wurden, massive Auswirkungen auf das Leben und den Stand des Honoranten hatten.629 Dennoch wiegt diese Differenzierung zwischen weiblichen und männlichen ansässigen Fremden, so könnte zumindest vorsichtig behauptet werden, weniger schwer. Alltäglich war allerdings die Zahlung des metoíkion. Auch hier gibt es eine Ungleichbehandlung, und zwar im Hinblick auf die Höhe der Steuer. Zwölf Drachmen jährlich waren aber ohnehin nur eine vergleichsweise kleine Summe,630 sodass der Betrag, um den die Steuer für Frauen erleichtert wurde, wohl kaum die Welt bedeutete. Auch hier muss bemerkt werden, dass die Ungleichbehandlung im Alltag der ansässigen Fremden wohl kaum ins Gewicht fiel. Das gilt umso mehr, da die Verpflichtung zur Zahlung des metoíkion als solche für beide Geschlechter bestand. Gleichgestellt waren Frauen und Männer derweil vor Gericht: Nicht nur scheinen ihre Fälle in der Zuständigkeit derselben Beamten und Gerichte gelegen zu haben; auch das Strafmaß für bestimmte Vergehen war wohl dasselbe. Inwiefern das Erscheinen vor Gericht als alltägliches oder als außergewöhnliches Erlebnis im Leben eines ansässigen Fremden in Athen zu werten ist, hängt sicherlich vom jeweiligen Individuum ab. Klar ist aber, dass ein ganzes Leben vom Ausgang einer Verhandlung bestimmt werden konnte – insbesondere dann, wenn als Strafe der Verkauf in die Sklaverei drohte. Hinzu kommt der Umstand, dass Frauen für ihre Taten selbst zur Rechenschaft gezogen wurden und nicht ihr Vormund. Dass hier kein Unterschied zwischen Frauen und Männern gemacht wurde, konnte unter Umständen also von großer Bedeutung im Leben der ansässigen Fremden sein. Angesichts der vorangegangenen Überlegungen ist also die Feststellung, dass unter den ansässigen Fremden in Athen die Frauen den Männern in manchen Bereichen

629 Dazu Kap. III.7. 630 Dazu Kap. III.2.1.1.2; zu den Einkommensmöglichkeiten von fremden Frauen in Athen s. weiter oben in diesem Kapitel.

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gleichgestellt waren, nur die halbe Wahrheit. Zusätzlich ist nämlich auch zu bedenken, dass diejenigen Bereiche, in denen deutliche Unterschiede zwischen Frauen und Männern gemacht wurden, keine allzu große Bedeutung im Alltag der Betroffenen gehabt haben dürften. Unter womöglich viel bedeutungsträchtigeren Aspekten wurden ansässige Fremde hingegen entweder gar nicht nach Geschlecht differenziert oder nur geringfügig. Deshalb aber eine vollständige Gleichstellung von männlichen und weiblichen ansässigen Fremden in Athen zu konstatieren, entspräche nicht der Realität. Selbstverständlich unterschieden die Athener auch bei den ansässigen Fremden zwischen den Geschlechtern; zu denken ist hier etwa an militärische Verpflichtungen oder kultisch-religiöse Belange. Wenn auch die Gleichstellung von männlichen und weiblichen ansässigen Fremden nicht umfassend gewesen sein mag, war sie dennoch umfangreich. Angesichts dessen hat bereits Steven Todd die Vermutung angestellt, dass die sehr deutliche Kluft zwischen Frauen und Männern charakteristisch für die Bürger ist, diese Grenze in der Gruppe der ansässigen Fremden jedoch bereits stark verschwommen und unter den Sklaven gänzlich beseitigt ist.631 Diese Beobachtung geht zweifelsohne konform mit dem Vorstehenden. Die unvollständige oder zumindest lückenhafte Formalisierung des Standes ansässiger weiblicher Fremder in einigen Bereichen, die sich etwa im Falle der Witwen von Eingebürgerten zeigt, dürfte hier eine wichtige Rolle gespielt haben. Das Beispiel der Archippe illustriert diesen Zusammenhang deutlich: Eben weil die Athener für einen Fall wie den ihren keine Lösung parat hatten, konnte sie sich offenbar das Beste aus beiden Welten aussuchen. Freilich ist zu bedenken, dass die Kluft zwischen weiblichen und männlichen ansässigen Fremden im Vergleich zu der zwischen Bürgerinnen und Bürgern schon deshalb geringer sein dürfte, weil die Rechte der männlichen ansässigen Fremden eingeschränkt sind. Manche Freiheiten und Beschränkungen, die Athener von Athenerinnen unterscheiden, vor allem auf der Ebene des Politischen, treffen die männlichen Fremden von vornherein. Die von Todd zu Recht betonte geringere Kluft zwischen den Geschlechtern in der Gruppe der ansässigen Fremden entsteht also nicht nur durch eine Höherstellung der ansässigen fremden Frauen, z. B. indem auch sie verpflichtet waren, die Fremdensteuer zu zahlen,632 sondern auch durch eine niedrigere Stellung der ansässigen fremden Männer.

631 Vgl. Todd 1997, S. 114; ähnlich auch Kamen 2013, S. 87. 632 Vgl. Todd 1997, S. 115.

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II.4.6 Fazit: Ein kleiner Unterschied? Nach der griechischen oder nichtgriechischen Abstammung und der Frage nach dem ‚Erwerb‘ der persönlichen Freiheit durch Geburt oder Freilassung wurde im vorangegangenen Kapitel die Bedeutung des Geschlechts für die Differenzierung der ansässigen Fremden im Athen der klassischen Zeit betrachtet. Dabei konnte festgestellt werden, dass Männer und Frauen als ansässige Fremde einander in einigen wichtigen Bereichen ganz oder zumindest maßgeblich gleichgestellt waren. Diese wohl umfangreiche, wenn auch nicht vollumfängliche Gleichstellung deutet darauf hin, dass das Geschlecht eines oder einer ansässigen Fremden in Athen nicht zu einer deutlichen Unterscheidung innerhalb der Gruppe führte. II.5 Längerfristiger oder dauerhafter Aufenthalt in Athen Ein Merkmal, das die Fremden in Athen im Allgemeinen voneinander unterschied, war die Dauer ihres Aufenthaltes in der Polis. Hierbei sind zunächst die Fremden auf Durchreise, die sich nur kurz in Athen aufhielten, von denjenigen zu trennen, deren Aufenthalt länger andauerte. Die Unterscheidung dieser beiden Gruppen von Fremden war für die Athener eine grundlegende.633 Dies schlug sich in (fast) allen Bereichen des Polislebens nieder, wie z. B. in Steuern oder Rechtsprechung und auch in der Ausübung der Kulte. Das Merkmal der Aufenthaltsdauer unterschied aber auch die Gruppe der ansässigen Fremden im Speziellen, nämlich in Personen, die längerfristig in Athen lebten, und diejenigen, die dauerhaft blieben. Das folgende Kapitel beschäftigt sich daher mit der Frage, inwiefern die Absicht, dauerhaft oder nur längerfristig in Athen zu bleiben, Einfluss auf das Leben als Fremder in Athen gehabt hat und inwiefern dies ein weiteres Differenzierungsmerkmal der ansässigen Fremden in Athen darstellte.634 Die Absicht eines zumindest längerfristigen Aufenthaltes gehörte definitionsgemäß zur Gruppe der ansässigen Fremden in Athen. Es gibt gute Gründe anzunehmen, dass die Athener diese Grenze zwischen Besuch und Ansässigkeit bei einer Aufenthaltsdauer von 30 Tagen verorteten: So lange konnte ein Nichtbürger in Athen leben, ohne das metoíkion zahlen zu müssen635 und einen prostátēs benennen zu müssen.636 Ungeachtet

633 Vgl. Brandt 1992, S. 194f; Funke 2006, S. 3; Whitehead 1984a, S. 56. 634 So etwa vermutet von McKechnie 1989, S. 142, der in seinen Untersuchungen unterscheidet zwischen ansässigen Fremden, die ihr ganzes Leben in Athen bleiben, und denjenigen, die nur vorübergehend ansässig sind. 635 Vgl. dazu Kap. III.2.1.1.1. 636 Vgl. dazu Kap. III.8.

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dessen, inwieweit diese beiden Pflichten einen Status begründen, ist dies der früheste Zeitpunkt, an dem ein ansässiger Fremder wegen seines Aufenthaltes als Nichtbürger in Athen in die Pflicht genommen wird.637 Es war also die Dauer des Aufenthaltes, die in Athen die Ansässigkeit markierte, und nicht ein bestimmter Akt wie z. B. die tatsächliche Wohnsitznahme in Athen.638 Dass die zeitliche Dimension ein zentraler Aspekt der Definition eines ansässigen Fremden ist, geht teilweise auch aus den antiken Quellen selbst hervor.639 Allerdings beabsichtigte nicht jeder ansässige Fremde in der klassischen Zeit, bis zum Ende seines Lebens in Athen zu bleiben. Das gilt umso mehr, weil 30 Tage keine sonderlich lange Zeit sind und das eine oder andere Vorhaben eventuell einen längeren, aber nicht dauerhaften Aufenthalt notwendig gemacht haben könnte.640 Relevant dürfte dies besonders für Personen gewesen sein, deren Profession regelmäßige Ortswechsel verlangte und deren Aufenthaltsdauer an einem Ort auf die für ein bestimmtes Projekt benötigte Zeit beschränkt war. Es ist sicherlich leicht vorstellbar, dass z. B. das Engagement eines Architekten oder eines Bildhauers in vielen Fällen einen über die 30 Tage hinausgehenden Aufenthalt verlangte. Für die Dauer seiner Beschäftigung dürfte der Betreffende als ansässiger Fremder in Athen gelebt und die Stadt danach wieder verlassen haben. Auch Personen, die ihre Heimat vielleicht wegen kriegerischer Auseinandersetzungen, wirtschaftlicher Not oder als Exilierte hinter sich ließen,641 könnten eine Rückkehr in Betracht gezogen haben, wenn sich die Lebensumstände oder das politische Klima wieder gebessert hatten.642 Das gilt insbesondere, weil das Leben als ansässiger Fremder in Athen nicht frei von jeder Verpflichtung geführt werden konnte: Das metoíkion z. B., mag sein Betrag auch gering gewesen sein,643 dürfte den einen oder anderen bspw. seines Alters wegen Erwerbslosen vielleicht zur Rückkehr in die Heimat gedrängt haben.644 Es ist auch an die Gruppe der Freigelassenen zu denken: Zwar dürften nicht wenige von ihnen durch paramonḗ-Verpflichtungen in ihrer Freizügigkeit eingeschränkt gewesen sein,645 für alle anderen war das Leben in Athen

637 Ähnlich auch schon Whitehead 1991, S. 148. 638 Dagegen MacDowell, der vermutet, dass die Begründung eines eigenen Haushalts die Verpflichtung zur Zahlung des metoíkion nach sich zog, vgl. MacDowell 1987, S. 77. Ähnlich auch Stelzer 1971, S. 139, der die Gründung eines eigenen Hausstandes als den Übertritt in die metoikía betrachtet. Der überwiegende Teil der Forschung ist jedoch anderer Ansicht, vgl. u. a. Kamen 2013, S. 43; Whitehead 1977, S. 7. 639 Z. B. in der Definition des Aristophanes von Byzanz; Ar. Byz. frgm. 303–305 [Slater]: ἕως μὲν οὖν ποσῶν ἡμερῶν παρεπίδημος καλεῖται καὶ ἀτελής ἐστιν, ἐάν δὲ ὑπερβῇ τὸν ὡρισμένον χρόνον, μέτοικος ἢδη γίνεται καὶ ὑποτελής. 640 Vgl. Garland 2014, S. 160; Fisher 2010, S. 338; Whitehead 1977, S. 18. 641 Vgl. hierzu Kap. II.2.2. 642 Vgl. Rubinstein 2018, S. 15. 643 Dazu Kap. III.2.1.1.2. 644 Vgl. Garland 2014, S. 156. 645 Vgl. hierzu S. 129.

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aber eine Wahl,646 und es ist nicht ausgeschlossen, dass sich einige dafür entschieden, ihr Glück andernorts zu suchen. Schließlich konnten sich auch die Umstände in Athen selbst zu Ungunsten der Gruppe der ansässigen Fremden ändern und einen Auszug aus der Polis verursachen.647 II.5.1 Bleibeabsicht als Merkmal der métoikoi? Dass einige ansässige Fremde Athen auch irgendwann wieder verließen, ist also wahrscheinlich.648 Ob die Absicht auf eine Rückkehr, ein esprit de retour,649 auch Einfluss auf den Status in Athen hatte, ist in der Forschung stellenweise zur Debatte gestellt worden. In den frühesten Forschungsbeiträgen zu den ansässigen Fremden in Athen herrschte Konsens, dass die metoikía eine Rückkehr(absicht) grundsätzlich ausschloss.650 Dabei verwies u. a. Ulrich Kahrstedt darauf, dass die von Harpokration überlieferte Definition die dauerhafte Wohnsitznahme in Athen als ein zentrales Merkmal eines Metöken benannte.651 Als Gegenbeweis führt David Whitehead ein Ehrendekret für den sidonischen König Straton I. an:652 Darin wurde bestimmt, dass von Sidoniern, die sich geschäftlich in Athen aufhielten, weder ein metoíkion erhoben werden sollte, noch sollten sie zu Choregien oder eisphoraí herangezogen werden.653 Mit dem Hinweis, dass die Befreiung bestimmter Personengruppen von fiskalischen Verpflichtungen im Umkehrschluss auf deren grundsätzliche Steuerpflicht deute, argumentiert Whitehead, dass Personen, die sich in Athen geschäftlich aufhielten, immer eine Rückkehr beabsichtigten, offensichtlich aber trotzdem grundsätzlich métoikoi „qua fiscal category“654 wurden.655 Damit sieht Whitehead den Beweis erbracht, dass auch Personen, die eine, sogar sehr zeitnahe, Rückkehr beabsichtigten, zu métoikoi in Athen wurden.656

646 Vgl. Zelnick-Abramovitz 2005a, S. 312 und S. 176. 647 Vgl. Hunter 2000, S. 15. Hunter gibt an, dass eine solche ‚Auswanderungswelle‘ wohl mehrmals in der athenischen Geschichte stattgefunden habe, allerdings ohne auf konkrete Ereignisse Bezug zu nehmen (vgl. ebd.). Xenophons Überlegungen, wie die Polis attraktiver für Migranten werden könnte (Xen. Vect. 2) muss nicht unbedingt eine massenhafte Auswanderung vorangegangen sein, wie Hunter vermutet (vgl. Hunter 2000, S. 15). 648 Vgl. McKechnie 1989, S. 160 n 2. 649 Whitehead 1977, S. 8. 650 Vgl. Kahrstedt 1934, S. 276f; Clerc 1893, S. 12. 651 Vgl. Kahrstedt 1934, S. 276f; Harp. s. v. μετοίκιον. 652 IG II2 141; vgl. Whitehead 1977, S. 8. 653 IG II2 141, Z. 30–36. 654 Whitehead 1977, S. 8. 655 Vgl. Whitehead 1977, S. 8. 656 Vgl. ebd.: „So without this special concession [i. e. die in IG II2 141, Z. 30–36 verliehene Sonderstellung der Sidonier, F. L.] the men would have to become metics […]. Yet, here are no permanent immigrants: they have every esprit de retour“.

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Whiteheads Argumentation wirkt auf den ersten Blick zwar einleuchtend, kann aber im direkten Vergleich mit der Quelle, dem Ehrendekret für Straton I., nicht bestehen. Der in der Inschrift festgehaltene Beschluss befreit die sidonischen Geschäftsleute nur von metoíkion, Choregien und eisphoraí, aber drückt nicht aus, dass sie keine métoikoi werden sollten. Daraus kann lediglich geschlossen werden, dass auch Personen, die sich nicht dauerhaft, sondern nur längerfristig in Athen aufhielten, das metoíkion zu zahlen hatten und potenziell zu Choregien und eisphoraí herangezogen wurden. Wie es sich aber mit den anderen Verpflichtungen verhält, erwähnt die Inschrift nicht. So stellt sich die Frage, ob auch die von IG II2 141 erfassten Sidonier einen prostátēs benennen oder im Kriegsfall Militärdienst leisten mussten. Auf der Basis der vorliegenden Quelle muss zumindest davon ausgegangen werden, dass die Betreffenden nur von fiskalischen Verpflichtungen entbunden wurden. Whiteheads Schlussfolgerung, dass „the privilege is that a sojourn for longer than the specified time will not, in their case, necessitate their becoming metics and liable to tax“,657 ist demnach also nur in Bezug auf die Steuern zuzustimmen. Was den métoikos-Status der Sidonier angeht, gibt es zwei mögliche Lösungen: Entweder hat Whitehead recht, dass die Zahlung des metoíkion das entscheidende Merkmal eines métoikos war, wie zuletzt auch Joshua Sosin vorgeschlagen hat.658 Das führt aber zu der Frage, welchen Status die Sidonier (die das metoíkion nicht zahlten) dann annahmen, denn von allen anderen Verpflichtungen ansässiger Fremder, etwa der Benennung eines prostátēs, scheinen sie formal wohl nicht ausgeschlossen gewesen zu sein, zumindest gibt die Überlieferung keinen Anlass zu dieser Vermutung. Oder die betreffenden Sidonier waren zwar von der Zahlung des metoíkion (und der eisphoraí und der Choregien) befreit, wurden aber trotzdem métoikoi. Das würde bedeuten, dass auch Merkmale jenseits der fiskalischen Sphäre, vielleicht die Registrierungspflicht oder die Benennung eines prostátēs, einen métoikos in Athen ausmachte. Dessen eingedenk ist IG II2 141 also kein geeigneter Beleg dafür, dass die metoikía einen esprit de retour nicht ausschließt. Es gibt aber andere Indizien, die darauf hindeuten, dass ein métoikos entgegen Kahrstedts These nicht zwangsläufig ein dauerhaft in Athen ansässiger Fremder war. Dafür spricht etwa, dass es ihnen grundsätzlich freistand, Athen jederzeit wieder zu verlassen.659 Dieses Recht auf Freizügigkeit konnte bisweilen zwar massiv eingeschränkt werden: Einerseits konnten Freigelassene, die ihrem ehemaligen Herrn weiterhin verpflichtet waren und daher in seiner Nähe bleiben mussten, Athen nicht ohne weiteres den Rücken kehren; andererseits wurde die Freizügigkeit in Kriegszeiten eingeschränkt, da es métoikoi verboten war, Athen zu verlassen.660 Von diesen beiden Ausnahmen abgesehen, konnten métoikoi Athen aber 657 658 659 660

Whitehead 1977, S. 8f. Vgl. Sosin 2016 passim. Vgl. Whitehead 1977, S. 72. Hyp. 3, 33; dazu auch Rubinstein 2018, S. 8 sowie MacDowell 1987, 77.

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jederzeit den Rücken kehren. Somit ist zu vermuten, dass die metoikía als Konzept durchaus Raum für Mobilität ließ und eine dauerhafte Wohnsitznahme nicht forciert wurde. Hinzu kommt, dass eine Verpflichtung, in Athen zu bleiben, die metoikía wohl auch unattraktiv für Fremde gemacht hätte – immerhin war Mobilität im klassischen Griechenland weit verbreitet und hochgeschätzt.661 Außerdem deuten auch die in den Quellen vorhandenen Belege für Personen, die in Athen métoikoi waren,662 ohne einen dauerhaften Wohnsitz zu haben, darauf hin, dass die metoikía durchaus Raum für Mobilität ließ. So ist etwa von Lysias bekannt, dass er Athen mehrfach verlassen hat663 und bei seiner Rückkehr immer wieder métoikos in Athen wurde. Gleiches gilt auch für den Philosophen Xenokrates.664 Als ein weiteres Beispiel dafür, dass das Leben als métoikos in Athen einen esprit de retour nicht ausschließt, verweist Whitehead auch auf den Sprecher der 17. Rede des Isokrates: Obgleich dieser in Athen lebte,665 betrachtete er seinen Aufenthalt als temporär und als eine Verbindung von Arbeit und Vergnügen.666 Er selbst verstand sich als Einwohner von Pontos.667 Insgesamt spricht also vieles dafür, dass die Gruppe der athenischen métoikoi sowohl Personen einschloss, die einen dauerhaften Aufenthalt in Athen planten, als auch solche, die Athen irgendwann auch wieder verlassen wollten. II.5.2 „… doch wenn sie schließlich wieder geh’n, ist’s auch recht schön.“668 David Whitehead argumentiert, dass die dauerhafte Umsiedelung nach Athen ein zentraler, wenn auch nicht zwingender, Aspekt der metoikía sei.669 Métoikoi seien ihm zufolge insgesamt als „a more settled population de facto“670 zu verstehen und, viel wichtiger noch, von den Athenern als eine solche verstanden worden. Ob eine dauerhafte Ansässigkeit aber auch das war, was sich die Athener von ihren Fremden wünschten (oder was sie von ihnen erwarteten), ist fraglich. Eine Stelle in Platons Nómoi könnte darauf hin661 Vgl. Fisher 2010, S. 338, ähnlich Hunter 2000, S. 15. 662 Einschränkend ist zu bedenken, dass keine der Personen jemals als métoikos bezeichnet wird, dazu Kap. I.1 sowie Kap. II.7.3.1. 663 So verlässt Lysias Athen im Alter von 15 Jahren, kurz nach dem Tod seines Vaters Kephalos, zum ersten Mal, um in Thurii zu leben, und ein weiteres Mal, um sich vor den Dreißig in Sicherheit zu bringen; Plut. Mor. 835d. 664 Zu Xenokrates’ Leben als ansässiger Fremder in Athen S. 250ff. 665 Das ergibt sich aus seiner Bemerkung in Isokr. 17, 42, wonach der Sprecher aufgefordert worden sei, eisphoraí zu entrichten, was nur für Ansässige in Frage kommt. In diesem Zusammenhang ist es zumindest plausibel anzunehmen, dass der Sprecher auch das metoíkion zahlte, dazu auch: Whitehead 1977, S. 8. 666 Isokr. 17, 4. 667 Isokr. 17, 56. 668 Aus Wilhelm Busch: „Es ist recht schön“. 669 Vgl. Whitehead 1977, S. 8. 670 Ebd., S. 9; ähnlich auch Blok 2007, S. 310.

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weisen, dass sogar das Gegenteil der Fall war: Dort macht Platon den Vorschlag, jedem Fremden, der willens und dazu in der Lage sei,671 einen Wohnsitz in Athen zu ermöglichen; vorausgesetzt, er übt ein Handwerk aus und er bleibt nicht länger als 20 Jahre.672 Paul McKechnie schließt aus dieser Quellenstelle, dass die metoikía insgesamt nicht als eine dauerhafte Wohnsitznahme gedacht war, sondern mit der Erwartung verknüpft gewesen sei, dass der Fremde Athen auch irgendwann wieder verlassen werde.673 Platons Vorschlag sei, so McKechnie, ein Hinweis darauf, dass diese Erwartung in der Praxis selten erfüllt wurde: Weil Fremde immer häufiger die metoikía dauerhaft nutzten, sei eine gesetzliche Begrenzung der Aufenthaltszeit – zumindest in Platons Augen – vonnöten gewesen.674 Damit sei eine dauerhafte Umsiedelung nach Athen, McKechnie zufolge, also keineswegs, wie von Whitehead behauptet, ein zentraler Aspekt der metoikía.675 Tatsächlich finden sich im athenischen Umgang mit den ansässigen Fremden einige Hinweise darauf, dass die Athener ihre ‚Willkommenskultur‘ von den Fremden nicht unbedingt als Dauerlösung verstanden wissen wollten. Zu denken ist hier etwa an das metoíkion: Die Fremdensteuer kann durchaus auch als eine (finanzielle) Hürde gesehen werden, die es erst einmal zu nehmen galt, bevor sich ein Fremder in Athen niederließ. Für die Athener war dies wiederum eine Möglichkeit, sicherzustellen, dass sich in ihrer Stadt nur diejenigen niederließen, die es sich auch tatsächlich leisten konnten. Da das metoíkion regelmäßig erhoben wurde,676 war auch dafür gesorgt, dass die Betreffenden ständig ihre Eignung, in Athen zu leben, nachwiesen. Auch wenn die Messlatte aufgrund des geringen Betrags des metoíkion wohl recht niedrig lag, dürfte dies zumindest Einkommenslose, etwa Personen, die aufgrund von Krankheit oder Alter keiner Arbeit mehr nachkommen konnten, getroffen haben.677 Die bereits angesprochene Stelle in Platons Nómoi gibt einen Hinweis darauf: Mit der Beschränkung der Aufenthaltsdauer soll nämlich, so schlägt der Autor vor, das metoíkion nebst anderen steuerlichen Verpflichtungen wegfallen.678 Ein ganz ähnlicher Gedanke steht vielleicht auch hinter der vorgegebenen Beschränkung der ansässigen Fremden auf mobiles Eigentum und dem Verbot von Grund- und Landbesitz, die nicht zuletzt verhinderten, dass die Neuankömmlinge wortwörtlich Wurzeln schlugen.

671 672 673 674 675

Plat. Nom. 850b. Plat. Nom. 850a–b. Vgl. McKechnie 1989, S. 160 n 2; ähnlich auch Saunders 1994, S. 214. Vgl. McKechnie 1989, S. 160 n 2. Aufgrund dessen kritisiert McKechnie in seinen Ausführungen auch Whiteheads Übersetzung des métoikos als ‚immigrant‘, vgl. McKechnie 1989, S. 160 n 2. Ähnlich auch Takabatake 1988, S. 451, der das Ansehen eines Metöken als in indirekter Proportionalität zu der Dauer seines Aufenthaltes stehend sieht. 676 Vgl. Kap. III.2.1.1. 677 Vgl. Garland 2014, S. 156. 678 Plat. Nom. 850b.

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Am deutlichsten aber wird die Hoffnung der Athener, die ansässigen Fremden auch irgendwann wieder gehen zu sehen, in der Verleihung zeitlich begrenzter Privilegien an Schutzsuchende in Athen. Dies ist vor allem im Rahmen von Gruppenehrungen der Fall, wie etwa bei der Verleihung verschiedener Privilegien an eine Gruppe von Akarnaniern:679 Bei den Honoranten handelte es sich um Unterstützer von Phormion und Karphinas, die in der Schlacht von Chaironeia wohl eine kleinere Truppe auf der Seite der Athener kommandiert hatten. Nach ihrer Niederlage musste die Gruppe allerdings ins Exil gehen, für das sie sich Athen aussuchten. Um ihren Einsatz zu ehren, gewährten die Athener den beiden Anführern das Bürgerrecht, was ebenso auf ihre Nachkommen ausgeweitet wurde.680 Die restlichen Akarnanier wurden mit einer Reihe von Ehrungen ausgestattet,681 darunter auch die Befreiung vom metoíkion und die énktēsis, allerdings nur bis zu ihrer Rückkehr in die Heimat.682 Die Inschrift lässt vermuten, dass die Athener zumindest mit der Möglichkeit rechneten, dass die Geehrten irgendwann wieder in ihre Heimat gingen.683 Dies legt zumindest die explizite Beschränkung der Gültigkeit der verliehenen Privilegien bis zur Rückkehr nahe. Ähnliche zeitliche Einschränkungen könnten sich auch in der Privilegierung von Flüchtlingen aus Thasos finden,684 denen die Athener atéleia verliehen.685 Es gibt sogar Hinweise darauf, dass die Athener, als die Situation es zuließ, sich für die reibungslose Rückkehr der Geflüchteten engagierten: Es scheint nämlich, als hätten sie sich für die Rückgabe der aufgrund der Flucht verlassenen Immobilien an ihre früheren Besitzer eingesetzt.686 Das wird sicher auch daran gelegen haben, dass die Athener natürlich bestrebt waren, möglichst viele Personen in Thasos zu wissen, die ihnen freundlich gesinnt waren, gerade im Hinblick auf die Querelen mit den Spartanern 679 680 681 682 683 684

IG II2 237, Z. 24, vgl. dazu Whitehead 1977, S. 16. IG II2 237, Z. 14–20. IG II2 237, Z. 22–31. IG II2 237, Z. 24: ἕως ἂν κατέλθωσιν. Vgl. Rubinstein 2018, S. 15; Henry 1983, S. 206. Thasos kämpfte ursprünglich auf der Seite der Athener, lief aber im Jahr 410 zu den Spartanern über. In den folgenden vier Jahrzehnten gelangte Thasos im schnellen Wechsel immer wieder unter athenische oder spartanische Kontrolle, bis 375 die Athener Thasos endgültig zurückgewannen. Bei den in Athen lebenden Geflüchteten, um die es im Folgenden geht, handelt es sich wohl um Sympathisanten Athens aus Thasos, welche ihre Polis in Zeiten spartanischer Machtübernahme verlassen mussten. Vgl. Osborne 1982, S. 45–57 sowie auch Walbank 1995, S. 64. 685 So vermutet zumindest Walbank in Agora Inv. I 7534, Z. 6 eine solche zeitliche Einschränkung für eine ebd. verliehene Ehrung, hinter der vielleicht die atéleia steckt; vgl. Walbank 1995, S. 62f. Die Vergabe der atéleia an Flüchtlinge aus Thasos ist in IG II2 33, Z. 5–8 belegt, sowie auch in Demosth. 20, 59 (dazu Osborne 1982, S. 49f). Eine zeitliche Einschränkung der atéleia, z. B. bis zur Rückkehr der Honoranten in die Heimat, ist in IG II2 33 allerdings nicht explizit vermerkt, könnte sich aber in der Bezugnahme auf die Ehrung einer Gruppe von Personen aus Mantinea verbergen: IG II2 33, Z. 5–8, s. die Bearbeitung nach Osborne 1982, S. 50. Es ist denkbar, dass die atéleia hier zeitlich begrenzt war, und durch die Bezugnahme auf diese Ehrung auch die in IG II2 33 vergebene atéleia derart eingeschränkt wurde. 686 Agora Inv. I 7534; vgl. Walbank 1995, S. 64.

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über diese Stadt.687 Nicht von der Hand zu weisen ist ferner der Eindruck, dass die Athener durchaus daran interessiert waren, die Thasier nicht zu Dauergästen werden zu lassen. Neben der expliziten Begrenzung der Privilegien auf den Zeitpunkt ihrer Rückkehr zeigt sich der Gedanke einer nur übergangsweisen Wohnsitznahme in Athen deutlich in der Art der verliehenen énktēsis an die Akarnanier: Den Geehrten wird nämlich nur das Recht zugesprochen, ein Haus zu besitzen, aber nicht das dazugehörige Land.688 Insofern man in dem Recht auf Grundbesitz auch das Privileg erkennen will, einen sprichwörtlichen Anteil an Attika zu haben,689 ist die Beschränkung auf ein Haus durchaus von erheblicher symbolischer Bedeutung. Die énktēsis oikías690 löste das praktische Problem des Wohnens, indem die Geehrten als Besitzer des Hauses im Grunde mietfrei leben durften,691 ohne aber einen tatsächlichen Anteil am – dramatisch formuliert – ‚Mutterland‘ Attika zu bekommen. Die Symbolträchtigkeit dieser Einschränkung offenbart sich noch deutlicher im Vergleich mit den Ehrungen, die den namentlich genannten Anführern gewährt werden: Im Gegensatz zur ‚anonymen Masse‘ ihrer Landsleute werden Phormion und Karphinas zu athenischen Bürgern gemacht, womit ihnen die für Fremde höchstmögliche Anteilnahme an Athen, sowohl im tatsächlichen als auch im übertragenen Sinne, zugesprochen wird. Die Vergabe zeitlich begrenzter Privilegien ist insbesondere für größere Gruppen von nach Athen Geflüchteten belegt. Das könnte einerseits daran liegen, dass besonders diejenigen, die ihre Heimat unfreiwillig hinter sich lassen mussten, auch nach einem langen Aufenthalt in Athen eine Rückkehr in die Heimat erwogen. Andererseits könnten die Athener eine Rückkehr der Flüchtlinge in ihre Heimat als ihrem eigenen Vorteil dienend empfunden haben und durch eine zeitliche Begrenzung der Privilegien wahrscheinlicher gemacht haben. Schließlich barg die Aufnahme politischer Flüchtiger auch ein gewisses Konfliktpotenzial. Einschränkend ist dabei aber zu bedenken, dass die jeweiligen Ehrungen weder mit einem tatsächlichen ‚Ablaufdatum‘ versehen waren noch die Rückkehr der Geehrten explizit vorsahen. Formal durften die Honoranten bleiben, solange sie wollten, und von ihren Privilegien profitieren.

687 Dazu S. 176 n 684. 688 So auch schon Henry 1983, S. 206. 689 Vgl. etwa Adak 2003, S. 236; Stelzer 1971, S. 11. Vergleichsfälle, in denen die énktēsis nur auf ein Haus beschränkt war, finden sich in IG I2 106a; IG II2 53; IG II2 130; IG II2 206, IG II2 554; IG II2 732; IG II2 768 sowie IG II2 802; vgl. Adak 2003, S. 238 sowie Stelzer 1971, S. 196. In der Forschung ist bisweilen argumentiert worden, dass diese sogenannte énktēsis oikías auch das Recht einschließt, das zum Haus gehörige Grundstück zu besitzen, z. B. von Adak 2003, S. 238, dagegen aber Stelzer 1971, S. 197–199; dazu Kap. III.7.4. 690 Ich übernehme hier den von Stelzer 1971 geprägten Ausdruck, dazu S. 346. 691 Ein Vergleichsfall, in dem Wohltätern der kleinen Polis Airai ein Mietzuschuss gewährt wird, findet sich in Wilhelm 1909, S. 175–177 Nr. 154; vgl. Hennig 1994, S. 339 mit n 111; dazu S. 250 n 330.

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Die Vergabe nur zeitlich begrenzter Privilegien an Flüchtlinge war allerdings keineswegs zwingend. Zu denken ist hier insbesondere an das Beispiel der Plataier, die im Zuge der Auseinandersetzungen um ihre Stadt und deren schlussendlicher Zerstörung evakuiert wurden oder geflüchtet waren.692 Ihnen wurde das athenische Bürgerrecht zugesprochen,693 und zwar, soweit wir wissen, ohne dass dieses jemals erlöschen sollte. Dabei dürfte die komplette Zerstörung von Plataiai694 eine wichtige Rolle gespielt haben: Im Gegensatz zu den Akarnaniern und den Thasiern, hatten die Plataier keine Heimat mehr, in die sie hätten zurückkehren können. Ein Vergleich des Umgangs mit akarnanischen, thasischen und plataiischen Flüchtlingen zeigt also, dass die Athener einer eventuellen Rückkehr, zumindest bei der Vergabe der Privilegien, Rechnung trugen: Insofern die Möglichkeit bestand, dass die Honoranten irgendwann wieder zurück in ihre Heimat gingen, begrenzten die Athener die Gültigkeit der verliehenen Vorrechte auf die Dauer des Aufenthaltes der Geehrten in Athen. Dieser Befund ergibt sich allerdings nur für Flüchtlingsgruppen: Im Falle von individuell, d. h. namentlich, Geehrten gibt es keine Belege für eine Begrenzung der verliehenen Privilegien. II.5.3 Sprachliche Unterscheidungen Im Zusammenhang mit Flüchtigen hat Robert Garland eine weitere, terminologische Differenzierung zwischen potenziellen ‚Rückkehrern‘ und ‚Bleibenden‘ vermutet, die sich ihm zufolge in der asylía und hiketeía niederschlage: In beiden Fällen handelt es sich um eine Gewährung von Schutz; allerdings sei die asylía auf Dauer angelegt, die hiketeía jedoch nur auf kurze Zeit.695 Diese Unterscheidung ist problematisch, bezeichnet asylía doch tatsächlich das Geschütztsein,696 hiketeía aber im Kontrast dazu das Schutzsuchen. Im Hinblick auf die Dauer ist die asylía ein Zustand, der zumindest im Sinne des Wortes überhaupt keine zeitliche Komponente aufweist – was sich im Übrigen schon daran erkennen lässt, dass sie als Privileg auch für eine zukünftige Verwendung vergeben werden kann –, sondern beliebig lang andauern kann, während die hiketeía, als Handlung, immer nur im unmittelbaren Verzug stattfindet. Asylía kann dabei die, im Übrigen nicht notwendige,697 (Recht)Folge einer hiketeía sein. Es ergibt sich daraus, dass hiketeía und asylía keine vergleichbaren und erst recht keine einander ausschließenden Konzepte darstellen, wie Garland vermutet.

692 693 694 695

Zu den Kämpfen um Plataiai siehe S. 118 n 272. Demosth. 59, 103–104; Isokr. 12, 94; Lys. 23, 2–3. Thuk. 3, 68, 3. Vgl. Garland 2014, S. 115: „Asylía was probably a long-term agreement, whereas hikesía was only ever a temporary expedient“. 696 Vgl. Dreher 1996, S. 80. 697 Vgl. ebd., S. 87.

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Auch in anderen Bereichen der Terminologie schlägt sich eine eventuelle Rückkehrabsicht ansässiger Fremder in Athen nicht nieder: Soweit die Quellen diesen Schluss zulassen, gibt es keine gesonderten Bezeichnungen für dauerhaft oder ‚nur‘ längerfristig Anwesende.698 Belegt ist aber eine sprachliche Differenzierung zwischen Gästen Athens und Bewohnern, nämlich in xénoi parepidēmúntes und xénoi katoikúntes.699 Erstere sind dabei am ehesten als Fremde auf der Durchreise zu verstehen,700 letztere demgegenüber als permanent anwesende, ansässige Fremde. Differenzierendes Moment ist hier also die Aufenthaltsdauer: Die Gruppe der Fremden wird unterteilt in diejenigen, die nur kurzfristig in der Polis anwesend sind, und diejenigen, die längerfristig oder dauerhaft bleiben. Eine weitere Unterteilung der letztgenannten Gruppe, etwa im Hinblick auf die Bleibeabsicht, ist, so hat das Kapitel gezeigt, nicht festzustellen.701 II.5.4 Fazit: Dauerbesucher und Mitbewohner Das vorangegangene Kapitel war der Frage gewidmet, ob innerhalb der Gruppe der ansässigen Fremden in Athen im Hinblick auf das Kriterium der Aufenthaltsdauer zu differenzieren ist. Dabei konnte festgestellt werden, dass dieser Aspekt zwar die Gruppe der Fremden in Athen in ansässige und nichtansässige Fremde schied, aber innerhalb der Gruppe der ansässigen Fremden zu keiner weiteren Differenzierung führte. Maßgeblich war nur, ob sich eine Person kürzer oder länger als 30 Tage in Athen aufhielt. Ob ein Aufenthalt jenseits dieser 30 Tage aber ein längerfristiger oder ein dauerhafter war, spielte für die Athener wohl keine Rolle. Zwar deuten einige Indizien darauf, dass die Athener einen nichtdauerhaften Aufenthalt ihrer ansässigen Fremden durchaus guthießen; aber tatsächliche Maßnahmen der Begrenzung des Aufenthaltes, etwa auf eine bestimmte Dauer, lassen sich nicht feststellen. Eben weil sich die ansässigen Fremden zwar hinsichtlich ihrer Aufenthaltsdauer unterschieden, aber nicht anhand dieser unterschieden wurden, ist ein esprit de retour, anders als in der Forschung vielfach vermutet, kein Differenzierungskriterium der ansässigen Fremden. Dementsprechend ist die Absicht einer Rückkehr auch kein Ausschlusskriterium für die metoikía. Ganz im Gegenteil war diese von den Athenern selbst nicht als ein Dauerzustand gedacht: Das legen die Möglichkeit nahe, Athen je-

698 Vgl. Randall 1953, S. 203, der eine Unterscheidung von dauerhaft und langfristig ansässigen Fremden anhand der Untersuchung der Gruppe der Künstler und Handwerker ausschließt. 699 Vgl. Brandt 1992, S. 195; Adak 2003, S. 30. 700 Vgl. Sänger 2019, S. 55. 701 Vgl. Adak 2003, S. 30; Stelzer 1971, S. 104; Brandt 1992, S. 195; Sosin 2016, S. 4; Whitehead 1977, S. 96.

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derzeit wieder verlassen zu können, und die Vergabe zeitlich begrenzter Privilegien an Gruppen von Schutzsuchenden. II.6 Eingeborene und zugezogene Fremde Die ansässigen Fremden in Athen bleiben, so wurde im vorangegangenen Kapitel betont, über sehr unterschiedliche Zeiträume, von wenigen Wochen bis hin zu einem ganzen Leben. Insbesondere ein ansässiger Fremder, der über einen langen Zeitraum oder gar dauerhaft in Athen lebte, wird so auch einige wichtige Meilensteine seines Daseins dort erlebt haben und sich sukzessive eine Existenz in der neuen Heimat, mag sie dies auch nur auf Zeit gewesen sein, aufgebaut haben. Hierzu gehörte nicht zuletzt die Gründung einer Familie. Aus dem Bürgerrechtsgesetz des Perikles ergab sich aber, dass Kinder, deren beide Elternteile nicht Athener waren, keinen Anspruch auf das athenische Bürgerrecht hatten.702 Sie waren damit in Athen geborene ansässige Fremde. Dieser Umstand beschränkte sich nicht nur auf eine Generation, sondern betraf gegebenenfalls auch die Enkel, Urenkel oder Ururenkel (und wiederum deren Nachkommen) der Ersteinwanderer. Auf diese Weise entstanden teils sogar sehr umfassende familiäre Strukturen innerhalb der Gruppe der ansässigen Fremden, die heutzutage vor allem durch Grabmonumente belegt sind.703 Stellenweise wurde in der Forschung diese Gruppe eingeborener Fremder von der Gruppe zugezogener Fremder unterschieden: Einerseits, weil Athener und Nicht-athener im Alltag wohl kaum voneinander zu unterscheiden waren, wenn sie denn beide in Athen geboren wurden.704 Andererseits vermutet ein Teil der Forschung, dass sich der hohe Stellenwert, den eine autochthone Geburt in der athenischen Selbstwahrnehmung einnahm, auch in einer Differenzierung der ansässigen Fremden niederschlug,705 und das sogar bis hin zur üblichen Verleihung der politeía an in Athen Geborene.706 Damit geht auch die Frage einher, inwiefern ein Wohnortswechsel nach Athen, der in Forschungsbeiträgen mitunter als konstituierendes Merkmal eines métoikos begriffen wird,707 tatsächlich als ein solches gelten darf.

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Vgl. Kap. I.3.3. Vgl. Ginestí Rosell 2012, S. 138. So z. B. Cohen 2000, S. 119; Kears 2013, S. 187. U. a. Dimopoulou-Piliouni 2008, S. 30; Cohen 2000, S. 96. Diese Meinung wurde vor allem von Cohen vertreten, vgl. weiter unten in diesem Kapitel. Vgl. Dimopoulou-Piliouni 2008, S. 29.

Eingeborene und zugezogene Fremde

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II.6.1 Gab es eingeborene Fremde? Mit dem Bürgerrechtsgesetz des Perikles von 451/50 wurde verfügt, dass nur noch diejenigen Personen einen Anspruch auf das athenische Bürgerrecht hatten, die sowohl väterlicher- als auch mütterlicherseits von athenischen Bürgern abstammten. Die Forschung hat daraus mehrheitlich geschlossen, dass ansässige Fremde in Athen angesichts dieser Gesetze nur noch Nachkommen zeugen konnten, die ihrerseits ebenfalls ansässige Fremde waren. Die Auffassung, dass der Geburtsort selbst im Rahmen der neuen Regelung keine Rolle spielte, ist stellenweise allerdings angefochten worden. Edward Cohen gehört dabei zu den bekanntesten und vehementesten Kritikern:708 Weil die Gruppe der polítai nicht auf die Nachkommen der Einwohner mit politischer Teilhabe beschränkt worden sei, sondern allgemein auf Nachkommen sämtlicher (freier) Einwohner Athens,709 sei es für ansässige Fremde, Cohen zufolge, nicht nur möglich, sondern sogar vorgesehen gewesen, Nachkommen zu zeugen, die ihrerseits Athener werden konnten. Insbesondere eine Geburt in Athen habe dabei regelmäßig die Erlangung des athenischen Bürgerrechts nach sich gezogen710 und wäre so ein echter game changer gewesen: Nachkommen ansässiger Fremder erhielten die politeía dabei zwar nicht selbstverständlich, sind aber routinemäßig im entsprechenden Alter der Deme vorgestellt und, so Cohen, in der Regel nach einem Votum der Demenmitglieder auch akzeptiert worden.711 Cohens Vorschläge stießen in der Forschung mehrheitlich auf Ablehnung.712 Die Kritik umfasste dabei sowohl terminologische wie auch praktische Einwände. So wurde auf terminologischer Ebene vor allem der (durch die Quellenlage aber nur rudimen-

708 Cohen stützt seine Argumentation wesentlich auf die Wortwahl des Bürgerrechtsgesetzes von 451/50: Entscheidend sei, dass als Voraussetzung zur Erlangung des athenischen Bürgerrechts eine beidseitige Abstammung von astoí, nicht von polítai, festgelegt wurde (vgl. Cohen 1997, S. 60 sowie Cohen 2000, S. 48f; zur Problematik der Rekonstruktion des genauen Wortlauts des Bürgerrechtsgesetzes vgl. S. 59f). Die Bezeichnung astoí drücke dabei eine territoriale Zugehörigkeit aus, bezeichne also alle Einwohner Athens, während polítai die politische Zugehörigkeit meine, also die Gruppe derer bezeichne, die, z. B. durch die Besetzung von Ämtern, an der Polis teilhaben konnten (vgl. Cohen 1997, S. 63f mit dem Verweis auf Aristot. Pol. 1276a 20–22). Das Fehlen strenger Zugangskriterien für die Gruppe der astoí (vgl. Cohen 1997, S. 80 sowie Cohen 2000, S. 71) ermögliche dabei die Erweiterung dieses Kreises, z. B. um Personen, die bereits länger in der Stadt lebten, intensiv an der Gemeinschaft teilhatten oder bereits hier geboren worden waren (vgl. Cohen 1997, S. 81 und S. 84), wobei Besucher und Nichtgriechen grundsätzlich ausgeschlossen gewesen seien (vgl. Cohen 1997, S. 80 und Cohen 2000, S. 71). 709 Vgl. Cohen 1997, S. 72. 710 Vgl. ebd., S. 81 und 84. 711 Vgl. ebd., S. 70 und S. 84 sowie Cohen 2000, S. 74–77. 712 So etwa Osborne 2002, u. a. S. 94; Coşkun 2014b, S. 6; Bakewell 2008, S. 101 n 30; Beck 2013, S. 79; Patterson 2005, S. 269; Niku 2007, S. 14f; Lape 2010, S. 19–21; Kears 2013, S. 42f; Watson 2010, S. 266 mit n 31.

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tär belegte) Gebrauch der Worte astós/astoí und polítēs/polítai angeführt713 sowie auch der Umstand, dass die Ausdifferenzierung von astós/astoí und polítēs/polítai hinsichtlich ihrer Bedeutung zur Zeit der Formulierung des Bürgerrechtsgesetzes erst in den Anfängen steckte und noch das gesamte 4. Jahrhundert hindurch andauerte.714 Über das Terminologische hinausgehend, hat etwa Robin Osborne auf die Widersprüchlichkeit hingewiesen, die sich ergebe, wenn in Athen geborene Nachkommen von Freigelassenen, gemäß Cohens Interpretation, Bürger werden konnten, Nachkommen von in athenischen Kleruchien lebenden Personen aber nicht, da letztere aufgrund ihres Wohnsitzes keine astoí waren.715 In der Forschung noch nicht beachtet wurde der Umstand, dass Cohens Theorie die Existenz eingeborener ansässiger Fremder vollends ausschließt: Wenn denn tatsächlich in Athen geborene Nachkommen von ansässigen Fremden in der Regel zu polítai gemacht worden wären, hätte es in Athen ab der Mitte des 5. Jahrhunderts keine griechischen716 ansässigen Fremden gegeben, deren Vorfahren bereits in Athen als ansässige Fremde gelebt hätten.717 Doch das Gegenteil ist der Fall: Vor allem in Grab­ 713 Bis zum Ende des 5. Jahrhunderts war die Bezeichnung astós/astoí üblich, um Personen zu markieren, die zur Polis gehörten (vgl. Blok 2005, S. 15). Das gilt insbesondere für Rechtstexte: Zumindest im 5. Jahrhundert wurde die Bezeichnung polítēs/polítai in diesen noch gar nicht gebraucht (vgl. Osborne 2002, S. 95), sondern etablierte sich erst im 4. Jahrhundert als gängige Referenz auf Personen, die mit bestimmten ‚bürgerlichen‘ Rechten und Pflichten ausgestattet waren (vgl. Blok 2005, S. 15). Wenn im Bürgerrechtsgesetz von 451/50 also von astoí und nicht von polítai die Rede ist, reflektiert dies allenfalls den zu dieser Zeit üblichen Sprachgebrauch. Hinzu tritt, dass der von Cohen als rein politischer Begriff ohne territoriale Komponente aufgefasste polítēs/polítai-Begriff (vgl. Cohen 1997, S. 64) ursprünglich genau das Gegenteil war: In den frühen Quellen werden polítai am ehesten als Einwohner einer Gemeinde verstanden (vgl. Blok 2005, S. 11). Demgegenüber bezeichnet astós/astoí ab dem 4. Jahrhundert vor allem die Zugehörigkeit zu einer Gemeinschaft qua Abstammung und keinesfalls, wie von Cohen behauptet, qua Wohnsitz (vgl. ebd., S. 22), was sich insbesondere an der Verwendung in Gerichtsreden zeigt, in denen über das Bürgerrecht einer Person aufgrund einer zweifelhaften oder illegitimen Abstammung debattiert wird (vgl. ebd.). Ähnlich argumentiert auch Bakewell mit dem Hinweis auf Demosthenes’ 59. Rede, in der die wegen unrechtmäßiger Eheschließung mit dem Athener Stephanos angeklagte Neaira trotz ihrer nicht in Zweifel stehenden Wohnhaftigkeit in Athen als xénē und nicht als astḗ bezeichnet wird (Demosth. 59, 43). Wäre Neaira aufgrund ihres Wohnsitzes eine astḗ gewesen – ein Umstand, der sich leicht beweisen ließ –, wäre es doch, so Bakewell, eine ziemliche Dummheit von Apollodor gewesen, eine Klage gegen sie anzustrengen, die auf ihrer Identität als xénē beruhte (vgl. Bakewell 2008, S. 101 mit n 30). 714 Die Überschätzung des semantischen Unterschiedes zwischen den Bezeichnungen astós und polítēs ist einer der Hauptkritikpunkte an Cohens Theorie (vgl. Osborne 2002, S. 94; Blok 2005, S. 12 sowie S. 31; Kears 2013, S. 42; Walters 2010, S. 266 n 31): Sowohl polítēs/polítai als auch astós/ astoí sind als Termini in den Quellen zwar belegt (z. B. in Hom. Od. 13, 192 und Hom. Il. 11, 242), aber eine tatsächliche Unterscheidung zwischen auf die eine oder andere Art bezeichneten Personen ist nicht festzustellen (vgl. Blok 2005, S. 12). 715 Vgl. Osborne 2002, S. 94. 716 Nichtgriechen werden von Cohen als polítai ausgeschlossen, vgl. Cohen 1997, S. 80 sowie Cohen 2000, S. 71. 717 Cohens Theorie zufolge besteht zwar die Möglichkeit, dass die Deme die Aufnahme eines Nachkommen von astoí-Eltern als polítēs verweigert; er betont aber, dass dies wohl nicht die Regel ge-

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inschriften finden sich einige Belege für Familien, die seit mehreren Generationen in Athen als Fremde lebten.718 So gibt es auf dem Kerameikos in Athen eine Grabstele für eine Familie aus Herakleia719 und nur wenige Meter entfernt einen größeren Grabkomplex für eine Familie aus Messene.720 Um mehrere Generationen einer Familie dürfte es sich auch bei einem weiteren Grab für Arkadier gehandelt haben.721 Dass es in Athen durchaus ‚Dynastien‘ ansässiger Fremder gab, dürfte ebenso eine Ehreninschrift für eine Familie aus Sinope belegen, in der drei Generationen – Großvater, Vater und Sohn – benannt werden.722 Auch Epitaphe von Paaren, deren beide Partner aus unterschiedlichen Poleis stammten, könnten als Beweis dienen: Bei den Eheleuten handelte es sich wahrscheinlich entweder um in frühester Kindheit Eingewanderte oder um in Athen Geborene.723 Das bekannteste Beispiel für einen Nachkommen eines ansässigen Fremden dürfte der Redner Lysias gewesen sein. Sein Vater Kephalos kam auf persönliche Einladung des Perikles aus seiner Heimatstadt Syrakus als ansässiger Fremder nach Athen,724 wo er eine Schildfabrik betrieb. In Cohens Theorie wäre Kephalos zweifelsohne als astós zu verstehen: Kephalos war ein Grieche aus Syrakus, lebte eine lange Zeit in Athen725 und brachte sich auch in das Leben der Polis ein.726 Obwohl Lysias in Athen geboren war727 und sein Vater (nach Cohen) ein astós war, war Lysias kein polítēs.728 Bei ihm handelte es sich also um einen ansässigen Fremden, der bereits in der zweiten Generation in Athen lebte. Es gibt sie also nachweislich – die eingeborenen Fremden.

wesen sei. Die Existenz einer ‚Metökendynastie‘ aufgrund des Umstandes, dass einer Generation nach der anderen die politeía verweigert worden ist, wäre daher zwar denkbar, aber sehr unwahrscheinlich. 718 Vgl. Ginestí Rosell 2012, S. 138. 719 Knigge 1991, Nr. 22; vgl. Gray 2011, S. 49; Knigge 1991, S. 121f. 720 IG II2 9347, vgl. Gray 2011, S. 49; Ginestí Rosell 2012, S, 158. Alle Bestatteten sind in dieser Inschrift als Messenier ausgewiesen und waren demnach keine Athener. 721 IG II2 10435, vgl. Ginestí Rosell 2012, S. 30. 722 IG II2 10321, vgl. Kaimio 1999, S. 53. 723 Vgl. Ginestí Rosell 2012, S. 138. 724 Lys. 12, 4. 725 Nach Lysias’ Angaben verbrachte Kephalos insgesamt 30 Jahre in Athen: Lys. 12, 4. 726 Dies legt zumindest seine scheinbar gute Vernetzung und seine Bekanntheit nahe, die nicht zuletzt dadurch hervortritt, dass Platon Kephalos auch einen Part in seiner Politeía spielen lässt. Zur Partizipation des Kephalos und anderer ansässiger Fremder bei gesellschaftlichen Anlässen s. Kap. III.3.1.1. 727 Plut. Mor. 835c. 728 Das ergibt sich vor allem daraus, dass Lysias kurzzeitig das Privileg der politeía erhielt, welches ihm aber aufgrund eines Formfehlers nur kurze Zeit später wieder aberkannt wurde: Plut. Mor. 835f–836a; dazu auch Iustin. 5, 9, 9; Oros. 2, 17, 9. Vgl. Adak 2003, S. 199; Patzek 1995, S. 40.

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II.6.2 Unterschiede zwischen eingeborenen und zugezogenen Fremden Die Chancen auf politeía standen für eingeborene also nicht besser als für zugezogene Fremde. Zu prüfen ist aber, ob es denn in anderen Bereichen Unterschiede zwischen diesen beiden Gruppen ansässiger Fremder gegeben haben könnte, die eine Differenzierung rechtfertigen würden. In der Forschung wurde in diesem Zusammenhang stellenweise darauf verwiesen, dass eingeborene Fremde den Athenern näher standen als zugezogene.729 Dies habe einerseits dazu geführt, dass jene viel mehr als Teil der Gemeinschaft empfunden wurden denn fremdgeborene Athener.730 Andererseits bewirkte es aber auch, dass eingeborene Fremde sich so weit an die Athener assimilierten, dass sie von eingeborenen Bürgern nicht zu unterscheiden waren.731 Letzteres dürfte aber nicht mehr als dem Eindruck eines nur flüchtigen Blickes in die Straßen Athens entsprechen. Die Quellen geben nämlich keinen Hinweis darauf, dass eine Geburt in Athen dazu führte, dass die den ansässigen Fremden auferlegten Einschränkungen in irgendeiner Weise gelockert oder gar von ihnen genommen wurden: So war auch eingeborenen ansässigen Fremden immobiler Besitz verwehrt, und auch sie zahlten das metoíkion. Allenfalls ist hier von einer scheinbaren Ununterscheidbarkeit zwischen eingeborenen Fremden und Bürgern zu sprechen – die aber wohl auch die zugezogenen Fremden betraf.732 Eine weitere Vermutung hinsichtlich der Differenzierung eingeborener und zugezogener Fremder hat Arnold W. Gomme in einem Beitrag über die Zahl der Hopliten im klassischen Athen geäußert: Fast beiläufig bemerkt er, dass zugezogene Fremde im Alter zwischen 35 und 50 Jahren wohl nicht sofort in den aktiven Militärdienst übernommen wurden, sondern nur Reserve waren.733 Nur Eingeborene oder in frühester Kindheit Eingewanderte, so Gomme weiter, erhielten in Athen eine Ausbildung zum Hopliten.734 Mit dieser These unterstellt Gomme zwei Unterschiede zwischen eingeborenen und zugewanderten Fremden: Erstens, dass zugezogene Fremde nicht regulär an den Kampfhandlungen der Athener beteiligt waren, und zweitens, dass nur Eingeborene ein echtes militärisches Training absolvierten. Jedoch kann mit Blick auf die Quellen weder das eine noch das andere bestätigt werden. Zwar werden in der von Gomme angeführten Thukydides-Stelle métoikoi als Teil der Truppen benannt, welche die Mauern bewachen.735 Aber das, was sie als Teil dieser Truppe qualifizierte, war weder Alter noch Geburt in Athen, sondern nur, dass sie in der Lage waren, sich 729 730 731 732 733 734

Vgl. z. B. Cohen 2000, S. 119; Dimopoulou-Piliouni 2008, S. 30; Kears 2013, S. 99 sowie S. 187. Vgl. Cohen 2000, S. 119. Vgl. Kears 2013, S. 187. Zumindest wenn man Ps.-Xenophon Glauben schenken will: Ps.-Xen. Ath. Pol. 1, 10. Vgl. Gomme 1927, S. 147. Vgl. ebd.: „only men who came to Athens very young and the sons of those already settled there, were trained soldiers of regular battalions.“ 735 Thuk. 2, 13, 7.

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als Hoplit auszurüsten.736 Auch andere Quellenstellen, die eine Beteiligung ansässiger Fremder an militärischen Operationen belegen, deuten nicht auf eine Beschränkung auf eingeborene Fremde hin.737 Etwas schwieriger verhält es sich derweil mit der zweiten Behauptung Gommes, dass nur eingeborene Fremde eine Ausbildung zum Soldaten erhielten.738 In diesem Zusammenhang könnte eine Besonderheit einiger Gefallenenlisten relevant sein, die der Forschung bisweilen Kopfzerbrechen bereitet hat: In der Regel werden in diesen Aufstellungen ansässige Fremde getrennt von den Athenern aufgelistet, manchmal als eigene Gruppe, manchmal als xénoi;739 jedoch finden sich vereinzelt auch ansässige Fremde unter den athenischen Namen.740 Das wirft zunächst die Frage auf, ob eingeborene und zugezogene ansässige Fremde vielleicht in unterschiedlichen Einheiten kämpften, was in der Forschung überwiegend als wahrscheinlich gilt.741 Die unter den Athenern aufgeführten Namen von Fremden in den genannten Gefallenenlisten könnten aber zumindest einen Hinweis darauf liefern, dass es unter den ‚Bürger-Truppen‘ wohl auch vereinzelt ein paar Nichtathener gab. Mustafa Adak hat vorgeschlagen, dass es sich bei diesen Personen um Empfänger des tás strateías strateúesthai metá Athēnaíōn-Privilegs742 gehandelt haben könnte,743 die dank dieses Privilegs in derselben Einheit wie die athenischen Bürger kämpften. Im Lichte der Vermutung Gommes, dass eingeborene Fremde mit den Athenern die Ausbildung zum Soldaten absolvierten, bietet sich hier eine weitere Gruppe von Personen an, um die es sich bei den Genannten gehandelt haben könnte. Ob die unter den Athenern Aufgeführten aber tatsächlich eingeborene Fremde waren, ist auf der Basis der Quellen nicht abschließend zu klären. Was das Training betrifft, ist es zumindest nicht ausgeschlossen, dass eingeborene Fremde an der Ausbildung der Athener teilnahmen.744 Wenn sie denn tatsächlich mit den Athenern gemeinsam kämpften, ist sicherlich naheliegend, dass sie auch mit ihnen geübt haben. Das gilt vor allem eingedenk dessen, dass ein Untrainierter eine ganze Schlachtreihe und mehr durcheinanderbringen und damit gefährden konnte.745 736 Thuk. 2, 13, 7: καὶ μετοίκων ὅσοι ὁπλῖται ἦσαν. 737 Zur Beteiligung der ansässigen Fremden im Militär s. Kap. III.1.1 und III.1.2. 738 Zur Zulassung von ansässigen Fremden zum militärischen Training der Athener, sowie zur Bedeutung des tás strateías strateúesthai metá Athēnaíōn-Privilegs in diesem Zusammenhang: S. 337f und S. 215 n 78 zur Frage, ob es regelmäßige Trainings gab. 739 So etwa in IG I3 1180a, Z. 5; IG I3 1184, Z. 89; IG I3 1190, Col. a, Z. 65. Vgl. dazu Adak 2003, S. 233. 740 IG I3 1150, Z. 13 sowie Z. 56; vgl. Adak 2003, S. 235. 741 Dazu Kap. III.1.2. 742 Was dieses Privileg genau umfasste, ist umstritten. Denkbar wäre die Erlaubnis, mit den Athenern gemeinsam in einer Schlachtreihe kämpfen zu dürfen, aber auch die Zulassung zum gemeinsamen Training mit ihnen, vgl. u. a. Adak 2003, S. 232, dazu S. 216. 743 Vgl. Adak 2003, S. 235. 744 Es ist wohl nicht damit zu rechnen, dass es vor der Einführung der ephēbeía regelmäßige oder gar verpflichtende Trainingseinheiten bei den athenischen Hopliten gab; denkbar ist aber, dass es unregelmäßige Angebote gab, vgl. S. 215 mit n 78. 745 So auch schon Adak 2003, S. 234.

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Aber selbst wenn die Eingeborenen wie die Zugezogenen getrennt von den Athenern kämpften, wären sie den Athenern mit einer guten militärischen Ausbildung nützlicher gewesen. Denkbar ist etwa, dass sie in der Lage waren, die Einheiten der Nichtbürger zu koordinieren und zu führen. Schließlich muss auch bedacht werden, dass erst im Erwachsenenalter Zugezogene mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit bereits in ihrer Heimat ein grundlegendes militärisches Training durchlaufen hatten. Eingeborene ansässige Fremde wiederum hätten dagegen diese Möglichkeit von vornherein nicht gehabt, wenn ihnen die Teilnahme an Übungen mit den Athenern grundsätzlich verwehrt worden wäre. Die Zulassung eingeborener Fremder zum Training mit den Bürgern kann zwar nicht ohne jeden Zweifel belegt werden, aber eingedenk dieser Überlegungen darf es zumindest als möglich, vielleicht sogar als wahrscheinlich gelten. II.6.3 Die Bedeutung des Wohnortswechsels Tatsächliche Unterschiede zwischen eingeborenen und fremdgeborenen ansässigen Fremden sind, abgesehen von der eventuellen Möglichkeit, an der athenischen Militärausbildung teilzuhaben, also nicht festzustellen. Dennoch messen manche Forschungsbeiträge dem Geburtsort eines ansässigen Fremden auf mehr oder weniger direktem Wege eine erhebliche Bedeutung bei: Häufig stellt nämlich der Wohnortswechsel ein zentrales Element der Definition eines métoikos dar – und zwar sowohl in modernen wie auch in antiken Definitionen. So wird der Wechsel des Wohnortes in der Erklärung des Lexikographen Harpokration als das konstituierende Merkmal eines métoikos betont.746 Als modernes Beispiel mag die Begriffsdeutung von Athina Dimopoulou-Piliouni dienen, in deren Definition ebenfalls die Freiwilligkeit der Übersiedelung zentral ist.747 Wer aber als ansässiger Fremder in Athen geboren wurde, hat einen solchen Wohnortswechsel nie vollzogen und wäre streng genommen damit auch nicht von der Definition eines métoikos erfasst. Besonders deutlich wird die Bedeutung, welche die Forschung dem Wohnortswechsel als zentralem Charakteristikum eines métoikos zuschreibt, in der Übersetzung dieser Bezeichnung. Der Begriff métoikos setzt sich zusammen aus der Vorsilbe metá und dem Verb oikeín. Während die Bedeutung des Verbs im Sinne von ‚wohnen‘ oder ‚bewohnen‘ in dieser Komposition fraglos sein dürfte, ist es mit metá schon schwieri-

746 Harp. s. v. μετοίκιον: μέτοικος μέν ἐστιν ὁ ἐξ ἑτέρας πόλεως μετοικῶν ἐν ἑτέρᾳ καὶ μὴ πρὸς ὀλίγον ὡς ξένος ἐπιδημῶν, ἀλλὰ τὴν οἴκησιν αὐτόθι καταστησάμενος. 747 Vgl. Dimopoulou-Piliouni 2008, S. 29f: „a metic […] was the citizen of another city, who chose to leave his natal city and move and live permanently into another. A metic was a willingly expatriated foreigner, a free man making his living permanently abroad, one who had never lost his civic status or rights in his natal city.“ Zum Bürgerrecht in einer anderen Polis s. Kap. II.7.

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ger. Die Präposition kann sowohl die Bedeutung ‚inmitten, dazwischen‘ tragen748 als auch eine Veränderung implizieren.749 Je nachdem, welche dieser beiden Bedeutungen vorgezogen wird, kann metoikeín entweder ‚dazwischen wohnen / inmitten wohnen‘ meinen oder ‚umsiedeln‘.750 Dementsprechend wird der métoikos in der Übersetzung entweder zum ‚Mitbewohner‘ oder zum ‚Umsiedler‘. Beide Varianten kursieren in der Forschungsliteratur. Die Frage, wie bedeutend der Wechsel des Wohnortes für den métoikos war, ist somit auch für die Übersetzung relevant. Der in der Forschung angewandten Differenzierung eingeborener und fremdgeborener ansässiger Fremder begegnet man stellenweise auch in den Quellen – allerdings nicht zur Beschreibung von freien Personen, sondern nur bezogen auf Sklaven. So wurde ein Unfreier, der bereits in frühester Kindheit in den Haushalt seines Besitzers kam (oder gar dort geboren war), als oikogenḗs bezeichnet.751 Dies galt wohl als ein Gütemerkmal, das einer besonderen Betonung wert war: Zum einen wird vermutet, dass im Hause geborene Sklaven in der Regel ein innigeres Verhältnis zu ihrem Besitzer pflegten,752 zum anderen wurde ihnen eine besondere Loyalität zu ebendiesem nachgesagt.753 Dagegen ist weder die Bezeichnung eines ansässigen Fremden als oikogenḗs in den Quellen zu finden,754 noch wird die Geburt in Athen (gegenüber der Einwanderung) an irgendeiner Stelle besonders betont.755 Ähnlich verhält es sich auch in Bezug auf die Kollektivbezeichnungen astoí und epichṓrioi. In beiden Termini waren ansässige Fremde in der klassischen Zeit756 wohl mitgedacht und mitgemeint,757 denn die lokale Zugehörigkeit steht hier, anders als beim Begriff polítēs, mehr im Zentrum als die statusrechtliche:758 Während der polítēs als ‚Bürger‘ übersetzt werden kann, ist der astós eher als ‚Einwohner‘ aufzufassen,759 748 So bspw. in den Komposita μεταίτιος (‚mitschuldig‘), μεταλαμβάνω (‚einen Teil mithaben‘), μέτειμι (‚dazwischen gehen, hinzugehen‘). In diesem Sinne dürfte der métoikos-Begriff z. B. in And. 1, 144 verwendet worden sein. 749 Z. B. in μεταβάλλω (‚umwenden, verändern‘) oder μετακαθέζομαι (‚sich umsetzen‘). 750 Z. B. Whitehead 1977, S. 6f. 751 Vgl. LSJ s. v. οἰκογενής. So werden etwa in den sog. Attic Stelai Inscriptions (IG I3 421–IG I3 426) insgesamt drei der 45 Sklaven als oikogenḗs bezeichnet; vgl. Zelnick-Abramovitz 2005a, S. 180, ebenso Plat. Men. 82b. In nichtathenischen Quellen ist die Bezeichnung eingeborener Sklaven als threptoí üblich, vgl. Zelnick-Abramovitz 2005a, S. 174. 752 Vgl. u. a. Zelnick-Abramovitz 2005a, S. 178, die das Verhältnis zwischen einem oikogenḗs zu seinem Herrn mit dem eines Stiefkindes vergleicht. 753 So etwa in Demosth. 53, 19. 754 Eine Ausnahme bildet unter den attischen Werken einzig Aristoph. Pax 781–790. 755 So betont Lysias in seiner Rede gegen Eratosthenes (Lys. 12 besonders 2–5, aber passim) zwar, dass er stets konform mit den Regeln der Polis gelebt habe und sich Athen allgemein verbunden fühlte; aber dass er in Athen geboren wurde (Plut. Mor. 835c), erwähnt er nicht – vielleicht, weil es, anders als bei den Unfreien, nicht als erwähnenswert gegolten hätte. 756 Zur Veränderung der Bezeichnungen astós/astoí und polítēs/polítai vgl. Blok 2005 passim. 757 Vgl. Cohen 2000, S. 57; Beck 2020, S. 29f. 758 Vgl. Cohen 2000, S. 50–63; Beck 2020, S. 30. 759 Vgl. Cohen 2000, S. 50: „a local person“; Beck 2020, S. 30: „residents or townsmen“.

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was sich etwa darin niederschlägt, dass astós/astoí in den Quellen häufig als Kontrastbegriffe der Bezeichnung xénos/xénoi gegenübergestellt werden.760 Die Zugehörigkeit zu den astoí bzw. zu den epichṓrioi wird also einerseits durch eine physische Komponente determiniert,761 zum anderen aber auch durch eine gewisse Ortskundigkeit: astoí kennen die Polis, ihre Menschen und ihre Umstände und verfügen damit, anders als xénoi, über Insiderwissen.762 Wie Hans Beck hervogehoben hat, ist die Betonung des Lokalen im Falle der Bezeichnung epichṓrios/epichṓrioi763 sogar noch stärker, immerhin steckt chōríon, bzw. chṓra hier schon im Namen.764 Mehr noch seien epichṓrioi Teil und Teilhaber lokaler Identität: Sie leben nicht einfach nur in der Polis, sondern sie formen die Gemeinschaft.765 Dies tritt besonders stark im religiösen Kontext zutage und zwar einerseits durch die Teilhabe ansässiger Fremder an Kulten, andererseits durch die Einführung und Ausübung fremder Kulte in Athen.766 Die Inklusion ansässiger Fremder in die Kollektivbezeichnungen darf sicherlich als ein wichtiges Indiz für ihre zumindest in einigen Kontexten zentrale Stellung in der Gemeinschaft gelten. Gleichzeitig gibt es keine Anhaltspunkte für die Annahme, dass der Geburtsort, bzw. die Geburt in Athen oder die Zuwanderung später im Leben, irgendeinen Unterschied dafür ausachten, ob ein ansässiger Fremder als astós oder epichṓrios galt. Ein epichṓrios ist also eher als Einheimischer zu verstehen767 denn als Eingeborener.768 Dass die Athener keine sprachliche Unterscheidung zwischen eingeborenen und fremdgeborenen ansässigen Fremden vornahmen, geht d’accord mit dem Schluss, dass die Herkunft kein Kriterium zur Differenzierung ansässiger Fremder darstellte.769 In seinem Werk zu den ansässigen Fremden behauptet David Whitehead, dass der Terminus métoikos unweigerlich eine Veränderung des Wohnortes impliziere und die Übersetzung als ‚Mitbewohner‘ demnach zu verwerfen sei.770 Zur Begründung führt er Aristoteles’ Bemerkung an,771 die homerischen metanástai seien mit den métoikoi vergleichbar. Da die Bedeutung von metá in den metanástai ganz unzweifelhaft die 760 Z. B. in Hdt. 2, 160, 4; Thuk. 2, 34, 4; Demosth. 59, 16; Aristot. Pol. 1300b 31–32; vgl. Cohen 2000, S. 51–53. 761 Auch hier im Kontrast zu dem Begriff polítēs: Wie Aristoteles (Aristot. Pol. 1275a 7–8) klar macht, kann auch polítēs sein, wer gar nicht in der Polis wohnt (vgl. Cohen 2000, S. 53), solange er seine politischen Rechte noch ausübt (Aristot. Pol. 1275b 17–22), vgl. Blok 2007, S. 15. 762 Vgl. Beck 2020, S. 30, dazu auch Kap. III.3.1 dieser Arbeit. 763 Zur Verwendung der Termini epichṓrios/epichṓrioi in den Quellen vgl. Ambaglio 2001 passim. 764 Vgl. Beck 2020, S. 29. 765 Beck 2020, S. 30: „They [i. e. die epichṓrioi, F. L.] are active agents of an identity of place.“ 766 Zu fremden Kulten in Athen s. Kap. III.5.3, zur Einbindung ansässiger Fremder in diese Kulte s. Kap. III.5.2. 767 So auch schon Beck 2020, S. 29. 768 Contra Cohen 2000, S. 53, der epichṓrioi als ‚natives‘ übersetzt. 769 Vgl. Kap. II.1.3. 770 Vgl. Whitehead 1977, S. 6f. 771 Vgl. ebd.; Aristot. Pol. 1278a 35–38.

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eines Ortswechsels sei, wäre diese auch für die métoikoi zu bevorzugen.772 An derselben Stelle verweist Whitehead auch auf Lexikographen, die den Terminus métoikos beschönigend anstatt des pejorativen metanástēs verwenden würden.773 Diese Deutung ist aber problematisch, denn Aristoteles’ Gegenüberstellung der beiden Begriffe muss nicht zwangsläufig bedeuten, dass metanástēs und métoikos gänzlich synonym waren. Vielmehr scheint Aristoteles metanástēs und métoikos als ein Begriffspaar zu verstehen, das einen ähnlichen, aber keineswegs genau denselben Sachverhalt ausdrückt. Dieser Einwand wiegt umso schwerer in Anbetracht des Kontextes des Textauszuges: Es geht an dieser Stelle nämlich überhaupt nicht um das Umsiedeln als solches, sondern um den fehlenden Zugang zu Ämtern und Ehre. Es ist durchaus möglich, dass Aristoteles den metanástēs als Vergleich zum métoikos anführt, weil ihm der Zugang zu Ehren und Ämtern ähnlich erschwert war. Damit rückt vielmehr die Vergleichbarkeit des metanástēs und des métoikos hinsichtlich ihres Lebens in einer Gemeinde, in der sie ähnlich isoliert waren, in den Vordergrund und nicht, wie Whitehead meint, dass sie von außerhalb in die Gemeinde kamen. So betrachtet, ist es plausibler, das Präfix metá in der Bedeutung ‚inmitten‘ zu verstehen, denn genau darum geht es schließlich in dem Textauszug. Als zweiten Beleg verweist Whitehead darauf, dass metoikéō in den Quellen entweder ‚als métoikos irgendwo leben‘ oder ein Umsiedeln im engsten Sinne meint.774 Die erste mögliche Bedeutung stuft Whitehead als nicht hilfreich ein und plädiert dafür, weil metoikeín als ‚umsiedeln‘ übrig bleibt, diese Übersetzung zu präferieren.775 Einer kritischen Überprüfung vermag aber auch dieser vermeintliche Beleg nicht standzuhalten: So steckt doch gerade in der Bedeutung von metoikeín als ‚metá-oíkos sein‘ genau die Ebene des ‚Inmittenwohnens‘ – jedenfalls deutlich mehr als die des Umsiedelns. Da jene die häufigste Bedeutung von metoikéō ist, wie Whitehead selbst einräumt,776 ist folgerichtig eine Übersetzung, die das Leben als métoikos betont, gegenüber einer, die den Vorgang des Umsiedelns in den Vordergrund stellt, vorzuziehen. Hinzu kommt auch, dass die Bezeichnung métoikos in zweifelsfreier Bedeutung als ‚Mitbewohner‘ in den Quellen durchaus auftaucht.777 Im Hinblick auf die Wortbe-

772 Vgl. Whitehead 1977, S. 6. 773 Vgl. ebd.: „The Mitbewohner-School naturally dismisses lexicographers and scholiasts, who gloss metánastēs with métoikos“. Eine konkrete Quellenstelle oder auch nur den Namen eines der benannten Lexikographen bleibt Whitehead jedoch schuldig. 774 Vgl. ebd.; als Quellenbelege führt Whitehead Eur. Hipp. 836–838; Demosth. 23, 39 sowie Plat. Crit. 51d auf. 775 Vgl. ebd.: „The most common meaning of the verb metoíkein in the Classical period is (unhelpfully) ‚to be a métoikos‘, but metoikeín as ‚migrate‘ does survive“. 776 Vgl. ebd. 777 So bezeichnet Aischylos etwa die Vögel als Mitbewohner des Himmels, der eigentlich den Göttern gehöre: Aischyl. Ag. 55–59; vgl. Patzek 995, S. 35.

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deutung ist damit nicht festzustellen, dass in métoikos ein Wohnortswechsel des Bezeichneten fest verankert war. II.6.4 Fazit: Der métoikos als Mitbewohner Das vorangegangene Kapitel hat sich mit der Bedeutung des Geburtsortes für einen ansässigen Fremden in Athen auseinandergesetzt. Dabei stand zunächst die Frage im Vordergrund, ob es in Athen überhaupt eingeborene Fremde gab oder ob – wie stellenweise in der Forschung vermutet wurde – in Athen Geborene in der Regel die politeía erhielten und damit in die Reihen der Bürger aufgenommen wurden. Diese These darf als widerlegt gelten: Insbesondere die Existenz von Familien, die bereits seit mehreren Generationen in Athen als ansässige Fremde lebten, zeigt, dass eine Geburt in Athen nicht unweigerlich, noch nicht einmal regelmäßig, zur Aufnahme als Bürger führte. Auch in anderen Bereichen, so haben die vorangegangenen Ausführungen gezeigt, hat eine Geburt in Athen nicht dazu geführt, dass ein ansässiger Fremder sich in einer deutlich anderen Position befand als seine zugezogenen Pendants: So ist selbst die in der Forschung hin und wieder postulierte Ununterscheidbarkeit zwischen eingeborenen Fremden und Bürgern allenfalls oberflächlich. Einzig im militärischen Bereich könnte es eine Differenz zwischen eingeborenen und den zugezogenen Fremden gegeben haben: Eventuell durften in Athen Geborene an der militärischen Ausbildung der Athener teilhaben.778 Welche Konsequenz dies für ihr Leben in Athen möglicherweise hatte, wird in einem späteren Kapitel dieser Arbeit zu prüfen sein.779 Eng verbunden mit der Frage nach der Bedeutung einer Geburt in Athen war auch die nach der Bedeutung des Wohnortswechsels. Der Eindruck, dass der Wechsel des Wohnortes ein wichtiges Merkmal eines métoikos darstellte, wie er in einigen Forschungsbeiträgen vermittelt wird, konnte nicht bestätigt werden: So lässt sich nicht erkennen, dass die Athener den Geburtsort eines ansässigen Fremden in ihrer Stadt besonders hervorhoben. Auch die Behauptung, dass der Wechsel des Wohnortes schon in der Bezeichnung als métoikos verankert und damit immanenter Teil dieses Konzepts gewesen sei, konnte einer kritischen Überprüfung nicht standhalten. Zwei Erkenntnisse sind angesichts der vorangegangenen Untersuchungen festzuhalten: Erstens ist aufgrund der nur geringen – und auch nicht ohne jeden Zweifel feststellbaren – Unterschiede zwischen Eingeborenen und Zugezogenen das Merkmal des Geborenseins in Athen oder außerhalb Athens kein geeignetes Differenzierungskriterium innerhalb der Gruppe der ansässigen Fremden. Damit verbunden ist, zweitens,

778 Zur Frage, ob es überhaupt Trainings der athenischen Hopliten gab: S. 216 n 78. 779 Dazu Kap. III.1.

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der Wohnortswechsel kein konstituierendes Merkmal eines métoikos. In diesem Sinne ist der métoikos eher als ‚Mitbewohner‘ denn als ‚Einwanderer‘ zu übersetzen und zu verstehen: Eine Geburt in Athen war für die metoikía kein Ausschlusskriterium und eine vorherige Residenz in einer anderen Polis keine Voraussetzung. II.7 Bürgerrecht in einer anderen Polis Das vorangegangene Kapitel hat gezeigt, dass es sowohl ansässige Fremde in Athen gab, die in der Stadt geboren waren, als auch solche, die zugezogen waren. Wer aber aus einer anderen Stadt nach Athen kam, um dort als ansässiger Fremder zu leben, der trug nicht selten ein besonderes Zeichen des Fremdseins in der neuen Polis: Das Bürgerrecht andernorts. Dieses Merkmal einiger ansässiger Fremder in Athen ist in der Forschung viel diskutiert worden. So wurde etwa hinterfragt, ob es überhaupt möglich war, als ansässiger Fremder in Athen zu leben und Bürger einer anderen Polis zu bleiben, oder ob das eine das andere gänzlich ausschloss, um nur ein Beispiel hitziger Forschungsdiskussionen zu nennen. Dabei scheiden sich die Meinungen nirgends so sehr wie in Bezug auf den Bürgerstatus der ansässigen Fremden in einer anderen Polis: Während die einen das Bürgerrecht mit dem Beginn des Lebens als ansässiger Fremder erloschen sehen, interpretieren es andere sogar als konstituierendes Merkmal eines métoikos. Betont ein Teil der Forschung die vermeintlichen Nachteile, die entstanden, wenn jemand als Bürger einer fremden Polis in Athen lebte, so weisen andere darauf hin, dass die Träger eines Bürgerrechts gegenüber denjenigen, die überhaupt nirgends dazugehörten, immer im Vorteil waren. Aufgabe des folgenden Kapitels wird es sein, zu prüfen, ob das Merkmal des Bürgerrechts nicht nur die Forschung spaltet, sondern auch geeignet ist, die Gruppe der ansässigen Fremden zu differenzieren: in diejenigen, die das Bürgerrecht in einer anderen Polis trugen, und diejenigen, die ohne fremdes Bürgerrecht in Athen lebten. II.7.1 Bürger anderer Poleis in Athen Zunächst ist zu prüfen, ob das Bürgerrecht überhaupt weiter bestand, wenn die betreffende Person ein Leben fernab der Heimat als ansässiger Fremder in Athen führte. Die Forschung ist in dieser Frage tief gespalten: Dabei spricht sich ein nicht unerheblicher Teil dafür aus, dass das Leben als ansässiger Fremder die Aufgabe des Bürgerrechts bedeutete.780 Dem entgegen steht allerdings, dass in den Quellen durchaus Fälle belegt 780 Vgl. de Ste. Croix 1983, S. 95; Coşkun 2014a, S. 104; Bäbler 1998, S. 46; Wilamowitz 1887b, S. 234f sowie 239; Clerc 1893, S. 245–248; dagegen aber: Whitehead 1977, S. 72; Hansen 1991, S. 117; Hansen 1986, S. 9; Hansen/Isager 1975, S. 69; Dimopoulou-Piliouni 2008, S. 29f.

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sind, in denen Personen als ansässige Fremde in Athen lebten und das Bürgerrecht in ihrer Heimat beibehielten. Als Beispiel hierfür mag der Philosoph Zenon dienen. Im phönizischen Kition geboren, verbrachte er den Großteil seines Lebens als ansässiger Fremder in Athen,781 behielt aber in dieser Zeit sein Bürgerrecht.782 Als die Athener ihm die politeía verleihen wollten, lehnte Zenon sogar ab: Er habe nicht den Eindruck erwecken wollen, seiner Heimatstadt untreu geworden zu sein.783 Was die zahlreichen Grabinschriften für Fremde betrifft, hat bereits Ulrich v.  Wilamowitz zu bedenken gegeben, dass die Nennung des Ethnikon kein eindeutiger Beleg dafür sei, dass ein ansässiger Fremder in Athen sein Bürgerrecht in der Heimat behalten konnte. Vielmehr erfülle die Angabe der Herkunft hier eine deskriptive Funktion und bezeichne keine politische Zugehörigkeit.784 Auch David Whitehead teilte diese Auffassung noch viele Jahre später.785 Seine Position ist allerdings überraschend: Im selben Werk erklärt Whitehead die Abwesenheit der Bezeichnung métoikos auf den Grabinschriften für ansässige Fremde damit, dass die Verstorbenen es vorgezogen hätten, sich mit der höchsten Designation, nämlich der eines Bürgers einer Polis, zu identifizieren.786 Die Frage ist aber, ob das Ethnikon, wenn es keine politische Zugehörigkeit ausdrückt, tatsächlich über die Identität als ansässiger Fremder in Athen gestellt werden würde. Hier darf man kritisch sein: Es wäre doch sehr unwahrscheinlich, dass das Ethnikon, das in diesem Falle nur Herkunft und nicht Zugehörigkeit oder gar Status ausdrückte, als Designation bevorzugt würde. Ein weder von Wilamowitz noch von Whitehead angeführtes Argument für die Untauglichkeit der Ethnika als Belege für ein anderswo bestehendes Bürgerrecht ist derweil die Verwendung des Ethnikon bei Freigelassenen in genau derselben Weise. Dies ist etwa der Fall in einigen Freilassungsinschriften, in denen unter anderem die ethnische Zugehörigkeit der ehemaligen Sklaven festgehalten wurde.787 Weil die Identität als Bürger an die persönliche Freiheit einer Person geknüpft war und im Moment der Versklavung erlosch, sollten Freigelassene eigentlich auch nicht mit einem Ethnikon beschrieben werden. Selbst wenn gemäß Whitehead die auf den Grabsteinen verzeich-

781 Vgl. Adak 2003, S. 221. 782 Diog. Laert. 7, 1, 12. Davon, dass Zenon durch sein Leben in Athen das Bürgerrecht in seiner Heimat nicht verloren hat, zeugt auch, dass er wohl darauf bestand, in Spendeninschriften nicht nur als Philosoph, sondern insbesondere mit seinem Ethnikon aufgeführt zu werden (Diog. Laert. 7, 1, 12), vgl. Adak 2003, S. 221 n 948. 783 Plut. Mor. 1034a; vgl. Adak 2003, S. 222 sowie Sonnabend 1996, S. 320f. 784 Vgl. Wilamowitz 1887b, S. 234–246. 785 Vgl. Whitehead 1977, S. 71, wobei Whitehead nur die Grabsteine als Beweis für das Weiterbestehen des Bürgerrechts verwirft, sich aber anhand anderen Quellenmaterials sehr wohl dafür ausspricht. Dagegen Hansen, der die Nennung des Geburtsortes (in Form des Ethnikon) als unzweideutigen Beleg für den Bürgerstatus des Benannten an ebendiesem Ort versteht, vgl. Hansen 1991, S. 117. 786 Vgl. Whitehead 1977, S. 33: „metics never use the oikṓn en-designation, (nor call themselves métoikoi) but give themselves their highest status-title.“, ähnlich auch Akrigg 2015, S. 166. 787 Bspw. IG IX,1 331, SGDI 1685, SGDI 1689, SGDI 2016; vgl. Zelnick-Abramovitz 2005a, S. 172f.

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neten Ethnika nicht als Beleg für ein bestehendes Bürgerrecht des Verstorbenen gelten könnten, wohnt der Nennung des Ethnikon doch eine andere wichtige Bedeutung inne: Das Ethnikon auf dem eigenen Epitaph zu verewigen ist nicht zuletzt Ausdruck eines Zugehörigkeitsgefühls. Ob der Verstorbene bei Rückkehr in seine Heimat alle Rechte eines Bürgers problemlos hätte für sich beanspruchen können, mag durch die Grabinschriften nicht ohne jeden Zweifel belegt werden, wohl aber, dass sich der Benannte einer anderen Polis zugehörig empfand. Angesichts dessen dürften auch die Grabinschriften, auf denen die Verstorbenen mit ihren Ethnika benannt sind, als Indiz für ein zumindest denkbares Weiterbestehen des Bürgerrechts gelten. Die Quellen belegen zudem, dass Athener durch einen längeren Aufenthalt andernorts ihr Bürgerrecht nicht verloren.788 Solch ein Fall ist mit dem in der 31. Rede des Lysias genannten Philon belegt, der eine Weile als Fremder in Oropos verbrachte. Kaum nach Athen zurückgekehrt, brachte er sich wohl ins Rennen um ein öffentliches Amt789 und beanspruchte damit eines der wichtigsten bürgerlichen Rechte überhaupt für sich: die Mitgliedschaft im Rat der 500.790 Weitere Beispiele sind Aphobos, der eine Zeit in Megara ansässig war,791 und Leokrates, der nach der Schlacht bei Chaironeia zunächst nach Rhodos und dann nach Megara auswanderte.792 Allen gemeinsam ist, dass sie bei ihrer Rückkehr nach Athen ihre Bürgerrechte anscheinend wieder in Anspruch nehmen konnten, denn in den gegen sie vorgebrachten Klagen wird nicht ihr Status als Bürger an sich, sondern vielmehr ihr Wert als Bürger in Zweifel gezogen:793 Dass sie Athen verlassen haben, wird ihnen zwar zum Vorwurf gemacht, aber dass sie tatsächlich Bürger sind, steht nicht in Frage. Alle bis hierhin aufgeführten Fälle lassen eigentlich nur eine Schlussfolgerung zu: Das Bürgerrecht einer Polis zu besitzen und als ansässiger Fremder in einer anderen zu leben war durchaus möglich. Es drängt sich aber die Frage auf, ob diejenigen, welche die Bürgerschaft in der einen Polis hatten und in einer anderen lebten, nicht geradezu 788 Vgl. Whitehead 1977, S. 72; MacDonald 1983, S. 386; Hansen 1982, S. 180f. 789 Lys. 31, 8–10: Philon wurde unter den Dreißig aus der Stadt vertrieben und flüchtete sich zunächst aufs Land. Als sich die Gegner der Dreißig aber im Piräus sammelten, um Athen von der Herrschaft der Dreißig zu befreien, habe Philon das Gegenteil von dem getan, was von einem guten Bürger zu erwarten gewesen wäre (Lys. 31, 5): Statt zu kämpfen, verzog sich Philon nach Oropos und wartete dort, bis alles vorbei war. Dieser Verrat ist das Hauptargument für Philons Ungeeignetheit, ein öffentliches Amt zu besetzen, die Lysias in seiner Rede beweisen will. 790 Vgl. Whitehead 2006, S. 133f. 791 Demosth. 29, 3. 792 Lykurg. 5; ähnlich auch Lykurg. 21. 793 Besonders eindrucksvoll etwa in Lys. 31, 6: ὅσοι δὲ φύσει μὲν πολῖταί εἰσι, γνώμῃ δὲ χρῶνται ὡς πᾶσα γῆ πατρὶς αὐτοῖς ἐστιν ἐν ᾗ ἂν τὰ ἐπιτήδεια ἔχωσιν, οὗτοι δῆλοί εἰσιν ὅτι κἂν παρέντες τὸ τῆς πόλεως κοινὸν ἀγαθὸν ἐπὶ τὸ ἑαυτῶν ἴδιον κέρδος ἔλθοιεν διὰ τὸ μὴ τὴν πόλιν ἀλλὰ τὴν οὐσίαν πατρίδα ἑαυτοῖς ἡγεῖσθαι. (Denn diejenigen, die durch Geburt Bürger sind, aber die Meinung vertreten, dass jedes Land ihr Vaterland sein könnte, in dem es ihnen gut geht, betrachten offenbar das Gemeinwohl des Staates nur als privaten Vorteil für sich selbst, weil sie nicht die Stadt, sondern ihr Vermögen als ihre Heimat betrachten. Griech. Text: Carey, Übers.: Huber).

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dazu prädestiniert waren, sich früher oder später dem Vorwurf eines Loyalitätskonflikts ausgesetzt zu sehen – schließlich symbolisiert nichts so sehr die andauernde Verbundenheit mit der Heimat wie ein bestehender Status als Bürger. Diese Bedenken brachten etwa Zenon dazu, das ihm angebotene athenische Bürgerrecht abzulehnen.794 Dem Vorwurf, gegenüber der eigene Heimat illoyal gewesen zu sein, sehen sich in den Quellen einige Personen ausgesetzt, die nach längerer Abwesenheit wiederkehrten: Dem bereits genannten Philon etwa bescheinigt Lysias, aufgrund seiner Zeit in Oropos für die Übernahme eines Amtes ungeeignet zu sein.795 Ähnlich wird auch der Aufenthalt des Leokrates in Rhodos und Megara als Illoyalität gegenüber den Athenern gewertet,796 und Aphobos’ schlechter Charakter wird von Demosthenes vor allem daran verdeutlicht, dass er Athen für eine längere Zeit ohne Scham verließ.797 All diese Beispiele zeigen zwar, dass es durchaus Bedenken denjenigen gegenüber gab, die ihre Heimat verließen, um anderswo zu leben – allerdings scheinen dies nur die Bedenken einer Seite gewesen zu sein: Die Vorwürfe, mögen ihnen wie im Falle von Philon, Leokrates oder Aphobos Tatsachen oder wie im Falle von Zenon nur Erwartungen zugrunde liegen, werden allenfalls von der verlassenen Polis erhoben. Ein umgekehrter Fall ist nicht belegt: Dass eine Person ein Bürgerrecht in einer fremden Stadt hatte, scheint zumindest für die Athener kein Grund gewesen zu sein, Misstrauen ihr gegenüber zu hegen. Vielleicht war sogar das Gegenteil der Fall: Athen zur Heimat zu machen war eine gute Wahl – zumindest in den Augen der Athener. Problematisch waren für sie allein athenische Bürger, die andernorts lebten.798 Bürger einer fremden Stadt zu sein wurde freilich dann zum Nachteil, wenn die Heimatstadt in ernsthaftem Konflikt mit der Wahlheimat lag. So dürften durch das megarische Psephisma ansässige fremde Händler aus Megara das Nachsehen gehabt haben.799 Problematisch war zudem, dass Bürger der gegnerischen Stadt vorzügliche Geiseln abgaben: So wurden sämtliche Böotier in Athen in Gewahrsam genommen, als die Thebaner über Plataiai herfielen.800 Auch die Kerkyraier sahen ihre in Athen lebenden Landsleute in ernsthafter Gefahr, als sie begannen, sich gegen die Athener aufzulehnen.801 Für sie kam jedoch jede Warnung zu spät: Die Athener nahmen nicht nur die von den Kerkyraiern geschickten Gesandten fest, sondern alle Kerkyraier, die

794 Plutarch (Plut. Mor. 1034a) berichtet, er habe nicht untreu erscheinen wollen, vgl. Adak 2003, S. 222 sowie Sonnabend 1996, S. 320f. 795 Lys. 31, 9. Zu bedenken ist allerdings, dass diese Rede nicht in einem gerichtlichen Kontext gehalten wurde, sondern im Rahmen der Dokimasie des Philon, vgl. Whitehead 2006, S. 133. 796 Lykurg. 1. 797 Demosth. 29, 3. 798 Ähnlich Kears 2013, S. 252 sowie S. 255. 799 Dagegen MacDonald 1983, S. 386, der davon ausgeht, dass métoikoi von den Einschränkungen ausgeschlossen waren. 800 Thuk. 2, 6, 2. 801 Thuk. 3, 71, 2.

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sie zu fassen bekamen.802 Umgekehrt konnte ein fremdes Bürgerrecht natürlich auch Vorteile bringen, wenn zwischen der Heimatstadt und der Wahlheimat Abmachungen bestanden, in deren Rahmen Bürger der einen Polis während ihres Aufenthaltes in der Partnerpolis bestimmte Privilegien erhielten.803 Freilich sind sowohl die konkreten Nachteile als auch Vorteile nur im Einzelfall und in bestimmten Konstellationen von Herkunftspolis und Wahlheimat von Relevanz.804 Grundsätzlich ist aber, zumindest bis hierhin, nicht festzustellen, dass sich ein fremdes Bürgerrecht auf das Leben in Athen auswirkte: Weder wurden Bürger anderer Poleis davon abgehalten, sich in Athen niederzulassen, noch scheinen die Athener ihnen gegenüber Misstrauen oder gar Ressentiments gehabt zu haben. II.7.2 Apólides als ansässige Fremde in Athen Auf der anderen Seite gibt es auch genug Fälle, in denen ansässige Fremde kein Bürgerrecht in einer anderen Polis besessen haben dürften. Zu denken ist hier vor allem an Freigelassene, aber auch an Personen, die in ihrer Heimatstadt das Bürgerrecht bspw. aus politischen Gründen verloren hatten und nach Athen ins Exil gegangen sind.805 In den Quellen werden diese Personen, die keiner Polis angehörten, in der Regel als apólides bezeichnet, so u. a. bei Herodot, Isokrates, Platon, Xenophon und Lysias.806 Auch wenn ein bestehendes Bürgerrecht keine Auswirkungen auf das Leben als ansässiger Fremder in Athen hatte, so muss dies nicht auch für das Gegenteil gelten – schließlich waren die Vorbehalte gegenüber Heimatlosen und Landstreichern im antiken Denken fest verankert. Dies wird in Aristoteles’ Feststellung deutlich, dass ein Mann ohne Polis seiner Menschlichkeit beraubt sei,807 in der Pejorisierung des Begriffs des metanástēs808 sowie in dem Umstand, dass die schwerste Strafe für einen Bürger Athens das Exil gewesen zu sein scheint.809 Nicht zuletzt kommt in einigen Quellen

802 Thuk. 3, 72, 1. 803 So etwa IG IX,12 3.717 (= HGIÜ 48): In diesem Abkommen vereinbaren Chaleion und Oiantheia diverse Schutzverpflichtungen gegenüber den Bürgern der jeweils anderen Polis, solange diese sich auf dem eigenen Staatsgebiet aufhielten. Dies gilt besonders in Fällen, in denen zwei Poleis ein isopolitisches oder ein sympolitisches Verhältnis begründeten, vgl. Funke 2006, S. 5. Eine solche Beziehung ist für Athen allerdings nicht belegt. 804 Ähnlich auch Takabatake 1988, S. 455. 805 Vgl. Whitehead 1977, S. 72. 806 Hdt. 8, 61; Isokr. 14, 55; Isokr. 8, 44; Plat. Nom. 928e; Xen. Hell. 6, 3; Lys. 20, 35. 807 Aristot. Pol. 1253a 28–29, ähnlich auch Isokr. 10, 8; vgl. dazu u. a. MacKechnie 1989, S. 19f. 808 Der Begriff wird in den homerischen Epen zweimal gebraucht (Hom. Il. 9, 648 sowie Hom. Il. 16, 59) und ist in beiden Fällen mit atímētos verbunden, was auf eine Stellung als ‚Ehrloser‘ oder ‚Unehrenhafter‘ verweist, vgl. Erdtmann 2013, S. 56; Whitehead 1977, S. 6; Takabatake 1988, S. 452. 809 So etwa in Lys. 20, 35; Isokr. 14, 55; vgl. Garland 2014, S. 137; McKechnie 1989, S. 21f.

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auch ein Misstrauen gegenüber Heimatlosen zum Ausdruck:810 So befürchtet Isokrates, dass die Heimatlosen sich organisieren könnten und so eine ernsthafte Gefahr für die Stadt darstellten,811 weswegen es strenge Sicherheitsvorkehrungen gab, wenn solche Personen die Stadt betraten.812 Ferner liegt diese Einstellung der Griechen wohl auch denjenigen Theorien zugrunde, welche die Vermeidung der Bezeichnung des Verstorbenen als métoikos auf den Grabsteinen zugunsten des Ethnikon als einen Versuch deuten, sich um des Prestiges willen eher als Bürger einer fremden Polis denn als Fremder in Athen auszuweisen.813 All diese Vorbehalte gegen Heimatlose finden sich in Bezug auf die in Athen lebenden apólides allerdings nicht wieder. Ganz im Gegenteil erweckt der Quellenbefund den Anschein, dass Heimatlose den Athenern als ansässige Fremde sogar sehr willkommen waren: So waren die apólides eine erklärte Zielgruppe der von Xenophon vorgeschlagenen Maßnahmen zur Verbesserung der athenischen Verhältnisse.814 Diese Erkenntnis ist aber eigentlich wenig überraschend: Wer keine Heimat mehr hatte, in die er zurückkehren konnte, der war bemüht, sich ein Zuhause in Athen zu schaffen.815 Gerade diese Menschen waren es, die am ehesten auch in Krisenzeiten in Athen blieben.816 Dass die Athener apólides nicht geringschätzten, zeigt sich außerdem auch darin, dass einigen von ihnen Ehrungen zuteilwurden: So erhielten die bereits an anderer Stelle ausführlich behandelten Freigelassenen Phormion und Pasion, die aufgrund ihrer sklavischen Vergangenheit sicherlich keine Bürger andernorts waren, sogar das athenische Bürgerrecht.817 Selbst die Proxenie blieb einigen apólides nicht verwehrt.818 II.7.3 Ein fremdes Bürgerrecht als Ausschlusskriterium für die metoikía? Teile der Forschung haben eine fremde politeía als Differenzierungskriterium innerhalb der Gruppe der ansässigen Fremden gewertet. Dabei wurde vor allem die Möglichkeit einer Rückkehr in diejenige Polis, in der die betreffende Person das Bürgerrecht besaß, als ein entscheidender Unterschied zwischen ansässigen Fremden mit 810 811 812 813 814 815 816 817 818

Vgl. Fuks 1984b, S. 29f; McKechnie 1989, S. 27. Z. B. in Isokr. 5, 121. Ain. Takt. 9–10 und besonders Ain. Takt. 10, 5–7. Vgl. Whitehead 1977, S. 33; Akrigg 2015, S. 166. Xen. Vect. 2, 7. Mavrogordatos interpretiert die Stelle gar dergestalt, dass Xenophon sogar ein bestehendes Bürgerrecht entziehen will, vgl. Mavrogordatos 2014, S. 46. Anhand dieser Quelle ergibt sich ein solcher Schluss m. E. jedoch nicht. Ähnlich auch schon Whitehead 1977, S. 72. Vgl. Akrigg 2015, S. 167, ähnlich auch Garland 2014, S. 164. Vgl. S. 361 und S. 162 sowie Kap. III.7.6. Demosth. 20, 60 sowie Demosth. 20, 132, dazu Adak 2003, S. 202 und 211. Die Verleihung der Proxenie an apólides ist eines von vielen Indizien, die dafür sprechen, die Aufgaben des próxenos als über die Betreuung von Bürgern der verleihenden Polis hinausgehend zu verstehen.

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und ohne Bürgerrecht gewertet.819 Problematisch ist an dieser Auffassung aber, dass sie eigentlich nicht die politeía als differenzierendes Kriterium behandelt, sondern die Rückkehrabsicht. Ihr zugrunde liegt nämlich die These, dass eine Person, die in ihrer Heimatpolis den Status eines Bürgers hat, mit einer größeren Wahrscheinlichkeit in diese zurückkehren wird als eine Person, auf die dies nicht zutrifft. Während ein Zusammenhang zwischen Bürgerrecht und Rückkehrabsicht sicherlich denkbar ist, muss doch darauf bestanden werden, diese beiden Dinge deutlich voneinander zu trennen – zumindest im Hinblick auf die Frage der Brauchbarkeit des Bürgerseins zur Differenzierung der ansässigen Fremden in Athen.820 Das früheste und bisher umfangreichste Plädoyer für eine Unterscheidung der ansässigen Fremden in Athen anhand ihres Bürgerstatus stammt von Ulrich von Wilamowitz. Seinen Thesen liegt dabei die Auffassung zugrunde, dass der métoikos, gleich dem gebürtigen Athener, der erst mit seiner Aufnahme in die Deme zum Demoten wurde, mit seiner Einschreibung in die Demenliste einen dem Bürger vergleichbaren Status erlangte.821 Dabei sei dieser Status dem ‚richtigen‘ Bürgerstatus so ähnlich, dass Wilamowitz ihn als ‚Quasibürgerstatus‘ am treffendsten beschrieben fand.822 In der Tat, so Wilamowitz weiter, sei der Status der in den Demen eingeschriebenen ansässigen Fremden dem der Bürger dermaßen nah, dass im Falle eines bestehenden Bürgerrechts die Aufgabe desselben unbedingte Voraussetzung zur Annahme des Status eines métoikos gewesen sei.823 Wilamowitz’ Überlegungen sind für die Bewertung der fremden politeía als Differenzierungskriterium interessant, insofern er zwei Arten von ansässigen Fremden unterscheidet: diejenigen, die als Bürger einer anderen Polis in Athen ansässig waren, und diejenigen, die ohne Bürgerrecht in Athen lebten.824 Während sich beide als Fremde auch über einen längeren Zeitraum in Athen aufhalten konnten, habe es nur letzteren offengestanden, den Status des métoikos anzunehmen. Das sei, so Wilamowitz, darin begründet, dass der métoikos mit seiner Einschreibung in die Deme der Polis Athen gegenüber umfassende Verpflichtungen eingegangen sei, was nur dann möglich gewesen sei, wenn er solche keiner anderen Polis schuldete.825 Daraus schließt Wilamowitz, dass

819 Vgl. etwa Whitehead 1977, S. 72: „The apólides are to form a new nucleus of a new breed of metics who will want – and obtain – a permanent home in Attica.“ 820 Zur Bedeutung der Rückkehrabsicht für das Leben als ansässiger Fremder in Athen s. Kap. II.5.1. 821 Vgl. Wilamowitz-Moellendorff 1887b, S. 214 sowie S. 231. 822 Vgl. ebd., S. 246. 823 Vgl. ebd., S. 239. 824 Vgl. ebd., S. 233; ähnlich auch S. 251. 825 Vgl. ebd., S. 235, S. 239 sowie S. 241. Wilamowitz führt als Beweis für den Ausschluss der metoikía bei bestehendem Bürgerrecht unter anderem einen Loyalitätskonflikt im Fall einer militärischen Auseinandersetzung der Heimatpolis und der Polis, in der die jeweilige Person lebte, an: So sei eine Person einerseits als Bürger grundsätzlich zum Kampf aufseiten derjenigen Stadt verpflichtet, in der er das Bürgerrecht trage, andererseits müsse er als métoikos auch die Athener unterstützen.

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es in Athen ansässige Fremde mit und ohne Bürgerrecht in anderen Poleis gab und dass diejenigen, die métoikoi waren, kein anderes Bürgerrecht besaßen.826 Die Idee, dass ein weiterer Status für ansässige Fremde neben dem des métoikos in Athen existierte, wird an späterer Stelle noch umfangreich zu diskutieren sein.827 Hier soll zunächst nur das Merkmal des Bürgerrechts im Fokus der Überlegungen stehen. Angesichts der von Wilamowitz vorgebrachten Thesen gilt es zunächst zu prüfen, ob ein fremdes Bürgerrecht tatsächlich ein Ausschlusskriterium für die metoikía darstellte. II.7.3.1 Nebeneinander von polítēs und métoikos Das Problem dabei ist allerdings, dass diese Behauptung fast so unmöglich zu widerlegen wie zu beweisen ist, denn ein Quellenbeleg, in dem eine Person als métoikos in Athen und Bürger einer anderen Polis bezeichnet wird, existiert nicht. Allein dies scheint auf den ersten Blick ein Indiz dafür zu sein, dass die beiden Status sich gegenseitig ausschließen konnten. Jedoch stellt sich die Frage, ob eine gleichzeitige Bezeichnung einer Person als métoikos und Bürger überhaupt zu erwarten wäre. Zumindest ein Teil der Forschung scheint das nämlich auszuschließen: Whiteheads These, dass auf den Grabsteinen und Ehreninschriften die Bezeichnung als Bürger der Heimatpolis der Bezeichnung als métoikos in Athen vorgezogen worden sei,828 ergibt nur unter der Voraussetzung Sinn, dass beide Begriffe nicht nebeneinanderstehen konnten. Neben der Möglichkeit, dass der Grund dafür der gegenseitige Ausschluss der beiden Status ist, könnte das aber auch auf den jeweiligen Kontext zurückzuführen sein: Dafür spricht, dass nicht nur die Bezeichnungen als métoikos (in Athen) und Bürger (woanders) nie zusammenfallen, sondern auch die oikṓn en-Formel829 nie gleichzeitig mit dem Ethnikon verwendet wird.830 Hervorzuheben ist dabei, dass die gleichzeitige Angabe des Wohnsitzes in Athen und des Ethnikon nicht nur für dieselbe Person nicht vorkommt, sondern dass die Nennung des einen oder anderen zu den Merk-

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Dieses Paradoxon ließe sich nur dann beseitigen, wenn ein métoikos nicht gleichzeitig Bürger einer anderen Polis war, vgl. ebd., S. 241. Vgl Wilamowitz-Moellendorff 1887b, S. 233: „Wir haben alle angenommen, dass zwischen einem Fremden und einem Metöken kein bedeutender Unterschied wäre. Wer sich längere Zeit in Athen aufhalte, der werde eo ipso Metöke und demnach sei jede Person, die sich in Athen längere Zeit aufgehalten hat […] ohne weiteres als Metöke zu betrachten. Das fällt hin, wenn erst die Aufnahme in das Demenregister zum Metöken macht“. Dagegen etwa Adak 2003, S. 34, der Wilamowitz’ Idee einer Kategorie ansässiger Fremder jenseits der métoikoi als einen Irrtum (s. Adak 2003, S. 34 n 105) zurückweist. Dazu u. a. Kap. III.2.1.1 dieser Arbeit. Vgl. Whitehead 1977, S. 33. Die oikṓn en-Formel zeichnet in offiziellen Listen ansässige Fremde in Athen aus, vgl. Whitehead 1977, S. 31; dazu auch Kap. I.1.1. Grundsätzlich verwenden offizielle Listen nie die Ethnika, vgl. Whitehead 1977, S. 31.

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malen einer bestimmten Textsorte gehört: So geben offizielle Listen immer die Demenaffiliation des Bezeichneten an, Grabinschriften und Ehreninschriften aber immer die Herkunft.831 Dieser Umstand legt wenigstens nahe, dass der Kontext entschied, ob durch die Beschreibung als Bürger einer anderen Polis bzw. die Nennung des Ethnikon entweder die Herkunft eines Fremden betont werden sollte oder durch die Bezeichnung als métoikos respektive die Markierung durch die oikṓn en-Formel seine Identität als ansässiger Fremder in Athen. So ist zumindest denkbar, dass dieselbe Person in einer Inschrift als oikṓn en und in einer anderen mit dem Ethnikon designiert wurde: Je nach Kontext wurde die relevantere Bezeichnung gewählt, und die gleichzeitige Angabe der Bürgerschaft in einer anderen Polis und der Ansässigkeit in Athen könnte in den Inschriften, vielleicht auch aus schriftökonomischen Gründen, schlichtweg unüblich gewesen sein. Dass eine Person in den Inschriften also nie gleichzeitig als Bürger einer Polis und métoikos in einer anderen bezeichnet wird, muss nicht zwangsläufig den gegenseitigen Ausschluss dieser beiden Status bedeuten, sondern wäre von vornherein nicht zu erwarten. Problematischer wird es derweil zu erklären, warum die weit weniger an konventionelle Vorgaben gebundenen literarischen Quellen an keiner Stelle erwähnen, dass eine Person gleichzeitig métoikos und Bürger einer anderen Stadt war. Einen leider nur vagen Hinweis darauf, dass auch hier die fehlende Nebeneinandernennung der beiden Status im Kontext begründet ist und nicht in ihrer Unvereinbarkeit, könnte Lysias’ bieten: Im Verhör der Getreidehändler könnte es durchaus Teil seiner Einschüchterungstaktik sein, dass er ihren Status als métoikoi in Athen als den einzigen, oder zumindest den einzig entscheidenden, heraushebt.832 Die Verhörsituation und Lysias offensichtlicher Versuch, sein Gegenüber auch moralisch zu schwächen, lassen zumindest vermuten, dass die Bezeichnung des Delinquenten als polítēs hier überhaupt keine Option ist. II.7.3.2 métoikon eínai und metoikeín Was sich in den Quellen findet, ist aber die Bezeichnung des Aufenthaltes eines Bürgers einer Polis in einer anderen mit dem Verb metoikeín. Ein Beispiel hierfür lässt sich in der 19. Rede des Isokrates finden.833 Darin versucht der Sprecher, die Rechtmäßig831 So etwa in IG I3 476, einer der Bauinschriften des Erechtheions und auch in den phiálai-Inschriften (u. a. IG II2 1553–IG II2 1578). 832 Lys. 22, 5. 833 Isokr. 19 handelt von einer Erbstreitigkeit. Kurz vor seinem Tod hat der anscheinend gut betuchte Thrasylochos sein Testament geändert und den Sprecher der Rede als Erben eingesetzt. Das geschah wohl sehr zum Leidwesen einer Hinterbliebenen, welche die Authentizität des Testaments im vorliegenden Gerichtsverfahren anzufechten versucht (Isokr. 19, 3). Der Vater des Verstorbenen, Thrasyllus, kehrte nach einer längeren Zeit, in der er von Berufs wegen nicht nur in vielen Städten, sondern wohl auch in vielen Betten unterwegs war (Isokr. 19, 6), als reicher Mann zurück

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keit seiner Adoption durch den kürzlich verstorbenen Thrasylochos zu beweisen, indem er sich auf insgesamt drei Gesetze beruft, die jeweils in Ägina,834 Siphnon835 und einer weiteren, nicht näher bezeichneten Polis836 gelten. Der Sprecher benennt auch sein eigenes und Thrasylochos’ Verhältnis zu diesen Orten; zwei sind von besonderem Interesse: In Siphnon, so sagt er, waren sie Bürger (politeúein),837 in Ägina lebten sie als Fremde (metoikeín).838 Der Bürgerstatus der beiden steht außer Zweifel;839 aber der Status, in dem sie in Ägina lebten, ist nicht ganz klar: Isokrates verwendet zwar das Verb metoikeín, aber es muss gefragt werden, ob dieses Verb zwangsläufig den Status als métoikos meint. Die übliche Übersetzung dieses Verbs ist ‚ein Metöke sein‘ bzw. ‚to be a métoikos‘.840 Neben dieser (vermeintlich) primären Bedeutungsebene ist jedoch auch eine Übersetzung als ‚inmitten wohnen‘ sowie ‚umsiedeln‘ möglich,841 wird aber selten genutzt. Aus dieser Übersetzungspraxis ergibt sich, dass das Verb metoikeín in der Forschung unweigerlich mit dem Status eines métoikos verbunden wird.842 So verstanden, lassen die Quellenstellen, in denen das Leben von Bürgern andernorts als metoikeín bezeichnet wird, keinen anderen Schluss zu, als dass Bürgerrecht und métoikos-Status einander nicht ausschließen. Jedoch beruht diese These allein auf der Annahme, dass me-

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in seine Heimatstadt, wo er nunmehr zu den wohlhabendsten Bürgern gehörte (Isokr. 19, 7). Die angeblich tiefe Sympathie zwischen Thrasyllus und dem Vater des Sprechers führte zu verschiedenen Heiratsarrangements, die allerdings aufgrund des frühen Todes der Ehefrauen jeweils nur von kurzer Dauer waren (Isokr. 19, 7–8). Thrasyllus’ finale Ehe mit der Frau einer anderen Familie, brachte unter anderem Thrasylochos hervor. Mit diesem verband den Sprecher, aufgrund der engen Verbindung ihrer Väter, nach eigenen Angaben eine tiefe Freundschaft (Isokr. 19, 10), die sie sogar gemeinsam als phygóntes nach Ägina führte (Isokr. 19, 11). Als Thrasylochos schwer erkrankte, pflegte der Sprecher ihn (Isokr. 19, 11). Kurz vor seinem Tod, als Dank für seine Pflege und aus tiefer Freundschaft, so erklärt der Sprecher, habe Thrasylochos ihn schließlich zum Erben gemacht (Isokr. 19, 12). Isokr. 19, 12. Isokr. 19, 13. Der Sprecher ruft zwar das Gesetz in Keos auf; dieses war aber auch in Siphnon, seiner Heimatpolis, gültig; vgl. Whitehead 1977, S. 89. Diese ist die Heimat der Kläger; Isokr. 19, 14. Isokr. 19, 13: λαβὲ δή μοι καὶ τὸν Κείων νόμον, καθ᾽ ὃν ἡμεῖς ἐπολιτευόμεθα. Isokr. 19, 12: Ἀνάγνωθι δή μοι καὶ τὸν νόμον τὸν Αἰγινητῶν· κατὰ γὰρ τοῦτον ἔδει ποιεῖσθαι τὰς διαθήκας· ἐνθάδε γὰρ μετῳκοῦμεν. Der Bürgerstatus des Sprechers und des Verstorbenen wird an zwei Stellen in der Rede unzweifelhaft belegt: erstens in Isokr. 19, 13, wo ἐπολιτευόμεθα deutlich macht, dass sie in Siphnos als Bürger lebten (vgl. LSJ s. v. πολιτεύω [A.1] zur Übersetzung) und zweitens ebenfalls in 19, 13, als der Sprecher sich als Mitbürger des Thrasylochos bezeichnet, wobei der Bürgerstatus des Letztgenannten deshalb als gesichert gelten darf, weil ihn Vater besaß (Isokr. 19, 7). Vgl. Whitehead 1977, S. 6; dagegen aber LSJ s. v. μετοικέω, wo die Übersetzung ‚als métoikos leben‘ überhaupt nicht angegeben wird. LSJ s. v. μετοικέω. So übersetzt Huber die Bemerkung „Πρὶν τοίνυν ταῦτα ὁμολογηθῆναι αὐτῷ, δεδιὼς τὸν Ἀριστόδικον μεταστὰς ἐντεῦθεν Θήβησι μετῴκει.“ (Lys. 23, 15, Text: Carey) so „Bevor jedoch dies von ihm geregelt war, entwich Pankleon aus Furcht vor Aristodikos und wurde Metöke in Theben.“, anstatt etwa ‚entwich Pankleon aus Furcht vor Aristodikos und siedelte nach Theben um.‘

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toikeín tatsächlich den Status und nicht einfach das Leben andernorts als ansässiger Fremder bezeichnet. Es mag unbestreitbar sein, dass sich der Begriff métoikos vom Verb metoikeín ableitet, aber es ist kritisch zu prüfen, ob damit die ursprüngliche Bedeutung als ‚inmitten wohnen‘ zugunsten der Bezeichnung eines bestimmten Status zurücktritt. Eines der deutlichsten Indizien dagegen ist, dass die Quellen sehr wohl den Ausdruck métoikon eínai kennen und auch regelmäßig nutzen: So etwa bei Lysias,843 Aristoteles844 und Demosthenes.845 Dabei mag es kein Zufall sein, dass sich jede dieser Stellen im engsten Sinne mit dem Status des métoikos befasst: Lysias drängt seinen Delinquenten in seiner Rede gegen die Getreidehändler dazu, seinen Status anzugeben;846 der Sprecher einer anderen Lysias zugeschriebenen Rede schließt aus dem Status seines Opponenten als métoikos, dass er sich an den árchōn polémarchos zu wenden hat,847 und bei Demosthenes ist der Status des métoikos einer unter drei möglichen.848 Die Formulierung métoikon eínai ist damit anscheinend unzweideutig und markiert in der Regel einen Status. Anders verhält es sich derweil mit dem Verb: metoikeín kommt in verschiedenen Kontexten vor und lässt, im Vergleich zu métoikon eínai, auch Interpretationen zu, die nicht immer etwas mit dem tatsächlichen Status zu tun haben. Hier sind diejenigen Stellen zu nennen, in denen das Verb metoikeín eine Bewegung bzw. einen Ortswechsel beschreibt,849 und auch solche, in denen metoikeín, besonders in Verbindung mit einem Dativ, auf die Wohnistuation referiert.850 Das bedeutet freilich nicht, dass metoikeín an keiner Stelle auch das Leben als métoikos im engsten Sinne bezeichnen kann, wohl aber dass diese Bedeutung nicht zwangsläufig ist. Damit ergibt sich, dass metoikeín nicht in allen Zusammenhängen als ‚Metöke sein‘ verstanden werden sollte und dass – zumindest im Zweifel – eine vorsichtigere Übersetzung als ‚das Leben eines ansässigen Fremden führen‘ zu bevorzugen ist. Wenn aber nicht jeder, dessen Aufenthalt in der Fremde als metoikeín beschrieben wird, auch zwangsläufig ein métoikos dort ist, kann aus dem Umstand, dass die beiden Begriffe polítēs und metoikeín nebeneinanderstehen, nicht unmittelbar geschlossen werden, dass der Status des Bürgers und der des métoikos nebeneinander existieren können. Vielmehr könnten die Bezeichneten auch nur als ansässige Fremde dort gelebt haben.

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Lys. 22, 5; Lys. 23, 2. Aristot. Eud. Eth. 1233a 27–30; Aristot. Pol. 1278a 39. Demosth. 23, 23. Lys. 22, 5. Lys. 23, 2. Demosth. 23, 23. Insbesondere bei den Lexikographen und da in Verbindung mit eis oder ex, z. B. in Harp. s. v. μετοίκιον: μέτοικος μέν ἐστιν ὁ ἐξ ἑτέρας πόλεως μετοικῶν ἐν ἑτέρᾳ, in den klassischen Quellen, jedoch ohne diese Präpositionen z. B. bei Plat. Crit. 51d; Soph. Ant. 868, vgl. Levy 1988, S. 48f. 850 Z. B. Eur. Hipp. 837; Demosth. 35, 51; Aristoph. Av. 1319; Lys. 5, 2; vgl. Levy 1988, S. 49.

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II.7.3.3 métoikoi als polítai und polítai als métoikoi Wenn die Quellen den Aufenthalt eines Bürgers in der Fremde als metoikeín beschreiben, verbirgt sich dahinter somit vielleicht, aber eben nicht zwangsläufig, ein Leben als métoikos. Als der einzige einigermaßen sichere Hinweis in den Quellen, dass eine Person den Status des métoikos trägt, kann nur die tatsächliche Bezeichnung des Betreffenden als métoikos gewertet werden. Damit sind diejenigen Quellen, in denen der Aufenthalt von polítai in einer fremden Polis als metoikeín bezeichnet wird, als Beweise dafür, dass eine Person gleichzeitig Bürger und métoikos sein konnte, zurückzuweisen. Gleichzeitig ist das argumentum e silentio des fehlenden Nebeneinanders von polítēs und métoikos noch kein befriedigender Beweis für ihren gegenseitigen Ausschluss: Schließlich könnte eine Person in den Quellen beide Status tragen, ohne dass auch beide Bezeichnungen explizit auf ebendiese Person angewandt werden. So gilt es nun zu prüfen, ob vielleicht der Kontext auf ein mögliches Nebeneinander dieser beiden Status schließen lässt, etwa durch eine Quellenstelle, in welcher der Bürgerstatus eines so benannten métoikos zwar nicht eindeutig ausgedrückt wird, sich aber aus verschiedenen Hinweisen erschließen lässt. Dabei darf sich diese Untersuchung nun auf diejenigen realen851 Einzelpersonen beschränken, die in den Quellen eindeutig als métoikos benannt werden, und diejenigen außer Acht lassen, deren auswärtiger Aufenthalt nur als metoikeín beschrieben wird. Die Zahl der unter diesen Kriterien verbliebenen Fälle ist gering, sodass sie im Folgenden erschöpfend behandelt werden können. Ein erstes Beispiel für eine als métoikos bezeichnete Person findet sich in der bereits angeführten Rede des Lysias gegen die Getreidehändler.852 In seiner Anklage ruft Lysias einen der Delinquenten auf das Podium und stellt seine Identität als métoikos ganz unmissverständlich fest: „Sag mir, bist du ein métoikos? – Ja.“853 Die Verwendung von métoikos mit eínai lässt hier keinen Zweifel daran, dass es sich um einen Status im engsten Sinne handelt.854 An dieser Stelle jedoch verlässt uns die Quelle und gibt keine weiteren Hinweise auf die Identität des Verhörten. Festzustellen, ob der Getreidehändler auch Bürger in einer anderen Polis war, ist unmöglich.

851 Fiktive Personen sollen im Folgenden außer Acht gelassen werden, obgleich auch diese in den Quellen hin und wieder als métoikos bezeichnet werden. So etwa Antigone, die sich selbst an zwei Stellen métoikos nennt (Soph. Ant. 852; 868) und in einer weiteren so benannt wird (Soph. Ant. 890). In allen Fällen handelt es sich hier aber um eine Verwendung des Wortes métoikos als eine Metapher und nicht als eine Statusdesignation, vgl. Whitehead 1977, S. 36. 852 In Lys. 22 erhebt der Sprecher Klage gegen eine Gruppe von Händlern, die gesetzeswidrig handelten, indem sie Getreide zunächst in Massen aufgekauft und gehortet haben, um dieses später zu Wucherpreisen wieder zu verkaufen. 853 Lys. 22, 5: εἰπὲ σὺ ἐμοί, μέτοικος εἶ; ‚ναί.‘(Text: Carey). 854 S. weiter oben in diesem Kapitel.

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Das zweite Beispiel entstammt der Rede des Demosthenes gegen Theokrines, in welcher er auf einen gewissen Ktesikles zu sprechen kommt,855 dessen Identität als métoikos auch explizit angegeben wird.856 Über ihn erfahren wir außerdem, dass er sein Geld in Athen als Redenschreiber verdiente.857 Die Herkunft des Ktesikles, geschweige denn ein bestehendes Bürgerrecht, erwähnt die Rede des Demosthenes nicht. Obwohl wir im Vergleich zur vorhergenannten Lysias-Stelle neben dem Beruf diesmal auch den Namen des métoikos kennen, was zumindest zum Nachforschen anregt, ist auch über diesen métoikos nichts weiter zu erfahren: Der hier benannte Ktesikles ist mit keiner der anderen Personen identisch, die in den Quellen diesen Namen tragen.858 Im dritten Beispiel begegnet der als métoikos ausgewiesene Antidoros. Auch er wird nur ‚im Vorbeigehen‘ genannt, und der Autor der Quelle, Hypereides, offenbart nicht mehr über ihn, als dass er sich vor Gericht wegen des Vorwurfs verantworten musste, dass er Flötenspielerinnen für einen höheren als den gesetzlich festgelegten Preis beschäftigt habe.859 Ähnlich wie bei Ktesikles sind auch einige Träger des Namens Antidoros durch die Quellen bekannt; der in dieser Rede des Hypereides benannte métoikos Antidoros ist aber wohl mit keinem von ihnen identisch.860 Das letzte Beispiel aus den literarischen Quellen betrifft einen gewissen Teukros. Andokides berichtet von ihm nicht nur, dass er einen der entscheidenden Hinweise auf die Schuldigen des Hermokopidenfrevels861 gab, sondern auch, dass er in Athen als

855 Ktesikles wird genannt, da er wohl in dem betreffenden Fall als Schlichter aufgetreten ist: Demosth. 58, 19–20. 856 Demosth. 58, 20: Κτησικλῆς ὁ μέτοικος. 857 Demosth. 58, 19. 858 Die Quellen berichten von einem Bildhauer namens Ktesikles, der Prominenz durch eine von ihm geschaffene Statue aus Marmor im Heraion von Samos erlangte (vgl. Neudecker 1999 (DNP 6), Sp. 878); hier deutet schon der Beruf darauf hin, dass es sich nicht um den in Demosth. 58, 19–20 Genannten handeln konnte. Ein weiterer Namensbruder ist der Maler Ktesikles, der aber in der ersten Hälfte des 3. Jahrhunderts lebte (vgl. Hoesch 1999 (DNP 6), Sp. 879) und damit lange nach dem Wirken des Demosthenes. Schließlich trägt den Namen Ktesikles auch der Autor einer Chronik, die von Athenaios zitiert wird (Athen. 6, 272c sowie 10, 455c–d). Wilamowitz hat vermutet, dass dieser mit dem in Diog. Laert. 2, 56 zitierten Autor Stesikles der Auflistung der Archonten und Olympioniken identisch sei und das initiale ‚S‘ auf einen Übertragungsfehler zurückzuführen sei (vgl. Wilamowitz-Moellendorff 1881, S. 335 n 20, dazu auch: Meister 1999 (DNP 6), Sp. 878). Auch dieser kann aber mit dem in Demosth. 58 genannten Ktesikles nicht identisch sein, da er Athener war und wohl erst in hellenistischer Zeit lebte (vgl. ebd.). 859 Hyp. 4, 3: Ἀντίδωρος ὁ μέτοικος. 860 Die RE verzeichnet insgesamt vier Personen mit Namen Antidoros. Drei von ihnen stimmen deshalb nicht mit dem hier in Frage Stehenden überein, weil sie Athener waren (vgl. RE s. v. Antidoros [1],[2] und [3]), der vierte lebte erst am Anfang des 2. Jahrhunderts n. Chr. und kann daher unmöglich von Hypereides gemeint sein, vgl. RE s. v. Antidoros [4]. 861 Als Hermokopidenfrevel wird ein Vorfall im Sommer des Jahres 415 bezeichnet, bei dem sämtliche Statuen des Hermes nächtlichem Vandalismus zum Opfer fielen (Thuk. 6, 27, 1). Weil nicht zuletzt der Zeitpunkt des Vergehens kurz vor der Sizilienexpedition den Skandal auch politisch höchst brisant machte (Thuk. 6, 27, 3), wurde fieberhaft nach den Tätern gesucht (Thuk. 6, 27, 3). Dabei kam im Zuge der Ermittlungen auch zum Vorschein, dass wohl regelmäßig Mysterienfeiern zum

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métoikos gelebt habe.862 Seinem Publikum teilt Andokides zwar mit, dass Teukros sich nach der nächtlichen Randale nach Megara zurückgezogen habe und für seine Aussage extra unter dem Versprechen der Immunität nach Athen gebracht wurde,863 aber über eine weitergehende geographische Affiliation wie Teukros’ Heimatort oder ein eventuell bestehendes Bürgerrecht wird nicht informiert. Auch zu ihm gibt es keine weiteren Informationen in anderen Quellen. In den Inschriften gibt es drei weitere Fälle, in denen eine Einzelperson als métoikos identifiziert wird. Das erste Beispiel stammt aus der als ‚Attische Stelai‘ bekannten Gruppe von Inschriften, die das von den Schuldigen im Hermokopidenfrevel beschlagnahmte und dann verkaufte Eigentum verzeichnen.864 Auf Stele I wird ein gewisser Kephisodoros als métoikos identifiziert und darüber hinaus als wohnhaft im Piraeus vermerkt.865 Auf einen eventuellen Bürgerstatus gibt es hier keinen Hinweis.866 Aus einer ähnlichen Kategorie, einer Liste über konfisziertes Eigentum, stammt auch das zweite Beispiel: Hier wird der métoikos Mikion genannt.867 Leider ist der Stein selbst aber so stark beschädigt, dass eine sichere Ergänzung der fehlenden Stellen weitgehend unmöglich ist. Das letzte Beispiel entstammt einer Liste, welche die Besatzung mehrerer attischer Trieren verzeichnet: Dort ist ein métoikos namens Amynandros benannt, der als Schiffsbauer tätig war.868 Weder über Kephisodoros noch über Mikion noch über Amynandros existieren weitere Quellen, sodass ihr Bürgerstatus nicht festgestellt werden kann. Die Untersuchung der Beispiele, in denen Einzelpersonen als métoikos angesprochen werden, muss also ohne Ergebnis bleiben: Für keinen der Benannten kann ein Bürgerrecht festgestellt oder auch

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Spott abgehalten wurden (Thuk. 6, 28, 1). Nachdem anscheinend recht wahllos Männer in Athen gefangen genommen wurden, legte einer von diesen schließlich ein falsches Geständnis über seine Beteiligung an den Taten ab, was die Athener bereitwillig hinnahmen (Thuk. 6, 60, 2–5), dazu Kuhle 2020, S. 12–15. And. 1, 15: Τεῦκρος ἦν ἐνθάδε μέτοικος. And. 1, 15. Die Gruppe besteht aus insgesamt elf einzelnen Stelen (vgl. Pritchett 1953, S. 225). Zu den Attischen Stelai vgl. Pippin/Pritchett 1956 passim sowie Pritchett 1953 passim. IG I3 421, Z. 33. Stattdessen ist etwas anderes an dieser Inschrift kurios, nämlich das gemeinsame Auftreten der oikṓn en-Formel und der Bezeichnung métoikos. Angesichts der üblichen These, dass die oikṓn en-Formel in den Inschriften métoikoi designiert (vgl. Whitehead 1977, S. 31), überrascht dieses Beispiel doch sehr und deutet darauf hin, dass diese Verbindung wohl doch nicht so zwingend ist. Agora 19, P 17, Z. 16. Bei der Inschrift handelt es sich um eine Liste einiger von den polítai konfiszierter Gegenstände, vgl. Merrit 1946, S. 187. Die Inschrift wurde erstmals 1946 von Merrit publiziert, allerdings noch ohne die Ergänzung métoikos in Zeile 16, vgl. ebd. und S. 187. In seiner Auflistung der Inschriften, die den Term métoikos/métoikoi verwenden (vgl. Whitehead 1977, S. 27f), übersieht Whitehead diese Inschrift anscheinend – eventuell auch, weil in der ihm zum Zeitpunkt der Publikation zur Verfügung stehenden Edition der Terminus métoikos fehlt. IG II2 1951, Z. 102–103. Wie bereits Whitehead ausgeführt hat, ist eine Ergänzung von μετοι zu μετοι[κος] nicht notwendig, weil in der Inschrift an zahlreichen anderen Stellen Abkürzungen gebraucht werden, vgl. Whitehead 1977, S. 28.

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nur mit gutem Grund vermutet werden, noch kann für einen der Genannten das Bürgerrecht ausgeschlossen werden. II.7.4 Fazit: Bürger auf Abwegen Das vorangegangene Kapitel hat sich kritisch mit der in der Forschung viel diskutierten Frage des Bürgerstatus ansässiger Fremder beschäftigt. Dabei wurde zunächst untersucht, ob Bürger einer Polis überhaupt in einer anderen leben konnten, ohne ihr Bürgerrecht in der Heimat einzubüßen. Dass dies durchaus möglich war, darf als bewiesen gelten: Der Blick in die Quellen offenbart sowohl Personen, die nach einem längeren Aufenthalt andernorts ihre Bürgerrechte beanspruchten, als auch solche, die sich während ihres Aufenthaltes in der Fremde als Bürger ihrer Heimat identifizierten. Die Quellen zeigten zudem, dass ein Leben als Fremder in Athen auch dann möglich war, wenn kein Bürgerrecht in einer anderen Polis bestand. Obwohl Heimatlosen in der griechischen Antike immer auch ein gewisses Misstrauen entgegengebracht wurde, fand sich in den Quellen kein Hinweis, dass die apólides in Athen als ansässige Fremde einen schlechteren Stand hatten als ansässige Fremde mit bestehendem Bürgerrecht. Tatsächliche Vor- oder Nachteile erwuchsen allenfalls aus einer konkreten Identität als Bürger einer bestimmten Polis und waren dann dem Verhältnis der Herkunftspolis zu Athen geschuldet. Nachdem festgestellt wurde, dass ein bestehendes Bürgerrecht zunächst keine Auswirkungen auf das Leben als ansässiger Fremder in Athen hatte, war der letzte Teil des Kapitels der Frage gewidmet, ob ein bestehendes Bürgerrecht ein Ausschlusskriterium für das Leben als métoikos darstellte. Trotz einer umfangreichen Untersuchung konnte diese These weder vollends belegt noch widerlegt werden: In den Quellen ließ sich kein Beispiel ausmachen, in dem eine Person sowohl den Status eines métoikos als auch den eines polítēs in einer anderen Polis trägt. Angesichts der Quellenlage ist die These der Unvereinbarkeit des Status eines Bürgers und eines métoikos nur ein argumentum e silentio, das aus dem in den Quellen nichtbelegten Nebeneinander dieser beiden Status geschlossen wird. Gleichzeitig ist die gegenteilige Ansicht, dass ein Bürger durchaus als métoikos in einer anderen Polis leben konnte, anhand der Quellen auch nicht zu beweisen: Soweit wir wissen, könnte jeder der als métoikos Bezeichneten Bürger einer anderen Polis gewesen sein. Ein letzter Versuch, einen bestehenden Bürgerstatus als Ausschlusskriterium für den Status des métoikos in Athen zu belegen (oder zu widerlegen) bleibt noch: So, wie versucht wurde, aus dem Kontext auf den Bürgerstatus einer in den Quellen benannten Person zu schließen, liegt es auch nahe, anhand der Beschreibung bestimmter Merkmale einer Person in den Quellen einen möglichen Status als métoikos zu erkennen. In der Tat sind die Quellen für Athener, die fernab der Heimat leben, informativer.

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Intrinsische Merkmale

Ein gutes Beispiel hierfür ist der bereits erwähnte Aphobos: Er lebte als athenischer Bürger869 eine Weile in Megara, wo er das metoíkion zahlte.870 Eine ähnliche Information erhalten wir auch über den Athener Philon, der in Oropos wohnte und dort das metoíkion zahlte und unter einem prostátēs lebte.871 Interessant ist, dass in diesen beiden Fällen, in denen Bürger Athens im Ausland leben, weder das Wort métoikos gebraucht wird noch von metoikeín die Rede ist, sondern nur zwei potenzielle Statusmerkmale eines métoikos – die Zahlung des metoíkion und die Ernennung eines prostátēs – aufgezählt werden.872 Die Kernfrage ist, ob aus dem Umstand, dass beide das metoíkion zahlten und einer einen prostátēs hatte, auch geschlossen werden kann, dass beide als métoikoi in der Fremde lebten. Ein Teil der Forschung würde diesen Schluss ziehen: Zu denken wäre hier an Joshua Sosin, der die Zahlung des metoíkion als einzig konstituierendes Merkmal eines métoikos auffasst.873 Die Zahlung des metoíkion gehört dabei, genau wie der Zwang zur Ernennung des prostátēs, zu den extrinsischen Merkmalen, die im folgenden Teil der Arbeit zu besprechen sind. Dabei wird auch zu klären sein, ob das Merkmal der Zahlung des metoíkion oder der Ernennung eines prostátēs wirklich so schwerwiegend sind, dass sie einen métoikos konstituieren, oder ob nicht mehr dazu gehört.

869 Durch seinen Aufenthalt in Megara verlor Aphobos sein athenisches Bürgerrecht nicht, s. o. in diesem Kapitel. 870 Demosth. 29, 3. 871 Lys. 31, 9. 872 Ähnlich liegt die Sache im Übrigen auch bei Zenon, der ein Bürger Kitions ist: Auch bei ihm verzichtet Diogenes (Diog. Laert. 7) auf diese Bezeichnungen. 873 Vgl. Sosin 2016 passim, dazu Kap. III.2.1.1.3.

III. Extrinsische Merkmale III.1 Militär Die Beteiligung ansässiger Fremder in Heer und Flotte ist an sich in der Forschung einigermaßen unumstritten. Über die konkrete Form herrscht jedoch signifikante Uneinigkeit. So ist beispielsweise intensiv debattiert worden, ob ansässige Fremde regelmäßiger Teil des athenischen Militärs waren oder nur in bestimmten Notsituationen einberufen wurden. Die Forschung ist außerdem im Hinblick auf den konkreten Einsatz der ansässigen Fremden im Militär gespalten: so etwa bezüglich der Frage nach dem Einsatz von ansässigen Fremden in der Flotte als Ruderer und Kommandeure oder im Heer als Hopliten, Kavalleristen und Bogenschützen, aber auch zu den Möglichkeiten finanzieller Beiträge zum Kriegswesen in Form von eisphoraí, Leiturgien und Spenden. Unsicherheit gibt es auch hinsichtlich der Frage, ob ansässige Fremde regelmäßig – oder überhaupt – an Kämpfen auf dem Schlachtfeld teilnahmen oder nur zur Verteidigung der Polis eingesetzt wurden, sowie in der Frage, ob sie mit den Athenern gemeinsam oder in separaten Einheiten zwischen ihresgleichen kämpften. Schließlich ist die Forschung auch in der Gesamtbewertung des militärischen Einsatzes ansässiger Fremder tief gespalten – sowohl was die Bedeutung ihrer Beteiligung für die Konstitution und den Erfolg des athenischen Militärs angeht, als auch was die Bedeutung des Militäreinsatzes für das Leben der ansässigen Fremden in Athen, ihre Chancen und ihre Einschränkungen, anbelangt. Die Uneinigkeiten in der Forschung sind mehr als Detailfragen. Es wird einerseits Aufgabe des folgenden Kapitels sein, diese Debatten aufzuarbeiten und, wenn möglich, Lösungsvorschläge anzubieten. Andererseits wird sich dieses Kapitel intensiv der letztgenannten Frage nach der Bedeutung der militärischen Beteiligung der ansässigen Fremden für ihr Leben in Athen widmen und im engen Zusammenhang damit vor allem nach Unterschieden innerhalb der Gruppe der ansässigen Fremden suchen.

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Extrinsische Merkmale

III.1.1 Ansässige Fremde in der Flotte Ein in der Forschung vergleichsweise wenig umstrittener Bereich, in dem ansässige Fremde militärisch Anteil nahmen, ist die athenische Flotte. Neben der bereits an anderer Stelle ausgeführten Möglichkeit, sich im Flottenbau zu engagieren,1 sind ansässige Fremde vor allem als Ruderer in den Quellen belegt. So adressiert Nikias in seiner Rede an die Besatzung der Sizilien-Expedition explizit die Nichtathener in der Mannschaft,2 und Thukydides belegt an einigen anderen Stellen ebenso die Beteiligung von Fremden als Ruderer in der Flotte.3 Die inschriftlichen Belege umfassen neben dem – wahrscheinlich zu Recht höchst umstrittenen – Themistokles-Dekret4 einige Besatzungslisten, in denen ansässige Fremde aufgeführt sind.5 Die Teilnahme von Nichtathenern als Ruderer ist dabei schon für die Schlacht von Salamis gegen die Perser6 und später Plataiai zu vermuten.7 Darauf, dass es sich bei diesen nicht nur um nichtansässige, sondern auch um ansässige Fremde gehandelt haben musste, weisen diejenigen Quellenbelege hin, die explizit die Bedeutung der Beteiligung ansässiger Fremder in der athenischen Flotte herausstellen: Neben der Athēnaíōn politeía des Pseudo-Xenophon8 finden sich Hinweise auch in Reden des Demosthenes9 und des Isokrates10 sowie im Werk des Diodor.11 Wie hoch der Anteil von ansässigen Fremden unter den Ruderern im Vergleich zu Bürgern war, kann nur vermutet werden. Die Forschung ist mittlerweile übereingekommen, dass Fremde einen deutlichen Anteil der Besatzung der Trieren ausmachten.12 Jedoch lassen die meisten der üblicherweise als Belegstellen angeführten Quellen13 keine Rückschlüsse darauf zu, wie viele dieser Fremden in Athen auch als ansässige Fremde gelebt haben und wie viele von ihnen bspw. nur als Söldner dien1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13

Vgl. Coşkun 2014a, S. 103; Whitehead 1977, S. 85; Graham 1992, S. 264 sowie S. 110f dieser Arbeit. Ein ansässiger Fremder im Schiffsbau ist etwa in IG II2 1951, Z. 102–103 belegt. Thuk. 7, 63, 3–4; vgl. Duncan-Jones 1980, S. 102; Fisher 2010, S. 333; Gomme 1933, S. 19; Whitehead 1977, S. 85. So etwa in Thuk. 1, 143, 1; Thuk. 1, 121, 3; Thuk. 3, 16, 1 und Thuk. 8, 73, 5. ML 23, 3; vgl. Blok 2007, S. 310 n 5; Whitehead 1977, S. 85; zum Themistokles-Dekret und dessen Quellenwert: S. 68 n 343. So in IG I3 1032, Z. 72ff, in der die Besatzung von acht Trieren verzeichnet ist, vgl. Nemeth 2001, S. 335 mit n 6; Graham 1998, S. 94. Vgl. Blok 2007, S. 310; Jameson 1960, S. 214. Vgl. Jameson 1960, S. 214. Ps.-Xen. Ath. Pol. 1, 12; vgl. Whitehead 1977, S. 85. Demosth. 4, 36–37. Isokr. 8, 48. Diod. 13, 97, 1. Vgl. Duncan-Jones 1980, S. 102; Gomme 1933, S. 13f; Coşkun 2014a, S. 95; Mavrogordatos 2014, S. 43; Bleicken 1995, S. 472; Whitehead 1977, S. 85; Wijma 2014, S. 30; Hansen 1991, S. 92; Potts 2008, S. 93; Nemeth 2001, S. 336. Viele Beiträge verweisen etwa auf Thuk. 1, 143; Thuk. 3, 16, 1 oder Thuk. 7, 63, 3, so etwa Mavrogordatos 2014, S. 43 und auch Duncan-Jones 1980, S. 102.

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ten.14 Obwohl Trieren in aller Regel nicht ausschließlich mit Bürgern besetzt waren,15 ist davon auszugehen, dass ihr Anteil unter den Ruderern nicht unbedingt gering war.16 Schließlich ist eine Pauschalaussage über das zahlenmäßige Verhältnis von Bürgern zu ansässigen Fremden auch prekär, weil dieses über die Zeit erheblichen Schwankungen unterworfen gewesen sein dürfte – schon allein bedingt durch die nie gleichbleibende Zahl ansässiger Fremder,17 aber auch durch Athens schwankende finanzielle Möglichkeiten, Söldner anzuwerben.18 Gleichwohl deuten die bereits angeführten Bemerkungen in den Quellen über die große Bedeutung ansässiger Fremder in der Flotte19 ungeachtet ihres tatsächlichen numerischen Anteils darauf hin, dass sie als wichtige Komponente einer erfolgreichen Kriegsführung betrachtet wurden: Einerseits, weil in einer militärischen Ausnahmesituation jeder Mann zählte und selbst eine kleinere Gruppe einen signifikanten Beitrag leisten konnte.20 Andererseits ist es denkbar, dass die Loyalität der ansässigen Fremden aufgrund ihrer Beziehung zu Athen als ihrem Wohnort als eine besondere empfunden wurde – vor allem im Vergleich zu fremden Söldnern,21 die auch nicht immer von Verbündeten kamen.22 Das bedeutet freilich nicht, dass ansässige Fremde als Ruderer kein Gehalt empfingen. Der Dienst in der Flotte war eine Einkommensquelle für viele Athener und ansässige Fremde gleichermaßen,23 noch dazu eine nicht unattraktive: Anders als im Dienst als Hoplit bedurfte es für den Einsatz als Ruderer keiner besonderen oder gar kostspieligen Ausstattung.24 Neben den bereits genannten Gruppen der Bürger, ansässigen Fremden und fremden Söldner gehörten regelmäßig auch Sklaven zur Besatzung.25 Damit ergab sich auf den Trieren eine interessante Mischung verschiedenster Statusgruppen, deren Grenzen durch die Übernahme gemeinsamer oder gar gleicher Aufgaben mitunter verschwammen.26 So ist Hans van Wees’ These, dass die Verteilung der Ruderer auf

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Ähnlich auch schon Whitehead 1977, S. 85 sowie Potts 2008, S. 91. Vgl. Hansen 1968, S. 22; Potts 2008, S. 93. Vgl. Gomme 1933, S. 13. So belegen zahlreiche Quellenstellen Bürger als Ruderer auf Trieren: Aristoph. Ach. 162; Aristoph. Equit. 551ff; Thuk. 6, 31, 2; 3, 18, 4; Aristot. Pol. 1291b; Ps.-Xen. Ath. Pol. 1, 2; Vgl. Gomme 1933, S. 13; Hansen 1986, S. 24 sowie Hansen 1991, S. 92. Dazu Kap. I.4.1. Ähnlich auch schon Gomme 1933, S. 12f. Ps.-Xen. Ath. Pol. 1, 12; Demosth. 4, 36–37. Ähnlich auch Whitehead, der vermutet, dass vor allem in Notsituationen ansässige Fremde den Großteil der Schiffsbesatzungen ausmachten, vgl. Whitehead 1977, S. 84f. Dazu etwa Thuk. 7, 13, 2; ähnlich auch Graham 1992, S. 258; Rubinstein 2018, S. 7. Vgl. Graham 1992, S. 265. Vgl. Finley 1973, S. 172; Whitehead 1977, S. 86. Vgl. Garland 2014, S. 157; Gomme 1933, S. 19; Kamen 2013, S. 53. Ps.-Xen. Ath. Pol. 1, 19; Thuk. 8, 73, 5; Thuk. 1, 55, 1; Thuk. 7, 13, 2; vgl. Potts 2008, S. 87; Graham 1998, S. 109f sowie Graham 1992, S. 259; Gomme 1933, S. 13; Hunt 2001, S. 368; Mavrogordatos 2014, S. 41. Vgl. Finley 1981, S. 89.

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die drei Sitzebenen im Bauch der Triere nach dem Status vorgenommen worden sei,27 von Samuel Potts überzeugend angefochten worden: Es sei zwar richtig, dass ein Sitzplatz auf der oberen der drei Reihen angenehmere Arbeitsbedingungen bot als die darunter liegenden.28 Allerdings verlangt der obere Sitzplatz durch ein längeres Ruder dem zugehörigen Ruderer auch deutlich mehr Kraft und Koordination ab. Damit bestimmten die oben Sitzenden maßgeblich die Schnelligkeit des Schiffs, sodass ihre Sitze wohl eher nach Fähigkeit denn nach Status vergeben worden wären.29 So wurden auf den Trieren Sklaven und ihre Besitzer sowie Angehörige aller Statusgruppen nicht selten zu Kollegen.30 Es gibt ein paar Quellen, die auch auf eine Beteiligung ansässiger Fremder an der Flotte jenseits der Ruderbänke hindeuten. Dabei hat die Forschung vor allem die Frage beschäftigt, ob die triērarchía auf athenische Bürger begrenzt war oder ob sie auch anderen Bewohnern Attikas offenstand. Zum Ersten bestand für Athener die Möglichkeit, die eigene triērarchía abzugeben. So heuerte Midias den Ägypter Pamphilos an, ein Schiff zu übernehmen, das er selber hätte kommandieren sollen, und vergnügte sich stattdessen daheim.31 Demosthenes führt dies als Beweis für den schwachen Charakter des Midias an, aber nicht als Straftat: Die triērarchía an einen Fremden abzugeben war zwar verwerflich, aber anscheinend nicht illegal.32 Zum Zweiten ist die Übernahme von Leiturgien, zu denen die triērarchía zählte, auch für ansässige Fremde belegt.33 Die triērarchía, in deren Rahmen sich der Trierarch zur Ausstattung einer Triere (später auch anderer Kriegsschiffe) für ein Jahr verpflichtete, war allerdings nicht irgendeine leiturgía, sondern trug besonderes Prestige.34 Das lag zum einen daran, dass sie einen besonderen Einsatz erforderte: Vom Trierarchen wurde erwartet, dass er persönlich auf dem von ihm finanzierten Schiff diente.35 Andererseits bot die triērarchía auch die Gelegenheit, mit anderen in Wettbewerb zu treten.36 So wurde jedes Jahr derjenige mit einer Krone geehrt, der sein Schiff als erstes abfahrbereit hatte.37 Trierarchen besonders tauglicher Schiffe konnten sich

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Vgl. van Wees 2004, S. 230 sowie S. 315 n 55. Vgl. Potts 2011, S. 48. Vgl. ebd., S. 49. Vgl. Graham 1998, S. 110; Potts 2011, S. 45. Demosth. 21, 163. So auch Jordan 2011, S. 133; Todd 1997, S. 115; Whitehead 1977, S. 85. Dazu Kap. III.2.1.3. Vgl. Kaiser 2007, S. 445; Rohde 2019a, S. 237. Dies geht etwa aus Demosth. 21, 163 hervor: Dass der Beklagte eben nicht persönlich auf seinem Schiff erscheint, ruft – zumindest beim Sprecher – deutliche Empörung hervor, vgl. Ruschenbusch 1985, S. 249. Ähnlich auch schon Kaiser 2007, S. 446. Vgl. Potts 2011, S. 53.

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durch Zusatzaufgaben noch mehr Ruhm erarbeiten,38 und die Präsentation der Schiffe durch ihre Trierarchen war ein regelrechtes Großereignis.39 Ihr hohes Prestige mag ein Grund sein, warum vergleichsweise wenig Fälle belegt sind, in denen Personen die triērarchía zu umgehen versuchten,40 obwohl sie zweifelsohne einen hohen Preis, physisch und finanziell, hatte. Auf der anderen Seite gibt Borimir Jordan zu Recht zu bedenken, dass die Athener aufgrund des Krieges deutlich an Reichtum eingebüßt hatten.41 Das wiederum schuf in vielerlei Hinsicht Möglichkeiten für reiche ansässige Fremde, sich durch finanzielle Wohltaten um die Polis verdient zu machen,42 und könnte dazu geführt haben, dass die prestigeträchtige triērarchía aus der Not heraus an Exklusivität verlor. Die triērarchía zeichnete sich durch drei Besonderheiten aus, die sie von ‚normalen‘ Leiturgien unterschieden und die vielleicht eine Begrenzung der Gruppe potenzieller Teilhaber auf Bürger hätten begründen können: Erstens war sie überaus kostspielig, zweitens erforderte sie den persönlichen körperlichen Einsatz des edlen Spenders, und drittens war sie mit einem besonderen Prestige verbunden. Der erste Punkt, die Kosten, stellt kein Problem dar: Schließlich konnten auch ansässige Fremde zu großem Reichtum gelangen.43 Auch der geforderte persönliche Einsatz schließt Fremde nicht aus, denn eine Übertragung des Kommandos an sie war wohl nicht verboten. Der dritte Punkt, das besondere Prestige, hat die Forschung stellenweise dazu veranlasst, die Exklusivität der triērarchía zu behaupten.44 Die Quellen nennen einige wenige Personen als Trierarchen, die ansässige Fremde gewesen sind oder zumindest gewesen sein könnten. So ist für den Freigelassenen Pasion belegt, dass er insgesamt fünf Schiffe ausgestattet und als Trierarch kommandiert hat;45 allerdings erhielt Pasion die politeía, und es ist nicht klar, ob diese Trierarchien vor oder nach seiner Einbürgerung stattgefunden haben. Ein zweiter Kandidat ist ein gewisser Antimachos, der in einer Besatzungsliste als Trierarch aufgeführt wird, aber mit dem Ethnikon (ὁ Χῖος) vermerkt ist.46 Jordan sieht darin den Beweis für eine fremdübernommene triērarchía erbracht,47 während Michael Clark zwar anerkennt, dass der genannte Antimachos das Schiff befehligt – jedoch nur, so seine These, kurzzeitig, um es im Rahmen einer Verhandlung zwischen seiner Heimatpolis und Athen

38 39 40 41 42 43 44 45 46 47

So wurde etwa das Schiff des Sprechers von Demosth. 50 für Kurieraufgaben ausgewählt, weil es besonders schnell war: Demosth. 50, 12; vgl. Potts 2011, S. 53. Thuk. 6, 31, 1; vgl. Potts 2011, S. 53. Vgl. Kaiser 2007, S. 454. Vgl. Jordan 2001, S. 132. Vgl. ebd. Vgl. Kap. III.2.5. So Jordan 2001, S. 132; Whitehead 1977, S. 85; Todd 1993, S. 196. Demosth. 45, 85; vgl. Trevett 1992, S. 6. IG II2 1604, Z. 79. Vgl. Jordan 2001, S. 131.

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zu überführen.48 Dabei weist Clark auch darauf hin, dass Antimachos nicht mit der für ansässige Fremde in dieser Textart üblichen oikṓn en Formel versehen ist.49 Insbesondere der letzte Punkt ist dabei wichtig: In einer Besatzungsliste wäre eigentlich damit zu rechnen, dass die Beziehung, in der eine genannte Person zu Athen steht, vermerkt ist; dass aber das Ethnikon angegeben ist, lässt zumindest vermuten, dass Antimachos keine weitergehende Affiliation mit Athen hat. Im Rahmen einer vertretbaren Unsicherheit kann damit nur festgestellt werden, dass Antimachos ein Fremder ist, der ein athenisches Schiff füht – dass er für dieses auch im Rahmen einer leiturgía aufgekommen ist, bleibt unsicher.50 Gegen eine Übernahme der triērarchía durch ansässige Fremde sprechen schließlich auch diejenigen Fälle, in denen diese einen finanziellen Beitrag zur Flotte leisten, ohne als Trierarch bezeichnet zu werden. Dies ist etwa in einer Inschrift dokumentiert, die zwei ansässige Fremde, Nikandros aus Ilion und Polyzelos aus Ephesos,51 für ihre Großzügigkeit gegenüber der Flotte ehrt.52 Diese Ehrung haben sie sich, so berichtet die Inschrift, einerseits wegen der regelmäßigen Zahlung der eisphoraí verdient; andererseits, weil sie sichergestellt hatten, dass die Schiffe während des Lamischen Krieges den Hafen verlassen konnten.53 Jordan konstatiert, dass es sich bei diesen beiden ganz sicher um zwei Trierarchen handeln müsse und es ganz ausgeschlossen sei, dass sie nur einfache Seeleute gewesen seien.54 Mehrere Gründe machen diese Behauptung unwahrscheinlich. Zum einen werden die beiden an keiner Stelle als Trierarchen bezeichnet, und es ist zumindest nicht offensichtlich, warum auf diese Bezeichnung hätte verzichtet werden sollen. Hinzu tritt, dass sie, wenn sie denn das Amt des Trierarchen bekleidet hätten, im Grunde nichts anderes getan hätten, als ihre Aufgabe zu erfüllen, nämlich die Schiffe bemannen, ausrüsten und losschicken. Die Quelle gibt weder einen Hinweis darauf, dass sie mehr getan hätten, als von ihnen erwartet worden wäre,

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Vgl. Clark 1990, S. 53f. Vgl. ebd., S. 65. Als weiteren Kandidaten für einen fremden Trierarchen führt Jordan noch einen ebenfalls in zwei Inschriften (IG II2 1491, Z. 26 sowie IG II2 1492, Z. 106) genannten Herakleides an, jedoch sind beide Inschriften jeweils direkt hinter dem Namen so stark beschädigt, dass die Rekonstruktion eines Ethnikon, wie Jordan sie versucht, im besten Falle gewagt, eher jedoch hoffnungslos ist, vgl. Jordan 2001, S. 132f. Sofern es sich bei Jordans Herakleides um denselben handelt, den auch Nemeth bespricht, erhielt er auch die politeía, und seine triērarchía hätte nach dieser Einbürgerung stattgefunden, vgl. Nemeth 2001, S. 335. Ganz sicher festzustellen ist das aber nicht, da Nemeth einerseits keinen Quellenverweis angibt und andererseits das Ethnikon ‚Klazomenai‘ und nicht wie Jordan ‚Erythrai‘ liest. 51 Die Genannten sind auch hier mit ihrem Ethnikon verzeichnet und nicht mit ihrer Demenaffiliation, allerdings handelt es sich hier, anders als bei Antimachos, um eine Ehreninschrift, wo eine Bezeichnung mit dem Ethnikon üblich und auch für ansässige Fremde nicht anders zu erwarten gewesen wäre, vgl. Kap. II.7.3.1. 52 IG II2 505, Z. 12–41, vgl. Jordan 2001, S. 132. 53 IG II2 505, Z. 13–18. 54 Vgl. Jordan 2001, S. 132: „it is as clear as anything in these matters can be that they were trierarchs.“

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noch auf den Anlass, diese Ehreninschrift zu setzen. Ganz genau genommen, hätten sie nämlich sogar weniger getan, denn sie scheinen die von ihnen ausgerüsteten Schiffe nicht kommandiert zu haben. Jordans Vermutung, dass es sich hier um mehr als einfache Seeleute gehandelt hat, mag richtig sein; aber viel wahrscheinlicher als Trierarchen scheinen die Geehrten gutsituierte ansässige Fremde gewesen zu sein, die sich den Athenern gegenüber spendabel zeigten. Die Frage der triērarchía für Fremde kann nicht abschließend beantwortet werden. Es gibt vielleicht nur den Grund des Prestiges, warum dieses Amt den Bürgern vorbehalten gewesen sein könnte, aber die finanzielle Krise, in die Athen spätestens ab dem frühen 4. Jahrhundert geraten war, dürfte auch die stolzen Athener zu Zugeständnissen gezwungen haben. Andererseits gibt es aber kein schlüssiges Beispiel in den Quellen, das die triērarchía für einen Fremden belegte. Jede Schlussfolgerung für oder gegen die Möglichkeit für ansässige Fremde, eine triērarchía zu übernehmen, bleibt somit ein argumentum e silentio, das eines endgültigen Beweises entbehrt. Angesichts der vorstehenden Untersuchungen kann aber eine grundsätzliche Zulassung der ansässigen Fremden zur triērarchía zumindest nicht ausgeschlossen werden. III.1.2 Ansässige Fremde im Heer Grundsätzlich ist anzunehmen, dass das Heer der Athener keinesfalls nur aus Athenern bestand, sondern dass Fremde zu jeder Zeit rege beteiligt waren. Unter diesen Nichtathenern befanden sich neben Sklaven55 und einer wahrscheinlich erheblichen Anzahl von Söldnern56 auch ansässige Fremde: Die frühesten Belege für ihre Beteiligung im Heer entstammen dem Werk des Thukydides.57 Seit wann die Einbeziehung von ansässigen Fremden in die Armee in Athen üblich war, ist aber nicht mehr feststellbar – bei Thukydides erscheint sie bereits als common practice.58 Auch die Gefallenenlisten, in denen unter den Toten auch ansässige Fremde gelistet werden, belegen ihren Einsatz im Heer.59 Die Quellen geben keinen Anlass, zu bezweifeln, dass ansässige Fremde im Heer als Hopliten dienen konnten.60 Im Gegensatz zum Einsatz als Ruderer hatten sie sich

55 56 57 58 59

Thuk. 3, 17; Thuk. 7, 75; vgl. Fisher 2010, S. 333; Cohen 2000, S. 98. Bspw. Isokr. ep. 9, 8–9; vgl. McKechnie 1989, S. 79–85. Thuk. 2, 13, 7; Thuk. 2, 31, 1–2. Vgl. Whitehead 1977, S. 82. U. a. IG I3 1150, Z. 13; IG I3 1190, Z. 13–14; IG I3 1180a, Z. 5; IG I3 1184, Z. 89; IG I3 1190 col. 1 Z. 65; vgl. Cohen 2000, S. 98; Adak 2003, S. 233; Meyer 1993, S. 109; Papazardakas/Sourla 2012, S. 585f. 60 Xen. Vect. 2, 2; Thuk. 2, 13, 7; vgl. u. a. Jones 1955, S. 145 n 9; Whitehead 1977, S. 82. Hinzutreten auch Darstellungen der Verstorbenen als Schwerbewaffnete im Heer auf den Grabstelen ansässiger Fremder, vgl. Bergemann 1997, S. 146.

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ihre teils recht teure Ausrüstung auf eigene Kosten zu beschaffen.61 Aufgrund dieser Vermögensqualifikation ist davon auszugehen, dass nicht alle ansässigen Fremden Hopliten waren, sondern einige auch als Leichtbewaffnete im Heer kämpften.62 Diese Schlussfolgerung legt auch die Bemerkung über die Einbindung der ansässigen Fremden in das Heer bei Thukydides nahe.63 Ausgeschlossen waren ansässige Fremde allerdings wohl von der Kavallerie: Das geht zumindest aus dem Vorschlag des Xenophon hervor, der sich für die Aufnahme ansässiger Fremder in die Reiterei zur Steigerung ihrer Loyalität gegenüber Athen und zur Verbesserung der Streitmacht ausspricht.64 Der Grund hierfür wurde bisweilen in einem von den Bürgern beanspruchten Vorrecht auf diese einerseits weniger gefährliche, andererseits aber prestigeträchtigere Stellung in der Armee gesehen, das sich auch im Ausschluss ansässiger Fremder von höheren militärischen Ämtern manifestiert:65 Die Quellen geben keinen Hinweis auf nicht-athenische Kommandanten oder gar Strategen. Es gibt Indizien dafür, dass ansässige Fremde als Hopliten keinen festen Bestandteil der auswärts kämpfenden Streitkräfte ausmachten. Dafür spricht vor allem, dass ihre Beteiligung nur für wenige Anlässe explizit belegt ist und in diesen Fällen von den Quellen auch besonders im Kontext einer Generalmobilmachung hervorgehoben wird.66 Es handelt sich dabei um die Kämpfe in der Megaris67 und bei Delium68 sowie um eine Expedition in die Peloponnes, um abtrünnige Bundesgenossen zur Räson zu rufen.69 Allen drei Anlässen ist dabei gemeinsam, dass sie die Athener aufgrund der eingeschränkten Zahl verfügbarer Wehrfähiger vor eine besondere Herausforderung gestellt hatten, die sie, wie Richard Duncan-Jones herausgearbeitet hat, durch die Einbeziehung der ansässigen Fremden zu meistern versuchten.70 So belief sich die Zahl bürgerlicher Hopliten in der Megaris nur auf 10.000 Mann, weil die restlichen 3.000 in Potideia stationiert waren.71 Um ihr Fehlen auszugleichen, wurden wohl die von Thukydides genannten 3.000 ansässigen Fremden als Hopliten in die Kämpfe einbe61 62 63

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Ob Söldnern ein Teil oder gar ihre gesamte Ausrüstung gestellt wurde, ist umstritten, vgl. dazu McKechnie 1989, S. 80–85. Vgl. Whitehead 1977, S. 82. Thuk. 2, 13, 7 berichtet, dass nicht alle ansässigen Fremden die Mauern bemannten, sondern nur diejenigen unter ihnen, die Hopliten waren, was wiederum impliziert, dass es auch ansässige Fremde gegeben haben musste, die nicht zu dieser Gruppe gehörten; ähnlich auch schon Whitehead 1977, S. 82. Dazu auch Jones 1955, S. 147, der darauf hinweist, dass es auch ärmere ansässige Fremde im Heer gegeben haben muss, sowie Mavrogordatos 2014, S. 42, der ansässige Fremde als Bogenschützen im Heer (und damit als Leichtbewaffnete) vermutet. Xen. Vect. 2, 5 und ähnlich auch Xen. Hipp. 9, 6; vgl. Kamen 2013, S. 53. Vgl. u. a. Mavrogordatos 2014, S. 45; Todd 1993, S. 196. Vgl. Duncan-Jones 1980, S. 104. Thuk. 2, 31, 1. Thuk. 4, 90, 1. Thuk. 3, 16, 1. Vgl. Duncan-Jones 1980, S. 104f. Thuk. 2, 31, 2.

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zogen.72 Ähnlich begründet Duncan-Jones auch den Einsatz ansässiger Fremder bei der Expedition in die Peloponnes: Zahlreiche bürgerliche Soldaten waren anderswo in Konflikte verwickelt, sodass ihr Fehlen durch die ansässigen Fremden ausgeglichen werden musste.73 Dass ansässige Fremde auch in Delium an den Kämpfen teilnahmen, könnte der Pest geschuldet gewesen sein, die erst kurz vorher in Athen gewütet und zahlreiche Opfer, auch unter den wehrfähigen Männern, gefordert hatte.74 Hinzu kommt, dass Thukydides im Rahmen seiner Auflistung der verfügbaren Streitkräfte die Hopliten der ansässigen Fremden nicht unter den auf dem Schlachtfeld Kämpfenden aufführt, sondern sie gemeinsam mit den jüngsten und ältesten wehrfähigen Athenern nennt, welche die Mauern bemannen.75 Dass die Athener die ansässigen Fremden nicht in ihr ständiges Heer aufnahmen und damit auf einen wahrscheinlich nicht unerheblichen Teil der verfügbaren manpower auf dem Schlachtfeld verzichteten, ist nur im ersten Moment verwunderlich. Zum einen war die Bemannung der Mauern keine geringfügige Aufgabe, sondern für die Verteidigung und Sicherung der Stadt essentiell.76 Zweitens könnten die Athener, wie Duncan-Jones vermutet, befürchtet haben, dass das Desertieren bei Nichtathenern wahrscheinlicher war.77 Schließlich könnten die ansässigen Fremden auch nicht regelmäßig an den Kampfhandlungen teilgenommen haben, weil sie schlichtweg keinen Zugang zu entsprechender Ausbildung hatten: Vielleicht bestand für die Athener die Möglichkeit, an gemeinsamen Trainingseinheiten teilzunehmen, von denen die ansässigen Fremden ausgeschlossen waren.78 Eingedenk der hohen Ansprüche an die Koordination, welche die Hoplitenphalanx den Kämpfenden abverlangte, ist leicht vorstellbar, dass ein Untrainierter schnell zur Gefahr werden konnte. Wenn ansässige Fremde an den Schlachten teilnahmen, so hat die Forschung konstatiert, kämpften sie aller Wahrscheinlichkeit nach in separaten Einheiten.79 Das legt

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79

Vgl. Duncan-Jones 1980, S. 104; ähnlich auch Winton 2001, S. 301. Vgl. Duncan-Jones 1980, S. 104. Zu diesem Zeitpunkt waren einige vollbesetzte Kriegsschiffe etwa nach Mytilene (Thuk. 3, 3, 2) bzw. nach Naupaktos ausgesandt worden (Thuk. 3, 7, 3). Vgl. Duncan-Jones 1980, S. 104. Thuk. 2, 13, 6–7. Vgl. Winton 2001, S. 299. Vgl. Duncan-Jones 1980, S. 105. Die Quellen lassen derweil nicht vermuten, dass an der Loyalität der ansässigen Fremden zu Athen erhebliche Zweifel bestanden hätten. Vgl. Garland 2014, S. 157; Adak 2003, S. 234; ähnlich auch schon Gomme 1927, S. 147. Die Frage, inwiefern ein öffentliches Hoplitentraining der Bürger stattfand, ist umstritten. Regelmäßige Trainingseinheiten sind außerhalb Athens belegt, z. B. in Sparta, verschiedenen kretischen Poleis und Thessalien (vgl. Hanson 2013, S. 271 n 12; Lendon 2005, S. 108), für Athen markiert allerdings erst die Einführung der ephēbeía in den 330er Jahren den Beginn verpflichtender Trainingseinheiten (vgl. Lendon 2005, S. 92 mit n 14 und S. 109). Die Bemerkung Platons, dass landwirtschaftlich tätige Bürger kaum Zeit dafür fänden, sich angemessen in der Phalanx ausbilden zu lassen (Plat. Rep. 2, 371c; vgl. Hanson 2013, S. 271 n 12), könnte aber zumindest einen Hinweis darauf liefern, dass es vielleicht unregelmäßige Angebote gemeinsamer Trainingseinheiten gab. Vgl. Bäbler 1998, S. 48; Blok 2007, S. 322; Kamen 2013, S. 53; Zelnick-Abramovitz 2005a, S. 314.

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u. a. der Umstand nahe, dass sie in den Gefallenenlisten getrennt von den Bürgern aufgeführt wurden.80 Die Berichte des Thukydides enthalten ebenfalls einige Hinweise darauf, dass zumindest die Plataier in separaten Einheiten organisiert waren – sie erledigten stellenweise Sonderaufgaben als Vorarbeiter oder Unterstützer der athenischen Streitkräfte.81 Mustafa Adak hat auf dieser Grundlage argumentiert, dass, wenn selbst eine von den Athenern traditionell so hochgeschätzte Gruppe wie die Plataier separate Einheiten zu bilden hatte, dies wohl auch für andere ansässige Fremde gegolten haben dürfte.82 Der Verweis auf die hohe Wertschätzung, welche die Plataier bei den Athenern genossen, wiegt umso schwerer angesichts der Tatsache, dass einige der Plataier sogar eingebürgert worden waren – diese Gleichstellung mit den Athenern galt aber wohl nicht auf dem Schlachtfeld.83 Bei näherer Betrachtung ist Adaks Verweis auf diese Quellenstelle als Beleg für einen Sondereinsatz der Plataier aber nicht haltbar: Der dort beschriebene Trupp bestand nicht nur aus Plataiern, sondern auch aus Grenzsoldaten.84 Dass diese ebenfalls Plataier waren, ist zwar denkbar, aber keineswegs zwingend: Im Gegenteil liegt sogar nahe, dass es sich bei den Grenzsoldaten um die jüngsten und ältesten der Athener gehandelt haben könnte, die gemeinsam mit einigen ansässigen Fremden die Mauern bemannten.85 Für separate Einheiten von ansässigen Fremden hat Adak auch die Existenz eines Privilegs angeführt, welches zum Kampf in den athenischen Schlachtreihen berechtigt haben könnte.86 Der genaue Inhalt dieses in den Quellen als tás strateías strateúesthai metá Athēnaíōn bezeichneten Rechts ist jedoch unbekannt.87 Das Problem dieser Interpretation ist der ihr zugrundeliegende Zirkelschluss: Adak schließt aus der Existenz dieses Privilegs darauf, dass ansässige Fremde in separaten Einheiten kämpften, und daraus wiederum, dass die Empfänger von tás strateías strateúesthai metá Athēnaíōn mit den Athenern in einer Schlachtreihe kämpfen konnten.88 Dabei ist die Erlaubnis, gemeinsam mit den Athenern zu kämpfen, keineswegs, wie von Adak postuliert, die einzige mögliche Deutung:89 Gerade eingedenk dessen, dass ansässige Fremde wohl üblicherweise nicht auf dem Schlachtfeld standen, sondern als Reserve dienten, könnte tás strateías strateúesthai metá Athēnaíōn den Empfänger auch zur Mitgliedschaft in 80 81 82 83 84 85 86 87

88 89

So etwa in IG I3 1180a, Z. 5; IG I3 1184, Z. 89; IG I3 1190 col. 1 Z. 65; vgl. Adak 2003, S. 233. Thuk. 4, 67,5 sowie Thuk. 4, 67, 2; vgl. Adak 2003, S. 233. Vgl. Adak 2003, S. 233. Zur Stellung der Plataier in Athen und deren Einbürgerung S. 118f. Thuk. 4, 67, 5; Thuk. 4, 67, 2. Thuk. 2, 13, 7. Vgl. Adak 2003, S. 232, ähnlich auch Zelnick-Abramovitz 2005a, S. 314. In den Quellen wird dieses Privileg in der Regel mit der Formel „τὰς στρατείας στρατεύεσθαι μετὰ Ἀθηναίων“ markiert, wobei Variationen in den Quellen auftauchen. Belege für die Verleihung dieses Rechts finden sich bspw. in IG II2 218; IG II2 287; IG II2 351; IG II2 360; IG II2 505; IG II2 545, vgl. Adak 2003, S. 232. Vgl. ebd. Vgl. ebd.

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den aktiven Streitkräften berechtigen. Dafür spricht der kuriose Umstand, dass dieses Privileg in einigen Fällen an Personen verliehen wurde, die bereits inmitten der Athener gekämpft hatten.90 Die schiere Existenz des tás strateías strateúesthai metá Athēnaíōn-Privilegs ist damit als Beleg für separate Einheiten ansässiger Fremder aufgrund seines unsicheren Inhaltes untauglich. Aufschlussreicher könnte derweil die Frage nach der Aushebung der ansässigen Fremden für das Heer sein. So hebt Edward Cohen hervor, dass die Einberufung von Bürgern auf Demenebene geschah und die ansässigen Fremden, da sie ja selbst in der Deme registriert waren, wohl auch ihren Wehrdienst in den Demeneinheiten, d. h. mit den Bürgern, erbrachten.91 Die Aushebung der Wehrfähigen geschah dabei über ein auf Demenebene geführtes Register, in dem die Einwohner der Deme verzeichnet waren,92 zu denen freilich nicht nur Bürger, sondern auch ansässige Fremde gehörten.93 Bei der Zusammenstellung der Streitkräfte wurden diese Listen konsultiert und Bürger und ansässige Fremde, da sie gemeinsam auf diesen Listen vermerkt waren, auch gemeinsam einberufen. Auf diese Weise wurden Dementrupps zusammengestellt, welche die kleinsten Einheiten in den athenischen Streitkräften bildeten.94 Ihre gemeinsame Aushebung deutet darauf hin, dass Bürger und ansässige Fremde die Demeneinheiten auch gemeinsam bildeten. Kritiker dieser Ansicht haben insbesondere auf das Themistokles-Dekret verwiesen,95 das die Aushebung ansässiger Fremder über die Register des árchōn polémarchos erwähnt.96 Abgesehen von der zweifelhaften Authentizität dieser Inschrift,97 betrifft die hier vermerkte Aushebung aber nur die Bemannung der Flotte und muss sich nicht zwangsläufig, wie etwa Adak und vor ihm auch schon David Whitehead anzunehmen scheinen, auf das Heer übertragen lassen.98 So wäre es denn denkbar, dass ansässige Fremde, die sich als Hopliten auszustatten vermochten,99 auf den Demenlisten registriert waren. Hinzu tritt, dass die Organisation der Wehrfähigen für die Flotte überhaupt nicht auf Demenebene, sondern wahrscheinlich über die Trittyen geschah100 und damit ohnehin ganz anderen Modalitäten folgte. Damit liefert das Dekret des Themistokles allenfalls einen Beleg dafür, dass die Praxis der Aushebung nichts mit der Separierung auf dem Schlachtfeld zu tun haben musste: In der Flotte wurden an-

90 91 92 93 94 95 96 97 98 99 100

IG II2 505; IG II2 276; IG II2 421; IG II2 715; vgl. Whitehead 1977, S. 84. Vgl. Cohen 2000, S. 19, S. 74 sowie S. 123; ähnlich auch Cohen 1997, S. 83. Vgl. Hansen 1991, S. 104; Christ 2001, S. 401. Vgl. Fisher 2010, S. 340. Zur Zugehörigkeit Fremder zu einer bestimmten Deme, vgl. Kap III.4.4. Vgl. Kienast 2005, S. 88; Whitehead 1986b, S. 224. So etwa Adak 2003, S. 233; Whitehead 1977, S. 83. SEG 18, 153, Z. 27–31. Dazu S. 68 n 343. Vgl. Adak 2003, S. 233; Whitehead 1977, S. 83. Zur Einteilung von ansässigen Fremden in Vermögensklassen s. Kap. III.1.4. Vgl. Hansen 1991, S. 105.

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sässige Fremde und Bürger schließlich separat ausgehoben, dienten auf den Schiffen aber wiederum gemeinsam. Der vermeintlich deutlichste, aber in der Forschung oft übergangene Beleg101 gegen die Organisation der ansässigen Fremden in separaten Einheiten findet sich allerdings in Xenophons Póroi: Der Vorschlag, die Bürger in eigenen Einheiten, anstatt inmitten von Lydern, Phrygern, Syrern und allerlei anderen bárbaroi kämpfen zu lassen, deutet eigentlich recht unmissverständlich darauf hin, dass es keine separaten Einheiten für Fremde gab.102 Allerdings ist zu bedenken, dass das gemeinsame Kämpfen sich hier nicht unbedingt auf das Nebeneinanderstehen in den Einheiten beziehen muss, sondern der Einsatz von Fremden an sich gemeint sein könnte. Dieser Einwand wiegt umso schwerer in Anbetracht des Gesamtkontextes dieser Bemerkung: Xenophon plädiert nämlich für den grundsätzlichen Ausschluss Fremder, da es ehrenvoller für die Polis sei, wenn ihre Bürger sich nicht auf fremde Helfer verlassen müssten.103 Sie einfach in separaten Einheiten zu organisieren, so kann vermutet werden, wäre in Xenophons Verständnis wohl auch nicht ruhmreicher für die Polis gewesen. Insgesamt erlaubt die Quellenlage keine abschließende Entscheidung darüber, ob ansässige Fremde in separaten Einheiten im Heer aufgestellt wurden oder nicht. Die in der Forschung üblicherweise angeführten Belege für die Trennung von Bürgern und ansässigen Fremden im Heer stellten sich im Rahmen des Vorausgegangenen als nicht eindeutig heraus. So enthalten die Truppen der Plataier vielleicht auch (athenische) Grenzsoldaten und das tás strateías strateúesthai metá Athēnaíōn-Privileg ist zu unbestimmt, um eine übliche Separierung von Bürgern und ansässigen Fremden in der Schlacht zu belegen. Aber auch das Gegenteil ergibt sich aus den Quellen nicht zwangsläufig. Die gemeinsame Aushebung von Fremden und Bürgern auf Demenebene zieht nicht unbedingt auch eine gemeinsame Aufstellung nach sich. Allenfalls praktische Erwägungen könnten die Variante der separaten Einheiten für Fremde etwas wahrscheinlicher machen. Erstens dürfte die Gefahr groß gewesen sein, dass untrainierte Laien inmitten der athenischen Schlachtreihen die gesamte Phalanx durcheinanderbringen könnten. Zweitens erscheint es plausibel, dass die aus ansässigen Fremden bestehenden Reservetruppen im ganzen abgeordnet wurden, um fehlende Einheiten in der Schlacht zu kompensieren.

101 Vgl. Whitehead 1977, S. 83, der Xen. Vect. 2, 2–3 zwar als Indiz für das Nebeneinander von Bürgern und ansässigen Fremden anführt, aber im weiteren Verlauf seiner Darstellung keinen Bezug mehr darauf nimmt. 102 Xen. Vect. 2, 3. 103 Xen. Vect. 2, 4.

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III.1.3 Die militärische Bedeutung der ansässigen Fremden Wie nicht unberechtigt von George Mavrogordatos angemerkt wurde, hängt die militärische Bedeutung der ansässigen Fremden vor allem von ihrer numerischen Stärke ab.104 Zwei Stellen im zweiten Buch des Thukydides geben einen Hinweis auf den Anteil der ansässigen Fremden an dem Gesamtkontingent der Hopliten der Athener. Thukydides gibt an, dass die Schlachtarmee der Athener im ersten Kriegsjahr insgesamt 13.000 Hopliten umfasst habe und weitere 16.000 Hopliten die Mauern bemannt hätten.105 In Megara, so berichtet Thukydides an anderer Stelle, bestand das athenische Aufgebot aus 10.000 Hopliten aus dem Kreis der Bürger und weiteren 3.000 aus der Gruppe ansässiger Fremder.106 Hinzu traten noch weitere 3.000 Bürger-Hopliten, die in Potideia stationiert waren, sodass das gesamte bürgerliche Kontingent der Hopliten, laut den Angaben des Thukydides, 13.000 Männer umfasste. Das Kontingent der ansässigen Fremden ist weit weniger eindeutig zu bestimmen. Thukydides gibt an, dass sie 3.000 Hopliten vor Megara stellten; dazu kam aber noch eine nicht näher bestimmte Zahl ansässiger Fremder, die gemeinsam mit den jüngsten und den ältesten Athenern als Hopliten die Mauern bemannten. Die Zahl der jüngsten und ältesten Athener und der ansässigen fremden Hopliten gibt Thukydides zwar insgesamt mit 16.000 an, expliziert allerdings nicht, welche Anteile jeweils auf die genannten Gruppen entfielen. Die Angaben des Thukydides wurden in der Forschung hin und wieder verwendet, um eine ungefähre Anzahl der von ansässigen Fremden gestellten Hopliten zu bestimmen – allerdings mit sehr unterschiedlichen Ergebnissen. So haben Arnold W. ­Gomme und später auch György Nemeth die Anzahl der ansässigen fremden Hopliten vor Megara mit ihrer Gesamtzahl gleichgesetzt und geschlossen, dass ansässige Fremde nicht mehr als 3.000 Hopliten stellten.107 Die Annahme ist jedoch aus zwei Gründen zurückzuweisen: Erstens ist es nicht plausibel anzunehmen, dass sich die Zahl der jüngsten und ältesten wehrpflichtigen Athener auf insgesamt 13.000 belaufen hätte:108 Wenn davon ausgegangen werden darf, dass diese von Thukydides Genannten Männer der Altersgruppen 18–19 und 50–59 umfassen und die durchschnittliche Lebenserwartung bei Geburt nicht mehr als 40 Jahre, tendenziell sogar deutlich weniger, betrug,109 ist diese Zahl schlichtweg viel zu hoch.110 Zudem ist es nicht plausibel anzunehmen, dass die Zahl der 18- bis 19- bzw. die Zahl der 50- bis 59-Jährigen der Zahl der 20- bis 49-Jährigen, aus denen sich die 13.000 aktiven Hopliten rekrutierten, entsprochen haben könnte. 104 105 106 107 108

Vgl. Mavrogordatos 2014, S. 42. Thuk. 2, 13, 6. Thuk. 2, 31, 2. Vgl. Gomme 1927, S. 146; Nemeth 2001, S. 333. Diese Zahl ergibt sich als Differenz der von Thukydides angegebenen 16.000 Männer auf den Mauern abzüglich der 3.000 ansässigen Fremden in Megara. 109 Vgl. Duncan-Jones 1980, S. 103. 110 So auch schon Whitehead 1977, S. 98.

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Stattdessen ist es, zweitens, wahrscheinlicher, dass die Inklusion von 3.000 Hopliten aus den Reihen der ansässigen Fremden ein Ausgleich für die 3.000 im Kontingent fehlenden bürgerlichen Hopliten war, die zum Zeitpunkt des Einfalls in Megara in Potideia stationiert und daher nicht verfügbar waren.111 Erst durch ihre Mobilisierung konnten die Athener die von Thukydides angegebene Maximalzahl von 13.000 Hopliten auf dem Schlachtfeld erreichen.112 Duncan-Jones nimmt demgegenüber den Anteil der ansässigen Fremden an dem insgesamt 29.000 Mann starken Gesamtkontingent viermal so hoch an: Ihm zufolge stellten ansässige Fremde 12.000 Mann als Hopliten, also knapp über 40 %.113 Diese Zahl scheint wiederum zu hoch: Bei den 12.000 handelte es sich nur um diejenigen, die sich als Hopliten ausrüsten konnten – ansässige Fremde dienten aber auch als Ruderer und als Leichtbewaffnete. Angesichts dessen, dass viele von ihnen zu Beginn des Krieges Athen verlassen haben dürften,114 ist die Frage, ob denn die Verbliebenen überhaupt noch so viele Personen – zumal als Hopliten – stellen konnten. Dieser Einwand wiegt umso schwerer, wenn man bedenkt, dass die Tätigkeit als Hoplit, im Gegensatz zu der als Ruderer oder Leichtbewaffneter, auch ein gewisses Vermögen voraussetzte, das viele nicht hatten. Vielleicht war deshalb sogar nur eine Minderheit der ansässigen Fremden als Hopliten aktiv, was auch die deutliche Betonung des Wertes der ansässigen Fremden in der Flotte – und nicht im Heer – nahelegen könnte.115 Eine genaue Zahl der ansässigen Fremden unter den Hopliten zu bestimmen ist hoffnungslos, aber wir können immerhin eine ungefähre Annäherung versuchen. Aus Thukydides’ Angaben ergibt sich, dass die ansässigen Fremden im ersten Kriegsjahr mindestens 3.000 Hopliten gestellt haben müssen, denn so viele konnten sie nach Megara schicken; aber weniger als 16.000, denn so viele Männer bemannten die Mauern insgesamt. Wenn angenommen werden darf, dass die Zahl der ältesten und jüngsten Athener auf den Mauern geringer war als die der Athener in den auf dem Schlachtfeld eingesetzten Altersgruppen,116 d. h. also weniger als 13.000, ergibt sich, dass die ansässigen Fremden von den insgesamt 16.000 Hopliten auf den Mauern mehr als 3.000 gestellt haben müssen. Mit Sicherheit kann damit gesagt werden, dass die ansäs-

111 Ähnlich auch schon Winton 2007, S. 301 sowie Duncan-Jones 1980, S. 104. 112 Thuk. 2, 13, 6 sowie Thuk. 2, 31, 1–2. 113 Vgl. Duncan-Jones 1980, S. 103. Duncan-Jones kommt zu diesem Schluss unter Verwendung der Princeton-Life-Tables, wobei er seinen Berechnungen eine durchschnittliche Lebenserwartung von 20 oder 40 Jahren bei Geburt sowie ein Bevölkerungswachstum von 1 % p. a. zugrunde legt. 114 Vgl. Whitehead 1984a, S. 57f; dazu auch Kap. I.3.4. 115 So etwa in Thuk. 1, 143, 1, wo die Bedeutung der ansässigen Fremden als Ruderer hervorgehoben wird. 116 Vgl. Duncan-Jones 1980, S. 103. Das ergibt sich aus dem Umstand, dass die Anzahl der 18–19jährigen und die Zahl der 50–59jährigen entsprechend der Verteilung der Altersgruppen in der Bevölkerung wohl geringer gewesen sein dürfte als die der übrigen Altersgruppen.

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sigen Fremden im ersten Kriegsjahr mehr als 10 % der Hopliten stellten. Eine genauere Angabe lassen die Quellen nicht zu. Mag also die Bedeutung der ansässigen Fremden in den Streitkräften nicht mehr genau feststellbar sein, erlauben verschiedene Aussagen in den Quellen doch Rückschlüsse darauf, dass die Athener sie zumindest als relevant – manchmal sogar entscheidend – empfunden haben müssen. So bemerkt Pseudo-Xenophon, dass Athen ansässige Fremde nicht nur wegen des Handels, sondern auch wegen ihrer Rolle im Heer anzuziehen versuchen solle,117 und Demosthenes bemängelt die große Bedeutung, die ansässigen Fremden bei der Bemannung der Kriegsschiffe zukam.118 Dass sie wahrscheinlich kein ständiger Teil der Streitkräfte auf dem Schlachtfeld waren, tut der militärischen Bedeutung der ansässigen Fremden im Übrigen keinen Abbruch: Einerseits, weil die Bemannung der Mauern eine zentrale Rolle bei der Verteidigung der Stadt einnahm und damit keineswegs unwichtig war;119 andererseits, weil ihr Einsatz als Ruderer auf den Schlachtschiffen wahrscheinlich ohnehin bedeutender war.120 Schließlich wird der Wert der ansässigen Fremden für die athenischen Streitkräfte auch in den Gefallenenreden herausgestellt,121 die übrigens nicht nur von Bürgern gehalten werden konnten.122 Ob als Ruderer in der Flotte oder im Heer als Leichtbewaffnete oder Hopliten: Die Forschung ist sich einig, dass ansässige Fremde grundsätzlich gezwungen waren, Athen bei Bedarf militärisch Hilfe zu leisten.123 Aufgrund dieser Verpflichtung und weil es ansässigen Fremden verboten war, Athen in Kriegszeiten zu verlassen,124 war ihre manpower wahrscheinlich ein – wie die vorangegangenen Ausführungen gezeigt haben – durchaus bedeutender Bestandteil der athenischen Streitkräfte und von den Athenern wohl auch fest einkalkuliert. Dies legen zumindest einige Quellen nahe, die eben dieses Sich-Verlassen auf Fremde kritisieren;125 schließlich ging mit dem Dienst in der Schlacht auch eine Anteilnahme am Schicksal Athens126 und vielleicht sogar ein Anteilnehmen an der Polis selbst einher. Dies würde zumindest aus der Behauptung

117 118 119 120 121 122 123 124 125 126

Ps.-Xen. Ath. Pol. 1, 12. Demosth. 4, 36–37. Dazu S. 215 in diesem Kapitel. Thuk. 7, 63, 3–4; Ps.-Xen. Ath. Pol. 1, 12; vgl. dazu auch Burford 1965, S. 34; Duncan-Jones 1980, S. 102. So etwa in der Gefallenenrede des Perikles (Thuk. 2, 35–46) und auch in Demosthenes’ Gefallenenrede (Demosth. 60, 13); vgl. Blok 2007, S. 321–323; Cohen 2000, S. 97f. So etwa die Gefallenenrede des Lysias (Lys. 2), vgl. Blok 2007, S. 323. Vgl. Cohen 2000, S. 98; Garland 2014, S. 163; Hansen 1991, S. 100; Kamen 2013, S. 53; Klees 2000, S. 21; MacDonald 1981, S. 166; Mavrogordatos 2014, S. 38; Mann 2008, S. 3; Todd 1993, S. 196; Whitehead 1984a, S. 57; Whitehead 1977, S. 86. Dieses Gesetz ist belegt in Hyp. 3, 29 sowie in Hyp. 3, 33 und ähnlich auch Demosth. 4, 36. Z. B. Xenophon, der es dem Ansehen der Athener zuträglicher erachtet, wenn sie ihre Schlachten ohne fremde Unterstützer schlagen könnten: Xen. Vect. 2, 4. Vgl. Todd 1997, S. 114; ähnlich auch schon Whitehead 1984a, S. 57f sowie Finley 1973, S. 60.

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einer engen Verknüpfung von militärischem Engagement und politischen Rechten folgen, die von den antiken Quellen stellenweise nahegelegt wird127 und in der Geschichtswissenschaft u. a. im Zusammenhang mit der politischen Emanzipation der Theten kursiert.128 Die militärische Einbeziehung und Bedeutung der ansässigen Fremden führen indessen zu einem gewissen Widerspruch, der in der Forschung nicht unbeachtet geblieben ist:129 Einerseits tragen sie die Last zur Verteidigung Athens (sicherlich auch nicht ganz ohne Eigeninteresse) mit; andererseits sind die ansässigen Fremden politisch ausgeschlossen. Diese Diskrepanz war den Athenern selbst wohl nicht entgangen: So plädiert Xenophon dafür, die ansässigen Fremden von der Last der Wehrpflicht zu entbinden, denn es sei keine Kleinigkeit, sein Leben und Geschäft hintanzustellen.130 Neben der offensichtlichen Hoffnung, das Leben in Athen für die Fremden attraktiver zu gestalten, schwingt in diesem Vorschlag vielleicht auch die – vermeidbare – Schuldigkeit mit, in die Athen sich gegenüber den Fremden begibt. Die Lösung der Athener für diesen Widerspruch war dabei vergleichsweise einfach, wenn auch nicht unbedingt leicht: Sie bestand nämlich darin, denjenigen, die für die Polis kämpften, ohne einen Anteil an ihr zu haben, einen solchen im Rahmen der Verleihung des Bürgerrechts zu gewähren. Dafür spricht, wie etwa Michael Osborne herausgestellt hat, dass das Bürgerrecht im Austausch für militärisches Engagement vor allem dann verliehen wurde, wenn eine konkrete Notsituation bestand, deren erfolgreiche Überwindung unweigerlich vom Engagement der ansässigen Fremden abhing:131 so z. B. nach der Katastrophe bei Chaironeia, als die Athener die erlittenen Verluste dringend ausgleichen mussten,132 und auch in der Vorbereitung auf die Schlacht bei den Arginusen.133 Demgegenüber gibt es keine Quellenbelege, die auch nur im entferntesten darauf hindeuten würden, dass es außerhalb konkreter Krisensituationen Überlegungen gab, das Engagement der ansässigen Fremden im militärischen Bereich zu honorieren.134 Das könnte zu der Deutung verleiten, dass sie im allgemeinen – also von konkreten 127 Klassische Quellenstellen, welche die Verbindung von militärischem Engagement und politischen Rechten behandeln, sind etwa Aristot. Pol. 1279b 1–2 sowie 16–25; Aristot. Pol. 6, 1321a 5–15, ähnlich auch Thuk. 4, 126, 2; Xen. Hell. 2, 3, 48; Ps.-Xen. Ath. Pol. 1, 2, dazu auch: Mavrogordatos 2014, S. 38f. 128 So etwa Schulz 2005, S. 93f; Raaflaub 1998, S. 95–97. 129 Vgl. Cohen 2000, S. 19; Mavrogordatos 2014, S. 42f; Potts 2011, S. 48. 130 Xen. Vect. 2, 2–3. 131 Vgl. Osborne 1983, S. 37. 132 Nach der verheerenden Schlacht von Chaironeia wurde der Vorschlag gemacht, das Bürgerrecht an diejenigen zu verleihen, die bereit waren, sich an der Verteidigung der Stadt zu beteiligen: Lykurg. 41; Plut. Mor. 848f–849a; Demosth. 26, 11 sowie Suda s. v. Ἀριστογείτων, vgl. Osborne 1983, S. 67f (= Osborne Nat. T67). 133 Die Teilhabe von ansässigen Fremden und Unfreien an dieser Schlacht belegt u. a. Xen. Hell. 1, 6, 24, die Einbürgerung der kampfwilligen Fremden u. a. Diod. 13, 97, 1; And. 2, 23; vgl. Osborne 1983, S. 33–37 (= Osborne Nat. T10). 134 Ähnlich auch schon Mavrogordatos 2014, S. 45.

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Notfällen abgesehen – entbehrlich waren. Demgegenüber steht aber die oben ausgeführte zahlenmäßige Signifikanz der ansässigen Fremden in den Streitkräften.135 Außerdem legen die Quellen nahe, wie im Vorausgegangenen ausgeführt wurde, dass die militärische Anteilnahme ansässiger Fremder von den Athenern als nicht unbedeutend empfunden wurde. In diesem Zusammenhang muss schließlich auch bedacht werden, dass der Einsatz für die Wahlheimat einerseits natürlich auch aus eigenem Interesse erfolgte – immerhin dürften die ansässigen Fremden etwa von feindlichen Angriffen und Plünderungen nicht weniger betroffen gewesen sein als die Bürger. Andererseits mag ein Honorieren dieses Einsatzes vielleicht schon deshalb obsolet gewesen sein, weil er gesetzlich ohnehin vorgeschrieben war. Vor diesem Hintergrund löst sich der in der Forschung betonte Widerspruch zwischen militärischem Einsatz und fehlender politischer Handlungsfähigkeit zwar nicht unbedingt auf, kann aber zumindest abgeschwächt werden. III.1.4 Die Einteilung ansässiger Fremder in Vermögensklassen Der Umstand, dass sie als Hopliten dienen konnten, hat wohl dazu geführt, dass die Forschung stellenweise eine Unterteilung der ansässigen Fremden in Vermögensklassen fast schon wie selbstverständlich angenommen und damit wohl häufig auch unbewusst eine Differenzierung der ansässigen Fremden durch die Athener vermutet hat.136 Allerdings ist deutlich darauf hinzuweisen, dass die Einteilung der ansässigen Fremden in Vermögensklassen weder selbstverständlich ist, noch dass sie parallel zur Klassifizierung der Bürger erfolgen konnte. Seit Solon wurde jeder Bürger einer von vier Vermögensklassen zugeordnet, die im direkten Zusammenhang mit seiner Fähigkeit, sich auszurüsten und dadurch mit seiner Stellung im Heer stand: pentakosiomédimnoi und hippeís dienten als Reiter, zeugítai als Hopliten und Theten als Leichtbewaffnete und Ruderer. Da eine Beteiligung der ansässigen Fremden im Heer als Reiter ohnehin ausgeschlossen war,137 ist die Vermutung naheliegend, dass es in ihren Reihen, wenn überhaupt, nur zwei Vermögensklassen geben konnte: einerseits diejenigen, die sich als Hopliten auszurüsten vermochten und andererseits diejenigen, denen keine ausreichenden Mittel für eine Ausrüstung zur Verfügung standen und die demnach als Leichtbewaffnete oder Ruderer dienten.138 Während die untere Vermögensklasse den bürgerlichen Theten recht ähnlich gewesen sein könnte, dürfte die Gruppe der

135 Dazu S. 220 in diesem Kapitel. 136 So etwa Gomme 1927, S. 147 sowie Gomme 1933, S. 5; Jones 1955, S. 147; Duncan-Jones 1980, S. 101; Nemeth 2001, S. 333. 137 Dazu S. 214 in diesem Kapitel. 138 Die Existenz von zwei Vermögensklassen zur Einteilung der ansässigen Fremden zieht auch Whitehead in Betracht, vgl. Whitehead 1977, S. 82.

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ansässigen Fremden des Hoplitenzensus ungleich heterogener gewesen sein – schließlich würde sie alle ansässigen Fremden umfassen: von denen, die sich gerade noch die Ausrüstung als Hoplit leisten konnten, bis hin zu den Allerreichsten unter ihnen.139 Zugegebenermaßen waren aber die Besitzunterschiede zwischen zeugítai, hippeís und pentakosiomédimnoi in der Gruppe der Bürger auch nicht besonders groß.140 Die tatsächliche Existenz solcher Vermögensklassen für ansässige Fremde ist allerdings sehr fraglich und den Quellen nicht direkt zu entnehmen. Mehrere Sachverhalte machen sie sogar recht unwahrscheinlich. Erstens ist auf die Bedeutung der Zensusklassen für die Regelung der politischen Kompetenzen der Bürger hinzuweisen: Die Solonischen Zensusklassen hingen zwar vielleicht mit der militärischen Rollenverteilung zusammen,141 dienten aber im Kern dazu, zu bestimmen, ob eine Person ein Amt übernehmen konnte oder nicht.142 So war etwa das Archontat bis zu den Reformen des Ephialtes zwingend an die Zugehörigkeit zur obersten Vermögensgruppe, den pentakosiomédimnoi, gebunden.143 Diese politische Funktion der Unterteilung in Vermögensklassen war für die Differenzierung der ansässigen Fremden irrelevant, da ihnen der Zugang zu Ämtern ohnehin verwehrt war.144 Ein zweiter Sachverhalt, der eine Unterteilung ansässiger Fremder in Vermögensklassen zweifelhaft erscheinen lässt, sind die auf Landbesitz basierenden Zuordnungskriterien,145 die auf ansässige Fremde aufgrund ihres Ausschlusses von immobilen Besitztümern keine Anwendung finden konnten. Was die bloße Erhebung des Vermögens betrifft, kann dieses Problem leicht umgangen werden, indem auch mobiles Eigentum einbezogen würde. So legt Plutarch nahe, dass die Festlegung eines einer bestimmten Ertragsmenge entsprechenden Geldbetrages durchaus gängig war.146 Ein größeres Problem stellt aber die praktische Erhebung des Vermögens an sich dar: Während der immobile Besitz einer Person schon mit dem bloßen Auge erkennbar war, dürfte dies mit dem mobilen Besitz schon erheblich schwieriger gewesen sein – insbesondere wenn der Besitzer an einer Offenlegung seines Reichtums gar nicht interessiert war.147 Dass die Höhe des metoíkion besitzunabhängig für alle gleich festgelegt wurde, ist vielleicht nicht zuletzt auch diesem Umstand geschuldet.148 139 Vgl. Jones 1955, S. 147. 140 Vgl. Rosivach 2005, S. 601. 141 Die Zuordnung von Waffenklassen zu Vermögensklassen für die Bürger ist zu Recht in der Forschung hinterfragt worden und insgesamt wohl kaum zu halten, vgl. van Wees 2001 passim. 142 Vgl. Rosivach 2005, S. 598 sowie S. 601. 143 Aristot. Ath. Pol. 26, 2. 144 Dazu Kap. III.4.1. 145 Aus Aristot. Ath. Pol. 7, 4 geht hervor, dass die Zurechnung einer Person zu einer Klasse anhand des Kriteriums geschah, wieviel Ertrag sein Land einbrachte. 146 Plut. Sol. 23, 3. 147 Dazu S. 239f. 148 Dass ansässige Fremde, von mit der énktēsis Privilegierten (dazu Kap. III.7.4) abgesehen, kein Land besitzen konnten, dürfte die Vermögensschätzung deutlich erschwert haben, dazu Kap III.2.3.

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Was Quellenbelege anbelangt, kann auf die Einordnung ansässiger Fremder in Vermögensklassen allenfalls indirekt geschlossen werden: Thukydides könnte nahelegen, dass es eine Unterscheidung der ansässigen Fremden in Hopliten und Nicht-Hopliten gegeben habe.149 Das entspricht zunächst einer Differenzierung nach rein militärischen Gesichtspunkten; aber der Zugang zum Dienst als Hoplit hing wegen der Pflicht, die Kosten der Ausstattung selber zu tragen, vorrangig von der Frage ab, ob die notwendigen Ressourcen aufgebracht werden konnten, und nicht von den Fähigkeiten oder einer Ausbildung in der Kampfkunst.150 Damit lag der Zuordnung eines ansässigen Fremden zu den als Hopliten dienenden Personen zwar eine wirtschaftliche Einteilung zugrunde, aber daraus allein ist die Einteilung ansässiger Fremder in Vermögensklassen nicht plausibel abzuleiten. III.1.5 Fazit: Militärische Pflichten und Chancen Auf der militärischen Ebene trafen die ansässigen Fremden in Athen einige Verpflichtungen, mit denen sie sich zu arrangieren hatten. Allen voran ist hier sicherlich an die Wehrpflicht zu denken, die jeden zwang, die athenischen Streitkräfte im Kriegsfall zu unterstützen. Ansässige Fremde dienten in der Flotte als Ruderer und zu Land als Leichtbewaffnete oder als Hopliten. Im Heer fungierten sie in der Regel als Reservisten, die vor allem zur Bemannung der Mauern eingesetzt wurden. Auf dem Schlachtfeld scheinen sie nur in Ausnahmefällen gestanden zu haben. Ob sie im Kampfeinsatz eigene Einheiten bildeten oder gemeinsam mit den Bürgern in der Schlachtreihe standen, ist nicht abschließend zu entscheiden – einige Überlegungen rechtfertigen eine vorsichtige Tendenz zu Ersterem. Die militärischen Möglichkeiten der Fremden waren begrenzt. Ihr Einsatz für die Polis wurde nur in Ausnahmefällen explizit mit der Verleihung des Bürgerrechts honoriert. Von höheren militärischen Ämtern waren ansässige Fremde ausgeschlossen: ihr militärischer Dienst beschränkte sich auf den Einsatz als Ruderer, Hoplit oder Leichtbewaffneter. Auch wenn nicht völlig geklärt werden konnte, ob ansässigen Fremden die Übernahme einer triērarchía offenstand, deuten die allgemeinen Befunde doch zumindest darauf hin, dass diese prestigeträchtige leiturgía den Bürgern vorbehalten blieb. Nichtsdestotrotz sollte die Beteiligung ansässiger Fremder in den athenischen Streitkräften nicht nur als Last, sondern auch als Chance begriffen werden:151 Durch ihren Einsatz zum Wohl der Polis konnten sie ihre Loyalität unter Beweis 149 Thuk. 2, 13, 7: μετοίκων ὅσοι ὁπλῖται ἦσαν. 150 Aristot. Ath. Pol. 26, 1 deutet darauf hin, dass dieser Umstand durchaus als problematisch empfunden wurde. 151 Ähnlich auch schon Whitehead 1991, S. 149.

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stellen – manchmal sogar mit Aussicht auf Belohnung –, und die Kooperation mit den Bürgern konnte eine durchaus Gemeinsinn stiftende Erfahrung sein. III.2 Wirtschaft Vor allem die Bedeutung wirtschaftlicher Merkmale der ansässigen Fremden in Athen ist von der Forschung immer wieder hervorgehoben worden – sowohl im Hinblick auf die Differenzierung der ansässigen Fremden untereinander als auch im Vergleich zu anderen Statusgruppen wie den Bürgern oder den nichtansässigen Fremden. Im Zentrum des Interesses standen die Abgaben, die ansässige Fremde an die Polis zu entrichten hatten, außerordentliche Leistungen, vermögens- und besitzrechtliche Aspekte des Lebens der ansässigen Fremden in Athen sowie deren wirtschaftliche Möglichkeiten und Benachteiligungen und schließlich auch die Bedeutung der ansässigen Fremden für die athenische Wirtschaft. So wurde darüber diskutiert, inwiefern das metoíkion, die Fremdensteuer, ein statuskonstituierendes Merkmal darstellt, was unter dem dubiosen triṓbolon zu verstehen ist152 oder ob Fremde sich an Leiturgien beteiligen mussten. Auch die Konsequenzen des Ausschlusses von immobilen Besitztümern für das Leben als ansässiger Fremder in Athen sind in der Forschung mehrfach thematisiert worden. Die jeweiligen Schlussfolgerungen der einschlägigen Forschungsbeiträge könnten unterschiedlicher nicht sein: Während die einen in der Wirtschaft eine nahezu vollständige Gleichstellung der ansässigen Fremden untereinander und mit den Bürgern konstatierten, sehen andere die ansässigen Fremden in wirtschaftlichen Belangen benachteiligt wie nirgends sonst. Aufgabe des folgenden Kapitels ist es, das wirtschaftliche Leben der ansässigen Fremden in Athen zu untersuchen, wobei zu diskutieren sein wird, ob die ökonomische Ebene für eine Binnendifferenzierung der ansässigen Fremden in Athen tauglich sein könnte. Dabei gilt es zu untersuchen, welche wirtschaftlichen Pflichten die ansässigen Fremden zu erfüllen hatten (wie das Zahlen bestimmter Steuern), welchen Beschränkungen sie unterlagen (wie dem Verbot immobilen Eigentums) und welche Chancen ihnen geboten wurden (wie die Teilnahme am marktwirtschaftlichen Wettbewerb oder die Gelegenheit, sich ein Vermögen aufzubauen). Von besonderem Interesse wird dabei sein, ob und inwiefern diese Pflichten, Beschränkungen und Möglichkeiten innerhalb der Gruppe der ansässigen Fremden ungleich verteilt waren und damit differenzierend wirkten.

152 Zum triṓbolon s. Kap. II.3.2.1.

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III.2.1 Abgaben Den ansässigen Fremden eine Abgabenpflicht aufzuerlegen war mitunter eine heikle Sache: Einerseits ist es verlockend, aus ihrer Anwesenheit einen Gewinn zu ziehen. Andererseits konnte Athen seine ansässigen Fremden natürlich nicht unbegrenzt ausbeuten, wenn nicht riskiert werden sollte, dass diese die Polis einfach wieder verließen.153 Gleichzeitig wurde die Höhe der an den Staat gezahlten Abgaben über die Zeit auch zu einem Indikator des Reichtums einer Person und damit verbunden ihrer Stellung in der Gesellschaft – vor allem, weil sich alle den Bürgern auferlegten Steuern ausschließlich nach deren Besitz bemaßen.154 Damit bot sich den ansässigen Fremden hier nicht zuletzt eine Möglichkeit der Teilnahme am gesellschaftlichen Wettbewerb.155 Es ist dabei zwischen den Abgaben zu unterscheiden, die nur den ansässigen Fremden auferlegt wurden, dem metoíkion und dem triṓbolon,156 und denjenigen, die sie gemeinsam mit den Bürgern in Form von eisphoraí und Leiturgien erbrachten. Hinzu tritt die als xenikón télos bezeichnete Marktsteuer, die Fremde zu zahlen hatten, um einen Stand auf der Agora betreiben zu dürfen.157 Diese Abgabe wurde von allen Fremden erhoben,158 unabhängig davon, ob sie in Athen ansässig waren oder nicht.159 III.2.1.1 Das metoíkion Die Athener waren keine Freunde direkter Steuern: Das Zahlen von Kopf-, Einkommen- oder Vermögensteuern schien ihnen für Bürger unangemessen, geradezu tyrannisch zu sein160 und wurde aus diesem Grund vermieden. Gegenüber den ansässigen Fremden bestanden diese Bedenken anscheinend nicht:161 Dass das ihnen exklusiv auferlegte metoíkion eine direkte Steuer war, hat die Forschung stellenweise dazu veranlasst, eine deutliche und bewusste Herabsetzung der Besteuerten zu konstatieren.162 Als

153 Vgl. de Ste. Croix 1983, S. 289; Hunter 2000, S. 15; Meyer 2010, S. 48. 154 Vgl. Hansen 1991, S. 109f. 155 Vgl. Whitehead 1984a, S. 57. 156 Das triṓbolon als Differenzierungsmerkmal freigelassener und freigeborener ansässiger Fremder wurde bereits an anderer Stelle besprochen, vgl. Kap. II.3.2.1. 157 Vgl. Hansen 1991, S. 119; Blok 2017, S. 173; Adak 2003, S. 223; Rohde 2019a, S. 54. 158 Demosth. 57, 34. 159 Anders: Kamen 2013, S. 46. 160 Vgl. Thomsen 1964, S. 11; Finley 1981, S. 90. 161 Vgl. von Reden 1995, S. 35. 162 Vgl. Akrigg 2015, S. 165f; Fisher 2010, S. 339; Garland 2014, S. 156; Hunter 2000, S. 16; Meyer 2010, S. 30; Thomsen 1964, S. 100; Todd 1997, S. 113; von Reden 1995, S. 34; dagegen Blok 2004, S. 273f, die den Umstand, dass es sich beim metoíkion um eine Kopfsteuer handelte, praktischen Beweggründen geschuldet sieht: „In the absence of any systematic registration of income, a tax of a fixed amount per capita was a practical solution.“ (Blok 2004, S. 274).

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direkte Abgabe in Form einer Kopfsteuer war das metoíkion in Athen einmalig – jede andere Bürgern oder Fremden von der Stadt auferlegte Abgabe war entweder indirekt oder wurde nicht regelmäßig erhoben.163 Seine Höhe belief sich, wie aus der Überlieferung des Lexikographen Harpokration und des Hesychios hervorgeht,164 auf 12 Drachmen im Jahr für Männer und 6 für Frauen.165 Aus dieser Angabe hat die Forschung geschlossen, dass die Kopfsteuer für einen ansässigen Fremden in Athen 1 Drachme im Monat betragen habe.166 In diesem Zusammenhang muss hervorgehoben werden, dass sich die monatliche Zahlweise des metoíkion nicht aus den Quellen ergibt, sondern aus verschiedenen (gerechtfertigten) Erwägungen der Forschung. Demnach sei die Zahlung von 1 Drachme im Monat für einen erwerbstätigen ansässigen Fremden durchaus machbar gewesen, wenn auch für Arbeiter mit sehr niedrigem Einkommen nicht unerheblich.167 Daneben spricht für eine monatliche Zahlungsweise aber auch die Erwartung einer Mobilität, die durch eine Ansässigkeit in Athen nicht ausgeschlossen wurde: Wenn man bedenkt, dass einige ansässige Fremde ihre Zeit nicht dauerhaft – in manchen Fällen vielleicht sogar weniger als ein Jahr – in Athen verbrachten, ist es durchaus einleuchtend, die Steuer auf monatlicher Basis zu erheben. Nicht zuletzt hing mit dem Vorgang der Einnahme auch die ständige Aktualisierung der Verzeichnisse ansässiger Fremder zusammen: Indem diese monatlich wiederholt wurde, waren die Register tatsächlich immer auf dem neuesten Stand.168 Eng verbunden mit dieser Überlegung ist auch die Frage, wo und wie das metoíkion gezahlt wurde. Abgesehen davon, dass sich überhaupt sehr wenige Forschungsbeiträge zu dieser Sache äußern, sprechen sich diese recht einheitlich dafür aus, dass das metoíkion von Steuerpächtern, telṓnai, eingesammelt worden sei169 und damit nach den üblichen Modalitäten der Steuereintreibung im klassischen Athen funktionierte: Dabei boten Privatleute auf das Recht, für einen festgelegten Zeitraum Steuern eintreiben zu können.170 Wer sich daran beteiligte, musste ein Gebot abgeben, das einerseits hoch genug war, um den Zuschlag zu erhalten, andererseits aber auch nied163 Vgl. Todd 1997, S. 113; Kears 2013, S. 58; Whitehead 1977, S. 76. Zelnick-Abramovitz hat das triṓbolon als zweite direkte Steuer in Athen aufgefasst, vgl. Zelnick-Abramovitz 2005a, S. 311, diese wurde aber nur einmalig und nicht regelmäßig erhoben und ist damit keine Steuer, s. Kap. II.3.2.1. 164 Harp. s. v. μετοίκιον; Hesych. s. v. μετοίκιον. In Ammonius findet sich die abweichende Angabe, das metoíkion habe sich auf 10 Drachmen belaufen (Ammon. Ad. Voc. 247 [Nickau]), hierbei handelt es sich aber wohl um einen Übertragungsfehler, vgl. Kears 2013, S. 57 und Todd 1997, S. 114. 165 Zur unterschiedlichen Höhe des metoíkion für Frauen und Männer, vgl. Kap. II.4.1. 166 Vgl. z. B. Kapparis 2005, S. 108; Hansen 1991, S. 117; Thür 1989, S. 117. 167 Vgl. Kears 2013, S. 66; Kapparis 2005, S. 108; Kamen 2016, S. 416; Spahn 1995, S. 46; Garland 2014, S. 156. 168 Dagegen Whitehead 1977, S. 76; zu den Registern ansässiger Fremder s. weiter unten in diesem Kapitel. 169 Vgl. Kears 2013, S. 58; Whitehead 1977, S. 76; zuletzt Rohde 2019a, S. 51 sowie S. 54f. 170 Solche Verträge zwischen Staat und Pächter sind etwa in Aristot. Ath. Pol. 47, 2 belegt, ähnlich auch Isokr. 17, 41. Zu praktischen Überlegungen zur Steuereintreibung in Athen s. Fawcett 2016, S. 174–176.

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rig genug, um durch die tatsächlich eingetriebenen Beträge gedeckt zu werden und noch einen Gewinn abzuwerfen. Im konkreten Zusammenhang mit dem metoíkion würde das bedeuten, dass die potenziellen telṓnai eine ungefähre Vorstellung davon haben sollten, wie viele ansässige Fremde es in Athen gab und wie viele von ihnen zur Zahlung des metoíkion verpflichtet waren.171 Das Problem, das sich bei der Eintreibung des metoíkion durch die telṓnai auftut, ist zunächst ein ganz praktisches. Bei indirekten Steuern kann die Zahlungspflicht in den allermeisten Fällen deutlich festgestellt werden: Wer etwa einen Stand auf dem Markt hat, muss die Marktsteuer entrichten, und wer in der Laureion-Mine Silber schürft, hat eine Grubenpacht zu zahlen. Es stellt sich aber die Frage, ob ein ansässiger Fremder in Athen auch immer als ein solcher zu erkennen ist. Der Alte Oligarch legt zumindest nahe, dass den meisten von ihnen ihre Leistungspflicht eben nicht ‚an der Nase‘ angesehen werden konnte,172 sodass die Gefahr doch sehr groß erscheint, dass die telṓnai ihre Zielpersonen überhaupt nicht ausmachen konnten. Entsprechend würden ihnen wohl viele entwischt und Verwechslungen an der Tagesordnung gewesen sein. Deshalb sollte zumindest in Betracht gezogen werden, dass die einzige (bekannte) Kopfsteuer im antiken Athen vielleicht auch gesondert, d. h. nicht durch die telṓnai, eingetrieben worden sein könnte. Vor allem das persönliche, unaufgeforderte Erscheinen der Zahlungspflichtigen an einer zentralen Stelle und vor einem offiziell Zuständigen muss dabei erwogen werden. Eine weitere praktische Überlegung ergibt sich aus der später noch genauer zu diskutierenden Funktion der Zahlung des metoíkion als symbolischer Akt: Die Forschung betont immer wieder den demarkierenden Charakter der metoíkion, und es muss gefragt werden, ob dieser im Hinterzimmer eines Steuereintreibers überhaupt noch so wirkmächtig gewesen wäre.173 In dieser Sache könnte der in Demosthenes’ Rede gegen Aristogeiton (Demosth. 25) kurz aufgegriffene Fall der Zobia Hinweise liefern. Der Redner erzählt, wohl hauptsächlich um den schlechten Charakter seines Opponenten herauszustellen, wie dieser eine gewisse Zobia, in der alleinigen Absicht, ihr zu schaden, in das pōlētḗrion, den Amtssitz der pōlētaí, gebracht habe, um zu überprüfen, ob sie das metoíkion gezahlt habe.174 Diese kurze Episode erlaubt zwar erst einmal keinen unmittelbaren Schluss auf den Ort, an dem das metoíkion entrichtet wurde; sie legt aber nahe, dass das pōlētḗrion der Ort und die darin tätigen Beamten die Zuständigen waren, an die sich Personen wandten, falls sie vermuteten, dass ein ansässiger Fremder das metoíkion vielleicht nicht bezahlt haben könnte. Im pōlētḗrion bestand daher wohl die Möglichkeit, diesen

171 So auch schon Kears 2013, S. 61. 172 So beschwert sich der Autor von Ps.-Xen. Ath. Pol. 1, 10 darüber, dass Bürger, Fremde und Sklaven auf den Straßen Athens nicht mehr voneinander zu unterscheiden seien. 173 Ähnlich: Meyer 2010, S. 30; zur symbolischen Bedeutung des metoíkion s. Kap. III.2.1.1.2. 174 Demosth. 25, 57.

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Vorwurf direkt zu überprüfen; vielleicht weil hier Listen aufbewahrt wurden, die über diejenigen geführt wurden, die das metoíkion gezahlt hatten. Dass Zobia, hätte sie das metoíkion nicht bezahlt gehabt, an Ort und Stelle in die Sklaverei verkauft worden wäre, könnte natürlich eine Übertreibung des Redners gewesen sein – oder diese Bemerkung liefert einen Hinweis darauf, dass die zur Feststellung der rechtmäßigen Zahlung konsultierte Liste im pōlētḗrion bei den pōlētaí lag. Es ist durchaus denkbar, dass diese Beamten den Vorwurf, ein Zahlungspflichtiger habe das metoíkion nicht gezahlt, durch Konsultation dieser Listen sofort prüfen konnten und, wenn sich der Verdacht bestätigte, den árchōn polémarchos anriefen, der wiederum den Verkauf des Schuldigen in die Sklaverei veranlasste,175 was auch am selben Ort stattgefunden hätte.176 Diese Verfahrensweise ist auch deshalb plausibel, da die pōlētaí ohnehin den Archonten über die Einnahmen rechenschaftspflichtig waren,177 sodass eine enge Zusammenarbeit zwischen ihnen und dem für ansässige Fremde zuständigen árchōn polémarchos bei der Verwaltung der Zahlung des metoíkion durchaus naheliegt. Nicht zuletzt ist auch das Vorhandensein eines festen Amtssitzes ein Argument: Weil die Zahlungspflicht eben nicht – wie etwa bei Inhabern eines Marktstandes – einer Person offen anzusehen war, könnte es vorgesehen gewesen sein, dass das metoíkion persönlich (und unaufgefordert) von den Betreffenden zu zahlen war. Ein solches Vorgehen brauchte jedoch zwingend auch einen festen Ort, den die Betreffenden aufsuchen konnten, um ihrer Pflicht überhaupt nachzukommen, und es wäre doch einleuchtend, wenn dies der Amtssitz des (oder der) zuständigen Beamten gewesen wäre. Die telṓnai hatten, soweit wir wissen, keinen festen Sitz; aber die pōlētaí verfügten über das pōlētḗrion. Vor diesem Hintergrund ist auch Matthew Kears’ Interpretation der Zobia-Episode zu verwerfen: Ihm zufolge handelte es sich hier um einen Fall, bei dem ein telṓnēs einen Steuerpflichtigen aufgegriffen hatte und dieser dann, sofern er die Zahlung nicht beweisen konnte, ohne Gerichtsverfahren verkauft worden wäre.178 Wenn denn das ganze Spektakel tatsächlich vor den pōlētaí stattgefunden hat, weil diese im Verdachtsfall Einsicht in die Listen hatten und wiederum den árchōn polémarchos einbezogen, war sehr wohl und entgegen Kears’ Vermutung179 ein Beamter anwesend und der für das weitere Verfahren Zuständige schnell greifbar. Ganz im Gegenteil würde dieser Umstand sogar die These Elizabeth Meyers, die Kears in seinen Ausführungen umfassend zu widerlegen versucht, stärken: Wenn es zutrifft, dass das Nichtzahlen des

175 Vgl. S. 320ff zur Rolle des árchōn polémarchos in Rechtsangelegenheiten. 176 Beschlagnahmtes Eigentum wurde im pōlētḗrion in einer Auktionsveranstaltung versteigert; Aristot. Ath. Pol. 47, 2–3, vgl. Langdon 1991, S. 57f. 177 Aristot. Ath. Pol. 47, 2–3; vgl. Rhodes 2001a (DNP 10), Sp. 11; zur engen Überwachung der pōlētaí als Verwalter öffentlicher Gelder vgl. z. B. Langdon 1991, S. 58. 178 Vgl. Kears 2013, S. 63. 179 Vgl. Kears 2013, S. 65.

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metoíkion als eine aprostasíu graphḗ vor Gericht gebracht werden kann,180 würde der árchōn polémarchos dieses Vergehen sogar selbst verhandeln und nicht, wie die anderen Delikte, an die Demen verteilen.181 Hinzu kommt auch noch ein Argument aus dem militärischen Bereich: So erfolgte die Aushebung der ansässigen Fremden zum Flottendienst wohl durch ein dem árchōn polémarchos vorliegendes Register,182 und es ist durchaus plausibel, dass dieses bei den pōlētaí aufbewahrt wurde, die eng mit ihm zusammenarbeiteten. Das Vorgenannte macht es also plausibel, dass im pōlētḗrion Listen aufbewahrt wurden, die die Zahlung des metoíkion verzeichneten. Dabei ist selbstverständlich nicht ausgeschlossen, vielleicht sogar naheliegend, dass den hier tätigen Beamten auch die Pflege dieser Listen oblag,183 was wiederum die Zahlung des metoíkion an die pōlētaí wahrscheinlich machen würde. So könnte sichergestellt werden, dass die Listen tatsächlich einigermaßen aktuell gehalten wurden – umso mehr, wenn es sich wirklich um eine monatliche Zahlung handelte. Dies wiederum war schon allein deshalb wichtig, weil eine wirklich schnelle Einberufung der Registrierten nur durch eine nicht bereits veraltete Liste zu gewährleisten war. Das wäre dann der Fall, wenn die Liste über die Zahlung des metoíkion und die über die Wehrfähigen zumindest eng miteinander verwoben waren – ein naheliegender Schluss, wenn man bedenkt, dass die Beamten, denen die Pflege der Listen über die Zahlung des metoíkion oblag, ihrerseits demjenigen Beamten unterstanden, der diese Listen für die Aushebung der Flottenbesatzungen konsultierte. Darüber hinaus war es aber sicherlich auch wichtig, die Listen regelmäßig auf den neuesten Stand zu bringen, weil veraltete Listen nicht dazu taugten, den konkreten Vorwurf wegen einer versäumten Zahlung eines ansässigen Fremden glaubhaft zu bekräftigen oder zu entkräften. Es spricht also vieles dafür, dass die Zahlung des metoíkion bei den pōlētaí erfolgte und ihnen auch die Dokumentation derselben oblag: Erstens scheinen die Listen über die erfolgten metoíkion-Zahlungen in ihrem Amtssitz, dem pōlētḗrion, aufbewahrt worden zu sein, wobei dieser, zweitens, den Betreffenden eine feste Anlaufstelle bieten sollte, um ihrer Zahlungspflicht nachzukommen, und gleichzeitig, drittens, der Ort war, an dem die Strafe vollstreckt werden konnte. Viertens mögen sie dem für diverse Angelegenheiten der ansässigen Fremden zuständigen árchōn polémarchos unterstellt gewesen sein, der wiederum vielleicht auf die von den pōlētaí geführten Listen über die Zahlung des metoíkion angewiesen war, um die Aushebung ansässiger Fremder zum Militärdienst zu bewerkstelligen.

180 Dazu Kap. III.6.2.3. 181 Aristot. Ath. Pol. 58, 2–3; Kamen 2013, S. 48; Kears 2013, S. 65 sowie Meyer 2010, S. 32–35, besonders S. 34. 182 SEG 18, 153, Z. 27–31, dazu auch Kap. III.1.2. 183 Das schließt nicht die Delegierung von Aufgaben an Helfer und Sklaven aus. Dazu auch Wijma 2014, S. 33, die eine Registrierung beim árchōn polémarchos vermutet.

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III.2.1.1.1 Wer war zur Zahlung des metoíkion verpflichtet? In den Quellen wird das metoíkion als eine Kopfsteuer beschrieben, die ausschließlich ansässigen Fremden auferlegt wurde, wobei die Leistungspflicht allein aus der Überschreitung einer bestimmten Aufenthaltsdauer folgt.184 Douglas MacDowells Vorschlag, dass die Begründung eines eigenen Haushaltes die Betreffenden zahlungspflichtig werden ließ,185 ist zurückzuweisen: Einerseits, weil der Zusammenhang zwischen Aufenthaltsdauer und Zahlung des metoíkion aus den Quellen deutlich hervorgeht;186 andererseits, weil die Begründung eines eigenen Hausstandes für ansässige Fremde aufgrund ihres fehlenden Rechts auf immobilen Besitz187 ohnehin eine unzureichend trennscharfe Kategorie gewesen sein dürfte. Weit weniger deutlich ist hingegen, wie viel Zeit vergehen konnte, bis ein ansässiger Fremder zahlungspflichtig wurde. In der Forschung herrscht zwar Einigkeit darüber, dass diese Periode wohl einen Monat betrug, allerdings geht dies lediglich aus einer einzigen Quelle hervor, die sich zudem nicht einmal auf Athen bezieht: Die Inschrift aus der ersten Hälfte des 5. Jahrhunderts ist Beleg für einen zwischen Oiantheia und Chaleion geschlossenen Vertrag über den Umgang mit Fremden aus der jeweils anderen Stadt während ihres Aufenthaltes in der eigenen Polis.188 Unter anderem einigen sich die Vertragsparteien darauf, dass sich die Bürger Oiantheias dem in Chaleion geltenden, bzw. die Bürger Chaleions dem in Oiantheia geltenden Recht zu unterwerfen hatten, wenn ihr Aufenthalt einen Monat überdauerte.189 Die zwischen Oiantheia und Chaleion vereinbarte Frist von einem Monat wurde – nicht zuletzt mangels Quellen – auf Athen übertragen, wobei diese Zeitspanne durch andere Überlegungen an Wahrscheinlichkeit gewinnt: So ergibt sich aus der Definition des Aristophanes von Byzanz, dass es sich um einen Zeitraum gehandelt haben muss, der in der Regel in Tagen angegeben war.190 Das könnte für einen Monat, also 29 oder 30 Tage, durchaus denkbar sein, während bei einer mehrmonatigen Zeitspanne eher eine Angabe in Monaten zu erwarten wäre. Hinzu tritt auch die Festlegung des metoíkion auf die bezeichnende Höhe von 12 Drachmen im Jahr und die damit eventuell einhergehende monatliche Erhebung dieser Abgabe.191

184 Vgl. Hansen 1991, S. 117; Sosin 2016, S. 5. 185 Vgl. MacDowell 1987, S. 77. 186 So etwa Ar. Byz. frgm. 303–305 [Slater] ἕως μὲν οὖν ποσῶν ἡμερῶν παρεπίδημος καλεῖται καὶ ἀτελής ἐστιν, ἐάν δὲ ὑπερβῇ τὸν ὡρισμένον χρόνον, μέτοικος ἢδη γίνεται καὶ ὑποτελής. (Er wird für eine bestimmte Anzahl von Tagen parepídēmos genannt und ist frei von Steuern, aber wenn er diese Zeit überschreitet, wird er métoikos und steuerpflichtig). 187 Dazu Kap. III.2.3. 188 IG IX,12 3.717 (= HGIÜ 48). 189 IG IX,12 3.717 (= HGIÜ 48) Z. 6–8. 190 Ar. Byz. frgm. 303–305 [Slater], ähnlich auch schon Kahrstedt 1934, S. 276 mit n 6. 191 Vgl. Hansen 1991, S. 117.

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In der Frage, wer zur Zahlung des metoíkion verpflichtet war, sind konkrete Beispiele Zahlungspflichtiger und deren Merkmale besonders aufschlussreich. Die Forschung hat allerdings darauf hingewiesen, dass sich in den Quellen nur zwei konkrete metoíkion-pflichtige Personen ausmachen ließen.192 Bei der ersten handelt es sich um die bereits an früherer Stelle in diesem Kapitel erwähnte Zobia. Über ihre Person erfahren wir allerdings wenig: Bis auf die Tatsache, dass sie zur Zahlung des metoíkion verpflichtet war, informiert die Rede nur über ihr Talent, Verfolgten beim zeitweiligen Untertauchen zu helfen.193 Etwas aufschlussreicher sind da schon die Berichte über den Philosophen Xenokrates: Für ihn ist belegt, dass er zwar das metoíkion zahlte194 aber aufgrund einer versäumten Zahlung in Konflikt mit dem Gesetz geraten ist.195 Aus diesen beiden – vermeintlich – einzigen Beispielen für Zahlungspflichtige können jedoch keine belastbaren Aussagen darüber gewonnen werden, welche Personen grundsätzlich zur Zahlung des metoíkion verpflichtet waren. Es können weitere Personen ausgemacht werden, die zur Zahlung des metoíkion verpflichtet waren, nämlich diejenigen, die mittels eines entweder an sie persönlich oder an sie als Teil einer Gruppe verliehenen Privilegs von der Zahlung befreit wurden – schließlich wäre ihre Befreiung von dieser Steuer überflüssig, wenn sie nicht leistungspflichtig gewesen wären. Da die betreffenden Privilegien und deren Modalitäten Gegenstand eines späteren Kapitels sein werden,196 können sich die Ausführungen an dieser Stelle allein auf ihre Empfänger und deren Merkmale konzentrieren. Dabei zeigt sich, dass die Personen, die mit einer Befreiung vom metoíkion bedacht werden, von ihrer Ansässigkeit in Athen abgesehen, in vielen Fällen kaum Gemeinsamkeiten zeigen: So werden sowohl Griechen wie auch Nichtgriechen aller Herkunftsorte vom metoíkion befreit, Freigelassene wie auch Freigeborene, freiwillige wie auch unfreiwillige Migranten, Frauen wie Männer,197 längerfristig wie dauerhaft Anwesende, Personen mit und ohne Bürgerrecht genauso wie Zugezogene und in Athen Geborene.198 Ungeachtet der gegebenenfalls ungleich verteilten Chancen auf den Erhalt eines Privilegs muss damit festgestellt werden, dass die Verpflichtung zur Zahlung des metoíkion ganz unabhängig davon besteht, welche intrinsischen Merkmale die Fremden tragen: entscheidend ist die Ansässigkeit über eine bestimmte Dauer hinweg.

192 Vgl. Whitehead 1981, S. 235f; Kears 2013, S. 62. Hinzutreten weitere Fälle, in denen die Benannten außerhalb Athens ein metoíkion zahlten, vgl. dazu S. 206. 193 Demosth. 25, 56. 194 Plut. Phoc. 29, 4. 195 Plut. Flam. 12, 4; Plut. Mor. 842b; Diog. Laert. 4, 14. 196 Vgl. Kap. III.7. 197 Frauen wurde die isotéleia i. d. R. nicht explizit verliehen (vgl. dazu S. 160); allerdings dürften sich unter den Honoranten von gruppenweise verliehenen Privilegien auch Frauen befunden haben. 198 Zu den Honoranten der isotéleia vgl. Kap. III.7.2.

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III.2.1.1.2 Das metoíkion als finanzielle und symbolische Bürde Nachdem die vorangegangenen Ausführungen sich vor allem mit den Modalitäten der Zahlung des metoíkion als solchen befasst haben, muss im nächsten Schritt auch die symbolische Wirkmächtigkeit dieser Abgabe besprochen werden. Diese ist von der Forschung häufig ganz besonders hervorgehoben worden. Mit 12 Drachmen jährlich war die finanzielle Belastung durch das metoíkion für die meisten ansässigen Fremden in Athen wohl nicht untragbar:199 Im Allgemeinen schätzt die Forschung das Einkommen eines gelernten Handwerkers in Athen auf etwa 2 Drachmen am Tag.200 Freilich konnte selbst ein geringer Betrag für eine Person ohne Einnahmen eine erhebliche Bürde darstellen, sodass das metoíkion – auch wenn sein eigentlicher Betrag niedrig war – für den einen oder anderen zum Problem werden konnte.201 Ob diese Kopfsteuer eine Einnahmequelle für Athen darstellte, wird in der Forschung unterschiedlich bewertet: Während die einen überzeugt sind, dass die Einnahmen des metoíkion die Finanzierung der Demokratie überhaupt erst ermöglicht hätten202 oder zumindest einen erheblichen Beitrag leisteten,203 sprechen sich andere für einen geringeren Anteil des metoíkion an den Gesamteinnahmen der Polis aus.204 Dabei ist zu beachten, dass sich eine pauschale Antwort auf diese Frage schon eingedenk der turbulenten Zeiten verbietet: Ob das metoíkion einen hohen oder einen geringen Anteil an den Gesamteinnahmen hatte, hängt schließlich von der nie konstanten Anzahl Zahlungspflichtiger und von der ebenfalls nie konstanten Höhe der athenischen Gesamteinnahmen ab. Wahrscheinlich war es aber in Krisenzeiten, in denen militärische Ausgaben die athenischen Vorräte beanspruchten, ein willkommener Beitrag zur Staatskasse gewesen.205 Viel höher als der tatsächliche Betrag des metoíkion ist der Forschung zufolge der symbolische Wert dieser Abgabe zu bewerten: Das Zahlen des metoíkion durch die ansässigen Fremden war eine ständig wiederholte Anerkennung des eigenen Status und eine regelmäßige Erinnerung daran, dass sich der Zahlungspflichtige seinen Platz in Athen wortwörtlich erkaufen musste.206 Der symbolische Wert des metoíkion zeigt sich dabei besonders in der angesichts des ge-

199 Vgl. Garland 2014, S. 156; Rubinstein 2018, S. 16; Todd 1993, S. 198; Kears 2013, S. 68. 200 Vgl. z. B. Kamen 2016, S. 416; Loomis 1998, S. 104–120; dagegen Hansen 1991, S. 62, der den täglichen Lohn auf etwa 1 Drachme schätzt. 201 Vgl. Garland 2014, S. 156; Rubinstein 2018, S. 16. 202 Vgl. Herrmann-Otto 2009, S. 87. 203 Vgl. Nemeth 2001, S. 331; Garland 2014, S. 156; Wijma 2014, S. 29. 204 Vgl. bspw. Kears 2013, S. 67; Whitehead 1977, S. 153. Zweifelsohne leisteten die ansässigen Fremden einen zentralen wirtschaftlichen Beitrag, ohne den das demokratische Athen nicht hätte existieren können (ähnlich auch schon Mann 2008, S. 6), aber dieser bestand freilich nicht nur aus dem metoíkion, sondern auch aus anderen Beiträgen; dazu weiter unten in diesem Kapitel. 205 Ähnlich auch schon Whitehead 1977, S. 153; zuletzt Rohde 2019a, S. 55, welche die Gesamteinnahmen durch das metoíkion mit mindestens 20 Talenten beziffert. 206 Vgl. Baba 1984, S. 5; Kears 2013, S. 68; Meyer 2010, S. 30; Sosin 2016, S. 3; Thür 1989, S. 117; Todd 1993, S. 198.

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ringen Betrages unverhältnismäßig hohen Strafe, die bei Zahlungsversäumnis drohte: Der Verkauf in die Sklaverei war so gravierend, dass er Athenern als Strafe gar nicht zugemutet wurde.207 Der wiederholten Evokation der Symbolkraft des metoíkion eingedenk, verwundert es nicht, dass die Forschung die Zahlungspflicht als das Statusmerkmal der ansässigen Fremden schlechthin bestimmt hat208 – und dies mit gutem Grund: Eben weil kein intrinsisches Merkmal eine Person von der Pflicht zur Zahlung des metoíkion entbinden konnte, wie im vorangegangenen Abschnitt gezeigt wurde, liegt hier anscheinend ein ‚universelles Merkmal‘ vor. Aber die Frage ist, für wen dieses Merkmal universell ist. Auch darauf hat die Forschung eine Antwort parat: métoikoi. So hat Joshua Sosin in seinem treffend betitelten Beitrag ‚A Metic was a Metic‘ ein umfassendes Plädoyer dafür vorgelegt, den métoikos als denjenigen zu begreifen, der das metoíkion zahlt.209 An diesem pointierten Statement an sich ist auch nicht zu rütteln, schon weil die Quellen eine Verbindung zwischen der Zahlung des metoíkion und dem métoikos-Sein belegen,210 aber es gilt, daraus die richtigen Schlüsse zu ziehen. III.2.1.1.3 Das metoíkion als Differenzierungsmerkmal Sosins vorgenannter Beitrag versteht sich als Respons auf die Publikation von Deborah Kamen, in welcher sie die verschiedenen Statusgruppen im klassischen Athen untersucht.211 Im Zuge dessen bespricht Kamen in drei getrennten Kapiteln freigelassene, freigeborene und privilegierte métoikoi als jeweils voneinander getrennte Statusgruppen.212 Bezugnehmend darauf erhebt Sosin den Einwand, dass eine Differenzierung zwischen freigelassenen und freigeborenen métoikoi dem athenischen Recht fremd gewesen sei,213 was sich aus ihrer beider Pflicht, das metoíkion zu zahlen, ergebe.214 Die Existenz verschiedener Typen von métoikoi lehnt Sosin grundsätzlich ab.215 Dementgegen stehen allerdings die Ergebnisse aus dem zweiten Teil der vorliegenden Arbeit, in dem unter anderem substantielle Unterschiede zwischen den apeleútheroi und den

207 In Demosth. 25, 57 drohte Zobia der Verkauf in die Sklaverei, hätte sie die Zahlung des metoíkion nicht belegen können. Ähnlich auch schon: Todd 1997, S. 115; Erdtmann 2013, S. 62; Meyer 2010, S. 31; Whitehead 1991, S. 149. Für eine umfassende Rekonstruktion des Verfahrens wegen Nichtzahlens des metoíkion s. Meyer 2010, S. 32–47. 208 Vgl. z. B. Akrigg 2015, S. 166; Baba 1984, S. 5; Dimopoulou-Piliouni 2008, S. 31; Hunter 2000, S. 16; Kapparis 2005, S. 109; Kears 2013, S. 68; Meyer 2010, S. 29; Sosin 2016 passim (siehe unten); Stelzer 1971, S. 166; Todd 1993, S. 197; Whitehead 1977, S. 153. 209 Vgl. Sosin 2016, z. B. S. 3: „One who pays the metoíkion is a metic, one who does not, is not.“ 210 So etwa in Poll. 3, 55: μέτοικος ὁ τὸ μετοίκιον συντελῶν und ähnlich auch in Ar. Byz. frgm. 303–305 [Slater]. 211 Vgl. Sosin 2016, S. 1. 212 Vgl. Kap. 3 und 4 (S. 32–61) in Kamen 2013. 213 Vgl. Sosin 2016, S. 1. 214 Vgl. ebd., S. 4. 215 Vgl. ebd., S. 9.

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exeleútheroi festgestellt werden konnten216 – und das, obwohl sie beide das metoíkion zahlen mussten. Das Problem an Sosins Ausführungen ist ihre Eindimensionalität: Mit dem metoíkion ist nur ein Merkmal der Gruppe der métoikoi erfasst,217 die sich aber durch vielerlei mehr auszeichnet, wie die vorangegangenen und die nachfolgenden Kapitel dieser Arbeit gezeigt haben und noch zeigen werden. Eine Binnendifferenzierung einer Gruppe wegen der Existenz eines sie verbindenden Merkmals abzulehnen, ist weder methodisch überzeugend noch besonders hilfreich für den Erkenntnisgewinn über diese Gruppe. Aus der bisher weitreichend akzeptierten Einsicht, dass métoikos war, wer das metoíkion bezahlte, ergibt sich wiederum eine Konsequenz, die in der Forschung nur wenig zur Sprache gekommen ist und von manchen Forschungsbeiträgen sogar vollkommen verkannt wurde: Wenn métoikos war, wer das metoíkion zahlte, waren alle, die das metoíkion nicht zahlten, auch keine métoikoi – aber was waren sie dann? Hierin liegt im Übrigen der eigentliche wunde Punkt in Kamens Arbeit, den Sosin kurioserweise überhaupt nicht anspricht: Wenn Sosin die Zahlung des metoíkion als konstituierend für die Zugehörigkeit zu den métoikoi ansieht, so müsste er sich konsequenterweise am meisten daran stören, dass Kamen von der Existenz privilegierter métoikoi ausgeht, die auch diejenigen umfassen, die mittels eines Privilegs von dieser Steuer befreit wurden.218 In Sosins Verständnis dürfte es diese métoikoi, die kein metoíkion zahlen, aber gar nicht geben. Hier begegnet man einem Widerspruch, der im Kern vieler einschlägiger Forschungsbeiträge steht, nämlich der Auffassung, dass die gesamte Gruppe der ansässigen Fremden in Athen unter dem Terminus der métoikoi erfasst und beschrieben werden kann: Wenn die Zahlung des metoíkion Voraussetzung für die Zugehörigkeit zur Gruppe der métoikoi ist, dann verbietet sich die übliche Gleichsetzung aller in Athen lebenden ansässigen Fremden mit den métoikoi schlichtweg schon deshalb, weil nicht alle ansässigen Fremden in Athen das metoíkion zahlten. Es gibt zwei Möglichkeiten, diesen Widerspruch aufzulösen: Die erste Möglichkeit besteht darin, zu akzeptieren, dass die Zahlung des metoíkion nicht konstituierend für den Status des métoikos war, und anzunehmen, dass es sowohl métoikoi gab, die das metoíkion zahlten, als auch métoikoi, die es nicht zahlten. Letztere würden dann wohl am ehesten den von Kamen unter der Bezeichnung der „privileged metics“ Zusammengefassten entsprechen. Das würde zwar die in der Forschung gängige Bezeichnung aller ansässigen Fremden in Athen als métoikoi ermöglichen, aber dieses Verständnis der métoikoi entspricht nicht dem der Quellen. Das legt u. a. die an anderer Stelle bereits besprochene (fakultative) Unterscheidung von apeleútheroi

216 Dazu Kap. II.3.2.3. 217 Ähnlich auch schon Stelzer 1971, S. 166. 218 Vgl. Kamen 2013, S. 55–61.

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und métoikoi nahe,219 aber auch die enge Verbindung, die in den Quellen zwischen der Zahlung des metoíkion und dem métoikos-Sein gezogen wird. Mehr Vorzüge bietet die zweite Möglichkeit, die darin besteht, den métoikos als einen von vielen Typen ansässiger Fremder zu begreifen. Diese Variante erlaubt das metoíkion als Differenzierungsmerkmal innerhalb der Gruppe der ansässigen Fremden und lässt Raum für weitere Differenzierungen entlang verschiedener Kriterien. Hinzu tritt, dass der Begriff des métoikos damit auch einen analytischen Wert gewinnt, da er als Bezeichnung einer Gruppe mit einem oder mehreren spezifischen Merkmalen fungiert. Dieser Weg ist in der Forschung stellenweise schon eingeschlagen worden, so etwa von Elmar Stelzer, der zwischen métoikoi als steuerpflichtigen Mitbewohnern und xénoi als nicht steuerpflichtigen Mitbewohnern unterscheidet.220 Dabei ist die Bezeichnung ansässiger Fremder als xénoi zwar mehr als unglücklich, aber die Unterscheidung der ansässigen Fremden anhand ihrer Steuerpflicht deutet immerhin auf ein Bewusstsein hin, dass nicht alle ansässigen Fremden in Athen das metoíkion entrichteten. Das metoíkion ist sicherlich als ein differenzierendes Merkmal zu begreifen, wie die Ausführungen in diesem Kapitel nahelegen. Kritisch zu prüfen ist Sosins Behauptung, dass die Pflicht zur Zahlung des metoíkion das einzige wirklich wichtige Merkmal sei; und darüber hinaus, ob eine Zweiteilung der Gruppe der ansässigen Fremden anhand ihrer Steuerpflicht, wie von Stelzer vorgeschlagen, sinnvoll ist oder ob es daneben auch noch andere Eigenschaften ansässiger Fremder gibt, die eine Differenzierung rechtfertigen. Die Ergebnisse der Betrachtung der intrinsischen Merkmale der ansässigen Fremden haben dabei schon nahegelegt, dass einen métoikos mehr ausmacht als nur das metoíkion zu zahlen, und dass die ansässigen Fremden mehr voneinander unterscheidet als nur die Zahlungspflicht. III.2.1.2 eisphoraí Die eisphorá stellte eine Vermögenssteuer dar, die in Krisenzeiten erhoben wurde, wenn die üblichen Einnahmen der Stadt die finanziellen Erfordernisse nicht mehr decken konnten.221 Sie sind für einige griechische Poleis in der klassischen Zeit belegt,222 jedoch erlauben die Quellen nur für Athen eine einigermaßen umfassende Rekonstruktion des eisphorá-Systems. Im Jahr 378/77 erfuhr dieses in Athen eine umfassende Überarbeitung: Statt wie bisher einen jeweils festgelegten Betrag von den Mitgliedern der drei obersten Vermögensklassen zu verlangen, wurden die reichsten Bewohner Athens in Steuergruppen (symmoríai) eingeteilt, innerhalb derer die Mitglieder je219 220 221 222

Dazu Kap. II.3.4. Vgl. Stelzer 1971, S. 166. Vgl. Thomsen 1964, S. 11; Miller 2014, S. 143. Dazu Thomsen 1964, S. 38–44.

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weils ihrem Vermögen entsprechend einen Anteil beisteuerten.223 Dabei wurde der Gesamtbetrag der Steuern, die eine symmoría zu zahlen hatte, zunächst von den drei Reichsten ausgelegt (proeisphorá) und durch diese dann wieder von den einzelnen Mitgliedern eingefordert. Das individuelle Vermögen musste von den Zahlungspflichtigen persönlich und wahrheitsgemäß angegeben werden – wer schummelte, sah sich schnell vor Gericht.224 Der Festsetzung der Höhe der eisphorá lag eine Schätzung des steuerpflichtigen Gesamtvermögens der Athener auf 6.000 Talente zugrunde,225 das gleichmäßig auf die Symmorien verteilt wurde. Jedes Mal, wenn eine eisphorá erhoben wurde, wurde ihre tatsächliche Höhe als Anteil des Gesamtvermögens neu festgesetzt. Dieser Anteil betrug üblicherweise zwischen ein und zwei Prozent.226 Sowohl vor als auch nach der Reform des Jahres 378/77 waren ansässige Fremde zur Zahlung der eisphorá herangezogen worden,227 bildeten nach der Reform aber wohl eigene Symmorien.228 Weil sie als ansässige Fremde vom Landbesitz ausgeschlossen waren, blieb ihr Vermögen aller Wahrscheinlichkeit nach bei der Festsetzung des athenischen Gesamtvermögens auf 6.000 Talente unberücksichtigt.229 Die Höhe der von ihnen zu leistenden eisphoraí wich dabei von den bürgerlichen eisphoraí ab.230 Dies geht zumindest aus einer leider nur fragmentarisch erhaltenen Inschrift hervor, welche die Höhe der von den ansässigen Fremden geleisteten eisphorá als ein Sechstel überliefert.231 Eine ähnliche Bemerkung findet sich außerdem auch in einer Rede des Demosthenes.232 Anders als die von den Bürgern erhobenen eisphorá dürften die der ansässigen Fremden wohl jedes Mal zumindest in ihrer relativen Höhe konstant gewesen sein – darauf deutet zumindest der Umstand hin, dass sie in zwei voneinander unabhängigen Quellen denselben Betrag aufweisen.233 Hinzu tritt, dass sich Demosthenes in seiner Rede nicht auf konkret erhobene eisphoraí bezieht, aber die Höhe der Zahlung des Angesprochenen dennoch zu beziffern vermag. Unklar ist derweil, welches Ganze dem Sechstel der ansässigen Fremden zugrunde gelegt wurde. Denkbar wäre, dass die ansässigen Fremden immer ein Sechstel des von den Bürgern aufgebrachten Gesamtbetrages zu leisten hatten.234 Dagegen weist

223 Vgl. Schmitz 1998 (DNP 3), Sp. 930 sowie Fawcett 2016, S. 157f, dort auch eine Diskussion zur aktuellen Forschungsdebatte. 224 Vgl. Adak 2003, S. 73, dazu auch Christ 1990 passim. 225 Demosth. 14, 19 sowie 14, 30. 226 Vgl. Adak 2003, S. 73. 227 Vgl. ebd.; Thomsen 1964, S. 96. 228 IG II2 244, Z. 26; Poll. 8, 144; vgl. Thomsen 1964, S. 96 sowie Rhodes 2001b (DNP 11), Sp. 1136. 229 Vgl. Adak 2003, S. 73; Thomsen 1964, S. 98; Kron 2011, S. 132. Zur Frage, ob die Zahlungspflicht nach Einkommen oder Eigentum festgelegt wurde, vgl. Thomsen 1964, S. 46–71. 230 Dagegen Todd 1993, S. 197. 231 IG II2 244, Z. 20: τὸ ἕκτον μέρος. 232 Demosth. 22, 61. 233 Vgl. Adak 2003, S. 74. 234 So etwa Clerc 1893, S. 31; Thomsen 1964, S. 100; Whitehead 1977, S. 79.

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Mustafa Adak darauf hin, dass dies sowohl relativ wie auch absolut zu einem insgesamt zu niedrigen Beitrag der ansässigen Fremden geführt haben dürfte, die ihrem zahlenmäßigen Anteil an der Gesamtbevölkerung auch nicht gerecht geworden wäre.235 Damit hätte die finanzielle Belastung der ansässigen Fremden weit unter derjenigen der Bürger gelegen. Diese Geringbelastung der ansässigen Fremden sei aber aufgrund der Existenz eines Privilegs abzulehnen, das den Geehrten die Zahlung der eisphoraí mit den Athenern erlaubte:236 Es sei, so Adak, fraglich, worin der Mehrwert dieses Privilegs für den Honorierten bestand, wenn dieser im Endeffekt draufzahlte, weil er als mit den Athenern Besteuerter mehr zahlte als ein ansässiger Fremder.237 Stattdessen sieht Adak in dem jeweiligen Vermögen eines ansässigen Fremden das Ganze, von dem ein Sechstel geleistet werden musste.238 Das wiederum erscheint doch als eine sehr hohe Belastung, insbesondere im Vergleich mit dem Anteil der Bürger, der sich auf ein bis zwei Prozent belief. Hinzu kommt, dass das von den ansässigen Fremden angegebene Vermögen ohnehin schwierig zu überprüfen gewesen sein dürfte, weil sie nur mobiles Eigentum besitzen konnten.239 Damit ist es für ansässige Fremde ungleich einfacher gewesen, sich unter die Vermögensgrenze zu schummeln, und eine so hohe Zahlung hätte sie erst recht dazu gedrängt. Das Dilemma besteht darin, dass die ansässigen Fremden mit einem Betrag von einem Sechstel der bürgerlichen eisphoraí zu gering und mit einem Beitrag von einem Sechstel ihres eigenen Vermögens zu sehr belastet worden wären. Die Quellen lassen weder das eine noch das andere als eindeutigen Schluss zu, sodass die Kernfrage allenfalls darin besteht, welches Szenario plausibler erscheint. Aus mehreren Gründen kann einer Tendenz zur Geringbelastung der Vorzug gegeben werden. Dabei ist zum einen zu bedenken, dass ein Sechstel des Privatvermögens nicht einfach nur viel, sondern fast schon unverschämt gewesen wäre; zum anderen stellt sich die Frage, wie viele Runden eisphoraí ein ansässiger Fremder das überhaupt hätte mit sich machen lassen, bevor er Athen den Rücken gekehrt hätte.240 Damit einher geht auch die Vermutung, dass ein ansässiger Fremder gar nicht an einer zweiten eisphorá hätte teilnehmen können, weil er nach Abzug eines Sechstels seines Gesamtvermögens vielleicht schon nicht mehr zu den eisphorá-pflichtigen Personen gehörte. Angesichts der Regelmäßigkeit, mit der diese Abgabe vor allem im 4. Jahrhundert erhoben wurde, ist hier schon fast von einer systematischen Ausbeutung der ansässigen Fremden zu sprechen, welche die meisten von ihnen vielleicht sogar verprellt haben könnte. Auch die bereits im Vorstehenden angesprochene Möglichkeit, das eigene Vermö-

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Vgl. Adak 2003, S. 75. Z. B. in IG II2 218; IG II2 237; IG II2 287; IG II2 360; IG II2 545. Vgl. Adak 2003, S. 76. Vgl. ebd., S. 75. Vgl. Whitehead 1977, S. 78. Ähnlich: Hunter 2000, S. 15.

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gen zu vertuschen, spielt hier eine Rolle: Ein solches Verhalten dürfte doch ungleich wahrscheinlicher gewesen sein, wenn der schuldige Betrag ein so spürbares Loch in die Kasse gerissen hätte. Adaks Einschätzung, dass die übliche Begründung für eine Geringbelastung der ansässigen Fremden, eine vermeintlich generelle Armut dieser Gruppe, abzulehnen sei, ist zuzustimmen:241 Wie noch zu zeigen sein wird, konnten es auch ansässige Fremde zu erheblichem Reichtum bringen und befanden sich nicht grundsätzlich in einer wirtschaftlichen Inferiorität gegenüber den Bürgern.242 Aber auch wenn die Gruppe der ansässigen Fremden im Durchschnitt nicht schlechter gestellt war als die der Bürger, vielleicht sogar besser, wie Adak vermutet,243 muss das nicht zwangsläufig zur Folge gehabt haben, dass die Athener sie bei jeder Gelegenheit um ihren Reichtum bringen wollten: Insbesondere angesichts des metoíkion und des triṓbolon könnte es sein, dass auf eine Mehrbelastung der ansässigen Fremden bei den eisphoraí verzichtet wurde. Was bleibt, ist Adaks Verweis auf das Privileg der gemeinsamen Zahlung der eisphoraí mit den Athenern. Es mag zunächst, in der Tat Adaks Ausführungen entsprechend, absurd erscheinen, dass ein Privileg den Honorierten am Ende sogar einen finanziellen Nachteil hätte bringen sollen. Auf der anderen Seite muss bedacht werden, dass das Zahlen der eisphoraí nicht nur eine Last, sondern durchaus auch eine Chance zur Selbstdarstellung sein konnte.244 So betont Lysias, dass er die eisphorá geleistet habe, um die Integrität seiner Familie zu beweisen.245 Mit dem Zahlen der eisphoraí ging nicht zuletzt auch die Akquisition von Ehre und Ansehen einher.246 Das bedeutet natürlich nicht unbedingt, dass das Ansehen proportional zur Höhe der geleisteten Zahlung stieg oder dass jeder das Ansehen bei der Menge über einen gut gefüllten Geldbeutel wählte,247 macht aber das Privileg, die eisphorá mit den Athenern gemeinsam zu erbringen, zumindest zu einem Vorrecht, dessen nicht-materielle Komponente nicht gering geschätzt werden sollte. Schließlich spricht nichts dagegen, dass die Athener in diesem Fall vielleicht auch ein Privileg verliehen, das ihnen selbst nützte und ihre Einnahmen erhöhte.

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Vgl. Adak 2003, S. 75. Dazu weiter unten in diesem Kapitel: Kap. III.2.4 und III.2.5. Vgl. Adak 2003, S. 75. Vgl. Todd 1997, S. 115. Lys. 12, 20; ähnlich auch Isokr. 17, 41. Vgl. Whitehead 1977, S. 79. Vgl. Christ 1990, S. 168.

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III.2.1.3 Leiturgien Neben den eisphoraí leisteten ansässige Fremde auch in Form von Leiturgien eine unregelmäßig erhobene Abgabe an Athen. Der Zugang ansässiger Fremder zur triērarchía wurde bereits in einem vorangegangenen Kapitel untersucht.248 Während berechtigte Zweifel daran bestehen, dass die ansässigen Fremden grundsätzlich zur triērarchía zugelassen waren, war das Erbringen der zyklischen Leiturgien auch für ansässige Fremde wohl kein grundsätzliches Problem.249 Die umfassendsten Belege für die Übernahme einer leiturgía durch einen Fremden beziehen sich auf das Amt des chorēgós:250 So haben Lysias und sein Bruder als chorēgoí fungiert,251 ein Thebaner namens Damasias hat dieses Amt ebenfalls übernommen,252 und eine Statuenbasis ehrt einen Fremden, der bei den Lenaia als chorēgós tätig war.253 Das leiturgische Engagement ansässiger Fremder beschränkte sich aber nicht auf die chorēgía, sondern umfasste aller Wahrscheinlichkeit nach auch die gymnasiarchía und die hestíasis.254 Ansässige Fremde, die ihre leiturgía zur Zufriedenheit der Athener erledigten, konnten in einigen Fällen (und im Übrigen im Gegensatz zu ihren bürgerlichen Pendants) sogar mit einer besonderen Ehrung rechnen.255 Darin wird auch die Bedeutung der leiturgía für den edlen Spender selbst offenbar: Auch mit dem Erbringen der leiturgía ging die Erwartung des Ansehenszuwachses, eine philotimía, einher,256 wie vor allem diejenigen Quellen nahelegen, die ebendiese Einstellung kritisieren.257 Damit verbunden ist freilich auch, dass die für ansässige Fremde leistbare leiturgía ihnen in gewisser Weise Zugang zum Wettbewerb der Athener um Ehre und Ansehen verschaffte.258 Das gilt umso mehr angesichts der chorēgía, die eine der am meisten rezipierten Leiturgien

248 Dazu S. 210ff. 249 Demosth. 20, 20; vgl. Shipton 1997, S. 407; Todd 1993, S. 197; Kamen 2013, S. 53. 250 Zu den Aufgaben des chorēgós gehörte die Zusammenstellung, Ausstattung und Finanzierung eines Chores für Feste, vgl. Blume 1997 (DNP 2), Sp. 1146 sowie Zimmermann 1997 (DNP 2), Sp. 1145. Dazu auch Kap. III.5.2. 251 Lys. 12, 20. 252 IG II2 1186, Z. 11–13; vgl. Whitehead 1986b, S. 216. 253 Hesp. 40, 1971, S. 256f, no. 4 (= Agora Inv. I 7168); vgl. Whitehead 1977, S. 80. 254 Demosth. 20, 21; vgl. Thumser 1885, S. 57–60; Clerc 1893, S. 173f; dagegen: Whitehead 1977, S. 80. Bei der hestíasis handelt es sich um die Speisung der Phylengenossen bei größeren Festen, bei der Gymnasiarchie um die Versorgung eines Gymnasions, vgl. Rhodes 1999 (DNP 7), Sp. 358. 255 Vgl. Deene 2013, S. 77–79; auf die Diskrepanz zwischen der Ehrung ansässiger Fremder für eine erbrachte leiturgía und der fehlenden Ehrung von Bürgern für ebensolche hat auch schon Whitehead hingewiesen, vgl. Whitehead 1977, S. 81. 256 Vgl. Christ 1990, S. 155; Deene 2013, S. 74; Whitehead 1991, S. 149. 257 So etwa Lys. 12, 38; Lys. 26, 3; Demosth. 21, 169; Demosth. 21, 225; Demosth. 25, 76–78; Demosth. 54, 44; Demosth. 59, 117; vgl. Christ 1990, S. 155. 258 Vgl. Whitehead 1977, S. 87f.

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in Athen gewesen sein dürfte und sich allein schon aufgrund dessen besonders eignete, das eigene Ansehen aufzupolieren.259 III.2.2 Wirtschaftliches Engagement Um die wirtschaftliche Aktivität der ansässigen Fremden zu erfassen, eignet sich der Blick auf ihre Berufsgruppen besonders gut.260 Dabei ergibt sich, dass die ansässigen Fremden am wirtschaftlichen Wettbewerb nicht minder beteiligt waren als die Bürger selbst. In der Tat dominierten sie in einigen Bereichen sogar: So zeigen die Bauinschriften des Erechtheions, dass (freie) Fremde die größte Gruppe der Arbeiter ausmachten.261 Dabei ist zu betonen, dass der Status des Beschäftigten seinen Lohn nicht beeinflusste: Bürger, Fremde und Sklaven erhielten, so offenbaren die Bauinschriften, den gleichen Lohn für die Erfüllung der gleichen Aufgaben.262 Obwohl die athenische Wirtschaftspolitik sich vor allem um Angelegenheiten der Grundversorgung zu kümmern hatte,263 war auch die Anwesenheit fremder Handwerker immer im Interesse der Stadt, und ihr Beitrag zur wirtschaftlichen Blüte Athens kann kaum bezweifelt werden.264 Auch der Handel war bei ansässigen Fremden in Athen ein beliebter Berufszweig. So verdingten sich viele von ihnen als Kleinhändler (kápēloi) und verkauften verschiedenste Güter auf dem Markt und in den Straßen Athens. Dabei konnte eine exotische Abstammung sogar als Geschäftsvorteil genutzt werden: So hat sich Athenogenes seine ägyptische Herkunft vielleicht nur ausgedacht, um sein Parfüm besser verkaufen zu können,265 denn vor allem die Ägypter waren in dieser Branche bekannt.266 Auch die Phönizier waren in Athen eine bekannte Gruppe von kápēloi. Händler waren dort nicht grundsätzlich von niedrigem Ansehen, wie zahlreiche Ehrendekrete bezeugen. Die kápēloi, die etwa einen Stand auf der Agora oder in den Gassen Athens hatten,

259 Vgl. Deene 2011, S. 172. 260 Für die Beschäftigung ansässiger Fremder in verschiedenen Branchen siehe S. 109ff. 261 IG I2 372–374; vgl. Epstein 2008, S. 108 sowie Phillips 1990, S. 195 n 96; dagegen Hansen 1991, S. 120, der aus dem Überwiegen der ansässigen Fremden in den Bauinschriften nicht auf die allgemeine Situation in Athen schließt. Ähnlich auch Randall, der das Überwiegen der Nichtbürger in den Bauinschriften vor allem auf deren Engagement im Krieg zurückführt, vgl. Randall 1953, S. 203. 262 Vgl. Bäbler 2005, S. 69; Erdtmann 2013, S. 69; Kamen 2016, S. 416; Wijma 2014, S. 29; Phillips 1990, S. 89; Brandt 1992, S. 197; Randall 1953, S. 209. Kears 2013, S. 66 weist darauf hin, dass es sich bei dem Bau des Erechtheions um ein besonderes Projekt handelte, das auch im Hinblick auf den an die Arbeiter gezahlten Lohn nicht repräsentativ sei. Das mag für den absoluten Lohn zutreffen, davon unberührt bleibt aber das Verhältnis der Löhne unterschiedlicher Statusgruppen zueinander. 263 Vgl. Burford 1972, S. 58. 264 Vgl. ebd., S. 15; Epstein 2008, S. 110. 265 Hyp. 3; vgl. Kears 2013, S. 91f; Patterson 2000, S. 106. 266 Vgl. Bäbler 1998, S. 69.

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bildeten aber eine Gruppe von Händlern, die sehr wohl kritisch beäugt wurde und als zwielichtig galt.267 Ihnen gegenüber standen die émporoi, die im Gegensatz zu den kápēloi ihre Waren nicht lokal verkauften, sondern Fernhandel betrieben.268 Sie waren in Athen wohl erheblich angesehener, nicht zuletzt weil sie einen wichtigen Teil zur Sicherung der athenischen Getreideversorgung beitrugen.269 Am Fernhandel waren auch naúklēroi beteiligt, die als Schiffsbesitzer eigene Waren transportierten oder anderen Händlern Frachtraum auf ihren Schiffen boten.270 Die naúklēroi waren dabei wohl erheblich weniger mobil als die émporoi, denn sie stachen nicht unbedingt selbst in See.271 Als Einnahmequelle, die keinen Landbesitz verlangte, war diese Tätigkeit auch bei den ansässigen Fremden beliebt, wie der Fall des Bankiers Phormion zeigt, der die Frachtraummieten als zusätzliches Einkommen nutzte.272 Wirtschaftliches Engagement zeigten ansässige Fremde auch im Bankgeschäft. So lag sogar die wichtigste Bank Athens273 in den Händen eines ansässigen Fremden, nämlich des Freigelassenen Pasion. Dabei geht ein Großteil der Forschung davon aus, dass ansässige Fremde diesen Wirtschaftszweig sogar dominierten.274 Das Bankwesen war als Berufszweig bei ansässigen Fremden nicht ohne Grund so beliebt: Um eine Bank erfolgreich zu führen, waren nur geringe finanzielle Ressourcen vonnöten,275 denn es brauchte eigentlich nicht mehr als einige wenige Sklaven und einen Raum, der nicht selten gleichzeitig die Residenz des Bankiers war.276 Bedeutendste Ressource waren persönliche Verbindungen und Kontakte zu potenziellen Kunden. Wie kein anderes war das Bankgeschäft mit der Person des Eigentümers verknüpft.277 Außerdem war das Bankwesen, obwohl nicht frei von Risiken,278 ein durchaus profitables Geschäft.279

267 Vgl. ebd., S. 121; ähnlich auch Reed 2003, S. 3; McKechnie 1989, S. 178; Pébarthe 2016, S. 223. So schlägt Platon eingedenk der Tatsache, dass man Händler in der Stadt nicht vermeiden könne, vor, ihre Anwesenheit auf den Markt und die Umgebung der Stadt zu beschränken: Plat. Nom. 952d–953; ähnlich auch Aristot. Pol. 1327a 31; vgl. McKechnie 1989, S. 182 n 41. 268 Vgl. von Reden 1995, S. 33. 269 Vgl. Burford 1972, S. 58; Coşkun 2014a, S. 93; Finley 1973, S. 136. Dazu auch Kap. II.2.1.2. 270 Vgl. Schmitz 2000a (DNP 8), Sp. 745. 271 Vgl. Reed 2003, S. 37. 272 Demosth. 45, 64 sowie Demosth. 49, 31; vgl. Reed 2003, S. 37. 273 Vgl. Bäbler 1998, S. 120; Bäbler 2005, S. 69; Cohen 1992, S. 82; Finley 1981, S. 67; Shipton 1997, S. 401. 274 Vgl. Cohen 1992, S. 70f; Klees 2000, S. 36; Millett 1991, S. 206; Reed 2003, S. 40; Shipton 1997, S. 403. 275 Vgl. Cohen 1992, S. 69. 276 Vgl. Trevett 1992, S. 4; Cohen 1992, S. 68. 277 Vgl. Cohen 1992, S. 63f; Deene 2014, S. 172. 278 So erwähnt der Sprecher von Demosth. 36 etwa, dass Bankiers in Athen auch nicht selten von ihren Kunden übers Ohr gehauen und in den Ruin getrieben werden; Demosth. 36, 50. 279 Vgl. Shipton 1997, S. 422; Trevett 1992, S. 4f; Finley 1973, S. 198.

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Darüber hinaus genossen die Bankiers in Athen ein gewisses Ansehen, wovon nicht zuletzt die hohe Rate der Eingebürgerten unter den fremden Bankiers zeugt.280 Einerseits konnten erfolgreiche Geschäftsführer ihren Reichtum nutzen, um sich etwa durch Leiturgien und Spenden als Wohltäter zu profilieren:281 So sind Phormion und Pasion als großzügige Spender in Athen bekannt gewesen.282 Andererseits konnten sie sich durch die strategische Vergabe von Krediten auch einen Bekanntenkreis aufbauen, der ihnen selbst nützlich sein konnte.283 Die in der Forschung unter anderem von Paul Millett getätigte Behauptung, dass das Bankgeschäft am Rande der athenischen Gesellschaft stattgefunden habe,284 ist deshalb zurückzuweisen: Es ist zwar richtig, dass sich unter den Kunden der athenischen Banken auch zahlreiche Fremde befunden haben, die aufgrund des fehlenden Bürgerrechts keine anderen Hilfen erwarten konnten.285 Als Geldverleiher tätigten Bankiers ihre Investments aber in ganz verschiedenen Bereichen, und sie waren durch die Kreditvergabe an émporoi wohl auch in den Getreidehandel involviert.286 Dabei muss bedacht werden, dass Banken nicht nur Geld verliehen, sondern auch deponierten,287 sodass zu ihren Kunden auch die athenische Elite gehörte: Nicht zuletzt war es auch gängige Praxis, einen Teil des eigenen Geldes in einer Bank zu verwahren, um die Vermögensschätzung für die Leiturgien zu verfälschen.288 Auf diese Weise standen wohl weder die Bankiers noch ihr Geschäft und auch nicht ihre Kunden am Rande der Gesellschaft – vielmehr waren alle ein integraler Teil der athenischen Gesellschaft und Wirtschaft.289 III.2.3 Verbot immobilen Eigentums Der generelle Ausschluss von immobilem Besitz ist in der Forschung nicht ganz zu Unrecht als eine der gravierendsten Benachteiligungen der ansässigen Fremden hervorgehoben worden.290 Dem liegt der Gedanke zugrunde, dass diese Einschränkung 280 281 282 283 284 285 286 287

288 289 290

Vgl Shipton 1997, S. 409. Vgl. Klees 2000, S. 40, dazu Kap. III.7.1. Vgl. Shipton 1997, S. 409. So wendet sich Pasion etwa mit der Bitte um Hilfe an einen seiner Kunden: Isokr. 17, 42; Shipton 1997, S. 403 und S. 418; Trevett 1992, S. 125 und S. 159. Vgl. Millett 1991, S. 206f. Vgl. ebd., S. 207. So etwa in Demosth. 33, 5–8; vgl. Reed 2003, S. 35. Trevett weist sogar darauf hin, dass ein Unterschied zwischen dem Verleihen und dem Deponieren von Geld gemacht wurde und dass nur ersteres in Verruf war, vgl. Trevett 1992, S. 159. Dabei ist anzunehmen, dass ein schlechter Ruf vor allem diejenigen getroffen haben dürfte, die Geld leihen, und nicht diejenigen, die Geld verleihen, denn private Kredite wurden auch von angesehenen Bürgern ausgegeben, vgl. Shipton 1997, S. 403. Vgl. ebd., S. 422. So auch schon ebd., S. 402. So z. B. Whitehead 1991, S. 146; Patzek 1995, S. 41; Stelzer 1971, S. 16; Finley 1981, S. 72.

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sowohl im geschäftlichen als auch im sozialen Bereich zu erheblichen Beeinträchtigungen geführt habe: So sind die Fremden von landwirtschaftlichen Berufen ausgeschlossen gewesen,291 konnten keine Kredite geben oder nehmen, in denen Ländereien oder Gebäude als Pfand eingesetzt wurden,292 waren zu einem Leben als Mieter gezwungen293 und aufgrund dieser Einschränkung zu einer Existenz am Rande der Gesellschaft verurteilt.294 Richtig ist, dass Landbesitz in der griechischen Welt der Antike einen hohen symbolischen Wert hatte: Einen tatsächlich physischen Anteil an einem Gebiet zu besitzen markiert die eigene Zugehörigkeit zur Polis wie sonst nichts.295 Dementsprechend war das Privileg der énktēsis, das den Empfänger zu einer solchen Anteilnahme ermächtigt, streng gehütet und schwer zu bekommen296 – übrigens nicht nur in Athen, sondern in der gesamten griechischen Welt.297 Doch stellt sich dabei die Frage, welche praktischen Konsequenzen der Ausschluss vom Immobilienbesitz tatsächlich hatte, umso drängender, weil sich aus den Quellen ein fast schon konträrer Eindruck ergibt: Es scheint, als ob die betreffenden Personen in den meisten Fällen eine Behelfslösung finden konnten oder sich das vermeintlich unüberwindbare Hindernis des Ausschlusses von immobilen Besitztümern gar nicht erst als Problem darstellte. Ein gutes Beispiel hierfür findet sich etwa im Fall Pasions, der auch ohne die Möglichkeit, Ländereien als Pfand zu akzeptieren, ein sehr erfolgreiches Bankgeschäft führte: Dabei nutzte er wohl hin und wieder auch Mittelsmänner und sicherte sich seine Interessen auf als Pfand akzeptierte Immobilien indirekt über jene.298 Kephalos, Vater des Lysias, der auf Perikles’ persönlichen Wunsch nach Athen gekommen war,299 bietet ein weiteres Beispiel für einen ansässigen Fremden, dessen fehlendes Recht auf immobilen Besitz ihn nicht davon abhielt, in gehobene Kreise aufgenommen zu werden. Diese und einige weitere Quellenstellen legen eine Untersuchung zum tatsächlichen Einfluss, den das fehlende Recht auf immobilen Besitz auf das Leben der ansässigen Fremden in Athen hatte, nahe.

291 292 293 294 295 296 297 298 299

Vgl. Bäbler 1998, S. 48; Jones 1955, S. 152; dazu auch Kap. II.2.1. Vgl. Adak 2003, S. 235; Leiwo/Remes 1999, S. 161. Vgl. Hennig 1994, S. 305; Bakewell 1997, S. 214. Vgl. Patterson 2000, S. 98; Burford 1972, S. 29; Garland 2014, S. 157; Hunter 2000, S. 16; Seager 1966, S. 180. Dies wird etwa in Aeschin. 2, 23 deutlich, wo der Sprecher die Bedeutung der Heiligtümer und Ahnengräber für das Selbstwertgefühl einer Gemeinschaft betont; vgl. Seager 1966, S. 180; Whitehead 1991, S. 146. Vgl. Finley 1981, S. 72; dazu Kap. III.7.4. Vgl. Finley 1981, S. 72; Whitehead 1984a, S. 50. Demosth. 36, 6; ähnlich dazu Cohen 2000, S. 129. Lys. 12, 4.

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III.2.3.1 Ausschluss von der Landwirtschaft Eine nicht unerhebliche Konsequenz des fehlenden Rechts auf Grundbesitz war sicherlich, dass die Landwirtschaft ansässigen Fremden kaum eine Verdienstmöglichkeit bot. Dabei war ihnen eine landwirtschaftliche Betätigung per se nicht verwehrt, aber zumindest erheblich erschwert, wie an anderer Stelle bereits umfassend dargelegt wurde.300 Ungeachtet dessen, dass natürlich auch Bürger in Handwerk und Handel tätig waren, ist allerdings nicht zu bestreiten, dass die Landwirtschaft die gesamte klassische Zeit über einer der häufigsten und angesehensten Wege blieb, seinen Lebensunterhalt zu erwirtschaften.301 Dieser Umstand zeigt sich etwa darin, dass die Zuordnung der Bürger zu einer Vermögensklasse nach dem jährlichen Ertrag, den das eigene Land einbrachte, vorgenommen wurde.302 Dass ansässigen Fremden der Weg in diesen Berufszweig erheblich erschwert war, dürfte sie also zumindest einer Möglichkeit des Erwerbs von Ansehen beraubt haben. III.2.3.2 Grundpfandrechte Forschungsbeiträge, die sich mit den Konsequenzen beschäftigen, die aus dem fehlenden Recht auf immobilen Besitz resultierten, verweisen im Zuge dessen besonders häufig auf den in einer Rede des Demosthenes belegten Fall des Phormion.303 Dessen Bemühen, trotz fehlender Grundpfandrechte die von Pasion zunächst gepachtete Bank erfolgreich zu führen, wird in jener Rede ausführlich dargelegt.304 Demnach habe Phormion, als er die Bankgeschäfte von Pasion übernommen hatte, festgestellt, dass einige Kunden ihren Grundbesitz als Sicherheit für gewährte Kredite hinterlegt hatten. Da ihm klar war, dass er als ansässiger Fremder ohne énktēsis auf dieses Pfand im Bedarfsfall gar nicht zugreifen konnte, bediente er sich eines Tricks: Statt die eigentlichen Kunden als Schuldner für die Bank zu nehmen, ließ er Pasion als Schuldner der Gesamtsumme auftreten. Dieser wiederum nahm die ursprünglichen Kunden als sei300 Dazu Kap. II.2.1.1. 301 Vgl. Finley 1973, S. 97. 302 Mit einer Zuordnung von Fremden zu Vermögensklassen ist hingegen nicht zu rechnen: Kap. III.1.4. 303 So u. a. Hennig 1994, S. 305; Adak 2003, S. 235f; Finley 1951, S. 75. Die 36. Rede des Demosthenes ist eine Verteidigungsrede für den Freigelassenen und ansässigen Fremden Phormion, der sich einer Klage seines Stiefsohnes Apollodor auf 20 Talente gegenübersieht (Demosth. 36, 3), weil er die von ihm verwaltete Bank des Vaters des Klägers, Pasion, wohl um diesen Betrag betrogen habe (Demosth. 36, 4–5). 304 Demosth. 36, 6–7. Phormion war der ehemalige Sklave des seinerseits freigelassenen und nach seiner Freilassung sehr erfolgreichen Bankiers Pasion. Als Phormion nach seiner Freilassung die Bank von Pasion (Demosth. 36, 5) pachtete, übernahm er damit auch alle von Pasion gewährten Kredite sowie die mit ihnen verbundenen Pfandrechte.

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ne Schuldner, auf deren immobiles Pfand er dank des ihm verliehenen Bürgerrechts305 zurückgreifen konnte. Diese Episode zeigt zwar, dass ihr fehlendes Grundpfandrecht für die als Bankiers tätigen ansässigen Fremden durchaus eine Herausforderung darstellte, aber sie zeigt vor allem, dass diese Beeinträchtigung durchaus überwunden werden konnte – wenngleich die hier präsentierte Lösung, wie Moses Finley nicht zu Unrecht feststellt, wohl nicht common practice gewesen ist.306 Zugleich stellt sich natürlich auch die Frage, inwiefern bei einem ohnehin vergleichsweise kleinen Berufszweig wie dem Bankwesen307 überhaupt von einer üblichen Vorgehensweise gesprochen werden kann. Dass ein ansässiger Fremder hin und wieder die Hilfe eines Bürgers nutzte, um sich einen Vorteil zu verschaffen oder einen Nachteil auszugleichen, ist in den Quellen schließlich durchaus belegt.308 Eingedenk dessen, dass die geldleihenden Kunden der Banken in Athen zum Teil auch Fremde gewesen sein dürften, die ebenfalls kein Land besitzen konnten, ist anzunehmen, dass das Pfand sich ohnehin nicht auf Immobilien beschränkte. Stellenweise hat die Forschung auch darauf hingewiesen, dass ansässige Fremde genau genommen nicht davon ausgeschlossen gewesen wären, Immobilien als Pfand zu akzeptieren. Vielmehr seien Immobilien deshalb nicht als Pfand von ihnen akzeptiert worden, weil sie sie nicht wirklich hätten verwerten können.309 Jedoch legt eine Stelle bei Aristoteles durchaus nahe, dass bereits das Akzeptieren von Immobilien als Pfand für ansässige Fremde unmöglich war:310 In diesem Fall seien die zu Unrecht von ansässigen Fremden akzeptierten Grundpfandrechte nämlich zu einem Spottpreis an Bürger überschrieben worden.311 III.2.3.3 Grabplatzbesitz Ein bisher in der Forschung nur am Rande rezipiertes Problem, auf dessen Klärungsbedarf Josine Blok hingewiesen hat,312 gilt der Frage der Bestattung ansässiger Fremder: Der Besitz eines Grabplatzes galt in Athen nämlich als Landbesitz. Trotzdem finden 305 Die Bürgerrechtsverleihung an Pasion (vgl. dazu Osborne 1983, S. 48; Nr. T30) ist belegt in Demosth. 59, 2; Demosth. 53, 18 sowie Demosth. 45, 85. 306 Vgl. Finley 1951, S. 76. Dabei verweist Finley etwa auf die enge Beziehung zwischen Pasion und Phormion, die eine solche Abmachung überhaupt erst ermöglichte; dagegen Shipton 1997, S. 418. 307 Dies stellt Finley in einem späteren Beitrag sogar selbst fest: vgl. Finley 1981, S. 73. 308 Dazu Isokr. 17, 42; vgl. Shipton 1997, S. 418. 309 Vgl. Finley 1951, S. 75; Stelzer 1971, S. 180–190. 310 Ähnlich auch schon Hennig 1994, S. 305. 311 Aristot. Oec. 1347a. Einschränkend ist hier allerdings zu bedenken, dass Aristoteles sich an dieser Stelle wohl auf eine in Byzanz durchgeführte Maßnahme bezieht und nicht auf eine athenische, wie auch Stelzer bemerkt; vgl. Stelzer 1971, S. 181. 312 Vgl. Blok 2007, S. 324.

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Extrinsische Merkmale

wir zahlreiche Gräber ansässiger Fremder auch, aber nicht nur, auf dem Kerameikos.313 Ursula Knigge hat versucht, dieses Phänomen damit zu erklären, dass die in Athen bestatteten Fremden wohl próxenoi gewesen seien.314 Diese Erklärung ist einerseits zurückzuweisen, weil mit der Proxenie keineswegs zwangsläufig auch die Verleihung der énktēsis einhergeht, wie an späterer Stelle noch zu zeigen sein wird.315 Andererseits ist es, wie Blok bereits vermutet hat,316 angesichts der schieren Zahl der Bestatteten unwahrscheinlich, dass es sich hier ausschließlich um próxenoi handelte. Aus demselben Grund ist auch nicht anzunehmen, dass es sich bei allen Bestatteten um Empfänger des énktēsis-Privilegs gehandelt haben könnte. Hinzu kommt, dass es zahlreiche Gräber auf dem Kerameikos gibt, in denen mehrere Personen beigesetzt wurden.317 Knigge hat vorgeschlagen, dass mehrfach genutzte Gräber wohl auf eine Art Grabasyl zurückzuführen seien, in dessen Rahmen in Athen verstorbene Fremde bei ihrem próxenos bestattet wurden.318 Das mag zwar denkbar sein, aber aufgrund praktischer Überlegungen ergibt sich doch auch die Frage, was mit Bürgern einer Stadt passierte, die nicht in jeder griechischen Polis neben einem lebenden auch einen toten próxenos vorweisen konnten, oder mit Fremden, die überhaupt keinem próxenos zugeordnet werden konnten. Auch die signifikante Anzahl an Einzelgräbern für ansässige Fremde bliebe ungeklärt. Stattdessen dürften Gräber zumindest für ansässige Fremde nicht als Landbesitz gegolten haben. Demnach sei es, wie Blok argumentiert, für viele der ansässigen Fremden, insbesondere wenn sie schon seit mehreren Generationen in Athen lebten, einfach nicht möglich gewesen, einen Leichnam quer durch das Land zu schleppen, um die Bestattung in der Heimat vorzunehmen – und der Zwang dazu obendrein pietätlos.319 Hier ist auch an den Totenkult an sich zu denken: Die Bestattung eines Verstorbenen gehörte zu den hósia, an denen auch ansässige Fremde teilnahmen.320

313 In der Forschung ist hin und wieder erwogen wurden, die Bestattung als ein Prärogativ der Athener zu deuten (z. B. Morris 1987, S. 52 sowie S. 210), aber diese Auffassung ist mittlerweile widerlegt worden, z. B. von Patterson 2006 passim. 314 Vgl. Knigge 1991, S. 120. 315 Dazu S. 357. 316 Vgl. Blok 2007, S. 324. 317 Einige dieser Gräber sind als Familiengräber identifizierbar (wie etwa das Grab für eine Familie aus Herakleia, vgl. Gray 2011, S. 49; Knigge 1991, Nr. 22 (= fig. 118); in anderen Fällen deutet allein die schiere Anzahl der Bestatteten darauf hin, dass sie nicht alle durch familiäre Bande verknüpft gewesen sein konnten. Hier ist insbesondere das Grab für mehrere Personen aus Messene zu nennen (Knigge 1991, Nr. 21 (= fig. 117)), in dem über 50 Personen bestattet wurden, vgl. Gray 2011, S. 49f; Knigge 1991, S. 117–123; Clostermann 2007, S. 638–640. 318 Vgl. Knigge 1991, S. 120. 319 Vgl. Blok 2007, S. 325. 320 Vgl. ebd. Dazu auch Kap. III.5.2.

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III.2.3.4 Mieten und Pachten Aus der Tatsache, dass ansässige Fremde in Athen nicht selbst Eigentümer sein konnten, ergibt sich der in der Forschung eigentlich wenig bezweifelte Schluss, dass sie ihre Wohn- und Arbeitsräume in der Regel mieten mussten. Der archäologische Befund legt zwar nahe, dass bestimmte Bereiche Athens, wie der Piraeus und das Kerameikosviertel, von ansässigen Fremden bevorzugt wurden, aber es gibt keine Hinweise darauf, dass ihnen die Wohnsitznahme in anderen Teilen Athens verboten worden sei.321 Inwiefern die Mieten eine erhebliche Belastung für die Haushaltskasse darstellten, ist schwer abzuschätzen. Sicherlich ist davon auszugehen, dass Vermieter grundsätzlich einen gewissen Gewinn zu erwirtschaften versuchten, aber die Behauptungen, dass die Mieteinnahmen von ansässigen Fremden dem Einzelnen ein großes Geschäft versprachen oder erheblich zur Prosperität Athens beitrugen, kommen ausschließlich aus der modernen Forschung und nicht aus den antiken Quellen.322 Allenfalls könnte Xenophons Vorschlag, brachliegendes Land an ausgewählte Fremde zu geben, um ihnen den Hausbau zu ermöglichen, darauf hindeuten, dass der eine oder andere sich über eine Entlastung von der Mietzahlung gefreut hätte323 – aber wer würde das nicht. Die Forschung hat allerdings auf einen Widerspruch hingewiesen, dem es auf den Grund zu gehen gilt: Obwohl die ansässigen Fremden zu Tausenden hätten mieten müssen, ist, wie Gerhardt Thür festgestellt hat, nicht ein einziges Dokument überliefert, das eine solchen Vereinbarung darstellt.324 Dabei muss betont werden, dass die Praxis des Mietens an sich in der Antike sehr wohl existiert hat: So gibt es in den Quellen hin und wieder Hinweise darauf, dass Wohn- und Arbeitsräume sowohl gemietet als auch vermietet wurden.325 Thür weist in diesem Zusammenhang darauf hin, dass in keinem der in den Quellen belegten Mietverhältnisse festgestellt werden kann, ob es sich bei einer der Parteien um einen ansässigen Fremden oder um einen Bürger gehandelt hat,326 und schließt daraus, dass die Masse der ansässigen Fremden wohl nicht zur Miete gewohnt habe.327 Stattdessen wäre es möglich, so Thür, dass die meisten von ihnen für die Dauer ihres Aufenthaltes bei ihrem prostátēs untergekommen seien.328 Ein anderer Vorschlag, von Dieter Hennig, bestand in der Möglichkeit, dass Athen in vielen Fällen freie Häuser als Wohnobjekte anbot, zumindest denjenigen, die einer bestimmten Aufgabe in Athen nachgingen.329 Dazu verweist er auf Fälle, in denen eine 321 322 323 324 325 326 327 328 329

Vgl. Cohen 2000, S. 127. Vgl. u. a. Nemeth 2001, S. 331; Finley 1951, S. 64. Xen. Vect. 2, 6. Vgl. Thür 1989, S. 118f; ähnlich auch Finley 1981, S. 71. Bspw. Demosth. 28, 1 sowie auch IG II2 10, die Mietzahlungen belegen, vgl. Kears 2013, S. 94. Vgl. Thür 1989, S. 119. Vgl. ebd. Vgl. ebd., S. 121; zum prostátēs s. Kap. III.8. Vgl. Hennig 1994, S. 338.

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Extrinsische Merkmale

Polis entweder Wohnraum zur Verfügung stellte oder einen Mietzuschuss für Personen gewährte, falls diese ansässig werden sollten.330 Dass dies aber keine in Athen gängige Praxis gewesen war, zeigt eine Bemerkung des Xenophon: Sein Vorschlag, freie Flächen an Fremde zu geben, um ihnen eine Residenz in der Stadt schmackhaft zu machen, wäre sicherlich überflüssig gewesen, wenn dies schon getan worden wäre.331 Das Schweigen der Quellen über ansässige Fremde als Mieter in Athen muss schließlich nicht zwangsläufig bedeuten, dass diese keine regelmäßigen Mieter waren. Dabei ist zunächst darauf hinzuweisen, dass Mietverträge allgemein nicht zu den typischerweise überlieferten Dokumenten gehörten, ungeachtet der beteiligten Parteien, und viele von ihnen wohl ohnehin auf persönlichen Absprachen beruhten.332 Überraschend ist in diesem Zusammenhang allenfalls, dass es auch keine Gerichtsfälle zu geben scheint, die von einem Konflikt zwischen Mieter und Vermieter berichten; aber auch hier könnte die Überlieferung einfach zufällig einen falschen Eindruck erwecken. Hinzu tritt schließlich, dass es auch keinen guten Grund gäbe, anzunehmen, dass Athen den ansässigen Fremden das Mieten – oder das Vermieten an sie – verboten hätte.333 III.2.3.5 Institutionelle Nachfolgeregelungen Als Problem stellt sich das fehlende Recht ansässiger Fremder auf Landbesitz dann heraus, wenn es um die Nachfolgersuche für Führungspositionen geht; so besaß bspw. der Leiter einer Philosophenschule in der Regel auch das Land, auf dem diese Schule gebaut wurde.334 Sowohl Platons als auch Epikurs Nachfolgeentscheidungen wurden wohl auch von der fehlenden énktēsis eines Kandidaten beeinflusst. So bestimmte Platon in seinem Testament, dass die Leitung der Akademie seinem Neffen Speusippos übertragen werden sollte. Derweil hätte es mit Aristoteles und Xenokrates zwei andere (nicht athenische) Kandidaten gegeben, die als Vorsteher der Akademie nicht weniger geeignet gewesen wären. Von allen dreien wäre Xenokrates, wie David Whitehead darlegt, wohl die wahrscheinlichste Wahl gewesen: Er war nicht nur der konservativere Kandidat,335 sondern auch derjenige, der am meisten Zeit in der Akademie verbracht hat.336 Einzig der

330 So stellte die Stadt Kydonia auf Kreta einigen ihrer próxenoi Häuser und Ländereien zur Verfügung (IC II x.1= Syll3 940) und die Polis Airai gewährte zwei Unbekannten einen Mietzuschuss von 50 Obolen, wenn sie sich in der Polis niederließen (Wilhelm 1909, Nr. 154, S. 175–177); vgl. Hennig 1994, S. 339. Ein solches Beispiel ist aus Athen aber nicht bekannt. 331 Xen. Vect. 2, 6. 332 Zur Praxis des informellen Verleihens immobiler und monetärer Werte, s. Millett 1991, S. 127–178. 333 Ähnlich auch de Ste. Croix 1983, S. 289. 334 Vgl. Whitehead 1981, S. 227. 335 Vgl. ebd., S. 225. 336 Vgl. ebd., S. 226.

Wirtschaft

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Umstand, dass Speusippos, der zum Zeitpunkt der Übergabe der Akademie zwischen 60 und 69 Jahre alt gewesen sein dürfte, dem 36-jährigen Aristoteles und dem 48-jährigen Xenokrates altersmäßig deutlich überlegen war, spricht für ihn als designierten Nachfolger Platons.337 In dem Versuch, Platons Entscheidung über seinen Nachfolger zu begründen, erwägt Whitehead unter anderem, auch dem Status der Kandidaten einen nicht unerheblichen Einfluss beizumessen. Demnach hätte von Rechts wegen keine Möglichkeit bestanden, Aristoteles oder Xenokrates als Leiter der Akademie zu bestimmen, da sie das Land nicht hätten besitzen dürfen.338 Als sich jedoch wenige Jahre später die Frage nach der Leitung der Akademie mit dem Tod des Speusippos erneut stellte, schien der Status der Kandidaten unerheblich zu sein: Da alle Bewerber als ansässige Fremde in Athen lebten, besaß wohl keiner von ihnen die énktēsis.339 Die Wahl fiel schlussendlich auf Xenokrates. Daraus schließt Whitehead, dass der Status der Kandidaten wohl keinen Einfluss auf Speusippos’ Wahl seines Nachfolgers gehabt habe.340 Es ist wohl anzunehmen, dass die Führung der Akademie an irgendeinem Punkt vom Besitz des dazugehörigen Landes getrennt worden ist, wovon auch Whitehead ausgeht.341 Das wäre z. B. möglich, indem die Akademie in ein Gemeinschaftseigentum überführt worden wäre und sich die Akademiker entsprechend zu einem thíasos zusammengeschlossen und gemeinsam die énktēsis beantragt hätten.342 Wann dies stattgefunden haben könnte, ist mangels Belegen zwar völlig unklar; aber es ist zumindest eine Erwägung wert, ob Xenokrates vielleicht erst als Speusippos’ und nicht schon als Platons Nachfolger designiert wurde, weil die Akademie bei Platons Tod noch Privatbesitz war, und ob Speusippos nicht im Angesicht dessen, dass keiner seiner potenziellen Nachfolger das Recht auf Landbesitz hatte, den Zusammenschluss der Akademiker zu einem thíasos und die Überführung der Akademie in ein Gemeinschaftseigentum veranlasst hat. Damit war der Status des Kandidaten erst bei der zweiten Nachfolgeregelung der Akademie unerheblich und nicht grundsätzlich. Die fehlende énktēsis beeinflusste das Leben des Xenokrates also erheblich, da sie (zunächst) verhinderte, dass er Platons Erbe antreten konnte.343

337 338 339 340 341 342

Vgl. ebd. Vgl. ebd., S. 225 und S. 227. Ind. Acad. 38–39; dazu: Merlan 1946, S. 104f; vgl. Whitehead 1981, S. 232f. Vgl. Whitehead 1981, S. 231 und S. 233. Vgl. ebd., S. 231. Das erwägt auch Whitehead 1981, S. 231. Zu thíasoi und ähnlichen Zusammenschlüssen s. Kloppenburg 1996, S. 16–30. 343 Es besteht auch die Möglichkeit, dass Xenokrates zwischenzeitlich die énktēsis erhalten hat, sodass er in der zweiten Nachfolgerrunde die Schule mit dem dazugehörigen Grund besitzen konnte. Abgesehen davon, dass die Vergabe einer solchen Ehrung an Xenokrates auch in denjenigen Quellen nicht erwähnt ist, die sein Leben recht ausführlich besprechen (z. B. Diog. Laert. 4, 2–15) scheint diese Variante insgesamt aber eher unwahrscheinlich: Nach dem Tod Platons verlässt Xenokrates

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Extrinsische Merkmale

Ähnliche Probleme traten wohl auch bei der Nachfolge des Epikur auf, dessen Gefolgschaft nahezu ausschließlich aus Nichtathenern bestand.344 Vor seinem Tod vermachte er die Führung seiner Schule an den aus Mytilene stammenden Hermachos und seinen Grundbesitz an zwei Athener, Amynomachos und Timokrates,345 die wohl als Mittelsmänner fungierten.346 Dafür spricht, dass das Nutzungsrecht des Gartens an Hermachos und seine Nachfolger gegeben wurde, während das Wohnrecht für ein Haus in Melite nur bis zu Hermachos’ Tod vereinbart wurde und danach an Amynomachos und Timokrates übergehen sollte.347 Die Verwaltung des Vermögens lag in der gemeinsamen Verantwortung aller drei.348 Da Hermachos zum Zeitpunkt dieser Vereinbarung wohl schon ein alter Mann war, könnte das Haus in Melite als Bezahlung für die als Mittelsmänner Agierenden eingesetzt worden sein, wie Martti Leiwo und Pauliina Remes sehr überzeugend argumentieren.349 Zum Einsatz von Mittelsmännern, so vermuten sie, sah sich Epikur gezwungen, da er seine Schule aufgrund der fehlenden énktēsis an keinen ansässigen Fremden übergeben konnte350 und ansonsten wohl keinen Nachfolger hatte. III.2.3.6 Bedeutung des fehlenden Rechts auf Landbesitz Im Vorangegangenen wurden die in der Sicht der Forschung üblicherweise aus dem fehlenden Landbesitz resultierenden Benachteiligungen ansässiger Fremder in Athen untersucht. Dabei zeigten sich die meisten Situationen als überwindbares Hindernis: Trotz fehlender Grundpfandrechte konnten ansässige Fremde erfolgreich ihre Banken führen, Tote konnten bestattet werden, auch ohne den Grabplatz zu besitzen, Wohnraum wurde gemietet, und der Weg in die Landwirtschaft erfolgte über Pacht oder man suchte sich gleich eine Alternative in Handwerk und Handel. Damit hat es zumindest den Anschein, dass die fehlende énktēsis die ansässigen Fremden eigentlich kaum behinderte, sondern allenfalls zu kreativen Lösungen drängte, und dass eine Behelfslösung wohl in den meisten Fällen gefunden werden konnte.

344 345 346 347 348 349 350

Athen zunächst mit Aristoteles, reist später allein weiter und kehrt erst als bereits designierter Nachfolger des Speusippos nach Athen zurück. Die Vergabe von Ehrungen in Abwesenheit ist zwar möglich; dann wird die énktēsis aber nicht isoliert vergeben, sondern etwa in Verbindung mit der Proxenie (vgl. Kap. III.7.5). Vgl. Leiwo/Remes 1999, S. 162. Das Testament des Epikur ist überliefert in Diog. Laert. 10, 16–21; vgl. Leiwo/Remes 1999, S. 162. Vgl. Leiwo/Remes 1999, S. 164. Diog. Laert. 10, 17. Diog. Laert. 10, 18. Vgl. Leiwo/Remes 1999, S. 164. Vgl. ebd., S. 166.

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Dass das fehlende Recht auf Grundbesitz keine unüberwindbare Grenze darstellte, aber trotzdem aufrechterhalten wurde, spricht vor allem dafür, dass das Vorrecht der Bürger auf immobiles Eigentum einen hohen ideellen Wert besaß. Hier ist auf die bereits mehrfach angesprochene Symbolik hinzuweisen, die mit dem Besitz eines ‚Stücks von Attika‘ einhergeht und die wohl neben dem für Nichtbürger unerreichbaren aktiven und passiven Wahlrecht und der Rechtsprechung die deutlichste Form der Anteilnahme an der Polis ist.351 Dabei zeigt sich die von Finley entwickelte Theorie, dass es im antiken Athen zwei Arten von Besitz – land and money – gebe, nirgendwo deutlicher als in der Betrachtung der Nichtbürger. Während ein Bürger zwischen land und money beliebig vermitteln konnte – etwa indem er Grundbesitz kaufte oder verkaufte – war der Nichtbürger auf den Bereich money beschränkt.352 Ansässige Fremde waren durch das Verbot immobilen Eigentums nur im Bereich des Geldes wettbewerbsfähig, wo sie es aber immerhin zu erheblichem Reichtum bringen konnten, und vom Wettbewerb um land ausgeschlossen. III.2.4 Ökonomische Potenz der ansässigen Fremden für Athen Der Beitrag der ansässigen Fremden zur athenischen Wirtschaft und ihre Rolle bei der Sicherung der Prosperität Athens ist in der Forschung vielfach hervorgehoben worden. Dabei galt das Interesse einerseits ihrer Beteiligung an der Versorgung der Bevölkerung mit Gütern und Dienstleistungen, andererseits aber auch den ansässigen Fremden als Einnahmequelle für die Polis.353 Der Blick in die antiken Quellen zeigt, dass diese Auffassung von den Athenern durchaus geteilt wurde. Aristoteles etwa war sich der Notwendigkeit ihrer Anwesenheit durchaus bewusst,354 und auch Xenophon erkennt ihre Bedeutung für Wirtschaft und Militär an:355 Nicht zuletzt zielen einige der Maßnahmen, die er zur Steigerung der Einnahmen der Polis vorschlägt, darauf ab, Athen für ansässige Fremde attraktiver zu machen.356 Wie an anderer Stelle bereits betont wurde, waren fremde Händler wahrscheinlich kaum ansässige Fremde in Athen gewesen – ihr Beruf verlangte von ihnen schlichtweg einen zu hohen Grad an Mobilität.357 Davon unberührt bleibt freilich der Umstand, dass zahlreiche Schiffsbesitzer ansässige Fremde waren und somit, wenn sie die Wa-

351 Z. B. S. 245. 352 Vgl. Finley 1951, S. 77f. 353 Vgl. Finley 1951, S. 77; Finley 1981, S. 72; Cohen 2000, S. 19; Fisher 2010, S. 327; Mann 2008, S. 6; Mavrogordatos 2014, S. 38; Rubinstein 2018, S. 7; Spahn 1995, S. 55; Wijma 2014, S. 65f. 354 Aristot. Pol. 1277b 33–35 sowie 1278a 2–3. 355 Xen. Vect. 2, 1–2; ähnlich auch Xen. Vect. 3, 5. 356 So auch schon Spahn 1995, S. 54 und Whitehead 1977, S. 126. 357 S. 111.

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Extrinsische Merkmale

ren auch nicht persönlich transportierten, an der Versorgung Athens beteiligt waren.358 Vor allem der Getreidehandel scheint dabei ein ganz wesentlicher Betätigungsbereich gewesen zu sein.359 Der wirtschaftliche Beitrag ansässiger Fremder in Athen beschränkte sich aber nicht auf Güter, sondern umfasste auch ihre Expertise in verschiedensten Bereichen.360 Zu denken ist hier vor allem an das Töpferhandwerk, das wohl von ansässigen Fremden dominiert wurde.361 Insbesondere diese Branche litt sehr unter dem Umstand, dass viele ansässige Fremde die Polis während des Peloponnesischen Krieges verließen:362 Die im 5. Jahrhundert noch exquisiten athenischen Tonarbeiten wurden im 4. Jahrhundert zur Massenware363 und verloren so ihre Bedeutung als Exportgüter.364 Außerdem nahmen ansässige Fremde an der athenischen Wirtschaft auch durch finanzielle Beiträge teil, u. a. indem ihre Spenden Versorgungs- und Finanzierungsschwierigkeiten jeglicher Art zu bewältigen halfen.365 Die Quellen belegen ein solches Vorgehen vor allem im Zusammenhang mit ansässigen Fremden, die im Bankwesen tätig waren.366 Ansässige Fremde hatten nicht nur für die athenische Wirtschaft im Bereich der Versorgung mit Gütern und Expertise sowie gelegentliche Spenden eine hohe Bedeutung, sondern auch als Einnahmequelle zur Verbesserung der Staatseinnahmen.367 Das metoíkion mag dabei eine willkommene Ergänzung der Einnahmen gewesen sein:368 Wenn jeder ansässige Fremde das metoíkion in Höhe von 1 Drachme im Monat entrichtete, beliefen sich – bei einer konservativen Schätzung ihrer Zahl in Athen auf 7.000 – die Jahreseinnahmen des metoíkion auf immerhin 14 Talente.369 Das entspräche etwa 25 % der durch eisphoraí von den Bürgern eingenommenen Summe.370 Hinzutreten noch die von den ansässigen Fremden erhobenen unregelmäßigen Abgaben in Form von eisphoraí und Leiturgien sowie die Marktsteuer. Wie hoch der tatsächliche Beitrag der Gemeinschaft der ansässigen Fremden zur Staatskasse war, hängt natürlich von ihrer Anzahl ab und dürfte daher starken Schwankungen ausgesetzt gewesen sein. Nichtsdestotrotz sollte bedacht werden, wie Kears betont, dass sich die Bedeutung des finanziellen Beitrags der ansässigen Fremden nicht nur an dem tatsächlich eingenom-

358 359 360 361 362 363 364 365 366 367 368 369 370

Siehe S. 243. Ähnlich auch schon Reed 2003, S. 16. Ähnlich Nemeth 2001, S. 332 sowie Garland 2014, S. 156 und Blok 2007, S. 310. Vgl. MacDonald 1981, S. 166f. Vgl. ebd., S. 159 sowie S. 164. Vgl. ebd., S. 168. Vgl. ebd., S. 165. Vgl. Marek 1984, S. 362. So sind Phormions und Pasions Wohltaten gegenüber der Polis vielfach belegt, vgl. S. 244; ähnlich auch Zelnick-Abramovitz 2005a, S. 326; Cohen 1992, S. 88f; Marek 1984, S. 362. Vgl. Nemeth 2001, S. 337; Takabatake 1988, S. 45. Vgl. Whitehead 1977, S. 153. Vgl. Nemeth 2001, S. 337. Dazu Kap. III.2.1.2.

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menen Betrag bemisst, sondern auch den Gedanken widerspiegelt, dass die ansässigen Fremden etwas beisteuern sollten, um in den Genuss des athenischen Lebens zu kommen.371 III.2.5 Ökonomisches Potenzial der ansässigen Fremden Im Bereich des mobilen Eigentums – money – unterlagen ansässige Fremde anscheinend keinen Beschränkungen. Dabei war die finanzielle Situation des Einzelnen keine unwesentliche Bedingung seiner Inklusion in die Gesellschaft.372 Die atemberaubenden Karrieren von Pasion und Phormion sprechen deutlich dafür, dass auch ansässige Fremde es in Athen durchaus zu (monetärem) Reichtum bringen konnten: Sie zählten zu den reichsten Bewohnern Athens in ihrer Zeit.373 Dabei ermöglichte ihnen ihr Vermögen, Wohltaten zugunsten der Athener zu erbringen, was wiederum die Verleihung von Privilegien, wie der énktēsis, an sie wahrscheinlicher machte.374 Auf diese Weise bestand für sie zumindest die Möglichkeit, sich Zugang zu der Gruppe zu verschaffen, der es möglich war, zwischen den beiden Besitzarten land und money beliebig hin und her zu wechseln. Damit war die finanzielle Situation des Einzelnen wohl auch keine unwesentliche Determinante seiner Inklusion in die Gesellschaft.375 Gleichzeitig, wie Jörg Erdtmann zu Recht betont, stellte ein erfolgreich laufendes Geschäft oder ein Ruf als guter Handwerker oder Künstler auch ein Element der Selbstbeschreibung dar, das wiederum auch einen semantischen Inklusionsrahmen schuf.376 Das zeigt sich deutlich in dem Umstand, dass ansässige Fremde auf ihren Grabsteinen hin und wieder mit ihrem Beruf identifiziert worden sind, anstatt mit ihrem Heimat- oder Wohnort.377 Damit einher geht auch, dass ansässige Fremde vom kommerziellen Wettbewerb weder ausgeschlossen waren, noch wurde ihnen die Teilnahme daran deutlich erschwert: Das einzige Hindernis, das nur Fremden gestellt wurde, waren wohl die Marktsteuern für einen Stand auf der Agora. Dabei ist aber nicht nur dessen wohl nur sehr geringe Höhe zu bedenken,378 sondern auch, dass es Fremden in Athen überhaupt gestattet war, einen solchen Stand zu betreiben, denn auch dieses Recht war nicht selbstverständlich. Wenn es ums Geschäft ging, schien die Grenze zwischen Bürgern

371 Vgl. Kears 2013, S. 67. 372 Ähnlich auch schon Beck 2013, S. 84. 373 Vgl. u. a. Bäbler 2005, S. 69; Bäbler 1998, S. 119; Bakewell 2008, S. 104; Coşkun 2014b, S. 103; Cohen 1992, S. 82. 374 So etwa in IG II2 505, Z. 12–41; ähnlich auch schon Kears 2013, S. 71; Deene 2013, S. 76; Maurizio 1998, S. 315. 375 Ähnlich auch schon Beck 2013, S. 84. 376 Vgl. Erdtmann 2013, S. 75. 377 Vgl. ebd. Für eine umfassende Sammlung von Beispielen: Erdtmann 2013, S. 75 n 21. 378 Vgl. Adak 2003, S. 223 sowie S. 225.

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Extrinsische Merkmale

und ansässigen Fremden in ganz besonderem Maße zu verschwimmen.379 Dies zeigt sich deutlich im Zugang zur Agora380 sowie in der bereits erwähnten Zahlung des gleichen Lohns für ansässige Fremde, Bürger und Sklaven und auch in der wohl problemlosen geschäftlichen Kooperation zwischen Bürgern und Nichtbürgern.381 Davon zeugt etwa ein den Nymphen geweihtes Relief, das von bürgerlichen und ansässigen fremden Tuchmachern gemeinsam gestiftet wurde, die sich wohl in einer Interessengruppe zusammengeschlossen hatten.382 Geschäftliche Kontakte, etwa im Rahmen solcher privater Vereine, boten dabei eine wichtige Möglichkeit, sich ein soziales Netzwerk aufzubauen.383 Dass Fremde unbegrenzt mobiles Eigentum erwerben konnten, bedeutet natürlich nicht, dass sie dies auch regelmäßig taten. Im Gegenteil ist die ältere Forschung sogar ganz überwiegend davon ausgegangen, dass ansässige Fremde in der Mehrheit der Fälle aufgrund ihrer begrenzten Möglichkeiten in einer wirtschaftlichen Inferiorität zu den Bürgern standen.384 Diese Behauptung ist in der neueren Forschung jedoch überwiegend revidiert worden: Zu Recht werden die ansässigen Fremden als den Bürgern in finanzieller Hinsicht gleichgestellte Gruppe empfunden.385 Auch unter den ansässigen Fremden gab es daher Arme wie Reiche, wobei die Erstgenannten wohl weder ‚typisch‘ noch in der Mehrzahl waren.386 Das zeigt u. a. der Umstand, dass die Wohnhäuser der ansässigen Fremden von denen der Bürger äußerlich kaum zu unterscheiden waren.387 Tatsächlich lohnt es sich sogar zu erwägen, ob die ansässigen Fremden in der Regel nicht sogar besser gestellt waren als die Bürger:388 Zumindest wenn man bedenkt, dass das metoíkion durchaus als eine Art finanzielle Hürde interpretiert werden kann, die viele in Athen ansässige Nichtbürger zu nehmen hatten,389 und dazu kamen noch etwaige Mieten. Als ansässiger Fremder in Athen zu leben, musste man sich so gesehen auch leisten können, während für die Bürger eine solche Vermögensqualifikation nicht bestand. 379 380 381 382 383 384

385 386 387 388 389

So auch schon Hansen 1991, S. 62; Fuks 1984a, S. 39; Cohen 2000, S. 108; Deene 2014, S. 173. Vgl. Kears 2013, S. 98. Vgl. Deene 2014, S. 164; Leiwo/Remes 1999, S. 161; Taylor 2015, S. 44. Relief: Berlin SK, 709; vgl. Deene 2014, S. 167. Ein Hinweis auf denkbare Kooperationen zwischen Bürgern und Nichtbürgern findet sich auch in Aristot. Eth. Nic. 1160a 4–6. Vgl. dazu Kap. III.3.1.1; ähnlich z. B. Millett 1991, S. 207. Vgl. z. B. Duncan-Jones 1980, S. 102; Gomme 1933, S. 25; Bakewell 2008, S. 204; Ähnlich auch Kears, der davon ausgeht, dass das fehlende Recht auf Landbesitz für die meisten ansässigen Fremden unerheblich gewesen sei und dass vielmehr der Kauf von Land ihre finanziellen Ressourcen überstiegen hätte, vgl. Kears 2013, S. 71. Genau diese ökonomische Ununterscheidbarkeit der Bürger und Nichtbürger wird von Pseudo-Xenophon angeprangert: Ps.-Xen. Ath. Pol. 1, 10–12. Vgl. u. a. Erdtmann 2013, S. 62; Günter 2014, S. 270f; Akrigg 2015, S. 161. Vgl. Thür 1989, S. 117. Ähnlich Nemeth 2001, S. 332 sowie (allerdings in Bezug auf die Armee) Herrmann-Otto 2009, S. 87. Dazu Kap. III.2.1.1.2.

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Der Umstand, dass die Quellen recht regelmäßig von gut situierten ansässigen Fremden in Athen berichten, macht diese Auffassung sogar noch wahrscheinlicher. Zu denken ist hier etwa an Kephalos, der Eigentümer einer großen Schildfabrik war,390 oder auch an Pasion und Phormion, die zu den wohlhabendsten Bewohnern Athens überhaupt gehörten.391 Pasions Vermögen bei seinem Tod wird auf 70 Talente geschätzt;392 seine Karriere dürfte dabei sicherlich bemerkenswert, aber nicht unbedingt einzigartig gewesen sein.393 So ergibt sich zumindest der Eindruck, dass unter den plúsioi in Athen auch einige ansässige Fremde waren. III.2.6 Fazit: It’s a rich man’s world Im Vorgenannten wurden die ökonomischen Rechte, Pflichten, Möglichkeiten und Einschränkungen der ansässigen Fremden betrachtet. Zunächst wurden die Abgaben untersucht, die ansässige Fremde in Athen zahlten. Dabei konnte gezeigt werden, dass verschiedene verpflichtende Zahlungen sowohl inkludierend als auch exkludierend wirken konnten: Das metoíkion etwa ist neben der zugegebenermaßen wohl geringen finanziellen Belastung durchaus auch eine symbolische, insofern der Bezahlende sich seine Aufenthaltsberechtigung in Athen regelmäßig erkaufen musste. Grundsätzlich waren ansässige Fremde ungeachtet ihrer intrinsischen Merkmale zur Zahlung des metoíkion verpflichtet, konnten aber durch Privilegien davon befreit werden. Leiturgien und eisphoraí wiederum wirkten durchaus inkludierend, denn sie wurden gemeinsam mit den Bürgern entrichtet – wenn auch nicht unbedingt zu denselben Konditionen, denn die Höhe der eisphoraí der ansässigen Fremden bemaß sich nach anderen Kriterien. Das galt aber nur für diejenigen ansässigen Fremden, deren Vermögen sie überhaupt zur Zahlung dieser Abgaben qualifizierte – wer unter dieser Grenze lag, nahm schließlich nicht daran teil. So wirkten die Leiturgien und eisphoraí auch als Differenzierung innerhalb der Gruppe der ansässigen Fremden. Das grundsätzliche Verbot immobilen Eigentums wurde als nicht unüberwindbares Hindernis für viele Situationen im Leben der ansässigen Fremden festgestellt: Der Blick in die Quellen zeigte, dass alle konkreten Herausforderungen, die sich aus dem fehlenden Recht auf Grundbesitz ergaben, in der Regel von den Betroffenen gemeistert werden konnten. Neben dem symbolischen Wert dieses Verbots darf aber auch seine weitere Konsequenz nicht geringgeschätzt werden, denn es bewirkte maßgeblich

390 391 392 393

Zu Kephalos siehe S. 183. Dazu Davies 1971, S. 428f (= APF 11672 II) sowie Trevett 1992, S. 1f mit n 4. Vgl. Deene 2011, S. 164. Vgl. Wijma 2014, S. 31; Deene 2011, S. 65; Burford 1965, S. 29; dagegen Jones 1955, S. 150.

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den Ausschluss ansässiger Fremder von der Besitzart land und ihre Beschränkung auf money. Das wiederum hatte zur Folge, dass sie nur im monetären Bereich, obgleich dort uneingeschränkt, mit den Bürgern wettbewerbsfähig waren und sich auch nur in diesem Bereich profilieren konnten. Hierin waren die wirtschaftlichen Chancen der ansässigen Fremden deutlich eingeschränkt. Der letzte Teil des Kapitels beschäftigte sich mit der ökonomischen Potenz und dem ökonomischen Potenzial der ansässigen Fremden in Athen. Dabei zeigte sich, dass ihr Beitrag zur Wirtschaft Athens einerseits aufgrund ihrer finanziellen Abgaben, andererseits aber auch durch ihre Expertise nicht geringgeschätzt werden sollte. In der Tat leisteten sie einen wichtigen Beitrag zur Versorgung und zur Prosperität Athens und stellten damit einen essenziellen Teil der wirtschaftlichen Identität der Polis dar. Ihr ökonomisches Potenzial wiederum bemaß sich wesentlich nach der Möglichkeit zur Teilnahme am kommerziellen Wettbewerb und ihrem Ausschluss vom Wettbewerb um immobiles Eigentum. Dabei konnte herausgestellt werden, dass Letzteres keineswegs zu einer grundsätzlichen Verarmung der Gruppe führte und dass ansässige Fremde ihr immobiles Eigentum nicht zuletzt nutzten, um für sich selbst günstige Inklusions- und Aufstiegsmöglichkeiten innerhalb der Gesellschaft zu schaffen, die im folgenden Kapitel im Zentrum stehen werden. Insgesamt ergibt sich ein uneinheitliches Bild des wirtschaftlichen Lebens der ansässigen Fremden mit einigen Widersprüchen: So wurde die Stellung der ansässigen Fremden auf der wirtschaftlichen Ebene einerseits besonders affirmiert, allem voran durch die nur ihnen auferlegten Abgaben, wie dem metoíkion und dem triṓbolon und vielmehr noch durch das fehlende Recht auf Landbesitz. Andererseits verschwammen die Grenzen zwischen Bürgern und Nichtbürgern insbesondere im wirtschaftlichen Kontext, bspw. im Rahmen bürgerlicher und nichtbürgerlicher Kooperationen sowie im uneingeschränkten Zugang der ansässigen Fremden zum kommerziellen Wettbewerb. Ein weiterer, in der Forschung sehr stark betonter, Widerspruch liegt auch in der Tatsache, dass die ansässigen Fremden entscheidend zur athenischen Prosperität beitrugen, gleichzeitig aber politisch isoliert blieben:394 Ihre wirtschaftliche Anteilnahme scheint zu ihrer Teilnahmslosigkeit auf anderen Gebieten nicht zu passen, worauf im Folgenden näher einzugehen sein wird. Die Forschung hat mehrfach und zu Recht hervorgehoben, dass das athenische Bürgerrecht nur ein Merkmal war, das die Bewohner Athens separierte, und dass eine weitere Grenze entlang ökonomischer Kriterien gezogen wurde. Dabei wird die Trennung von Armen und Reichen stellenweise sogar als die spürbarere und offensichtlichere gewertet.395 Bei der Erwägung der Zugehörigkeit zur Elite spielte im ökonomischen

394 Vgl. Pečírka 1967, S. 24. 395 So etwa Finley 1973, S. 152.

Gesellschaft

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Kontext eine Rolle, ob eine Person zu den vermögensabhängigen eisphoraí verpflichtet wurde oder Leiturgien leistete.396 Vor diesem Hintergrund ergibt sich einerseits, dass auch ansässige Fremde, weil sie Leiturgien leisten durften und zu eisphoraí herangezogen wurden, einen Platz in der Elite für sich beanspruchen konnten. Andererseits wird die ökonomische Potenz so auch zu einem wichtigen Differenzierungsmerkmal innerhalb der ansässigen Fremden. III.3 Gesellschaft Der gesellschaftliche Rang einer Person resultierte aus einem komplexen Zusammenspiel verschiedenster Faktoren und ihrer intrinsischen wie auch extrinsischen Merkmale. Das galt umso mehr, da etwa Beruf, Bildungsstand und – wie im vorangegangenen Kapitel besprochen – Vermögen vor allem im Alltag eine wichtige Rolle im Leben der Bewohner Athens gespielt haben.397 Dass ansässige Fremde ein Teil der Gesellschaft des klassischen Athen waren, ist in der Forschung nie bestritten worden, ihr konkreter Platz in dieser Gesellschaft jedoch sehr wohl. So haben einige Forschungsbeiträge die ansässigen Fremden eher am Rande der Gesellschaft verortet, während andere sie im Zentrum sahen. Im folgenden Kapitel sollen die gesellschaftlichen Rechte, Pflichten, Möglichkeiten und Beschränkungen der ansässigen Fremden in Athen im Fokus der Untersuchungen stehen. Ziel wird dabei sein herauszufinden, wo in der Gesellschaft die ansässigen Fremden einen Platz einnahmen bzw. einnehmen konnten. Dabei gilt es u. a. zu fragen, welche Möglichkeiten ansässigen Fremden offenstanden, um sich an der Gesellschaft zu beteiligen, z. B. in Form von Räumen, in denen Kontakte zu Bürgern geknüpft und Netzwerke aufgebaut werden konnten. Aber auch der Platz der ansässigen Fremden in der vertikal stratifizierten Gesellschaft soll untersucht werden. Hier spielen sowohl die Erwartungen der Athener gegenüber den ansässigen Fremden eine Rolle als auch die Frage nach dem Grad der sozialen Mobilität, also den Chancen, innerhalb der athenischen Gesellschaft aufzusteigen. Im Blick auf die Forschungsdiskussion wird zu fragen sein, ob die ansässigen Fremden eher als Insider im Zentrum oder als Outsider am Rande der athenischen Gesellschaft zu verorten sind.

396 Vgl. Hansen 1991, S. 109f. 397 Ähnlich auch schon Adak 2003, S. 38.

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Extrinsische Merkmale

III.3.1 Gesellschaftliche Partizipation und soziale Netzwerke von Bürgern und Nichtbürgern Die Möglichkeit, ein soziales Netzwerk398 aufzubauen, war für ansässige Fremde zentral und in gewisser Weise auch überlebenswichtig. Das gilt sowohl für die Bildung von Netzwerken zu anderen ansässigen Fremden, gleicher wie verschiedener Herkunft, als auch im Hinblick auf die Möglichkeit, Beziehungen zu Bürgern zu knüpfen, egal ob für langfristige oder kurzfristige Kooperation. Neben der praktischen Bedeutung eines sozialen Netzwerks in konkreten Problemsituationen darf nicht vergessen werden, dass die Zugehörigkeit zu einer Gruppe auch die Selbstbeschreibung des Individuums prägt, über die der Einzelne seinen Platz in der Gesellschaft wiederum definiert.399 Inwiefern ansässige Fremde also Zugang zu bestimmten Gruppen hatten – oder von bestimmten Gruppen ausgeschlossen waren – beeinflusst auch ihre Wahrnehmung darüber, welchen Platz sie im athenischen Gesamtkontext einnahmen.400 Es lohnt sich daher, einen Blick darauf zu werfen, welche Möglichkeiten und Gelegenheiten ansässigen Fremden hatten, um mit Bürgern und anderen Nichtbürgern in Kontakt zu treten und ein soziales Netzwerk aufzubauen, und zu fragen, welche Bedeutung soziale Netzwerke in ihrem Leben hatten.401 III.3.1.1 Gelegenheiten und Möglichkeiten zum Aufbau sozialer Netzwerke Ansässige Fremde erlebten, was die Bildung eines sozialen Netzwerkes angeht, eine ganz andere Ausgangssituation als ihre bürgerlichen Pendants. Einerseits weil sie in die Großstrukturen der Polis nicht eingebunden waren – sie gehörten etwa keiner Phratrie und keiner Phyle an402– andererseits waren sie, zumindest wenn sie keine sklavische Vergangenheit in Athen hatten, auch nie Teil eines athenischen oíkos gewesen403 und entbehrten in den allermeisten Fällen auch eines großen Kreises von

398 Der Begriff des sozialen Netzwerks wird hier im soziologischen Sinne gebraucht: „Ein soziales Netzwerk steht für das Muster an Sozialbeziehungen zwischen einer Menge an Akteuren.“ (Arendt Fuhse 2018, S. 14). Unter dem sozialen Netzwerk eines Individuums wird im Folgenden die Gesamtheit seiner Verbindungen zu anderen Akteuren, bzw. seiner Beziehungen zu anderen Individuen, verstanden, die durch Interaktionen entstanden sind und sich durch ebendiese erhalten (vgl. ebd., S. 13f). Für die jeweilige Person stellt ihr soziales Netzwerk dabei Sozialkapital dar: Es ist eine „individuelle Ressource, die den Akteuren für ihr Handeln zur Verfügung steht“ (ebd., S. 180) und das individuelle Handeln ermöglicht oder einschränkt (vgl. ebd., S. 180). Für die Anwendung des Konzepts der sozialen Netzwerke auf das Athen der klassischen Zeit s. Taylor 2015, S. 38–40. 399 Vgl. bspw. Burford 1972, S. 159 sowie Taylor 2015, S. 49. 400 Ähnlich auch Taylor 2015, S. 44 und S. 36. 401 So auch schon Patterson 2000, S. 99. 402 Ähnlich auch schon Patterson 2000, S. 101; dazu Kap. III.4.4. 403 Vgl. Erdtmann 2013, S. 49.

Gesellschaft

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Verwandten.404 So ist selbst der eigentlich gut vernetzte und bereits in zweiter Generation in Athen ansässige Fremde Lysias ohne ausreichenden verwandtschaftlichen Rückhalt ‚aufgeschmissen‘ und gezwungen, sich die Hilfe seiner Mitmenschen zu erkaufen.405 Da sie auf diese Weise nicht auf ein vorgefertigtes Netzwerk zurückgreifen konnten, mussten ansässige Fremde Orte und Gelegenheiten nutzen, die sie mit anderen ansässigen Fremden, aber auch mit Bürgern zusammenbrachten. Was den Kontakt mit Bürgern angeht, spielten die sogenannten free spaces eine wichtige Rolle im Leben der ansässigen Fremden: Orte, an denen Personen verschiedener Statusgruppen aufeinandertreffen und an denen aufgrund enger Kooperation und gemeinsamer Erfahrung die Statusgrenzen verschwimmen.406 Eine der wichtigsten free spaces im klassischen Athen dürfte die Agora gewesen sein, die von jedem Einwohner Athens, ob ansässiger Fremder, Bürger oder Sklave, regelmäßig besucht worden ist – zu privaten Zwecken nicht weniger als aus geschäftlichen Gründen407 – und Bürgern wie Nichtbürgern als Arbeitsplatz408 und beliebter Treffpunkt diente. Weiterhin sind als free spaces auch der Hafen409 und die Handwerkerviertel zu begreifen, in denen ansässige Fremde und Bürger ihre Werkstätten in direkter Nachbarschaft betrieben.410 Nicht anders verhielt es sich mit den Gymnasien, in denen Bürger und ansässige Fremde gemeinsam trainierten, Sklaven aber wiederum ausgeschlossen waren.411 Eine weitere gemeinsame Aktivität, die ansässige Fremde und Bürger zueinander brachte, war das Glücksspiel: Der Sklave Pittakalos bspw. baute sich vor allem durch seine Glücksspielbekanntschaften ein umfangreiches Repertoire aus vielen einflussreichen und gutbetuchten Bekannten auf.412 Nicht zuletzt war die gesamte Nachbarschaft ein Ort, an dem sich ansässige Fremde untereinander und mit Bürgern trafen: Da ansässige Fremde nicht auf bestimmte Wohnareale beschränkt waren, lebten Bürger und Nichtbürger Tür an Tür.413

404 Zur Frage, ob ansässige Fremde in einer Deme nur registriert waren oder ob sie auch dieser Deme zugehörten, s. Kap. III.4.4. 405 In seiner Rede gegen Eratosthenes beschreibt Lysias, wie er in der Hoffnung auf eine Fluchtgelegenheit einen seiner Verfolger mit Geld zu bestechen versuchte (Lys. 12, 8–9); ähnlich auch schon Patterson 2000, S. 99. 406 Zu den free spaces in Athen vgl. Vlassopoulos 2007, S. 38–47, sowie Matuszewski 2019, S. 48. Zum Konzept der free spaces allgemein vgl. Polletta/Kretschmer 2013 passim. 407 Demosth. 25, 51; vgl. Millett 1998, S. 215; Deene 2014, S. 159; Matuszewski 2019, S. 48. 408 So ergibt sich aus Demosthenes’ Rede gegen Eubulides, dass auch Bürger Verkaufsstände auf der Agora betrieben: Dort wird nämlich ein Gesetz zitiert, demzufolge derjenige, der einem anderen seine Verkaufstätigkeit auf der Agora zum Vorwurf macht, der üblen Nachrede angeklagt werden kann; Demosth. 57, 30. 409 Vgl. von Reden 1995, S. 33f. 410 Vgl. Burford 1972, S. 82. 411 Aeschin. 1, 138. Dass ansässige Fremde im Gymnasion trainieren konnten, ergibt sich z. B. aus Plat. Euthyd. 271 a–c; vgl. Deene 2014, S. 160; Fisher 2010, S. 343; Taylor 2015, S. 36. 412 Aeschin. 1, 57, zum Leben des Pittalakos: Aeschin. 1, 54–66. 413 So etwa in IG II2 1590, wo ein ansässiger Fremder wohl ein Haus neben dem eines Bürgers belegt hat, vgl. Deene 2014, S. 160; Cohen 2000, S. 120; Burford 1972, S. 82; Gray 2011, S. 50.

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Extrinsische Merkmale

Die Forschung hat vor allem im geschäftlichen Kontext viele Gelegenheiten zum Aufbau sozialer Netzwerke und zum Knüpfen von Kontakten etwa zwischen ansässigen Fremden und Bürgern, d. h. also außerhalb der eigenen Statusgruppe, hervorgehoben.414 Dabei bietet sich besonders das Bankgeschäft als Beispiel an: Weil die Bank in vielen Fällen auch das Wohnhaus ihres Inhabers war, entwickelten sich insbesondere in dieser Branche fast schon oíkos-artige Strukturen.415 Das Personal der Bank stand in den meisten Fällen in direktem Kontakt mit dem Kunden, was wiederum den Angestellten, unter denen sich auch viele Sklaven befunden haben müssen, Gelegenheiten bot, Kontakte zu knüpfen416 und Beziehungen entsprechend der großen Vielfalt der Kunden417 auch über die Grenzen der eigenen Statusgruppe hinaus aufzubauen. Geschäfte wie Banken waren aber nicht zuletzt auch ein Ort, an dem sich Personen – Bürger und Nichtbürger – trafen, um sich auszutauschen: So erwähnt der Sprecher einer Lysias zugeschriebenen Rede, dass er sich wegen einer vermutlich unrechtmäßigen Einberufung zum Wehrdienst ratsuchend in die Bank des Philios begab: Dort erfuhr er von einem der Anwesenden, dass man wohl bereits plante, ihn ins Gefängnis zu werfen.418 Dabei waren sicherlich nicht nur Banken Orte des Austauschs, sondern Geschäfte, wie Barbierläden, Schuhmachereien oder Wirtshäuser, allgemein.419 Eine wichtige Plattform, um Kontakte zu knüpfen und ein soziales Netzwerk aufzubauen, stellten für die ansässigen Fremden auch die privaten Kultvereine und ähnliche Gruppierungen, wie Berufsvereine, dar. Hier schlossen sich ansässige Fremde gleicher und unterschiedlicher Herkunft sowohl exklusiv untereinander als auch mit den Bürgern zusammen.420 Dabei ging es zwar ursprünglich um die gemeinsame Ausübung eines Kultes für einen Gott oder einen Heroen.421 Schnell entwickelten sich diese Gruppen aber auch zu auf Geselligkeit angelegten Verbindungen, in denen Personen verschiedener Statusgruppen miteinander verkehrten.422 Im Hinblick auf die Wahrnehmung ihres eigenen Platzes in der Gesellschaft waren insbesondere die orgeṓnes für die ansässigen Fremden von Bedeutung: Sie boten ihnen nicht nur eine Form kollektiver Zugehörigkeit und Anschlussmöglichkeiten, sondern in gewisser Weise auch

414 Vgl. z. B. Deene 2014, S. 162; Kears 2013, S. 98; Trevett 1992, S. 159; Cohen 2000, S. 108. 415 Vgl. Leiwo/Remes 1999, S. 161; ähnlich auch Shipton 1997, S. 414; Cohen 1992, S. 67f. 416 So etwa in Demosth. 49, 64; vgl. Shipton 1997, S. 412; Cohen 1992, S. 72; zu Banken als Orte des Austauschs vgl. Matuszewski 2019, S. 84–86. 417 Dazu Kap. II.3.1; vgl. auch Matuszewski 2019, S. 85. 418 Lys. 9, 5; vgl. Shipton 1997, S. 409 und Matuszewski 2019, S. 85. 419 Vgl. Matuszewski 2019, S. 27–92. 420 Vgl. u. a. Erdtmann 2013, S. 69f; Arnatouglou 1994, S. 12; Jones 1999, S. 249f. Zu den Zusammenschlüssen, in denen ausschließlich Nichtbürger Mitglieder waren, vgl. weiter unten (III.3.1.4) in diesem Kapitel. 421 Zu den privaten Kultvereinen in Athen s. u. a. Jones 1999, S. 221–287. 422 Vgl. Erdtmann 2013, S. 70; Finley 1951, S. 89.

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eine soziale Identität.423 Dabei spielte es sicherlich eine Rolle, dass ihre Organisation in vielen Fällen die Strukturen der Polis nachahmte: So gab es eine Fülle von Beamtenpositionen mit verschiedensten Verantwortungsbereichen, die regelmäßig gewählt wurden424 und die von bürgerlichen und nichtbürgerlichen Mitgliedern gleichermaßen besetzt werden konnten.425 Somit wurden die Kultvereine auch zu einem Ort des sozialen Wettbewerbs über Statusgrenzen hinaus.426 Ähnlich verhielt es sich mit anderen, nicht-kultischen Gruppierungen: So wurden ansässige Fremde regelmäßig in hetairíai aufgenommen.427 Im Rahmen dieser exklusiven Zusammenschlüsse, die sich oft auf einen nur sehr kleinen Kreis von Mitgliedern beschränkten,428 traf sich die Elite regelmäßig zu Symposien in den privaten Räumen eines Mitglieds.429 Ein fehlendes Bürgerrecht scheint dabei kein Ausschlusskriterium gewesen zu sein – vielmehr schienen sich die hetairíai wohl nach anderen Kriterien, wie dem Alter, zusammenzufinden430 und vor allem wirtschaftlichen Zugangskriterien zu folgen,431 sodass auch diese Gruppierungen erheblich zum Knüpfen von Kontakten zwischen Bürgern und ansässigen Fremden beigetragen haben dürften.432 Eines der bekanntesten Beispiele für ein solches statusüberschreitendes (allerdings zugegeben informelles) Symposium dürfte Platons Politeía darstellen.433 Dabei boten Symposien freilich nicht nur die Gelegenheit, an irgendeiner Kommunikation teilzunehmen, sondern wirkten vor allem auch im Rahmen des Gelehrtenaustauschs integrativ434 – nicht zuletzt auch, weil zahlreiche Philosophen in Athen kein Bürgerrecht hielten.435 Die Teilnahme an religiösen und kultischen Handlungen förderte aber nicht nur im Rahmen privater Kultvereine die Begegnung zwischen ansässigen Fremden und Bürgern, sondern auch im öffentlichen Bereich. Hier waren sie gemeinsam an Demenritualen beteiligt und übernahmen verschiedene Rollen in der Prozession, z. B. bei den

423 Vgl. Erdtmann 2013, S. 71; Fisher 2010, S. 344; Jones 1999, S. 249; Cohen 2000, S. 72; Cohen 1997, S. 81; Taylor 2015, S. 44f. 424 Vgl. Erdtmann 2013, S. 74. 425 Dies belegt etwa IG II2 1263, Z. 5–6, dort wird unter anderem die Position des Schatzmeisters von einem Fremden bekleidet. 426 Vgl. Deene 2013, S. 81. 427 Vgl. Cohen 2000, S. 20; Lanni 2006, S. 19. 428 Vgl. Jones 1999, S. 224. 429 Vgl. ebd., S. 224f. 430 Dies legt zumindest Herodots Episode über den Olympioniken Kylon nahe (Hdt. 5, 71, 1), der seine Anhängerschaft allein aus Gleichaltrigen rekrutierte, vgl. Jones 1999, S. 225. 431 Vgl. Mann 2008, S. 3; Lanni 2006, S. 19; Cohen 2000, S. 20. 432 So auch schon Mann 2008, S. 3; Arnatouglou 1994, S. 12; Finley 1973, S. 48. 433 Platons als Politeía bekannter Dialog zwischen dem ansässigen Fremden Kephalos und dem Bürger Sokrates findet sogar im Hause des ansässigen Fremden Polemarchos statt, vgl. Cohen 2000, S. 21; Pečírka 1976, S. 28. 434 Vgl. Ostwald 2007, S. 365. 435 Vgl. Leiwo/Remes 1999, S. 161. Dazu auch Kap. III.2.3.5.

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Extrinsische Merkmale

Panathenäen.436 Da ansässige Fremde von höheren religiösen Ämtern ausgeschlossen waren, konnten sie nicht gemeinsam mit den Bürgern um ebendiese wetteifern.437 Jedoch konnte die Teilnahme an der Prozession durchaus kompetitive Impulse geben, genauso wie das Erbringen kultischer Leiturgien438 und die Stellung des einzelnen ansässigen Fremden und der Gruppe insgesamt innerhalb der Gesellschaft verdeutlichen.439 Ein Ort, an dem die Grenze zwischen Bürgern und Nichtbürgern ebensowenig durchgesetzt wurde, ist schließlich der Friedhof. Der archäologische Befund zeigt, dass es keine separaten Grabareale für Bürger und Nichtbürger gegeben hat, sondern dass beide nebeneinander bestattet wurden.440 Mehr noch waren die Gräber von ansässigen Fremden und Bürgern wohl sogar optisch voneinander kaum zu unterscheiden: So wurden ihre Gräber gleichermaßen pompös ausgestattet, freilich nur, soweit es die finanziellen Möglichkeiten des Sponsors zuließen.441 III.3.1.2 Heiratsverbindungen Eine ganz spezielle Möglichkeit ein (nicht nur) soziales Netzwerk auszubauen, liegt in der taktischen Verheiratung von Familienmitgliedern.442 Eine ausgeklügelte Heiratspolitik zur Stärkung oder zur Herstellung von Bündnissen war auch den antiken Griechen nicht fremd443 und beschränkte sich wohl nicht nur auf die Gruppe der Bürger: So wurde in der Forschung das wohl mit dem neuen Bürgerrechtsgesetz des Perikles 451/50 in engem Kontext stehende Heiratsverbot zwischen Bürgern und Nichtbürgern vor allem mit einer steigenden Anzahl von Mischehen erklärt.444 Ein Teil der Forschung hat berechtigt darauf hingewiesen, dass das Bürgerrechtsgesetz des Perikles, zumindest in der überlieferten Fassung, die Ehe zwischen Bürgern und Nichtbürgern nicht verbietet, sondern lediglich unattraktiv macht: Da unter diesem Gesetz nur noch Kinder zweier Athener das Bürgerrecht beanspruchen durften, konnten aus gemischten Ehen keine bürgerlichen Nachkommen hervorgehen.445 Diese Feststellung ist richtig, jedoch

436 437 438 439 440 441 442

Vgl. dazu Kap. III.5.2. Demosth. 57, 48; vgl. auch Kamen 2013, S. 51. Vgl. Deene 2013, S. 74; Whitehead 1977, S. 70; dazu auch Kap. III.2.1.3. Vgl. Maurizio 1998, S. 308 sowie S. 311–313; Coşkun 2014, S. 104; Deene 2014, S. 161f. Vgl. Gray 2011, S. 49; Deene 2014, S. 161; Patterson 2006, S. 49. Vgl. Bäbler 1998, S. 57–59; Blok 2007, S. 324f; Knigge 1991, S. 121f; Gray 2011, S. 49f. Die Ehe zwischen Nichtathenern und Athenerinnen, bzw. Athenern und Nichtathenerinnen, wurde mit Blick auf die Bedeutung für die Differenzierung der ansässigen Fremden nach ihrem Geschlecht bereits in einem der vorangegangenen Kapitel diskutiert, vgl. Kap. II.4.4. 443 Vgl. bspw. Connor 1994, S. 36. 444 Vgl. z. B. Patterson 1981, S. 40–81; Hansen 1982, S. 183f; Bakewell 2008, S. 106f; Rhodes 1981 [1993], S. 334; dagegen z. B. Vérilhac/Vial 1998, S. 40–81; vgl. Blok 2007, S. 310f mit n 3 zu einem kurzen Abriss über diesen Forschungsstreit. 445 Vgl. Walters 1983, S. 321; Todd 1993, S. 178.

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ergibt sich daraus nicht zwangsläufig, dass Ehen zwischen Bürgern und Nichtbürgern im gesamten 4. Jahrhundert legal gewesen sind.446 Es ist nicht nur denkbar, dass ein zusätzliches Gesetz später im Kontext des Bürgerrechtsgesetzes als Addendum oder sogar unabhängig davon verabschiedet wurde,447 sondern sogar wahrscheinlich: Eben solch ein Gesetz ist nämlich in Demosthenes’ Rede gegen Neaira vielleicht sogar im Wortlaut überliefert.448 Auch in der Frage, wie streng dieses Heiratsverbot tatsächlich durchgesetzt wurde, ist die Forschung gespalten. Grundsätzlich geht aus den Quellen klar hervor, dass das Eingehen einer Mischehe für die Beteiligten in jeglicher Konstellation mit einer Strafe belegt werden konnte,449 wenngleich diese je nach Statusgruppe unterschiedlich ausfiel.450 Ein Teil der Forschung geht davon aus, dass dieses Heiratsverbot sehr rigoros durchgesetzt wurde:451 So war auf die Anzeige einer illegitimen Ehe eine Belohnung ausgesetzt,452 was zumindest indiziert, dass die Polis ein nennenswertes Interesse an der Denunziation hatte. Ein anderer Teil der Forschung geht derweil von einer sehr liberalen Auslegung des Gesetzes aus. So hat Peter Rhodes darauf hingewiesen, dass die Ehe zwar verboten gewesen sein mag, aber das Zusammenleben nicht.453 Dabei ist zu bedenken, dass die Eheschließung in Athen ein recht informeller Akt gewesen ist,454 mit der Folge, dass eine Eheschließung zwischen Athenern bzw. Athenerinnen und Nichtathenern bzw. Nichtathenerinnen wohl unrechtmäßig war, aber in der Regel ohne Konsequenzen blieb.455 Erst wenn einer der Beteiligten versuchte, aus dieser Verbindung Rechte abzuleiten, etwa auf eine Erbschaft oder im Hinblick auf den Status der Nachkommen, würde die Frage nach der Legitimität der Ehe überhaupt erst gestellt werden.456 Hinzu tritt auch, dass die Athener die familiären Angelegenheiten der Demenmitglieder, wie etwa Geburten, Tod oder eben Eheschließungen, nicht dokumentierten,457 sodass der Nachweis darüber, dass ein Paar mit heterogenem Bürgerstatus eine illegale Verbindung eingegangen war, überhaupt sehr schwer zu erbringen war – zumindest so lange es, wie gesagt, keine Rechte aus dieser Verbindung abzuleiten versuchte.458

446 447 448 449 450 451 452 453 454 455 456 457 458

So behauptet von Walters 1983, S. 321. So auch schon Scafuro 1994, S. 156, ähnlich auch Kamen 2013, S. 59. Demosth. 59, 16. Demosth. 59, 16. Dazu Kap. II.4.3. So etwa Weiler 1989, S. 58; Scafuro 1994 passim. Vgl. Erdtmann 2013, S. 64. Vgl. Rhodes 1978, S. 91, ähnlich auch Kapparis 2005, S. 111; Kears 2013, S. 74. Ähnlich Kears 2013, S. 75. Vgl. ebd. Ähnlich auch schon Carey 1991, S. 88. Vgl. Hamel 2013, S. 54. Daraus hat die Forschung gelegentlich gefolgert, dass Fremde auf diese Weise relativ einfach das Bürgerrecht für sich beanspruchen konnten; vgl. Scafuro 1994, S. 158.

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Nicht umsonst versucht Apollodor in seiner Klage gegen Neaira die Existenz ihrer vermeintlich unrechtmäßigen Ehe anhand ihres Verhaltens zu belegen und nicht auf Basis eines Dokuments.459 Im Angesicht dieser Überlegungen sind informelle eheliche Verbindungen, also mehr oder weniger das Zusammenleben in ‚wilder Ehe‘, zwischen ansässigen Fremden und Athenern bzw. Athenerinnen wohl möglich gewesen, weil sie kaum nachweisbar waren. Was die gesellschaftliche Einbindung der ansässigen Fremden anbelangt, ergibt sich daraus, dass sich ansässige Fremde damit also (zumindest informell) einem athenischen oíkos, also einer (wenn auch sehr kleinen) sozialen Einheit der Polis, anschließen konnten. Dieser strukturelle Anschluss dürfte dabei nicht nur ihr soziales Netzwerk gefestigt haben, sondern durchaus Einfluss auf ihre eigene Wahrnehmung ihres Platzes in der Gesellschaft, wie auch auf die Fremdwahrnehmung desselben, gehabt haben. III.3.1.3 Bedeutung des sozialen Netzwerks Die Quellen belegen zahlreiche Kooperationen zwischen ansässigen Fremden und Bürgern in Athen, was nicht zuletzt darauf schließen lässt, dass erstere ein weit gesponnenes Netz sozialer Kontakte durchaus zu schätzen und zu nutzen wussten. Das geht aus den vielen Belegen von Ehrungen für ansässige Fremde hervor, die auf die Initiative von einzelnen Bürgern hin verliehen worden sind.460 Dabei bedurfte es wohl allgemein der Vermittlung eines Bürgers, um als ansässiger Fremder ein Anliegen in die Volksversammlung zu tragen.461 Aber auch Sklaven bemühten ihr soziales Netzwerk, etwa um eine Freilassung zu ermöglichen, wie der an anderer Stelle ausführlich behandelte Fall der Neaira deutlich zeigt.462 In ihrer Branche wie auch im Bankwesen ist der Übergang zwischen persönlichen Kontakten und geschäftlichen Verbindungen besonders fließend:463 So ist im mittlerweile ganz gut untersuchten Netzwerk Pasions stellenweise überhaupt nicht zwischen geschäftlichen und privaten Kontakten zu unterscheiden.464 Dieser Umstand konnte einen Vorteil für die Betreffenden bringen, da Geschäftskontakte auch für einen privaten Gefallen bemüht werden konnten, z. B. in Form des Vorschlagens der jeweiligen Person für eine Privilegierung oder eine Ehrung.

459 So auch schon Bakewell 2008, S. 101. 460 So taucht etwa ein gewisser Phrasikleides, Sohn des Myrrhinousios, mehrfach als Initiator der Verleihung von Ehrungen an ansässige Fremde auf: IG II2 242; IG II2 243 und IG II2 373; vgl. Walbank 1991, S. 201. Ähnlich auch Timotheus, der den Ruf hatte, ein Fürsprecher von Fremden zu sein: IG II2 110; Demosth. 20, 84 sowie Demosth. 23, 202 und Demosth. 50, 42; Dazu auch Zelnick-Abramovitz 1998, S. 560f. 461 Vgl. Zelnick-Abramovitz 1998, S. 557–561, dazu Kap III.4.1, S. 282ff. 462 Dazu S. 128. 463 Vgl. Cohen 1992, S. 72; dazu weiter oben in diesem Kapitel. 464 Vgl. Trevett 1992, S. 159.

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Umgekehrt funktionierte dieses Vorgehen auch in die andere Richtung, indem private Kontakte für geschäftliche Vorhaben genutzt wurden. Vor allem ist hier an die an anderer Stelle bereits besprochenen Mittelsmänner zu denken, die formal den Besitz von Grundeigentum übernahmen.465 Auch zum Aufbau eines Kundenstammes dürfte ein umfassendes soziales Netzwerk durchaus nützlich gewesen sein. Das gilt nicht nur für Bereiche, in denen der Geschäftserfolg aufgrund der engen Verbindung zwischen Anbieter und Kunde maßgeblich vom Ruf des Eigentümers abhing, wie etwa im Bankgeschäft,466 sondern für jegliche Wirtschaftszweige.467 So dürften breite persönliche Kontakte auch Händlern zugutegekommen sein, um sich auf der Agora zu etablieren.468 Gleichzeitig konnten Freunde im Bürgertum den ansässigen Fremden als Vermittler von Kontakten zu anderen dienen und sich so als große Hilfe bei der Etablierung eines sozialen Netzwerkes erweisen. Ansässige Fremde fungierten wiederum in die andere Richtung als Brückenbauer, um in einer von Marloes Deene vorgeschlagenen Metapher zu bleiben, denn auch sie konnten Personen aus ihrer Peergroup Kontakte in die Bürgerschaft vermitteln.469 Solcherlei Aktivität machte sie innerhalb der Gruppe wahrscheinlich nicht nur zu einem beliebten Anlaufpunkt, sondern mehrte wohl auch ihr soziales Ansehen erheblich.470 In diesem Sinne können soziale Kontakte auch einen Einfluss auf die soziale Mobilität der ansässigen Fremden gehabt haben.471 Eben weil ansässige Fremde in den meisten Fällen nicht auf ausgedehnte familiäre Verbindungen zurückgreifen konnten, waren Kontakte zu Bürgern für sie vor allem im gerichtlichen Kontext essenziell. Gerade hier war der Fremde nämlich aufgrund seiner fehlenden oder zumindest nur rudimentären strukturellen Einbettung in die Gesellschaft besonders angreifbar.472 Zwar fußt die Theorie, dass ein ansässiger Fremder ohne bürgerlichen Leumundszeugen vor Gericht schon so gut wie verloren hatte, bevor er nur das Wort ergreifen konnte, auf der falschen Annahme, dass ansässige Fremde nicht als Zeugen auftreten konnten,473 aber nichtsdestotrotz ist ein bürgerlicher Zeuge von unschätzbarem Wert für ansässige Fremde gewesen.474 Noch wertvol-

465 Vgl. Kap. III.2.3.2, ähnlich auch: Leiwo/Remes 1999, S. 161. 466 Die Bedeutung des sozialen Netzwerks für ein erfolgreiches Bankgeschäft ist in der Forschung vielfach betont worden, vgl. z. B. Cohen 1992, S. 65; Millett 1991, S. 208f; Shipton 1997, S. 410–412. 467 Vgl. Deene 2014, S. 166; Kears 2013, S. 98. 468 So wie im Fall des Athenogenes, der in der dritten Rede des Hypreides (z. B. Hyp. 3, 7–9) als durchaus gut vernetzter und nicht zuletzt auch deshalb sehr erfolgreicher Händler dargestellt wird; vgl. Kears 2013, S. 98. 469 Vgl. Deene 2014, S. 169f. 470 Vgl. ebd., S. 170. 471 Ähnlich auch schon Deene 2014, S. 169 sowie Erdtmann 2013, S. 57. 472 Vgl. Patterson 2000, S. 94 sowie S. 101. Zur Rechtsfähigkeit von ansässigen Fremden und ihrer Identität im juristischen Sinne, s. Kap. III.6. 473 Vgl. dazu Kap. III.6.1.3. 474 Vgl. Patterson 2000, S. 111; ähnlich auch Millett 1991, S. 209; Deene 2014, S. 165; Zelnick-Abramovitz 2005a, S. 72. So wird etwa in Demosth. 49, 37 betont, dass Timotheus’ Netzwerk von Freunden aus

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ler war es freilich, den Richter oder die Jurymitglieder selbst zu kennen – auch hier erhöhten viele und gute Kontakte die Chance der ansässigen Fremden, einen Prozess erfolgreich zu führen.475 III.3.1.4 Verbindungen unter den Nichtbürgern Der Fokus der vorhergehenden Ausführungen lag vor allem auf Kontakten zwischen ansässigen Fremden und Bürgern, aber natürlich konnten ansässige Fremde auch untereinander Kontakte knüpfen und ein soziales Netzwerk aufbauen. Die Quellen erlauben den wohl wenig überraschenden Schluss, dass insbesondere Netzwerke einer Gruppe gleicher Herkunft sehr eng gewoben waren und die Gruppe der in Athen lebenden Plataier liefert hierzu ein wichtiges Zeugnis. Ihre enge Vernetzung geht aus einer Rede des Lysias hervor, in der u. a. die Identität des Angeklagten Pankleon zur Debatte steht.476 Dass der Sprecher allein durch eine Befragung der Mitglieder der Gemeinschaft herausfinden kann, wer Pankleon wirklich ist und diese Aussagen sogar so glaubhaft sind, dass sie als Beweismittel vor Gericht taugen, zeigt dabei nicht nur, wie eng die Plataier untereinander vernetzt sind, sondern auch, dass diese nichtbürgerlichen Netzwerke den Athenern bisweilen zugutekamen. Die regelmäßigen Treffen der Gemeinschaft und ein sogar Nichtplataiern bekannter Ältester deuten zudem auf mehr oder minder gefestigte Organisationsstrukturen hin, die sich innerhalb der Gruppe herausgebildet haben.477 Auch Neuankömmlinge wurden wahrscheinlich regelmäßig in diese Gruppen eingebunden und fanden hier einen guten Ausgangspunkt zur Etablierung eines Bekanntenkreises in Athen. Einschränkend ist sicherlich zu bedenken, dass unter den Plataiern im Vergleich zu anderen Gruppen ansässiger Fremder in Athen vielleicht ein besonders enger Zusammenhalt geherrscht haben mag: Die gemeinsame Flucht, die sie nach der Zerstövielen hochrangigen Athenern bestand. Die Bedeutung von einflussreichen Leumundszeugen vor Gericht geht z. B. aus Plut. Mor. 841e hervor. 475 Vgl. ähnlich Scafuro 1994, S. 157. Dabei ist zu bedenken, dass die Gerichtsverfahren für (oder gegen) ansässige Fremde wohl ohnehin mit hoher Wahrscheinlichkeit außerhalb ihres Bekanntenkreises geführt wurden, da sie vom árchōn polémarchos an verschiedene Demen im Losverfahren vergeben und nicht, wie bei Bürgern, immer in der Deme geführt wurden, in der der Kläger oder Angeklagte gemeldet war; dazu: Kap. III.6.1.1 und III.6.1.2. 476 Pankleon behauptet, als Plataier in Athen zu leben, und versucht sich daher einer Verhandlung vor dem árchōn polémarchos zu entziehen. Um ihn der Lüge zu überführen, begibt sich der Sprecher auf eine Odyssee durch die Gemeinschaft der in Athen lebenden Plataier: Zunächst wendet er sich an den ältesten Plataier (Lys. 23, 5), der ihn weiter zum Käsemarkt schickt, wo sich die Plataier immer am letzten Tag eines Monats trafen (Lys. 23, 6). Dort bekommt er den entscheidenden Tipp, der den Beklagten schließlich zu überführen hilft (Lys. 23, 7): Ein Plataier namens Pankleon sei dort niemandem bekannt gewesen, berichtet der Sprecher, wohl aber ein Sklave, der so hieß. Als Beweismittel führt er dem Gericht schließlich eine Reihe von Plataiern als Zeugen vor (Lys. 23, 8). 477 Ähnlich Kears 2013, S. 96; Patterson 2000, S. 101.

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rung ihrer Stadt nach Athen geführt hatte, dürfte die enge Verflechtung der Gruppe deutlich begünstigt haben. Jedoch ist es plausibel anzunehmen, dass sich auch andere Herkunftsgruppen innerhalb Athens, deren Mitglieder nicht gemeinsam gekommen waren, vernetzten.478 Davon zeugen etwa die Verleihungen von Privilegien an Herkunftsgruppen zur Verwirklichung eines gemeinschaftlichen Vorhabens, wie etwa die Vergabe der énktēsis für den Bau eines Tempels,479 die sicherlich nicht zuletzt auch auf ein von dieser Gruppe gemeinschaftlich ausgehendes Engagement zurückgehen.480 Damit zusammenhängend ist auch eine andere Plattform für das Knüpfen von Kontakten innerhalb der Gruppe der ansässigen Fremden zu nennen, nämlich die Kultvereine, die der gemeinsamen Verehrung einer nichtathenischen und in vielen Fällen sogar nichtgriechischen Gottheit dienten.481 Zu denken ist hier an den Gott Asklepios, dessen Kult wohl von Einwanderern aus Epidauros nach Athen gebracht wurde, sowie an den ägyptischen Kult der Isis und an den phrygischen Kult der Kybele.482 Der bekannteste von Einwanderern nach Athen getragene Kult ist aber wohl der für die thrakische Jagdgöttin Bendis, der sich über die Zeit sogar zu einem von Bürgern und Fremden gemeinsam praktizierten Kult entwickelte.483 Die Ausrichtung und Durchführung ihrer heimatlichen Kulte boten ansässigen und sicherlich auch nichtansässigen Fremden eine wichtige Gelegenheit, sich untereinander – wohl besonders innerhalb ihrer Herkunftsgruppe – auszutauschen.484 III.3.2 Vorbehalte gegenüber ansässigen Fremden In der Forschung hält sich die Meinung hartnäckig, dass die Athener gegenüber den ansässigen Fremden deutliche Vorbehalte hegten485 und dies schon fast zu einer sozialen Inferiorisierung geführt habe. Darauf deutet Apollodors sehr umfassende Bemühung hin, sich vom Stand der ansässigen Fremden abzugrenzen. Nicht zuletzt aufgrund seines familiären Hintergrundes als Sohn des freigelassenen und später ein-

478 So bildeten sich wohl auch in der Gemeinschaft der in Athen lebenden Phönizier Organisationsstrukturen aus, vgl. Ginestí Rosell 2012, S. 106f. 479 So etwa die Verleihung der énktēsis an die Ägypter (IG II2 337, Z. 43–45) sowie an eine Gruppe Kitier (IG II2 337, Z. 33–38), jeweils zum Bau von Heiligtümern. Auch die Vergabe von Handelsprivilegien an die Sidonier (IG II2 141) deutet auf eine enge Vernetzung dieser Herkunftsgruppe in Athen, vgl. Ginestí Rosell 2012, S. 107. 480 IG II2 373, Z. 34; vgl. ähnlich auch Ginestí Rosell 2012, S. 105. 481 Vgl. Lambert 2010, S. 163. 482 Dazu Kap. III.5.3. 483 So beginnt Platons Politeía damit, dass Sokrates und Polemarchos sich bei den Bendideia, dem Fest für die Göttin Bendis, begegnen: Plat. Pol. 1. 484 Vgl. Ginestí Rosell 2012, S. 105f. 485 Vgl. bspw. Garland 2014, S. 163.

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gebürgerten Pasion, dürfte er sich dazu genötigt gesehen haben.486 Dies zeigt sich an dem Eifer, mit dem er bürgerliche Pflichten erfüllt487 und bürgerliche Vorrechte beansprucht,488 aber auch darin, dass er den Kontakt zu ansässigen Fremden grundsätzlich meidet:489 So zieht er nach dem Tod seines Vaters aufs Land490 und scheint allgemein darauf bedacht, sich mit einflussreichen Bürgern zu umgeben, wobei er wohl vor allem auf das Netzwerk seines Vaters zurückgreift.491 Dieses von Deene sehr treffend als Versuch „athenischer als die Athener zu sein“492 beschriebene Verhalten begründet sich wahrscheinlich nicht nur darin, dass ein Neubürger das Bürgerrecht auch ausüben musste, um sich als Bürger zu etablieren. Vielmehr vermutet Deene dahinter auch den Versuch, sich von den negativen Vorurteilen, die einem ansässigen Fremden anhafteten, zu befreien.493 Ähnliche Bemerkungen in den Quellen vertiefen den Eindruck, dass sich Fremde einigen Vorbehalten der Athener ausgesetzt sahen:494 So bemerkt Danaos, dass über Fremde schnell schlecht gesprochen wird,495 in einer Rede des Demosthenes werden ansässige Fremde als Menschen ohne Stand bezeichnet,496 und Sokrates lässt sich umfangreich über ansässige Fremde aus, während er sich selbst noch im Hause eines solchen befindet.497 Eine der berühmtesten Stellen, die häufig zur Illustration der Stellung ansässiger Fremder am Rande der Gesellschaft herangezogen wird, entstammt einem Werk des Aristophanes, in der er die Fremden als den unwichtigen Part der athenischen Gesellschaft hervorhebt.498

486 Zu Pasions Einbürgerung und der seiner Söhne s. Kap. II.4.4. 487 Apollodor übernimmt zahlreiche Leiturgien und eisphoraí: So fungiert er mehrfach als Syntrierarch (IG II2 1609, Z. 83–89; IG II2 1612, Z. 110) und als Trierarch (Demosth. 53, 3), als chorēgós (IG II2 3039) und leistete eine proeisphorá (Demosth. 50, 8–10), vgl. dazu Deene 2011, S. 171f. 488 So heiratet Apollodor eine Athenerin (Demosth. 45, 55 sowie Demosth. 59, 2) und übt auch in betonter Regelmäßigkeit sein Recht auf Hervorbringen von Klagen aus, vgl. Deene 2011, S. 169. 489 Vgl. Deene 2011, S. 173f. 490 Demosth. 53, 4. 491 Die Quellen belegen, dass Pasion intensive Kontakte zu einflussreichen Athenern pflegte. So gehörten die Politiker Agyrrhius (Isokr. 17, 31), Kallistratos (Demosth. 49, 47) und Timotheus (Demosth. 49 passim) zu seinem Bekanntenkreis, vgl. Deene 2011, S. 169f. 492 Vgl. Deene 2011, S. 174; ähnlich auch Fisher 2010, S. 342; Trevett 1992, S. 178 mit n 4. 493 Vgl. Deene 2011, S. 174. 494 Vgl. Mitchell 2006, S. 215; Patzek 1995, S. 36; Nemeth 2001, S. 332; Patterson 2000, S. 111. 495 Aischyl. Hik. 993–995. 496 Demosth. 52, 9. 497 Plat. Rep. 562e–563a; vgl. Nemeth 2001, S. 331f. 498 Aristoph. Ach. 507–508: ἀλλ᾽ἐσμὲν αὐτοὶ νῦν γε περιεπτισμένοι. οὺς γὰρ μετοίκους ἄχυρα τῶν ἀστῶν λέγω. (Ganz unter uns sind wir nun, rein enthülstes Korn; Denn die Beisassen nenne ich der Städte Spreu. Text u. Übers. Rau).

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III.3.2.1 Die sozialen Folgen einer nichtlandwirtschaftlichen Tätigkeit Eine Begründung für die (vermeintliche) gesellschaftliche Randstellung der ansässigen Fremden in Athen sieht eine Vielzahl von Forschungsbeiträgen darin, dass ansässige Fremde vorwiegend in Handwerk und Handel und nicht in den viel angeseheneren landwirtschaftlichen Berufen tätig waren. So weist Alison Burford darauf hin, dass Landlose von den Griechen seit jeher nicht ernstgenommen wurden:499 Handwerkern wurde in frühester Zeit das Bürgerrecht vielerorts verwehrt, und selbst als sich eine Unterscheidung zwischen Landbesitzern und Nichtlandbesitzern nicht mehr in der Rechtsprechung niederschlug, bestanden die Vorurteile weiter.500 Das Problem in dieser von Burford hervorgebrachten Interpretation ist derweil, dass das Merkmal des fehlenden Rechts auf Landbesitz und das Merkmal der nichtlandwirtschaftlichen Tätigkeit von ihr als eine Sache betrachtet und bewertet werden. Allerdings handelt es sich dabei doch um zwei unterschiedliche Merkmale: Es ist zwar richtig, dass das fehlende Recht auf Landbesitz die Betroffenen oft zu einer handwerklichen Tätigkeit zwang,501 ob das Ansehen einer Person durch deren fehlenden Landbesitz oder deren Beruf beschädigt wird, scheint jedoch eine andere Frage zu sein. In der Tat weisen die Quellen nämlich darauf hin, dass die Ausübung eines Handwerks das Ansehen eines ansässigen Fremden in Athen keineswegs beschädigte: Ganz im Gegenteil sahen die Athener der Beitrag fremder Handwerker, wie Jörg Erdtmann formuliert, als eine, wenn auch entberhliche, kulturelle Bereicherung.502 Dabei hat der Umstand, dass Landbesitz im klassischen Athen keine Voraussetzung für das Bürgerrecht darstellte, ebenfalls einen positiven Effekt auf das Ansehen derjenigen gehabt, die keine landwirtschaftlichen Berufe ausübten.503 Hinzu trat auch, dass nichtlandwirtschaftliche Tätigkeiten nicht allein in den Händen Fremder lagen, sondern auch von Bürgern praktiziert wurden, was wohl insgesamt das Ansehen des nichtlandwirtschaftlichen Sektors gehoben haben dürfte.504 Dass Handwerker nicht per se in geringem Ansehen standen, zeigen nicht zuletzt auch die Bemühungen der Athener, sie in die Stadt zu locken, und die zahlreichen Verleihungen von Ehrungen an sie505 – auch wenn der beste Ort für fremde Handwerker wohl nicht Athen, sondern Korinth gewesen zu sein

499 500 501 502 503 504 505

Vgl. Burford 1972, S. 29–31. Vgl. ebd., S. 29. Vgl. dazu Kap. II.2.1. Vgl. Erdtmann 2013, S. 65; ähnlich Reed 2013, S. 4. Vgl. Vlassopoulos 2007, S. 50f. Vgl. Deene 2014, S. 163. Als sehr frühes Beispiel ist hier auf Solons Bemühungen zu verweisen, Fremde, die ein Handwerk betrieben, mit der Aussicht auf das Bürgerrecht in die Stadt zu locken (Plut. Sol. 24, 2; dazu Kap. I.3.1), aber auch in späterer Zeit waren fremde Handwerker Zielgruppe der athenischen ‚Einwanderungspolitik‘, dazu Kap. II.2.1.2 sowie Kap. III.7.1 zu den Honoranten von Privilegien.

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scheint.506 Gerade Handwerkern bot sich – das notwendige Talent vorausgesetzt – die Gelegenheit, durch ihren Beruf gesellschaftliches Ansehen zu erwerben: So räumt Burford sogar selbst ein, dass im Falle von gut ausgebildeten und fähigen Handwerkern andere Merkmale in den Hintergrund getreten seien.507 Derselben Argumentation folgend ist auch Vorsicht geboten, Bankiers und ihre Geschäfte508 oder die ansässigen fremden Händler509 am Rand der athenischen Gesellschaft zu verorten: Die Crux war nie ihre Tätigkeit als solche, sondern dass sie nicht vom Landbesitz leben konnten.510 Das wiederum zeigt allenfalls die gesellschaftlichen Folgen der Beschränkung der ansässigen Fremden auf money und ihren Ausschluss von land deutlich, aber nicht eine Stigmatisierung ihres Berufs an sich.511 III.3.2.2 Assoziation mit dem Sklaventum Einige Quellenstellen geben Hinweise darauf, dass eine sklavische Vergangenheit dem Betreffenden noch über seine Freilassung hinaus nachhängt.512 Dabei war der Glaube verbreitet und in dem Denken der antiken Griechen auch tief verankert, dass ein auch nur zeitweiliges Leben in Sklaverei untilgbare Spuren bei der betreffenden Person hinterlässt.513 So wird bei der Beschreibung des längst freigelassenen Agoratos darauf verwiesen, dass er einst ein Sklave war und dies seinen schlechten Charakter erkläre.514 Die aus dieser Einstellung resultierenden sozialen Folgen einer sklavischen Vergangenheit offenbarten sich unter anderem bei Anlässen, die Gelegenheiten boten, die soziale Stellung der ansässigen Fremden innerhalb der Gemeinschaft auszuhandeln und zu affirmieren: So nahmen die Freigelassenen bei den Panathenäen wohl nicht direkt an der Prozession teil.515 Es ist also durchaus davon auszugehen, dass eine sklavische Vergangenheit zu einer gewissen gesellschaftlichen Stigmatisierung geführt hat. Auf der anderen Seite darf aber auch nicht unerwähnt bleiben, dass dies nicht unbedingt das gesellschaftliche Aus einer Person bedeutete. So ist Pasion ein Beispiel für einen

506 So zumindest Herodots Bemerkung zufolge, der nach man die Handwerker in Korinth am wenigsten verachte, Hdt. 2, 167, 2. 507 Vgl. Burford 1972, S. 52; dazu auch Vlassopoulos 2007, S. 50. 508 So etwa Cohen 1992, S. 70f, dagegen Shipton 1997, S. 403. 509 Vgl. McKechnie 1989, S. 178; Reed 2003, S. 76. 510 Ähnlich Adak 2003, S. 235f; Finley 1951, S. 53. 511 Dazu sowie zur Bedeutung des fehlenden Rechts auf immobilen Besitz vgl. Kap. III.2.3. 512 Vgl. Kap. II.3.3. 513 Vgl. Isaac 2006, S. 43, ähnlich auch: Zelnick-Abramovitz 2005a, S. 332. Bereits in Homers Odyssee findet sich dieser Gedanke: Hom. Od. 17, 322–323. 514 Lys. 13, 64, ähnlich auch Demosth. 45, 86 und Lys. 30, 2. 515 Vgl. S. 145.

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Freigelassenen, dessen Bekanntschaften bis weit in die obersten Schichten der athenischen Elite hineinreichten.516 Einige Forschungsbeiträge gehen davon aus, dass sich die Stigmatisierung eines Teils der ansässigen Fremden in Athen auf die gesamte Gruppe übertragen habe.517 Einen Hinweis darauf, dass diese Gefahr tatsächlich bestand, könnte die an anderer Stelle dieser Arbeit umfassend dargestellte sprachliche Differenzierung zwischen apeleútheroi und métoikoi liefern.518 Dahinter könnte sich zumindest die Bemühung verbergen, den schlechten Ruf einer sklavischen Vergangenheit nicht auf die gesamte Gruppe zu beziehen. Zu dieser Deutung würde auch die Vermeidung des Terminus métoikos als Eigenbezeichnung auf den Grabsteinen ansässiger Fremder passen.519 Auch die in der Forschung oft betonten servilen Merkmale, die den ansässigen Fremden auferlegt wurden, entsprechen dieser Interpretation: So versteht Ben Akrigg das metoíkion als ein sklavisches Merkmal,520 und auch die Pflicht zur Benennung eines prostátēs wurde stellenweise so interpretiert.521 Die Assoziation der Gruppe der ansässigen Fremden mit dem Sklaventum wird also in zwei Richtungen geprägt: Einerseits, weil Freigelassene Teil dieser Gruppe waren, und andererseits, weil den ansässigen Fremden ‚sklavische Merkmale‘, nämlich eine Steuer und ein prostátēs, auferlegt wurden. Überraschend ist angesichts dessen allerdings, dass den ansässigen Fremden als Gruppe keine sklavischen Merkmale zugeschrieben werden: Es ist zwar durchaus richtig, dass einige ansässige Fremde sich dem Vorwurf einer servilen Vergangenheit gegenübersahen, jedoch handelte es sich bei ihnen allen auch tatsächlich um ehemalige Sklaven. Derweil gibt es keine Quellenstelle, in der einem ansässigen Fremden aufgrund dessen, dass er in einer anderen Polis lebte, ein schlechter Charakter bescheinigt wurde oder die ihn gar mit der Sklaverei in Verbindung brachte. Während eine angebliche sklavische Vergangenheit des Gegenübers oder seiner nächsten Verwandten vielfach als Beleidigung gebraucht wird, ist das beim Wort métoikos nie der Fall,522 und dieses ‚verschenkte Potenzial‘ würde doch überraschen. Dies könnte zumindest ein Indiz dafür sein, dass die Assoziation zwischen ansässigen Fremden und Sklaven aufseiten der Athener weit weniger intensiv war, als in der Forschung üblicherweise vermutet.

516 517 518 519 520 521 522

Vgl. Deene 2011, S. 170. So z. B. Bäbler 1998, S. 49. Dazu Kap. II.3.4; ähnlich Beck 2013, S. 95. Dazu Kap. I.1.1. Vgl. Akrigg 2015, S. 166f. Dazu Kap. III.8. Vgl. auch Akrigg 2015, S. 167.

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Extrinsische Merkmale

III.3.2.3 Gesellschaftliche Erwartungen an ansässige Fremde Eine weitere Ebene der gesellschaftlichen Wahrnehmung der ansässigen Fremden betrifft die Erwartungen, welche die Gesellschaft an sie stellte, etwa in Bezug auf ihre gesellschaftliche Teilhabe. Es ist sicherlich richtig, von einer grundlegenden (u. a. gesellschaftlichen) Asymmetrie zwischen Bürgern und Fremden auszugehen.523 Gleichzeitig ist aber auch zu bedenken, dass ansässige Fremde nicht per se herabgewürdigt wurden – im Gegenteil gibt es sogar zahlreiche Quellenstellen, in denen sie durchaus als ehrenvoll, manchmal sogar vorbildlich, hervorgehoben werden. So dienen ansässige Fremde in zwei Reden des Lysias, wie Geoffrey Bakewell betont hat, als Beispiele, die das unrühmliche Verhalten eines Bürgers im Vergleich hervorheben sollen.524 Auch Aristoteles bewertet den ansässigen Fremden nicht als grundlegend schlecht.525 Vor allem im Drama, dem als Textsorte eine besondere normative Funktion zugesprochen werden darf,526 sind Erwartungen an das Verhalten der ansässigen Fremden in Athen formuliert.527 So stellt der in den Werken des Euripides und Aischylos auftretende Parthenopaios das Idealbild eines ansässigen Fremden dar.528 Offenbar scheint es in der athenischen Öffentlichkeit eine Vorstellung davon gegeben zu haben, wie sich ein ansässiger Fremder zu verhalten hat: Dabei existiert sowohl das Bild des guten als auch des schlechten ansässigen Fremden.529 Die in den Quellen am häufigsten formulierte und in der Forschung auch am meisten hervorgehobene Erwartung an ansässige Fremde ist ihre Unauffälligkeit innerhalb der Gemeinschaft.530 Diese schloss einerseits die Anpassung an die Athener und ihren Lebensstil ein.531 Das hieß, die athenischen Gesetze zu akzeptieren und nach Möglichkeit nicht mit ihnen in Konflikt zu geraten: So betont Lysias, dass seine Familie die Athener nie im Rahmen eines Gerichtsprozesses, ob als Ankläger oder Angeklagter, behelligt hätte.532 Auch die strenge Ermahnung der Getreidehändler, dass sie sich den athenischen Gesetzen zu unterwerfen hätten, liefert ein gutes Beispiel.533 Andererseits 523 Vgl. Erdtmann 2013, S. 73. 524 Vgl. Bakewell 1999, S. 6. In der Rede des Lysias gegen Eratosthenes wird das Verhalten des letzteren nicht nur gegenüber ansässigen Fremden verurteilt, sondern vor allem im Vergleich mit ihnen: Dabei steht das Handeln des Lysias im Interesse der Polis in starkem Kontrast zum Handeln des Eratosthenes, das nur seinen eignen Interessen dient, vgl. ebd., S. 9–21. 525 Aristot. Eud. Eth. 1233a 28–30, der bemerkt, dass, anders als im Fall eines Bürgers, die Entscheidung eines métoikos, kein Amt zu bekleiden, nicht verwerflich sei. 526 Zur Bedeutung des Dramas für die Erforschung der ansässigen Fremden in Athen vgl. Kap. I.2.2. 527 Vgl. Citti 1988, S. 461. 528 Z. B. Eur. Suppl. 888–895; vgl. Patterson 2000, S. 104; Citti 1988, S. 461. 529 Vgl. Patterson 2000, S. 104; Erdtmann 2013, S. 72; Patzek 1995, S. 40; Wijma 2014, S. 37. 530 Vgl. Patterson 2000, S. 109; Mavrogordatos 2014, S. 47; Citti 1988, S. 457f; Garland 2014, S. 163; Erdtmann 2013, S. 72. 531 Vgl. Erdtmann 2013, S. 72; Ginestí Rosell 2012, S. 116. 532 Lys. 12, 4. 533 Lys. 22, 5.

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bedeutete die Anpassung an den Lebensstil auch, die athenischen Wertvorstellungen zu verinnerlichen und, wenn nötig, zu verteidigen:534 So erwarteten die Athener von ihren ansässigen Fremden auch den militärischen Einsatz für die Polis.535 Die Assimilation an den athenischen Lebensstil wurde von den ansässigen Fremden aber nicht vollständig verlangt.536 Grabinschriften, die in einem fremden Dialekt oder in einer ganz und gar fremden Sprache verfasst wurden,537 zeugen bspw. davon, dass es wohl keinen gesellschaftlichen Druck vonseiten der Athener gegeben hat, das regionale Griechisch als alleinige Sprache zu übernehmen.538 Auch im Bereich der Religion zeigten sich die Athener den fremden Sitten gegenüber aufgeschlossen: So wurde das Ausüben fremder Kulte nicht nur toleriert, sondern durch die Verleihung der énktēsis zum Bau eines Tempels sogar ermöglicht.539 Die von den ansässigen Fremden erwartete gesellschaftliche Unauffälligkeit schloss insgesamt betrachtet aber auch die Akzeptanz der eigenen Stellung innerhalb der Gemeinschaft ein, was nicht zuletzt bedeutete, die Grenze zwischen den Bürgern und den Nichtbürgern zu akzeptieren.540 Der ständige Versuch, diese Grenze neu auszuhandeln oder gar zu überschreiten, kennzeichnete derweil nicht nur einen schlechten ansässigen Fremden, sondern hatte auch das Potenzial, die soziale Ordnung zu stören.541 So ist Lysias in seiner Anklagerede gegen Eratosthenes darauf bedacht, sich der bürgerlichen Jury gegenüber fast schon unterwürfig zu verhalten und sich selbst als zu diesem Zeitpunkt Eingebürgerter nicht als Teil der geborenen Athener zu stilisieren.542 Ein gutes Beispiel für einen ansässigen Fremden, der sich ganz und gar nicht den gesellschaftlichen Erwartungen unterwerfen wollte, ist Agasikles, der die Grenze zwischen Bürgern und Nichtbürgern ständig zu übertreten versuchte: So etwa indem er sich durch Bestechung der Bewohner der Deme Halimous das Bürgerrecht zu erschleichen gedachte,543 indem er seine Söhne in der Prozession bei den Panathenäen unter die

534 535 536 537 538 539 540 541 542 543

Vgl. Bäbler 1998, S. 202; Erdtmann 2013, S. 73. Dazu Kap. III.1.3. Vgl. Stroszeck 2002, S. 167. Vgl. Ginestí Rosell 2014, S. 242–248. So z. B. in IG I3 1353: Die Grabinschrift enthält sowohl attische wie auch dorische Formen, vgl. Ginestí Rosell 2014, S. 242f. Vgl. Ginestí Rosell 2014, S. 252f. So konnten, jeweils dank der Verleihung der énktēsis an eine Gruppe von Personen, mehrere Tempel für fremde Götter errichtet werden, bspw. für Bendis; vgl. dazu S. 304. Aristoteles drückt etwa aus, dass die Annahme des eigenen Status für den ansässigen Fremden essenziell ist: Aristot. Eud. Eth. 1233a 28–30; vgl. Mavrogordatos 2014, S. 46; Beck 2013, S. 85; Patterson 2000, S. 110. Vgl. Erdtmann 2013, S. 76f; Wijma 2014, S. 37. So ruft Lysias die Geschworenen eben nicht nur seinethalben auf, Eratosthenes zu bestrafen, sondern vor allem wegen der an ihnen selbst verübten Übel (Lys. 12, 94–99) und gestaltet seine Rede insgesamt auch nicht in der ‚wir‘- sondern in der ‚ihr‘-Form; vgl. Patterson 2000, S. 110. Harp. s. v. Ἀγασικλῆς, Hyp. 4, 3.

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Extrinsische Merkmale

Bürger zu mogeln versuchte544 oder indem er selbst an einem Schönheitswettbewerb teilnahm, der den athenischen Männern vorbehalten war.545 III.3.3 Soziale Mobilität der ansässigen Fremden in Athen Dass von den ansässigen Fremden erwartet wurde, sich mit ihrem Status abzufinden, bedeutet aber nicht zwangsläufig, dass Angehörige dieser Gruppe grundsätzlich keine Aufstiegschancen hatten. Es ist zwar richtig, dass verschiedene den Fremden auferlegte Einschränkungen, wie das fehlende Recht auf immobilen Besitz und das fehlende Bürgerrecht, eine grundsätzliche soziale Asymmetrie zwischen ihnen und den Bürgern bedingten und bestätigten,546 allerdings zeugen zahlreiche Beispiele davon, dass auch ansässigen Fremden die vertikale Bewegung im sozialen Raum ermöglicht wurde. Die soziale Mobilität der ansässigen Fremden kann dabei sowohl eine Bewegung aufwärts wie auch abwärts bedeuten und schließt dabei das Überschreiten von Statusgrenzen nicht aus. Das am umfassendsten belegte Beispiel für einen sozialen Aufsteiger in Athen gibt Pasion ab: Sein Weg vom Sklaven zum athenischen Bürger ist in vielen Forschungsbeiträgen bearbeitet worden und diente in diversen Beiträgen auch schon mehrfach als Paradebeispiel sozialer Mobilität.547 Wie von Moses Finley wohl nicht ganz zu Unrecht zu bedenken gegeben, ist Pasions Weg dabei wahrscheinlich kein typischer gewesen,548 aber auch nicht unbedingt einzigartig.549 Die Fallbeispiele innerhalb der Gruppe der ansässigen Fremden in Athen weisen recht eindeutig darauf hin, dass vor allem die Qualität ihrer sozialen Kontakte einen deutlichen Einfluss auf den sozialen Aufstieg einer Person hatte.550 Das beginnt schon bei der Wahl des prostátēs, der, wie Isokrates feststellt, das Ansehen eines ansässigen Fremden innerhalb der Gesellschaft bestimmt,551 und erstreckt sich über die Fragen, mit welchen Personen ein ansässiger Fremder regelmäßig verkehrte, zu welchen Kreisen er Zugang hatte552 und ob er in der Lage war, im Notfall glaubwürdige, einflussreiche Zeugen vor Gericht zu präsentieren.553 So erwähnt Lysias im Rahmen seiner Beweisführung über die athenfreundliche Gesinnung seiner Familie, dass sein Vater

544 545 546 547 548 549 550 551 552 553

Harp. s. v. σκαφηφόροι; vgl. Wijma 2014, S. 37. Vgl. Wijma 2014, S. 37. Vgl. Erdtmann 2013, S. 73; Finley 1973, S. 48. Vgl. z. B. Finley 1951, S. 76; Fisher 2010, S. 341; Davies 2017, S. 43. Vgl. Finley 1951, S. 76. Vgl. Zelnick-Abramovitz 2005a, S. 326; weitere Fälle sind etwa die Bankiers Epigenes und Konon, die ebenfalls das Bürgerrecht erlangten (Deinarch. 1, 43). So auch schon Taylor 2015, S. 52. Isokr. 8, 53: καὶ τοὺς μὲν μετοίκους τοιούτους εἶναι νομίζομεν, οἵους περ ἂν τοὺς προστάτας νέμωσιν. Vgl. Trevett 1992, S. 159. Vgl. Schindler 1967, S. 43, dazu auch weiter oben in diesem Kapitel.

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Kephalos von keinem Geringeren als Perikles höchstpersönlich nach Athen gebeten worden sei.554 Pasions Aufstieg wiederum könnte nicht zuletzt dadurch erheblich erleichtert worden sein, dass er sich im Rahmen seiner Beschäftigung in der Bank und den daraus resultierenden Kontakten mit zahlreichen Kunden wohl bereits vor seiner Freilassung ein Netzwerk aufbauen konnte, auf das er später zurückgreifen konnte.555 Das soziale Netzwerk wurde vor allem dann entscheidend, wenn es um die tatsächliche Überwindung von Statusgrenzen ging: So wurde die politeía wohl in der Regel auf Initiative eines Bürgers hin verliehen, der einen entsprechenden Antrag in der Volksversammlung stellte.556 Neben einem ausgedehnten sozialen Netzwerk verfügten die typischen Aufsteiger innerhalb der Gruppe der ansässigen Fremden aber auch über ein gewisses Vermögen.557 Ihnen spielte dabei die – nicht zuletzt auch durch die ansässigen Fremden selbst hervorgerufene – Herausbildung und das Wachsen des nicht-landwirtschaftlichen Sektors in Athen in die Karten: Wie Edward Cohen herausgestellt hat, ermöglichte erst das Aufkommen einer Branche, in der Dienstleistungen gehandelt wurden, dass sich überhaupt eine Elite herausbilden konnte, die nicht auf immobilem Eigentum beruhte.558 Dieses wiederum erlaubte es den ansässigen Fremden, so viel Reichtum zu akquirieren, dass sie verschiedene Investitionen in die Gemeinschaft tätigen konnten, z. B. in Form von Leiturgien oder Spenden, für die sie eine Steigerung ihres Ansehens erwarten durften.559 Indem Fremde überhaupt zum Erbringen von Leiturgien zugelassen wurden, die den Erwerb von Ansehen ermöglichten, wurde ihnen erlaubt, ihr monetäres Kapital in soziales Kapital umzuwandeln und sich am sozialen Wettbewerb zu beteiligen.560 Hier spielten vor allem breit rezipierte Leiturgien wie die chorēgía eine wichtige Rolle.561 Dabei ist durchaus denkbar, dass die ansässigen Fremden ihrerseits die Teilhabe bewusst nutzten, um ihre Aufstiegschancen innerhalb der Gesellschaft zu verbessern562 – eventuell waren ansässige Fremde sogar angesichts der Aussicht, mit einer Ehrung oder gar einem Privileg bedacht zu werden, eher bereit, eine große Investition zu tätigen, als Bürger, die zumindest eine offizielle Danksagung wohl nicht erwarten konnten.563

554 555 556 557 558 559 560

Lys. 12, 4. Vgl. Trevett 1992, S. 158. Dazu Kap. III.7.1 und III.7.6. Vgl. Günther 2014, S. 271; ähnlich Beck 2013, S. 81–85. Vgl. Cohen 2000, S. 19. Vgl. Zelnick-Abramovitz. 1998, S. 561f. Vgl. Whitehead 1991, S. 149; ähnlich aber zur Bedeutung der Leiturgien für politische Aufsteiger auch schon Christ 1990, S. 155. 561 Vgl. Deene 2011, dazu auch Kap. III.2.1.3. 562 Vgl. Deene 2013, S. 70–73. 563 Vgl. Deene 2013, 71; Christ 1990, S. 168. Zur fehlenden Ehrung von Bürgern vgl. u. a. Deene 2013, S. 79.

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Extrinsische Merkmale

Aus den Möglichkeiten des sozialen Aufstiegs hat die Forschung zuweilen abgeleitet, dass die Grenzen zwischen Bürgern und Nichtbürgern in Athen weitaus durchlässiger waren als bisher angenommen, und im Allgemeinen auch wenig durchgesetzt wurden.564 Dabei wird auf die Ununterscheidbarkeit der verschiedenen Statusgruppen im Alltag und eher lockere Umgangsformen hingewiesen,565 auf die Lohngleichheit etwa beim Bau des Erechtheions566 oder auch auf die äußerliche Ununterscheidbarkeit ihrer Gräber.567 So berichtet Pseudo-Xenophon, dass Sklaven, ansässige Fremde und Bürger in den Straßen Athens nicht mehr voneinander zu unterscheiden seien,568 und mehrere Bemerkungen in den Quellen legen sogar nahe, dass ein Nichtbürger tatsächlich manchmal für einen Bürger gehalten wurde.569 Dabei ist stellenweise – wohl auch nicht ganz zu Unrecht – vermutet worden, dass dieser Umstand von findigen Nichtbürgern ausgenutzt wurde, um den eigenen Status zu verbessern und sich im Idealfall Zugang zur Bürgerschaft zu verschaffen.570 Demgegenüber stehen allerdings zahlreiche Beispiele, in denen die Grenze zwischen Bürgern und Nichtbürgern durch rechtlich definierte Grenzen sehr deutlich durchgesetzt wurde. Allen voran ist an die Heiratsbeschränkungen zwischen Bürgern und ansässigen Fremden zu denken,571 aber auch an das durch die gesamte klassische Zeit hindurch bestehende Verbot immobilen Besitzes für Nichtbürger sowie an den Ausschluss der ansässigen Fremden von der ephēbeía.572 Schließlich macht nichts den Stellenwert der Grenze zwischen Bürgern und Nichtbürgern so deutlich wie die hohen Strafen, die demjenigen drohten, der sie zu überschreiten versuchte. So wurden Vergehen, die mit der Überschreitung der Statusgrenzen verbunden waren, mit dem Verkauf in die Sklaverei bestraft: Zu denken ist hier an die Heirat eines Nichtatheners mit einer Athenerin (oder umgekehrt) und das Nichtzahlen des metoíkion.573 Eine klare Trennung zwischen ansässigen Fremden und Bürgern gab es wohl auch im militärischen Bereich, nämlich durch die Zuordnung der Nichtbürger zu gesonderten Einheiten.574 Auch der hohe soziale Wert des Bürgerrechts ist hier zu nennen.575 564 So etwa Deene 2014, S. 155; Pečírka 1976, S. 28; Mosseé 1972, S. 143; Cohen 1992, S. 88 sowie Cohen 2000, S. 22; Hansen 1991, S. 87; Vlassopoulos 2007, S. 33; Maurizio 1998, S. 313. 565 Vgl. u. a. Erdtmann 2013, S. 63; Vlassopoulos 2007, S. 33; Fraser 1995, S. 88. 566 Vgl. Hansen 1991, S. 87; Randall 1953, S. 209; dazu S. 112f. 567 Vgl. Patterson 2006, S. 48–52. 568 Ps.-Xen. Ath. Pol. 1, 10. 569 Demosth. 53, 16 sowie Demosth. 47, 71; Demosth. 47, 61; Demosth. 59, 9; Aeschin. 1, 54–64; Vgl. Vlassopoulos 2009, S. 350f; Deene 2011, S. 167; Cohen 2000, S. 107. 570 Vlassopoulos 2009, S. 350–357; Deene 2011, S. 167; Scafuro 1994, S. 182 sowie Noy 2009 passim zu Phano, der Tochter der Neaira, als potenziellem Beispiel für die Unterwanderung der Bürgerschaft durch findige Nichtbürger. 571 Dazu weiter oben in diesem Kapitel sowie Kap. II.4.4. 572 Vgl. Kears 2013, S. 187. 573 Vgl. Klees 2000, S. 38. 574 Vgl. Adak 2003, S. 234, dazu Kap. III.1.2. 575 Vgl. Todd 1993, S 173.

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Dabei fällt auf, dass bestimmte Grenzen – die Heirat mit einem Bürger, der Besitz von Land, die Befreiung vom metoíkion, die gemeinsame Schlachtaufstellung mit den Bürgern sowie das Bürgerrecht – nur durch Privilegien überschritten werden konnten und nicht anderweitig verhandelt wurden, wie etwa die Teilnahme an Treffen der Elite.576 Bis zu diesen Grenzen scheint eine soziale Mobilität aber durchaus möglich gewesen zu sein. Ob wiederum im Alltag die strikte Trennung von Nichtbürgern und Bürgern immer durchgesetzt wurde oder überhaupt immer durchsetzbar war, ist freilich nicht mehr festzustellen – vermutlich hätten die Athener aber gut daran getan, den ansässigen Fremden die Aussicht auf einen möglichen Aufstieg innerhalb der Gesellschaft nicht zu nehmen und von ihrem Engagement zu profitieren.577 III.3.4 Fazit: Die Position der ansässigen Fremden in der Gesellschaft Im Hinblick auf die Position der ansässigen Fremden in der Gesellschaft ist die Kernfrage, ob sie in Athen Insider oder Outsider waren, also im Zentrum oder am Rande der Gesellschaft standen. Die Forschungsmeinungen hierzu divergieren teilweise stark. Dabei überwiegen die Beiträge, die den ansässigen Fremden eine Position inmitten der Gesellschaft zuweisen,578 gegenüber denen, die sie als eine marginalisierte Gruppe verstehen.579 Für die Position der Fremden als Insider sprechen sicherlich ihre umfassenden Partizipationsmöglichkeiten: Es gab viele Gelegenheiten, an gesellschaftlichen Ereignissen teilzunehmen, etwa im Bereich von Kultausübungen und Festen. Zudem wurden ansässige Fremde in Athen physisch nicht marginalisiert, sondern lebten und arbeiteten Seite an Seite mit ihren bürgerlichen Pendants. So wurden auch weder die Kontaktaufnahme noch die Netzwerkbildung jenseits der eigenen Statusgruppe verhindert. Das galt auch nach dem Tode, denn in den Gefallenenreden blieben ansässige Fremde nicht unerwähnt,580 und bestattet wurden sie an denselben Stellen wie athenische Bürger. Hinzutrat, dass auch ansässigen Fremden Gelegenheit zum gesellschaftlichen Aufstieg gegeben wurde, indem sie besonderes Engagement zeigten. Schon allein diese Beispiele begründen die Annahme, dass die ansässigen Fremden in Athen keine marginalisierte oder gar isolierte Gruppe am Rande der athenischen Gesellschaft darstellten. 576 Ähnlich Gray 2011, S, 63, die in diesem Zusammenhang sehr treffend von einer „glass ceiling“ spricht. 577 Vgl. Klees 2000, S. 43; Vlassopoulos 2007, S. 38; Vlassopoulos 2009, S. 348; Weiler 1989, S. 58; Deene 2011, S. 174; Maurizio 1998, S. 308. 578 So etwa Beck 2013, S. 95; Erdtmann 2013, S. 49; Cohen 2000, S. 22; Hansen 1991, S. 87. 579 Z. B. Weiler 1989, S. 59; Brandt 1992, S. 201. 580 Vgl. Blok 2007, S. 321–323; Cohen 2000, S. 97f; Thuk. 2, 35–46; besonders Thuk. 2, 34, 4 sowie Demosth. 60, 13.

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Auf der anderen Seite ist aber auch festzustellen, dass der Grad der gesellschaftlichen Ausgrenzung nicht für alle Fremden gleich war. So haben die vorangegangenen Untersuchungen ergeben, dass Freigelassene wohl von einer Stigmatisierung betroffen waren. Sicherlich dürfte diese dem gesellschaftlichen Aufstieg nicht genützt haben, aber es ist zu betonen, dass eine soziale Profilierung damit trotz einer sklavischen Vergangenheit nicht ausgeschlossen war. Neben der Freigelassene-Freigeborene-Dichotomie ist auch innerhalb der Gruppe der ansässigen Fremden ein breites soziales Spektrum anzunehmen, wohl ähnlich dem der Gruppe der Bürger. Davon unberührt bleibt der Umstand, dass ansässige Fremde in anderen Bereichen grundsätzlich marginalisiert wurden, etwa durch Heiratsbeschränkungen oder das Verbot immobilen Besitzes, oder mehrbelastet wurden, etwa durch das metoíkion. Das Soziale bildete aber, wie in einer Vielzahl von Forschungsbeiträgen bereits herausgearbeitet wurde, eine andere Arena:581 Während den ansässigen Fremden keine gravierenden Beschränkungen oder Einschränkungen auferlegt wurden, wie es etwa im wirtschaftlichen Bereich mit dem metoíkion und dem fehlenden Landbesitz der Fall war, wurden die gesellschaftlichen Barrieren eher durch Vorbehalte aufrechterhalten. Diese wiederum konnten auf individueller Ebene überwunden werden, etwa durch ein umfangreiches Netzwerk oder durch die Akquise eines entsprechenden Vermögens. Die Position der ansässigen Fremden in der athenischen Gesellschaft ist damit nicht als grundlegend marginal zu beschreiben. Im Hinblick auf ihre Pflichten, Rechte, Möglichkeiten und Einschränkungen ist auf der sozialen Ebene eine bemerkenswerte Undifferenziertheit von den Bürgern festzustellen, die letztlich auch von den Athenern selbst nicht unbemerkt blieb.582 III.4 Politik Der Ausschluss der ansässigen Fremden von jeglicher politischen Teilhabe in Athen bildet das in der Forschung wohl am meisten betonte Merkmal dieser Gruppe: Demnach besaßen Nichtbürger grundsätzlich weder das aktive noch das passive Wahlrecht in Athen und konnten somit keine politischen Ämter besetzen, noch hatten sie eine Stimme in der Volksversammlung. Das hat dazu geführt, dass der ganzheitliche Ausschluss der Fremden in der politischen Sphäre und eine besonders scharfe Differenzierung zwischen ansässigen Fremden und Bürgern in diesem Bereich in vielen Beiträgen festgestellt wurde.583 In der Praxis bedeutet dies vor allem, dass sie die Polis, in der sie lebten, nicht mitgestalten konnten. 581 Vgl. u. a. Vlassopoulos 2009, S. 348; Beck 2013, S. 81; Philipp 1990, S. 89. 582 Ps.-Xen. Ath. Pol. 1, 12. 583 Vgl. u. a. Hansen 1991, S. 62 sowie auch S. 87; Fisher 2010, S. 339; Finley 1981, S. 122f; Spahn 1995, S. 56; Schwartz 2013, S. 316; Kamen 2013, S. 53; Todd 1993, S. 173.

Politik

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An der Behauptung, dass ansässige Fremde keine (politische) Entscheidungskompetenz hatten, ist grundsätzlich nicht zu rütteln und auch nicht daran, dass insbesondere auf der politischen Ebene die Grenze zwischen Bürgern und ansässigen Fremden nicht verhandelbar war. Dass sie aber aufgrund ihrer fehlenden politischen Kompetenz keine Möglichkeit hatten, die Polis, in der sie lebten, mitzugestalten, muss zumindest hinterfragt werden:584 Immerhin können ansässige Fremde schon aufgrund der schieren Größe ihrer Gruppe als potenzielle pressure group in Betracht gezogen werden. Auch wird im Folgenden zu zeigen sein, dass die ansässigen Fremden trotz ihrer fehlenden Entscheidungskompetenz sehr wohl Möglichkeiten hatten, im politischen Bereich zu agieren und Einfluss zu nehmen: Schließlich hielten sie sich auch aufgrund ihrer engen Kontakte zu den Bürgern585 dort auf, wo Politik besprochen, manchmal sogar gemacht wurde und nahmen an Geschehnissen teil, die politische Auswirkungen hatten. Auch die Mitgliedschaft ansässiger Fremder in den genuin politischen Einheiten der Polis, Phylen, Demen und Phratrien wird in diesem Zusammenhang zu untersuchen sein. III.4.1 Direkte politische Einflussnahme der ansässigen Fremden In keinem Bereich ist die Differenzierung von ansässigen Fremden und Bürgern so klar und die Grenze so entschieden gezogen worden wie im politischen. Das ist nicht zuletzt ein Symptom einer rigorosen Abriegelung des Bürgertums gegen die Unterwanderung durch Außenstehende insgesamt, mit den Theten als unterste Grenze zu den Nichtbürgern.586 Dieses Bemühen der Athener zeigt sich in den Heiratsbeschränkungen sehr deutlich:587 Immerhin war die Ehe die kleinste politische Einheit in der Polis und stellte damit in gewisser Weise das erste Bollwerk gegen die unrechtmäßige Infiltration des Bürgerkörpers durch Fremde dar.588 Die Barriere zwischen Bürgern und Nichtbürgern war selbst für die Empfänger des höchsten Privilegs, der politeía, unüberwindbar, zumindest wenn es um die Besetzung der höchsten Ämter ging: Selbst als Eingebürgerte waren sie noch vom Archontat ausgeschlossen,589 womit selbst neopolítai nicht alle politischen Rechte der Athener besaßen.590 Dass die fehlende politische Mitbestimmung der ansässigen Fremden auch von den Zeitgenossen als eine sehr starke Differenzierung zwischen ihnen und den Bürgern wahrgenommen wurde, geht u. a. daraus hervor, dass Aristoteles den métoikos als das 584 585 586 587 588 589 590

Vgl. Erdtmann 2013, S. 61. Vgl. dazu Kap. III.3.1. Vgl. Coşkun 2014a, S. 109. Dazu Kap. II.4.3. Vgl. Patterson 1994, S. 211; Bakewell 2008, S. 107. Demosth. 59, 92. Vgl. bspw. Hermann-Otto 2000, S. 99, dazu Kap. III.7.6.

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Extrinsische Merkmale

Gegenteil des politisch aktiven Bürgers nennt.591 Auch Apollodors Bemühungen, sich selbst als Teil der athenischen Bürgergemeinschaft zu stilisieren, umfassen unter anderem die Demonstration politischen Engagements.592 Schließlich schlägt sich der Umstand, dass die Grenze zwischen Bürgern und Nichtbürgern vor allem im Politischen bestand, auch in der Erwartungshaltung der Athener an ‚ihre‘ ansässigen Fremden nieder: Wer ein ‚guter‘ ansässiger Fremder sein wollte, der fand sich mit seiner Stellung ab593 und aspirierte keine politische Teilhabe oder gaukelte gar vor, mehr zu sagen zu haben als ihm eigentlich zustand.594 Zwar hermetisch vom Bürgerkörper im Bereich des Politischen abgeriegelt, waren die ansässigen Fremden selbst auf politischer Ebene aber eine recht undifferenzierte Gruppe: Ähnlich wie schon beim metoíkion hat es den Anschein, dass auch die politische Stellung der ansässigen Fremden nicht durch ihre intrinsischen Merkmale beeinflusst wurde, sondern für alle gleich war. Im Unterschied zum metoíkion scheint es aber im politischen Bereich kein Privileg gegeben zu haben, das eine umfassende Gleichstellung mit den Athenern bewirken könnte:595 Zwar erweiterte die politeía das politische Mitspracherecht der Honoranten,596 verschaffte ihnen aber immer noch keinen Zugang zum Archontat. Das Fehlen politischer Mitbestimmung einte damit nicht nur die Gruppe der ansässigen Fremden, sondern verband sie mit allen anderen Gruppen von Nichtbürgern. Obwohl dieses Merkmal ein so kraftvolles Differenzierungsmerkmal zwischen ansässigen Fremden und Bürgern war, eignet es sich damit weder zur Differenzierung der ansässigen Fremden untereinander noch zur Unterscheidung zwischen diesen und anderen Gruppen von Nichtbürgern. Ein in der Forschung sehr kontrovers diskutierter Bereich direkter politischer Einflussnahme betrifft die Frage, inwiefern ansässige Fremde die Volksversammlung in privaten Angelegenheiten597 adressieren konnten. Es besteht zwar kein Zweifel daran, dass die Anliegen von Nichtbürgern grundsätzlich von der Volksversammlung entschieden wurden, etwa wenn es um die Verleihung von Privilegien ging.598 Unklar ist aber, ob die Betreffenden ihr Anliegen selbst einbringen konnten oder ob sie dafür der Vermittlung eines Bürgers bedurften. In diesem Zusammenhang weist Marloes Deene auf Polisbeschlüsse hin, die wohl auf die Initiative eines Fremden zurückgingen.599 Zu 591 592 593 594 595 596 597 598 599

Aristot. Eud. Eth. 1233a 28–30, vgl. Kears 2013, S. 29. Vgl. Deene 2011, S. 169–173 sowie S. 269f dieser Arbeit. Dazu Kap. III.3.2.3. Vgl. Whitehead 1981, S. 243; Citti 1988, S. 457. Dagegen Kamen 2013, S. 53, die auch das metoíkion als eine politische Pflicht des ansässigen Fremden begreift. Dazu Kap. III.7.6. In offiziellen Angelegenheiten hatten Fremde, etwa als Mitglieder einer Gesandtschaft, selbstverständlich das Recht, die Volksversammlung aufzusuchen; dazu s. u. in diesem Kapitel. Zum Modus der Privilegienvergabe vgl. Kap III.7.1. Dabei handelt es sich um Astykrates aus Delphi (IG II2 109, Z. 8–10), Arybbas (IG II2 226, Z. 34– 45) sowie Mnemon (?) aus Herakleion (IG II2 408, Z. 6–8); vgl. Deene 2014, S. 171. Ein ähnlicher

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betonen ist hier allerdings, dass sich aus den Inschriften nicht zwangsläufig ergibt, dass die jeweiligen Fremden die Anträge gestellt haben, sondern nur, dass sie diesbezüglich vor der Volksversammlung Auskunft gegeben haben. Als Belege dafür, dass ansässige Fremde eigenmächtig in der Volksversammlung Anliegen hervorbringen konnten, taugen diese Quellen also nicht. Vielmehr scheint es, dass ansässige Fremde bei der aítēsis, also in einem der zwei Verfahren, in deren Rahmen ihre Anliegen in die Volksversammlung eingebracht wurden,600 zwar Stellung nehmen konnten, dieses Verfahren an sich aber durch einen Bürger initiiert werden musste. So bemerkt Demosthenes, dass die Verleihung der Privilegien aufgrund der Empfehlung von Bürgern geschehen sei.601 Hinzu kommen mehrere Ehrendekrete für Fremde, die von Bürgern in der Volksversammlung vorgeschlagen worden sind.602 Einige Bürger standen sogar in dem Ruf, Fremden regelmäßig zu Privilegien zu verhelfen, indem sie diese der Volksversammlung vorstellten.603 Dafür, dass ansässige Fremde keinen regulären Zugang zur Volksversammlung hatten, spricht nicht zuletzt auch die Existenz des próshodos–Privilegs, das dem Empfänger eben jenen Zugang zu Rat und Volk erlaubt604 – schließlich wäre die gesonderte Verleihung dieses Rechts überflüssig, wenn es ansässigen Fremden grundsätzlich gewährt worden wäre. Abgesehen von der aítēsis gab es aber noch ein anderes Verfahren, mit dem ansässige Fremde einen Antrag in die Volksversammlung einbringen konnten, nämlich das Schutzflehen im Rahmen einer Hikesie. Da diese ein Verfahren darstellte, das ausschließlich von denen genutzt wurde, die sich in einer ganz konkreten Notlage befanden, stellt sich die Frage, inwiefern sich Fremde hier auch ohne bürgerlichen Fürsprecher an die Volksversammlung wenden konnten. Immerhin wäre zu vermuten, dass das Anliegen in vielen Fällen dringend war und die Betroffenen wohl nicht immer die Zeit hatten, einen Unterstützer zu suchen. In der Tat trugen die Athener dem Umstand Rechnung, dass manche Anliegen nicht warten konnten, indem sogar eine ganze Volksversammlung nur den eiligen Bittgesuchen von Bürgern gewidmet war.605 Allerdings scheint für ansässige Fremde auch hier keine Ausnahme gemacht worden zu sein, wie Rachel Zelnick-Abramovitz festgestellt hat:606 Zwar treten Fremde mit Bittgesuchen

600

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Fall ist auch in einer Rede des Demosthenes überliefert, in der ein Fremder das Bürgerrecht für sich selbst beantragt: Demosth. 23, 127; vgl. Zelnick-Abramovitz 1998, S. 556. Bei diesen beiden Verfahren handelt es sich um aítēsis und hiketeía (s. u.): Während die Hikesie vor allem im Rahmen eines Schutzgesuches Anwendung fand, wurde im Rahmen der aítēsis die Verleihung von Privilegien beantragt. Vgl. Zelnick-Abramovitz 1998, S. 555; Osborne 2013, S. 127; Gauthier 1985, S. 77f. Demosth. 59, 91; ähnlich auch Lys. 20, 19. So etwa IG II2 110, Z. 6–7; IG II2 448; Syll.3 537, Z. 55–56; vgl. Zelnick-Abramovitz 1998, S. 559. Dazu S. 331. Vgl. Stelzer 1971, S. 250. Aristot. Ath. Pol. 43, 6. Vgl. Zelnick-Abramovitz 1998, S. 566–568.

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an die Volksversammlung heran,607 aber sie alle nahmen Mittelsmänner aus dem Kreis der Bürger in Anspruch. Auch im Drama des Aischylos, dem locus classicus für ein an eine Gemeinschaft gerichtetes Schutzgesuch, richten die Schutzflehenden ihre Bitte nicht direkt an das Volk, sondern lassen das Anliegen von Pelasgos vorbringen.608 III.4.2 Indirekte politische Einflussnahme der ansässigen Fremden Ein fehlendes Recht auf politische Mitbestimmung bedeutet nicht zwangsläufig, dass die ansässigen Fremden in Athen überhaupt keinen politischen Einfluss ausüben konnten. Damit, dass sie gesellschaftlich nicht marginalisiert wurden, wie im vorangegangenen Kapitel gezeigt werden konnte, hing nämlich auch zusammen, dass sich ansässige Fremde an Orten aufhalten konnten, wo Politik gemacht wurde, und mit Personen verkehrten, die Politik machten. Eine direkte politische Einflussnahme (durch Wahl oder Gewähltwerden) mag den ansässigen Fremden also verwehrt worden sein, aber es lohnt sich zu fragen, inwiefern sie indirekt Einfluss auf die athenische politische Sphäre ausüben konnten: Hier zeigt sich nämlich, dass ansässige Fremde durchaus und teilweise sogar bedeutend in das politische Geschehen eingreifen konnten und so zumindest indirekt Einfluss nahmen. Ein Indiz dafür, dass die ansässigen Fremden in Athen nicht vollständig politisch isoliert waren, ist ihre Anwesenheit bei einschlägig bedeutsamen Ereignissen. Allen voran ist hier die Bestattung der Kriegstoten zu nennen: Bei diesem hochpolitischen Ereignis609 waren Fremde nicht einfach nur anwesend, sondern als Angehörige der Polis im engsten Sinne einbezogen610 und zwar auf allen Ebenen. So gehörten neben den Bürgern auch Fremde zum Publikum des berühmten Epitaphios des Perikles zu Ehren der im ersten Kriegsjahr Gefallenen,611 denn auch sie nahmen an den Feierlichkeiten teil und auch an sie richtete Perikles seine Worte explizit.612 Gerade weil Perikles in seiner Rede keine Differenzierung zwischen einzelnen Statusgruppen vornimmt, sondern alle Adressaten in einem ‚wir‘ zusammenfasst, stilisiert er die Anwesenden nicht nur zu einer geschlossenen Erlebensgemeinschaft, sondern beschwört auch

607 So etwa ein Sklave in IG II2 502, ein Gesandter in IG II2 404 und ansässige Fremde in IG II2 276 und IG II2 373, vgl. Zelnick-Abramovitz 1998, S. 563. 608 Aischyl. Hik. 354–369. 609 Vgl. Blok 2007, S. 321f. 610 Vgl. ebd., S. 323. 611 Dazu die Gefallenenrede des Perikles, Thuk. 2, 35–46 und Demosthenes’ Gefallenenrede, Demosth. 60, 13; vgl. Blok 2007, S. 321–323; Cohen 2000, S. 97f. 612 Thuk. 2, 34, 4: ξυνεκφέρει δὲ ὁ βουλόμενος καὶ ἀστῶν καὶ ξένων, καὶ γυναῖκες πάρεισιν αἱ προσήκουσαι ἐπὶ τὸν τάφον ὀλοφυρόμεναι. Zu den (ansässigen) Fremden als Adressaten der Gefallenenrede des Perikles vgl. Kears 2013, S. 114.

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ein gemeinsames Interesse herauf.613 Die deutliche Hervorhebung des Beitrags der Nichtathener in einer Demosthenes zugeschriebenen Grabrede614 erlaubt den Schluss, dass die Fremden nicht nur Rezipienten, sondern auch Adressaten dieser Textform waren.615 Auch die regelmäßige Inkludierung ansässiger (und nichtansässiger) Fremder in den Gefallenenlisten deutet in diese Richtung.616 Umstritten ist, inwiefern ansässige Fremde nicht nur als Rezipienten, Adressaten und Memorierte der Gefallenenreden, sondern auch als Redner selbst auftreten konnten. So wird Lysias wohl korrekt eine Gefallenenrede zugeschrieben,617 ob er diese aber auch tatsächlich selbst gehalten hat, ist nicht mit Sicherheit zu belegen:618 Matthew Kears gibt zu bedenken, dass eine so wichtige und repräsentative Aufgabe wie das Vortragen der Gefallenenrede wohl schwerlich an einen Nichtbürger vergeben worden wäre.619 Während das grundsätzlich zutreffen mag, ist es aber durchaus denkbar, dass gerade für Lysias eine Ausnahme gemacht wurde und dieser, eben aufgrund seines Engagements für die Wiederherstellung der Demokratie, die von ihm verfasste Rede auch tatsächlich selbst halten durfte.620 Auch Gorgias wird eine Gefallenenrede zugeschrieben.621 Gegen die politische Isolation ansässiger Fremder spricht zudem ihre schlichtweg nicht zu verhindernde Anwesenheit an Orten mit politischer Bedeutung. Dabei spielt der Zugang der ansässigen Fremden zu den im vorhergehenden Kapitel schon umfassend besprochenen free spaces eine wichtige Rolle. Die Quellen legen nämlich nahe, dass insbesondere diese Schauplatz zahlreicher politischer Diskussionen gewesen sein mussten: Allem voran ist hier sicherlich an die Agora zu denken, die nachvollziehbarerweise als besonders intensiv frequentierte Stätte häufig Kulisse politischer Meinungsbildung gewesen ist.622 Natürlich fand politischer Austausch aber auch an anderen Orten statt, an denen sich Menschen regelmäßig informell zusammenfanden,

613 Ähnlich auch schon Cohen 2000, S. 98 sowie Blok 2007, S. 321. Dagegen Kears 2013, S. 115, der darauf hinweist, dass die Anwesenheit von Fremden während der Rede nicht auch bedeuten muss, dass sie zu den Adressaten gehörten. 614 Demosth. 60, 13. 615 Vgl. Cohen 2000, S. 97; anders als von Kears 2013, S. 115 behauptet. 616 Vgl. Meyer 1993, S. 109. 617 Lys. 2; vgl. Blok 2007, S. 323; Cohen 2000, S. 97. 618 Vgl. Frangeskou 1999, S. 317. 619 Vgl. Kears 2013, S. 110. 620 Vgl. Blok 2007, S. 323. 621 Gorg. frg. R 19 [Henderson]; vgl. Blok 2007, S. 323; Grethlein 2003, S. 30. 622 So legt eine Bemerkung des Aischines etwa nahe, dass vor allem die Agora ein Ort gewesen sein musste, an dem öffentliche Empörung in besonderem Maße hervorgerufen werden und zum Ausdruck gebracht werden konnte; Aeschin. 2, 86. Ähnlich liegt die Situation auch in einer Rede des Deinarchos gegen Demosthenes, in der dessen politische Agenda auf der Agora erläutert wird; Deinarch. 1, 32.

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wie Werkstätten, Tavernen, Arbeitsplätze,623 sogar Friedhöfe; aber auch Privathäuser spielten eine zentrale Rolle als Orte politischen Austauschs, etwa im Rahmen von Symposien. Nicht zuletzt dürften auch Vereine und ähnliche Zusammenschlüsse Gelegenheiten geboten haben, politische Diskurse zu führen und politische Kontakte zu pflegen.624 Entscheidend ist, dass ansässige Fremde Zugang zu all diesen Orten hatten und auf diesem Wege wahrscheinlich auch am politischen Austausch teilnahmen.625 Zumindest ist gut vorstellbar, dass die anwesenden Vertreter diverser Statusgruppen zuhörten, wenn eine politische Diskussion stattfand, oder sich stellenweise sogar einschalteten,626 etwa indem sie sich einer jubelnden Menge oder einem wütenden Mob anschlossen.627 Die Inklusion von Landlosen und ärmeren Personen in die politisch Teilnahmeberechtigen dürfte die Hemmschwelle zur eigenen politischen Meinungsbekundung für die Fremden noch weiter gesenkt haben.628 Es darf nicht vergessen werden, dass schon allein die Teilnahme am politischen Diskurs – ob mit kleinem Publikum beim Symposion oder im großen Stil auf der Agora – eine politische Aktivität bedeutet.629 Dass Nichtbürger tatsächlich auch auf der politischen Ebene involviert waren, zeigen aber vor allem diejenigen Quellenstellen, die eben diese Situation als höchst bedenklich einstufen.630 Dabei ist die konkrete Behauptung des Alten Oligarchen, dass die Nichtbürger in Athen Redefreiheit genossen, sicherlich als Übertreibung zurückzuweisen,631 deutet aber vielleicht grundsätzlich auf die zunehmende indirekte politische Anteilnahme der ansässigen Fremden hin. Die Gewichtigkeit, mit der ansässige Fremde dabei die politische Meinungsbildung beeinflussten, war im Regelfall wahrscheinlich eher gering: Eben weil eine gewisse Zurückhaltung in diesem Bereich von ihnen erwartet wurde,632 dürften sich die meisten in solchen Fragen zumindest in der Öffentlichkeit auch nicht allzu sehr in den Vordergrund gedrängt haben. Abseits der Öffentlichkeit könnte die Sache aber schon wieder ganz anders ausgesehen haben, denn im kleinen Kreis ist es durchaus denkbar, dass die Nichtbürger einen 623 Bspw. beginnt ein in Athen angelandeter Fremder in einem Friseurgeschäft ein Gespräch über die aktuelle politische Lage: Plut. Nic. 30, 1; vgl. Vlassopoulos 2007, S. 43. Sokrates wiederum hat den Austausch mit anderen häufiger in Werkstätten von Künstlern gesucht: Xen. Mem. 3, 10, 1–15; vgl. Burford 1972, S. 156. 624 Vgl. Osborne 1990, S. 277. 625 Vgl. Deene 2014, S. 159; Burford 1972, S. 156, ähnlich auch Vlassopoulos 2007, S. 39. 626 So ist etwa ein (wohl nicht bürgerlicher, vgl. Vlassopoulos 2007, S. 42f) Friseur Initiator einer größeren politischen Diskussion auf der Agora, Plut. Nic. 30, 1. 627 Vgl. Vlassopoulos 2007, S. 42, ähnlich auch Ostwald 2007, S. 309, der darauf hinweist, dass auch ansässige Fremde befähigt waren, sich eine politische Meinung zu Athen zu bilden. 628 Vgl. Vlassopoulos 2007, S. 51. 629 Vgl. Burford 1972, S. 156. 630 So wird etwa in Theophr. Char. 4, 2–4 der Austausch über die Volksversammlung mit Externen sehr kritisch gesehen, s. auch Kap. III.3.1. 631 Ps.-Xen. Ath. Pol. 1, 12; vgl. Spahn 1995, S. 53 sowie Mann 2008, S. 17. 632 Dazu Kap. III.3.2.3.

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aktiveren Part im politischen Diskurs eingenommen haben, z. B. wenn sie im direkten Austausch mit Staatsmännern standen.633 Das berühmteste Beispiel hierfür bietet sicherlich Platons Politeia, in der sich Sokrates und der ansässige Fremde Kephalos über die Konstitution des Idealstaates austauschen. Letzterer unterhielt auch gute Kontakte zu Perikles, der ihn als engen Vertrauten vielleicht nicht nur in privaten Angelegenheiten um seine Meinung gebeten haben mag.634 Rat holte sich Perikles wohl auch bei seiner Geliebten, der aus Milet stammenden Aspasia: Deren Ruf, ein außergewöhnliches politisches Verständnis zu haben,635 dürfte wohl nicht zuletzt auch daher rühren, dass sie an verschiedenen politischen Diskussionen teilgenommen und sich dort als wertvolle Gesprächspartnerin erwiesen hat. Es ist auch gut vorstellbar, wie Pasion mit den namhaften Staatsmännern, unter denen er viele zu seinen Bekannten zählte, auch hin und wieder politische Diskussionen führte.636 Dass ansässige Fremde insbesondere auf dieser persönlichen Ebene Einfluss auf Staatsmänner und so auf die Politik der Polis ausübten, ist auch den Athenern nicht entgangen: Insbesondere Perikles sah sich diesem Vorwurf seiner politischen Gegner mehrfach ausgesetzt.637 III.4.3 Eingreifen ansässiger Fremder in politische Ereignisse Auch wenn ansässige Fremde sich etwa durch Ausübung eines Wahlrechts nicht aktiv an der Gestaltung der Polis beteiligen konnten, waren sie im politischen Raum dennoch präsent und griffen hier und da, wie vorstehend gezeigt, auch indirekt in das Geschehen ein. Bei einigen Ereignissen ist jedoch ein aktives und teilweise sogar entscheidendes Eingreifen in die Geschehnisse durch ansässige Fremde festzustellen. So nennen die Quellen Fremde als mutmaßliche Exekutanten zweier politischer Morde:638 Der Mörder des Phrynichos, eines führenden Mitglieds der tetrakósioi, lebte bspw. als ansässiger Fremder in Athen,639 und auch Ephialtes fand seinen Tod vielleicht durch die Hand eines Fremden aus Tanagra.640 Abgesehen von gezielten Mordanschlä-

633 Ähnlich Ostwald 2007, S. 309; Manville 1994, S. 25. 634 Lysias gibt sogar an, dass sein Vater mit dem Umzug nach Athen einer persönlichen Einladung des Perikles gefolgt sei; Lys. 12, 4. 635 Plut. Per. 24. 636 Zu Pasions Bekanntenkreis zählten etwa Agyrrhios von Kollytos, Kallistratos von Aphidna und Timotheos, Sohn des Konon; dazu: Trevett 1992, S. 124 sowie Deene 2011, S. 170. Zu Pasions Netzwerk vgl. auch S. 266. 637 So bezüglich seiner Beziehung zu Anaxagoras (Plut. Per. 4–6) und zu Aspasia (Plut. Per. 32); vgl. Ostwald 2007, S. 310. 638 Vgl. Citti 1988, S. 462; Ostwald 2007, S. 309. 639 Lys. 13, 71 mit IG II2 110; vgl. Citti 1988, S. 462 mit n 18. 640 Das behaupten zumindest Aristot. Ath. Pol. 25, 4 und Plut. Per. 10, 7, ohne jedoch näher auf die Hintergründe einzugehen, die daher nur mutmaßlich bleiben können. Idomeneus hat dagegen Perikles im Verdacht und liefert mit dem Wunsch, sich durch diese Tat eines politischen Konkur-

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gen traten ansässige Fremde aber auch dem Widerstand gegen die Dreißig in Athen bei.641 Unter den Anhängern des Thrasybulos fanden sich nicht nur vereinzelt, sondern vielleicht sogar vorwiegend Nichtathener,642 für deren Engagement Thrasybulos selbst einen Antrag auf Vergabe des Bürgerrechts an sie in der Volksversammlung einbrachte.643 Dieser Antrag scheiterte zunächst vor allem am Engagement eines gewissen Archinos,644 hatte aber beim zweiten Versuch Erfolg, im Rahmen dessen wohl nicht mehr alle Unterstützer das Bürgerrecht bekommen sollten, sondern niedrigere Privilegien an sie vergeben wurden:645 Wie eine Inschrift belegt, wurden mehrere hundert Fremde für ihre Beteiligung am Widerstand gegen die Dreißig geehrt.646 Sie leisteten damit einen zentralen Beitrag zum Sturz der Dreißig und zur Wiederherstellung der Demokratie in Athen647 – übrigens nicht nur als physische Unterstützer, sondern bisweilen auch durch finanzielles Engagement aus dem Exil heraus, wie z. B. Lysias.648 Auch jenseits gewalttätiger Auseinandersetzungen griffen ansässige Fremde ins politische Geschehen ein, z. B. als Teil von athenischen Gesandtschaften. Es ist zwar richtig, dass erst ab dem 2. Jahrhundert Fremde regelmäßig auf diplomatische Unternehmungen geschickt wurden,649 vereinzelt kam dies aber auch schon im 4. Jahrhundert vor. Obwohl in diesem Kontext die Proxenie als außenpolitisches Instrument eine sehr große Rolle spielte,650 wurden wohl gelegentlich auch Privatpersonen, die nicht mit diesem Titel ausgezeichnet worden waren, in die Ferne geschickt, um athenische Interessen zu vertreten. So geschehen im Fall des Philosophen Xenokrates, der sogar an mehreren Gesandtschaften beteiligt war, unter anderem zu Antipater651 und zu Philipp.652 Obwohl bisweilen vermutet worden ist, dass Xenokrates zumindest in der Delegation zu Antipater wohl eher eine Ergänzung denn einen regulären Teil

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renten zu entledigen, auch gleich das passende Motiv, Idomeneus von Lampsakos FGrHist 338 F 8, während Antiphon den Mord an Ephialtes nachdrücklich als ungeklärt konstatiert (Antiph. 5,68); dazu: Mann 2007, S. 49 mit n 8; Ostwald 2007, S. 309. Xen. Hell. 2, 4, 24–25. Vgl. Krentz 1980, S. 305; Taylor 2002, S. 381. Aristot. Ath. Pol. 40, 2; vgl. Krentz 1986, S. 201. Vgl. Taylor 2002, S. 378. Vgl. Krentz 1986, S. 201. IG II2 10; vgl. Krentz 1986, S. 201; Whitehead 1984b, S. 8. Über die genaue Zahl ist debattiert worden (vgl. dazu Taylor 2002, S. 383–385), wobei aber unumstritten ist, dass der Anteil der Fremden unter den Geehrten erheblich war, vgl. Osborne 1982, S. 29–32; Taylor 2002, S. 396. Vgl. Vlassopoulos 2007, S. 46; Taylor 2002, S. 389, von Reden 1995, S. 30; Whitehead 1986b, S. 8; Wijma 2014, S. 30. Vgl. Trevett 1992, S. 125 n 9, der daneben auch vermutet, dass auch Pasion sein Geld in politische Vorhaben anderer investiert haben könnte, sowie Davies 1971, S. 587f (= APF C 9). Vgl. Davies 1977, S. 111; ähnlich auch Whitehead 1981, S. 240f. Dazu Kap. III.7.5. Plut. Phoc. 27, 1–4; Ind. Acad. 40–42; Diog. Laert. 4, 9. Diog. Laert. 4, 8–9.

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der Gruppe darstellte,653 griff er aktiv in die Verhandlungen ein. Sowohl gegenüber Philipp als auch gegenüber Antipater ließ er sich nämlich nicht mit großen Versprechen locken oder mit schlechten Angeboten abspeisen: So war er der Einzige, der Philipps Bestechungsversuchen standhielt654 und sich auch von Antipater nicht täuschen lassen wollte.655 Das Vorangehende hat gezeigt, dass die ansässigen Fremden trotz ihres fehlenden Stimmrechts die politische Lage in der Polis durchaus beeinflussen konnten. Wegen ihrer numerischen Größe einerseits, andererseits aber auch wegen ihrer steigenden Bedeutung für die Polis, etwa im militärischen oder wirtschaftlichen Bereich, besaßen ansässige Fremde grundsätzlich ein gewisses Potenzial, ihre Interessen auch nachdrücklicher artikulieren zu können.656 Inwiefern sie diese auch hätten durchsetzen können, ist jedoch sicherlich: Dies hätte wohl ein geschlossenes Vorgehen verlangt, das von den insgesamt eher unorganisierten ansässigen Fremden wohl nicht hätte geleistet werden können. Nichtsdestotrotz schienen die ansässigen Fremden aber hin und wieder das ‚Zünglein an der Waage‘ gewesen zu sein – etwa beim Sturz der Dreißig. III.4.4 Einbindung ansässiger Fremder in politische Strukturen Ansässige Fremde wurden auf vielen Ebenen in die Strukturen der Polis, mal mehr, mal weniger systematisch, eingebunden: So hatten sie Zugang zu sozialen Gruppierungen, wurden vom eisphorá- und leiturgía-System erfasst und stellten einen Teil der Armee. Dabei bildeten ansässige Fremde teils separate Einheiten, in denen sie nicht mit den Bürgern gemeinsam kämpften, teils mischten sie sich unter die Bürger, etwa in privaten Kultvereinen. Entsprechend muss auch die Frage gestellt werden, in welchem Verhältnis die ansässigen Fremden zu den politischen Einheiten der Bürger, d. h. zu Phylen, Phratrien und Demen, standen. Das zu beantworten ist aber gar nicht so einfach. Einerseits ist die politische Beteiligung der ansässigen Fremden allenfalls indirekt: Weil sie ohnehin weder wählen noch gewählt werden konnten, ist ihre Einbindung in politische Strukturen überflüssig. Auch dass die Grenze zwischen Bürgern und Nichtbürgern auf der politischen Ebene weit strikter durchgesetzt wurde als in anderen Kontexten, legt den Ausschluss ansässiger Fremder aus politischen Einheiten nahe. Andererseits sind die ursprünglichen politischen Einheiten der Polis nicht nur auf politischer Ebene relevant, sondern bilden auch die organisatorischen Basiseinhei-

653 Vgl. Whitehead 1981, S. 241. Whitehead bezieht sich dabei auf eine Bemerkung Plutarchs, der er entnimmt, dass Xenokrates nicht regulärer Teil der Delegation gewesen sei, sondern in der Hoffnung geschickt wurde, dass seine Redlichkeit Antipaters Sympathien gewinnt, Plut. Phoc. 27,1. 654 Diog. Laert. 4, 9. 655 Plut. Phoc. 27, 4. 656 Ähnlich auch schon Citti 1988, S. 462 sowie von Reden 1995, S. 29.

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ten in anderen Bereichen:657 So bieten die Phylen das Grundgerüst für die Aushebung des Heeres in Athen. Hier waren ansässige Fremde sehr wohl involviert. Diese Abwägung deutet schon an, dass es auch nur eine abwägende Antwort auf die Frage geben kann, ob – oder eher in welchem Maße – ansässige Fremde in die politischen Strukturen der Polis eingebunden waren. Vergleichsweise einfach ist die Frage der Phratrienzugehörigkeit ansässiger Fremder zu klären, denn hier war die Abstammung ein ganz entscheidendes Kriterium. Nach dem Gesetz des Perikles durfte sich in eine Phratrie nämlich nur einschreiben, wer eine beiderseitige, legitime athenische Abstammung vorweisen konnte.658 Damit stellten die Phratrien fiktive Verwandtschaftsverbände659 dar, in denen die Verbindung ihrer Mitglieder zumindest in frühester Zeit so eng war, dass sie Blutsverwandte ersetzen konnten: So oblag die Entscheidung über eine Einigung im Falle einer nicht-vorsätzlichen Tötung eines Phyleten zehn ausgewählten Phylenmitgliedern, wenn der Getötete keine leiblichen Verwandten hatte.660 Über die Aufnahme in die Phratrie wurde entschieden, nachdem der Anwärter durch seinen Vater präsentiert wurde, der einen Eid auf die legitime Abstammung seines Sohnes und dessen damit verbundene Eignung zum Beitritt in die Phratrie leistete.661 Obwohl die meisten Athener einer Phratrie angehört haben dürften,662 war die Mitgliedschaft nicht zwingend erforderlich, um die Bürgerrechte auszuüben.663 Da sie die Zugangskriterien nicht erfüllten, waren ansässige Fremde sicherlich von der Mitgliedschaft in einer Phratrie ausgeschlossen:664 Weder hatten sie legitime athenische Eltern noch jemanden, der sie in die Phratrie einführte. Gleiches gilt auch für die als eine Art Untereinheiten mit den Phratrien verbundenen génē.665 Weniger klar ist die Lage aber bezüglich der Verbindung der ansässigen Fremden zu Phylen und Demen. Während ein Teil der Forschung die Zugehörigkeit für durchaus möglich hält,666 schließt ein anderer Teil sie grundsätzlich aus.667 Als Begründung letztgenannter Ansicht wird in der Regel auf die besondere politische Bedeutung der Demen und Phylen verwiesen: Die Demenmitgliedschaft markierte nämlich die Zugehörigkeit des Betreffenden zu den polítai und seine politische Mündigkeit.668 Eine ganz erhebliche Kontroverse in der diesbezüglichen Forschung betrifft die Demende657 658 659 660 661 662 663 664 665 666 667 668

Ähnlich auch schon Blok 2005, S. 7f; Cohen 2000, S. 123; Jameson 2014, S. 274. Dazu Kap. I.3.3. Vgl. Schmitz 2000b (DNP 9), Sp. 962f; Hansen 1991, S. 46; Davies 1977, S. 110. Dies geht aus dem Gesetz des Drakon hervor: IG I3 104, Z. 16–19. Dieser Vorgang ist in einer Rede des Isaios überliefert: Isaios 8, 19–20. Vgl. Kapparis 1995, S. 367. Dazu Lambert 1993, S. 49–59. Ähnlich auch schon MacDowell 1976, S. 88. So auch schon Patterson 1994, S. 98. Vgl. Blok/Lambert 2009, S. 100; Lambert 2010, S. 148. Diese Möglichkeit erwägt etwa Whitehead 1977, S. 74. Vgl. bspw. Todd 1993, S. 168; Hansen 1991, S. 117. Vgl. Cohen 2000, S. 46.

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signation der ansässigen Fremden und die Frage, inwiefern die oikṓn en-Formel nur eine Residenz oder auch eine Mitgliedschaft in der entsprechenden Deme markiert. So plädierte Michel Clerc dafür, dass die Demenaffiliation der ansässigen Fremden mehr als nur den Wohnort markiere, sondern in der Tat auf eine Zugehörigkeit schließen ließe.669 Klar ist, dass die oikṓn en-Formel ein Verhältnis zwischen dem ansässigen Fremden und einer Deme ausdrückt, fraglich ist aber, wie eng dieses Verhältnis tatsächlich war. Als Argument für eine über die bloße Wohnhaftigkeit hinausgehende Verbindung zwischen den ansässigen Fremden und einer Deme hat die Forschung darauf verwiesen, dass auch ansässige Fremde in Demenaktivitäten einbezogen wurden. Vor allem ist hier an die Teilnahme ansässiger Fremder an den Demenritualen zu denken,670 aber eventuell auch an die Aushebung und Zusammenstellung der Demeneinheiten im athenischen Heer.671 Auch die Einschreibung der ansässigen Fremden in die Demenregister wurde als Hinweis für ihre tatsächliche Mitgliedschaft in diesen Struktureinheiten gedeutet.672 So erwägen Matthew Kears und Joshua Sosin, ob die Registrierung der ansässigen Fremden in separaten Listen auf Demenebene nicht denkbar gewesen ist.673 Wie an anderer Stelle dieser Arbeit bereits gezeigt wurde, muss es ein solches Register aber gar nicht zwangsläufig gegeben haben:674 So werden zur Feststellung von Zobias Aufenthaltsberechtigung eben nicht irgendwelche (vermeintlichen) Demenlisten konsultiert, sondern die wohl bei den pōlētaí ausliegenden Listen über die Zahlung des metoíkion.675 Aus diesem Grund ist es auch naheliegend, dass es eben nicht Aufgabe der Demen war, das metoíkion von den ansässigen Fremden einzutrei-

669 Vgl. Clerc 1983, S. 236–244. Ähnlich auch Wilamowitz, der in der oikṓn en-Formel die Widerspiegelung eines Rechtsverhältnisses erkennen will, vgl. Wilamowitz-Moellendorff 1887b, S. 213–215. 670 Der früheste Beleg hierfür entstammt dem Demengesetz der Skambonidai (IG I3 244); vgl. Cohen 2000, S. 123; Kamen 2013, S. 51. 671 Zur Frage, ob ansässige Fremde in den Einheiten der Bürger oder in separaten Einheiten kämpften, vgl. Kap. III.1.2. 672 Vgl. u. a. Osborne 1990, S. 271. 673 Vgl. Kears 2013, S. 50; so auch Sosin 2016, S. 5. Kears leitet diese Schlussfolgerung daraus ab, dass die Teilnahme an den Demenritualen im Gesetz der Deme Skambonidai (IG I3 244) auf die in der Deme lebenden ansässigen Fremden beschränkt ist, vgl. Kears 2013, S. 50; ganz ähnlich auch Whitehead 1986b, S. 81. Da es sich hierbei aber nicht um einen politischen, sondern einen religiösen Akt gehandelt haben musste (s. weiter unten in diesem Kapitel), ist durchaus denkbar, dass die Teilnahmeberechtigung ansässiger Fremder an diesem Ritual vor allem durch ihre Bekanntheit innerhalb der Deme festgestellt wurde und nicht durch die Konsultation einer Liste. 674 Davon unberührt bleibt die Existenz sogenannter lēxiarchiká grammateía, in denen die Bürger auf Demen- oder Phylenebene registriert wurden und die eventuell auch die Namen von ansässigen Fremden, Sklaven usw. enthalten haben könnten; vgl. Hansen 1986, S. 14. Angesichts dessen, dass dies Verzeichnisse waren, aus denen die Kandidaten für die Übernahme von Ämtern bestimmt wurden (vgl. Kienast 2005, S. 93), ist es aber auch durchaus denkbar, dass Nichtbürger darauf eben gerade nicht verzeichnet waren. 675 Demosth. 25, 57; dazu Kap. III.2.1.1.

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ben,676 sondern dieses von den Betreffenden selbst im pōlētḗrion zu hinterlegen war. Hierfür spricht nicht zuletzt der Umstand, dass die Demen den ansässigen Fremden gegenüber keine Steuerbefreiung aussprechen konnten.677 Zu bedenken ist außerdem, dass selbst wenn eine Registrierung ansässiger Fremder in einer Deme stattgefunden hat, dies nicht zwangsläufig auch die Mitgliedschaft in der Deme bedeutete.678 Osborne hebt auch hervor, dass die Demen die Kompetenz besaßen, verdiente Personen von lokalen Steuern zu befreien,679 jedoch handelt es sich bei den Honoranten aller von Osborne angeführten Belegstellen ausschließlich um Bürger.680 Das gibt zumindest einen Hinweis darauf, dass die Demen in Bezug auf ansässige Fremde diese Kompetenz nicht besaßen – vielleicht weil die Demen nur ihre eigenen (an sie steuerpflichtigen) Mitglieder honorieren konnten und die ansässigen Fremden eben nicht dazu zählten. Die Vergabe von Privilegien an diese erfolgt nämlich nicht auf Demen-, sondern auf Polisebene.681 Als ein deutlicher Hinweis darauf, dass die Verbindung eines ansässigen Fremden zu einer Deme zunächst einmal weit schwächer war als die eines Bürgers, darf der Umstand gedeutet werden, dass ein ansässiger Fremder nicht zwangsläufig ein Leben lang derselben Deme zugeordnet blieb: Wenn der ansässige Fremde nämlich innerhalb Athens in eine andere Deme umsiedelte, änderte sich wohl auch seine Demenaffiliation.682 Darauf weist auch die Wortwahl der Formel oikṓn en, also ‚wohnhaft in‘, hin.683 Die Verbindung des ansässigen Fremden und die des Bürgers zu ihren jeweiligen Demen unterscheiden sich also deutlich: Bürger trugen ihre Demenaffiliation ein Leben lang und behielten sie auch, wenn sie ihren Wohnsitz in eine andere Deme verleg­ ten.684 Damit ist die oikṓn en-Formel nicht mit dem Demotikon gleichzusetzen,685 das einen über das gesamte Leben getragenen Namensbestandteil eines Bürgers darstell-

676 So etwa behauptet von Wijma 2014, S. 103. 677 Die Befreiung von Steuern war nur im Rahmen der auf Polisebene verliehenen atéleia- oder isotéleia-Privilegien möglich, vgl. Kap. III.7.2 und III.7.3. 678 So auch schon Todd 1997, S. 118. 679 Vgl. Osborne 1990, S. 273. 680 Osborne ebd. verweist auf insgesamt vier verschiedene Dekrete (IG II2 1187; IG II2 1188; IG II2 1204; IG II2 1214). Die Empfänger der Privilegien in all diesen Inschriften tragen ein Patronymikon und ein Demotikon, wobei letzteres darauf hinweist, dass es sich bei den Honoranten um Bürger gehandelt haben musste (vgl. Meyer 1993, S. 110): Δερκύλον Αὐτοκλέους Ἁγνούσιον (IG II2 1187, Z. 7–8); Ἱεροκλείδης Τεισαμενοῦ Παιανιεὺς (IG II2 1188, Z. 3–5); Φιλοκήδη̣ν Ἀριστάρχου Ἀχαρνέα (IG II2 1204, Z. 8–10); Καλλιδάμας Καλλιμέδοντος Χολλείδης (IG II2 1214, Z. 1–2). Ähnlich auch schon Whitehead 1986b, S. 82. 681 Dazu Kap. III.7.1. 682 Vgl. Kamen 2013, S. 46; Whitehead 1977, S. 74; Hansen 1991, S. 117. 683 Vgl. Whitehead 1977, S. 74. 684 Vgl. Cohen 2000, S. 113; Whitehead 1977, S. 74. Einzige Ausnahme könnte die Adoption gewesen sein, vgl. dazu Harris 1996, S. 123–126. 685 So etwa Hansen 1991, S. 117.

Politik

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te.686 Gegen eine Mitgliedschaft ansässiger Fremder in einer Deme spricht schließlich auch, dass sie sich wohl keiner Dokimasie unterziehen mussten, die für Bürger bei Eintritt in die Deme im Alter von 18 Jahren obligatorisch war und danach in regelmäßigen Abständen wiederholt wurde.687 Insgesamt offenbaren sich in diesem Kontrast zwischen der formalen Demenzugehörigkeit und der praktizierten Zugehörigkeit, etwa auf religiöser Ebene, zwei Entitäten der Deme, auf die Edward Cohen hingewiesen hat.688 Demnach stellt eine Deme erstens im formalen Sinne einen aus einer gemeinsamen Abstammung gewachsenen Verband von Personen dar, der frei von jeder geographischen Implikation ist: Das zeigt sich in nichts deutlicher als in der Unabhängigkeit der Demenzugehörigkeit vom tatsächlichen Wohnsitz eines Bürgers, aber auch in dem Umstand, dass die Treffen der Demenmitglieder wohl gar nicht in der Deme selbst, sondern im Zentrum Athens stattfanden.689 In ihrer zweiten Bedeutung stellt die Deme aber als ein Verband tatsächlicher Nachbarn ein streng geographisches Konstrukt dar,690 und eben weil die ansässigen Fremden physisch in der Deme mitunter sogar mehr präsent waren als die Bürger, die diese Affiliation nur geerbt hatten, konnten sie auf dieser Bedeutungsebene auch Anteil an Demenaktivitäten nehmen.691 Die insbesondere für die neuere Forschung durch die Kleisthenische Pyhlenordnung hervorgebrachte Trennung von Politischem und Gesellschaftlichem692 zeigt sich dabei in dieser differenzierten Einbeziehung der ansässigen Fremden sehr deutlich: Aus den politischen Angelegenheiten der Demen wurden sie herausgehalten, in die kultischen aber bspw. einbezogen. III.4.5 Fazit: Die ansässigen Fremden als pressure group? Die vorangegangenen Betrachtungen waren dem Leben und Erleben der ansässigen Fremden in der politischen Sphäre Athens gewidmet. Dabei konnte zwar der in der Forschung vielfach formulierte Eindruck, dass die Grenze zwischen Bürgern und Nichtbürgern im Politischen besonders rigoros definiert und durchgesetzt wurde, bestätigt werden. So zeigt sich der Ausschluss der ansässigen Fremden aus der politischen Sphäre schon allein darin, dass sie keiner genuin politischen Struktureinheit angehörten. Allerdings hat das Vorangegangene auch gezeigt, dass ansässige Fremde 686 Vgl. Meyer 1993, S. 110. 687 Vgl. Robertson 2000, S. 151. Die Beschränkung der Dokimasie auf diejenigen, die zwei athenische Eltern hatten und damit Bürger waren, ergibt sich aus Aristot. Ath. Pol. 42, 1. 688 Vgl. Cohen 2000, S. 113. 689 Vgl. ebd., S. 115. 690 Vgl. ebd., S. 113. 691 Vgl. Cohen 1997, S. 83. 692 Vgl. Mann 2008, S. 22; Cohen 2000, S. 123.

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nichtsdestotrotz einen gewissen Einfluss auch in politischen Angelegenheiten besaßen: So griffen sie etwa in die Geschehnisse ein, indem sie einer Seite ihre Unterstützung zukommen ließen. Auch die Beteiligung am politischen Austausch im privaten Rahmen, etwa im direkten Umgang mit Staatsmännern, und wohl auch öffentlich, etwa im Kontext der sogenannten free spaces, war ihnen möglich. Obwohl die ansässigen Fremden also kein Stimmrecht in den politischen Organen der Stadt besaßen und damit nicht direkt in politische Entscheidungen eingebunden waren, mahnt das Ergebnis der vorausgegangenen Untersuchung doch dazu, den Einfluss, den ansässige Fremde indirekt auf das Geschehen nehmen konnten, nicht zu unterschätzen: Es gab auch für sie Möglichkeiten, sich einzumischen. Klar ist aber auch, dass der Einfluss der ansässigen Fremden allenfalls indirekt ausgeübt werden konnte und wenn, dann wohl auch nur sehr begrenzt: So konnten sie etwa durch ihre Teilnahme an Diskursen versuchen, im kleinen oder großen Stil die öffentliche Meinung oder die Meinung Einzelner zu beeinflussen, aber ihr Anliegen eben nicht selbst in die entscheidungsbefugten Gremien, wie z. B. in die Volksversammlung, tragen. Hinzu kommt, dass die ansässigen Fremden sich nicht im Sinne einer pressure group, also als Interessengemeinschaft, organisierten, was die systematische Durchsetzung ihrer Anliegen ebenfalls deutlich erschwert haben muss. III.5 Kult und Religion Dass die Ausübung von Kult und Religion ganz zentral zum Leben im klassischen Athen gehörte, ist kaum zu bestreiten. Die Teilhabe an kultischen Handlungen bewirkte dabei nicht nur ein Gemeinschaftsgefühl unter den Teilhabenden, sondern diente auch der Identitätsstiftung des Einzelnen.693 Gerade deshalb wirkte nichts so integrativ oder desintegrativ wie die Beteiligung an oder der Ausschluss von gemeinsamen Ritualen. Dieser Umstand ist in der Forschung bereits mehrfach hervorgehoben worden.694 Die Frage nach dem Grad der Einbindung ansässiger Fremder in die religiösen und kultischen Angelegenheiten der Polis und ihrer Untereinheiten bildet deshalb ein zentrales Element einer Untersuchung ihres Lebens und Erlebens in Athen. Im Folgenden wird daher zu prüfen sein, ob und wie ansässige Fremde im Bereich von Religion und Kult innerhalb der Polis eingebunden waren. Dabei sind einerseits die tatsächlichen Partizipationsmöglichkeiten in religiösen und kultischen Angelegenheiten auf Ebene der Polis, aber auch innerhalb ihrer Untereinheiten, wie den Demen, in Betracht zu ziehen. Andererseits ist danach zu fragen, inwiefern Fremde heimatliche Praktiken, und das heißt insbesondere nichtathenische und in vielen Fällen sogar 693 Ähnlich Lambert 2010, S. 143 sowie Erdtmann 2013, S. 69 und S. 71. 694 Z. B. Blok 2004 passim und besonders S. 265–276 für die ansässigen Fremden, ähnlich auch Cohen 2000, S. 7; Wijma 2014, z. B. S. 19–22.

Kult und Religion

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nichtgriechische, nach Athen trugen und dort ausüben konnten. Dabei wird zu zeigen sein, dass auch die religiöse Landschaft in Athen von ansässigen Fremden mitgeprägt worden ist. III.5.1 Der Ausschluss ansässiger Fremder von Priesterämtern Zunächst ist eine sehr klar gezogene und rigoros durchgesetzte Grenze im religiösen Bereich zu betonen, die für ansässige Fremde unüberwindbar war: Der Ausschluss von der Priesterschaft.695 Ähnlich wie das Verbot, das Archontat zu bekleiden,696 traf diese Einschränkung nicht nur nichtprivilegierte ansässige Fremde, sondern alle und darüber hinaus die neopolítai: Wie Demosthenes in seiner Rede gegen Neaira betont, waren die Empfänger der politeía von Priesterämtern ausgeschlossen.697 Erst die nachfolgende Generation konnte ein religiöses Amt bekleiden oder sich zum Archontat bewerben. Ein Privileg, mittels dessen diese Beschränkung umgangen werden konnte, ist nicht überliefert.698 Für diesen kategorischen Ausschluss ansässiger Fremder von Priesterschaften wurden in der Forschung zwei Gründe herausgearbeitet: Zum ersten ist die Beziehung zwischen der Polis und ihren Göttern nicht nur ein zentrales Element bürgerlicher Selbstbeschreibung und bürgerlichen Selbstverständnisses gewesen,699 sondern hatte auch erheblichen Einfluss auf das Schicksal der Polis. Aufgrund dieses hohen Wertes ist es leicht nachvollziehbar, dass sich die Gemeinschaft der Bürger das Privileg, diese Beziehung als Priester zu repräsentieren und zu führen, für ihre Mitglieder vorbehielt.700 Der zweite Grund für den Ausschluss ansässiger Fremder von der Priesterschaft liegt im Modus der Auswahl geeigneter Personen, denn ansässige Fremde gehörten den Struktureinheiten nicht an, aus deren Mitgliedern die Anwärter auf diese Ämter rekrutiert wurden. Von wenigen Ausnahmen abgesehen, wurden die Kandidaten für die per Los vergebenen Priesterämter nämlich aus den génē bestimmt,701 kleine Struktureinheiten, deren Mitglieder sich auf eine gemeinsame Abstammungslinie zurückführten und deren Hauptaufgabenbereich im Religiösen lag.702 Eben aufgrund der

695 Z. B. Demosth. 57, 48. 696 Dazu Kap. III.4.1. In diesem Zusammenhang weisen Blok und Lambert in ihrem gemeinsamen Beitrag darauf hin, dass der Ausschluss vom Archontat in der „semi-priestly function“ dieses Amtes zu begründen sei; vgl. Blok/Lambert 2009, S. 104 n 65. 697 Demosth. 59, 92; ähnlich auch Demosth. 59, 106; vgl. u. a. Kapparis 1995, S. 369. 698 Zum Ausschluss Eingebürgerter von Priesterschaften: S. 362ff. 699 Vgl. Erdtmann 2013, S. 72; Lambert 2010, S. 171. 700 Vgl. Lambert 2010, S. 171; ähnlich auch Butz 1996, S. 76. 701 Vgl. Blok 2009, S. 166; Blok/Lambert 2009, S. 96. Ein Beispiel hierfür ist etwa das génos der Eumolpidai, aus deren Kreisen die Priester für die eleusinischen Mysterien bestimmt wurden; IG I3 6. 702 Vgl. Blok/Lambert 2009, S. 96 und S. 100f.

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strikten Definition als Abstammungsgemeinschaft war es den ansässigen Fremden selbst als Eingebürgerten nicht möglich, einem génos beizutreten und sich in den Kreis möglicher Kandidaten einzubringen.703 Priesterämter, die nicht aus einem bestimmten génos zu besetzen waren,704 wurden zumindest aus den Mitgliedern der Demen und Phratrien besetzt, zu denen ansässige Fremde grundsätzlich ebenso wenig zählten.705 III.5.2 Einbindung ansässiger Fremder in Kult und Religion In Fällen, in denen Fremde von einer Kulthandlung oder einer Kultstätte ausgeschlossen waren, hat die Forschung stellenweise in Erwägung gezogen, dass dies nicht für ansässige Fremde galt.706 Dieser Auffassung liegt die Vermutung zugrunde, dass ansässige Fremde, weil sie als Bewohner der Polis in einem viel engeren Verhältnis zu dieser standen, weit mehr auch in die religiösen Angelegenheiten eingebunden waren als ihre nichtansässigen Pendants. Mit anderen Worten unterschieden die Athener in religiösen Belangen nicht so sehr zwischen Bürgern und Nichtbürgern, sondern zwischen Insidern und Outsidern. Aufgrund ihrer physischen Präsenz einerseits und der zahlreichen Gelegenheiten zur Anteilnahme der ansässigen Fremden am Leben in der Polis andererseits zählten sie wohl zu den Insidern, denen die kultische Partizipation offenstand.707 Damit ergibt sich das Religiöse zunächst als ein Bereich, der eine starke Differenzierung zwischen ansässigen und nichtansässigen Fremden offenbart.708 Diese Partizipation, umso mehr, weil sie nichtansässigen Fremden verwehrt war, symbolisiert dabei überdeutlich den Platz der ansässigen Fremden inmitten und nicht am Rande der athenischen Gemeinschaft und wirkt so auch als Stifter einer gemeinsamen Identität von ansässigen Fremden und athenischen Bürgern.709 Dieser Feststellung eingedenk lohnt sich eine Betrachtung der konkreten Möglichkeiten ansässiger Fremder, sich in Kult und Religion zu beteiligen, und eine damit verbundene Untersuchung des Grades ihrer Partizipation. Die Einbindung ansässiger Fremder in die religiösen Angelegenheiten der Polis ist insbesondere im Zusammenhang mit Festen belegt. An fast allen größeren kultischen und religiösen Festen Athens nahmen sie teil,710 so etwa bei den Hephaistia und bei

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Vgl. Lambert 2010, S. 148; Kamen 2013, S. 51. So etwa der Kult der Athena Nike, vgl. Lambert 2010, S. 154. Vgl. dazu Kap. III.4.4. Vgl. Funke 2006, S. 3; Deene 2014, S. 161f; Cohen 2000, S. 73. Ähnlich: Cohen 2000, S. 73; Blok 2007, S. 318; Butz 1996, S. 84; Kears 2013, S. 77; Funke 2006, S. 3 sowie S. 6f. 708 Ähnlich auch schon Wijma 2014, S. 38f. 709 Ähnlich ebd., S. 20; Kears 2013, S. 77; Funke 2006, S. 6; Blok 2007, S. 323. 710 Vgl. Hansen 1991, S. 63.

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den Mysterien.711 Vor allem aber ihre Teilnahme an den Feierlichkeiten rund um die Panathenäen wurde in der Forschung vielfach hervorgehoben. So hatten ansässige Fremde wohl bereits ab der Mitte des 5. Jahrhunderts712 einen festen Platz in der Prozession und erfüllten verschiedene Funktionen: Frauen als hydrophóroi (Wasserträgerinnen), skiadēphóroi (Schirmträgerinnen) und diphrophóroi (Stuhlträgerinnen),713 Männer als skaphēphóroi.714 Letztere waren während der Prozession wohl in purpurfarbene Roben gekleidet.715 Dass ansässige Fremde überhaupt in der Prozession repräsentiert waren, ist in der Forschung ausschließlich als ein Signal ihrer Inklusion in die Polis gedeutet worden,716 umso mehr, weil es sich bei den Panathenäen um ein in höchstem Maße politisches Fest handelte,717 und weil es auch eine sehr starke Außenwirkung hatte: Schließlich wurden die Panathenäen dann gefeiert, wenn besonders viele Delegierte der Bundesgenossen nach Athen kamen, um ihren Tribut abzuliefern.718 Unter der Annahme, dass die Reihenfolge der in der Prozession Schreitenden und die Objekte, die sie trugen, einen bestimmten gesellschaftlichen Stand markierten, hat die Forschung stellenweise den Versuch unternommen, aus ihrer Position und Funktion innerhalb der Prozession bei den Panathenäen den Stand der Gruppe der ansässigen Fremden innerhalb der Polisgemeinschaft abzulesen. So wurde von Lisa Maurizio darauf hingewiesen, dass das Tragen von Schirmen für die aus athenischen Bürgern rekrutierten Korbträger, welches in den Aufgabenbereich der ansässigen fremden Frauen während der Prozession fiel, implizit eine Assoziation zum Sklaventum schaffe: Dies sei nämlich eine typische Aufgabe, die Bedienstete für ihren Herrn leisteten.719 Hinzu trete, so Maurizio weiter, auch die spöttische Bedeutung, die der Terminus skáphos in den Komödien trägt.720 Auch ihr Rang innerhalb der Prozession sei symptomatisch für eine inferiore Stellung der ansässigen Fremden innerhalb der Gesellschaft: Sie liefen weder an der prestigeträchtigen Spitze noch am bedeutungsvollen Ende, sondern irgendwo in der gewissermaßen nichtssagenden Mitte.721 Die Teilnahme der ansässigen Fremden an der Prozession bei den Panathenäen, so lautet der von Maurizio gezogene Schluss, sei insgesamt ambivalent zu betrachten: Einerseits konnten die konkreten von den ansässigen Fremden in der Prozession ein-

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Vgl. Blok 2007, S. 318 mit n 26. Vgl. ebd., S. 316; Blok 2005, S. 19; Maurizio 1998, S. 302; Wijma 2014, S. 64. Aristoph. Eccle. 730–745; vgl. Wijma 2014, S. 43 mit n 22. Harp. s. v. σκαφηφόροι; vgl. Wijma 2014, S. 45 sowie Rotroff 1977, S. 380–382. Suda s. v. Ἀσκὸς ἐν πάχνῃ; vgl. Maurizio 1998, S. 305; Wijma 2014, S. 46. Vgl. Blok 2007, S. 319; Kamen 2013, S. 51; Klees 2000, S. 20; Maurizio 1998, S. 298 und S. 309; Wijma 2014, S. 62. 717 So etwa Maurizio 1998, S. 297; ähnlich auch Whitehead 1977, S. 87. 718 Vgl. Ostwald 2007, S. 310. 719 Vgl. Maurizio 1998, S. 305; ähnlich auch Miller 1992, S. 104. 720 Vgl. Maurizio 1998, S. 305, z. B. Ail. var. 6, 1. 721 Vgl. Maurizio 1998, S. 303f und S. 306.

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genommen Plätze ihnen wohl kaum zur Ehre gereichen.722 Andererseits sei aber die Teilnahme an sich schon eine Ehre gewesen, und zwar nicht nur aufgrund ihres im Vorangegangenen bereits beschriebenen symbolischen Wertes723 für die Gruppe insgesamt, sondern auch auf individueller Ebene für die Teilnehmenden selbst: Gerade weil das Mitlaufen in der Prozession eng mit der Stellung des Individuums innerhalb der Gesellschaft verknüpft war, bedeutete die Teilnahme auch den Zugang zum – in diesem Fall sogar ganz öffentlich ausgetragenen – Wettbewerb um Ehre und Ansehen.724 Auf diese Weise bot sich den ansässigen Fremden in gewisser Hinsicht eine Bühne, um ihre individuelle und gruppenmäßige Verbundenheit mit Athen gegenüber den Bundesgenossen Ausdruck zu verleihen, aber eben auch, um ihr eigenes, individuelles Ansehen aufzupolieren: So mussten die ansässigen Fremden für ihre Ausstattung bei der Prozession selber aufkommen,725 sodass die bloße Teilnahme schon eine finanzielle Potenz zeigte. Abgesehen davon dürfte es sich schon aus organisatorischen Gründen ergeben haben, dass nicht alle in Athen lebenden ansässigen Fremden mitlaufen konnten, sondern nur eine Delegation von ihnen,726 und es ist zumindest denkbar, dass die Auswahl dieser Stellvertreter sich an ihrer Fähigkeit, für ihre Ausstattung aufzukommen, vielleicht aber auch an ihrem Ansehen orientierte. Auf diese Weise bot die Einbindung der ansässigen Fremden nicht zuletzt auch die Gelegenheit, Differenzierungen innerhalb der Gruppe auszuhandeln und zu demonstrieren. Dieser Verdacht wiegt umso schwerer angesichts der von Hans Klees geäußerten Vermutung, dass nur freigeborene ansässige Fremde überhaupt an der Prozession teilnehmen konnten:727 Demzufolge seien die ansässigen Fremden nämlich nur als Träger von Eichenzweigen erwähnt worden,728 aber nicht in einer der vorgenannten vier Positionen, in denen ansässige Fremde an der Prozession teilnahmen. Diejenigen ansässigen Fremden, die nicht in der Prozession mitgingen, konnten aber wenigstens als Zuschauer teilnehmen, die ebenso integraler Bestandteil des Festes waren.729 Einen Anteil am Opferfleisch erhielten ansässige Fremde bei den Panathenäen allerdings nicht.730 Dies geht zumindest aus der Überlieferung hervor, insoweit als sie

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Vgl. ebd., S. 305f; ähnlich auch schon Whitehead 1977, S. 87 sowie Kamen 2013, S. 52. Vgl. Maurizio 1998, S. 311–313. Vgl. ebd., S. 311–314. Vgl. ebd., S. 299. Vgl. Klees 2000, S. 20. Vgl. ebd.; dagegen aber Maurizio 1998, S. 299, die darauf hinweist, dass die Quellen keinen Schluss auf den Hintergrund der Teilnehmer der Prozession zulassen. 728 Anecd. Bekk. 242, 3–6. 729 Vgl. Jameson 2014, S. 272. 730 Vgl. Whitehead 1977, S. 87 sowie Wijma 2014, S. 41. Wijma hält es aber für möglich, dass das Opfertier von ansässigen Fremden zum Altar geführt werden konnte, vgl. Wijma 2014, S. 41. Josine Blok weist zu Recht darauf hin, dass die für den Ausschluss der Fremden vom Opfer angeführte

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nicht explizit als Empfänger des Opferfleisches benannt sind:731 Neben den aufgeführten hohen Funktionären, die einen Teil vom Opfer erhalten sollen, sind zwar auch kanēphóroi als Empfänger vorgesehen,732 aber diese Korbträger wurden ausschließlich aus den Reihen der Bürger rekrutiert.733 Der grundsätzliche Ausschluss von diesem Teil des Festes galt jedoch nur für die Panathenäen: In anderen Kontexten konnten ansässige Fremde sehr wohl an den Opferhandlungen teilnehmen. Hierbei spielt die Unterscheidung zwischen der Polisebene und der Demenebene wohl auch eine erhebliche Rolle: Ansässige Fremde waren nämlich vor allem innerhalb der Deme, in der sie wohnten, zum Teil sogar sehr intensiv in die Kulthandlungen eingebunden. So geht etwa aus dem Gesetz des Demos Skambonidai hervor, dass ein Teil des Opferfleisches auch an die ansässigen Fremden gegeben wurde.734 Das Gesetz der Skambonidai ist das einzige, das explizit métoikoi als eigenständiger Gruppe die Teilnahme an bestimmten Kulthandlungen erlaubt.735 Andere Demengesetze enthalten zwar ähnliche Vereinbarungen, die sich dann aber auf eine weniger genau bezeichnete Gruppe von Personen beziehen. So werden in einem aus der Deme Ikarion stammenden Reglement wörtlich ‚die übrigen Bewohner‘ zur chorēgía zugelassen.736 Ähnlich verhält es sich auch im Fall der Deme der Phrearrhioi, aus der ebenfalls ein Gesetz überliefert ist, das Angelegenheiten eines auf Demenebene zelebrierten Demeterkults regelt:737 Hier fallen die ansässigen Fremden wohl unter die ominöse Gruppe der als ‚die übrigen Bewohner‘ Bezeichneten.738 Ähnliche Vorschriften, welche die Einbeziehung ansässiger Fremder in Opferrituale im kultischen Kontext regeln, finden sich auch außerhalb Athens, etwa in Ostlokris.739 Die Bedeutung der Einbeziehung ansässiger Fremder in die religiösen Angelegenheiten der Demen darf nicht unterschätzt werden: Indem sie einen Anteil an den hierá nahmen, wurden sie zumindest in diesem ganz konkreten Kontext auch zu einem Teil der Deme, zu Insidern,740 ganz besonders wenn es um die Beteiligung am Opfer selbst ging.741 Schließlich war mit dem gemeinsamen Opfern auch der, teilweise sogar

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Inschrift IG II2 334 nur für die kleinen Panathenäen gilt und konstatiert – allerdings ohne eine Quelle anzuführen – dass dies für die großen Panathenäen nicht zutraf; vgl. Blok 2007, S. 318 n 26. In den Reglements über die Verteilung des Opferfleisches bei den Panathenäen tauchen ansässige Fremde nicht als Gruppe auf, vgl. IG II2 334, Z. 10–16. IG II2 334, Z. 15–16. Vgl. Maurizio 1998, S. 305 mit n 46 sowie Graf 1999 (DNP 6), Sp. 245. IG II2 244. Vgl. Wijma 2014, S. 109. IG I3 254, Z. 10; vgl. Wijma 2014, S. 95 sowie S. 109f. SEG 35, 113. SEG 35, 113, Z. 7–8; vgl. Wijma 2013, S. 199–201; dagegen: Simms 1998, S. 94f. IG IX,12 3.718, Z. 1–4; vgl. Funke 2006, S. 4f. Vgl. ähnlich Cohen 2000, S. 123; Osborne 1985, S. 179; Funke 2006, S. 6; Blok 2007, S. 317; Coşkun 2014a, S. 104. Vgl. Jameson 2014, S. 273.

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gesetzlich festgelegte, gemeinsame Verzehr des Fleisches vor Ort verbunden,742 was durchaus ein Gemeinschaftsgefühl stiften sollte.743 Die enge Einbeziehung der ansässigen Fremden in die Deme als religiöse Gemeinschaft widerspricht aber nicht der im vorangegangenen Kapitel erarbeiteten Feststellung, dass ansässige Fremde keine Demenmitglieder im engsten Sinne waren:744 Auch auf religiöser Ebene wurde nämlich zwischen den Demoten und den Nicht-Demoten deutlich unterschieden, wie die bereits benannten Demengesetze der Skambonidai, Ikarioi und Phrearrhioi belegen.745 Der Umstand, dass ansässige Fremde bei den Panathenäen eben nicht mit ihrer Deme an der Prozession teilnahmen, wie es die Bürger taten, sondern in separaten Einheiten unter ihresgleichen, deutet ebenfalls in diese Richtung.746 Neben der Prozession und dem Opfer gab es auch noch allerlei andere Gelegenheiten für ansässige Fremde, sich an kultischen Aktivitäten der Polis im Rahmen von Festen zu beteiligen. Allen voran ist hier an das griechische Theater zu denken, dessen Besuch und Gestaltung zentraler Bestandteil der gemeinsamen Kultausübung einer Polis waren. Künstlerische und sportliche Wettbewerbe bildeten neben Prozession, Opfer und Festmahl ein weiteres Element der mitunter mehrere Tage andauernden athenischen Feste.747 Insbesondere die mit dem Dionysoskult verbundenen Feierlichkeiten748 wurden durch die szenischen Agone geprägt, die währenddessen stattfanden und streng an ebendiesen Kult gebunden waren.749 Als immanenter Teil des Dionysoskultes wohnte der attischen Tragödie und Komödie schon eine tiefe Affinität zum Fremden und zum Fremdsein inne:750 Immerhin war der Gott Dionysos selbst ein Fremder par excellence, und auch sein Kult selbst war nichtgriechischen Ursprungs.751 Dass diese Verbindung den Athenern durchaus bewusst gewesen ist, hat zuletzt Nina 742 Es sind einige (nichtathenische) Kultgesetze überliefert, die den sofortigen Verzehr des Opferfleisches an Ort und Stelle bestimmen, z. B. Syll3 1024. Diese Gesetze wandten sich wohl gegen die sich langsam einschleichende Gewohnheit, dass die Empfänger des Opferfleisches ihren Teil nahmen und dann zu Hause verspeisten; vgl. Jameson 2014, S. 277. 743 Vgl. Jameson 2014, S. 275; Osborne 1985, S. 179; Wijma 2014, S. 99. 744 Dazu Kap. III.4.4. 745 IG I3 254; SEG 35, 113; IG II2 244. 746 Vgl. Osborne 1985, S. 179; Whitehead 1977, S. 86. 747 Vgl. Auffahrt 1998 (DNP 4), Sp. 488. 748 Der Dionysoskult wurde (unter anderem) in Athen im Rahmen mehrerer Feste zelebriert und bildete so einen insgesamt vier Wintermonate umspannenden Festzyklus, bestehend aus den ländlichen Dionysien, den Lenaia, den Anthesteria und den städtischen Dionysien; vgl. Graf 1997 (DNP 3), Sp. 624. Im Rahmen der städtischen Dionysien wurden mehrere künstlerische Wettbewerbe ausgetragen: Den Anfang machte der Wettbewerb der Phylen um das beste Kultlied, deren Aufführung jeweils von einem chorēgós gesponsert wurde, gefolgt von einem Wettbewerb dreier konkurrierender Tragödiendichter und schließlich maßen sich fünf Komödiendichter. Über Sieg und Niederlage entschieden Preisrichter; vgl. Blume 2002 (DNP 12.2), Sp. 492. 749 Vgl. Blume 2002 (DNP 12.2), Sp. 491. 750 So auch schon Schwartz 2013, S. 303. 751 Die Ursprünge des Dionysoskults werden (nicht unbestritten) in Thrakien vermutet, vgl. Schwartz 2013, S. 304 sowie Tassignon 2001 passim für eine Aufarbeitung fremder Elemente im Kult.

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Schwartz am Beispiel einer bei den Dionysien siegreichen Tragödie des Euripides gezeigt: Die Bakchen werden z. B. durch einen Monolog des Gottes selbst eröffnet, dessen erste Worte seine Identität als Fremder eindrucksvoll betonen,752 und im weiteren Verlauf wird das Thema des Fremdseins vielfach aufgegriffen.753 Ansässigen Fremden boten sich im Rahmen der szenischen Agone diverse Möglichkeiten der aktiven und passiven Anteilnahme. Das beginnt schon bei einem Platz im Publikum, denn nicht allen Festen wohnten auch nichtansässige Fremde bei: Während wohl bei den Panathenäen754 auch Besucher als Zuschauer zugelassen waren, war das etwa bei den Lenaia nicht der Fall.755 Aus einer Bemerkung des Aristophanes geht hervor, dass bei diesem Fest nur Athener und die ansässigen Fremden anwesend waren:756 Letztere seien die „ἄχυρα τῶν ἀστῶν“,757 die Spreu der Stadtbewohner. Dahingestellt sei die Frage, ob sich dahinter eine mehr oder weniger massive Abwertung der Gruppe der ansässigen Fremden verbirgt oder nicht,758 viel wichtiger ist nämlich, dass die ansässigen Fremden in dieser Metapher als natürlicher Teil der Athener dargestellt werden.759 Auch hier wird die Auffassung der ansässigen Fremden als Insider im Kontrast zu nichtansässigen fremden Outsidern gestützt. Ansässigen Fremden wurden dabei auch Möglichkeiten zur aktiven Teilnahme geboten. So konnten die reichsten unter ihnen etwa als chorēgoí fungieren, wie Lysias und sein Bruder es getan haben.760 Der Quellenbefund lässt vermuten, dass dies aber nur für die Lenaia galt:761 So waren ansässige Fremde als chorēgoí wohl von den städtischen Dionysien ausgeschlossen762 und sind auch für kein anderes Fest belegt. Denkbar ist auch, wie von Marit Kaimio und ähnlich auch von Sara Wijma vermutet wurde, dass ansässige Fremde die chorēgía nicht für die Dithyramben, den Wettbewerb um das schönste Kultlied, übernehmen durften:763 Immerhin handelte es sich hier um einen Wettbewerb der Phylen, denen ansässige Fremde nicht angehörten.764 Die Möglich-

752 Eur. Bacch. 1–3; vgl. Schwartz 2013, S. 301–302. 753 Vgl. Schwartz 2013, S. 306 sowie passim, die in ihrem Aufsatz eine umfassende Betrachtung der Fremdenthematik in Euripides’ Bakchen unternimmt. 754 Das geht aus einer Stelle in Aristophanes’ Drama Die Acharner hervor, in der die Lenaia aufgrund der Abwesenheit von (nichtansässigen) Fremden als ein intimeres Fest im Kontrast zu den städtischen Dionysien hervorgehoben werden; Aristoph. Ach. 505–506; vgl. Wijma 2014, S. 69 n 17. 755 Vgl. ebd., S. 69. 756 Aristoph. Ach. 496–508. 757 Aristoph. Ach. 508. 758 So Cohen 2000, S. 58; Cohen 1997, S. 67; Garland 2014, S. 163, welche die Bezeichnung der ansässigen Fremden als „useless part of the astoí“ (ebd.) in dieser Stelle erkennen wollen, während Wijma 2014, S. 69, eine wörtliche Übersetzung als „bran of the citizens“ (Kleie des Volkes) vorschlägt. 759 Ähnlich auch schon Wijma 2014, S. 69. 760 Lys. 12, 20. 761 Vgl. Wijma 2014, S. 74f. 762 Schol. Aristoph. Plut. 953; vgl. Kaimio 1999, S. 47. 763 Vgl. Wijma 2014, S. 83 und S. 85; Kaimio 1999, S. 46. 764 Dazu Kap. III.4.4.

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keit, als chorēgós an den Lenaia teilzunehmen, nutzten sie dafür, vielleicht auch in der Hoffnung auf einen damit verbundenen Ansehenszuwachs,765 umso intensiver: Die Mehrzahl der im Kontext dieser Feierlichkeiten überlieferten chorēgoí waren in der Tat ansässige Fremde.766 Auch auf der Bühne konnten ansässige Fremde zumindest bei den Lenaia als Künstler aktiv werden und bspw. als Sänger im Chor auftreten.767 Bei den übrigen städtischen Dionysien und auch bei den Thargḗlia hingegen war ein allein aus athenischen Bürgern bestehender Chor für die Dithyramben aber vorgeschrieben,768 wohl um den Wettbewerb der Phylen nicht durch angeheuerte fremde Talente zu verzerren.769 Außerdem traten ansässige Fremde auch als Schauspieler auf, wobei es hinsichtlich ihrer Herkunft für kein im Rahmen des Dionysoskults gefeiertes Fest Beschränkungen gegeben zu haben scheint: So ist etwa ein gewisser aus Chalkis stammender Mynniskos sogar als Sieger der städtischen Dionysien des Jahres 422 überliefert.770 Auch im 4. Jahrhundert gab es nichtathenische Schauspieler, die in der Polis Starstatus besaßen.771 In diesem Zusammenhang muss aber erwähnt werden, dass sich die Möglichkeit, bei den athenischen Festspielen als Schauspieler mitzuwirken, nicht auf ansässige Fremde beschränkte, sondern auch nichtansässigen Fremden offenstand. Das schürt den Eindruck, dass es unwichtig war, woher die Schauspieler stammten, wofür ferner der Umstand spricht, dass ihre Herkunft, etwa in Form der Demenzugehörigkeit, in den meisten Fällen ungenannt bleibt.772 Schließlich gab es auch unter den Dichtern, die am Wettbewerb teilgenommen haben, nicht nur Athener: Unter den insgesamt 49 für das 5. Jahrhundert belegten Dichternamen können immerhin vier fremden Personen zugeordnet werden.773 Das sind zwar insgesamt nicht unbedingt viele, aber genug, um Zweifel an der grundsätzlichen Zulassung von Nichtathenern zum Dichterwettbewerb zu beseitigen. So konnten die Tragödiendichter Aristarchos aus Tegea und Achaios aus Syrakus sogar den ersten Platz bei den Lenaia erreichen,774 und ein gewisser Ion aus Chios belegte im Jahr 428

765 Vgl Kaiser 2007, S. 450. 766 Vgl. Wijma 2014, S. 74f. Von ansässigen Fremden übernommene Choregien sind belegt etwa in Agora Inv. I 7168 (= Hesperia 40, 1971, S. 256f), vgl. Kaimio 1999, S. 47; sowie in IG II2 141 und in Lys. 12, 20; vgl. Wijma 2014, S. 74. 767 Vgl. Kaimio 1999, S. 47. 768 And. 4, 20 sowie ähnlich Demosth. 21, 56; vgl. Kaimio 1999, S. 59. 769 Vgl. Kaimio 1999, S. 48. 770 IG II/III2 2318, Z. 119; dazu Kaimio 1999, S. 52. 771 So etwa Aristodemos aus Metapontion (Aeschin. 2, 19; Demosth. 19, 246) und Neoptolemos aus Skyros (Demosth. 5, 6–8); vgl. Kaimio 1999, S. 53f. 772 Vgl. ebd., S. 51. 773 Vgl. ebd., S. 55. 774 Zu Aristarchos: TrGF 14 T1; sowie Suda s. v. Ἀρίσταρχος; zu Achaios: TrGF 20 T1, Suda s. v. Ἀχαιός; vgl. Kaimio 1999, S. 54.

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zunächst den dritten Platz bei den Dionysien775 und fuhr später sogar einen Doppelsieg mit einer von ihm verfassten Tragödie und einem Dithyrambos ein.776 Grundsätzlich fanden sich unter den Komödiendichtern des 5. Jahrhunderts weniger Fremde als unter den Tragödiendichtern: Tatsächlich ist nur ein einziger fremder Komödiendichter als Teilnehmer eines Wettbewerbs überliefert, nämlich Hegemon aus Thasos.777 Das mag, wie Kaimio nachvollziehbar dargelegt hat, wohl auch daran gelegen haben, dass der Verfasser einer erfolgreichen Komödie umfassende Kenntnisse der und einen tiefen Einblick in die athenischen Verhältnisse benötigte, um diese angemessen aufs Korn zu nehmen.778 Ein solches Insiderwissen dürften außenstehende Fremde in der Regel nicht besessen haben. Die ansässigen Fremden mögen zwar mitunter über solche Kenntnisse verfügt haben, könnten sich aber wiederum, vielleicht auch aufgrund ihres trotz allem prekären Standes und eingedenk der von den Athenern an ihr Verhalten gestellten Erwartungen, eher in Zurückhaltung geübt haben.779 Erst im 4. Jahrhundert finden sich sukzessive auch mehr Fremde unter den Komödiendichtern. Insgesamt ist aber davon auszugehen, dass es auch auf der Ebene der Dichter keine Vorgaben hinsichtlich ihrer Herkunft gab – jeder, ob Athener oder Nichtathener, konnte ungeachtet seiner Herkunft und seines Wohnsitzes teilnehmen, was nicht zuletzt erst ermöglichte, dass Fremde die athenische Kultur erheblich beeinflussten und an vielen Stellen voranbrachten.780 III.5.3 Kultvereine und fremde Kulte in Athen Die Position der ansässigen Fremden in Athen bemisst sich freilich nicht nur nach ihrer Einbindung in die bestehenden religiösen und kultischen Strukturen ihrer neuen Heimat, sondern auch nach den Möglichkeiten, ihre eigenen fremden Kulte auszuüben und damit die kultische Landschaft Athens mitzugestalten.781 Hierbei spielten private Kultvereine eine maßgebliche Rolle, die den Fremden überhaupt erst Raum zur Ausübung ihrer heimatlichen Kulte jenseits ihrer privaten Häuser boten. Solche landsmannschaftlichen Kultverbände dienten aber nicht nur einem religiösen Zweck, sondern ergaben sich schnell als zentrale Anlaufstelle und Treffpunkt ansässiger Fremder gemeinsamer Herkunft.782 Dem Wunsch Zugewanderter, den religiösen und kulti775 776 777 778 779 780 781 782

TrGF 19, vgl. Kaimio 1999, S. 55; Ostwald 2007, S. 324. Vgl. Ostwald 2007, S. 324. Athen. 9, 406e; Athen. 15, 698c–699a; Athen. 1, 5b; vgl. Kaimio 1999, S. 58. Vgl. Kaimio 1999, S. 58; ähnlich auch Ostwald 2007, S. 323f. Dazu Kap. III.3.2.3; ähnlich auch Kaimio 1999, S. 58. Vgl. Kaimio 1999, S. 61; Ostwald 2007, S. 323. So auch schon Ostwald 2007, S. 313. Ähnlich Bäbler 1998, S. 125f; Erdtmann 2013, S. 70; Finley 2010, S. 344f. Zur sozialen Funktion der Kultvereine und anderer nichtreligiöser Zusammenschlüsse s. Kap. III.3.1.4.

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schen Sitten ihrer Heimat auch in ihrem neuen Leben in Athen einen Platz zu geben, begegneten die Athener sehr tolerant, indem sie etwa darauf verzichteten, die Bildung fremder Gruppierungen oder die Ausübung fremder Kulte zu verbieten783 oder anderweitig zu regulieren.784 Mehr noch unterstützen die Athener solche Vereine sogar: Davon zeugen vor allem die Verleihungen der énktēsis zum Zwecke eines Tempelbaus an Gemeinschaften von Fremden,785 beispielsweise an die Thraker für den Bau eines Bendis-Heiligtums786 oder an die Kitieer zur Errichtung eines Tempels für Aphrodite.787 Der Kreis der Mitglieder in diesen Kultvereinen beschränkte sich aber nicht nur auf die jeweilige Herkunftsgruppe, die den Kult nach Athen gebracht hatte, sondern schloss in vielen Fällen auch Athener mit ein. Diese im Hinblick auf Herkunft und Bürgerstatus heterogenen Zusammenschlüsse begünstigten es wiederum, dass einige fremde Kulte auch unter den Athenern populärer wurden und sich in manchen Fällen sogar zum Poliskult entwickelten.788 Die Inklusion fremder Götter in die Polisreligion beschränkt sich aber nicht auf griechische Gottheiten wie Asklepios, dessen Kult seine Wurzeln in Epidauros hatte,789 sondern umfasste auch Götter nichtgriechischen Ursprungs. Das berühmteste Beispiel hierfür ist sicherlich der Kult für die Göttin Bendis, der wohl von thrakischen Einwanderern nach Athen gebracht und ab dem späten 5. Jahrhundert sowohl von Athenern als auch von ansässigen Fremden gemeinsam ausgeübt wurde. Der Quellenbefund zeigt, dass die Göttin Bendis den Athenern bereits seit dem zweiten Drittel des 5. Jahrhunderts bekannt war,790 aber zunächst wohl nur von den Thrakern zelebriert wurde.791 Spätestens seit dem Jahr 429 war Bendis ein kleines, öffentliches Heiligtum in Athen geweiht,792 und ab dem Ende des 5. Jahrhun-

783 Vgl. Taylor 2015, S. 41; Ostwald 2007, S. 314. 784 Garland behauptet, dass fremde Kultgruppen dazu verpflichtet worden seien, ihre Beschlüsse in griechischer Sprache zu veröffentlichen (vgl. Garland 1987, S. 109); dafür gibt es aber keine Belege: Es ist zwar richtig, dass die Beschlüsse fremder Kultvereine in griechischer Sprache überliefert sind, allerdings könnte dahinter auch einfach das Bemühen dieser Gruppen stehen, sich den athenischen Gepflogenheiten anzupassen (vgl. Bäbler 1998, S. 128) oder der Notwendigkeit geschuldet sein, die Beschlüsse überhaupt für eine breite Öffentlichkeit verständlich zu gestalten. 785 Vgl. Kamen 2013, S. 52; Kears 2013, S. 80. 786 IG I3 383; IG II2 1283. 787 IG II2 337. 788 Vgl. Blok 2007, S. 315; Lambert 2010, S. 163. 789 Vgl. Blok 2007, S. 314f; Lambert 2010, S. 158; Ostwald 2007, S. 313. 790 Die früheste literarische Nennung der Bendis (vgl. Pache 2001, S. 6) geht zurück auf den Satiriker Hipponax, der in der Mitte des 6. Jahrhunderts lebte, vgl. Bowie 1998 (DNP 5), Sp. 605. Kratinos beschäftigt sich in den 440er oder 430er Jahren in seinem Stück Thraittai mit dem Bendiskult (z. B. Kratinos frgm. 85 [Kassel/Austin] = PCG IV, S. 165), vgl. Schwarze 1971, S. 64–71, wobei die genaue Datierung dieses Stücks umstritten ist, vgl. Mattingly 1977, S. 66f. Die Darstellung der Bendis findet sich auch auf Vasen aus dieser Zeit (z. B. ARV2 1023, 147, ca. 440–430), vgl. Pache 2001, S. 6 n 10; Schauenburg 1974, S. 181 mit n 129. 791 Kratinos frgm. 85 [Kassel/Austin] (= PCG IV, S. 165); vgl. Ostwald 2007, S. 313. 792 Vgl. Pache 2001, S. 7; Blok 2007, S. 315; Stoszeck 2002, S. 165. Das ergibt sich aus dem Umstand,

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derts besaß sie einen Tempel im Piraeus auf dem Munichia-Hügel.793 Zudem wurde ihr Kult wohl spätestens ab 413 jährlich im Rahmen eines Festes, den Bendideia, im Piraeus gefeiert.794 Vor allem, aber nicht nur im Zusammenhang mit der Göttin Bendis hat die Forschung die Motive hinter der athenischen ‚Willkommenskultur‘ für fremde Kulte hinterfragt. Diese wurden primär im politischen Interessensbereich verortet, denn besonders in den 30er Jahren des 5. Jahrhunderts standen die Athener im intensiven diplomatischen Austausch mit den thrakischen Königen,795 in dessen Rahmen sie sich um ein gutes und enges Verhältnis mit dieser Region bemühten.796 Während diese Deutung vor allem durch den zeitlichen Zusammenhang zwischen der Etablierung des Bendiskultes und dem intensiven diplomatischen Austausch mit Thrakien nahegelegt wird, erklärt sie nicht, warum Bendis gleich zur Polisgottheit befördert worden sein sollte: Zumindest ist zu vermuten, dass sich der gute Wille der Athener in der Akzeptanz und Förderung des Kultes, etwa durch die Verleihung der énktēsis an die Thraker, gezeigt hätte und nicht auch ihre eigene Partizipation erforderte. Ertragreicher ist es derweil, die Erklärung für die Toleranz gegenüber fremden Kulten nicht nur in der beabsichtigten Außenwirkung, sondern auch in dem gewünschten nach innen gerichteten Effekt zu vermuten: Weil die Thraker die größte in Athen lebende Gruppe ansässiger Nichtgriechen bildeten,797 könnte die intensive Einbindung einer ihrer kultischen Traditionen einfach eine Integrationsleistung der Athener gewesen sein,798 die aus der Notwendigkeit geboren war, einer so großen Gruppe von Bewohnern der Polis einen Platz innerhalb der religiösen Gemeinschaft zuzugestehen.799 Nicht zuletzt darf sicherlich vermutet werden, dass einige Kulte sich auch ohne das bewusste Zutun der Athener ausweiteten: Wenn der Bendiskult ein immer größer werdendes Publikum aus dem Kreise der Athener anzog, muss zumindest auch in Erwägung gezogen werden, dass diese Bewegung eine gewisse Eigendynamik entwickelte, die den Kult

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dass Bendis gemeinsam mit anderen (offiziellen) Gottheiten in der Aufstellung der Schätze der athenischen Heiligtümer genannt wird: IG I2 310, Z. 208; vgl. Pache 2001, S. 7. Vom Bendisheiligtum sind zwar keine baulichen Strukturen erhalten geblieben, sein Standort auf dem Munichia-Hügel kann aber aus einer ebendort gefundenen Stele, die wohl zu diesem Heiligtum gehörte (IG I3 136), und aus dem topographischen Hinweis Xenophons (Xen. Hell. 2, 4, 11) geschlossen werden. Die Datierung stützt sich auf eine Bemerkung in Platons Politeía, in der Sokrates wohl aus Neugier die ersten Bendideia besuchte (Plat. Pol. 327a), jedoch ist strittig, ob dieses Ereignis bereits im Jahr 429 oder erst im Jahr 413 stattgefunden hat; zur Datierungsproblematik vgl. Planeaux 2000 passim, der für die frühe Datierung plädiert (vgl. ebd., S. 182f). Vgl. Lambert 2010, S. 161; von Reden 1995, S. 31. Thuk. 2, 29. Siehe S. 90. Ähnlich Vlassopoulos 2007, S. 38. Ähnlich Lambert 2010, S. 172; dagegen von Reden 1995, S. 32, die behauptet, dass die Akzeptanz fremder Kulte nicht zu einer Verbesserung der Beziehung Athens zu den ansässigen Fremden geführt habe.

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ohne gezieltes Eingreifen der Athener zu einem polisweiten Phänomen werden ließ. Die Promotion zum Poliskult wäre so nicht eine berechnete Maßnahme der Athener gewesen, sondern das Resultat einer schleichenden Entwicklung. III.5.4 Fazit: Ansässige Fremde im religiösen Bereich Im vorangegangenen Kapitel standen die kultischen und religiösen Aspekte des Lebens ansässiger Fremder in Athen im Zentrum der Betrachtungen. Obwohl es für sie auch hier Einschränkungen gab, wie der Ausschluss von Priesterämtern in Poliskulten, konnte gezeigt werden, dass sich ansässigen Fremden in Athen zahlreiche Partizipationsmöglichkeiten in Kult und Religion boten. So nahmen ansässige Fremde an Festumzügen im Rahmen der Panathenäen teil, beteiligten sich als chorēgoí an den Lenaia, wo sie auch als Schauspieler und Sänger auf der Bühne auftraten, und nahmen zudem als Autoren von Tragödien und Komödien am Wettbewerb bei den großen Dionysien teil. Hinzu tritt, dass ansässige Fremde auch die religiöse und kultische Landschaft in Athen selbst prägten, indem sie ihre eigenen heimatlichen Kulte ausübten, welche von den Athenern sogar bisweilen übernommen wurden. Ganz besonders hervorzuheben ist der Umstand, dass insbesondere im Bereich von Kult und Religion eine deutliche Unterscheidung zwischen ansässigen und nicht-ansässigen Fremden festzustellen ist: So steht die Teilnahme am Festumzug der Panathenäen oder an Teilen der Lenaia nur den Fremden offen, die zu den Bewohnern Athens gehörten. Dies signalisiert sowohl den Fremden selbst wie auch allen Außenstehenden den zentralen Platz, den sie zumindest auf religiöser Ebene in der Gemeinschaft der Athener einnahmen. So bot die Ausübung von Kult und Religion einerseits die Gelegenheit, das Gemeinschaftsgefühl von bürgerlichen und nichtbürgerlichen Bewohnern Athens zu stärken800 und sich als Polisgemeinschaft nach außen zu definieren.801 Dabei war es unerheblich, ob die ansässigen Fremden im konkreten Fall von den Bürgern abgegrenzt wurden, etwa durch die Objekte, die sie trugen, oder auf Augenhöhe mit den Bürgern agierten, etwa in der chorēgía – wichtig war, dass sie durch ihre bloße Anteilnahme auf der religiösen Ebene als Zugehörige, als Insider, markiert wurden, die – zumindest bis zu einem gewissen Grade – Anteil an den hósia nehmen konnten.

800 So auch schon Wijma 2014, S. 65; Maurizio 1998, S. 315. 801 Vgl. auch Guettel Cole 1995, S. 317.

Rechtsangelegenheiten

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III.6 Rechtsangelegenheiten Wenigstens in frühester Zeit befassten sich die athenische Gesetzgebung und Rechtsprechung vor allem mit dem Funktionieren des Staates und der Regulierung der Aktionen seiner Handlungsträger.802 Die Ohnmächtigen, unter ihnen auch die ansässigen und nichtansässigen Fremden, blieben dabei weitgehend unbeachtet mit der Folge, dass sie sich in einer Position deutlicher Rechtsunsicherheit befanden.803 Der Zustrom nichtansässiger und ansässiger Fremder im 5. und 4. Jahrhundert führte schließlich zu einer Ausdifferenzierung des Rechts,804 die diese Rechtsunsicherheit zwar nicht vollständig beseitigte, aber zumindest deutlich reduzierte. So hat die Forschung öfter darauf hingewiesen, dass sich Fremde, ob ansässig oder nicht, vielfach immer noch in einer zumindest prekären Rechtslage befunden haben.805 Dabei wurde vor allem auf die im Folgenden besonders zu betrachtende Schlechterstellung der ansässigen Fremden im Bereich des Strafrechts verwiesen, sowohl hinsichtlich der für sie vorgesehenen Strafen wie auch der für ein an ihnen begangenes Unrecht verhängten Strafen.806 Diese Behauptung einer prekären Rechtslage wird im folgenden Kapitel zu prüfen sein, wobei gezeigt werden wird, dass sie für die ansässigen Fremden nur im Vergleich mit dem Bürger besteht, denn ein ansässiger Fremder genoss in Athen den zunächst einmal vorteilhaften Stand einer vom Recht überhaupt anerkannten Person:807 Er konnte Klagen einreichen, wenn ihm Unrecht getan wurde, und hatte seinerseits wiederum das Recht auf eine Gerichtsverhandlung, wenn ihm ein Unrecht vorgeworfen wurde. Um ansässigen Fremden diesen Zugang zu ermöglichen, gab es nicht nur eigens für ihre rechtlichen Belange zuständige Beamte und Gerichte, sondern auch spezielle Gerichtsverfahren, welche den Besonderheiten ihres Standes Rechnung trugen. Inwiefern sich der ansässige Fremde in den Gerichten, als klassische Domäne des Bürgers,808 bewegen und in ihrem Rahmen handeln konnte, wird im Folgenden zu besprechen sein.

802 Dazu vgl. Avilés 2011, S. 1 und S. 7f; ähnlich auch Osborne 2000a, S. 86. 803 Geschützt waren die Fremden allenfalls durch sakrale Vorgaben, wie das Gebot der Gastfreundschaft: So stand jeder Fremde grundsätzlich unter dem Schutz des Zeús xénios bzw. des Zeús hikésios; vgl. Stelzer 1971, S. 105. 804 Vgl. Brandt 1992, S. 197f; Erdtmann 2013, S. 61; Meyer 2010, S. 48. 805 Vgl. u. a. Coşkun 2014, S. 86; Akrigg 2015, S. 155; Dreher 1996, S. 81; Fisher 2010, S. 339; Hunter 2000, S. 15; Meyer 2010, S. 48f; Stelzer 1971, S. 105; Whitehead 1977, S. 96; Kears 2013, S. 81; Weiler 1989, S. 56f. 806 Vgl. Saunders 1994, S. 238; MacDowell 1963, S. 126; Meyer 2010, S. 49; Hunter 2000, S. 18; Dimopoulou-Poulomi 2008, S. 34. 807 Ähnlich auch schon Hunter 2000, S. 17; Patterson 2000, S. 93. 808 Vgl. Cohen 2000, S. 18; Todd 1997, S. 114; Lanni 2006, S. 34.

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Extrinsische Merkmale

III.6.1 Auftreten der Fremden vor Gericht Mit der Übersiedelung nach Athen und mit der Registrierung als ansässiger Fremder erhält der Betreffende einen Rechtsstand in Athen, der ihn vom bloßen Besucher unterscheidet.809 Um die Kompetenzen der ansässigen Fremden im Rechtsgefüge der Polis zu verorten, muss zunächst gefragt werden, welche Rollen ansässige Fremde überhaupt im gerichtlichen Kontext einnehmen konnten. Dabei ist zuvorderst ihr Ausschluss vom Richteramt zu nennen: Da sie grundsätzlich keine Polisämter bekleiden konnten,810 durften ansässige Fremde nicht als Richter auftreten und waren darüber hinaus auch als Geschworene unzulässig. Die Rechtsprechung, dikázein, lag so allein in der Hand der Bürger.811 Umso mehr traten ansässige Fremde als nicht unmittelbar an einem Verfahren Beteiligte vor Gericht als Redenschreiber in Erscheinung:812 Der zehn Personen umfassende Kanon der klassischen attischen Redner beinhaltete immerhin drei ansässige Fremde, nämlich den in Syrakus geborenen Lysias,813 Deinarchos aus Korinth814 und Isaios, der seine Wurzeln in Chalkis hatte.815 Auch der häufig als elfter zum Rednerkanon zugerechnete Apollodor816 war ‚nur‘ ein naturalisierter Athener, der das athenische Bürgerrecht erst dank seines Vaters Pasion erhalten hatte.817 III.6.1.1 als Angeklagte In Athen lebende Fremde hatten sich grundsätzlich den athenischen Gesetzen zu unterwerfen, wie aus Lysias’ Kreuzverhör der Getreidehändler zweifelsfrei hervorgeht.818 Klagen gegen sie waren dabei wohl grundsätzlich dem árchōn polémarchos vorzutragen, der für alle Rechtsfälle zuständig war, in die Fremde involviert waren.819 Dieser wiederum sammelte die gegen Fremde und von Fremden hervorgebrachten Klagen und verteilte sie dann per Los an die Phylen, in denen die eigentlichen Verhandlungen 809 810 811 812 813 814 815 816 817 818

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Ähnlich Burford 1972, S. 36; Whitehead 1977, S. 89. Vgl. Kap. III.4.1. Vgl. u. a. Whitehead 1977, S. 96. Vgl. Cohen 2000, S. 18; Hansen 1991, S. 277. Lys. 12, 4. Dion. Hal. Deinarch. 633. Die Herkunft des Isaios ist in den Quellen umstritten (Dion. Hal. Is. 586); die Forschung geht aber mehrheitlich davon aus, dass Isaios kein Athener war, vgl. Weißenberger 1998 (DNP 5), Sp. 1115. Vgl. z. B. Cohen 2000, S. 112. Dazu S. 361. Lys. 22, 5: Καὶ πρῶτον μὲν ἀνάβηθι. εἰπὲ σὺ ἐμοί, μέτοικος εἶ; ‚ναί.‘ μετοικεῖς δὲ πότερον ὡς πεισόμενος τοῖς νόμοις τοῖς τῆς πόλεως, ἢ ὡς ποιήσων ὅ τι ἂν βούλῃ; ‚ὡς πεισόμενος‘. (Zuerst nun tretet auf das Podium, ihr Getreidehändler! „Du, sag mir, bist du Eingewanderter?“ – „Ja.“ – „Lebst du als Eingewanderter entsprechend den Gesetzen unserer Stadt, oder tust du, was immer dir beliebt?“ – „Ich gehorche den Gesetzen.“ griech. Text: Carey, Übers.: Huber). Aristot. Ath. Pol. 58, 2.

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stattfanden.820 Handelte es sich um ein apostasíu- oder um ein aprostasíu-Verfahren,821 führte der árchōn polémarchos selbst den Vorsitz der Verhandlung.822 Das persönliche Erscheinen des (potenziellen) Angeklagten vor dem árchōn polémarchos ist bei der Anzeige wohl eine Notwendigkeit gewesen:823 So macht sich der Sprecher von Lysias 23. Rede selbst die Mühe, seinen Kontrahenten Pankleon an dessen Arbeitsstelle aufzusuchen und vor den árchōn polémarchos zu zitieren.824 Ähnlich sorgt auch der Ankläger des Sprechers von Isokrates zwölfter Rede – wohl sogar unter Gewaltanwendung – für dessen persönliches Erscheinen.825 Der Grund für das persönliche Erscheinen der ansässigen Fremden vor dem árchōn polémarchos ist am ehesten in einer Besonderheit der Anklageerhebung zu finden: Anders als Bürger hatten die ansässigen Fremden nämlich eine Kaution bzw. eine Bürgschaft zu hinterlegen, wenn sie sich einer Klage ausgesetzt sahen.826 Es liegt nahe zu vermuten, dass damit sichergestellt werden sollte, dass sich der Betreffende nicht aus dem Staub machte, sobald er von der gegen ihn vorgebrachten Klage erfuhr: Schließlich war es für ansässige Fremde, deren Besitz sich notgedrungen nur auf mobiles Eigentum beschränkte, viel einfacher, ihr Hab und Gut zusammenzupacken und das Weite zu suchen.827 Dafür spricht auch, dass der Betreffende, falls er die geforderte Kaution nicht aufbringen konnte, in Haft genommen wurde.828 Die Verhandlung selbst konnte aber problemlos auch ohne den beklagten ansässigen Fremden stattfinden.829 Darüber, ob ein ansässiger Fremder, der sich einer Klage ausgesetzt sah, aufgrund seines fehlenden Bürgerstatus von vornherein benachteiligt war, hat die Forschung viele Vermutungen angestellt. So hält sich die Behauptung hartnäckig, dass es ihnen in den meisten Fällen, aufgrund des Fehlens ausgedehnter familiärer Strukturen oder überhaupt eines breiten sozialen Netzwerks, schwerer gefallen sein dürfte, Leumundszeugen zu präsentieren oder generell Personen, die vor Gericht zu ihren Gunsten aussagten.830 Diese Pauschalbehauptung ist grundsätzlich zurückzuweisen, weil die Netzwerke der ansässigen Fremden durchaus in alle Schichten der Bürgergemeinschaft

820 821 822 823 824 825 826 827

Aristot. Ath. Pol. 58, 2. Zum Inhalt dieser Verfahren s. im Abschnitt III.6.2.3 dieses Kapitels. Aristot. Ath. Pol. 58, 3. Das vermutet auch Hunter 2000, S. 21. Lys. 23, 2. Isokr. 17, 12; ähnlich auch im Fall der Zobia, Demosth. 25, 57. Isokr. 17, 12. Vgl. Hunter 2000, S. 22; Whitehead 1977, S. 93; Saunders 1994, S. 236. Hunter gibt in diesem Zusammenhang zu bedenken, dass besonders im Falle von ansässigen Fremden, die schon lange in Athen lebten, auch die gefühlte Verbundenheit mit Athen die Betroffenen von einer Flucht hätte abhalten sollen, vgl. Hunter 2000, S. 22. 828 Vgl. Demosth. 32, 29. 829 So geschehen etwa im Fall des Pankleon, der wohl schon vor einer anderen Verhandlung Reißaus genommen hatte: Lys. 23, 15. 830 Vgl. Patterson 2000, S. 94 sowie S. 1; Kamen 2013, S. 49; Dazu auch Kap. III.3.1.3.

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reichen konnten, umso mehr, wenn sie vielleicht schon eine gewisse Zeit in Athen verbracht haben,831 aber sicherlich ist es zumindest nicht unwahrscheinlich, dass der ‚durchschnittliche‘ in Athen lebende Fremde solche Kontakte nicht hatte. Ein echtes Problem stellt in diesem Zusammenhang aber nicht nur das Auffinden von Fürsprechern dar, sondern der gesamte Schauplatz des Gerichts: Die Verteilung der Fälle an die Phylen durch den árchōn polémarchos per Los832 hat nämlich zur Folge, dass das Schicksal eines ansässigen Fremden eben nicht von den eigenen Phylengenossen, und das heißt im Falle der Bürger Freunde, Verwandte, in vielen Fällen auch Nachbarn, entschieden wurde, sondern überwiegend von gänzlich Unbekannten.833 Dass ihm diese aufgrund dessen im positiven und negativen Sinne gänzlich unvoreingenommen gegenübertraten, mag nicht immer von Vorteil gewesen sein. Sicherlich nicht ganz von der Hand zu weisen ist auch, dass ansässige Fremde durchaus ein leichtes Ziel waren: Zwar wurde ein ansässiger Fremder aufgrund seiner nicht-athenischen Abstammung nie pauschal als unglaubwürdig abgestempelt, aber die nicht-athenische Herkunft bot dem Gegner vor Gericht nichtsdestotrotz einiges Material zur Diffamierung:834 So sehr der ansässige Fremde in vielen Bereichen als Insider galt, trat er als Nichtathener nicht als Gleicher vor Gleiche.835 Das galt umso mehr, aber eben auch nicht pauschal, wenn es sich bei ihm auch noch um einen Freigelassenen handelte.836 Von einer zumindest prekären Stellung vor Gericht zeugt nicht zuletzt der Umstand, dass der Sieg eines Bürgers gegen einen Fremden anscheinend nicht als besondere Leistung bewertet wurde,837 wohl auch weil die Begegnung zwischen Bürgern und Nichtbürgern vor Gericht als ein (zugunsten des Erstgenannten) ungleicher Kampf empfunden wurde.838 Weiterhin lohnt es sich, einen Blick auf die Strafen zu werfen, die den ansässigen Fremden für verschiedene Delikte im Fall eines Schuldspruchs erwarteten. Dabei ist grundsätzlich davon auszugehen, dass alle Strafen, die einen Athener treffen konnten, auch einem ansässigen Fremden auferlegt werden konnten. Umgekehrt war dies aber nicht der Fall: So war für ansässige Fremde die Hinrichtung durch ein Standgericht bei graphaí möglich,839 während Bürger nur mit einem Gerichtsbeschluss exekutiert werden konnten.840 Gleiches gilt für den Verkauf in die Sklaverei, denn während die 831 832 833 834 835 836 837 838 839 840

Dazu Kap. III.3.1.1. Aristot. Ath. Pol. 58, 2. Vgl. Patterson 2000, S. 94 und ähnlich S. 98. Vgl. dazu Kap. II.1. Vgl. Seager 1966, S. 182; Whitehead 1977, S. 96; Zelnick-Abramovitz 2005a, S. 315. Demosth. 18, 129f; ähnlich auch Demosth. 21, 149; vgl. Cohen 2000, S. 112; Kears 2013, S. 221; Isaac 2004, S. 355; Trevett 1992, S. 125. So wird dem Wursthändler bei Aristophanes klargemacht, dass er noch lange nichts vom Recht verstehe, nur weil er ein paar Klagen gegen Fremde gewonnen habe; Aristoph. Hipp. 345–350. Ähnlich auch schon Ostwald 2000, S. 77f. Isokr. 17, 42. Aristot. Ath. Pol. 45, 1.

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Gesetze Solons den Abstieg eines Bürgers in den Sklavenstand unmöglich machten,841 war der Verkauf ansässiger Fremder in die Sklaverei die vorgesehene Strafe für mehrere Delikte. Dieser drohte bspw. bei Anmaßung des Bürgerrechts,842 Heirat mit einem Athener oder einer Athenerin843 oder der versäumten Zahlung des metoíkion.844 Anders als bisweilen in der Forschung behauptet,845 drohte der Verkauf in die Sklaverei unabhängig davon, ob es sich bei dem zu bestrafenden ansässigen Fremden um einen Freigelassenen oder um einen Freigeborenen handelte: So geht zumindest aus den Quellenstellen, die den Verkauf in die Sklaverei als Strafe für ein bestimmtes Vergehen vorsehen, nicht hervor, dass diese Strafe abhängig von der freien oder unfreien Geburt einer Person verhängt wurde.846 Abgesehen von den Strafen, die ihnen auferlegt werden konnten, hat die Forschung stellenweise ein höheres Strafmaß für Nichtbürger als für Bürger für ein und dasselbe Vergehen konstatiert.847 Diese Behauptung dürfte dem Umstand geschuldet sein, dass es für sie schlichtweg mehr Gelegenheiten gab, straffällig zu werden: So konnte ein Bürger gar nicht wegen eines fehlenden prostátēs, Nichtzahlens des metoíkion oder Anmaßung des Bürgerrechts straffällig werden. Weil es sich dabei aber gleichzeitig auch um diejenigen Vergehen handelte, für die besonders hohe Strafen verhängt wurden, ergibt sich der falsche Eindruck eines höheren Strafmaßes für ansässige Fremde als für Bürger. Eine potenzielle, gesetzlich festgelegte Ungleichbehandlung ist dagegen nur in einem Bereich belegt, nämlich bei der Heirat zwischen Bürgern und Nichtbürgern: Hier zahlt der Bürger für die Eheschließung mit einer Fremden nur einen zugegebenermaßen nicht unerheblichen Geldbetrag, während der Fremde für die Eheschließung mit einer Bürgerin in die Sklaverei verkauft werden kann.848 Zu bedenken ist hier aber, dass es sich dabei nicht um genau das gleiche Vergehen handelt: Schließlich überschreitet der ansässige Fremde durch die Eheschließung mit einer Bürgerin die Grenze zwischen Bürgern und Nichtbürgern – im Kern eine Anmaßung des Bürgerrechts –, während der Bürger im umgekehrten Fall diese Überschreitung allenfalls zulässt.849 Das unterschiedliche Strafmaß ist damit nicht im Status der Delinquenten, sondern

841 842 843 844 845 846

Dazu Kap. I.2.1, vgl. Todd 1993, S. 181; Hunter 2000, S. 18. Aristot. Ath. Pol. 42, 1. Demosth. 59, 16, dazu Kap. II.4.3. Demosth. 25, 57–58; vgl. Kap. III.2.1.1. Vgl. bspw. Dimopoulou-Piliouni 2008, S. 34; Finley 1981, S. 148. Dagegen: Coşkun 2014b, S. 26, der aus Aristot. Ath. Pol. 42, 1 ableitet, dass die Strafe des Verkaufs in die Sklaverei nur Unfreie getroffen habe. Hier handelt es sich aber nur um eines von vielen Vergehen, für das der Verkauf in die Sklaverei vorgesehen war, sodass diese Einzelaussage nicht als grundlegend betrachtet werden kann. Etwa im Hinblick auf das Heiratsrecht wird kein Unterschied zwischen Freigeborenen und Freigelassenen gemacht, sondern beide werden für die Heirat mit einer Bürgerin/einem Bürger in die Sklaverei verkauft, dazu Kap. II.4.3. 847 U. a. Saunders 1991, S. 334–348; Hunter 2000, S. 23–26. 848 Demosth. 59, 16. 849 Dazu auch Kap. II.4.3.

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in der Verschiedenheit ihrer Vergehen begründet. Dabei sieht das athenische Recht für die ansässigen Fremden grundsätzlich besonders harte Strafen für Vergehen vor, die als eine Überschreitung der Grenze zwischen Bürgern und Nichtbürgern gedeutet werden könnten: Neben der Heirat außerhalb der eigenen Statusgruppe gehört dazu das Versäumnis der Zahlung des metoíkion oder das Fehlen eines prostátēs.850 Davon unberührt bleibt die Möglichkeit, Fremde in der rechtsprechenden Praxis mit härteren Strafen als Bürger zu bedenken, die den Gerichten sicherlich im jeweiligen Einzelfall offen stand; aber es deutet nichts auf eine gesetzlich zwingend festgelegte Ungleichbehandlung von Bürgern und ansässigen Fremden hin.851 Zwischen Bürgern und ansässigen Fremden oder innerhalb der Gruppe der ansässigen Fremden wurden so hinsichtlich des Strafmaßes keine Unterschiede gemacht, wohl aber zwischen freien und unfreien Personen: Es gibt nämlich einige Belege dafür, dass das Gesetz in der Tat eine härtere Bestrafung von Sklaven als von persönlich Freien für manche Vergehen vorsah. Die unterschiedliche Bestrafung besteht dabei vorwiegend in der Anwendung der Prügelstrafe für Unfreie, während freie Personen mit dem Zahlen einer Geldstrafe davonkamen.852 III.6.1.2 als Kläger Ansässige Fremde hatten grundsätzlich das Recht, ein an ihnen verübtes Unrecht als Kläger vor einem athenischen Gericht anzuzeigen und damit eine Privatklage (díkē) anzustrengen. Diese Kompetenz unterschied sie einerseits von Sklaven,853 andererseits aber auch von Fremden ohne Rechtsstand in Athen.854 Es besteht kaum Zweifel daran, dass der árchōn polémarchos, ähnlich wie Klagen gegen ansässige Fremde, auch die von ihnen vorgetragenen Klagen annahm,855 wie eine Stelle in Aristoteles Athenaíōn politeía

850 Vgl. Hunter 2000, S. 19. 851 Ähnlich auch schon Saunders 1994, S. 107. 852 Demosth. 22, 54–55. IG II2 1362 überliefert ein Gesetz, das die Bearbeitung von Holz, etwa in Form von Schnitzereien, im Heiligtum des Apollon verbietet. Ein zuwiderhandelnder Sklave ist mit 50 Peitschenhieben zu bestrafen (Z. 9–10), ein Bürger mit der Zahlung von 50 Drachmen (Z. 14–15). Ähnliche Bestimmungen über Peitschenhiebe für Sklaven und Geldstrafe für Freie bei gleichem Vergehen finden sich auch in IG II2 380 sowie in SEG 26, 72; vgl. Hunter 2000, S. 8; zur Stigmatisierung von Sklaven durch Anwendung der Prügelstrafe vgl. Kucharski 2021, S. 29. 853 Vgl. Hunter 2000, S. 17. Ein Sklave war in Athen keine Person sui iuris, sondern stand unter der Vormundschaft seines Herrn. Entsprechend konnte der Sklave ein gegen ihn geübtes Unrecht nicht selbst anzeigen; Plat. Gorg. 483 a–b; ähnlich auch Demosth. 53, 20. 854 Auch nichtansässige Fremde konnten eine Rechtssfähigkeit in Athen haben, etwa wenn sie Bürger einer Polis waren, die über ein mit Athen geschlossenes Symbolon verfügte (dazu Kap. II.7.1); dazu auch Mack 2015, S. 73; Whitehead 1977, S. 91. 855 Vgl. Henry 1983, S. 164f.

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überliefert.856 Eine Bemerkung in der Rede des Demosthenes gegen Zenothemis ist ein weiterer Beleg dafür, dass ansässige Fremde sich mit ihren Klagen an den árchōn polémarchos zu wenden hatten.857 Diese Bemerkung stellt auch das einzige überlieferte Beispiel einer von einem Fremden hervorgebrachten Privatklage dar,858 allerdings handelt es sich hier um eine vom Sprecher aufgeführte rein hypothetische Handlungsoption seines Gegenübers nd nicht um eine tatsächlich eingereichte Klage. Nichtansässige Fremde hatten grundsätzlich wohl keinen Zugang zum árchōn polémarchos, konnten diese aber durch gesonderte Erlaubnis der Polis erlangen.859 Während die Kompetenz eines ansässigen Fremden, eine díkē hervorzubringen, in der Forschung weitgehend unumstritten ist, wurde in den Beiträgen der vergangenen Jahre recht kontrovers diskutiert, ob dies auch auf graphaí zutraf. Dabei handelte es sich um öffentliche Klagen, in denen der Kläger – anders als im Falle der díkē – nicht ein an ihm selbst verübtes Unrecht anzeigt, sondern ein Vergehen, das der Gemeinschaft einen kollektiven Schaden zufügte. Dessen eingedenk hat David Whitehead die Vermutung geäußert, dass ansässige Fremde zwar ihre eigenen Interessen vertreten konnten, aber nicht die Interessen der Gemeinschaft.860 In der Folge konnten von ihnen zwar díkai, aber keine graphaí vor Gericht gebracht werden. Die Auffassung, dass das übliche, den Kreis der potenziellen Kläger einer graphḗ beschreibende ho bulómenos ansässige Fremde nicht einschloss, sondern sich nur auf Athener bezog, geht mit dieser Deutung konform.861 Explizit belegt ist die Notwendigkeit eines aus den Reihen der Athener stammenden Anklägers allerdings nur in den beiden Fällen einer xenías graphḗ 862 und einer hýbreōs graphḗ.863 Demgegenüber steht allerdings ein Fall, in dem ein nichtansässiger Fremder864 eine graphḗ vorbringt: So hat der in Demosthenes Rede gegen Neaira benannte Epainetos aus Andros wohl eine graphḗ adíkōs heírchthēnai, die im heutigen Verständnis einer Klage wegen Freiheitsberaubung am nächsten kommt, gegen Stephanos angestrengt.865 Dieser Umstand macht es zumindest notwendig zu erwägen, ob Fremde wirklich 856 Aristot. Ath. Pol. 58, 2, vgl. Kears 2013, S. 81. Zur Frage, inwiefern Ansässige dabei der Vermittlung ihres prostátēs bedurften, vgl. Kap. III.8.1. 857 Vgl. Demosth. 32, 29: εἰ γὰρ μὴ δι᾿ ὑμῶν ἔρημος ἐγίγνετο ἡ δίκη, ἅμα ἂν αὐτὸν προσεκαλοῦ καὶ κατηγγύας πρὸς τὸν πολέμαρχον (Wenn nämlich der Rechtsspruch nicht in eurem Sinne gewesen wäre, hättet ihr ihn verhaftet und vor dem árchōn polémarchos angeklagt). 858 Vgl. Todd 1993, S. 196. 859 So etwa in IG I3 19, Z. 2–7 und IG I3 24, Z. 4–9; vgl. Henry 1983, S. 164. Das Recht, ein Anliegen beim árchōn polémarchos vortragen zu dürfen, war eventuell auch in der isotéleia einbegriffen, dazu Kap. III.7.2. 860 Vgl. Whitehead 1977, S. 94. 861 Vgl. z. B. Kamen 2013, S. 49; Todd 1993, S. 196; Mitchell/Rhodes 1996, S. 24f; Thür 1998b (DNP 4), Sp. 1207. 862 Dazu weiter unten in diesem Kapitel. 863 Demosth. 21, 47. 864 Epainetos war zwar regelmäßiger Besucher Athens, lebte aber wohl nicht dort: Demosth. 59, 64. 865 Demosth. 59, 66; vgl. Kamen 2013, S. 49; Todd 1993, S. 196.

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grundsätzlich von der Erhebung einer graphḗ ausgeschlossen waren.866 Whitehead hat, bezugnehmend auf die Arbeiten von Robin Harrison, vorgeschlagen, dass ansässige Fremde graphaí bei Vergehen vorbringen konnten, bei deren Klärung ihre Aussagen entscheidend waren.867 Entsprechend dieser Deutung wäre es denkbar, dass ansässige Fremde auch eine aprostasíu graphḗ vorbringen konnten.868 Eingedenk des Umstandes, dass andere ansässige Fremde als Peergroup des potenziellen Verbrechers wohl den größten Kreis von Informanten bildeten, deren Mithilfe sich die Athener vielleicht nicht entgehen lassen wollten, ist dieser Vorschlag durchaus plausibel. Dafür spricht nicht zuletzt, dass die aprostasíu graphḗ vom árchōn polémarchos selbst bearbeitet wurde – also von demjenigen Beamten, zu dem die ansässigen Fremden ohnehin direkten Zugang hatten und vor dem sie ihre Klagen vorzutragen hatten.869 Ein Spezialfall von Fremden als Kläger vor Gericht ergab sich im Falle des Mordes an einem Fremden. Diese Straftat wurde nämlich nicht wie die vorsätzliche Tötung eines Bürgers vor dem Areopag verhandelt, sondern wie die nichtvorsätzliche Tötung von Bürgern vor dem am Palladion tagenden Gremium.870 Diese örtliche Varianz bedeutete dabei mehr als nur einen Wechsel des Schauplatzes, sondern wirkte sich auf das Strafmaß aus: Während der Areopag die Todesstrafe verhängen konnte, konnte ein beim Palladion Angeklagter höchstens zum Exil verurteilt werden.871 Damit wurde der Mord an einem Nichtathener nicht mit dem Tode, sondern höchstens mit Exil bestraft, während der Mord an einem Bürger die Todesstrafe bedeuten konnte. Diese ungleichen Strafmaße dienten in der Forschung mehrfach als Paradebeispiel einer juristischen Benachteiligung ansässiger Fremder gegenüber den Bürgern.872 So konstatierte Cynthia Patterson, dass die unterschiedliche Strafe für Mord an Bürgern und Fremden den gesetzlichen Schutz ansässiger Fremder nicht nur ungleich, sondern wertlos erscheinen lasse.873 Dem ist allerdings entgegenzuhalten, dass die Exilierung eines Bürgers keineswegs eine unerhebliche oder gar milde Strafe war: Überhaupt gab es wohl kaum einen beklagenswerteren Zustand, als von und aus der eigenen Stadt ausgeschlossen und verbannt worden zu sein.874 Das gilt umso mehr, weil ein gerichtlich verhängtes Exil, anders als etwa ein politisches, ein lebenslanges und ohne Chance

866 867 868 869 870 871 872

So auch Kears 2013, S. 82; Todd 1993, S. 196; Whitehead 1977, S. 94. Vgl. Whitehead 1977, S. 94, bezugnehmend auf Harrisson 1968, S. 197f. So auch schon Meyer 2010, S. 73f, dazu auch weiter unten in diesem Kapitel. Vgl. Kamen 2013, S. 49. Aristot. Ath. Pol. 57, 3. Demosth. 23, 71–72; Vgl. Whitehead 1977, S. 93; Kamen 2013, S. 48; Lanni 2006, S. 76f. Vgl. Garland 2014, S. 158; Kamen 2013, S. 49; Kears 2013, S. 86; Patterson 2000, S. 100f; Whitehead 1977, S. 94; Saunders 1994, S. 107. 873 Patterson 2000, S. 101: „The protection given to the metic person in Athenian law appears not only unequal but also dangerously hollow.“ 874 Vgl. Garland 2014, S. 137.

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auf Rückkehr war.875 Es ist sicherlich richtig, dass die Bestrafung für einen Mord an einem Bürger mit dem Tode als höher einzustufen ist als das Exil für den Mord an einem Nichtbürger, zumal erstere auch mit der Konfiszierung des gesamten Vermögens des Beschuldigten einherging und so wirtschaftlichen Schaden auch für folgende Generationen nach sich zog.876 Das macht die Verbannung aber noch lange nicht zu einer milden Strafe und den Mord an einem Fremden zu einem als Kavaliersdelikt bewerteten Verbrechen. Abgesehen vom Strafmaß ist der Mord an einem ansässigen Fremden auch hinsichtlich der Klageberechtigten ein Spezialfall. Grundsätzlich galt jede Mordanklage nämlich als eine privatrechtliche Angelegenheit (díkē), die ausschließlich von der geschädigten Partei, im konkreten Fall der Familie des Getöteten,877 vorzutragen war. Das konnte bei ansässigen Fremden ohne familiäre Strukturen zu einem Problem werden,878 insbesondere wenn es sich um Freigelassene handelte, deren Verwandte vielleicht noch Sklaven und als solche keine klageberechtigten Personen waren.879 In diesen Fällen gäbe es keinen, der eine Klage erheben dürfte, und der Mord an einem Fremden bliebe so ungestraft. Zu dem Schluss, dass die Schuldigen in einer solchen Konstellation deshalb regelmäßig ungestraft bleiben, kommt Alexander Tulin.880 Eingedenk dessen, dass dies aber ein erhebliches Defizit im Rechtsschutz ansässiger Fremder darstellen würde, gab es in der Forschung einige Überlegungen, ob in solchen Fällen der Kreis potenzieller Kläger nicht auch über die Verwandtschaft hinaus reichen konnte. Als locus classicus in dieser Frage gilt ein in der 47. Rede des Demosthenes überlieferter Fall, in welchem unter anderem auf den Mord an einer Freigelassenen eingegangen wird, die als Kollateralschaden einem Zwist zwischen dem Sprecher und seinem langjährigen Widersacher zum Opfer fiel.881 In dem Versuch, ihren Tod nicht

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Vgl. McKechnie 1989, S. 22. Demosth. 23, 45. Vgl. Tulin 1996, S. 16; Whitehead 1977, S. 93. Vgl. Patterson 2000, S. 100. Ähnlich auch ebd. Vgl. Tulin 1996, S. 106: „If there was no family around to prosecute there simply would have been no trial – and that was that.“, ähnlich auch Kamen 2013, S. 48. 881 Die Rede gegen Euergos und Mnesibulos (Demosth. 47) beschäftigt sich mit dem Vorwurf der Falschaussage, wobei in einem Großteil der Rede der schlechte Charakter der Beklagten und ihre früheren Vergehen im Zentrum der Ausführungen des Sprechers stehen (Demosth. 47, 4–18). Die entsprechende Falschaussage wurde wohl in einem sehr verworrenen Rechtsstreit getätigt, den der Sprecher mit einem alten Konkurrenten, Theophemos, um eine Geldforderung führte (Demosth. 47, 19–25). In dessen Verlauf drang besagter Theophemos in das Haus des Sprechers ein und versuchte, sich unter dem Vorwand der Begleichung von Schulden Eigentum des Hausherrn unter den Nagel zu reißen (Demosth. 47, 53). Bei dem Versuch, diesem Übergriff Widerstand zu leisten, erlitt die ehemalige Amme des Sprechers, die von seinem mittlerweile verstorbenen Vater freigelassen worden war, schwere Verletzungen (Demosth. 47, 55–59), denen sie wenige Tage später erlag (Demosth. 47, 67).

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ungesühnt zu lassen, sucht der Sprecher Rat bei den Exegeten.882 Diese bedeuten ihm, den vermeintlichen Mörder nicht selbst vor Gericht zu bringen, sondern Anklage gegen Unbekannt zu erheben, da er keine geeigneten Zeugen vorbringen könne,883 und belehrten ihn, dass er auch vor dem Archonten884 nicht klagen könnte, da er kein Verwandter oder Herr des Opfers war.885 Der abschließende Rat der exēgētaí auf eine Klage überhaupt zu verzichten, wird von ihnen damit begründet, dass der Sprecher die Klage vor dem Palladion nur unter Meineid hervorbringen könnte.886 Es gibt zwei mögliche Optionen, worin dieser Meineid hätte bestehen können: Erstens, wie von Tulin geschlussfolgert, hätte der Sprecher über seine Berechtigung lügen können, den Mord an der Freigelassenen seines Vaters anzuzeigen. So hätte er bspw. ihre Freilassung bestreiten und sich als ihr Herr ausgeben können, der in so einem Falle eine Klage hätte einreichen dürfen.887 Das würde darauf hindeuten, dass der Mord an der Freigelassenen andernfalls, aufgrund fehlender Verwandter, ungesühnt geblieben wäre.888 Es gibt aber noch eine zweite Möglichkeit: Der Sprecher hätte auch fälschlich angeben können, dass er selbst als Zeuge vor Ort gewesen sei.889 Für die zweite Variante des Meineids spricht vor allem, dass das Problem in der Überführung der Täter offensichtlich darin besteht, dass der Sprecher keine geeigneten Zeugen präsentieren kann – diese Bedenken wären ausgeräumt, indem er angeben würde, die Geschehnisse selbst beobachtet zu haben. Das würde bedeuten, dass der Sprecher sehr wohl den Mord an der Freigelassenen anzeigen durfte, ihn in diesem konkreten Fall aber Bedenken hinsichtlich der Beweisführung abgehalten hätten.

882 Dabei handelte es sich um eine Gruppe von Männern, die ursprünglich zur Auslegung des Sakralrechts berieten (vgl. Chaniotis 1998 (DNP 4), Sp. 339f), aber wohl auch, wie das Beispiel aus Demosth. 47 zeigt, in weltlichen Rechtsfragen Tipps gaben, vgl. Tulin 1996, S. 1996, S. 23. 883 Demosth. 47, 69, wonach sich neben dem Opfer nur Frau und Kinder des Sprechers zum Zeitpunkt des Übergriffs im Haus befanden, vgl. auch Demosth. 47, 55. 884 Der Mord an einer Freigelassenen wäre wohl vor dem Palladion verhandelt worden; die Klage selbst wäre aber im konkreten Fall, weil von einem Bürger vorgebracht, zunächst dem Archonten vorgelegt worden (Demosth. 47, 69), der die Klagen der Bürger entgegennimmt, wie es der árchōn polémarchos für die Nichtbürger tat; Aristot. Ath. Pol. 58, 3. 885 Demosth. 47, 70: οὐδὲ γὰρ ἐν τῷ νόμῳ ἔστι σοι· οὐ γάρ ἐστιν ἐν γένει σοι ἡ ἄνθρωπος, οὐδὲ θεράπαινα, ἐξ ὧν σὺ λέγεις· οἱ δὲ νόμοι τούτων κελεύουσι τὴν δίωξιν εἶναι. (Dein Anliegen ist nämlich nicht im Gesetz [berücksichtigt]: Die Frau ist dir nämlich weder verwandt, noch ist sie deinen Erzählungen nach deine Hausangestellte. Dieses aber bestimmen die Gesetze, um Ankläger zu sein.) 886 Demosth. 47, 70: ὥστ᾿ εἰ διομεῖ ἐπὶ Παλλαδίῳ αὐτὸς καὶ ἡ γυνὴ καὶ τὰ παιδία καὶ καταράσεσθε αὑτοῖς καὶ τῇ οἰκίᾳ, χείρων τε δόξεις πολλοῖς εἶναι, κἂν μὲν ἀποφύγῃ σ᾿, ἐπιωρκηκέναι, ἐὰν δὲ ἕλῃς, φθονήσει. (wenn du aber selbst und [deine] Frau und [deine] Kinder vor dem Palladion schwört und ihr [dadurch] Verderben über euch und [euer] Haus bringt, müsst ihr damit rechnen, in Ungnade bei vielen zu fallen: wenn er dir entkommt, Meineid geleistet zu haben, wenn du ihn drankriegst, Boshaftigkeit zu hegen). 887 Vgl. Kamen 2013, S. 48; Tulin 1996, S. 101. 888 Vgl. Tulin 1996, S. 50. 889 Diese Variante zieht auch Tulin 1996, S. 45–48 in Erwägung, verwirft sie aber.

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III.6.1.3 als Zeugen Abgesehen von Klägern und Angeklagten konnten ansässige Fremde auch als Zeugen vor Gericht auftreten. In der Tat waren sie sogar dazu verpflichtet, wenn sie geladen wurden.890 Diese Kompetenz unterschied sie von Sklaven, die nur unter Folter vernommen werden konnten.891 Der Grund hierfür lag wahrscheinlich in dem Umstand, dass Sklaven genau wie andere Unmündige, die ebenfalls nicht als Zeugen fungieren konnten, im Falle einer Falschaussage nicht selbst verklagt werden konnten und damit für ein Ablegen falschen Zeugnisses – zumindest juristisch – nicht belangt worden wären.892 Dies traf auf ansässige (und auch auf nichtansässige) Fremde nicht zu, da gegen sie, wie bereits gezeigt wurde, Klagen erhoben werden konnten. Einzige Einschränkung blieb aber, dass ansässige Fremde wohl zumindest im Rahmen einer díkē keine diamartyría893 ablegen konnten.894 Die Frage, ob ansässige Fremde im Rahmen ihres Verhörs regelmäßig gefoltert wurden oder zumindest gefoltert werden konnten, ist in der Forschung kontrovers diskutiert worden. Klar ist, dass das Verhören von Sklaven nur unter Folter möglich war und dass die Folter für athenische Bürger grundsätzlich ausgeschlossen war.895 Dabei geht ein recht großer Teil der Forschung davon aus, dass die Folter beim Verhören ansässiger Fremder nicht zwingend, aber möglich war.896 Eugene Bushala hat das in

890 Vgl. Hansen 1991, S. 201; Hunter 2000, S. 17; Todd 1993, S. 196. 891 So behauptet Pasion etwa, sein Sklave sei ein Freigelassener, um dessen Vernehmung unter Folter zu vermeiden; Isokr. 17, 14, ähnlich dazu auch Lys. 4, 14; vgl. Hansen 1991, S. 76; Hamel 2003, S. 55. Eine Ausnahme wurde allerdings bei Sakralverbrechen gemacht, wenn Sklaven ihre Herren anzeigten, vgl. Hunter 2000, S. 7; MacDowell 1978, S. 181; Osborne 2000a, S. 81. Diese Ausnahmeregelung ist etwa in Verbindung mit den Ereignissen des Hermokopidenfrevels angewandt worden, dazu S. 203 n 861. Dagegen: Bäbler 1998, S. 68 mit n 11. 892 Vgl. Osborne 2000, S. 79; Todd 1990, S. 25f. 893 Als diamartyría wird eine Zeugenaussage bezeichnet, im Rahmen derer ein formaler Sachverhalt durch eine Person bestätigt wird, deren Kenntnis der Sachlage diese Bestätigung erlaubten, bspw. die Demenzugehörigkeit durch ein Mitglied der Deme; vgl. MacDowell 1978, S. 212. 894 Harp. s. v. Διαμαρτυρία καὶ διαμαρτυρεῖν; Kears führt diese Quellenstelle als Beweis für den grundsätzlichen Ausschluss ansässiger Fremder von der diamartyría an (vgl. Kears 2013, S. 84), was sich aus Harpokrations Aussage aber nicht ergibt, die ja die Fähigkeit, eine diamartyría in aprostasíu graphḗ-Verfahren abzulegen, belegt. 895 Lys. 13, 27; ähnlich auch Lys. 13, 57 sowie And. 1, 43; vgl. Hansen 1991, S. 76. 896 Vgl. Kamen 2013, S. 49; Bushala 1968, S. 63–66; Hansen 1991, S. 99.

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Extrinsische Merkmale

Lysias Rede gegen Simon897 erwähnte Verhör des Theodotos unter Folter898 als einen solchen Fall angeführt:899 Bei dem Gefolterten handelte es sich weder um einen Sklaven900 noch um einen Athener.901 Das Verhör eines freien Mannes unter Folter ist auch in einer Rede des Antiphon belegt.902 Ein anderer Teil der Forschung konstatiert, dass freie Personen grundsätzlich von einem Verhör unter Folter ausgeschlossen waren.903 Dabei scheint diese Schlussfolgerung angesichts derjenigen Stellen, die freie Personen explizit von der Folter ausschließen, sogar die wahrscheinlichere zu sein: So entscheidet allein die persönliche Freiheit einer jungen Frau darüber, ob sie gefoltert wird oder nicht.904 Auch Pasion behauptet kurzerhand, dass sein eigentlicher Sklave ein Freigelassener sei, um ebendiesen vor der Folter zu bewahren und zu verhindern, dass er unter Folter belastende Informationen über ihn preisgibt.905 Angesichts der Tatsache, dass es eine Straftat war, die Freiheit eines eigentlichen Sklaven zu behaupten,906 stellt sich aber die Frage, ob diejenigen, die fälschlicherweise einen Sklaven als Freigelassenen ausgaben, die eigene Straffälligkeit in Kauf genommen hätten, wenn am Ende dennoch die Möglichkeit bestanden hätte, dass ein Verhör unter Folter stattfand. Wahrscheinlicher ist, dass weder Pasion noch der Kontrahent des Sprechers von Lysias’ vierter Rede das Risiko eingegangen wäre, der Lüge hinsichtlich des Status eines Sklaven überführt zu werden, wenn sie sich nicht sicher gewesen wären, damit ein Verhör unter Folter verhindern zu können. Für die Auffassung, dass auch für ansässige Fremde ein Verhör unter Folter ausgeschlossen war, spricht auch, dass die Fälle, in denen ein solches vermeintlich belegt ist, 897 In dieser Rede verteidigt sich der Sprecher gegen den von einem gewissen Simon vorgebrachten Vorwurf der Körperverletzung mit Tötungsabsicht: Auslöser war ein Streit um den jungen Plataier Theodotos, an dessen Zuneigung beide Parteien Interesse hatten (Lys. 3, 5). Als es zu einer nächtlichen Auseinandersetzung zwischen den beiden Kontrahenten kam, verließ der Sprecher zunächst für eine Weile in Begleitung des Theodotos die Stadt (Lys. 3, 6–10 sowie 32). Als beide nach Athen zurückgekehrt waren, lauerte Simon mit einigen Handlangern den beiden auf (Lys. 3, 11–12), die dem Überfall der Bande zwar entkommen konnten, während ihrer Flucht aber getrennt wurden (Lys. 3, 12–14). Simon griff Theodotos jedoch in dessen Versteck auf und brachte ihn zum Haus eines seiner Handlanger (Lys. 3, 15–17), wo es schließlich zu einem recht unübersichtlichen Kampf zwischen den Kontrahenten kam (Lys. 3, 18–20 sowie 35–38), in dessen Verlauf Simon wohl Verletzungen davontrug, die er nunmehr zur Anklage bringen will. 898 Lys. 3, 33. 899 Vgl. Bushala 1968, S. 63f; ähnlich auch Kears 2013, S. 84. 900 Wie Bushala überzeugend darlegt, deuten mehrere Bemerkungen darauf hin, dass Theodotos persönlich frei ist: Er konnte seinen Wohnort frei wählen (Lys. 3, 6; Lys. 3, 11; Lys. 3, 13), war frei, Athen zu verlassen (Lys. 3, 10), und konnte Geschäfte in seinem eigenen Interesse abschließen (Lys. 3, 22), vgl. Bushala 1968, S. 65–66. Dagegen: Carey 1988, S. 242f. 901 Wäre Theodotos ein Athener gewesen, hätte er nicht gefoltert werden dürfen, vgl. Bushala 1968, S. 64. Dagegen: Carey 1988, S. 242f. 902 Antiph. 5, 49–50; vgl. Carey 1988, S. 243. 903 Vgl. Vlassopoulos 2009, S. 349; ähnlich, aber vorsichtiger, auch Carey 1988, S. 245. 904 Lys. 4, 14. 905 Isokr. 17, 14. 906 Demosth. 58, 21 sowie ähnlich auch Lys. 4, 14.

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bei weitem nicht eindeutig sind. Das in Antiphons Rede benannte Verhör eines freien Mannes hat aller Wahrscheinlichkeit nach nämlich gar nicht in Athen, sondern wohl gemeinsam mit den anderen Investigationen in Lesbos stattgefunden, wo die Folter von ansässigen Fremden vielleicht rechtens war.907 Theodotos’ Status als freier Mann ist zwar wiederum nicht anzuzweifeln,908 aber Matthew Kears hat berechtigterweise darauf hingewiesen, dass es sich bei der Belegstelle seiner angeblichen Folter auch um eine Übertreibung des Sprechers gehandelt haben könnte, mit der er gewissermaßen den seelischen Stress zu unterstreichen versucht, den Simons unnötig hervorgebrachte Anschuldigungen bei dem jungen Theodotos verursachten:909 Eine tatsächlich durchgeführte Folter belegt diese Aussage aber nicht wirklich.910 Erschwerend kommt noch hinzu, dass Theodotos’ Aussage von dem Sprecher überhaupt nicht angeführt wird: Als Zeugen werden lediglich die Augenzeugen der beiden tätlichen Auseinandersetzungen zwischen den Parteien aufgerufen,911 aber was Theodotos zu der ganzen Auseinandersetzung zu sagen hatte und ob er überhaupt etwas dazu sagte, bleibt ungewiss.912 Eingedenk dessen spricht also vieles dagegen, dass die ansässigen Fremden rechtmäßig und regelmäßig unter Folter vernommen wurden. III.6.2 Spezielle Rechtsverfahren für (ansässige) Fremde Das stete Zunehmen der Zahl ansässiger und nichtansässiger Fremder in Athen zog nicht nur ihre Einbindung in bestehende juristische Strukturen nach sich, sondern verlangte stellenweise auch die Anpassung des Rechtssystems, um das Leben der ansässigen Fremden in Athen und das Leben der Athener mit den ansässigen Fremden unter Beachtung der Besonderheiten ihres Status zu regulieren.913 Hierzu zählt die Einrichtung von Anlaufstellen für Fremde und ansässige Fremde, etwa durch die Bestimmung des árchōn polémarchos zum für Fremde zuständigen Beamten in Rechtsfragen und die damit einhergehende Umstrukturierung seines Zuständigkeitsbereichs, aber auch die Konzipierung neuer Rechtsverfahren, in deren Rahmen Anliegen, die sich aus dem Leben der Fremden in Athen ergeben, vorgebracht werden können. Zu denken ist 907 Vgl. Carey 1988, S. 243. 908 So etwa von Carey versucht, der zu dem Schluss kommt, dass Theodotos’ Status als freier Mann „not the only and inevitable conclusion“ sei, s. Carey 1988, S. 243. Die Beweise dafür, dass Theodotos sehr wohl sein eigener Herr ist, sind allerdings überzeugend, vgl. Bushala 1968, S. 65f. 909 Vgl. Kears 2013, S. 84. 910 Lys. 3, 22. 911 Lys. 3, 14 sowie Lys. 3, 20. 912 Es besteht auch die Möglichkeit, dass Theodotos’ Aussage in der nichtüberlieferten Gegenrede enthalten war, allerdings wäre hier zu erwarten, dass der Sprecher in irgendeiner über den beiläufigen Satz hinausgehenden Weise versucht hätte, eine gegen ihn gerichtete Aussage zu entkräften. Eingedenk dessen wäre zu überlegen, ob Theodotos überhaupt eine Zeugenaussage gemacht hatte. 913 Vgl. Brandt 1992, S. 197f.

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hier an die Eröffnung von Klagewegen gegen Freigelassene im Rahmen des apostasíu díkē-Verfahrens, sowie gegen ansässige Fremde wegen Missachtung bestimmter mit ihrem Status einhergehender Auflagen etwa durch eine aprostasíu graphḗ, aber auch an die Möglichkeit Fremder, beschleunigte Verfahren anzustrengen. Um den Platz der Fremden im athenischen Rechtssystem zu verorten, ist auch ein Blick auf diesen Themenbereich sinnvoll. III.6.2.1 Anlaufstellen und Zuständige Wie im Vorgenannten gezeigt, konnten Fremde und ansässige Fremde Klagen vor Gericht einbringen oder selbst verklagt werden. Ihnen wurde aber nicht einfach in derselben Weise Zugang zu Institutionen ermöglicht wie den Bürgern, sondern es wurden für sie eigene Anlaufstellen und Zuständige geschaffen.914 Die zentrale Anlaufstelle für ansässige Fremde in Rechtsangelegenheiten stellte der árchōn polémarchos dar. Die Wurzeln dieses Amtes lagen ursprünglich im militärischen Bereich, wo ihm als einem der neun Archonten die Koordination der zehn stratēgoí unterlag.915 Mit der steigenden Bedeutung des Strategenamtes wurde seine Zuständigkeit im militärischen Bereich beschnitten und verändert, insofern ihm die Verantwortung für einige Feste, die Ausgestaltung der Staatsbegräbnisse von Kriegsgefallenen und die Zuständigkeit für die Rechtsbelange ansässiger Fremder übertragen wurden.916 Im Rahmen dieser letztgenannten Aufgabe nahm er Klagen von und gegen ansässige Fremde auf und verteilte sie gleichmäßig auf die zehn Phylen im Losverfahren, wo sie zunächst den Phylenrichtern vorgelegt und dann von den Schiedsrichtern bearbeitet wurden.917 Insofern es sich bei der Rechtsangelegenheit um ein apostasíu- oder aprostasíu-Verfahren oder um eine Erbangelegenheit unter Beteiligung eines ansässigen Fremden handelte, wurde der Fall nicht an die Phylen weitergeleitet, sondern vom árchōn polémarchos selbst bearbeitet.918 Diese vom árchōn polémarchos abgehaltenen Verfahren sind im Übrigen die einzigen Gelegenheiten, an denen die Anliegen der ansässigen Fremden separat von denen der Bürger entschieden wurden: Alle anderen Rechtsangelegenheiten mit Beteiligung ansässiger Fremder wurden zwar vom árchōn polémarchos entgegengenommen, dann aber in das ‚bürgerliche‘ Rechtssystem überführt und nicht von anderen Gerichten als die für Bürger zuständigen behandelt.919 Das

914 915 916 917 918 919

Vgl. Kamen 2013, S. 48. Vgl. Rhodes 2001c (DNP 10), Sp. 3. Vgl. ebd. Aristot. Ath. Pol. 58, 2. Aristot. Ath. Pol. 58, 3. So behauptet von Kamen 2013, S. 48. Aristot. Ath. Pol. 43, 5 belegt etwa eine solche parallele Behandlung von Bürgern und Nichtbürgern, hier in Bezug auf Sykophanten.

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Amt des árchōn polémarchos ist damit wohl kein im Kern bürokratisches,920 sondern ging durchaus auch mit einer gewissen Entscheidungskompetenz einher. Der bloße Zugang zum árchōn polémarchos ist dabei als ein Vorrecht zu betrachten, das ansässige Fremde sowie próxenoi grundsätzlich in Athen genossen921 und das anderen Nichtbürgern zugesprochen werden konnte.922 Aber auch nichtansässige Fremde mussten hin und wieder auf die athenische Rechtsprechung zurückgreifen, etwa wenn sich im Rahmen von Handelsunternehmungen Konflikte ergaben. Sicherzustellen, dass insbesondere die Gruppe der Händler eine Rechtssicherheit in Athen genossen, war dabei ein wichtiges Mittel der Athener, die Attraktivität ihrer Polis als Handelszentrum zu steigern.923 Dem entsprechend wurden einige Maßnahmen ergriffen, auch nichtansässigen Fremden Zugang zu athenischen Gerichten zu verschaffen, um ihre Interessen durchzusetzen. Diese durch xenodíkai,924 nautodíkai925 und emporikaí díkai926 recht effizient geschaffenen Möglichkeiten erschöpften sich aber auf dem Gebiet des Güterhandels:927 Nicht mit dem Handel verbundene Interessen in Athen als Nichtbürger rechtlich durchsetzen zu können, blieb ein Privileg der ansässigen Fremden.

920 So behauptet von Kears 2013, S. 81. 921 Aristot. Ath. Pol. 58, 2 beschränkt die Gruppe derer, für die der árchōn polémarchos Ansprechpartner war auf „τοῖς μετοίκοις καὶ τοῖς ἰσοτελέσι καὶ τοῖς προξένοις.“ 922 So etwa in IG I3 19, Z. 2–7; IG I3 24, Z. 4–9; vgl. dazu Henry 1983, S. 164f. 923 So auch schon Finley 1973, S. 162; ähnlich auch Bäbler 1998, S. 128. 924 Die xenodíkai bilden ein nur in wenigen Inschriften für das 5. und 4. Jahrhundert belegtes Gremium von Fremdenrichtern, die wohl Verfahren entschieden, an denen Fremde ohne Rechtsstatus in Athen teilhatten (Welwei 2002 (DNP 12.2), Sp. 614). Da sie abgesehen von zwei Inschriften, welche die Entrichtung größerer Summen zum Bau des Parthenon von den xenodíkai festschrieben (IG I3 439, Z. 75 sowie IG I3 440, Z. 126), nur im Zusammenhang mit Rechtshilfeverträgen belegt sind (IG II2 46; IG II2 144; StV II2 279), könnte vermutet werden, dass sie nur für Verfahren zuständig waren, die Fremde aus Poleis involvierten, welche durch Symbola mit Athen verbunden waren. Die schiere Existenz der xenodíkai ist damit kein Beleg dafür, dass alle Fremden Zugang zur athenischen Rechtsprechung hatten; vgl. ähnlich Reed 2003, S. 58. 925 Die nautodíkai stellten Beamte dar, die sich ausschließlich mit Verfahren des Seehandels beschäftigten, vgl. Rhodes 2000 (DNP 8), Sp. 762. 926 Diese ausschließlich bezüglich des Seehandels eingebrachten Klagen konnten nur in den Wintermonaten verhandelt werden, wenn der Schiffsverkehr ruhte (vgl. Thür 1997a (DNP 3), Sp. 1019), und wurden von den thesmothétai geführt (Aristot. Ath. pol. 59, 5). Dabei wurden nur Angelegenheiten zugelassen, welche die Anfechtung eines schriftlichen, i. d. R. zwischen einem Athener und einem Nichtathener geschlossenen, Vertrages beinhalteten (vgl. Kears 2013, S. 86f). Der Umstand, dass Bürger und Nichtbürger im Rahmen von emporikaí díkai wohl eine umfassende Gleichstellung hinsichtlich ihrer Erfolgschancen genossen (Demosth. 32, 1), hat in der Forschung vielfach Beachtung gefunden; vgl. Todd 1993, S. 325; Lanni 2006, S. 153; Kears 2013, S. 86. Dieser noble Vorsatz wurde allerdings in der Praxis wohl selten umgesetzt, vgl. Kears 2013, S. 87 und S. 93; Lanni 2006, S. 164. 927 Vgl. Kears 2013, S. 93.

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III.6.2.2 xenías graphḗ Obwohl ansässige Fremde nicht oder nur eingeschränkt in der Lage waren, selbst graphaí anzustrengen,928 konnten sie durchaus eines Vergehens bezichtigt werden, das eine solche nach sich zog. Allen voran ist hier die xenías graphḗ zu nennen, die wegen des Vorwurfs der Anmaßung des Bürgerrechts erhoben werden konnte. Als ein speziell gegen Nichtbürger gerichtetes Verfahren, das auf einem so grundlegenden Vorwurf beruht, dürfte die xenías graphḗ das älteste Verfahren seiner Art in Athen darstellen.929 Als einzige mit einer xenías graphḗ in Verbindung stehende überlieferte Rede ist in der Forschung immer wieder auf Demosthenes 59. Rede verwiesen worden,930 was allerdings, wie Kostas Kapparis dargelegt hat, nicht zutreffend ist: Der Prozess gegen Neaira fußt nicht auf einer Anklage wegen Anmaßung des Bürgerrechts, sondern wegen unrechtmäßiger Eheschließung zwischen einem Bürger und einer Fremden.931 Obwohl also keine Rede in einem Verfahren bezüglich einer xenías graphḗ überliefert ist, sind die grundlegenden Charakteristika einer solchen Prozedur wegen Anmaßung des Bürgerrechts einigermaßen, wenn auch nicht ohne jeden Zweifel, rekonstruierbar. So ist in den Quellen belegt, dass über den xenías-Vorwurf zumindest im 4. Jahrhundert932 die thesmothétai zu Gericht saßen.933 Außerdem liegt die Vermutung nahe, dass die xenías graphḗ ein beliebtes Verfahren war, um einen Kontrahenten in die Bredouille zu bringen: Die Überlieferung belegt einige Fälle, in denen sich unter anderem auch namhafte Politiker dem Vorwurf der Anmaßung des Bürgerrechts ausgesetzt sahen.934 Zudem ergibt sich aus den Quellen der Eindruck, dass die im Rahmen einer xenías graphḗ ergangenen Urteile von den Schuldiggesprochenen besonders häufig angefochten wurden.935 Dass es sogar ein eigenes Verfahren für den Versuch gab, durch

928 Dazu weiter oben in diesem Kapitel: S. 313f. 929 Vgl. Kapparis 2005, S. 76. Die früheste Bezugnahme der Quellen auf eine xenías graphḗ findet sich in Aristoph. Vesp. 717–718. 930 Vgl. bspw. Patterson 1994, S. 199; Scafuro 1994, S. 178. 931 Demosth. 59, 16 zitiert das Gesetz, das von der Angeklagten angeblich gebrochen worden ist; vgl. Kapparis 2005, S. 78; dagegen: Patterson 1994, S. 205. 932 In früherer Zeit lag die Jurisdiktion in der xenías graphḗ wohl bei den nautodíkai und später bei den xenodíkai, vgl. Thür 2002 (DNP 12.2), Sp. 613 sowie Kapparis 2005, S. 78f. 933 Aristot. Ath. Pol. 59, 3. 934 Die Überlieferung der Lexikographen nimmt Bezug auf einige als solche nicht mehr erhaltene Reden, die wohl in Verhandlungen gehalten worden sind, denen eine xenías graphḗ zugrunde lag. Beispiele hierfür sind etwa Lysias’ Reden gegen Kalliphanes (Harp. s. v. νοθεῖα), gegen Pythiod (Harp. s. v. δώρων γραφή) und gegen Androtion (Harp. s. v. ἀρχιδάμειος πόλεμος) sowie Hypereides’ Rede gegen Demeas (Harp. s. v. κυρία ἐκκλησία) und Deinarchos’ Rede gegen Pytheas (Deinarch. frgm. 5 [Conomis], Harp. s. v. ἀρχιδάμειος πόλεμος); vgl. Kapparis 2005, S. 76; ähnlich auch Scafuro 1994, S. 179. 935 Demosth. 24, 131; ähnlich auch Hypereides, der auf ein Gesetz rekurriert, das es der Polis ermöglicht, Schuldsprüche in xenías-Verfahren neu zu untersuchen, Hyp. frgm. 20 [ Jensen]; ähnlich auch Aristot. Ath. Pol. 59, 3; vgl. Scafuro 1994, S. 179; Kapparis 2005, S. 97.

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den Vorwurf, die Richter für ein falsches Urteil bestochen zu haben, ein Urteil wegen Anmaßung des Bürgerrechts anzufechten,936 zeigt einmal mehr, wie einfach die xenías graphḗ missbraucht werden konnte. III.6.2.3 apostasíu- und aprostasíu-Verfahren Während die xenías graphḗ sich zwar primär gegen Fremde richtete, aber eingedenk der vorangegangenen Ausführungen wohl eher eine Gefahr für Bürger darstellte, sah die Sache bei apostasíu- und aprostasíu-Verfahren schon anders aus: In ihrem Rahmen stand nicht die Rechtmäßigkeit des Bürgerrechts einer Person zur Debatte, sondern die Erfüllung verschiedener mit dem Leben als ansässiger Fremder verbundener Auflagen. Von dieser zugegebenermaßen recht allgemeinen Feststellung abgesehen, gibt es in der Forschung eine umfassende Debatte über die apostasíu- und aprostasíu-Verfahren (die stellenweise auch einiger Verwirrung aufgrund der sehr ähnlichen Bezeichnungen geschuldet ist), u. a. bezüglich der Kategorisierung als díkē oder graphḗ und der konkreten Vergehen, die im Rahmen von apostasíu- oder aprostasíu-Verfahren erfasst wurden. Beginnend mit dem am wenigsten Kontroversen, stimmen die meisten Forschungsbeiträge darin überein, dass einem aprostasíu-Verfahren der Vorwurf zugrunde lag, dass ein ansässiger Fremder keinen prostátēs benannt habe.937 Diese Verbindung wird auch von den Lexikographen gestützt.938 In den klassischen Quellen selbst finden sich Bezugnahmen auf ein aprostasíu-Verfahren in einer Rede des Demosthenes,939 in der Athenaíōn politeía des Aristoteles940 sowie in zwei weiteren nur sehr fragmentarisch überlieferten Reden des Hypreides, die wohl im Rahmen eines solchen Verfahrens gehalten wurden.941 Zwar gibt keine dieser Stellen irgendwelche Hinweise auf den tatsächlichen Inhalt des Verfahrens, allerdings geht aus den Bemerkungen des Demosthenes und des Aristoteles zumindest hervor, dass aprostasíu-Verfahren in den Zuständigkeitsbereich des árchōn polémarchos fallen, den sie beide benennen. Alle da­ rüberhinausgehenden Details des aprostasíu-Verfahrens sind umstritten.

936 Diese Verfahren sind als dōroxenía belegt: Aristot. Ath. Pol. 59, 3; vgl. Kapparis 2005, S. 97; Scafuro 1994, S. 180. 937 Vgl. Kamen 2013, S. 39; Kapparis 2005, S. 106; Sosin 2016, S. 8; Hansen 1991, S. 117. Zum prostátēs vgl. Kap. III.8. 938 Harp. s. v. ἀπροστασίου: εἶδος δίκης κατὰ τῶν προστάτην μὴ νεμόντων μετοίκων. (eine Klage, die gegen métoikoi gebracht wird, die keinen prostátēs genommen haben); Poll. 3, 56: κατὰ δὲ τῶν οὐ τελούντων τὸ μετοίκιον ἢ προστάτην μὴ νεμόντων ἀποστασίου δίκη. (Gegen den, der das metoíkion nicht zahlt oder keinen prostátēs nimmt, [gibt es] die apostasíu díkē). 939 Demosth. 35, 48. 940 Aristot. Ath. Pol. 58, 3. 941 Hyp. frgm. 13–26 [ Jensen]; vgl. Kapparis 2005, S. 106.

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So hat die Forschung reges Interesse an der Frage gezeigt, ob es sich bei aprostasíu um eine Popularklage, eine graphḗ, oder um eine Privatklage, eine díkē, handelt und damit verbunden auch, wer dieses Vergehen anzeigen konnte. Mogens Herman Hansen weist etwa darauf hin, dass das aprostasíu-Verfahren bewusst als eine díkē belassen worden sei, um die Wahrscheinlichkeit zu erhöhen, dass das Vergehen aufgrund der Aussicht auf einen Gewinn für den Kläger angezeigt wird.942 Für eine díkē könnte auch sprechen, dass die Klage vom árchōn polémarchos behandelt wird, der, wie Aristoteles angibt, nur díkai bearbeitet.943 Zu bedenken ist hier allerdings die Mehrdeutigkeit des Terminus díkē, der unter anderem im engsten Sinne eine Privatklage oder allgemein irgendeine Rechtsangelegenheit meinen kann.944 Einerseits ist nicht klar, in welcher Bedeutung der Autor das Wort díkē in der Athenaíōn politeía verwendet hat,945 andererseits ist die Rekonstruktion des in dieser Hinsicht entscheidenden Wortes μόνον in dieser Passage schwierig,946 sodass die Annahme, dass es sich bei einem dem árchōn polémarchos vorgelegten Verfahren nur um eine díkē handeln kann, alles andere als zwangsläufig ist. Eine Überlegung, welche darauf hindeutet, dass es sich bei dem aprostasíu-Verfahren um eine graphḗ handelt, betrifft den Kreis derjenigen, die ein solches Verfahren überhaupt eröffnen konnten. Weil eine díkē nur vom Geschädigten selbst erhoben werden konnte,947 stellt sich doch die Frage, wer das im Falle eines fehlenden

942 Vgl. Hansen 1991, S. 118. Erfolgreiche Kläger in díkai wurden mit einer höheren Wahrscheinlichkeit als in graphaí belohnt, vgl. Meyer 2010, S. 46. Hinzu kommt, dass die Strafe für eine fälschlich erhobene graphḗ höher war als für eine verlorene díkē (vgl. ebd.), sodass, wenn es sich bei dem aprostasíu-Verfahren um eine díkē gehandelt hat, auch eine geringere Risikobereitschaft vom Kläger gefordert worden wäre. 943 Aristot. Ath. Pol. 58, 2: δίκαι δὲ λαγχάνονται πρὸς αὐτὸν ἴδιαι μόνον, αἵ τε τοῖς μετοίκοις καὶ τοῖς ἰσοτελέσι καὶ αἱ τοῖς προξένοις γιγνόμεναι· (Text: Rhodes), dagegen aber die Textrekonstruktion von Chambers: δίκαι δὲ λαγχάνονται πρὸς αὐτὸν ἴδιαι μέν. (Text: Chambers), dazu weiter unten. 944 Vgl. LSJ s. v. δίκη [IV]. 945 So auch schon Kapparis 2005, S. 107 und auch Meyer 2010, S. 44. 946 Problematisch ist hier vor allem das μόνον in Aristot. Ath. Pol. 58, 2: δίκαι δὲ λαγχάνονται πρὸς αὐτὸν ἴδιαι μόνον. Der Papyrustext überliefert zwar μέν, aber bei der Textrekonstruktion wird dieses μέν in der Regel durch μόνον ersetzt, mit der Begründung, dass kein δέ folgt und somit die Konstruktion μέν … δέ hier nicht zu finden ist, so z. B. von Rhodes 2016 und Kenyon 1920. Diese Rekonstruktion führt dann dazu, dass aus dieser Stelle gelesen wird, dass der árchōn polémarchos ausschließlich für díkai zuständig gewesen sei, vgl. z. B. die Übersetzung von Dreher: „Vor ihn werden nur Privatklagen gebracht“. Jedoch muss nicht jedes μέν zwangsläufig auch ein δέ nach sich ziehen, sondern kann auch allein stehen, z. B. in Aristot. Ath. Pol. 42, 1 und 48, 5, vgl. Chambers’ Kommentar zu dieser Stelle (Chambers 1990, S. 398f), der in seiner Textkonstruktion folgerichtig nicht durch μόνον ersetzt, sondern μέν beibehält; ähnlich z. B. auch die Textrekonstruktion von Mathieu/Haussoullier (2003). Schwierig ist die Begründung, dass die Ergänzung μόνον hier zwangsläufig sei, weil der árchōn polémarchos nur díkai annehme (so z. B. im Kommentar von Rhodes 1993, S. 652), denn Aristot. Ath. Pol. 58, 2 ist die einzige Stelle, aus der die Beschränkung der Zuständigkeit des árchōn polémarchos gelesen werden könnte, sodass hier die Gefahr eines Zirkelschlusses bestehen dürfte. 947 Vgl. Todd 1993, S. 196; Meyer 2010, S. 45.

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prostátēs sein sollte.948 So folgert Kapparis, dass es sich beim aprostasíu-Verfahren schon allein deshalb um eine graphḗ gehandelt haben musste, weil die Missachtung dieser Vorschrift ein Vergehen an der Gemeinschaft bedeutete.949 Diese Überlegung gewinnt auch deshalb an Überzeugungskraft, weil durch einen fehlenden prostátēs keinem Einzelnen ein konkreter Schaden entstanden war und es deshalb streng genommen auch niemanden gegeben hätte, der überhaupt eine Klage hätte erheben können.950 Anders liegt die Sache aber im Falle von Freigelassenen: Da sie ihren ehemaligen Herrn zum prostátēs ernennen mussten,951 ist es durchaus denkbar, dass derjenige, der sich übergangen fühlte, Klage erhob, wie Deborah Kamen dargelegt hat.952 In dieser Konstellation – dies hat die Forschung mehrfach vorgeschlagen – gibt es einen Geschädigten, dem es im Rahmen eines anderen Verfahrens, einer apostasíu díkē, offen stünde,953 ­einen ansässigen Fremden wegen der Wahl seines prostátēs anzuklagen, was auch Harpokration belegt.954 Das ist eine attraktive Überlegung, insofern damit auch ansässige Fremde ihre Interessen gegenüber ihrem Freigelassenen durchsetzen könnten, worauf sie, da sie keine graphḗ einbringen konnten, andernfalls hätten verzichten müssen.955 Für freigeborene ansässige Fremde wäre das apostasíu-Verfahren (zumindest als Angeklagte) damit irrelevant:956 Würde ein freigeborener ansässiger Fremder ohne prostátēs erwischt werden, würde er mit in einem aprostasíu-Verfahren belangt werden.957 Rachel Zelnick-Abramovitz hat zudem vermutet, dass das apostasíu-Verfahren auch für exeleútheroi, also ohne Einschränkungen Freigelassene, irrelevant war, da sie von der Pflicht befreit worden seien, ihren ehemaligen Herrn zum prostátēs zu benennen.958 Zusammenfassend kann ein ansässiger Fremder in Bezug auf seinen prostátēs also auf zwei Wegen belangt werden: Als Freigelassener könnte sein ehemaliger Herr ein apostasíu-Verfahren gegen ihn einbringen, mit dem er ihn beschuldigt, ihn seines Vorrechts auf diese Stellung beraubt zu haben. Dabei besteht das Vergehen nicht darin, keinen prostátēs zu haben, sondern den falschen, womit zwar die individuellen Interessen des Übergangenen verletzt wurden, aber keine Gemeinschaftsinteressen – eine

948 949 950 951 952 953 954

955 956 957 958

Ähnlich auch schon Chambers 1994, S. 399f in seinem Kommentar zu Aristot. Ath. Pol. 58, 3. Vgl. Kapparis 2005, S. 107; ähnlich Meyer 2010, S. 46. Ähnlich Sosin 2016, S. 8. Dazu Kap. II.3.2.2. Vgl. Kamen 2013, S. 39. Vgl. ebd.; Zelnick-Abramovitz 2009, S. 304; Sosin 2016, S. 8; Dimopoulou-Piliouni 2008, S. 33. Harp. s. v. ἀποστασίου: δίκη τίς ἐστι κατὰ τῶν ἀπελευθερωθέντων δεδομένη τοῖς ἀπελευθερώσασιν, ἐὰν ἀφιστῶνταί τε ἀπ’ αὐτῶν ἢ ἕτερον ἐπιγράφωνται προστάτην, καὶ ἃ κελεύουσιν οἱ νόμοι μὴ ποιῶσιν. καὶ τοὺς μὲν ἁλόντας δεῖ δούλους εἶναι, τοὺς δὲ νικήσαντας τελέως ἤδη ἐλευθέρους. Ähnlich auch Poll. 8, 35. In der Suda wird das apostasíu-Verfahren wohl mit einer xenías graphḗ verwechselt, vgl. Zelnick-Abramovitz 2005a, S. 275. Vgl. Sosin 2016, S. 7f. Vgl. Kamen 2013, S. 39. Vgl. ebd. Vgl. Zelnick-Abramovitz 2005a, S. 275; dazu Kap. II.3.2.2.

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Extrinsische Merkmale

díkē scheint hier also wahrscheinlich. Kann ein Fremder, ob freigeboren oder freigelassen, überhaupt keinen prostátēs vorweisen, tritt die Gemeinschaft als Geschädigte auf, was eine graphḗ bedeuten würde, die jeder, der dieser Gemeinschaft angehört – ho bulómenos – als aprostasíu graphḗ vorbringen kann.959 Die Privatklagen wegen Benennung eines falschen prostátēs, apostasíu díkē, und die Popularklage wegen eines fehlenden prostátēs, aprostasíu graphḗ, sind damit grundverschiedene Verfahren. Eine andere Frage betrifft die konkreten Inhalte von apostasíu- und aprostasíu-Verfahren, unabhängig vom prostátēs. Dabei hat die Forschung z. B. die Frage beschäftigt, ob die aprostasíu graphḗ auch bei Nichtzahlen des metoíkion erhoben werden konnte. Während aus den klassischen Quellen nicht zu entnehmen ist, ob diese beiden Vergehen mit demselben Verfahren angezeigt wurden, legt die von Pollux überlieferte Definition eine solche Verbindung nahe.960 Elizabeth Meyer spricht sich, neben anderen, dafür aus, dass eine aprostasíu graphḗ sowohl wegen eines fehlenden prostátēs als auch wegen Nichtzahlens des metoíkion erhoben werden konnte.961 Als Zeugnisse dieses Rechtsverfahrens hat sie dafür in einer umfassenden Studie die Listen der phiálai identifiziert: 33 Inventarlisten,962 in denen dem Zeús eleuthérios geweihte Silberphiálai katalogisiert wurden, bevor diese entsprechend einer Verfügung des Lykurgos eingeschmolzen wurden.963 Die einzelnen Einträge sind formelhaft und folgen überwiegend dem Schema [Name X] [Deme A] οἰκῶν ἀποφυγὼν [Name Y] φιάλη σταθμὸν H,964 mit nur geringen Abweichungen voneinander, etwa durch Nennung des Berufes der Person [X] oder des Patronymikons für Person [Y].965 Weil die phiálai-Inschriften als Person [X], also als Angeklagte, sowohl freigelassene wie auch freigeborene ansässige Fremde in Athen auflisten,966 hebt Elizabeth Meyer hervor, dass sie nur im Zusammenhang mit einem Verfahren stehen konnten, das alle

959 In der Tat überwiegt in der Forschung die Ansicht, dass es sich bei dem aprostasíu-Verfahren um eine graphḗ gehandelt hat; vgl. z. B. Meyer 2010, S. 46; Sosin 2016, S. 8. 960 Poll. 3, 56: κατὰ δὲ τῶν οὐ τελούντων τὸ μετοίκιον ἢ προστάτην μὴ νεμόντων ἀποστασίου δίκη. (Gegen den, der das metoíkion nicht zahlt oder keinen prostátēs nimmt, [gibt es] die apostasíu díkē). 961 Vgl. Meyer 2010, S. 44. Ähnlich auch Sosin 2016, S. 8, der allerdings zusätzlich noch den eigentlich unter die xenías graphḗ fallenden Vorwurf der Anmaßung des Bürgerrechts als aprostasíu-Vergehen versteht. 962 IG II2 1553–IG II2 1578. Bei den Inschriften handelt es sich um freistehende, beidseitig beschriebene Stelai, deren Einträge in Tabellenform angeordnet sind. Die Inschriften sind bereits seit dem 19. Jahrhundert aufgrund ihrer Ähnlichkeit als zusammengehörig identifiziert worden, vgl. Meyer 2010, S. 11f. 963 Im Jahr 335/34 verfügte Lykurgos im Rahmen seiner finanziellen und religiösen Umstrukturierungsmaßnahmen, dass sämtliche in Prozessionen genutzte Gold- und Silberobjekte einzuschmelzen seien: Plut. Mor. 852b sowie 841d, dazu auch Meyer 2010, S. 56–58. 964 [X], der in der Deme [A] lebt, ist [Y] entkommen; phiálē mit dem Gewicht 100 Drachmen. Variationen sind möglich, so ist teilweise der Beruf der Person [X] aufgeführt, vgl. Meyer 2010, S. 12. Das Gewicht der katalogisierten phiálai wird in allen Einträgen mit 100 Drachmen angegeben. 965 Vgl. ebd., S. 12f. 966 Vgl. ebd., S. 69–72.

Rechtsangelegenheiten

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ansässigen Fremden treffen konnte.967 Damit können die phiálai also unmöglich, wie gewöhnlich in der Forschung angenommen,968 aus apostasíu-Klagen hervorgegangen sein, die ja, wie im Vorhergehenden gezeigt wurde, nur Freigelassene betrafen, sondern entstammen wohl eher einer aprostasíu graphḗ. Dass unter den als Kläger auftretenden Personen [Y] nicht nur Bürger, sondern auch ansässige Fremde genannt sind, hat Meyer zudem als Beweis dafür gesehen, dass auch sie eine graphḗ anbringen konnten.969 Diese Schlussfolgerung passt in die im Zusammenhang mit den ansässigen Fremden als Kläger vor Gericht bereits als wahrscheinlich herausgearbeiteten These, dass ansässige Fremde eine graphḗ anbringen konnten, zu deren Erfolg ihre Aussagen beitrugen. Eingedenk des Kreises der Angeklagten und der Verbindung mit einem aprostasíu graphḗ, können die phiálai, so schlussfolgert Meyer, nur aus einem Verfahren wegen eines Verbrechens resultiert haben, das alle ansässigen Fremde begehen konnten. Dabei kann es sich nur, wie sie feststellt, um das Fehlen eines prostátēs oder um die Nichtzahlung des metoíkion gehandelt haben – zwei Vergehen die, wie Meyer daraus schließt, unter einer aprostasíu graphḗ zur Anklage gebracht werden können.970 Dazu verweist Meyer auf die Überlieferung der Lexikographen,971 die, wie sie feststellt,972 ausnahmslos ergibt, dass nicht nur der fehlende prostátēs, sondern auch ein nicht entrichtetes metoíkion unter diese Anklage fallen. Damit bilden die phiálai-Inschriften in Meyers Interpretation einen Katalog von Klägern und Anklägern in Verfahren, in denen ein ansässiger Fremder bezichtigt wurde, entweder keinen prostátēs zu haben oder das metoíkion nicht gezahlt zu haben. Gegen die Auffassung, dass auch die versäumte Zahlung des metoíkion unter eine aprostasíu graphḗ fällt, sprechen allerdings zwei Stellen in den Quellen, in denen ansässige Fremde genau diesem Vorwurf ausgesetzt sind. So wird nämlich sowohl Zobia973 wie auch Xenokrates974 vorgeworfen, das metoíkion nicht bezahlt zu haben, allerdings folgt daraus anscheinend überhaupt keine Anklage. Wie Matthew Kears hervorhebt, hat es ganz im Gegenteil den Anschein, dass die Angelegenheit sogar recht unbürokratisch geregelt worden sei,975 indem die Verdächtigen festgenommen und nach einer kurzen formalen Prüfung der Sachlage976 ohne weitere Umstände zum Verkauf

967 968 969 970 971 972 973 974 975 976

Vgl. ebd., S. 69. Vgl. u. a. Zelnick-Abramovitz 2005a, S. 84. Vgl. Meyer 2010, S. 72f. Vgl. ebd., S. 43–47. Poll. 3, 56; Suda s. v. Νέμειν προστάτην sowie Suda s. v. Ἀποστασίου; Harp. s. v. Ἀποστασίου; vgl. Meyer 2010, S. 43f. Vgl. Meyer 2010, S. 44. Demosth. 25, 57. Plut. Phoc. 29, 4; Plut. Mor. 842b. Vgl. Kears 2013, S. 65. Zu den Listen über die metoíkion-Zahlungen s. Kap. III.2.1.1.

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Extrinsische Merkmale

in die Sklaverei freigegeben wurden. Die Quellen interpretiert Kears dahingehend, dass weder Zobia noch Xenokrates ein Gerichtsverfahren hätten erwarten dürfen: So sei Zobia stehenden Fußes in die Sklaverei verkauft worden,977 und auch Xenokrates wurde verkauft, glücklicherweise schenkte ihm sein neuer Herr aber sofort die Freiheit.978 Aus diesen beiden Instanzen schließt Kears erstens, dass die aprostasíu graphḗ das Nichtzahlen des metoíkion nicht beinhaltete und zweitens, dass es wohl überhaupt keine Anklage gab, die speziell das Nichtzahlen des metoíkion betraf, sondern dass die Strafe sofort und ohne Gerichtsverfahren vollstreckt worden ist.979 Meyers Ergebnis, dass die phiálai-Inschriften Zeugnisse von Prozessen u. a. wegen Nichtzahlens des metoíkion waren, sieht Kears durch seine Argumente widerlegt.980 Das Problem an Kears Beweisführung und der Grund, warum seine Schlussfolgerung nur wenig überzeugend ist, besteht darin, dass sie ein argumentum e silentio darstellt: Es ist zwar richtig, dass die Quellen kein gegen Xenokrates und Zobia angestrengtes Gerichtsverfahren erwähnen, aber sie schließen ein solches auch nicht explizit aus. So wird der Vorwurf gegen Zobia sofort als nichtig erklärt, da der Nachweis ihrer metoíkion-Zahlung erbracht werden konnte – die Erwähnung eines Gerichtsverfahrens wäre also überhaupt nicht zu erwarten, weil es aufgrund des Unschuldsbeweises nicht einmal zur Anklageerhebung gekommen wäre. Die Bemerkung, dass sie andernfalls an Ort und Stelle in die Sklaverei verkauft worden wäre, könnte einer Übertreibung des Sprechers geschuldet sein, mit der er die Gefährlichkeit der Lage betonen will, in die sein Opponent Zobia gebracht hat.981 Selbst wenn diese Behauptung der Wahrheit entsprochen hätte, besteht der dringende Verdacht, dass die Überprüfung der Sachlage direkt vor und unter Beteiligung des árchōn polémarchos stattgefunden hätte,982 der wiederum in richterlicher Funktion in aprostasíu-Verfahren die Entscheidungen traf983 – vielleicht hätte ein solches hier in der Tat stattgefunden, hätte Zobias Unschuld nicht so problemlos bewiesen werden können. Was den Fall des Xenokrates angeht, hat es den Anschein, dass die Bemerkung des Diogenes Laertios sowieso aufgrund ihrer Kürze Zwischenschritte zwischen dem Nichtzahlen des metoíkion und dem Verkauf in die Sklaverei auslässt:984 So überliefert die Quelle bspw. nicht einmal, wer die Anschuldigungen gegen Xenokrates vorgebracht hat. Dass dementsprechend auch darauf verzichtet wird, ein eventuelles Gerichtsverfahren zu erwähnen, ist durchaus nachvollziehbar.

977 Demosth. 25, 57: καὶ εἰ μὴ κείμενον αὐτῇ τὸ μετοίκιον ἔτυχεν, ἐπέπρατ’ ἂν διὰ τοῦτον, … (Wenn sie das metoíkion nicht bezahlt hätte, wäre sie an Ort und Stelle verkauft worden, …) 978 Diog. Laert. 4, 2, 14. 979 Vgl. Kears 2013, S. 64. 980 Vgl. ebd., S. 65. 981 Dazu S. 229. 982 So dargelegt in Kap III. 2.1.1. 983 Aristot. Ath. Pol. 58, 2. 984 Diog. Laert. 4, 14.

Rechtsangelegenheiten

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Die Annahme, dass das Nichtzahlen des metoíkion ganz ohne Gerichtsverfahren zum Verkauf in die Sklaverei geführt hätte, ist aus dem Schweigen der Quellen also nicht zweifelsfrei abzuleiten. Eingedenk der Bemühungen der Athener, den ansässigen Fremden auch eine gewisse Rechtssicherheit zu gewähren, ist ein solches Vorgehen auch kaum zu erwarten. Meyers Annahme, dass diese Vergehen mit einer aprostasíu graphḗ zur Anzeige gebracht werden konnten, kann dagegen zwar nicht ohne jeden Zweifel belegt werden, aber ist eine wahrscheinliche Option. Im Mindesten darf wohl davon ausgegangen werden, dass dem Nichtzahlen des metoíkion kein eigens auf dieses Vergehen beschränktes Verfahren zugeordnet war – andernfalls wäre dringend erklärungsbedürftig, dass die Quellen ein solches Verfahren an keiner Stelle auch nur erwähnen –, sondern es mit einem anderen Vergehen zur Anklage gebracht wurde. Thematisch könnte das Nichtzahlen des metoíkion zwar auch unter eine xenías graphḗ gefallen sein, in deren Rahmen schließlich auch mit der Anmaßung des Bürgerrechts ein Vergehen behandelt wurde, das von allen ansässigen Fremden grundsätzlich begangen werden konnte. Allerdings hätte die xenías graphḗ dann auch in die Verantwortlichkeit des árchōn polémarchos fallen müssen, was aber nicht zutrifft.985 So ist es zumindest plausibel anzunehmen, dass im Rahmen der aprostasíu graphḗ Fälle angezeigt wurden, in denen ansässige Fremde keinen prostátēs vorweisen konnten oder das metoíkion nicht gezahlt hatten. III.6.3 Fazit: Recht haben und Recht bekommen als ansässiger Fremder Die vorangegangenen Ausführungen haben sich der Stellung der ansässigen Fremden im athenischen Rechtsystem und ihrem Zugang zur Rechtsprechung gewidmet und gezeigt, dass sich ansässige Fremde mit ihrem Leben in Athen nicht nur den athenischen Gesetzen zu unterwerfen hatten, sondern auch Zugang zu athenischen Gerichten bekamen. Dabei bestand dieses Privileg einerseits in der Möglichkeit, Klagen vor athenischen Gerichten einreichen zu können, andererseits aber auch darin, vor einem athenischen Gericht als Angeklagter zu erscheinen: Das Recht, sich einem gegen ihn vorgebrachten Vorwurf überhaupt in einem Gerichtsverfahren stellen zu dürfen und – polemisch gesagt – nicht einfach erschlagen zu werden, ist nichtansässigen Fremden (von anderweitig Privilegierten abgesehen) dagegen allenfalls durch religiöse Gesetze garantiert. Außerdem konnten ansässige Fremde als Kläger sowohl Privatklagen, in einigen Fällen eventuell auch Popularklagen, anstrengen und so die Durchsetzung ihrer Inte-

985 Aristoteles zufolge ist der árchōn polémarchos nicht für graphaí xeníai verantwortlich: Aristot. Ath. Pol. 58, 3.

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Extrinsische Merkmale

ressen bewirken. Dabei war ein ansässiger Fremder durch die athenische Jurisdiktion auch insofern geschützt, als ein an ihm verübtes Unrecht entsprechend den gesetzlichen Vorgaben verfolgt und bestraft wurde. Speziell enthielt das vorangegangene Kapitel ein Plädoyer dafür, das unterschiedliche Strafmaß für Mord an einem ansässigen Fremden und an einem Bürger hinsichtlich seiner Symbolhaftigkeit nicht zu überinterpretieren und daraus auf eine rechtlich fixierte Geringschätzung des Lebens ansässiger Fremder zu schließen: Auch wenn die Verbannung aus Athen sicherlich als eine geringere Strafe als der Tod zu werten ist, ist das lebenslange Exil alles andere als eine milde Strafe und deutet auch nicht darauf hin, dass der gewaltsame Tod eines ansässigen Fremden als Kavaliersdelikt durchging. Ganz im Gegenteil deutet doch schon die bloße Existenz festgelegter Verfahren, in deren Rahmen der Mord an einem ansässigen Fremden verfolgt und bestraft werden konnte, darauf hin, dass ihr Leben den Athenern als schützenswert galt. Vor diesem Hintergrund gerät die eingangs zitierte Behauptung, dass sich ansässige Fremde in einer prekären Rechtslage in Athen befunden hätten, zumindest ins Wanken: Im Vergleich zu den Bürgern durften sie zwar nicht selbst Recht sprechen, aber anders als nichtansässige Fremde waren sie Rechtspersonen und befanden sich so im Vergleich zu diesen durchaus in einer privilegierten Situation. III.7 Privilegien und Ehrungen Im Gegensatz zu den intrinsischen Merkmalen konnten viele der im vorhergehenden Teil diskutierten extrinsischen Merkmale, d. h. Merkmale, die den ansässigen Fremden von Athen auferlegt wurden, durch die Vergabe von Privilegien verändert oder gar getilgt werden: Damit wurde dem Honoranten ein Recht gewährt, das ihn trotz seines Status als ansässiger Fremder in einem oder mehreren Aspekten an den Bürger anglich oder ihn dem Bürger sogar gleichstellte.986 Viele dieser Vorrechte wurden dabei nicht exklusiv nur an ansässige Fremde verliehen, sondern auch an nichtansässige Fremde vergeben, etwa um das Wohlwollen der Polis gegenüber einem fremden Herrscher auszudrücken oder sich die Fürsprache fremder Akteure in anderen Poleis zu sichern.987 Für viele nichtansässige Fremde blieben die Privilegien eine Ehrung ohne tatsächliche praktische Relevanz, da sie nicht nach Athen umsiedelten, um das ihnen zugesprochene Recht in Anspruch zu nehmen. Nicht so jedoch für die ansässigen Fremden, die von ihnen zugesprochenen Privilegien mittelbar und unmittelbar profitierten. Die infolge dieser Privilegierung in einem oder mehreren Aspekten veränderte Situation der Honoranten hat Teile der Forschung sogar veranlasst, ansässige Fremde mit und

986 Vgl. Mack 2015, S. 124; Marek 1984, S. 160; Klees 2000, S. 39; Burford 1972, S. 36. 987 Dazu bspw. Marek 1984, S. 335–351.

Privilegien und Ehrungen

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ohne Privilegien als zwei voneinander zu unterscheidende Gruppen anzunehmen.988 Dabei ist etwa zu überlegen, ob alle Privilegien hinsichtlich des Einflusses, den sie auf das Leben der ansässigen Fremden in Athen hatten, tatsächlich gleichwertig waren und ob eine pauschale Differenzierung privilegierter und nicht privilegierter Fremder überhaupt plausibel ist: So wäre u. a. zu vermuten, dass z. B. die vollumfängliche Befreiung von sämtlichen Abgaben (atéleia pántōn) zumindest in Friedenszeiten im Alltag stärkere Auswirkungen hat als das Recht, mit den Athenern in einer Schlachtreihe zu kämpfen (tás strateías strateúesthai metá Athēnaíōn). Abgesehen davon erscheint der Gedanke zumindest plausibel, dass z. B. eine Privilegierung im Bereich der Steuern andere Auswirkungen als eine Privilegierung im Bereich des Militärs hat. Damit ist auch hier zu fragen, ob eine pauschale Unterscheidung zwischen privilegierten und nichtprivilegierten ansässigen Fremden diesen unterschiedlichen Auswirkungen tatsächlich gerecht wird. III.7.1 Verfahren der Vergabe von Privilegien Die Vergabe von Privilegien geschah auf Antrag und durch einen Beschluss der Volksversammlung. Dieser konnte von Fremden nicht gestellt werden, da sie keinen Zugang zu diesem Gremium hatten,989 sondern bedurfte der Vermittlung eines athenischen Bürgers.990 Der Name dieses bürgerlichen Antragsstellers ist in den Ehrendekreten verzeichnet,991 was den Weg dahin ebnete, dass das Vorschlagen von Honoranten in der Volksversammlung sich fast schon zu einem ‚Volkssport‘ der Elite entwickeln konnte, in dessen Rahmen Bürger um die meisten erfolgreich durchgesetzten Anträge wetteiferten.992 Vor allem machten einige Athener daraus auch ein Geschäft, indem sie sich von Interessierten bezahlen ließen, um sie in der Volksversammlung als Empfänger von Privilegien vorzuschlagen – zumindest wird dieser Vorwurf in den Quellen bisweilen erhoben.993 Ein günstiges Votum der Volksversammlung vorausgesetzt, wurden die an den Bewerber vergebenen Privilegien zusammen mit eventuellen weiteren Ehrungen994 publik gemacht, indem sie inschriftlich festgehalten und als Stelai im öffentlichen Raum der Polis an – etwa aufgrund ihrer kultischen oder wirtschaftlichen

988 Vgl. Rhodes 2013, S. 61; Kamen 2013, S. 50–55; Dimopoulou-Piliouni 2008, S. 46; in Ansätzen auch Whitehead 1977, S. 16. 989 Dazu Kap. III.4.1. 990 Vgl. Adak 2003, S. 197; Zelnick-Abramovitz 1998, S. 562; Walbank 1991, S. 201. Zur Bedeutung des sozialen Netzwerks ansässiger Fremder zum Erhalt von Privilegien s. Kap. III.3.1.3. 991 So etwa in IG II2 242; IG II2 243; IG II2 373; IG II2 110. 992 Vgl. Lambert 2011, S. 204f. 993 Demosth. 59, 91; Deinarch. 1, 43; vgl. Zelnick-Abramovitz 1998, S. 561, die in der Häufigkeit, mit der dieser Vorwurf erhoben wird, einen Topos zu erkennen vermag. 994 Hier ist insbesondere an Ehrentitel wie den des euergétēs zu denken.

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Extrinsische Merkmale

Funktion – stark frequentierten Orten995 aufgestellt wurden. So sollte einerseits sichergestellt werden, dass die Öffentlichkeit dem Benannten mit der ihm gebührenden Ehrfurcht entgegentrat,996 andererseits garantierte dies dem Honoranten auch, dass er die ihm zugesprochenen Privilegien tatsächlich einfordern konnte.997 Das Aufstellen einer Stele für einen Honoranten war damit nicht nur eine Ehre an sich, wie vielfach in der Forschung betont wurde,998 sondern diente auch einem praktischen Zweck: Für den Honoranten war sie ein Garant für seine neuerworbenen Rechte. Darüber, wem welche Privilegien zugesprochen werden sollten, herrschte unter den Athenern nicht immer Konsens. So wurde die Frage, welche Vorrechte die Unterstützer des Thrasybulos für ihren Einsatz zur Wiederherstellung der Demokratie in Athen erhalten sollten, wohl mehrfach und auch durchaus kontrovers in der Volksversammlung diskutiert: Thrasybulos selbst beantragte zunächst die Vergabe des Bürgerrechts an seine Anhänger, was wohl nicht zuletzt aufgrund des Einsatzes eines gewissen Archinos abgelehnt wurde.999 Erst im zweiten Anlauf einigte man sich darauf, ihnen zwar nicht das Bürgerrecht, aber eine Reihe anderer Privilegien zuzusprechen.1000 Privilegien tatsächlich zurückzunehmen, war zwar möglich,1001 aber wohl nicht üblich. In den Quellen ist lediglich ein konkreter Fall belegt, in welchem dem Redner Lysias das athenische Bürgerrecht aufgrund eines Formfehlers – und übrigens nicht etwa aufgrund einer nachträglich festgestellten Unwürdigkeit – wieder aberkannt wurde.1002 Häufiger kam es aber vor, dass der Bürger, der die Privilegierung eines Fremden beantragt hatte, mit einer paranómōn graphḗ zur Rechenschaft gezogen wurde, falls der Geehrte sich als unwürdig erwies.1003 Alle der insgesamt zwanzig überlieferten und mit der Vergabe von Ehrungen in Verbindung stehenden graphaí paranómōn1004 betrafen die Verleihung des Bürgerrechts an ansässige Fremde. Das dürfte einerseits an der besonderen Stellung der politeía als höchstes unter den Privilegien gelegen haben,1005 andererseits aber auch daran, dass bereits ansässige Fremde das ihnen zugesprochene Bürgerrecht im Vergleich z. B. zu den Herrschern fremder Länder, die ebenso zu den Empfängern gehörten, auch wirklich nutzen und so die Zusammensetzung der Gemeinschaft der athenischen Bürger beeinflussen konnten.1006 995 Vgl. Hagemajer Allen 2003, S. 227. 996 Vgl. Meyer 2013, S. 488; Lambert 2011, S. 200. 997 Wie Demosth. 20, 64 hervorhebt; vgl. Lambert 2011, S. 205; Hagemajer Allen 2003, S. 228. 998 Vgl. u. a. Lambert 2011, S. 199; Meyer 2013, S. 468. 999 Aristot. Ath. Pol. 40, 2. 1000 IG II2 10; vgl. Krentz 1986, S. 201; Whitehead 1984b, S. 8; Taylor 2002, S. 383–385. 1001 Vgl. Marek 1984, S. 161; Adak 2003, S. 199. 1002 Plut. Mor. 835f. 1003 Vgl. Mack 2015, S. 92: Insgesamt sind 35 graphaí paranómōn aus dem klassischen Athen ausführlicher überliefert. 1004 Vgl. ebd. 1005 Dazu Kap. III.7.6. 1006 So auch schon Mack 2015, S. 93.

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Die Verleihung von Privilegien an einen einzelnen geschah in der Regel als Reaktion auf eine Wohltat, die der jeweilige Honorant den Athenern gegenüber erbracht hatte. Damit sind individuelle Privilegierungen grundsätzlich als Dank für eine erbrachte Leistung zu bewerten und nicht als Vorauszahlung auf einen aspirierten Dienst.1007 Das schloss natürlich nicht aus, dass die Athener durchaus darauf hofften, dass sich der Empfänger auch künftig ihnen gegenüber freundlich zeigen würde.1008 Dieser Gedanke zeigt sich etwa in der Vergabe von Vergünstigungen an Künstler, um ihnen den längeren Aufenthalt in Athen schmackhaft zu machen,1009 oder an Händler, damit sie Athen auch zukünftig bevorzugt mit Waren versorgten.1010 Daneben spekulierten die Athener aber auch darauf, dass die großzügige Vergabe von Privilegien auch potenzielle Wohltäter dazu motivieren würde, sich für die Athener zu engagieren, um sich deren Gunst und Vergünstigungen zu sichern.1011 Die Liste der Verdienste, für die einzelne ansässige Fremde Privilegien zugesprochen bekommen konnten, ist lang. Dabei ist die Begründung der Vergabe von Privilegien an den Honoranten zwar ein fester Bestandteil des Ehrendekrets selbst, allerdings führt diese nur in frühester Zeit tatsächliche konkrete Verdienste auf. Ab dem 4. Jahrhundert war die Beschreibung der Wohltaten des Honoranten formelhafter und zunehmend abstrakter.1012 Besonders häufig sind Geldschenkungen und finanzielle Kontributionen als Grund für die Privilegierung eines Einzelnen zu nennen,1013 sowohl in Form von eisphoraí1014 und Leiturgien1015 wie auch als epidóseis.1016 Auch militärisches Engagement wurde mit Privilegien belohnt.1017 Darüber hinaus gehören zu den Empfängern von Privilegien auch Personen, die den Athenern einen besonderen Dienst im

1007 Vgl. Zelnick-Abramovitz 1998, S. 561; Deene 2013, S. 76. 1008 Ähnlich Hagemajer Allen 2003, S. 203. 1009 Dazu Kap. II.2.1.2; vgl. Burford 1965, S. 33f. 1010 Xen. Vect. 3, 4. 1011 Demosth. 20, 5; Xen. Vect. 3, 11; Vgl. Lambert 2011, u. a. S. 194–197; Lambert 2006, S. 116; ZelnickAbramovitz 1998, S. 562; Osborne 1990, S. 274. Als Beispiel mag IG II3 1, 367 dienen, ein Ehrendekret für den Kornhändler Herakleides aus Salamis. 1012 Vgl. West 1998, S. 238. 1013 Vgl. Deene 2013, S. 78; Whitehead 1977, S. 29; Wijma 2014, S. 117; Kears 2013, S. 71. 1014 So etwa in IG II2 505; IG II2 554; IG II2 715; IG II2 835. 1015 Dazu Kap. III.2.1.3. 1016 Bspw. IG II2 351; IG II2 360; IG II2 768; IG II2 802; IG II2 786. 1017 So werden in IG II2 505, Z. 12–41 zwei ansässige Fremde geehrt, weil sie regelmäßig die eisphorá gezahlt haben und wohl auch außer der Reihe durch eine großzügige Spende sicherstellten, dass die Kriegsschiffe den Hafen während des Lamischen Krieges verlassen konnten, vgl. Jordan 2001, S. 132, siehe auch S. 210ff zur triērarchía; IG II2 421; IG II2 715; IG II2 276; IG II2 10. Zur Vergabe von Privilegien an Söldner: Bayliss 2004, S. 88–90.

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Rahmen ihrer Profession erwiesen haben, wie bspw. Ärzte,1018 Künstler1019 oder Händler.1020 Ähnlich groß ist auch der Variantenreichtum der an die Fremden verliehenen Privilegien, die alle Bereiche des Lebens in der Polis betreffen. Sie umfassen Steuerbefreiung (atéleia, isotéleia), bevorzugte Platzierung bei den großen Dionysien,1021 bevorzugte Behandlung in Rechtsanliegen (prodikía) oder das Recht, auch immobiles Eigentum zu besitzen (énktēsis). Mit der Privilegierung ging in der Regel auch die Verleihung diverser Ehren einher, mit denen keine tatsächlichen rechtlichen Vorteile verbunden waren,1022 etwa die Ernennung zum euergétēs, die Vergabe von Kronen in Gold, Silber oder Blattwerk1023 sowie eine Speisung im Prytaneion.1024 Obgleich auch die Wirkmächtigkeit kleiner Privilegien nicht verkannt werden darf,1025 hat sich in der Forschung eine Gruppe von fünf großen Privilegien herausgebildet, die aufgrund ihres Einflusses auf die extrinsischen Merkmale das Potenzial haben, eine Differenzierung der Privilegierten von anderen, nicht-privilegierten ansässigen Fremden zu rechtfertigen: isotéleia, atéleia, énktēsis, proxenía sowie politeía. Ihre Inhalte und Auswirkungen auf das Leben der Honoranten sollen im Folgenden untersucht werden. III.7.2 isotéleia Wahrscheinlich seit dem späten 5. Jahrhundert bedachten die Athener einige ihrer Wohltäter mit der isotéleia.1026 Dieses Privileg wurde sowohl an Einzelpersonen als auch an Gruppen vergeben, wobei zunächst wohl vor allem nichtansässige Fremde, insbesondere próxenoi, ab dem 4. Jahrhundert dann auch bereits ansässige Fremde geehrt wurden.1027 Einzelpersonen bekamen isotéleia für eine Vielzahl von zum Wohle der Athener erbrachten Taten, während die Verleihung an Gruppen vor allem im Kontext einer bspw. durch die Zerstörung der Stadt notwendig gemachten Flucht geschah.1028 Ein bekanntes Beispiel hierfür liefert der Fall der Plataier, die nach der Zerstörung

1018 Prominentestes Beispiel ist hier sicherlich der vielfach mit Privilegien bedachte Arzt Euenor: IG II2 373; IG II2 483. 1019 Z. B. Polygnotos aus Thasos (Harp. s. v. Πολύγνωτος; Suda s. v. Πολύγνωτος); vgl. Brandt 1992, S. 197 sowie Ostwald 2007, S. 317 und Kap. II.2.1.2. 1020 So etwa der in IG II2 505 geehrte Herakleides aus Salamis, vgl. Lambert 2011, S. 194. 1021 Die allgemeine prohedría wird in Athen nicht verliehen, vgl. Marek 1984, 155f. 1022 Vgl. Stelzer 1971, S. 250; Lambert 2006, S. 116. 1023 Vgl. Lambert 2006, S. 116; Deene 2012, S. 173 n 13. 1024 Vgl. z. B. Osborne 1981b, S. 153–156. 1025 Die kleineren Privilegien wurden im Rahmen der einschlägigen Kapitel, sofern relevant, bereits behandelt. 1026 Vgl. Adak 2003, S. 219f zur Datierung der Anfänge der isotéleia. 1027 Vgl. Ginestí Rosell 2013, S. 298. 1028 Vgl. Rubinstein 2018, S. 13; ähnlich auch Whitehead 1977, S. 15.

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ihrer Stadt u. a. mit der isotéleia bedacht wurden.1029 In Verbindung mit dem Umstand, dass die isotéleia auch gehäuft gemeinsam mit der Proxenie verliehen wurde, ergibt sich der Eindruck, dass diese wohl auch mit dem Hintergedanken vergeben wurde, dem oder den Empfänger(n) einen vielleicht unfreiwilligen Aufenthalt, etwa aufgrund einer politischen Intervention des oder der Geehrten zugunsten Athens in der Heimat, zumindest finanziell zu erleichtern. Abgesehen von diesem eher losen Zusammenhang, findet sich in den Quellen keine explizite Bevorzugung oder Benachteiligung von Trägern eines bestimmten intrinsischen Merkmals.1030 Frauen waren aber wohl vom Empfang dieses Privilegs – wie auch von allen anderen – ausgeschlossen.1031 Zurückzuweisen ist die etwa von Rachel Zelnick-Abramovitz aufgestellte Behauptung, dass die isotéleia ausschließlich reichen und gut vernetzten Personen vorbehalten war:1032 Insbesondere auf die eben erwähnten Gruppen von Flüchtlingen, denen die isotéleia regelmäßig verliehen wurde, dürfte weder das eine noch das andere zugetroffen haben. Keine zeitgenössische Quelle überliefert, welche konkreten Vorrechte mit diesem Privileg verbunden waren, erst die Lexikographen geben einige Hinweise auf den Inhalt der isotéleia.1033 Sie alle stimmen überein, dass es sich bei der isotéleia um ein Steuerprivileg handelte. Harpokration überliefert, dass die Honoranten vom metoíkion und anderen nicht weiter benannten Abgaben befreit worden seien, die ein métoikos zahlte.1034 Ähnlich berichten auch Hesychios und Pollux, dass die Honoranten der isotéleia eine steuerliche Gleichstellung mit den Bürgern erhielten,1035 was wohl ebenfalls auf die Befreiung von allen den ansässigen Fremden üblicherweise auferlegten Steuern hindeutet.1036 Zwei weitere Stellen in der Überlieferung des Xenophon legen einen Zusammenhang zwischen der isotéleia und den von Fremden erhobenen Abgaben eben-

1029 Für die Privilegierung der Plataier in Athen siehe weiter unten in diesem Kapitel sowie Kap. II.2.2.1 zu den Plataiern als Geflüchtete. 1030 Dagegen Stelzer 1971, S. 236f, der eine Bevorzugung ansässiger Fremder für die Vergabe von isotéleia vermutet, die vom allgemeinen Quellenbefund nicht gestützt wird: Unter den Honoranten befinden sich ansässige und nichtansässige Fremde gleichermaßen. 1031 Vgl. Ginestí Rosell 2013, S. 299; dazu Kap. II.4.3. Rubinstein weist auf einen Fall hin, in dem sogar einer Frau die isotéleia zuerkannt worden sei, nämlich der Amme Melitta, vgl. Rubinstein 2018, S. 13. Auf deren Grabstele (IG II2 7873), welche Rubinstein als Quelle angibt, ist aber nicht sie selbst als isotelḗs, sondern eindeutig ihr Vater Apollodor ausgewiesen, Z. 1–3: Ἀπολλοδώρου ἰσοτελοῦ θυγάτηρ Μέλιττα (Melitta, Tochter des isotelḗs Apollodor), vgl. auch die Übersetzung von Kennedy 2014, S. 134. 1032 Vgl. Zelnick-Abramovitz 2005a, S. 314; ähnlich Ginestí Rosell 2013, S. 299. Davon unberührt bleibt der Umstand, dass die Verleihung der isotéleia in der Praxis wohl häufiger an gut situierte ansässige Fremde geschah, die es sich überhaupt erst einmal leisten konnten, den Athenern Wohltaten zu erweisen. 1033 Vgl. Whitehead 1977, S. 11; Adak 2003, S. 222. 1034 Harp. s. v. ἰσοτελής καὶ ἰσοτέλεια. 1035 Hesych. s. v. ἰσοτελής; Poll. 8, 91; ähnlich auch Anecd. Bekk. 267, 1–2. 1036 Anders Adak 2003, S. 222.

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falls nahe.1037 Andere Definitionen deuten nicht nur eine steuerliche, sondern auch eine rechtliche Gleichstellung eines ansässigen Fremden mit einem Bürger durch die isotéleia an.1038 In dieser Frage kann wiederum auf die antiken Quellen zurückgegriffen werden: Diese überliefern zwar keine Definition der isotéleia, erwähnen dieses Privileg aber. So geht aus Aristoteles’ Aufzählung der Zuständigkeiten des árchōn polémarchos1039 ohne Zweifel hervor, dass diesem Beamten auch diejenigen Fälle oblagen, die neben anderen ansässigen Fremden auch isoteleís involvierten.1040 Sofern diese aber mit dem Bürger in Rechtsdingen gleichgestellt gewesen wären, hätten sie sich wohl kaum an den für Fremde zuständigen Beamten wenden müssen.1041 Relevant könnte der Zugang zum árchōn polémarchos aber für nichtansässige Honoranten der isotéleia gewesen sein: In seiner Aufzählung derjenigen Personengruppen, die dem árchōn polémarchos unterstellt waren, nennt Aristoteles métoikoi, isoteleís und próxenoi,1042 wobei die Forschung die beiden Erstgenannten als Gruppen ansässiger Fremder interpretiert hat und außerdem aus dieser Stelle das besondere Recht des próxenos abgeleitet hat, auch als nichtansässiger Fremder Klagen in Athen hervorzubringen.1043 Nun ist es aber so, dass auch Personen mit der isotéleia bedacht werden, die selbst nicht in Athen ansässig sind.1044 Da Aristoteles an dieser Stelle keine Einschränkung auf in Athen lebende isoteleís trifft, sondern wohl allgemein alle Honoranten der isotéleia meint, könnte der Schluss gezogen werden, dass auch ein nicht in Athen lebender isotelḗs durch dieses Privilegs Zugang zum árchōn polémarchos hatte. Damit wäre die isotéleia nicht nur auf eine Besserstellung hinsichtlich der télē beschränkt, sondern würde auch eine Veränderung der Rechtsstellung nach sich ziehen – freilich nur im Falle von nicht in Athen lebenden isoteleís, da in Athen Lebende dieses Recht ohnehin durch ihre Ansässigkeit in Athen besaßen.

1037 Deutlich in Xen. Vect. 4, 12 sowie, allerdings weniger eindeutig, Xen. Hell. 2, 4, 25, wo zwar eine steuerliche Gleichstellung naheliegt, sich aber nicht zwangsläufig ergibt. Whiteheads Hinweis, dass der Terminus isotéleia hier nicht im technischen Sinne gebraucht wird (Vgl. Whitehead 1978, S. 19f), ist gerechtfertigt, schließt aber den thematischen Zusammenhang des Begriffs mit Steuern und Abgaben nicht aus. 1038 Suda s. v. ἰσοτελεῖς: οἱ ἀπὸ τοῦ μετοικεῖν κατά τινα τιμὴν παρὰ τοῦ δήμου γενομένην κατὰ ψήφισμα μεταβαίνοντες εἰς τὸ τῶν δημοποιητῶν δίκαιον ἰσοτελεῖς ὠνομάζοντο sowie Schol. Demosth. 20, 29: ὶσοτελεῖς μὲν λέγει τοὺς ξένους τοὺς τετυχηκότας τῆς ἲσης τιμῆς τοῖς πολίταις; vgl. Adak 2003, S. 222 mit n 951. Zu Recht weist Adak die Behauptung, die Empfänger der isotéleia seien den Bürgern rechtlich gleichgestellt, zurück, vgl. Adak 2003, S. 222. Davon unberührt bleibt aber die der isotéleia innewohnende, wie auch immer gravierende, rechtliche Komponente, die von den Quellen behauptet wird, mag sie auch übertrieben sein. 1039 Zum Amt des árchōn polémarchos Kap. III.6.2.1. 1040 Aristot. Ath. Pol. 58, 2. 1041 Dagegen Zelnick-Abramovitz 2005a, S. 314, die in der gesonderten Nennung des isotelḗs im Zusammenhang mit dem árchōn polémarchos eine rechtliche Relevanz der isotéleia bewiesen sieht. 1042 Aristot. Ath. Pol. 58, 2. 1043 Dazu weiter unten Kap. III.7.5. 1044 Siehe S. 334.

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Der fehlenden Eindeutigkeit und Einigkeit der Quellen eingedenk überrascht es nicht, auch in der Forschung divergierende Vorstellungen von der isotéleia zu finden. Die durch die isotéleia bewirkte Befreiung vom metoíkion ist dabei einigermaßen unumstritten. Alle darüber hinausgehenden Vergünstigungen sind kontrovers diskutiert worden, wobei sich drei Deutungsmuster ausmachen lassen: Erstens die isotéleia als Befreiung von allen Abgaben, die ansässigen Fremden auferlegt wurden, d. h. die (rein) steuerliche Gleichstellung mit den Bürgern, zweitens die isotéleia als Befreiung von allen Abgaben und Pflichten, die ansässigen Fremden auferlegt wurden, d. h. die Gleichstellung mit den Bürgern hinsichtlich Steuern und diverser anderer Obliegenheiten, und drittens die isotéleia als Privileg, das die Honoranten von allen Abgaben und allen Pflichten befreite, die ansässigen Fremden auferlegt wurden, und welches darüber hinaus auch weitere Privilegien, insbesondere das Recht auf immobilen Besitz, enthielt. Die erstgenannte engste Auffassung der isotéleia geht davon aus, dass die Honoranten der isotéleia von den ansässigen Fremden exklusiv auferlegten Abgaben1045 entbunden wurden. Hierzu zählt neben dem metoíkion auch die Marktsteuer.1046 In Opposition zu dieser engen Auffassung der isotéleia hat Mustafa Adak zurecht darauf hingewiesen, dass der Begriff télē im Griechischen nicht nur in Bezug auf Steuern gebraucht wird, sondern jegliche Pflichten meinen kann.1047 Demnach seien isotelḗs nicht nur hinsichtlich der Abgaben den Bürgern gleichgestellt gewesen, sondern auch im Hinblick auf andere Verpflichtungen.1048 Adak zufolge sei die große Bedeutung der isotéleia mit einer so engen Interpretation der damit einhergehenden Vergünstigungen eigentlich kaum zu begründen.1049 Dabei ist deutlich zu betonen, dass dies nicht die grundsätzliche Befreiung von sämtlichen Abgaben und Diensten bedeutet,1050 sondern nur von denjenigen, die Fremden auferlegt wurden und die Bürger nicht zu erbringen hatten. Die drängende Frage ist allerdings, welche Abgaben und Dienste dies konkret meinen könnte. Adak weist in diesem Zusammenhang explizit auf eisphoraí und den Wehrdienst hin, was zweifellos zwei Bereiche sind, in denen ansässige Fremde und Bürger ihre télē gentrennt voneinander erbrachten.1051 Eine Gleichstellung könnte hier bedeuten, dass die Honoranten mit den Athenern in einer Schlachtreihe kämpften und even-

1045 Vgl. dazu Kap. III.2.1. 1046 Vgl. Whitehead 1977, S. 11f; Henry 1983, S. 246; Niku 2007, S. 30–32 sowie S. 41–43; ZelnickAbramovitz 2005a, S. 314; Finley 1973, S. 164. 1047 Vgl. Adak 2003, S. 224; dazu auch LSJ s. v. τέλος [I].8. 1048 Vgl. Adak 2003, S. 224. 1049 Vgl. ebd., S. 223: „Bei einer solchen Minimalisierung der Rechte der Isotelen fragt man sich allerdings, worauf dann die […] Wertschätzung dieses Titels […] beruht haben sollte, wenn der sich aus der Verleihung ergebende Vorteil so gering war.“ 1050 Zur atéleia siehe Kap. III.7.3. 1051 Zur Frage, ob ansässige Fremde gemeinsam mit den Bürgern in einer Schlachtreihe kämpften, siehe Kap. III.1.2. Zur Organisation der eisphorá-Zahlungen von ansässigen Fremden vgl. Kap. III.2.1.2.

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tuell auch Zugang zum Training mit ihnen hatten,1052 bzw. dass sie bei der Erhebung der eisphorá den bürgerlichen Kontingenten zugeordnet waren und nicht denen der ansässigen Fremden. Dafür, dass auch die Gleichstellung ansässiger Fremder mit den Bürgern hinsichtlich des Militärdienstes in der isotéleia inbegriffen war, spricht nicht zuletzt auch, dass kein Dekret überliefert ist, welches das tás strateías strateúesthai metá Athēnaíōn-Privileg gemeinsam mit der isotéleia verleiht.1053 Das könnte auch ein Zufall sein – oder die gemeinsame Verleihung war unnötig, da das eine das andere einschloss. Vom militärischen Einsatz abgesehen gibt es aber keine Gelegenheiten, an denen ansässige Fremde nicht-fiskalische Dienste an der Polis erbringen mussten, denn die übrigen exklusiv an ansässige Fremde gerichteten Vorschriften betreffen keine télē und beziehen sich eher auf Verbote. In der Folge kommt Adak zu dem überzeugenden Schluss, dass die isotéleia ganz konkret die Befreiung vom metoíkion und wohl auch von der Marktsteuer bedeutet, sowie die Gleichstellung der Honoranten mit den Bürgern in Bezug auf die eisphorá und den Wehrdienst.1054 Die in der Forschung bisweilen formulierte Vermutung, dass die Honoranten der isotéleia von sämtlichen den ansässigen Fremden auferlegten Abgaben und Pflichten befreit wären,1055 ist also im Kern zwar zutreffend, aber zumindest unvorsichtig: Tatsächlich betraf das nämlich ‚nur‘ das metoíkion, den Wehrdienst, die eisphoraí und die Marktsteuern. Während die etwas umfassendere Interpretation der isotéleia durchaus plausibel erscheint, ist die Auffassung der isotéleia als ein umfangreiches ‚Paket von Privilegien‘ zurückzuweisen.1056 Vertreter dieser Ansicht gehen davon aus, dass die isotéleia nicht nur die Gleichstellung mit den Bürgern hinsichtlich Abgaben und Pflichten, sondern darüber hinaus auch die Lockerung von den ansässigen Fremden auferlegten Einschränkungen bedeutete, insbesondere was das Recht auf immobiles Eigentum betraf.1057 Es ist zwar durchaus zutreffend, dass isotéleia und énktēsis häufig gemeinsam verliehen werden,1058 ihre Nebeneinandernennung deutet doch aber darauf hin, dass das eine das andere gerade nicht miteinschloss.1059 Damit ist auch nicht davon auszugehen, dass Honoranten der isotéleia immer auch das Recht auf Landbesitz (oder irgendein weiteres nicht explizit im Dekret benanntes Recht)1060 hatten, auch wenn es ihnen in der Regel zugesprochen worden war.

1052 Dies entspricht dem Inhalt des tás strateías strateúesthai metá Athēnaíōn-Privilegs, dazu S. 216f. 1053 Dekrete, welche die Verleihung des tás strateías strateúesthai metá Athēnaíōn-Privilegs belegen, sind u. a. IG II2 218; IG II2 287; IG II2 351; IG II2 360; IG II2 505; IG II2 545. 1054 Vgl. Adak 2003, S. 225; dagegen Whitehead 1977, S. 12. 1055 Vgl. Kamen 2013, S. 56; Mack 2015, S. 56. 1056 So auch Hagemajer Allen 2003, S. 216; Finley 1951, S. 77; Ginestí Rosell 2012, S. 138. 1057 Vgl. z. B. Patzek 1995, S. 37 sowie auch Stelzer 1971, S. 159. 1058 So bspw. in IG II2 505, Z. 51 und Z. 53; IG II2 768, fr. b, Z. 7–8. 1059 Ähnlich auch schon Stelzer 1971, S. 159. 1060 Isotéleia wird regelmäßig in Kombination mit anderen Privilegien und Ehrungen verliehen, aber nicht immer: In IG II2 83 etwa wird die isotéleia allein verliehen, vgl. Adak 2003, S. 219.

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Die isotéleia gehörte ohne Zweifel zu einem der mit großer Wertschätzung der Honoranten einhergehenden Privilegien.1061 Auch wenn sie nicht die vollumfängliche Gleichstellung mit den Athenern bewirkte – zahlreiche Einschränkungen, etwa hinsichtlich des Landbesitzes und politischer Partizipation, blieben –,1062 war ihre Wirkung für die Honoranten signifikant. So durften sie mit den Athenern in einer Schlachtreihe kämpfen, was nicht nur ehrenhalber von Vorteil sein konnte, sondern auch die Überlebenschancen im Kampf erhöhte.1063 Die steuerlichen Vorteile der isotéleia waren, zumindest gemessen an ihrem materiellen Wert, gering: Die Marktsteuer war niedrig,1064 und auch das metoíkion war für die meisten erschwinglich. Was nicht unterschätzt werden darf, ist aber die Befreiung der Honoranten von der symbolischen Bürde der metoíkion-Zahlung: Diese ansässigen Fremden waren nämlich von einem durchaus plakativen Merkmal eines métoikos befreit.1065 Wenn, wie an anderer Stelle bereits besprochen,1066 métoikos war, wer das metoíkion zahlte, entbehrten die mit isotéleia Geehrten dieses Merkmals und waren folglich auch keine métoikoi, sondern bildeten eine eigene Gruppe ansässiger Fremder1067 – die isoteleís. Dafür, dass isoteleís tatsächlich eine eigene Kategorie Fremder, insbesondere ansässiger Fremder, bildeten, spricht die in den Quellen stellenweise belegte sprachliche Differenzierung von métoikoi und isoteleís.1068 Diese findet sich in Form einer direkten Nebeneinandernennung beider Begriffe, um zwei anscheinend divergierende Personengruppen zu bezeichnen,1069 oder in der Nennung der isoteleís als einer Subgruppe in einem Kontext, der die übrigen ansässigen Fremden ausschloss,1070 aber auch in der explizierten Bezeichnung von ansässigen Fremden als isoteleís in Situationen, in denen auf eine eventuelle Benennung als métoikos wohl verzichtet worden wäre. Allem voran ist hier an einige Grabsteine der ansässigen Fremden zu denken, in denen Honoranten der isotéleia sich selbst als isoteleís bezeichneten,1071 während andere ansässige Fremde die Angabe ihrer Herkunft vorzogen.1072 Das spricht einerseits für die Ehrwürdigkeit, 1061 Vgl. Adak 2003, S. 217 sowie S. 223; Zelnick-Abramovitz 2005a, S. 314. 1062 Vgl. Davies 1977, S. 107; Patzek 1995, S. 37. 1063 Dazu Kap. III.1.2. 1064 Adak bezeichnet sie sogar als „unbedeutend“, vgl. Adak 2003, S. 225 und ähnlich auch S. 223; dazu Kap. III.2.1. 1065 Zum metoíkion als symbolischer Bürde vgl. Kap. III.2.1.1.2. 1066 Dazu Kap. III.2.1.1.3. 1067 Ähnlich auch schon Kears 2013, S. 43, in Ansätzen auch Kamen 2013, S. 61 sowie Stelzer 1971, S. 104. Gegen die Auffassung, dass isoteleís eine eigene Kategorie ansässiger Fremder bilden: Kamen 2013, u. a. S. 55 sowie S. 56–58, die isoteleís als privilegierte métoikoi auffasst, sowie auch Whitehead, der die isoteleís wahlweise entweder unter die xénoi subsumiert (vgl. Whitehead 1977, S. 14–16) oder unter die métoikoi (vgl. Whitehead 1977, S. 11). 1068 Vgl. Adak 2003, S. 220f. 1069 Aristot. Ath. Pol. 58, 2. 1070 Demosth. 20, 29; vgl. Kears 2013, S. 44. 1071 Z. B. IG II2 7862; IG II2 7864; IG II2 7865; IG II2 7868; IG II2 7870. 1072 Vgl. Ginestí Rosell 2013, S. 298; Adak 2003, S. 221.

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die mit dem isotelḗs-Titel verbunden ist,1073 andererseits aber auch dafür, dass sich die Geehrten einer eigenen Statusgruppe zugehörig fühlten. Auch die schiere Existenz einer eigenen Bezeichnung für Honoranten der isotéleia – isoteleís –1074 deutet auf eine Sonderstellung der so Geehrten hin,1075 insbesondere eingedenk des Umstandes, dass eine solche Eigenbezeichnung nicht für Honoranten andere Privilegien, wie der énktēsis oder der atéleia, überliefert ist. III.7.3 atéleia In Verbindung mit der isotéleia ist auch das Privileg der atéleia zu nennen. Ähnlich wie die isotéleia betrifft auch die atéleia die Verpflichtung, eine Leistung zu erbringen, allerdings nicht im Sinne einer Gleichstellung, sondern – wie der Name schon andeutet –1076 in Form einer Freistellung von einer konkreten Pflicht, die in den Dekreten regelmäßig auch benannt wird.1077 Ähnlich wie bei der isotéleia dürften auch die atéleia-Honoranten von fiskalischen1078 und nicht-fiskalischen1079 Abgaben freigesprochen worden sein. Neben der Befreiung vom Wehrdienst (atéleia strateías)1080 taucht in der Überlieferung auch häufiger die explizite Befreiung von der Zahlungspflicht für das metoíkion als atéleia tú metoikíu auf.1081 Entgegen der in der Forschung stellenweise geäußerten Behauptung war die atéleia tú metoikíu aber nicht deckungsgleich mit der isotéleia,1082 denn während Letztere, wie im Vorgenannten gezeigt, auch die Gleichstellung bspw. hinsichtlich des Militärdienstes, die Befreiung von der Marktsteuer und den Zugang zum árchōn polémarchos bedeutete, beschränkte sich die atéleia tú metoikíu wohl tatsächlich nur auf das metoíkion. Zu beachten ist auch, dass mit atéleia nicht nur (ansässige) Fremde, sondern auch die Bürger von einem Dienst befreit werden konnten.1083 In diesen Fällen handelte es sich dann aber nicht um ein aufgrund einer besonderen Leistung verliehenes ehrenhaftes Privileg, sondern um die Umsetzung ei-

1073 1074 1075 1076 1077 1078

Vgl. Miller 2014, S. 144. Neben den oben (n 1071) genannten Grabsteinen auch Aristot. Ath. Pol. 58, 2. Ähnlich auch schon Adak 2003, S. 220f. Vgl. MacDowell 2004, S. 127. Vgl. ebd.; Rubinstein 2009, S. 115. Vgl. Hagemajer Allen 2003, S. 204; Zelnick-Abramovitz 2005a, S. 313; Walbank 1991, S. 6; Rubinstein 2009, S. 115. 1079 Vgl. MacDowell 2004, S. 127. 1080 So etwa in IG I3 164 an zwei Gemeindeärzte, ähnlich auch IG II2 505; vgl. Adak 2003, S. 224; Henry 1983, S. 249. 1081 U. a. IG II2 48; IG II2 61; IG II2 211; IG II2 245; IG II2 237. 1082 Vgl. MacDowell 2004, S. 128. 1083 Daraus ergibt sich, dass die von Mack formulierte Auffassung, die atéleia befreie den Honoranten nur von den Fremden auferlegten Abgaben, nicht aber von den bürgerlichen (vgl. Mack 2015, S. 123), zurückzuweisen ist.

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ner gesetzlichen Vorgabe.1084 So hatte derjenige, der Leiturgien entrichtete, atéleia von sämtlichen anderen Leiturgien im selben und im darauffolgenden Jahr.1085 Auch vom Militärdienst waren Bürger per atéleia freigestellt, wenn sie für die Eintreibung einer Steuer verantwortlich waren1086 oder als chorēgoí fungierten,1087 und von der Pflicht zur Ausübung des Schiedsrichteramtes, wenn sie ein anderes Amt bekleideten oder außer Landes waren.1088 Neben der Befreiung von einer konkret genannten Verpflichtung, wurde darüber hinaus in seltenen Fällen1089 auch die atéleia pántōn an Nichtbürger verliehen.1090 Aus der Rede des Demosthenes gegen Leptines1091 kann vergleichsweise gut rekonstruiert werden, welche konkreten Festlegungen dieses Privileg umfasste, nämlich die Befreiung von sämtlichen Steuern und Abgaben, inklusive der Leiturgien.1092 Eisphoraí waren davon aber wohl nicht betroffen,1093 vielleicht auch, weil das Zahlen dieser unregelmäßig erhobenen Abgaben ein Weg war, sich einen Namen in Athen zu machen und als Dank dafür nach noch höheren Privilegien, wie dem Bürgerrecht, zu streben.1094 Es ist durchaus denkbar, dass die Athener den Honoranten diese Gelegenheit (und sich selbst diese Einnahmequelle) nicht nehmen wollten. Stellenweise finden sich auch Quellen, in denen atéleia ohne weitere Zusätze verliehen worden ist.1095 Diese Fälle stellen nicht nur für die heutige Forschung hinsichtlich der Frage, welche Vergünsti1084 Ein weiterer Unterschied besteht wohl auch darin, dass die atéleia an Bürger häufig von der Deme verliehen wurde, während die atéleia an Fremde von der Polis vergeben wurde, vgl. Whitehead 1986b, S. 151. 1085 Demosth. 20, 8; Demosth. 21, 155; Demosth. 50, 9 sowie Aristot. Ath. Pol. 53, 5; vgl. MacDowell 2004, S. 127. 1086 Demosth. 59, 27. 1087 Demosth. 39, 16; Demosth. 21, 15; vgl. MacDowell 2004, S. 127. Während der ephēbeía sind die Wehrdienstleistenden zudem von sämtlichen Abgaben befreit: Aristot. Ath. Pol. 42, 5. 1088 Aristot. Ath. Pol. 53, 5. 1089 Demosth. 20, 21; vgl. Adak 2003, S. 224. 1090 So in IG II2 286. Dies ist der einzige inschriftliche Beleg für eine atéleia pántōn, vgl. Adak 2003, S. 229. 1091 Die 20. Rede des Demosthenes gegen Leptines entstand im Rahmen eines von Demosthenes selbst gegen den Angeklagten als paranómōn graphḗ erhobenen Vorwurfs wegen Einbringens eines gesetzeswidrigen Antrages. Demnach habe Leptines ein Gesetz vorgeschlagen, das die Rechte der Empfänger der atéleia pántōn sowohl rückwirkend als auch zukünftig empfindlich beschnitten hätte (Demosth. 20, 18; 20, 106; 20, 29 und 20, 127), indem insbesondere die bis dahin scheinbar gültige Befreiung der Honoranten von Leiturgien aufgehoben werden sollte. Hintergrund dieser Debatte ist unter anderem wohl ein in den vorhergegangenen Jahren immer akuter werdender Mangel an leiturgiewilligen Personen gewesen; vgl. MacDowell 2004, S. 128; Adak 2003, S. 229. Mit seinem Widerstand war Demosthenes wohl erfolgreich: Zwar ist der Urteilsspruch in diesem Fall nicht überliefert, spätere atéleia-Dekrete deuten aber darauf hin, dass dieses Privileg nicht abgeschafft wurde, vgl. West 1998, S. 245. 1092 Demosth. 20, 130 sowie Demosth. 20, 18 und Demosth. 20, 62; explizit auch in IG II2 1140 und IG II2 1147; vgl. dazu Adak 2003, S. 223f; West 1998, S. 241. 1093 Vgl. Stelzer 1971, S. 109; Adak 2003, S. 224 sowie S. 229. 1094 S. Kap. III.7.6. zu den Honoranten der politeía. 1095 So etwa in IG II2 8, Z. 19; IG II2 109, Z. 15–16; IG II2 195, Z. 6–7; IG II2 180, Z. 11–12.

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gungen dem jeweiligen Honoranten konkret zugesprochen wurden, ein Problem dar, sondern sorgten auch schon bei den Athenern für heftige Diskussionen: So führte Leptines als Grund für die von ihm vorgeschlagene Abschaffung der atéleia an, dass einige Honoranten sich wohl auf ihnen nicht explizit verliehene Freistellungen beriefen und auf diese Weise unrechtmäßig aus (finanziellen) Verantwortungen zögen.1096 Bei diesen Streitfällen handelte es sich, wie von Mustafa Adak plausibel vermutet, um Fälle, in denen die atéleia ohne weitere Zusätze und damit ohne Spezifizierung der konkreten Vergünstigungen, verliehen worden ist.1097 Daraus lässt sich allerdings nicht zwangsläufig, wie ebenfalls von Adak vorgeschlagen, schließen, dass eine atéleia ohne Zusätze automatisch nur die Befreiung vom metoíkion meint.1098 Eine andere Möglichkeit, die Douglas MacDowell erwogen hat, ist, dass es sich bei der nicht näher bezeichneten atéleia um ein Handelsprivileg handeln könnte, mit dem die Honoranten von Einfuhrsteuern befreit worden sind.1099 Dafür spricht, dass in den Quellen bisweilen eine Verbindung zwischen atéleia und dem Handel gezogen wird.1100 Auch der Umstand, dass anders als für die Befreiung vom metoíkion, kein atéleia-Zusatz überliefert ist, der eine rein auf den Warenhandel bezogene Bevorteilung bedeutet, könnte in diese Richtung weisen. Zwangsläufig ist dieser Schluss allerdings nicht. Allenfalls ist mit einiger Sicherheit zu sagen, dass weil die zusatzlose atéleia überhaupt ausgenutzt werden konnte, diese nicht mit der atéleia pántōn übereinstimmt: Honoranten dieses Privilegs hatten schließlich tatsächlich keine Verbindlichkeiten mehr und konnten die ihnen verliehenen Befreiungen so auch nicht überstrapazieren. Die Quellen für die Verleihung einer atéleia stammen ausschließlich aus dem 5. und 4. Jahrhundert1101 und umfassen sowohl Belege für Einzelpersonen wie auch für Gruppen als Empfänger dieses Privilegs. Dank der in der Rede des Demosthenes überlieferten Debatten um atéleia und insgesamt 20 inschriftlich überlieferter atéleia-Dekreten ist die Informationslage über die Empfänger dieses Privilegs vergleichsweise gut. Der Quellenbefund lässt unter anderem den Schluss zu, dass sich auch die Honoranten einer atéleia, ähnlich wie bei der isotéleia, dieses Privileg wohl durch eine bestimmte Wohltat, oft (aber nicht immer) in Verbindung mit einer finanziellen Zuwendung, verdient haben, die in einigen Dekreten expliziert1102 bzw. durch Demosthenes überliefert ist.1103 Wie Katarzyna Hagemajer Allen festgestellt hat, zeigt sich hinsichtlich der Zahl

1096 Demosth. 20, 1. 1097 Vgl. Adak 2003, S. 229. 1098 Vgl. ebd.; ähnlich auch Henry 1983, S. 243. 1099 Vgl. MacDowell 2004, S. 129–132; ähnlich Rubinstein 2009, S. 116 und S. 127. 1100 Z. B. in Demosth. 34, 36 und ähnlich auch Demosth. 20, 31; vgl. Hagemajer Allen 2003, S. 236. 1101 Vgl. Henry 1983, S. 241. 1102 Dies trifft etwa. auf die Verleihung der atéleia an Epikerdes aus Kyrene zu: Sein Ehrendekret ist in IG II2 125 überliefert, wo ihm die atéleia in Z. 13 verliehen wird, sowie auch in Demosth. 20, 41; vgl. West 1998, S. 243. 1103 So bspw. Konon, der für seinen Einsatz gegen die Lakedaimonier geehrt wird; Demosth. 20, 68.

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der Empfänger einer atéleia eine deutliche Diskrepanz zwischen der Überlieferung des Demosthenes und den inschriftlichen Belegen,1104 denn während Demosthenes den Eindruck erweckt, es gäbe allenfalls 20 oder 30 Honoranten,1105 sind allein 76 Empfänger von atéleia in den Jahren zwischen 402 und 355 inschriftlich belegbar.1106 Diese hohe Zahl geht vor allem auf drei in dieser Zeit geschehene Verleihungen von atéleia an Gruppen zurück.1107 Da es sich bei allen um Flüchtlingsgruppen handelt, ist die Wahrscheinlichkeit groß, dass einige Mitglieder Athen zum Zeitpunkt der Rede des Demosthenes im Jahr 355 bereits wieder verlassen hatten, um in die Heimat zurückzukehren. Das könnte immerhin die große Abweichung zwischen den Angaben des Demosthenes, der wohl die tatsächlich in Athen lebenden atéleia-Empfänger meint, und dem Befund aus den Inschriften, der alle atéleia-Verleihungen ungeachtet des Wohnsitzes ihrer Empfänger verzeichnet, erklären. Hinzu tritt nicht zuletzt, dass nicht alle Empfänger einer atéleia auch tatsächlich in Athen ansässige Fremde waren1108 und sicherlich auch einige Sterbefälle zu berücksichtigen sind. In diesem Zusammenhang ergibt sich, dass atéleia auch oft an Personen verliehen worden ist, die ihre Heimat aus politischen Gründen, insbesondere wegen einer athenfreundlichen Einstellung, verlassen mussten.1109 Hier ist einerseits an die zahlreichen Vergaben von atéleia an próxenoi zu denken,1110 andererseits aber auch an Gruppen politischer Flüchtlinge.1111 Dabei ist zu betonen, dass atéleia in diesen Fällen nicht unbedingt auf die dauerhafte Umsiedelung des Honorierten ausgelegt war: Dafür spricht die in einigen Dekreten zu findende zeitliche Einschränkung der Gültigkeit des Privilegs, z. B. bis die Geehrten in ihre Heimat zurückkehrten.1112 Aber auch der Umstand, dass atéleia üblicherweise nicht automatisch an die Nachkommen vererbt wurde, deutet darauf hin, dass die Empfänger nicht unbedingt Wurzeln in Athen schlagen sollten.1113 Im Hinblick auf die intrinsischen Merkmale der Honoranten von atéleia ist eine gewisse Disposition zur Rückkehr durchaus erkennbar.

1104 1105 1106 1107 1108 1109 1110 1111 1112 1113

Vgl. Hagemajer Allen 2003, S. 204f. Demosth. 20, 21. Vgl. Hagemajer Allen 2003, S. 204f. IG II2 33, IG II2 37 sowie IG II2 141 jeweils für Flüchtlinge aus Thasos, Böotien und Sidon; vgl. Hagemajer Allen 2003, S. 204 n 12, dazu auch Gerolymatos 1987, S. 45. So etwa der in Demosth. 20, 31 benannte Leukon, der die Vorteile der atéleia wohl vor allem im Handelskontext nutzte, vgl. MacDowell 2004, S. 129. Demosth. 20, 51; vgl. Gerolymatos 1987, S. 46. Vgl. Rubinstein 2009, S. 120. Vgl. Adak 2003, S. 230. IG II2 33, IG II2 37 sowie IG II2 141; vgl. Hagemajer Allen 2003, S. 204 n 12; Gerolymatos 1987, S. 45. So etwa im Falle der akarnanischen Flüchtlinge in IG II2 237, Z. 24–26. Ähnlich auch in IG II2 61, Z. 10–11; IG II2 109, Z. 15–16. Dazu auch Hennig 1994, S. 313f sowie Pečírka 1966, S. 140. Das geht zumindest aus dem Umstand hervor, dass die Erweiterung der atéleia auf die Nachkommen in den Dekreten explizit erwähnt wurde, wohl weil sie nicht selbstverständlich war (vgl. MacDowell 2004, S. 132), so wie etwa in IG II2 53, Z. 2–3. Auch eine spätere Ergänzung, welche die

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Extrinsische Merkmale

Anders als die isoteleís sind die Honoranten einer atéleia in der Forschung nicht als eine einzelne Gruppe anerkannt worden. Das ist einerseits mit dem kleinen Kreis der Geehrten zu rechtfertigen, andererseits aber mit den vielfältigen Ausprägungen von atéleia: Während die isoteleís immer die gleichen Vergünstigungen genossen (auch wenn diese für die heutige Forschung nicht mehr ohne jeden Zweifel zu bestimmen sind), wurden die Empfänger einer atéleia in ganz unterschiedlichen Bereichen privilegiert, denn je nachdem, welche atéleia sie erhielten, betraf die Befreiung z. B. den Erlass des metoíkion (atéleia tú metoikíu), resultierte in Handelsprivilegien oder befreite den Honoranten von sämtlichen zyklischen Abgaben. Obwohl die Honoranten einer atéleia dem Namen nach also dasselbe Privileg erhalten haben, wirkte sich atéleia unterschiedlich auf die extrinsischen Merkmale der ansässigen Fremden aus – den einen befreite sie vom metoíkion, dem anderen verschaffte sie Handelsprivilegien – mit der Folge, dass die Gruppe der Honoranten in der Praxis zu heterogen war, als dass sie eine gemeinsame Bezeichnung hätte tragen können. Nicht zuletzt ist auch die in vielen Dekreten vorgesehene Begrenzung der Gültigkeit einer atéleia und die fehlende Vererbbarkeit zu nennen, welche sie in diesen Fällen zu einem nicht voraussetzungslosen Privileg macht, das ein Honorant – anders als bei der isotéleia – nicht in jedem Fall und selbstverständlich gültig machen konnte. III.7.4 énktēsis Die énktēsis befreite den Empfänger von der Beschränkung auf mobiles Eigentum und erlaubte so den Erwerb und Besitz1114 von immobilem Eigentum durch Kauf oder Schenkung.1115 Zu betonen ist, dass es sich bei der énktēsis lediglich um das Recht zum Erwerb und Besitz einer Immobilie handelte und diese nicht mit der Übereignung ­eines konkreten Objekts einherging.1116 Der früheste Beleg für die Vergabe der énktēsis an Außen­stehende findet sich in einem Ehrendekret für Euromos von Iasos aus der ersten Hälfte des 5. Jahrhunderts.1117 Im Hinblick auf die Überlieferungslage ist zu betonen, dass die Vergabe des énktēsis-Privilegs an Einzelpersonen oder Gruppen ausschließlich inschriftlich belegt ist. Der Terminus énktēsis findet sich in der literarischen Überlieferung zwar an einigen wenigen Stellen, meint dann aber nicht das konkrete Privileg, sondern das Recht auf Landbesitz im weitesten Sinne.1118 Während der Kern der énktēsis,

1114 1115 1116 1117 1118

Ehrungen auf die Nachkommen des Honoranten ausweitet, deutet in diese Richtung, so etwa im Dekret für Epikerdes: IG II2 174, vgl. MacDowell 2004, 130f, ähnlich auch Rubinstein 2009, S. 123. Dagegen Stelzer 1971, S. 235, der die énktēsis als reines Besitzrecht begreift. Vgl. Stelzer 1971, S. 175; Adak 2003, S. 239. Vgl. Hennig 1994, S. 309; ähnlich auch Whitehead 1991, S. 146. SEG 36, 982B, vgl. Hennig 1994, S. 307 mit n 10 zur Datierung. Neben dem Privileg im engsten Sinne bezeichnet der Terminus énktēsis das Recht auf Grundbesitz ganz allgemein, welches jedem athenischen Bürger qua Geburtsrecht zustand,

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die Befreiung von der Beschränkung auf mobile Besitztümer, unumstritten ist, sind die Details dieses Privilegs weit weniger klar. Das gilt insbesondere hinsichtlich der Fragen, ob die énktēsis grundsätzlich zum Besitz von Haus und Land oder nur einem von beiden bemächtigte und ob sie vom Honoranten nur einmal ‚gebraucht‘ werden konnte, um einmalig Grundbesitz zu erwerben, und dann verfiel. Die Uneinigkeit in der Forschung bezüglich der genannten Details der énktēsis sind wohl vor allem auf den Umstand zurückzuführen, dass auch die einzelnen énktēsis-Verleihungen in ihren konkreten Bestimmungen stellenweise stark voneinander abweichen. So enthalten einige énktēsis-Verleihungen genaue Angaben über den Maximalwert der vom Honoranten erwerbbaren Immobilie.1119 Das spricht dafür, dass die Honoranten nicht beliebig oft und beliebig viele Immobilien erwerben konnten, sondern dass die énktēsis tatsächlich, zumindest in diesen Fällen, nur einmalig zum Kauf ermächtigte und dann verfiel, wie bspw. von Dieter Hennig vorgeschlagen.1120 Empfänger einer solchen hinsichtlich des Immobilienwertes eingeschränkten énktēsis, konnten also keineswegs große Spekulationen auf dem Immobilienmarkt tätigen. Eine solche Festsetzung einer Wertgrenze wurde aber erst im späten 3. Jahrhundert regelmäßig in den énktēsis-Dekreten verankert und stellt in den Dekreten der klassischen Zeit eher die Ausnahme dar.1121 Der abschließende Beweis dafür, dass die énktēsis nur einmal eingesetzt werden konnte, könnte nur in einer wiederholten Verleihung der énktēsis an dieselbe Person erbracht werden; eine solche Quelle fehlt allerdings. In dieser konkreten Überlegung könnten aber die im Bankgeschäft tätigen ansässigen Fremden weiterhelfen: Sowohl Phormion als auch Pasion nahmen nämlich noch vor ihrer Einbürgerung Immobilien als Pfand an – wäre die énktēsis tatsächlich nur eine einmalige Sache gewesen, hätte diese ihnen in solchen Fällen wohl herzlich wenig gebracht.1122 Nichtbürgerliche Bankiers hätten damit grundsätzlich keine Möglichkeit gehabt, Immobilien als Sicherheiten in der Kreditvergabe zu berücksichtigen. Dass sie dies aber offenbar taten, spricht eher dafür, dass die énktēsis, sofern im Beschluss nicht anders vermerkt, ein beliebig oft einsetzbares Recht der Honoranten zum Erwerb und Besitz von Grundstücken und Häusern war.

1119 1120 1121

1122

vgl. LSJ s. v. ἔγκτησις sowie auch Demosth. 7, 42. Der Terminus begegnet in der literarischen Überlieferung an nur drei Stellen: Xen. Hell. 5, 2, 19; Pol. 28, 20, 8 sowie Aristot. Oec. 1347a. So etwa in IG II2 706, Z. 2 (vgl. Pečírka 1966, S. 97); IG II2 732, Z. 13; IG II2 786, Z. 28; IG II2 801, Z. 10–11; IG II2 810, Z. 2; vgl. Henry 1983, S. 216. Vgl. Hennig 1994, S. 307; ähnlich auch Stelzer 1971, S. 178. Vgl. Hennig 1994, S. 314–316; Stelzer 1971, S. 197. Ab den späten 320er Jahren gab es wohl zudem auch ein Gesetz, das den Maximalwert von Immobilien festlegte. Dies geht aus Verleihungen der énktēsis hervor, welche auf die Umsetzung katá tṓn nómōn verweisen, und aus dem Umstand, dass in keinem dieser Dekrete mit Verweis auf ein Gesetz ein Maximalwert bestimmt wurde, vgl. Henry 1983, S. 214; dagegen Stelzer 1971, S. 221, der hinter dem katá tṓn nómōn-Verweis eher eine Verfahrensvorschrift vermutet. Dazu Kap. III.2.3.2 vgl. Stelzer 1971, S. 183–189.

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Extrinsische Merkmale

Eine Varianz der énktēsis-Dekrete aus der klassischen Zeit, welche die Forschung viel beschäftigt hat, betrifft die konkrete Form der mit der énktēsis erwerbbaren Immobilien. Die Forschung hat mitunter erwogen, ob die Existenz dreier Formeln der énktēsis-Verleihung in den Quellenbelegen – énktēsis gḗs, énktēsis gḗs kaí oikías und énktēsis oikías – nicht auf drei voneinander unterschiedliche Erwerbsrechte hindeutet: Demnach würde nur die explizite Verleihung der énktēsis gḗs kaí oikías den Honoranten zum Erwerb und Besitz von Grund und Haus berechtigt haben, während die énktēsis oikías nur ein Haus, die énktēsis gḗs nur unbebautes Land betraf.1123 Mit Abstand am häufigsten wurde dabei die énktēsis gḗs kaí oikías verliehen,1124 womit wohl das Recht einhergeht, im Geltungsbereich1125 Land zu erwerben und zu bebauen bzw. bereits bebautes Land zu kaufen. Wie Moses Finley treffend erkannt hat, taucht die Formel énktēsis gḗs kaí oikías in den entsprechenden Dekreten so häufig frei von jeglicher Variation auf, dass Abweichungen, insbesondere Auslassungen, wahrscheinlich intentional waren und wortwörtlich zu nehmen sind.1126 So ergibt sich, dass die Verleihung der énktēsis oikías1127 tatsächlich nur auf ein Haus beschränkt war und das Land, auf dem dieses Haus stand, nicht einschloss.1128 In Anbetracht dessen, dass die Honoranten dieser auch oft an Gruppen verliehenen énktēsis oikías ganz vorwiegend Flüchtlinge waren,1129 ist das auch durchaus nachvollziehbar: Man wollte ihnen wohl die finanzielle Last der Miete ersparen,1130 ohne ihnen gleich eine besitzende Anteilnahme am Land zu gewähren.1131 In Fällen, in denen die énktēsis als zeitlich begrenztes Privileg verliehen wurde,1132 könnte sich das Bemühen der Athener zeigen, den Honoranten eine Rückkehr nahezulegen. Gleiches gilt angesichts dessen, dass die énktēsis kein erbliches Privileg war.1133

1123 Davon abweichend Garland 2014, S. 157–159, die grundsätzlich von énktēsis gḗs spricht, wohl aber die énktēsis gḗs kaí oikías meint. 1124 Vgl. Henry 1983, S. 207; Hennig 1994, S. 310. 1125 Eine verliehene énktēsis war nur im Gebiet der verleihenden Polis, im konkreten Fall also nur in Attika, gültig; vgl. Hennig 1994, S. 320, Stelzer 1971, S. 230. Damit war sie zumindest zeitweise nicht deckungsgleich mit der aus einem Bürgerrecht abgeleiteten énktēsis: Wie IG II2 43 nahelegt, konnten die Athener zumindest zur Zeit des ersten Seebunds Land auf dem Gebiet der Bundesgenossen erwerben, vgl. Stelzer 1971, S. 227–233; Hennig 1994, S. 335. 1126 Vgl. Finley 1951, S. 60; dagegen Henry 1983, S. 205. 1127 So etwa in IG I2 106; IG II2 53; IG II2 130; IG II2 206; IG II2 554; IG II2 732; IG II2 768. 1128 Vgl. Stelzer 1971, S. 198f; Adak 2003, S. 238; dagegen Hennig 1994, S. 317, der davon ausgeht, dass die énktēsis oikías das Grundstück automatisch miteinschloss. 1129 Vgl. Henry 1983, S. 205; Pečírka 1966, S. 16. 1130 Dazu Kap. III.2.3.4. 1131 Vgl. Pečírka 1966, S. 16 sowie S. 148. So etwa in IG II2 237; IG II2 218; IG II2 106 sowie IG II2 545. 1132 Bspw. in IG II2 237, dazu Pečírka 1966, S. 139f, und ähnlich auch Stelzer, der IG II2 545 ebenfalls als einen solchen Fall begreift, vgl. Stelzer 1971, S. 201f. Stelzer und Pečirka verstehen diese Beispiele jedoch als Ausnahmen, dagegen Hennig 1994, S. 313, der die Verleihung der zeitlich begrenzten énktēsis als regelmäßig ansieht. 1133 Vgl. Stelzer 1971, S. 247.

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Unter den mit énktēsis bedachten Honoranten befanden sich sowohl ansässige wie auch nichtansässige Fremde.1134 Gehäuft wird die énktēsis im Rahmen der Ernennung einer nicht in Athen lebenden Person zum próxenos verliehen,1135 wohl um Vorkehrungen für eine Wohnsitznahme in Athen zu treffen, falls der Betreffende etwa aufgrund seines Titels oder wegen in Verbindung mit diesem stehenden Taten seine Heimat verlassen musste.1136 Dieser Umstand hat dazu geführt, dass die énktēsis in der Forschung bisweilen als ein nur potenzielles Recht angesehen wurde, mit dessen tatsächlicher Einforderung durch den Honoranten nicht gerechnet wurde.1137 Dem liegt auch die Annahme zugrunde, dass die Verwirklichung der énktēsis die Anwesenheit des Betreffenden in der Polis voraussetzt. Es ist zwar richtig, dass es Belegstellen für eine solche Bestimmung gibt, allerdings nicht für Athen.1138 Vielmehr kann die énktēsis auch einem Nichtansässigen von Nutzen sein, wie William Mack gezeigt hat,1139 und zwar nicht nur als Notfallstrategie im Falle eines erzwungenen Verlassens der Heimat, sondern auch als Einnahmequelle: So stand es dem Honoranten etwa offen, nicht von ihm selbst bewohnte Immobilien zu vermieten oder Erträge aus dem Land zu verkaufen.1140 Deutlichstes Beispiel hierfür stellt sicherlich Leukon dar, der in Athen wohl sogar mehrere Grundstücke besaß, ohne selbst in der Stadt ansässig gewesen zu sein.1141 Eine Beschränkung der énktēsis auf in Athen lebende Personen ist somit nicht gegeben. Die énktēsis wurde sowohl an Gruppen, insbesondere Flüchtlinge, zur individuellen Umsetzung durch die einzelnen Mitglieder oder zu einem kultischen Gemeinschaftszweck wie einem Tempelbau1142 und an Einzelpersonen verliehen. Die konkreten Verdienste, für die énktēsis gewährt wurde, sind den meisten Dekreten nicht zu entnehmen. Der Umstand, dass es sich bei vielen von ihnen um próxenoi und (u. a. politische) Flüchtlinge handelt, erlaubt aber zumindest, wie Jan Pečírka bereits erkannt hat, die vorsichtige Vermutung, dass die énktēsis gern an Personen verliehen wurde, die sich als

1134 Dagegen Stelzer 1971, S. 240, der davon ausgeht, dass die énktēsis nur an bereits in Athen lebende Personen verliehen wurde. Dem entgegen stehen aber insbesondere die zahlreichen Verleihungen der énktēsis an próxenoi, die nicht ausschließlich (dazu S. 353f), aber zumindest mehrheitlich in ihrer Heimatpolis lebten, dazu Mack 2015, S. 56 n 119 sowie S. 126 mit n 146 und n 147. 1135 Vgl. Stelzer 1971, S. 249; Mack 2015, S. 124; Adak 2003, S. 217. 1136 Vgl. Hennig 1994, S. 307f sowie S. 311; Miller 2014, S. 144. 1137 Vgl. Hennig 1994, S. 309–311; ähnlich auch Finley 1951, S. 76. 1138 So gewähren die Magnesier den Phokaiern énktēsis, allerdings nur, wenn sie persönlich in Magnesia leben: Syll.3 941, Z. 13–19; dazu auch Hennig 1994, S. 310. 1139 Vgl. Mack 2015, S. 126. 1140 So geschehen etwa im Fall des Adeimantos, eines Bruders Platons. Er verfügte über Grundstücke in Thasos (IG I3 426, Z. 44–50) und in Ophryneion (IG I3 430, Z. 10–12), deren Erträge er wohl verkaufte, vgl. Mack 2015, S. 126 n 147. 1141 Demosth. 20, 40. 1142 Zu denken ist hier etwa an die Verleihung der énktēsis an die Thraker zum Zwecke der Errichtung eines Bendis-Heiligtums: IG II2 1283 und ähnlich auch IG II2 337, in dem den Kitieern dieses Privileg für den Bau eines Tempels für Aphrodite zugesichert wurde.

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Fürsprecher Athens in der Ferne erweisen sollten oder dieses bereits getan haben.1143 Daneben erhielten die énktēsis aber auch Personen, an deren Ansässigkeit die Athener ein gewisses Interesse hatten: Zu denken ist hier etwa an Künstler oder Ärzte.1144 Die Behauptung, dass die énktēsis automatisch in der isotéleia inbegriffen gewesen sei und dass damit jeder isotelḗs automatisch auch über das Recht auf immobilen Besitz verfügt habe, hält sich hartnäckig.1145 Dem ist aber zu widersprechen: Einerseits, weil in Athen weder Ehrentitel noch Privilegien irgendwelche weiteren Bevorzugungen inkludierten1146 und andererseits, weil in den Inschriften zahlreiche Belege für eine gleichzeitige Verleihung der énktēsis und der isotéleia vorkommen.1147 Wäre die énktēsis immer automatisch in der isotéleia inbegriffen gewesen, wäre eine solche zusätzliche Nennung unnötig gewesen.1148 Ausnahmslos bewertet die Forschung die énktēsis als ein wertvolles und prestigeträchtiges Privileg.1149 Das begründet sich sowohl im ideellen Wert von Landbesitz in der griechischen Antike1150 als auch in den praktischen Vorteilen, die der Besitz von immobilem Eigentum mit sich brachte: Die Honoranten der énktēsis waren dank dieses Privilegs nicht nur vom Mietzwang befreit, sondern konnten – zumindest wenn es die mit der Verleihung verbundenen Vorgaben erlaubten – auch Land als Einnahmequelle nutzen. Auch bei den Athenern genoss die énktēsis wohl ein hohes Ansehen: Davon zeugt nicht nur die Seltenheit der Verleihung der énktēsis, sondern ganz besonders ihre starke Reglementierung.1151 Trotzdem haben weder Forschung noch antike Autoren, etwa durch eine gesonderte Bezeichnung, die Empfänger der énktēsis als eine eigene Gruppe eingestuft. Einzige Ausnahme ist Deborah Kamen, welche die énktēsis-tragenden Fremden u. a. gemeinsam mit den isoteleís als eine eigene Gruppe von „privileged metics“ klassifiziert.1152 Die Gründe für die Zurückhaltung in der Forschung, die Empfänger der énktēsis als eigene Gruppe ansässiger Fremder zu begreifen – wie es im Falle der isoteleís zumindest schon in Ansätzen geschehen ist – sind vielfältig, wie der Blick in die Forschungsliteratur offenbart. So hebt u. a. Kamen in ihren Analysen hervor, dass die énktēsis in vielfältiger Weise modifiziert werden konnte.1153 Das wiederum könnte zu deutlichen Unterschieden

1143 Vgl. Pečírka 1966, S. 148f. 1144 So etwa an den Arzt Euenor: IG II2 373. Dazu auch Kap. II.2.1.2. Die Vergabe der énktēsis, um potenziell nützliche Personen anzulocken, ergibt sich auch aus Xenophons Vorschlag, diese regelmäßiger an Migranten zu verleihen: Xen. Vect. 2, 6. 1145 So u. a. Thür 1997b (DNP 3), Sp. 1037; verhaltener Stelzer 1971, S. 159. 1146 Vgl. Hagemajer Allen 2003, S. 216. 1147 Z. B. IG II2 505, Z. 51 und Z. 53; IG II2 768, fr. b, Z. 7–8, dazu weiter oben S. 338 mit n 1058. 1148 Dies erwägt auch schon Stelzer 1971, S. 159. 1149 Vgl. Adak 2003, S. 236; Stelzer 1971, S. 11–16; Bakewell 1997, S. 214; Deene 2011, S. 173; Hennig 1994, S. 318; Whitehead 1977, S. 71. 1150 Dazu u. a. S. 253. 1151 Vgl. Adak 2003, S. 237f; Finley 1951, S. 76. 1152 Vgl. Kamen 2013, S. 55f sowie S. 60. Zum Problem der „privileged metics“, vgl. S. 235ff. 1153 Vgl. Kamen 2013, S. 60.

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innerhalb der Gruppe der Honoranten dieses Privilegs geführt haben, welche die Abgrenzung einer mehr oder minder homogenen Gruppe, anders als bei den isoteleís,1154 nicht möglich machte. Damit hätte es sich mit der énktēsis ähnlich verhalten wie mit der atéleia.1155 Dagegen spricht allerdings der Umstand, dass das ‚Grundprivileg‘ der énktēsis – eben anders als bei der atéleia, in deren Rahmen die Honoranten mal von dieser, mal von jener Abgabe befreit worden waren – für alle Empfänger das Gleiche ist, nämlich die Befreiung von der Beschränkung auf mobiles Eigentum. Dass die konkrete Form dieses Eigentums im Detail, z. B. hinsichtlich seines Werts oder der Frage, ob es sich um Haus- oder Landbesitz handelte, variieren konnte, ändert die Basis dieser Bevorteilung nicht. Ein weiterer Grund dafür, dass die énktēsis nicht als ein Privileg angesehen wurde, das einen differenzierten Status seiner Honoranten bewirkte, liegt wohl auch darin, dass die antiken Quellen dies nicht zu tun scheinen. Das zeigt sich zum einen darin, dass (anders als im Falle der isoteleís) kein eigener Begriff für die Gruppe der énktēsis-Honoranten überliefert ist, zum anderen in dem Umstand, dass die énktēsis zwar in Ehrendekreten, die ebenjenes Privileg verleihen, auftaucht, aber anscheinend nicht in Dokumenten, welche die Honoranten selbst über sich verfasst haben. Zuvorderst ist hier an Grabsteine zu denken: Während Empfänger der isotéleia diese Ehrung auf ihren Grabstelen regelmäßig verzeichneten, ist kein Grabmal überliefert, das die Vergabe der énktēsis belegen würde. Das könnte daran liegen, dass sich die Empfänger der énktēsis nicht als so differenzierte Gruppe wahrnahmen wie die isoteleís und sich deshalb keine Selbstbezeichnung herausbildete. In diesen Zusammenhang ist wohl auch David Whiteheads Bemerkung einzuordnen, dass die fehlende énktēsis das Leben der ansässigen Fremden in der Regel weit weniger beeinflusst habe als etwa die Verpflichtung zur Zahlung des metoíkion:1156 Schließlich waren die meisten ansässigen Fremden einerseits ohnehin Künstler und Händler, die überhaupt kein Interesse an dem Erwerb von immobilem Eigentum gehabt hätten,1157 andererseits finanziell wohl auch nicht immer in der Lage, einen solchen Kauf überhaupt zu tätigen.1158 Während beide Einwände sicherlich jeweils eine Berechtigung haben, verkennen sie aber doch die symbolische Bedeutung der Privilegien als Anerkennung einer Wohltat. Die Gründe für die fehlende Nennung der énktēsis auf Grabsteinen könnten nämlich auch andere als die Geringschätzung dieses Privilegs gewesen sein und sind, neben einer möglichen Überlieferungslücke, vor allem in der Vergabepraxis zu suchen. So wurde die énktēsis in der Regel nicht isoliert vergeben, sondern häufig in Verbin1154 Die Empfänger der isotéleia waren zwar hinsichtlich ihrer intrinsischen Merkmale sehr verschieden, erhielten aber inhaltlich alle dasselbe Privileg, nämlich die Befreiung vom metoíkion und den Marktsteuern, sowie das Recht, mit den Athenern in einer Schlachtreihe zu kämpfen. 1155 Dazu Kap. III.7.3. 1156 Vgl. Whitehead 1977, S. 71. 1157 Vgl. ebd. 1158 Vgl. Whitehead 1991, S. 146.

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dung mit anderen Privilegien, wobei insbesondere die Kombination mit der isotéleia so häufig vorkam, dass die Forschung, wie im Vorangegangenen bereits besprochen, sogar angenommen hat, die isotéleia habe die énktēsis automatisch inkludiert.1159 Ähnliches gilt auch für die Kombination der énktēsis mit dem Ehrentitel des próxenos.1160 Das Fehlen der énktēsis auf den Grabsteinen könnte eine Folge dieser stets kombinatorischen Vergabepraxis gewesen sein: Es ist durchaus denkbar, dass der überwiegende Teil der Honoranten der énktēsis gleichzeitig auch die isotéleia trug und zugunsten der Selbstbezeichnung als isotelḗs auf die Nennung der énktēsis verzichtete. Das könnte dem Umstand geschuldet sein, dass die isotéleia als ein höherwertiges Privileg angesehen wurde, aber auch in einer sich über die Zeit entwickelten Tradition der Grabgestaltung: Die isotéleia ist, zumindest gemessen an der Datierung ihrer frühesten Quellen, das ältere Privileg gewesen,1161 sodass sich der ‚Trend‘ der Bezeichnung des Verstorbenen als isotelḗs herausgebildet haben könnte, noch bevor es die énktēsis überhaupt als regelmäßig an Einzelpersonen verliehenes Privileg gab. Ein dritter, mit der Vergabepraxis in Zusammenhang stehender Grund für die fehlende Kennzeichnung der Verstorbenen auf den Grabsteinen als Empfänger der énktēsis liegt schließlich in der fehlenden Erblichkeit dieses Privilegs: Während Steuerbefreiungen oft auf die Nachkommen übergingen und die Grabsteine der Verstorbenen eine wichtige Funktion als Beweisstück für sie erfüllten,1162 war dies für die énktēsis, weil sie ohnehin nicht vererbt wurde, hinfällig. Schließlich könnte die fehlende Wertschätzung des énktēsis-Privilegs als Differenzierungsmerkmal innerhalb der Gruppe der ansässigen Fremden auch dem Umstand geschuldet sein, dass das fehlende Recht auf Landbesitz als Merkmal ansässiger Fremder in der Regel weit weniger im Fokus einschlägiger Forschung steht als z. B. die Verpflichtung zur Zahlung des metoíkion. Dabei war die Beschränkung auf mobile Besitztümer ein nicht weniger typisches Merkmal ansässiger Fremde in Athen, wenngleich – weil auf alle Nichtbürgergruppen zutreffend – weniger spezifisch. Zusammenfassend gibt es wenig Gründe, die énktēsis nicht als ein differenzierendes Merkmal innerhalb der Gruppe der ansässigen Fremden zu begreifen, und einige Gründe, die dafür sprechen, genau dies zu tun. Zunächst ist festzustellen, dass die énktēsis bei allen Honoranten eine hinreichend vergleichbare, wenngleich in den jeweiligen konkreten Fällen durchaus abweichende, Bevorteilung bewirkte, die eine Abgrenzung der Gruppe der Geehrten ermöglichte. Außerdem konnte gezeigt werden, dass der Umstand, dass die Empfänger der énktēsis in den Quellen selbst nicht als eine separate Gruppe ausgewiesen sind, nicht zwangsläufig auch bedeuten muss, dass dieses Privileg von den Athenern oder von den ansässigen Fremden nicht als Dif1159 1160 1161 1162

Dazu weiter oben, S. 338. Dazu weiter unter in diesem Kapitel, S. 357f. Vgl. ähnlich Hennig 1994, S. 307 mit dem frühesten Beleg für die isotéleia aus dem 5. Jahrhundert Dazu S. 332.

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ferenzierungsmerkmal wahrgenommen wurde. Ganz im Gegenteil wurde die énktēsis hochgeschätzt: Ein Stück Attika besitzen zu dürfen, war ein von den Athenern streng bewachtes Vorrecht, und dieses Privileg mit ihnen teilen zu dürfen, war eine besondere Wertschätzung verdienter Honoranten.1163 Neben dem symbolischen Wert der énktēsis brachte diese natürlich auch ganz praktische wirtschaftliche Vorteile mit sich, die von den Honoranten sicherlich nicht verachtet wurden. III.7.5 proxenía Während die énktēsis als Differenzierungsmerkmal innerhalb der Gruppe der ansässigen Fremden von der Forschung oft verkannt wurde, trifft auf die proxenía genau das Gegenteil zu: Es gibt einige Indizien dafür, dass der Ehrentitel des próxenos im Hinblick auf die Frage nach seinem Einfluss auf das Leben ansässiger Fremder in Athen überbewertet wurde. So findet sich in den einschlägigen Forschungsbeiträgen gehäuft die Behauptung, die próxenoi bildeten, neben métoikoi und manchmal auch neben isoteleís, eine eigene Kategorie ansässiger Fremder.1164 Dabei ist zunächst zu betonen, dass es in Athen ansässige wie auch nichtansässige próxenoi gab: Während erstere in der Regel in ihrer Heimatpolis lebten und den athenischen Interessen von da aus nutzten, ist es auch immer wieder vorgekommen, dass Honoranten der proxenía nach Athen übersiedelten oder dass bereits in Athen ansässige Fremde zu próxenoi ernannt wurden.1165 Die Proxenie ist am besten vor dem Hintergrund des Konzepts der philía1166 als institutionalisierte Freundschaft zwischen einer Polis und einer Person, die in dieser Polis kein Bürgerrecht besaß, zu verstehen.1167 Dabei konnte nicht nur eine Polis mehrere próxenoi haben, sondern auch eine Einzelperson próxenos mehrerer Poleis sein.1168 Die Quellenlage für diese öffentliche Form der philía1169 ist zumindest für Athen, aber auch für einige andere griechische Poleis, günstig: Die Proxenie ist die am umfangreichsten belegte über die Polis hinausgehende Institution.1170 Die zahlreichen inschriftlichen Belege umfassen Grabepigramme, die den Verstorbenen als Honorant der proxenía 1163 Vgl. dazu auch Kamen 2013, S. 60f. 1164 Vgl. bspw. Stelzer 1971, S. 104; Brandt 1992, S. 200; Whitehead 1977, S. 13. 1165 Die Frage, ob ein próxenos in der Stadt leben konnte, die ihm die proxenía verliehen hatte, ist umstritten, dazu weiter unten in diesem Kapitel, S. 353f. 1166 Vgl. Adak 2003, S. 209; Brandt 1992, S. 200. 1167 Vgl. Mack 2015, S. 1; Gerolymatos 1986, S. 6; Zelnick-Abramovitz 2004, S. 94. 1168 Vgl. Mack 2015, S. 10. Davon zeugen insbesondere die Grabinschriften von Personen, die mehrere Proxenien hielten und die Dekrete selbst, in denen der Honorant als próxenos verschiedener Orte aufgeführt ist (z. B. IG XII 4, 129; IG XII 4, 130; Syll.3 644; Syll.3 645; Syll.3 653A; vgl. Mack 2015, S. 107). 1169 Vgl. Mack 2015, S. 70. 1170 Vgl. ebd., S. 9.

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Extrinsische Merkmale

ausweisen,1171 Proxeniedekrete und auch Listen,1172 in denen die próxenoi einer Polis verzeichnet sind.1173 Die Wurzeln der proxenía liegen wohl im Handel:1174 Als mit der Professionalisierung des Warenaustauschs der Überseehandel nicht mehr allein in der Hand der Oberschicht lag, deren Angehörige dank eines umfassenden gastfreundschaftlichen Netzwerks an allerlei Orten auf private Kontakte zurückgreifen konnten,1175 ergab sich die Notwendigkeit einer offiziellen Interessenvertretung der eigenen Bürger abseits der Heimat.1176 Die frühesten literarisch überlieferten próxenoi gehen zurück auf die Zeit der Perserkriege.1177 Als ältester inschriftlicher Beleg für einen próxenos wird in der Regel die von den Einwohnern Kerkyras gestiftete Stele für Menekrates aus Oianthea genannt, welche in das letzte Viertel des 7. Jahrhunderts datiert wird1178 und den wohl auf See Verstorbenen als „geschätzten próxenos des Volkes“1179 ausweist. Ein athenischer próxenos ist erstmalig in der Mitte des 5. Jahrhunderts inschriftlich belegt.1180 Obwohl die proxenía in zahlreichen Quellen auftaucht, gibt es kein Zeugnis darüber, welche konkreten Pflichten ein próxenos qua seines Amtes zu erfüllen hatte.1181 Entsprechend variantenreich sind die in den einschlägigen Forschungsbeiträgen formulierten Vorstellungen vom Aufgabenbereich der Honoranten. Dabei ist die Auffassung vorherrschend, dass der próxenos einerseits als Interessenvertreter der verleihenden Polis in seiner Heimatstadt und ggf. auch als Vermittler zwischen diesen agierte,1182 andererseits aber auch als Ansprechpartner für die Bürger der Partnerpolis, die sich in seinem Einflussbereich befanden, fungierte.1183 Seine Erwähnung in literarischen Quellen erlaubt der heutigen Forschung einen Blick auf den próxenos in Aktion und vermittelt einen Eindruck davon, in welchen Angelegenheiten die Träger dieses Titels involviert waren. So taucht der próxenos in Rechtsangelegenheiten als Zeuge,

1171 1172 1173 1174 1175 1176 1177 1178

1179 1180 1181 1182 1183

So etwa IG I3 1154; SEG 56, 75; SEG 26, 352; IG II2 9304. U. a. IG XII 4, 129; IG XII 4, 130; Syll.3 644; Syll.3 645; Syll.3 653A; vgl. Mack 2015, S. 107 n 65–67. Dazu Mack 2015, S. 152–156. Vgl. Lehmann 1994, S. 12f. Vgl. ebd., dazu auch Gallant 1991, S. 143–169. Vgl. Lehmann 1994, S. 17; Mack 2015, S. 102. Hdt. 8, 136; Aeschin. 3, 258; Isokr. 15, 166; vgl. Walbank 1978, S. 4. IG IX,1 867 (= HGIÜ 4). Einschränkend ist hier aber zu bedenken, dass aufgrund der frühen Datierung dieser Belegstelle in eine am ehesten als ‚vorjuristisch‘ zu beschreibende Zeit die Verwendung des próxenos-Begriffs noch nicht auf eine bereits etablierte Institution hinweist, vgl. Ginestí Rosell 2013, S. 288. IG IX,1 867 (= HGIÜ 4), Z. 3. IG I3 1154, vgl. Ginestí Rosell 2013, S. 288; Walbank 1978, S. 4. Vgl. Adak 2003, S. 208; Mack 2015, S. 50; Marek 1984, S. 333. Vgl. Burford 1972, S. 36; Gerolymatos 1986, S. 6; Mack 2015, S. 8. Vgl. Erdtmann 2013, S. 61; Finley 1951, S. 76; Garland 2014, S. 129f; Gerolymatos 1987, S. 47 sowie S. 5; Lehmann 1994, S. 10; Mack 2015, S. 24 sowie S. 65; Schwartz 2013, S. 317; Zelnick-Abramovitz 1998, S. 571.

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Bürge oder Vermittler auf,1184 woraus die Forschung den Schluss gezogen hat, dass es zu seinen Aufgaben gehörte, seinen Schützlingen Zugang zu Institutionen der Polis zu verschaffen und ihnen ggf. bei der Durchsetzung ihrer Rechte zu helfen.1185 Daneben stellten próxenoi auch ihr privates Netzwerk zur Verfügung: Das Haus des próxenos bildete auch immer einen Treffpunkt zwischen Ansässigen und Nichtansässigen einerseits, aber auch zwischen Gästen gleicher Herkunft.1186 Darüber hinaus betreute er Reisende der Partnerpolis während wichtiger Feste1187 und Gesandtschaften in offizieller Mission.1188 Aus seinen mutmaßlichen Aufgabenbereichen heraus entwickelte die Forschung nicht nur die Vorstellung vom próxenos als Äquivalent zum modernen Diplomaten,1189 sondern auch die Ansicht, dass er zwingend in seiner Heimatstadt gelebt haben musste und nicht in der Polis als ansässiger Fremder gelebt haben konnte, deren próxenos er war.1190 Schließlich seien diese Pflichten – die Interessenvertretung der Polis, die ihn ernannt hat, und die gastfreundschaftliche Betreuung ihrer Bürger – nur dann zu erfüllen, wenn sich der Betreffende auch wirklich in seiner Heimat befand.1191 William Mack hat etwa These aufgestellt, dass die Umsiedelung eines próxenos in die Polis, die ihm die proxenía verliehen hatte, dazu führte, dass ebendieser aufhörte, als próxenos zu fungieren.1192 Wenn das Vorortsein des próxenos also der Erfüllung der Aufgaben entgegen steht, gäbe es folgerichtig keine ansässigen fremden ‚aktiven‘ próxenoi in Athen. Dieser Auffassung entgegen stehen allerdings zahlreiche Belege für Fälle, in denen Personen zu próxenoi ernannt wurden, obwohl sie diese vermeintliche Anwesenheitspflicht von vornherein überhaupt nicht leisten konnten. Zu nennen sind hier ganz besonders Personen, deren Beruf eine hohe Mobilität voraussetzte: So wären Künstler, die selbst die meiste Zeit des Jahres in der Fremde verbringen, schwerlich geeignete próxenoi gewesen1193 und dasselbe gilt auch für Händler, die auch zu den mobileren Personengruppen gezählt haben dürften – trotzdem werden gerade sie immer wieder zu ebensolchen ernannt.1194 Dass ein Leben fernab der eigenen Heimat überhaupt kein 1184 Xen. Hell. 4, 5, 6; Aristot. Ath. Pol. 58, 2. Das ist insbesondere auch im Zusammenhang mit Handelstransaktionen der Fall: Demosth. 52, 4 sowie 52, 24; Poll. 3, 59; vgl. Gerolymatos 1986, S. 9. 1185 Vgl. Mack 2015, S. 73f; Gerolymatos 1986, S. 8; Zelnick-Abramovitz 2004, S. 94. 1186 Vgl. Mack 2015, S. 79. 1187 Dies gilt besonders für Delphi, vgl. Zelnick-Abramovitz 2004, S. 105; Gerolymatos 1986, S. 9. 1188 Vgl. Gerolymatos 1986, S. 10. 1189 Vgl. z. B. Gerolymatos 1986, S. 6. 1190 Zuletzt Mack 2015, u. a. S. 56 mit n 119. 1191 Vgl. u. a. Todd 1993, S. 325; Lehmann 1994, S, 9; Mack 2015, S. 63; Kamen 2013, S. 58. 1192 Vgl. Mack 2015, S. 124: „if they [i. e. die próxenoi, F. L.] migrated to their granting city, [they would] thereby cease […] to function as próxenos.“ 1193 So auch schon Adak 2003, S. 209, welcher u. a. auf die Ernennung des vielgereisten Dichters Pindar zum próxenos verweist. 1194 Händler als Empfänger der proxenía sind u. a. belegt in IG II2 342; IG II2 416; IG II2 343; dazu auch Marek 1984, S. 359–361; Künstler als Empfänger der proxenía etwa in IG VII 241; IG II2 347; SEG 1, 362; vgl. Marek 1984, S. 379.

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Ausschlusskriterium für die proxenía darstellt, zeigen vor allem Beispiele von Empfängern der proxenía, die sogar in der verleihenden Stadt lebten: So wurden ab dem 5. Jahrhundert sogar ganz regelmäßig ansässige Fremde in Athen zu próxenoi der Athener ernannt.1195 Davon zeugen, neben den Ehrendekreten selbst,1196 auch die Grabsteine von athenischen próxenoi.1197 Eines der bestbelegtesten und in der Forschung besonders intensiv rezipierten Beispiele betrifft den aus Argos stammenden Arzt Euenor, der während er als ansässiger Fremder in Athen lebte zum próxenos der Athener ernannt wurde.1198 Schließlich muss auch die Verleihung der proxenía an Personen, die überhaupt kein Bürgerrecht besaßen,1199 zu denken geben, weil sie selbst nicht zu allen Institutionen der Polis Zutritt hatten und Gästen damit nicht oder nur begrenzt Hilfe leisten konnten. Die Beispiele sind zu zahlreich, um sie als Ausnahmen zu behandeln,1200 und legen die Notwendigkeit nahe, die enge Auffassung vom Aufgabenbereich des próxenos als Betreuer von Gästen und Fürsprecher der Partnerstadt zu überdenken, wobei sowohl die Natur der Aufgaben an sich Beachtung finden muss als auch die Frage, ob die Verleihung des próxenos-Titels tatsächlich mit einer Leistungspflicht einherging. Der Blick in die Quellen verrät, dass sich die in der Forschung als vermeintliche Primärpflichten des próxenos betonten Aufgaben aus der Überlieferung selbst nicht zwangsläufig ergeben. In den Quellen findet sich keine explizite Beschreibung dessen, was genau der próxenos im Rahmen seines Amtes zu leisten hatte. Stattdessen müssen die angegebenen Gründe für die Verleihung der proxenía an den jeweiligen Honoranten, die in einigen Dekreten sowie in den Inschriften mal mehr, mal weniger formelhaft aufgeführt sind, und darüber hinaus überlieferte Merkmale der Honoranten, wie ihr Beruf oder ihre Herkunft, Aufschluss geben.1201 Unter diesen Gesichtspunkten offenbart der all1195 Diese Praxis, in Verbindung mit einer wohl immer großzügigeren Verleihung der proxenía, schlägt sich etwa in der Aussage in Demosth. 20, 132 nieder, dass der Umstand, dass auch ein paar Unverdiente unter den Geehrten sind, nicht diejenigen ihre Ehrungen kosten dürfen, die sie verdient haben; vgl. Adak 2003, S. 201–203; Kamen 2013, S. 58; Todd 1993, S. 199; Whitehead 1977, S. 29, dagegen Mack 2015, S. 56. 1196 So etwa in IG I3 164; IG I3 182; IG I3 227; IG II2 242; IG II2 373; IG II2 347; IG II2 835; IG II2 1556, Z. 42 und 44; IG II2 1561, Z. 33; IG II2 1570, Z. 22; Vgl. Adak 2003, S. 201–203. 1197 So etwa IG I2 1154 und IG II2 9304, vgl. Adak 2003, S. 203; Ginestí Rosell 2013, S. 292; Stroszeck 2002, S. 168. Einschränkend ist sicherlich zu bedenken zu geben, dass der Umstand, dass ein próxenos in Athen beigesetzt wurde, nicht zwangsläufig auch darauf schließen lässt, dass er in Athen gelebt hat, wie Mack 2015, S. 57 zu Recht bemerkt. 1198 Euenor kam wohl um 338 mit anderen Flüchtlingen aus Akarnanien nach Athen (vgl. Walbank 1991, S. 201) und wurde im Jahr 336/35 zum próxenos ernannt: IG II2 373; vgl. Adak 2003, S. 205; Walbank 1991, S. 199. Ein weiteres Beispiel liefert auch Pythagoras, der athenischer próxenos in Selymbria war, aber in Athen bestattet wurde (IG I3 1134), vgl. Hansen 2004, S. 99 mit n 13. 1199 So etwa im Fall des Freigelassenen Lykidas, dessen Proxenie Demosthenes als höchst bedenklich einstuft: Demosth. 20, 131; vgl. Adak 2003, S. 211. 1200 So wie etwa Mack 2015, S. 58. 1201 Vgl. Marek 1984, S. 333. Einschränkend ist für diese Methode jedoch hervorzuheben, wie bereits Christian Marek betont hat, dass ihr die Annahme zugrunde liegt, dass die auf der jeweiligen In-

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gemeine Quellenbefund in der Tat eine Vielzahl verschiedener Gründe für die Verleihung der Proxenie, die keinesfalls auf die Betreuung von Gästen oder die Vermittlung zwischen der Heimat und der Partnerpolis beschränkt sind: So werden etwa Ärzte für die Versorgung von Verwundeten zu próxenoi ernannt1202 oder Getreidehändler dafür, dass sie die Polis zuverlässig und zu fairen Preisen mit Waren versorgen.1203 Die Leistungen, mit denen sich eine Person die Proxenie verdienen konnte, gehen dabei nicht nur weit über Gastgebertätigkeiten hinaus,1204 sondern sind auch nicht auf Wohltaten beschränkt, die der Betreffende in seiner Heimatstadt erbringen konnte – die medizinische Versorgung der Athener etwa war in Athen genauso gut möglich gewesen. Tatsächlich referiert sogar die Mehrheit der Dekrete auf eine Tat des Honoranten, die überhaupt nicht im Kontext mit seiner Heimat stand.1205 Ein Leben abseits der eigenen Heimat, teilweise sogar noch in der Partnerstadt, steht damit weder dem Dasein noch dem Fungieren als próxenos entgegen.1206 Im Zusammenhang damit bleibt zu diskutieren, ob der in einigen Dekreten aufgeführte Anlass zur Verleihung der Proxenie irgendwelche Schlüsse auf zukünftige Pflichten – oder überhaupt eine Leistungspflicht – zulässt. In dieser Frage ist die Forschung gespalten. Ein Teil der Forschung bewertet die proxenía als eine grundsätzlich auf Reziprozität basierende Institution,1207 in deren Rahmen der Honorant qua seines Amtes als próxenos dazu verpflichtet wurde, der verleihenden Polis auch zukünftig von Nutzen zu sein.1208 So hat Christian Marek auf die Ernennung von Ärzten zu próxenoi als Mittel zur Sicherstellung der medizinischen Versorgung der Gemeinschaft hingewiesen.1209 Ähnlich verhielt es sich wohl auch im Falle von Getreidehändlern, die ebenfalls regelmäßig zu próxenoi ernannt wurden.1210 Ganz außer Zweifel steht, dass der Anlass zur Verleihung der proxenía eine erbrachte, wie auch immer geartete Wohltat des Honoranten war und es ist anzunehmen, dass die Ernennung zum próxenos auch mit einer gewissen Hoffnung, vielleicht sogar mit der Erwartung vonseiten der Polis einherging, dass der Honorant sich auch zukünftig als nützlich erweisen würde.

schrift verzeichneten Angaben auch tatsächlich mit der Identität des Betreffenden als próxenos zu tun haben, was freilich nicht zwangsläufig so ist: Es liegt zwar nahe, dass z. B. ein Getreidehändler mit der proxenía bedacht wurde, weil er den Athenern seine Waren besonders zuverlässig oder besonders günstig zur Verfügung stellte; aber dieser Zusammenhang ist kein zwingender; dazu auch Marek 1984, S. 333 sowie Mack 2015, S. 28. 1202 Paradebeispiel hierfür ist sicherlich der Arzt Euenor, dazu S. 114. 1203 So etwa Herakleides aus Salamis (Syll.3 304) oder Lykon von Achaia (IG I3 174), vgl. Marek 1984, S. 361. 1204 So auch schon Marek 1984, S. 387. 1205 Vgl. Mack 2015, S. 50. 1206 Ähnlich auch Adak 2003, S. 208. 1207 Vgl. Lambert 2011, S. 195. 1208 Vgl. Mack 2015, S. 34, ähnlich auch Marek 1985, S. 76. 1209 Vgl. Marek 1984, S. 372–377. 1210 Vgl. ebd., S. 360.

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Darüber hinaus gibt es aber keine Quelle, die Anlass zu der Vermutung geben würde, dass der próxenos mit seiner Ernennung tatsächlich zu irgendwelchen zukünftigen Taten verpflichtet worden wäre:1211 Darauf deutet zunächst der Umstand hin, dass die Überlieferung nicht eine einzige Aufgabe explizit als Pflicht des próxenos benennt. Das bedeutet zwar nicht zwangsläufig, dass es diese überhaupt nicht gab, ist aber wenigstens eingedenk der eigentlich guten Quellenlage über die proxenía bemerkenswert.1212 Außerdem ist kein Fall überliefert, in dem ein próxenos beschuldigt wurde, seine Aufgaben nicht oder nicht zur Zufriedenheit der verleihenden Polis erfüllt zu haben. Die Behauptung, eine ungeeignete Person sei zum próxenos ernannt worden, findet sich dafür umso häufiger, oft auch in Verbindung mit dem Vorwurf der Bestechung desjenigen, der den Betreffenden vorgeschlagen hat.1213 Auch das deutet darauf hin, dass die Proxenie nicht an die Verpflichtung zu einem bestimmten zukünftigen Verhalten geknüpft war, sondern allein an den Beweis der Eignung des Geehrten. Dieser Eindruck wird auch dadurch verstärkt, dass von allen überlieferten graphaí paranómōn nur eine eine zu Unrecht vergebene Proxenie betrifft:1214 Dass im Falle der vermeintlichen Unwürdigkeit des próxenos nicht etwa der Amtsträger selbst, sondern derjenige, der die Vergabe der proxenía an ihn vorgeschlagen hat, im Fokus der Anklage steht, spricht sehr dafür, dass der próxenos sich einmal ernannt nicht mehr beweisen musste: Anfechtbar war die Proxenie nur auf Basis einer grundsätzlichen Ungeeignetheit, aber nicht auf Basis einer Un- (oder Fehl)tätigkeit. Darauf deutet schließlich auch der Umstand hin, dass es in der gesamten Überlieferung keinen Fall gibt, in dem die Proxenie einem Einzelnen aberkannt wurde.1215 Dem eingedenk muss die Behauptung verworfen werden, dass der próxenos zwingend in seiner Heimatstadt gelebt haben musste und nicht in der Stadt ansässig gewesen sein konnte, deren próxenos er war: Zum einen beruhte die Proxenie auf vergangenen Wohltaten und verpflichtete nicht zu zukünftigen Aufgaben, zum anderen war der konkrete Nutzen, den sich die verleihende Polis von ihren próxenoi erhoffte, nicht auf die Betreuung von Gästen und ihre damit einhergehende Anwesenheit in der Heimat beschränkt, sondern konnte in vielen Fällen ortsunabhängig und sogar in der verleihenden Polis erbracht werden. Die Quellen, die ansässige Fremde als próxenoi ausweisen, belegen damit keine Ausnahmen, sodass auch mit ansässigen fremden pró-

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So auch schon Adak 2003, S. 209f. Vgl. Adak 2003, S. 208; ähnlich auch schon Marek 1984, S. 144. So bspw. in Deinarch. 1, 45; Hyp. 5, 25; Demosth. 20, 132; vgl. Mack 2015, S. 93. Hyp. frgm. 76 [ Jensen]. Vgl. Mack 2015, S. 97; es gibt lediglich ein in den späteren Quellen belegtes Beispiel, in dem ein próxenos wohl aus einer Liste von próxenoi getilgt wurde (I. Milet I,3 154, Z. 14–15), vielleicht weil er in allgemeinen Verruf geriet; vgl. Mack 2015, S. 98. Eine weitere Veränderung des Namens eines próxenos liegt in IG XII,5 542, Z. 47 vor, wobei es sich hier aber wohl um eine Korrektur anstatt um eine Tilgung handelt, vgl. Mack 2015, S. 97 n 29. Andere Ehrungen, wie die politeía, konnten im Nachhinein wieder aberkannt werden, was wohl auch ab und zu geschah; Demosth. 59, 91.

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xenoi gerechnet werden muss. Das wiederum drängt die Frage auf, ob die proxenía ein Differenzierungsmerkmal innerhalb der Gruppe der ansässigen Fremden darstellte, wie die Forschung bisweilen vermutet hat.1216 Klar ist in jedem Fall, dass die Vergabe der Proxenie an eine Person in der klassischen Zeit eine hohe Ehre bedeutete.1217 Betrachtet man allerdings die Konsequenzen, die sich aus der proxenía für den Honoranten ergaben, zeigt sich, dass es sich um einen reinen Ehrentitel handelte, aus dem der Honorant keinen tatsächlichen, praktischen Nutzen ziehen konnte. Erst die dem Honoranten im Rahmen seiner Ernennung zum próxenos gewährten Privilegien bewirkten eine Bevorteilung. So war Euenor eben nicht aufgrund seiner Proxenie berechtigt, immobiles Eigentum zu besitzen, sondern aufgrund der ihm verliehenen énktēsis.1218 Bestimmte Privilegien, darunter auch einflussreiche wie isotéleia und énktēsis, wurden zwar regelmäßig gemeinsam mit der Proxenie verliehen,1219 gingen aber entgegen einer in der Forschung oft formulierten Behauptung1220 nicht automatisch mit dieser einher oder waren gar Bestandteil ebendieser.1221 Jegliche Sonderrechte der athenischen próxenoi, insbesondere der in der Forschung vielfach hervorgehobene Schutz durch die verleihende Polis,1222 ergaben sich nicht aus der proxenía als solcher, sondern aus den mit ihr verliehenen Privilegien. Dafür spricht vor allem der Umstand, dass die jeweiligen Privilegien die gesamte klassische Zeit hindurch in den athenischen Ehrendekreten einzeln aufgeführt wurden, während es andernorts mit der Zeit üblich geworden war, auf ein dem próxenos gemäß der gesetzlichen Festlegung zu verleihendes Paket von Privilegien zu verweisen.1223 Selbst in diesen Fällen ist aber festzustellen, dass der bloße Verweis darauf, dass dem Honoranten noch weitere Ehrungen zustehen, schon Hinweis dafür ist, dass sich tatsächlich keine praktischen Konsequenzen aus dem próxenos-Titel selbst ergaben. Die einzige Rechtsfolge, die unmittelbar aus der Proxenie entstand, betrifft das Gerichtswesen: Anscheinend konnten die próxenoi aus ihrem Titel das Recht ableiten, beim árchōn polémarchos eine Klage einzureichen.1224 Das hob sie in Athen zwar über andere nichtansässige Fremde, aber nicht über die 1216 So etwa Whitehead 1977, S. 14. 1217 Anecd. Bekk. 298, S. 27–29; vgl. Kamen 2013, S. 58; Adak 2003, S. 217; Walbank 1978, S. 3. 1218 Die Verleihung der proxenía an Euenor ist belegt in IG II2 373, Z. 4–7, die Verleihung der énktēsis an ihn in IG II2 373, Z. 29–31. 1219 Für eine umfassende Aufstellung der mit der Proxenie verliehenen Privilegien vgl. Marek 1984, S. 150–159 sowie auch Adak 2003, S. 211–218. 1220 Vgl. u. a. Marek 1984, S. 150; RE s. v. isoteleís, Sp. 2232; teilweise Whitehead 1977, S. 13, der von einer grundlegenden Befreiung des próxenos vom metoíkion ausgeht. 1221 So auch schon Hagemajer Allen 2003, S. 216; Adak 2003, S. 217; Stelzer 1971, S. 163; Rubinstein 2009, S. 121; Mack 2015, S. 104; Todd 1993, S. 326. 1222 Vgl. Adak 2003, S. 16; Henry 1983, S. 163. 1223 Nur für die griechischen Poleis Karthaia und Kalchedon (vgl. Mack 2015, S. 123) ist ein sogenannter proxenikós nómos überliefert, das die einem próxenos zustehenden Ehrungen festlegt, vgl. Mack 2015, S. 123 sowie Hennig 1994, S. 308. 1224 Aristot. Ath. Pol. 58, 2 nennt próxenoi neben métoikoi und isoteleís als Personen, die Zugang zum árchōn polémarchos hatten.

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ansässigen Fremden, die dieses Recht qua ihrer Wohnsitznahme in der Polis ohnehin hatten.1225 Dass die Träger der Proxenie als eine eigene Gruppe ansässiger Fremder in Athen angesehen werden können, legen die vorangegangenen Ausführungen damit nicht nahe. Zwar konnte gezeigt werden, dass von Athen ernannte próxenoi auch in der Polis wohnen konnten und so auch einen Teil der ansässigen Fremden in Athen ausmachten, allerdings erwies sich das Tragen eines próxenos-Titel nicht als geeignetes Differenzierungsmerkmal innerhalb der Gruppe der ansässigen Fremden, weil dieser die extrinsischen Merkmale der Honoranten nicht zu beeinflussen vermochte: Die proxenía blieb ein reiner Ehrentitel, der über die Anerkennung geleisteter Wohltaten hinaus keine weiteren Auswirkungen auf das Leben als ansässiger Fremder in Athen hatte. III.7.6 politeía Eine letzte Gruppe von in Athen lebenden Personen, der es sich unter dem Gesichtspunkt der Privilegien und Ehrungen zu widmen lohnt, bilden diejenigen, die durch Erhalt der politeía zu athenischen Bürgern gemacht worden sind. Da sie das athenische Bürgerrecht nicht qua Geburt trugen, gehören auch sie zu der zu Beginn dieser Arbeit definierten Untersuchungsgruppe. In der Tat waren die neopolítai,1226 die Neubürger, keineswegs von den geborenen Athenern ununterscheidbar, sondern in einigen Bereichen sogar in einem Maße eingeschränkt, das sie eher den ansässigen Fremden als den Bürgern anglich. Damit ist die Frage berechtigt, ob die neopolítai nicht eher eine besondere Gruppe ansässiger Fremder, denn Bürger sind. Zu betonen ist zunächst, dass die politeía zweifelsohne ein kraftvolles Differenzierungsmerkmal innerhalb der Gruppe derjenigen darstellt, die das athenische Bürgerrecht nicht von Geburt an trugen. Die Einbürgerung stellte die ultimative Ehrung eines Fremden dar und war das Höchste, was die Polis einem Außenstehenden bieten konnte.1227 Dementsprechend sparsam gingen die Athener auch mit der Verleihung der politeía um: Sie wurde in der klassischen Zeit äußerst selten gewährt.1228 Gelegentlich

1225 Dazu Kap. III.6.2.1. 1226 Neubürger werden in den Quellen entweder als νεοπολίτης (z. B. Aristot. Ath. Pol. 21, 4), δημοποίητος (z. B. Plut. Sol. 24, 2) oder ποιητóς (Demosth. 45, 78) bezeichnet; vgl. dazu u. a. Deene 2011, S. 160f. 1227 Vgl. Kamen 2013, S. 50; Lambert 2011, S. 195; Meyer 1993, S. 114; Oliver 2007, S. 91; Todd 1993, S. 174; Adak 2003, S. 239; Whitehead 1991, S. 153. 1228 Vgl. Meyer 1993, S. 114; Todd 1993, S. 174; Adak 2003, S. 239. Insgesamt sind aus den Jahren zwischen 403 und 336 nur 19 Verleihungen der politeía überliefert, vgl. Hagemajer Allen 2003, S. 205. Für die Jahre zwischen 480 und 350 sind lediglich 93 Fälle von Bürgerrechtsverleihungen belegt, wobei nur ein kleiner Teil bereits in Athen ansässige Fremde betraf, vgl. Mavrogordatos 2014, S. 44; ähnlich Hansen 1991, S. 94, der für die Zeit zwischen 368 und 322 insgesamt fünfzig Bürgerrechtsverleihungen angibt.

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erwecken die literarischen Quellen einen anderen Eindruck, die Häufigkeit der Erwähnungen von Einbürgerungen Fremder1229 sollte jedoch, wie Hans Klees zurecht mahnt, eher als eine dem Effekt der Kritik geschuldete Übertreibung denn als Spiegel tatsächlicher Verhältnisse gedeutet werden.1230 Dennoch hatten Einbürgerungen zumindest im 5. Jahrhundert eine gewisse demographische Relevanz, nicht so sehr wegen der Verleihung der politeía an Einzelpersonen, sondern vor allem wegen der Einbürgerung einiger größerer Gruppen.1231 Letztere nahmen im 4. Jahrhundert deutlich ab, bis die Honoranten der politeía nahezu nur noch Einzelpersonen waren.1232 Die Forschung konnte feststellen, dass damit insgesamt eine liberalere Vergabe der politeía einherging:1233 Durch die fehlende Verleihung dieses Privilegs an Gruppen sank zwar die Zahl der Honoranten, die Zahl der tatsächlichen Verleihungsakte stieg aber. Wie alle Privilegien wurde auch das Bürgerrecht an einen Fremden nach Antragstellung eines Bürgers in der Volksversammlung vergeben,1234 und auch hier waren Vorwürfe der Korruption verbreitet.1235 Demosthenes liefert in seiner Rede gegen Neaira einen ausführlicheren Bericht über den Ablauf des Verfahrens und über die Gesetze, die dieses regulierten.1236 Demnach bedurfte es nicht wie bei anderen Privilegien einer, sondern zweier Abstimmungen der Volksversammlung, die den Antrag mehrheitlich positiv beschieden, wobei die zweite eine geheime Abstimmung darstellte, an der mindestens 6.000 Personen teilnehmen mussten.1237 Fiel auch dieses Votum positiv aus, wurde ho bulómenos die Möglichkeit gegeben, mit einer paranómōn graphḗ die Verleihung des Bürgerrechts zu stoppen, wenn er die Ungeeignetheit des Kandidaten beweisen konnte.1238 Gab es auch hier keine Einwände, wurde der Kandidat offiziell

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So in Demosth. 13, 23; Demosth. 20, 13; Isokr. 8, 50 sowie 8, 88. Vgl. Klees 2000, S. 39. Vgl. Hansen 1986, S. 9; ähnlich auch Cohen 2000, S. 67; Watson 2010, S. 264. Vgl. Whitehead 1977, S. 69; Hansen 1986, S. 65; Klees 2000, S. 42; Todd 1993, S. 174. Diese liberalere Vergabepraxis entging auch den Zeitgenossen nicht und zog hin und wieder Kritik nach sich, so etwa in Demosth. 23, 200, der einen Bedeutungsverlust der Bürgerrechtsverleihung konstatiert; vgl. Trevett 1992, S. 162; Osborne 1972, S. 146, ähnlich auch S. 139; dagegen Oliver 2007, S. 274 sowie passim; Todd 1993, S. 175. So habe Demosthenes sogar für mehrere Personen das Bürgerrecht beantragt: Deinarch. 1, 43; vgl. Worthington 2000, S. 296. Auch die Verleihung des Bürgerrechts an eine Gruppe bedurfte der Initiative eines Bürgers: So schlug Hippokrates die Vergabe der politeía an die Plataier vor; Demosth. 59, 104. Demosth. 57, 60; FrGrHist 324 F52 n 9; vgl. Deene 2011, S. 169. Demosth. 59, 89–92. Demosth. 59, 89. Die Notwendigkeit eines zweiten Votums in der Volksversammlung etablierte sich wohl erst in der Mitte des 4. Jahrhunderts, denn in Dekreten vor 369 wird dieser Vorgang überhaupt nicht erwähnt (z. B. IG I2 110; IG I2 113), aber in späteren Dekreten mit überwältigender Mehrheit; vgl. Osborne 1972, S. 138–140; Coşkun 2014, S. 111; Hansen 1991, S. 94; Henry 1983, S. 74. In der Einführung eines zweiten Votums sieht Osborne aber nicht eine strengere Verleihung der politeía, sondern eher das Gegenteil: Die Notwendigkeit eines zweiten Votums habe sich erst aus einer liberaleren und damit häufigeren Verleihung der politeía ergeben, vgl. Osborne 1972, S. 139. Demosth. 59, 90.

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Extrinsische Merkmale

in den Kreis der Bürger aufgenommen, indem er sich in eine Deme seiner Wahl1239 einschrieb.1240 Ganz sicher konnten sich die neopolítai aber wohl nie fühlen: Auch später konnte die politeía einem Eingebürgerten entzogen werden,1241 wie etwa der Fall des Lysias zeigt, dem das Bürgerrecht wohl noch im Jahr der Verleihung wegen eines Formfehlers aberkannt wurde.1242 Die Honoranten der politeía bildeten einen exklusiven, aber nicht homogenen, Kreis. Allen gemeinsam war, dass sie Athen einen besonderen Dienst erwiesen hatten – so war es zumindest gesetzlich festgelegt.1243 Derlei Dienste konnten diplomatischer1244 oder – insbesondere bei der Einbürgerung von Gruppen – militärischer Natur sein,1245 aber auch in Form finanzieller Beiträge zur Staatskasse stattgefunden haben.1246 Die Vergabe der politeía erfolgte sowohl an ansässige als auch an nichtansässige Fremde, wobei die Verleihung an Letztgenannte in vielen Fällen rein ehrenhalber geschah und nicht wirklich damit gerechnet wurde, dass diese überhaupt jemals von ihrem Bürgerrecht Gebrauch machen würden.1247 Hier ist vor allem, aber nicht nur, an die Bürgerrechtsverleihungen an fremde Herrscher zu denken.1248 Ob die politeía einem Honoranten nur ehrenhalber oder mit der tatsächlichen Perspektive der Umsetzung

1239 Bis weit in das 4. Jahrhundert hinein konnten Honoranten wählen, in welche Deme sie sich einschrieben, vgl. Henry 1983, S. 72. Das früheste Dokument, welches dieses Wahlrecht einschränkt, stammt aus dem Jahr 334/33, in dem die Einschreibung in bestimmte Phratrien verboten wird: IG II2 222; vgl. Henry 1983, S. 72. 1240 Vgl. Osborne 1972, S. 132f. Das Verfahren der Einbürgerung ist beschrieben in Demosth. 59, 89–90. 1241 Vgl. Erdtmann 2013, S. 62. 1242 Plut. Mor. 835f–836a; vgl. Adak 2003, S. 199; Patzek 1995, S. 40. 1243 Demosth. 59, 89; vgl. Kaimio 1999, S. 96; MacDowell 1978, S. 72f; MacDowell 1993, S. 360. 1244 So etwa im Fall des aus Klazomenai stammenden Herakleides (Plat. Ion 542 c–d), vgl. Davies 1977, S. 119 sowie Adak 2003, S. 204. In diesem Zusammenhang sind vor allem die Bürgerrechtsverleihungen an fremde Herrscher zu nennen, etwa an den König Euagoras in Salamis (Isokr. 9, 54; Demosth. 12, 10) oder den syrakusischen Tyrannen Dionysius I. (IG II2 103); vgl. Deene 2011, S. 163 mit n 19; Hagemajer Allen 2003, S. 238. 1245 So etwa die Kommandeure Phrasierides und Charidemos, vgl. Davies 1971, S. 557 und S. 570 (= APF 14976 und APF 15380). Zu nennen ist in Bezug auf die Massenverleihungen an Fremde einerseits die politeía als Anreiz für einen Einsatz in Notsituationen: So etwa im Jahr 407/06, als das Bürgerrecht jedem versprochen wurde, der sich der Flotte anschloss, Xen. Hell. 1, 6, 24. Zur Einbürgerung u. a. Diod. 13, 97, 1; And. 2, 23 (Osborne Nat. T 10); vgl. Adak 2003, S. 240; Hunt 2001, S. 359. Massenverleihungen betrafen aber auch Flüchtlingsgruppen, die wegen der Zerstörung ihrer Stadt Zuflucht in Athen suchten. Zu nennen sind hier allen voran die Plataier (Demosth. 59, 104) und die Samier (ML 94, Z. 12–33; vgl. Davies 1977, S. 107). 1246 So etwa bei den Freigelassenen und Bankiers Phormion und Pasion, vgl. Davies 1977, S. 119f; Kamen 2016, S. 420; Maurizio 1998, S. 315; Trevett 1992, S. 160f. 1247 Das Bewusstsein dieses Umstandes offenbart sich etwa in Demosth. 23, 126 und ähnlich auch Demosth. 20, 29; vgl. Cohen 2000, S. 67; Todd 1993, S. 175; Adak 2003, S. 239; Lambert 2006, S. 115f; Whitehead 1991, S. 153; Kamen 2013, S. 82. 1248 So etwa an Euagoras I. aus Salamis (Isokr. 9, 54; Demosth. 12, 10), an den Herrscher Leukos (Demosth. 20, 30), an den thrakischen König Kotys (Demosth. 12, 9) oder an den syrakusischen Tyrannen Dionysios I. (IG II2 103); vgl. Deene 2011, S. 163 n 19.

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verliehen wurde, ergibt sich aus den Dekreten selbst jedoch nicht.1249 Vor dem Hintergrund, dass nicht alle Honoranten der politeía diese auch tatsächlich in Anspruch nehmen würden, ist auch der zunächst etwas kurios anmutende Umstand zu deuten, dass mit ihr gemeinsam häufig auch weitere Privilegien wie die énktēsis, isotéleia oder atéleia verliehen wurden – schließlich sind diese ohnehin im Bürgerrecht inbegriffen gewesen. Grund hierfür ist, dass dem Honoranten ermöglicht werden sollte, von Vergünstigungen zu profitieren, auch wenn er das Bürgerrecht selbst nicht in Anspruch nahm.1250 Für andere Honoranten dürfte der Empfang der politeía aber einen ganz praktischen Nutzen gehabt haben. Es ist nicht festzustellen, dass ein bestimmtes intrinsisches Merkmal ein Ausschlusskriterium für den Erhalt des Bürgerrechts bedeutete oder umgekehrt den Erhalt des Bürgerrechts garantierte.1251 Gleichsam ist nicht von der Hand zu weisen, dass bestimmte Merkmale die Chancen, ein neopolítēs zu werden, steigerten – zumindest gemessen an dem jeweiligen Anteil von Trägern bestimmter Merkmale in der Gruppe der Honoranten. So ergibt der Quellenbefund der Einzelverleihungen, dass sich unter den Empfängern der politeía deutlich mehr Griechen als Nichtgriechen befanden.1252 Dennoch war eine nichtgriechische Herkunft kein Hindernis für eine Einbürgerung, wie etwa das Beispiel des Pasion zeigt.1253 Auch einige Freigelassene befanden sich unter den Honoranten der politeía,1254 wobei hier eine größere Häufigkeit der im Bankwesen Tätigen festzustellen ist.1255 Da, wie bereits an anderer Stelle dargelegt wurde, Cohens These einer ‚automatischen‘ Einbürgerung in Athen geborener oder seit längerer Zeit ansässiger Fremder, nicht haltbar ist,1256 ergibt sich, dass es für diejenigen, die das athenische Bürgerrecht nicht von Geburt an besaßen, keinen anderen Weg zur ‚Heilung‘ dieses Missstandes gab, als die politeía als Dank für eine erbrachte Wohltat zu erhalten. Dabei war naturgemäß keiner so sehr daran interessiert, den Unterschied zwischen den ansässigen Fremden und den neopolítai nach außen zu verdeutlichen, wie die Honoranten selbst. So war Apollodor, der das Bürgerrecht über seinen eingebürgerten Vater Pasion erhalten

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Vgl. Hagemajer Allen 2003, S. 238. So überzeugend dargelegt von Hennig 1994, S. 334. Zur Aufnahme von ansässigen fremden Frauen in den Kreis der Athenerinnen s. Kap. II.4.4. Vgl. Hagemajer Allen 2003, S. 205: Aus 19 überlieferten Dekreten aus den Jahren 403–336 ist die Abstammung von 13 Honoranten mit einiger Sicherheit bestimmbar, unter ihnen elf Griechen und nur zwei Nichtgriechen. Pasions Einbürgerung ist belegt in Demosth. 59, 2; Demosth. 53, 18; Demosth. 45, 85. Neben den bereits umfassend besprochenen Freigelassenen Pasion und Phormion, sind weitere Beispiele auch Agoratos (Lys. 13) sowie die Freigelassenen des Themistokles, die das Bürgerrecht in Thespiai zugesprochen bekommen (Hdt. 8, 75); vgl. Klees 2000, S. 41. Vgl. Shipton 1997, S. 409; ähnlich auch Zelnick-Abramovitz 2005a, S. 326 sowie Cohen 1992, S. 88f. Zur besonderen Stellung des Bankwesens als Tätigkeitsfeld ansässiger Fremder und Freigelassener im Besonderen, vgl. S. 243f. Dazu Kap. II.6.1.

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hatte,1257 peinlichst bemüht, keine Assoziation seiner Person mit der Gemeinschaft der ansässigen Fremden zu wecken, indem er betont häufig die bürgerlichen Vorrechte – von der Erhebung von Klagen bis hin zur Heirat mit einer Athenerin1258 – in Anspruch nahm und sogar aufs Land zog, um sich auch physisch von seinen Wurzeln zu distanzieren.1259 Diese Art der schon fast übertriebenen Abgrenzung von anderen ansässigen Fremden war aber nicht in jedem Fall praktiziert worden: Die Plataier etwa, unter denen sich zahlreiche durch das Dekret von 4291260 Eingebürgerte befanden, blieben sogar gern unter sich:1261 Sie veranstalteten monatliche Treffen1262 und schienen insgesamt eine recht eingeschworene Gemeinschaft gewesen zu sein.1263 Mit der Verleihung der politeía teilten die Honoranten zahlreiche Rechte mit den ‚geborenen‘ athenischen Bürgern im rechtlichen,1264 wirtschaftlichen und militärischen Bereich:1265 Sie konnten etwa immobilen Besitz erwerben, zahlten kein metoíkion und durften Athenerinnen heiraten. Diese Gleichstellung mit den Bürgern traf aber nicht auf alle Bereiche zu, denn trotz ihres Bürgerrechts unterlagen sie im politischen und im religiösen Bereich weiterhin Einschränkungen: Von der Übernahme des Archontats und von der Bekleidung von Priesterämtern blieben die Eingebürgerten selbst ausgeschlossen,1266 erst ihren Nachkommen standen auch diese Möglichkeiten offen. Unklar ist, ob die Eingebürgerten von sämtlichen Priesterämtern ausgeschlossen waren oder nur von Erbpriesterschaften: Zwar gibt es gleich drei Stellen in der Rede des Demosthenes gegen Neaira, welche Zeugnis über diese grundsätzliche Einschränkung liefern,1267 diese weichen aber leicht voneinander ab: Während die Belegstellen in § 92 1257 Die politeía war grundsätzlich erblich, vgl. Kapparis 1995, 373; Cohen 1992, S. 102f; Oliver 2007, S. 79. Bis zum 3. Jahrhundert wurde die Ausweitung des Bürgerrechts auf die Nachkommen explizit in den Dekreten vermerkt; danach wurde auf eine gesonderte Bemerkung verzichtet und die Inkludierung der Nachkommen als stillschweigende Übereinkunft hingenommen, vgl. Oliver 2010, S. 160 und ähnlich auch Osborne 1983, S. 153. 1258 Demosth. 45, 55 sowie Demosth. 59, 2, ähnlich auch Demosth. 45, 77; vgl. Deene 2011, S. 169; Fisher 2010, S. 342; Hermann-Otto 2009, S. 96; Hamel 2004, S. 152–156. 1259 Demosth. 53, 4; dazu auch Kap. III.3.2. 1260 Demosth. 59, 104. 1261 Vgl. Kapparis 1995, S. 376 sowie S. 378. 1262 Lys. 23, 6. 1263 Wie wenig sich die Plataier den Athenern tatsächlich zugehörig fühlten, könnte der Umstand zeigen, dass wohl die meisten von ihnen Athen verließen, als ihnen eine neue Heimat in Skione angeboten wurde; vgl. Davies 1977, S. 107. 1264 So expliziert die Bürgerrechtsverleihung an die Plataier insbesondere deren rechtliche Gleichstellung mit den Athenern (Demosth. 59, 104). Pankleon, ein vermeintlicher Plataier, der zumindest vorgibt, von der Bürgerrechtsverleihung an diese ebenfalls zu profitieren, beruft sich etwa auf sein Bürgerrecht, um zu beweisen, dass der árchōn polémarchos nicht für ihn zuständig ist; Lys. 23, 2. 1265 Vgl. Deene 2011, S. 161; Adak 2003, S. 238. 1266 Demosth. 59, 92; Demosth. 59, 104; Demosth. 59, 106. 1267 Demosth. 59, 92: ὃσους γὰρ ἂν ποιήσηται ὁ δῆμος ὁ Ἀθηναίων πολίτας, ὁ νόμος ἀπαγορεύει διαρρήδην μὴ ἐξεῖναι αὐτοῖς τῶν ἐννέα ἀρχόντων γενέσθαι μηδὲ ἱερωσύνης μηδεμιᾶς μετασχεῖν· τοῖς δ᾿ ἐκ τούτων μετέδωκεν ἤδη ὁ δῆμος ἁπάντων, καὶ προσέθηκεν, ἐὰν ὦσιν ἐκ γυναικὸς ἀστῆς καὶ ἐγγυητῆς κατὰ τὸν νόμον. (Wenn nämlich das Volk der Athener einen zum Bürger gemacht hat, verbietet das

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den Ausschluss der neopolítai von sämtlichen Priesterämtern und § 106 den der Plataier im Besonderen behaupten, wird in § 104 nur Bezug darauf genommen, dass die eingebürgerten Plataier keine Erbpriesterschaften übernehmen konnten.1268 Diese Ungereimtheit ist auch der Forschung nicht entgangen.1269 Einige Forschungsbeiträge sind davon ausgegangen, dass der Sprecher der Rede in § 104 das Dekret für die Plataier nicht wörtlich zitierte, sondern lediglich paraphrasierte: Gültig wäre der Ausschluss der Eingebürgerten von sämtlichen Priesterschaften wie in § 106 formuliert, die erblichen seien an dieser Stelle nur exemplarisch benannt worden.1270 Dagegen hat Kostas Kapparis berechtigterweise darauf hingewiesen, dass eine Paraphrase, innerhalb derer aus allen Priesterschaften nur bestimmte ausgesucht werden, unbegründet ist: Es sei nicht nachvollziehbar, warum der Sprecher den Ausschluss der Plataier von bestimmten Priesterschaften betonen sollte, wenn es doch tatsächlich auf sämtliche Priesterschaften zutraf.1271 Erschwerend kommt hinzu, dass von allen möglichen Priesterämtern ausgerechnet die Erbpriesterschaften diejenigen waren, deren Besetzung von den Plataiern aufgrund ihrer fehlenden athenischen Abstammung am unwahrscheinlichsten war.1272 Der vom Sprecher der Rede, Apollodor, in § 106 behauptete Ausschluss der Plataier von sämtlichen Priesterämtern sei einer effektvollen Übertreibung geschuldet.1273 Darüber hinaus verweist Kapparis auf die vorangehende Bemerkung „πάντων καὶ ἱερῶν καὶ ὁσίων“, welche die umfassende Beteiligung an allen religiösen und politischen Angelegenheiten des Gemeinwesens aus-

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Gesetz ausdrücklich, dass er einer der neun Archonten wird, und auch, dass er irgendein Priesteramt bekleidet. Ihren Nachkommen aber erlaubt das Volk in allem Anteil zu nehmen, aber hinzugefügt ist: „Wenn sie von einer astḗ abstammen und legitim geboren wurden“); Demosth. 59, 104: Ἱπποκράτης εἶπε Πλαταιέας εἶναι Ἀθηναίους ἀπὸ τῆσδε τῆς ἡμέρας, ἐντίμους καθάπερ οἱ ἄλλοι Ἀθηναῖοι, καὶ μετεῖναι αὐτοῖς ὧνπερ Ἀθηναίοις μέτεστι πάντων, καὶ ἱερῶν καὶ ὁσίων, πλὴν εἴ τις ἱερωσύνη ἢ τελετή ἐστιν ἐκ γένους, μηδὲ τῶν ἐννέα ἀρχόντων, τοῖς δ᾿ ἐκ τούτων. (Hippokrates hat den Vorschlag gemacht: Die Plataier sollen Athener sein von diesem Tag an, sie sollen die gleichen Rechte haben wie die anderen Athener, und sie sollen teilhaben an allem, woran die Athener teilhaben, an hierá und hósia, außer an Priesterschaften und Ritualen der Demen und auch nicht an den neun Archonten, aber ihre Nachkommen. Übers.: nach Kapparis 1999); Demosth. 59, 106: ἔπειτα καὶ τὸν νόμον διωρίσατο ἐν τῷ ψηφίσματι πρὸς αὐτοὺς εὐθέως ὑπέρ τε τῆς πόλεως καὶ τῶν θεῶν, καὶ μὴ ἐξεῖναι αὐτῶν μηδενὶ τῶν ἐννέα ἀρχόντων λαχεῖν μηδὲ ἱερωσύνης μηδεμιᾶς, τοῖς δ᾿ ἐκ τούτων, ἂν ὦσιν ἐξ ἀστῆς γυναικὸς καὶ ἐγγυητῆς κατὰ τὸν νόμον. (Danach legte er, zugunsten der Stadt und der Götter, rechtlich ein Gesetz für sie fest, dass es für keinen von ihnen erlaubt ist, sich als einen der neun Archonten auslosen zu lassen, noch für Priesterschaften, aber ihren Nachkommen, wenn sie legitim sind und mit einer astḗ gezeugt wurden.) Demosth. 59, 104: πλὴν εἴ τις ἱερωσύνη ἢ τελετή ἐστιν ἐκ γένους, … So z. B. Kapparis 2015, S. 365. Vgl. Osborne 1983, S. 171 sowie S. 173–176; dazu Kapparis 2015, S. 365 und S. 369. Vgl. Kapparis 1995, S. 369. Vgl. ebd. Vgl. ebd., S. 372.

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drückt1274 und die Übernahme von Priesterämter miteinschließt – abgesehen von den einschränkend nachgestellten Erbpriesterschaften.1275 Die Differenzen zwischen den beiden Belegstellen erklärt Kapparis mit der zeitlichen Abfolge der Entstehung des in § 92 zitierten Gesetzes und des in § 104 angeführten Dekrets für die Plataier. Demnach sei die Notwendigkeit, den Zugang zu Ämtern für neopolítai zu regulieren, erst mit der Einbürgerung der Plataier offenbar geworden: Davor waren Einbürgerungen sehr selten gewesen, angesichts der hohen Zahl der nun neu in die Bürgerschaft Aufgenommenen machte sich aber die Sorge breit, die höchsten Priesterämter könnten in die Hände derer gelangen, die keine athenische Abstammung hatten.1276 So habe man im Rahmen dieser einen Bürgerrechtsverleihung an die Plataier eine Vorkehrung getroffen, die sie von Erbpriesterschaften ausschloss, und in der Folge wurde im Rahmen eines Gesetzes ein für alle Mal bestimmt, die Honoranten der politeía von Priesterämtern auszuschließen.1277 Dazu verweist Kapparis auf den Umstand, dass in keiner späteren Bürgerrechtsverleihung eine vergleichbare Einschränkung genannt wurde:1278 Dies sei am ehesten darauf zurückzuführen, dass aufgrund eines bestehenden Gesetzes eine solche Nennung überflüssig gewesen wäre.1279 Auf Basis seiner Untersuchungen kommt Kapparis zu dem Schluss, dass die Plataier letztendlich nur von Erbpriesterschaften ausgeschlossen waren. Ob das dann später verabschiedete Gesetz die Honoranten der politeía von allen Priesterschaften oder nur von Erbpriesterschaften ausschloss, sei ihm zufolge zwar nicht mehr ohne Zweifel festzustellen, wahrscheinlicher sei aber die Beschränkung des Ausschlusses auf Erbpriesterschaften.1280 Kapparis These überzeugt, weil seine Argumente tatsächlich für den Ausschluss der Plataier nur von Erbpriesterschaften sprechen. Diese Beschränkung aber auf eine grundsätzliche, alle zukünftigen Honoranten betreffende Bestimmung auszuweiten, ist nicht nachzuvollziehen: Die Rede des Demosthenes belegt den Ausschluss von bestimmten Priesterschaften nur im konkreten Fall der Bürgerrechtsverleihung an die Plataier, nicht aber auch für alle Eingebürgerten. Ganz im Gegenteil deutet Demosth. 59, 92 sogar eher darauf hin, dass der grundsätzliche Ausschluss Eingebürgerter von sämtlichen Priesterschaften erst in der Zeit nach der Einbürgerung der 1274 1275 1276 1277

Vgl. Blok 2014, S. 16. Vgl. Kapparis 1995, S. 369. Vgl. ebd., S. 371. Vgl. Kapparis 1995, S. 371: „Whatever the case, the silence of the later decrees should be interpreted as a confirmation of the fact that by then this ban would appear to be self-evident. By the 340s, when Apollodor delivered his speech, it was a law.“ 1278 Die Möglichkeit, dass der Ausschluss von Erbpriesterschaften nur für die Plataier galt, verwirft Kapparis auf der Basis der Annahme, dass den als den Athenern gegenüber besonders loyal geltenden Plataiern kaum mehr verwehrt worden wäre als nachfolgenden Honoranten der politeía: vgl. Kapparis 1995, S. 371. 1279 Vgl. Kapparis 1995, S. 371. 1280 Vgl. ebd., S. 371f.

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Plataier wahrscheinlich ist: Selbst angesichts der Möglichkeit, dass die Verhältnisse von Apollodor, dem Sprecher der Rede, überzeichnet wurden, scheint die Umdichtung ­eines Gesetzes, das zumindest den meisten Anwesenden im Wortlaut bekannt gewesen sein dürfte, doch gewagt. Das gilt insbesondere, weil Apollodor sich, seinem Drang der Profilierung als Bürger Athens geschuldet, auch als Kenner des athenischen Rechts zu verkaufen wollte1281 und eine bewusste Falschzitation eines bekannten Gesetzes dem sicherlich abträglich gewesen wäre.1282 Ob Apollodor das riskiert hätte, ist fraglich. Abgesehen von dieser anscheinend gesetzlich festgelegten Einschränkung ist auch auf gewisse soziale Barrieren hinzuweisen, der Eingebürgerte begegneten:1283 So belegen die Quellen, dass auch die Verleihung der politeía den Makel einer nichtbürgerlichen Vergangenheit nicht tilgte – zumindest wenn es sich bei dem Betreffenden um einen Freigelassenen handelte.1284 Die Bemühungen des Apollodor, der Sohn eines Freigelassenen war, um eine neue Wahrnehmung als Bürger deuten darauf hin, dass eine Einbürgerung keineswegs eine vorurteilsfreie Aufnahme in die Bürgerschaft nach sich zog. Ähnlich verhielt es sich auch mit Lysias’ betonter Bescheidenheit, mit der er (in der kurzen Zeit, in der ihm das Bürgerrecht vergönnt war)1285 der aus geborenen Athenern bestehenden Jury gegenübertritt, um seine Rede gegen Eratosthenes vorzutragen: Bedacht darauf, jegliche Form der Anmaßung zu vermeiden, betont er, nicht als Gleicher vor Gleiche getreten zu sein.1286 Insgesamt ist festzuhalten, dass selbst Empfängern des athenischen Bürgerrechts nicht alle Möglichkeiten in Athen offenstanden: Ihre Gleichstellung mit den geborenen Athenern ist zwar umfangreich, aber nicht vollumfänglich. So drängt sich die Frage auf, ob die politeía aus dem Honoranten einen Bürger zweiter Klasse oder einen ansässigen Fremden erster Klasse machte. Dabei ist zunächst festzustellen, dass

1281 Apollodor ist kein gebürtiger Athener, sondern erlangte das Bürgerrecht nur durch die Verleihung der politeía an seinen Vater. Seine umfassenden Bemühungen, sich von den ansässigen Fremden abzugrenzen und „athenischer zu sein als die Athener“ (so treffend Deene 2011, S. 174; ähnlich auch Fisher 2010, S. 342; Trevett 1992, S. 178 mit n 4), sind in der Forschung vielfach herausgearbeitet worden, dazu Kap. III.3.2. 1282 Vgl. Carey 1991, S. 86; davon unberührt bleibt natürlich die Möglichkeit, dass Lügen, inklusive der falschen Wiedergabe von Gesetzen, vor Gericht ein durchaus probates Mittel blieb, vgl. Rohde 2019b, S. 100. 1283 So auch schon Kamen 2013, S. 79. 1284 So verweist der Sprecher von Demosthenes 45. Rede eindrucksvoll auf die sklavische Vergangenheit des zu diesem Zeitpunkt bereits eingebürgerten Phormion: Demosth. 45, 8. Eine ähnliche Bemerkung findet sich auch in Lys. 13, 64; vgl. Zelnick-Abramovitz 2005a, S. 332–334; Klees 2000, S. 42 und Gray 2011, S. 63, die in einem ähnlichen Zusammenhang von einer „glass ceiling“ spricht. 1285 Das Bürgerrecht wurde Lysias kurz nach seiner Ernennung aufgrund eines Formfehlers wieder aberkannt: Plut. Mor. 835f–836a. 1286 So ruft Lysias die Geschworenen eben nicht nur seinethalben auf, Eratosthenes zu bestrafen, sondern vor allem wegen der an ihnen selbst verübten Übeltaten (Lys. 12, 94–99), und gestaltet seine Rede insgesamt auch nicht in der ‚wir‘- sondern in der ‚ihr‘-Form; vgl. Patterson 2000, S. 110; dazu auch schon Kap. III.3.2.3; ähnlich auch in Demosth. 45, 78.

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Eingebürgerte überhaupt gesondert als neopolítai bezeichnet wurden.1287 Die schiere Existenz einer solchen Sonderbezeichnung könnte bereits als ein Hinweis darauf gelten, dass es sehr wohl ein Bewusstsein dafür gab, wer als Bürger geboren wurde und wer zum Bürger gemacht wurde.1288 Die sprachliche Nähe zum Bürger ist jedoch nicht von der Hand zu weisen: Empfänger der politeía sind polítai poiētaí oder neopolítai und damit zumindest dem Namen nach Bürger. Wie die Zeitgenossen das sahen, ist nicht mehr ohne Zweifel festzustellen, aber die Quellen geben doch einigen Anlass zu vermuten, dass die génētai die poiúmenoi nicht ganz als die Ihrigen betrachteten und dass sich auch die poiúmenoi selbst nicht vollumfänglich den Bürgern zuordneten. Der Ausschluss von Priesterämtern und dem Archontat ist das schwerwiegendste Indiz dafür, dass die Eingebürgerten den gebürtigen Bürgern ungleich waren: Politische Partizipation bildete den Kern des Bürgerseins,1289 und diese Grenzen vermochten wohl nicht einmal die höchsten Honoranten der Polis zu überwinden. Entsprechend Aristoteles’ Auffassung unterschied den Bürger vom ansässigen Fremden sein Zugang zur timḗ,1290 also zu Ehren und Ämtern. Diese Unterscheidung bleibt durch den Ausschluss der Eingebürgerten vom Archontat und von Priesterämtern bestehen, sodass neopolítai allen Vorteilen zum Trotz im Hinblick auf diese Kompetenzen den ansässigen Fremden, aber nicht dem Bürger glichen: Sie waren damit eher ansässige Fremde erster Klasse als Bürger zweiter Klasse.1291 III.7.7 Fazit: Die Privilegien als Stellschrauben Die vorstehenden Ausführungen haben sich einigen Privilegien und Ehrungen gewidmet, die den ansässigen Fremden hin und wieder von ihren athenischen Gastgebern verliehen wurden. Dabei konnte festgestellt werden, dass zumindest die betrachteten Privilegien durchaus einen deutlichen Einfluss auf das Leben der Honoranten als ansässige Fremde in Athen nehmen konnten, indem sie die extrinsischen Merkmale Einzelner maßgeblich veränderten. Aus diesem Grunde sind die Privilegien auch als Ausgangspunkt für die Binnendifferenzierung ansässiger Fremder geeignet. Die Vergabe von Privilegien fungierte so in gewisser Weise als Stellschraube,1292 mittels derer die Athener das Leben Ausgewählter deutlich angenehmer gestalten konnten und so eine Heterogenität der Fremden hervorriefen.

1287 1288 1289 1290 1291 1292

Zur Bezeichnung siehe S. 358 n 1226. Besonders deutlich in Demosth. 45, 78, wo γένει πολίται den ποιητοί gegenüber gestellt werden. Vgl. Whitehead 1991, S. 144. Aristot. Pol. 1278a, 35–38; dazu auch Whitehead 1977, S. 70. Zu einem ähnlichen Schluss gelangen auch Kapparis 2005, S. 74 und Kamen 2013, S. 79. Ähnlich auch schon Lambert 2011, S. 194.

Der prostátēs

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III.8 Der prostátēs Das letzte extrinsische Merkmal ansässiger Fremder in Athen, mit dem es sich zu beschäftigen gilt, ist die den Betreffenden auferlegte Pflicht, einen prostátēs zu benennen. Die Details dieses Amtes sind in der Forschung umstritten, mit vielfältigen Interpretationen hinsichtlich der Frage, was die konkreten Aufgaben eines prostátēs darstellen. Gängig ist die Beschreibung des prostátēs als Patron1293 oder Vormund,1294 der für einen ansässigen Fremden während seines Aufenthaltes in der Polis als Ansprechpartner fungiert. Dabei ist von der Forschung vor allem die Funktion des prostátēs in Rechtsdingen vielfach betont worden1295 – und das, obwohl in den Quellen selbst nur einmal ein prostátēs in diesem Amt vor Gericht agiert.1296 Tatsächlich gibt es kaum Quellenstellen, in denen eine Person als ein prostátēs handelt oder als ein solcher explizit ausgewiesen wird, was die Beantwortung der Frage, welche Funktionen dieser erfüllt, noch mehr erschwert. Klar und unumstritten in der Forschung ist aber in jedem Fall, dass die Pflicht zur Benennung eines prostátēs jedem in Athen lebenden Fremden auferlegt wurde.1297 Das ergibt sich einerseits aus der lexikographischen Überlieferung,1298 andererseits aus dem Umstand, dass das Versäumnis, einen prostátēs zu benennen, im Rahmen einer aprostasíu graphḗ verfolgt werden konnte und im Falle einer Schuldfeststellung mit dem Verkauf in die Sklaverei und der Konfiszierung sämtlichen Eigentums bestraft wurde.1299 Sowohl das hohe Strafmaß als auch der Umstand, dass es sich um eine graphḗ, also eine Popularklage, handelt,1300 deuten darauf hin, dass dieses Vergehen keineswegs ein Kavaliersdelikt war, sondern als gravierendes Verbrechen an der Gemeinschaft im Sinne einer versuchten Überschreitung der Grenze zwischen Bürgern und Nichtbürgern1301 geahndet wurde. Das wiederum darf im Umkehrschluss durchaus als Zeichen für den hohen ‚ideellen‘ Wert des prostátēs interpretiert werden: Einen prostátēs zu haben bzw. haben zu müssen markiert den Nichtbürger und unterscheidet ihn vom Bürger, der

1293 Vgl. de Ste. Croix 1983, S. 175. 1294 Vgl. Hansen 1991, S. 117; Patterson 2000, S. 95. 1295 Vgl. Garland 2014, S. 123; Jordan 2000, S. 97; Harrisson 1968, S. 193; Meyer 2010, S. 9; Spahn 1995, S. 45f; Thür 1989, S. 117. 1296 In Demosth. 25, 58 wird der prostátēs der Angeklagten Zobia als Zeuge vor Gericht gerufen, vgl. Kears 2013, S. 53. 1297 Vgl. u. a. Bakewell 1997, S. 215f mit n 44; Dimopoulou-Piliouni 2008, S. 33; Hansen 1991, S. 117; Kamen 2013, S. 39; Kears 2013, S. 51; Gauthier 1972, S. 126. 1298 Harp. s. v. ἀπροστασίου. 1299 Dazu Kap. III.6.2.3. 1300 Zum aprostasíu-Verfahren als Popularklage (graphḗ): S. 324f. 1301 Vgl. Klees 2000, S. 29; Kears 2013, S. 56; Zelnick-Abramovitz 2005a, S. 281.

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ohne einen solchen auskam.1302 Ähnlich wie das metoíkion als Kopfsteuer1303 wurde auch der prostátēs von der Forschung als überwiegend diffamierendes Merkmal angesehen, wobei insbesondere die durch die Notwendigkeit eines vermeintlichen Vormundes zum Ausdruck gebrachte Unmündigkeit der ansässigen Fremden zu diesem Urteil verleitete.1304 Als prostátēs konnte wohl jeder athenische Bürger benannt werden. Dabei konnten freigeborene ansässige Fremde sich ihren prostátēs selbst aussuchen, während freigelassene verpflichtet waren, ihren ehemaligen Herrn zu benennen.1305 Verstießen letztere gegen diese Vorschrift und ernannten einen anderen als denjenigen, der ihnen die Freiheit geschenkt hat, konnte der Übergangene seine Ansprüche mit einer apostasíu díkē geltend machen.1306 III.8.1 Einsatzgebiete des prostátēs Abgesehen vom symbolischen Wert des prostátēs, hat die Forschung immer wieder Versuche unternommen, auch konkrete Einsatzbereiche im Leben der ansässigen Fremden zu identifizieren. Die Bandbreite der vermuteten Bedeutung des prostátēs reicht dabei von einer reinen Formsache, ohne über seine bloße Notwendigkeit für die Registrierung hinausgehende praktische Relevanz,1307 bis hin zum prostátēs als einem immanenten Teil des Lebens der ansässigen Fremden in Athen, der ihnen bei zahlreichen Gelegenheiten, etwa als Bürge,1308 Leumundszeuge1309 oder Gastgeber,1310 zur Seite steht oder sie in rechtlichen Dingen überhaupt erst handlungsfähig macht.1311 Dass der prostátēs in der gerichtlichen Durchsetzung der Interessen seines Schützlings eine wichtige Rolle spielt, ist einer der am eingehendsten untersuchten Aspekte seiner Position. Dabei ist die Annahme in der Forschung gängig, dass ein ansässiger

1302 Vgl. Klees 2000, S. 29; Kears 2013, S. 51–53; Kapparis 2005, S. 108; Zelnick-Abramovitz 2005a, S. 262 sowie S. 340. 1303 Dazu Kap. III.2.1.1. 1304 Besonders häufig wird dabei auf Lys. 31, 9 verwiesen, wo der Sprecher seinem Opponenten vorwirft, das Leben unter einem prostátēs dem freien Leben in Athen vorgezogen zu haben, so etwa von Kears 2013, S. 56 und Akrigg 2015, S. 166. 1305 Vgl. Dimopoulou-Piliouni 2008, S. 33; Kamen 2013, S. 44; Klees 2000, S. 7. Zur Begrenzung der Wahlfreiheit hinsichtlich ihres prostátēs als Differenzierungsmerkmal der freigelassenen und freigeborenen ansässigen Fremden s. Kap. II.3.2.2. 1306 Dazu Kap. III.6.2.3. 1307 Vgl. u. a. Kapparis 2005, S. 107f; Kears 2013, S. 56; Wilamowitz 1887b, S. 232. 1308 Marek 1984, S. 147; ähnlich auch Arnaoutoglou 1994, S. 12f; Cohen 1992, S. 100 n 92; MacDowell 1978, S. 78. 1309 So etwa in Demosth. 25, 58; vgl. Kears 2013, S. 53; Gauthier 1972, S. 133f, der aber eine abnehmende Bedeutung des prostátēs von ca. 350 an vermutet (vgl. ebd. S. 135). 1310 Vgl. Thür 1989, S. 120. 1311 Vgl. bspw. Zelnick-Abramovitz 2005a, S. 262.

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Fremder einen prostátēs gebraucht habe, um Klagen vor Gericht vorzubringen1312 oder Klagen stellvertretend für den ansässigen Fremden zu erheben.1313 Diese Behauptung kann jedoch auf Basis der Quellen nicht gesichert werden: An keiner Stelle legt eine Quelle auch nur im entferntesten nahe, dass ein ansässiger Fremder in Athen tatsächlich die Intervention eines Dritten benötigt hätte, um eine Klage vor Gericht einzubringen. Aristoteles könnte sogar einen Hinweis darauf überliefern, dass ansässige Fremde den árchōn polémarchos direkt adressieren konnten.1314 Dafür sprechen zahlreiche Beispiele, in denen ansässige Fremde ganz ohne Einbindung ihres prostátēs oder irgendeines anderen Bürgers vor Gericht agierten.1315 Der einzige Fall, in dem eine Person in der Funktion als prostátēs vor Gericht agiert,1316 betrifft die ansässige Fremde Zobia. Ihr prostátēs wird als Zeuge vor Gericht aufgerufen,1317 um das Zobia durch den Angeklagten angetane Unrecht zu bestätigen, demnach der Angeklagte aus reiner Bos-

1312 Vgl. Bäbler 1998, S. 48; Jordan 2000, S. 97. 1313 Vgl. Kamen 2013, S. 47. 1314 Aristot. Ath. Pol. 58, 2: δίκαι δὲ λαγχάνονται πρὸς αὐτὸν ἴδιαι μέν, αἵ τε τοῖς μετοίκοις καὶ τοῖς ἰσοτελέσι καὶ αἱ τοῖς προξένοις γιγνόμεναι; zur schwierigen Rekonstruktion dieser Stelle im Hinblick auf μέν/ μόνον siehe S. 324 n 946. Dreher übersetzt diese Passage folgendermaßen: „Vor ihn [i. e. den árchōn polémarchos, F. L.] werden nur Privatklagen gebracht, und zwar solche, an denen métoikoi, isoteleís oder próxenoi beteiligt sind.“ Eine ähnliche Übersetzung wählt auch Chambers 1994: „An Rechtsfällen werden ihm private […] vorgelegt, und zwar solche, die Metöken, diejenigen Fremden, die dieselben Steuern wie die Bürger bezahlen, und die Proxenoi betreffen.“ Allerdings könnte die Verwendung des Dativs (τοῖς μετοίκοις καὶ τοῖς ἰσοτελέσι καὶ αἱ τοῖς προξένοις) auch anzeigen, dass es nicht einfach nur um Fälle geht, welche die Genannten betreffen, sondern speziell um solche, die von ihnen initiiert wurden: In seiner Funktion als Dativus auctoris benennt der Dativ den Urheber einer Handlung, hier also métoikoi, isoteleís und próxenoi, sodass hier explizit solche díkai gemeint wären, die von den Aufgezählten erhoben wurden („Ihm werden nur solche díkai gebracht, welche entweder von den métoikoi oder den isoteleís oder den próxenoi kommen.“) Denkbar wäre auch das Vorliegen eines Dativus possessivus zum Ausdruck eines Besitzverhältnisses („Klagen, die den métoikoi oder den isoteleís oder den próxenoi gehören“), was insbesondere durch die Verbindung mit dem Verb γίγνομαι indiziert wäre. Dessen eingedenk wäre folgende Schärfung der Übersetzung möglich: „Vor ihm werden nur díkai erhoben und zwar solche, die entweder von den métoikoi oder von den isoteleís oder von den próxenoi vorgebracht werden.“ So gelesen, könnte diese Aussage des Aristoteles darauf hindeuten, dass die Aufgezählten Klagen selbst vor dem árchōn polémarchos erheben konnten, ohne der Hilfe eines Mittelsmanns zu bedürfen. 1315 So etwa in Demosth. 32, wo sich der aus Massalia stammende Zenothemis dem Vorwurf des Betrugs ausgesetzt sieht. Von einer Beteiligung seines prostátēs am Prozess ist keine Rede. Ähnliche Beispiele finden sich auch in Demosth. 33 sowie 34 und 35, vgl. Zelnick-Abramovitz 2005a, S. 279 n 11. 1316 In der älteren Forschung ist diskutiert worden, ob es sich bei dem Sprecher von Lysias’ nur fragmentarisch erhaltener Rede gegen Hippotherses (P. Oxy. XIII 1606) eventuell um dessen prostátēs handelt (z. B. Lipsius 1920, S. 5), doch ist diese Stelle u. a. bereits von Whitehead als Beweis für das Auftreten eines prostátēs vor Gericht verworfen worden, vgl. Whitehead 1977, S. 91: Der Sprecher könnte seine Aussage für Lysias auch getätigt haben, ohne dass ein Prostasie-Verhältnis zwischen den beiden bestanden haben muss. 1317 Demosth. 25, 58.

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haftigkeit den Vorwurf gegen sie erhoben habe, das metoíkion nicht gezahlt zu haben, und sie auf diese Weise aus dem Weg zu räumen versuche.1318 Dabei ist aber zu betonen, dass es sich in dem betreffenden in Demosthenes 25. Rede geschilderten Gerichtsverfahren gar nicht um ein Verfahren handelte, das die ansässige Fremde selbst betraf: Ihr in einigem Umfang geschilderter Fall soll lediglich als Illustration des schlechten Charakters des angeklagten Aristogeiton dienen, der, wohl ohne mit der Wimper zu zucken, die Unversehrtheit der ihm loyal ergebenen Zobia riskiert habe. In diesem konkreten Fall tritt der prostátēs tatsächlich als notwendiger Stellvertreter seines Schützlings auf, aber diese Notwendigkeit ergab sich nicht aus dem Umstand, dass Zobia eine ansässige Fremde war, sondern wohl eher daraus, dass sie eine Frau war und als solche keine Zeugenaussagen tätigen konnte.1319 Als Beweis dafür, dass ansässige Fremde vor Gericht der Assistenz eines Bürgers bedurften, ist auch dieser Fall zu verwerfen. Davon unberührt bleibt die Möglichkeit, dass der prostátēs vor Gericht durchaus als Zeuge aufgerufen werden konnte.1320 Es ist leicht vorstellbar, dass er als Knotenpunkt des sozialen Netzwerks eines Fremden als guter Leumundszeuge taugte: Schließlich wurden vor allem den jeweiligen Streitparteien nahestehende Personen in den Zeugenstand gerufen,1321 und im Falle eines vielleicht in Athen noch nicht ganz so gut vernetzten ansässigen Fremden mag das eben der prostátēs gewesen sein. So war der prostátēs vor Gericht vielleicht nicht unbedingt nötig, aber doch hilfreich.1322 In diesem Zusammenhang ist noch eine weitere mögliche Funktion des prostátēs zu vermuten, denn mehr als jeder andere taugte er als Garant für die Identität und den Personenstatus seines Schützlings, was bei Bürgern Bekannte oder Verwandte des Betreffenden gewährleisteten.1323 Das dürfte vor allem dann relevant gewesen sein, wenn es um den Freiheitsstatus eines ansässigen Fremden ging: Hier könnte der prostátēs durchaus gebraucht werden, um im Zweifelsfall zu bestätigen, dass eine Person tatsächlich persönlich frei und nicht etwa ein entlaufener Sklave war.1324 Dafür spricht nicht zuletzt, dass ein Freigelassener seinen ehemaligen Herrn zum prostátēs zu wählen hatte: Wer sonst könnte die Freiheit eines Ex-Sklaven besser bestätigen als derje1318 Demosth. 25, 57, dazu S. 229. 1319 Vgl. u. a. Gagarin 1998, S. 41–43; Mirhady 2002, S. 259 mit n 17 und n 18. Ein Paradebeispiel für das Unvermögen der Frauen, Zeugnis vor Gericht abzulegen, findet sich in dem Ratschlag der exēgētaí an den Sprecher von Demosth. 47, keine Klage gegen den Mörder seiner Amme zu erheben, weil er keine angemessenen Zeugen vorbringen könne, da nur seine Frau und seine Kinder bei der Tat anwesend waren: Demosth. 47, 69; vgl. Gagarin 1998, S. 42 mit n 8, zu ansässigen Fremden als Zeugen vor Gericht, s. Kap. III.6.1.3. 1320 Ähnlich auch schon Mack 2015, S. 74. 1321 Vgl. Carey 1994, S. 176 und S. 183; ähnlich auch Scafuro 1994, S. 157. 1322 Zu dem Schluss, dass der prostátēs kein Erfordernis vor Gericht war, kommen auch schon Kears 2013, S. 54; Stelzer 1971, S. 52; Todd 1993, S. 198; Mack 2015, S. 74. 1323 Ähnlich Scafuro 1994, S. 157. 1324 Vgl. Vlassopoulos 2009, S. 352.

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nige, der ihm diese Freiheit geschenkt hat? So wird Pasions Versicherung, dass sein ehemaliger Sklave, dessen jetziger prostátēs er nun wohl war,1325 ein Freigelassener sei, offensichtlich als glaubhaft genug eingestuft, so dass damit die Folter des (vermeintlich) Freigelassenen verhindert werden konnte.1326 Zu bedenken ist allerdings, dass die Fähigkeit, ein solches Testimonium abzulegen, nicht auf den prostátēs begrenzt war, sondern allen Bürgern offenstand.1327 Der prostátēs musste ‚seinem‘ ansässigen Fremden zwar nicht Zugang zum Gericht verschaffen, da Letzterer diesen ohnehin hatte; aber seine Rolle als Vermittler könnte andernorts häufiger gefordert gewesen sein, nämlich wenn sein Schützling Zugang zur Volksversammlung benötigte. Wie bereits an anderer Stelle gezeigt,1328 bedurften ansässige Fremde der Hilfe eines Bürgers, um eigene Anliegen in die Volksversammlung einzubringen. Dabei ist durchaus denkbar, dass diese Art der Unterstützung in einigen Fällen vom prostátēs der jeweiligen Person geleistet wurde.1329 Auf diese Weise hätte der prostátēs dann auch eine gewisse Rolle bei der Vergabe von Privilegien an seinen Schützling gespielt: Es ist leicht nachzuvollziehen, dass ein angesehener und einflussreicher prostátēs einen solchen Antrag wahrscheinlich mit größeren Erfolgsaussichten stellen konnte als eine weniger prominente Persönlichkeit.1330 Auch hier ist aber darauf hinzuweisen, dass der prostátēs nicht der Einzige war, der einen solchen Antrag stellen konnte, sondern dass jeder Bürger die Privilegierung eines Fremden vorschlagen konnte. Das zeigt sich z. B. im Fall des Thrasybulos, der für seine Unterstützer im Kampf für die Wiederherstellung der Demokratie die Vergabe von allerlei Privilegien, darunter auch des Bürgerrechts, beantragte.1331 Dass Thrasybulos der prostátēs all dieser Personen war, scheint zumindest sehr unwahrscheinlich. Erschwerend kommen diejenigen Fälle hinzu, in denen der Vorwurf laut wird, eine Person

1325 Dass Pasion der prostátēs des Freigelassenen war, gilt nur unter der Annahme, dass er zum Zeitpunkt der Freilassung bereits das athenische Bürgerrecht erhalten hatte. Dieser Umstand ist aber wahrscheinlich, denn die zumindest behauptete Freilassung des Sklaven muss wohl im unmittelbaren Kontext der durch Apollodor gegen ihn hervorgebrachten Klage gestanden haben, in deren Rahmen Pasion zu vermeiden suchte, dass der betreffende Sklave unter Folter aussagen musste. Zum Zeitpunkt der daraufhin folgenden Verhandlung war Pasion bereits athenischer Bürger; dazu S. 97. 1326 Isokr. 17, 14. 1327 Dies legt der Fall des Gemeindesklaven Timarchos nahe (Aeschin. 1, 54–64): Als ein gewisser Hegesandros Besitzrechte an ihm geltend zu machen versuchte, brachte der Athener Glaukon eine exhairéseōs díkē ein, mit der er verhinderte, dass Timarchos zu Unrecht als vermeintlich Freigelassener in die Hände des Hegesandros geriet. Dabei handelte es sich bei Glaukon wohl nicht um den prostátēs des Timarchos, sondern um einen bis dahin Unbeteiligten; vgl. Vlasssopoulos 2009, S. 352; Zelnick-Abramovitz 2005a, S. 292. 1328 Dazu Kap. III.4.1. 1329 So auch schon Adak 2003, S. 197; Deene 2014, S. 171. 1330 Ähnlich auch schon Deene 2014, S. 171. 1331 Aristot. Ath. Pol. 40, 2. Zum Antrag des Thrasybulos und der damit verbundenen Kontroverse, s. auch S. 288.

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habe sich dafür bezahlen lassen, einer anderen Privilegien zu verschaffen:1332 Auch hier scheint kein prostátēs-Verhältnis vorzuliegen. Schließlich spricht dafür auch der Umstand, dass auch nicht in Athen ansässige Fremde Privilegien erhalten konnten, die überhaupt keinen prostátēs in Athen hatten.1333 Eine letzte mit der Rechtsprechung in Verbindung stehende Gelegenheit, bei welcher der prostátēs vielleicht zum Einsatz kam, betrifft Fälle, in denen ein ansässiger Fremder einem Mord zum Opfer gefallen war.1334 Wie an anderer Stelle bereits erarbeitet, erschöpfte sich der Kreis der Klageberechtigten im Falle des Mordes an einem ansässigen Fremden nicht mit der Familie des Getöteten.1335 In diesem Zusammenhang wurde der Mord an einer Freigelassenen diskutiert, deren ehemaligem Herrn von einer Klageerhebung abgeraten wird, weil er, der selbst kein Zeuge des Geschehens war, keine hinreichenden Beweise gegen die Mörder vorbringen konnte.1336 Wenn die – wahrscheinliche, aber nicht ganz unumstrittene – Behauptung zutreffend ist, dass Freigelassene ihren ehemaligen Herrn zum prostátēs zu ernennen hatten,1337 dann handelte es sich bei dem Sprecher von Demosthenes 47 um den prostátēs der Getöteten, womit die Belegstelle zumindest in dieser Interpretation1338 ein Beweis dafür wäre, dass der prostátēs eines getöteten ansässigen Fremden eine Mordklage einreichen konnte. Selbst wenn diese Quellenstelle aufgrund einer alternativen Deutung verworfen werden würde, bleibt die Vermutung, dass der prostátēs zum Kreis der Klageberechtigten gehörte, plausibel: Immerhin wäre er derjenige, der einem ansässigen Fremden ohne Familie in Athen am nächsten stünde. Klar ist in jedem Fall, dass den Mord an einem ansässigen Fremden, da es sich um eine díkē handelt, nicht jeder Athener zur Anklage

1332 Dazu S. 331; vgl. Zelnick-Abramovitz 1998, S. 560. 1333 Dies dürfte etwa bei Leukon I. der Fall gewesen sein, der dank einer ihm zugesprochenen énktēsis mehrere Grundstücke in Athen besaß (Demosth. 20, 40), vgl. Mack 2015, S. 126 n 147. Ein Beispiel dafür außerhalb Athens liefert der Fall des Adeimantos, ein Bruder Platons: Er verfügte, wohl dank einer ihm vergliehenen énktēsis, über Grundstücke in Thasos (IG I3 426, Z. 44–50) und in Ophryneion (IG I3 430, Z. 10–12), ohne an einem dieser Orte gewohnt zu haben; vgl. Mack 2015, S. 126 n 147. 1334 Ähnlich Kamen 2013, S. 47, die aber davon ausgeht, dass der prostátēs in sämtlichen Fällen, in denen die körperliche Unversehrtheit eines ansässigen Fremden verletzt wurde, eine Klage anstrengen konnte. Da ansässige Fremde diese Klagen aber selbst einreichen konnten (s. o.) scheint eine Vertretung durch den prostátēs vor Gericht in solchen Fällen nicht notwendig. Gleichzeitig behauptet Kamen aber auch, dass nur der Herr eines Sklaven, nicht aber der ehemalige Herr eines Freigelassenen den Mörder desselben verklagen konnte, vgl. Kamen 2013, S. 48. Da besagter ehemaliger Herr aber der prostátēs des Freigelassenen werden würde, müsste er Kamens vorangegangener Behauptung zufolge klageberechtigt gewesen sein. 1335 Dazu S. 315f. 1336 Demosth. 47, 53–73. 1337 Dazu Kap. II.3.2.2. 1338 Die Forschung hat auch erwogen, dass der Sprecher von Demosth. 47 auf eine Klage verzichtet, nicht weil er seine Sache nicht beweisen kann, sondern weil er selbst, da er nicht der Herr oder Angehöriger der Getöteten war, keine Klage einreichen konnte. Diese These wird in Kap. III.6.1.2 diskutiert.

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bringen konnte. Insofern der prostátēs zum Kreis der Klageberechtigten gehörte, wäre der Mordfall damit ein Beispiel, in dem der ansässige Fremde, wenn auch post mortem, auf seinen prostátēs angewiesen wäre und nicht auf einen anderen Bürger ausweichen könnte. Auch außerhalb des rechtlichen Rahmens hat die Forschung den Rückgriff ansässiger Fremder auf ihren prostátēs vermutet. So hat Gerhardt Thür die These aufgestellt, dass der prostátēs den Wohnraum für seine Schützlinge stellte.1339 Die Klienten, denen der prostátēs den Wohnraum vermietete, hätten so für diesen auch eine Einnahmequelle dargestellt.1340 Diese Vorschrift sei, so Thür, tatsächlich so zwingend gewesen, dass der prostátēs, falls sein Klient einen anderen als den von ihm zur Verfügung gestellten Wohnraum anmietet, gerichtlich im Rahmen einer apostasíu díkē gegen ihn vorgehen konnte.1341 Dies vermag Thür in der Formulierung ‚unter einem prostátēs wohnen‘ (ἐπὶ προστάτου οἰκεῖν)1342 zu erkennen1343 und darüber hinaus in dem Umstand, dass die Bauherren der für die Schutzflehenden in Aischylos’ Drama erbauten Häuser die Rolle des prostátēs für ebendiese übernehmen.1344 Wenn nur der prostátēs den Wohnraum für ansässige Fremde gewähren konnte, erkläre sich Thür zufolge auch, warum die Quellen keine Mietverträge überliefern: Schließlich hätten diese, wenn denn alle ansässigen Fremden Mieter gewesen wären, in großer Zahl vorhanden gewesen sein müssen.1345 Dabei sieht Thür in dem Zwang, dass der ansässige Fremde nur von seinem prostátēs Wohnraum mieten konnte, die Verwirklichung einer für die athenischen Verhältnisse in dieser Zeit typischen Verbindung aus der Gewährung von Gastfreundschaft und der Durchsetzung wirtschaftlicher Interessen.1346 Thürs Vorschlag einer zwingenden Wohnraumstellung durch den prostátēs ist aber aus mehreren Gründen zurückzuweisen. Zum einen konnte die apostasíu díkē nur gegen freigelassene, nicht aber gegen freigeborene ansässige Fremde erhoben werden1347 – wenn aber die Vorschrift, dass der Wohnraum zwingend vom prostátēs zu stellen war, auf beide Gruppen ansässiger Fremder anwendbar gewesen wäre, ergibt sich die Beschränkung der Klage auf nur einen Teil von ihnen nicht. Auch dass die apostasíu díkē in irgendeinem Zusammenhang mit der Wohnsituation des ansässigen Fremden stünde, ist in den Quellen nicht nahegelegt. Zum anderen ist auch hinsichtlich der von 1339 Vgl. Thür 1989, S. 120. 1340 Vgl. ebd., S. 121. 1341 Vgl. Thür 1989, S. 120: „Mit der privaten δίκη ἀποσταίου ginge der prostátēs gegen einen Metöken vor, der sich von ihm abwendet und ihn dadurch um die Einkünfte aus der bereitgestellten Wohnung bringt.“ 1342 Lys. 31, 9 und Lys. 31, 14 (Thür 1989, S. 120 verweist in diesem Zusammenhang auf Lys. 21, was aber wohl ein Schreibfehler sein dürfte). 1343 Vgl. Thür 1989, S. 120. 1344 Vgl. ebd, S. 120f; Aischyl. Hik. 609–610. 1345 Vgl. Thür 1989, S. 121. 1346 Vgl. ebd. 1347 Dazu Kap. III.6.2.3.

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Thür angeführten Quellenbelege Skepsis geboten: So ist die Formulierung, dass ein ansässiger Fremder unter einem prostátēs gewohnt habe, nur eine der in den Quellen vorkommenden Möglichkeiten, das Verhältnis zwischen den beiden Parteien zu beschreiben. Gängig ist bspw. auch ‚sich einen prostátēs nehmen‘.1348 Auch der Verweis auf die Hikétides des Aischylos kann nicht überzeugen, denn es ist zwar zutreffend, dass für die Neuankömmlinge Häuser errichtet werden; aber ob die Hausherren auch die Funktion des prostátēs übernehmen, ist nirgends expliziert: Insgesamt scheint es sogar eher der Fall zu sein, dass sich die gesamte Dorfgemeinschaft der ansässigen Fremden annimmt.1349 Das bedeutet natürlich nicht, dass der prostátēs seinem ansässigen Fremden nie den Wohnraum stellte – im Gegenteil wäre er vielleicht sogar die erste Anlaufstelle als ‚Vermieter‘ für den Zugezogenen gewesen –, aber von einer Zwangsläufigkeit ist wohl nicht auszugehen. Ganz konkrete Einsatzmöglichkeiten beiseitegelassen, erweckt der Quellenbefund vor allem den Eindruck, dass der prostátēs für den ansässigen Fremden eher die diffuse Aufgabe eines Ansprechpartners erfüllte, der in schwierigen Situationen Beistand leistete.1350 So finden sich einige Belegstellen, an denen sich ein ansässiger Fremder hilfesuchend an seinen prostátēs wendet (oder an eine Person, die mit gutem Grund als sein prostátēs vermutet werden könnte). Ein Beispiel hierfür ist der in finanzielle Not geratene Freigelassene Tibeios, der sich von seinem prostátēs immer wieder Geld leiht, um über die Runden zu kommen.1351 Denkbar ist auch, dass Zobias prostátēs deshalb vor Gericht als Zeuge aussagen konnte, weil er hinzugerufen wurde, als seine Klientin in Bedrängnis geriet und vor den árchōn polémarchos zitiert wurde.1352 Ein auf der Agora gefundener Brief eines jungen Lehrlings könnte einen weiteren Hilferuf an den prostátēs bezeugen: Hier schreibt der verzweifelte Lesis an seine Mutter und einen gewissen Xenokles, dass er schlimmste Misshandlungen von seinem Ausbilder zu ertragen habe und bittet sie darum, eine bessere Ausbildungsstätte für ihn zu suchen.1353 Wie Boromir Jordan in seinen Ausführungen recht überzeugend darlegt, könnte es sich mit

1348 So etwa in Harp. s. v. προστάτης; Isokr. 8, 53; Aristot. Pol. 1275a10; Suda s. v. Νέμειν προστάτην; ähnlich auch schon Kears 2013, S. 56. 1349 Aischyl. Hik. 608–614; ähnlich auch Aischyl. Hik. 911–953. 1350 Diese wenig konkrete Natur der Aufgaben des prostátēs geht auch aus einer sehr schwammigen Bemerkung in Aristot. Pol. 1275a10–13 hervor: πολλαχοῦ μὲν οὖν οὐδὲ τούτων τελέως οἱ μέτοικοι μετέχουσιν, ἀλλὰ νέμειν ἀνάγκη προστάτην, ὣστε ἀτελῶς πως μετέχουσι τῆς τοιαύτης κοινωνίας. (Häufig haben die métoikoi nicht einmal uneingeschränkt [dar]an [i. e. das Recht, sich einem Rechtsverfahren zu stellen oder einen Prozess anstrengen zu können, F. L.] teil, sondern sie müssen einen Vertreter bestellen, so daß sie nur unvollkommene Mitglieder dieser (Rechts-)Gemeinschaft sind; Übers.: nach Schütrumpf). 1351 Men. Heroes 26–36; vgl. Millett 1991, S. 207. 1352 Demosth. 25, 58. Zum Fall Zobia siehe S. 229f. 1353 Agora Inv. IL 1702; zu Edition und Übersetzung: Jordan 2000, S. 95.

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großer Wahrscheinlichkeit bei Lesis um einen ansässigen Fremden handeln, dessen prostátēs der benannte Xenokles ist.1354 In all diesen Beispielen hätten sich die Betreffenden zwar auch an andere Bürger, manchmal sogar an Nichtbürger, wenden können, suchten aber anscheinend zuerst Hilfe bei ihrem prostátēs, der wohl als ihr erster Ansprechpartner fungierte. So scheint es sich aus pragmatischen Gründen auch gelohnt zu haben, einen prostátēs zu haben, der einem selbst wohlgesinnt war und der im Notfall auch in der Lage war, einzugreifen – sei es als Kreditgeber aufgrund seiner finanziellen Stellung oder wegen seines guten Rufs als Leumundszeuge und Antragssteller für die Vergabe von Privilegien. Nicht von der Hand zu weisen ist sicherlich auch, dass der prostátēs einen wichtigen Knotenpunkt im sozialen Netzwerk eines ansässigen Fremden darstellen konnte: Immerhin dürfte der Neuankömmling auch über ihn in die athenische Gesellschaft eingeführt worden sein und von einem gut vernetzten prostátēs auf diese Weise erheblich profitiert haben.1355 Von diesen praktischen Überlegungen abgesehen, war die Wahl des prostátēs aber wohl auch ein Charakterzeugnis des ansässigen Fremden, wie eine Bemerkung des Isokrates zum Ausdruck bringt.1356 So dürfte der Umstand, dass der prostátēs von Lysias’ Vater Kephalos kein Geringerer als Perikles selbst war, durchaus zu dem gutem Leumund, den Kephalos in Athen genoss, beigetragen haben.1357 In gewisser Weise hatten ansässige Fremde durch die Wahl des prostátēs die Möglichkeit, ein zumindest in Ansätzen diffamierendes Merkmal in ein positives umzuwandeln und damit aus der Not – wenn auch nur in begrenztem Maße – eine Tugend zu machen.1358 III.8.2 Fazit: Der prostátēs als gemeinsames Merkmal aller ansässigen Fremden? Die Forschung insbesondere der letzten Jahre, ist nicht müde geworden, die geringe praktische Bedeutung des prostátēs für die ansässigen Fremden zu betonen.1359 Die vorangegangenen Ausführungen konnten diese Einschätzung im Großen und Ganzen be-

1354 Vgl. Jordan 2000, S. 97; dagegen: Harris 2004, S. 154–158, der Lesis für einen Sklaven und Xenokles entsprechend für dessen Herrn hält; ähnlich auch Harvey 2007, S. 49. 1355 Vgl. ähnlich auch schon Zelnick-Abramovitz 2000, S. 67. 1356 Isokr. 8, 53. 1357 Vgl. Schindler 1967, S. 44. Dass Perikles das Amt des prostátēs für Kephalos in Athen übernahm, legt eine Bemerkung des Lysias (Lys. 12, 4) nahe, der zufolge sein Vater auf ausdrücklichen Wunsch des Perikles nach Athen gekommen sei. Das lässt es zumindest möglich erscheinen, dass Perikles als enger Freund des Kephalos und als Initiator seiner Übersiedelung für diesen als prostátēs gedient hat; vgl. dazu z. B. Schindler 1967, S. 44–50. 1358 Ähnlich auch schon Kears 2013, S. 57. 1359 So bspw. Deene 2014, S. 171.

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Extrinsische Merkmale

stätigen: Die Zahl der Szenarien, in denen ein ansässiger Fremder auf seinen prostátēs angewiesen war und nicht auf die Intervention eines anderen Bürgers ausweichen konnte, ist gering. Insgesamt ergibt sich der Eindruck, dass der ansässige Fremde auch ohne den prostátēs durchaus handlungsfähig war, wenngleich dieser ihm das Leben bei der einen oder anderen Gelegenheit sicherlich erleichtern konnte. Mit diesem rein praktischen Fokus auf das Leben als ansässiger Fremder in Athen war ein prostátēs eher nice to have als must have. Was den prostátēs zum must-have machte, war allein die athenische Gesetzgebung, die den ansässigen Fremden das Leben mit einem prostátēs vorschrieb. Die Zuwiderhandlung wurde – als ein Affront gegen das Gemeinwesen – im Rahmen einer Popularklage (graphḗ) verfolgt und mit hohen Strafen belegt. Diese strengen Rechtsvorschriften, die allem voran die hohe Bedeutung, welche die Athener dieser Institution beimaßen, anzeigen und nicht unbedingt, wie im Vorangegangenen gezeigt, eine praktische Relevanz besitzen, haben dazu geführt, dass auch der prostátēs, neben der Zahlung des metoíkion,1360 in der Forschung als ein wichtiges Merkmal der métoikoi hervorgehoben worden ist.1361 Doch im Vergleich zum metoíkion und auch zu allen anderen auf den vorangehenden Seiten umfassend besprochenen Merkmalen, ist der prostátēs doch ein ganz besonderes, denn es existiert in der Überlieferung kein Hinweis darauf, dass ein ansässiger Fremder je von der Pflicht, einen prostátēs zu benennen, befreit worden wäre. In der Tat gibt es für jede Einschränkung, die dem ansässigen Fremden während seines Lebens in Athen begegnen könnte, irgendein Privileg, was ihn von ebendieser befreit: Sei es tás strateías strateúesthai metá Athēnaíōn, mittels dessen die Honoranten mit den Athenern in einer Schlachtreihe kämpfen konnten, die énktēsis, welche Immobilienbesitz ermöglichte, die próshodos, mit der die Honoranten die Volksversammlung adressieren konnten, oder die isotéleia, welche die Pflicht zur Zahlung des metoíkion tilgte. Teilweise hatten diese Privilegien gravierende Auswirkungen auf das Leben der Honoranten in Athen, so gravierende sogar, dass die Honoranten eine eigene Untergruppe innerhalb des Kreises der ansässigen Fremden bildeten. Nicht so aber, wenn es um den prostátēs ging: Dieser Pflicht, so lassen die Quellen vermuten, konnte sich kein noch so hoch dekorierter ansässiger Fremder in Athen entziehen. Das legt nicht zuletzt auch die durchaus provokant gemeinte Aufforderung des Sprechers einer Rede des Hypereides nahe, dass der Beklagte den Geschworenen doch das Gesetz vorlegen möge, das ihm erlaube, ohne prostátēs zu leben.1362 Auch eine innerhalb eines Ehrendekrets zugesicherte rechtliche Gleichstellung mit den Athenern ist keinesfalls gleich-

1360 Zur Frage, inwiefern das metoíkion als Merkmal ansässiger Fremder und métoikoi ein sinnvolles Differenzierungskriterium darstellt, vgl. Kap. III.2.1.1.3. 1361 Vgl. Sosin 2016, S. 7; Rubinstein 2018, S. 17; Meyer 2010, S. 29; Kapparis 2005, S. 110; Hunter 2000, S. 16; Whitehead 1977, S. 53; Fisher 1979, S. 267; Todd 1993, S. 197. 1362 Suda s. v. Νέμειν προστάτην.

Der prostátēs

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bedeutend mit einer Befreiung von der Verpflichtung, einen prostátēs zu benennen,1363 da der prostátēs überhaupt keine rechtliche Relevanz hatte. Einen prostátēs zu haben, ist damit das am wenigsten differenzierende aller Merkmale oder anders gesagt: das einzige Merkmal, das sich alle ansässigen Fremden in Athen teilten.

1363 So behauptet Krentz 1986, S. 204.

IV. Ergebnisse Im Rahmen der vorangegangenen Ausführungen in Teil II und III dieser Arbeit wurden umfassende Untersuchungen hinsichtlich der Konstitution der Gruppe der ansässigen Fremden in Athen durchgeführt. Geleitet wurden meine Betrachtungen von zwei Zielen: Erstens sollte die Heterogenität der Gruppe der ansässigen Fremden herausgearbeitet werden, indem die unterschiedliche Ausprägung bestimmter Merkmale bei den Angehörigen dieser Gruppe untersucht und die Konsequenzen dieser unterschiedlichen Merkmalsausprägung für das Leben als ansässiger Fremder dargestellt wurden. Zweitens wurde auf der Basis dieser Erkenntnisse über die Heterogenität der ansässigen Fremden eine Binnendifferenzierung dieser Gruppe angestrebt. Als roter Faden zog sich die Kritik am métoikos-Begriff als Sammelbezeichnung für die ansässigen Fremden in Athen durch die Arbeit. Diesbezüglich wurde vor allem diskutiert, was einen métoikos überhaupt ausmachte, d. h. welche der untersuchten Merkmale die Zuordnung einer Person zur Gruppe der métoikoi bedingten oder diese vice versa ausschlossen. Besonderer Wert wurde hier auf eine intensive Aufarbeitung der Forschungsdiskussion bezüglich der Frage gelegt, was einen métoikos eigentlich konstituiert. Dabei wurden teils konträre Standpunkte analysiert und sowohl gegeneinander als auch gegen die Überlieferung in den Quellen abgewogen. Zentrales Element der Kritik am métoikos-Begriff und eng verbunden mit der Diskussion darüber, was einen métoikos auszeichnet, war die Frage, ob es ansässige Fremde in Athen gab, die keine métoikoi waren, und wenn ja, wie diese von der Forschung erfasst werden können. Jedes Kapitel war einem bestimmten Merkmal gewidmet und schloss mit einem kurzen Fazit, in dem die jeweils erarbeiteten Erkenntnisse in Bezug auf die Ziele der Arbeit interpretiert wurden. Dabei wurde dargestellt, inwiefern das im Fokus des jeweiligen Kapitels stehende Merkmal in der Gruppe der ansässigen Fremden in Athen tatsächlich eine Heterogenität bewirkte, ob diese Heterogenität zu Divergenzen im Leben der ansässigen Fremden führt und schließlich auf Basis dieser Erwägung, ob sich das jeweilige Merkmal als Kriterium für eine mögliche Binnendifferenzierung der ansässigen Fremden in Athen eignet. Es gilt nun, diese aus der Betrachtung der einzelnen Merkmale gewonnenen Erkenntnisse mit Blick auf die Ziele dieser Arbeit

Die Heterogenität der ansässigen Fremden in Athen

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zusammenzuführen. Dabei sollen im Folgenden die Heterogenität der Gruppe der ansässigen Fremden in Athen, ihre terminologische Erfassung sowie die Frage nach einer möglichen Binnendifferenzierung im Fokus der Ausführungen stehen. IV.1 Die Heterogenität der ansässigen Fremden in Athen Die vorliegende Arbeit hat die Gruppe der ansässigen Fremden hinsichtlich zahlreicher Merkmale untersucht. Es ist zunächst festzuhalten, dass sich die einzelnen Mitglieder der Gruppe der ansässigen Fremden in den in Teil II betrachteten intrinsischen Merkmalen überhaupt unterschieden: Im Hinblick auf die Herkunft konnte festgestellt werden, dass sie sowohl aus griechischen wie auch aus nichtgriechischen Gebieten stammten, manche noch das Bürgerrecht in ihrer Heimatpolis hielten, andere ohne Bürgerrecht in eine andere Polis kamen, dass Frauen und Männer diese Gruppe konstituierten, dass Freigelassene und Freigeborene gleichermaßen zu ihnen zählten und dass die ansässigen Fremden in Athen nicht nur zugezogene, sondern teilweise auch eingeborene Fremde waren. Auch die Gründe zur Niederlassung in Athen variierten innerhalb der untersuchten Gruppe genauso wie die Aufenthaltsdauer. Dass die Gruppe der ansässigen Fremden von einer gewissen Heterogenität in deren intrinsischen Merkmalen gezeichnet war, ist zwar eine wichtige, aber keine allzu überraschende Erkenntnis. Relevant für das Ziel dieser Arbeit ist im Hinblick auf die Heterogenität der ansässigen Fremden in ihren intrinsischen Merkmalen vor allem die Frage, welche dieser Merkmale sich tatsächlich auf das Leben der ansässigen Fremden auswirkten. Hier konnten gravierende Unterschiede zwischen den einzelnen Merkmalen festgestellt werden und einige überraschende Erkenntnisse festgehalten werden, welche dazu anregen, manche der in der Forschung üblichen Annahmen infrage zu stellen. So haben die Ausführungen gezeigt, dass es für ein Leben als ansässiger Fremder in Athen unerheblich war, ob eine Person eine griechische oder nichtgriechische Herkunft hatte: Es ist zwar richtig, dass ein bárbaros durchaus als ein solcher wahrgenommen wurde, aber dies zog keine faktischen Konsequenzen für sein Leben in Athen nach sich. Ganz ähnlich fällt auch das Urteil über das intrinsische Merkmal des Geschlechts aus: Während die Kluft zwischen Männern und Frauen bei den Bürgern tief war, ergab die Untersuchung der ansässigen Fremden eine umfangreiche – wenn auch nicht vollumfängliche – Gleichheit männlicher und weiblicher ansässiger Fremder in Athen. Unerheblich für das Leben als ansässiger Fremder in Athen waren außerdem der Geburtsort einer Person, die Bleibeabsicht, insofern die Aufenthaltsdauer einen Monat überschritt, und das Bestehen (oder Nichtbestehen) eines Bürgerrechts in einer anderen Polis. Zwei intrinsische Merkmale ansässiger Fremder konnten gefunden werden, die tatsächlich einen Einfluss auf ihr Leben in Athen nahmen, nämlich ob es sich bei der betreffenden Person um eine freigelassene oder eine freigeborene handelt und wel-

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Ergebnisse

che Gründe diese Person zur Übersiedelung nach Athen bewogen haben. Im Hinblick auf Ersteres konnte festgestellt werden, dass sich das Leben der Ex-Sklaven deutlich von dem ihrer freigeborenen Pendants unterschied, was sich etwa in einer Sondersteuer, in der Beschränkung der Wahlfreiheit hinsichtlich des prostátēs sowie in den Freigelassenengesetzen offenbart. Was die Gründe zur Wohnsitznahme einer Person in Athen betrifft, konnte gezeigt werden, dass eine unfreiwillige Migration das Leben in Athen zwar nicht direkt, aber indirekt beeinflusste: Die Athener waren anscheinend eher bereit, Privilegien an Flüchtlinge, Vertriebene oder Exilierte zu vergeben. Ganz besonders traf dies in Fällen zu, in denen die Betreffenden aufgrund ihres Einsatzes zugunsten Athens zum Verlassen ihrer Heimat gezwungen waren. Diese Privilegien gestalteten ihr Leben wiederum in ganz erheblichem Maße, wie im Anschluss gezeigt werden konnte. Im III. Teil dieser Arbeit erfolgte eine Verortung der ansässigen Fremden in Athen anhand ihrer extrinsischen Merkmale. Hier wurden Aspekte ihres Lebens im Hinblick auf den ihnen in der Polis zugewiesenen Platz in verschiedenen Kontexten untersucht. Rechte, Pflichten, Chancen und Einschränkungen der ansässigen Fremden standen im Zentrum der Betrachtungen, wobei besonderes Augenmerk auf die Inklusion und Exklusion ansässiger Fremder in die athenische Gemeinschaft bzw. aus dieser Gemeinschaft gelegt wurde. Als ein Ergebnis dieser Untersuchungen kann festgehalten werden, dass in allen untersuchten Bereichen des Lebens ein komplexes Zusammenspiel aus Inklusionsangeboten und Exklusionsmechanismen die Position der ansässigen Fremden innerhalb der athenischen Polis bestimmte und sowohl für die Mitglieder dieser Gemeinschaft selbst wie auch für Außenstehende fortwährend verdeutlichte. Dabei wurde die Abgrenzung der ansässigen Fremden in Athen als Gruppe einerseits von den Bürgern, andererseits von den nichtansässigen Fremden durch ebendiese Inklusions- und Exklusionsmaßnahmen ständig affirmiert. Naturgemäß zeichneten sich einige Bereiche des Lebens durch eine stärkere Einbeziehung der ansässigen Fremden aus als andere. So haben sich hinsichtlich des Verhältnisses zwischen ansässigen Fremden und Bürgern in den vorangegangenen Untersuchungen vor allem die wirtschaftlichen Belange als ein Bereich herausgestellt, in dem diese beiden Personenkreise in hohem Maße auf Augenhöhe agieren konnten. Im politischen Kontext wiederum wurde die Grenze zwischen Bürgern und ansässigen Fremden rigoros gezogen und war – selbst durch eine entsprechende Privilegierung der Betroffenen – nicht zu überwinden. Ähnlich verhält es sich auch mit der Differenzierung zwischen ansässigen und nichtansässigen Fremden: Im militärischen Kontext etwa hatten ansässige Fremde einen mit den nichtansässigen fremden Söldnern durchaus vergleichbaren Stand, während ansässige und nichtansässige Fremde in Rechtsangelegenheiten grundverschiedene Möglichkeiten besaßen. Diese Grenzen von Bürgern zu ansässigen Fremden und ansässigen Fremden zu nichtansässigen Fremden ständig zu bestätigen, war – wie die Untersuchung gezeigt hat – ein zentrales Anliegen der Athener in klassischer Zeit. Davon zeugen nicht nur

Die Heterogenität der ansässigen Fremden in Athen

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die harten Strafen für die versuchte Überschreitung dieser Grenzen, sondern auch das feingliedrige System von Gesetzen und Traditionen, welches sich im klassischen Athen über die Zeit herausgebildet hat. Erst durch den Umstand, dass es mehr oder minder klar definierte Grenzen zwischen Bürgern, ansässigen Fremden und nichtansässigen Fremden gab, ist es für die heutige Forschung möglich, die ansässigen Fremden in Athen überhaupt als eine Gruppe zu erfassen. Auf dem Gebiet der extrinsischen Merkmale begegnet man einer von den Athenern geschaffenen Heterogenität der ansässigen Fremden, die sich in der Praxis der Vergabe von Privilegien begründet: Diese erlaubte es den Athenern – bildlich gesprochen – an den Stellschrauben zu drehen, welche die Position des Einzelnen innerhalb der Polis in verschiedenen Kontexten bestimmten. Die Ausstattung ausgesuchter Personen mit Sonderrechten bewirkte dabei, dass sich ein Teil der ansässigen Fremden durch andere extrinsische Merkmale auszeichnete als der Rest: So konnte die isotéleia etwa das Merkmal der Verpflichtung zur Zahlung des metoíkion aufheben, und die énktēsis befreite den Honoranten von der Beschränkung auf mobiles Eigentum. Dabei beeinflussten die einzelnen Privilegien das Leben der ansässigen Fremden in Athen nicht im selben Maße: isotéleia, énktēsis und politeía veränderten die extrinsischen Merkmale der Honoranten deutlich, die Ernennung zum próxenos aber blieb nichts weiter als ein Ehrentitel ohne praktische Konsequenz. Im Rahmen der Zusammenführung der Ergebnisse aus Teil II und III der Arbeit kann festgestellt werden, dass die intrinsischen Merkmale eines ansässigen Fremden viele der ihm von den Athenern zugewiesenen extrinsischen Merkmale nicht bestimmen: So ist es, um nur ein Beispiel zu nennen, für die Verpflichtung zur Zahlung des metoíkion unerheblich, woher eine Person stammte. Die den ansässigen Fremden gewährten Rechte und die ihnen auferlegten Pflichten, wie sie als extrinsische Merkmale in den Kapiteln III.1 bis III.6 betrachtet wurden, sind damit in erheblichem Maße unabhängig von den intrinsischen Merkmalen, wie sie im Fokus der Kapitel II.1 und II.2 sowie II.4 bis II.7 standen. Davon unberührt bleiben individuelle Abweichungen im Detail, wie der Umstand, dass alleinstehende Frauen als ansässige Fremde in Athen das metoíkion in anderer Höhe zu entrichten hatten als ihre männlichen Pendants, denn beide waren grundsätzlich zahlungspflichtig. Einzig die freie oder unfreie Geburt bildete eine Ausnahme: Wie gezeigt werden konnte, beeinflusste das intrinsische Merkmal freier oder unfreier Geburt die extrinsischen Merkmale einer Person, insofern als dem Betreffenden eine Sondersteuer auferlegt wurde und für ihn wohl auch zusätzliche Gesetze galten. Intrinsische Merkmale konnten die extrinsischen jedoch auf indirektem Wege beeinflussen, nämlich indem sie die Chancen für die betreffende Person erhöhten, Privilegien zugesprochen zu bekommen. So wurde im Vorangegangenen herausgestellt, dass etwa Personen, die ihre Heimat gezwungenermaßen verließen, häufiger mit Sonderrechten ausgestattet wurden. Einschränkend ist aber zu bedenken, dass bestimmte intrinsische Merkmale lediglich die Chancen auf Privilegien erhöhten, die Verleihung

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Ergebnisse

ebendieser aber nicht zwangsläufig nach sich zogen: Ein Exilierter hatte zwar bessere Aussichten auf ein Sonderrecht, konnte dieses aber nicht unter Berufung auf seine Gründe, nach Athen zu kommen, einfordern. Umgekehrt gab es aber auch kein intrinsisches Merkmal, das den Träger von der Vergabe von Privilegien grundsätzlich ausschloss. Auf die Frage nach der Heterogenität der Gruppe der ansässigen Fremden in Athen ist zu antworten, dass zwischen den Angehörigen dieses Personenkreises teils fundamentale Unterschiede sowohl hinsichtlich ihrer intrinsischen wie auch ihrer extrinsischen Merkmale nachzuweisen sind. Während die intrinsischen Unterschiede in hohem Maße dem Umstand geschuldet waren, dass Athen eine Vielzahl unterschiedlichster Personen anzog, kreierten die Athener die Differenzen zwischen ‚ihren‘ ansässigen Fremden hinsichtlich ihrer extrinsischen Merkmale durch die Vergabe von Privilegien im Wesentlichen selbst. Anhand der im Rahmen dieser Arbeit unternommenen Untersuchungen konnte damit gezeigt werden, dass Heterogenität ein zentrales Merkmal der Gruppe der ansässigen Fremden in Athen darstellt. Diese Heterogenität zu verkennen oder zur Bedeutungslosigkeit herabzustufen und die ansässigen Fremden in Athen als eine mehr oder weniger homogene Masse aufzufassen, würde bedeuten, die Institution der metoikía insgesamt nicht oder nur unzureichend zu verstehen. IV.2 Die Binnendifferenzierung der ansässigen Fremden Die Zusammenhänge zwischen intrinsischen und extrinsischen Merkmalen sind für die im Folgenden zu besprechende Binnendifferenzierung der ansässigen Fremden in Athen ein zentraler Aspekt, insbesondere bei der Frage, an welchen Merkmalen der ansässigen Fremden sich eine solche Binnendifferenzierung orientieren könnte. Wegen der ausgeprägten Heterogenität dieser Gruppe wäre es zunächst denkbar, die ansässigen Fremden nach intrinsischen Merkmalen zu unterscheiden – etwa in Personen griechischer und nichtgriechischer Herkunft oder in weibliche und männliche ansässige Fremde. Eine solche kleinteilige Differenzierung ist aber nur für spezifische Fragestellungen sinnvoll, wobei die im Rahmen dieser Arbeit unternommenen Untersuchungen einige Grundlagen und Ansätze für die Erforschung von Trägern eines bestimmten Merkmals unter einer spezifischeren Fragestellung anbieten. Was eine allgemeinere Binnendifferenzierung der ansässigen Fremden in Athen anbelangt, sollte diese einerseits so vielgliedrig sein, dass sie der Heterogenität dieser Gruppe Rechnung trägt, andererseits aber auch grob genug, um nicht nur bei der Beantwortung von Spezialfragen, sondern auch für viel grundlegendere Untersuchungen einen Mehrwert zu generieren. Die bisher in der Forschung übliche Generalisierung der ansässigen Fremden verkennt – wie im Vorangegangenen mehrfach und in vielen unterschiedlichen Kontexten dargelegt wurde – die Konstitution der Gruppe der ansässigen Fremden insgesamt, aber eine zu feingliedrige Differenzierung, etwa anhand

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sämtlicher intrinsischer Merkmale, würde zu einer unnötigen Verkomplizierung führen. Im schlimmsten Falle würde diese die immerhin in vielen Kontexten nicht minder wichtigen Merkmale verschleiern, die ansässige Fremde gemeinsam haben. Eine Lösung, die diese beiden Ansprüche erfüllt, ist nicht leicht zu finden. Dennoch fühlt sich die Verfasserin der Arbeit in der Pflicht, zumindest einen Vorschlag zu präsentieren. Es scheint sinnvoll, denjenigen Merkmalen besondere Beachtung zu schenken, die das Leben der ansässigen Fremden in hohem Maße beeinflussten. Das trifft vor allem auf das intrinsische Merkmal der freien bzw. unfreien Geburt einerseits und auf erhaltene Privilegien andererseits zu. So konnte im Kapitel II.3 gezeigt werden, dass das Dasein freigelassener und freigeborener ansässiger Fremder in Athen fundamentale Unterschiede aufweist, die eine Binnendifferenzierung der ansässigen Fremden entlang dieses Merkmals durchaus rechtfertigen können. Eine andere – vielleicht sogar ergiebigere Unterteilung der ansässigen Fremden in Athen – könnte in Bezug auf die Verleihung von Privilegien erwogen werden. Wie im Kapitel III.7 gezeigt wurde, wirken sich Privilegierungen mitunter deutlich auf das Leben der ansässigen Fremden in Athen aus, indem sie die extrinsischen Merkmale der jeweiligen Honoranten veränderten. Dabei muss zwar auch bedacht werden, dass nicht alle Privilegierungen in jeglicher Situation in gleichem Maße einflussreich waren, dennoch bietet allein der Umstand, dass sich die Honoranten in einem oder mehreren extrinsischen Merkmalen von der Masse der anderen ansässigen Fremden unterschieden, einen vielversprechenden Ausgangspunkt für eine Binnendifferenzierung. Dass viele Privilegien auch in Kombination miteinander verliehen worden sind, ebnet die Varianz der extrinsischen Merkmale innerhalb der Gruppe der Empfänger von Privilegien zusätzlich. Je nach Fragestellung könnte eine weitere, feingliedrige Unterteilung der Gruppe der privilegierten ansässigen Fremden unternommen werden, etwa nach Art der Privilegien, in der bspw. auch die isoteleís, neben anderen Honoranten, eine eigene Kategorie bilden könnten. Neben der Einteilung privilegierter ansässiger Fremder anhand der ihnen konkret verliehenen Vorrechte wäre sicherlich auch eine grobmaschigere Differenzierung anhand der veränderten extrinsischen Merkmale sinnvoll. Die Unterscheidung der ansässigen Fremden in Athen in privilegierte und nicht-privilegierte ansässige Fremde ist deshalb ein attraktiver Weg zur Binnendifferenzierung, weil sie als einzige ermöglicht, dem in der Forschung oft postulierten ‚Durchschnittsfremden‘, der in unserem Fall dem nicht-privilegierten ansässigen Fremden entspräche, eine Vielzahl von Merkmalen zuzuschreiben, die Angehörige ebendieser Gruppe miteinander teilen – und zwar ohne die Notwendigkeit, aufwendig Ausnahmen zu formulieren. Damit wäre es möglich, Bezug auf eine zumindest hinsichtlich der extrinsischen Merkmale einigermaßen homogene Personengruppe herzustellen. ‚Abweichler‘ werden mit den nicht-privilegierten ansässigen Fremden erfasst.

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Ergebnisse

IV.3 Der métoikos: Ein ansässiger Fremder oder der ansässige Fremde? Es bleibt, sich dem Begriff des métoikos zu widmen und der Frage, inwiefern dieser als Sammelbegriff für die ansässigen Fremden in Athen überhaupt geeignet ist. Die Ausführungen der vorangegangenen Kapitel haben an vielen Stellen gezeigt, dass hieran deutliche Zweifel bestehen können: Es hat sich ergeben, dass der Begriff an sich zwar in der Forschung immer wieder gern verwendet wird, im Detail aber nur wenig Einigkeit darüber besteht, was denn eigentlich ein métoikos ist. Der Variantenreichtum der verschiedenen Merkmale und Merkmalsgruppen, welche verschiedene Forschungsbeiträge dem métoikos zuschreiben, ist bemerkenswert und auch, dass den Forschungsbeiträgen selbst nur in Ausnahmefällen eine Klärung vorangestellt ist. Dieser Umstand erweckt schnell den Eindruck, als ob Teilen der Forschung überhaupt nicht klar wäre, dass so viele Interpretationen des Begriffs kursieren. Die fehlende Begriffsklärung wiederum führt immer wieder zu – vermeidbaren – Missverständnissen. Dieses Problem wird in der Zukunft noch zunehmen, je mehr sich das Interesse der Alten Geschichte vom Bürger ab- und den anderen in der Polis lebenden Personengruppen zuwenden wird. Es wäre freilich ein Leichtes, den métoikos-Begriff ein für alle Mal mit einer hinlänglich eindeutigen Definition, idealerweise unter Berufung auf eine antike Quelle, zu klären. In Ermangelung einer solchen bleibt aber nur, die Verwendung des Begriffs in den antiken Quellen zu untersuchen. Dabei hat sich der Variantenreichtum der Bedeutungen des métoikos in der Forschung auch in den Quellen wiedergefunden: Als eines der eingängigsten Beispiele darf die Subsumierung von apeleútheroi unter die métoikoi gelten. Sie findet mal statt und mal nicht, mit Schwankungen innerhalb der Werke desselben Autors und – mehr noch – sogar innerhalb desselben Werkes. Es drängt sich der Verdacht auf, dass selbst die antiken Autoren arge Probleme hatten, sich auf eine einheitliche Begriffsdefinition zu einigen. So ergibt sich aus dem Studium der Begriffsverwendung in den antiken Quellen allenfalls, dass der Begriff métoikos auf zwei unterschiedliche Arten verwendet werden konnte: Erstens im technischen Sinne als Statusbegriff, der eine anhand ihrer intrinsischen und extrinsischen Merkmale ganz konkret bestimmbare Gruppe ansässiger Fremder bezeichnet, zweitens im nicht-technischen Sinne, wobei métoikoi dann eine eher lose Bezeichnung ansässiger Fremder bedeutet. In seiner technischen Verwendung bezieht sich der Begriff also auf einen bestimmten Typus eines ansässigen Fremden, in seiner nicht-technischen Verwendung auf ansässige Fremde allgemein. Welche dieser beiden Begriffsverwendungen im konkreten Fall vorliegt, ist manchmal durch den Kontext zu klären, in vielen Fällen aber gar nicht. Was für die Interpretation der antiken Quellen zweifelsohne eine große Herausforderung darstellt, ist für die Forschungsliteratur aber fatal: Wird der Terminus hier verwendet, können Ergebnisse eigentlich nicht mehr konkret formuliert werden, da der Begriff des métoikos selbst gänzlich unbestimmt ist. Dabei kann eine Lösung darin bestehen, eine allgemeingül-

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tige Definition zu versuchen, die beansprucht, von allen Forschungsbeiträgen angenommen und verwendet zu werden. Besser erscheint es aber, von der Verwendung des Begriffs métoikos als Sammelbezeichnung für die in Athen ansässigen Fremden überhaupt Abstand zu nehmen, weil der Terminus selbst so mit Missverständnissen beladen ist – sowohl in antiken Quellen wie auch in der Forschungsliteratur –, dass er kaum noch heuristischen Wert besitzt. Anstatt als allgemeine Bezeichnung für alle ansässigen Fremden in Athen in der klassischen Zeit wäre zu erwägen, den Begriff métoikos nur auf einen Teil der ansässigen Fremden zu beziehen, der durch die vorangegangenen Untersuchungen anhand ihrer intrinsischen und extrinsischen Merkmale eingegrenzt werden kann. Wie weiter oben erläutert, müssen hier vor allem diejenigen Merkmale ins Gewicht fallen, die sich als differenzierende Merkmale eignen. Im Hinblick auf die Begriffsbestimmung betrifft das bei den intrinsischen Merkmalen die Frage, ob es sich bei dem Betreffenden um einen Freigeborenen bzw. einen ohne Auflagen Freigelassenen (exeleútheros) oder um einen bedingt Freigelassenen (apeleútheros) handelt, da apeleútheroi in den Quellen teils als separate Gruppe neben den métoikoi genannt werden. Bei den extrinsischen Merkmalen ergibt sich die Privilegierung als die Grenze der métoikoi. Auf der Basis dieser Überlegungen und unter Einbeziehung der aus den vorliegenden Untersuchungen gewonnenen Erkenntnisse könnte eine Begriffsdefinition demnach lauten: Ein métoikos ist ein ohne Privilegien in Athen lebender Fremder, der entweder frei geboren wurde oder als Freigelassener ohne Verbindlichkeiten seinem Freilasser gegenüber in Athen residiert. Wird die Gruppe der als métoikoi zu bezeichnenden Personen auf diese Weise eingeschränkt, ergibt sich, dass es neben diesen auch andere ansässige Fremde in Athen gegeben hat: apeleútheroi einerseits und mit Privilegien Ausgestattete andererseits; mit der Option der weiteren Unterteilung Letzterer gemäß den obigen Ausführungen ist von allen ansässigen Fremden in Athen die Rede – also von métoikoi i. S. der vorgeschlagenen Definition, apeleútheroi und Besitzern bestimmter Privilegien – bietet es sich an, den Terminus métoikos in seiner Funktion als Sammelbegriff ganz einfach durch die Bezeichnung ‚ansässiger Fremder‘ zu ersetzen, wie in der vorliegenden Arbeit geschehen.

V. Schluss Die vorliegende Arbeit eröffnete ein Plädoyer für die Berücksichtigung der Vielfalt der Bevölkerung des klassischen Athen, welches nun an deren Ende umso nachdrücklicher wiederholt zu werden verdient. Erklärtes Ziel der Arbeit war es, den Kreis der ansässigen Fremden in Athen als eine von breiter Heterogenität geprägte Personengruppe darzustellen und diese Unterschiede systematisch aufzuarbeiten, um einen Beitrag zum besseren Verständnis ihres Lebens in Athen zu leisten. Die Erkenntnisse der vorangegangenen Untersuchungen legen dabei den Grundstein für eine weitergehende Beschäftigung mit den Fremden und zwar nicht mehr als homogene Masse, sondern unter besonderer Berücksichtigung ihrer Unterschiedlichkeiten. Weiterführende Forschung könnte etwa die Träger bestimmter Merkmale in den Fokus nehmen. Die Ergebnisse der vorliegenden Arbeit ermöglichen aber nicht nur ein besseres Verständnis über die Heterogenität der ansässigen Fremden, sondern mahnen auch zu deren differenzierterer Behandlung: Die Angehörigen einer in so vielen Aspekten und teils so gravierend uneinheitlichen Gruppe von Personen sollten nicht ‚über einen Kamm geschoren‘ werden. Die vorgeschlagene Unterscheidung der Gruppe der ansässigen Fremden in privilegierte und nichtprivilegierte, mit den apeleútheroi als speziellem Kreis von Personen, liefert eine Möglichkeit. Das Vorstehende hat darüber hinaus aber auch eine weitere wichtige Erkenntnis über die athenische Gesellschaft verdeutlicht: Ansässige Fremde standen nicht am Rande, sondern in ihrem Zentrum. Wie die zahlreichen Begegnungs- und Verknüpfungsmöglichkeiten zwischen Bürgern und ansässigen Fremden, die im Rahmen der vorliegenden Arbeit immer wieder thematisiert worden sind, zeigen, lebten die ansässigen Fremden keineswegs in einer Parallelgesellschaft. Vielmehr waren sie fest in das alltägliche Leben in der Polis integriert – nicht als Randphänomen, sondern als ein integraler Teil.

VI. Quellen- und Literaturverzeichnis VI.1 Abkürzungsverzeichnis Die Abkürzungen der antiken Autoren und Werke folgen dem Abkürzungsverzeichnis antiker Autoren und Werktitel im Neuen Pauly. Dort nicht aufgeführte Autoren und Werke wurden gemäß der 4. Auflage des Oxford Classical Dictionary abgekürzt. Inschriftencorpora werden mit ihrer gängigen Abkürzung aufgeführt. Zeitschriften und Reihen werden entsprechend der L’Année philologique abgekürzt. AGr Ammon. Adv. Voc. Anecd. Bekk. APF ARV2 Agora 17 Agora 19

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VII. Indices VII.1 Index Inscriptionum Agora  Inv. I 7168I 241 n 253, 302 n 766; Inv. I 7534 176 n 685, 176 n 686; Inv. IL 1702 374 n 1353; 17.498 106 n 177; 17.647 106 n 179; 17.648 106 n 179; 17.649 106 n 179; 19, P17 204 n 867

IC II  x.1 250 n 330; xii.4 23 n 25; xii.22 A 23 n 19

AJPh  1935, 359–372, Nr. 2 23 n 29; 1935, 359– 372, Nr. 3 23 n 18

IG I²  84 31 n 69; 106 346 n 1127; 106a 177 n 689; 110 359 n 1237; 111 112 n 226; 113 359 n 1237; 159 160 n 564; 188 31 n 69; 310 304 n 792; 329 31 n 69; 372 39 n 115, 112 n 226; 372 242 n 261; 373 39 n 115, 112 n 226, 242 n 261; 374 39 n 115, 112 n 226, 242 n 261; 967 112 n 226; 1154 354 n 1197; 1951 31 n 69

BCH  37(1913), S.194, Nr. 20 23 n 30; 51(1927), S. 386, Nr. 7 23 n 43 Bergemann 1997  CAT 1.202 100 n 131; CAT 2.235 100 n 131 CEG  112 25 n 37 FD III,2  216 126 n 335 HGIÜ  4 352 n 1178, 352 n 1179; 48 23 n 8, 195 n 803, 232 n 188, 232 n 189 I. Chios  6 24 n 31; 154 151 n 501 I. Delos  68 22 n 6, 22 n 9 I. Milet  I,3 154 356 n 1215 I. Olbia  1 24 n 31 IC I  xvi.1 24 n 36

IC IV  14 p2 24 n 36; 78 24 n 34, 24 n 36; 80 24 n 35

IG I3  6 295 n 701; 19 313 n 859, 321 n 922; 24 313 n 859, 321 n 922; 28 72 n 371; 82 152 n 506; 96 152 n 509; 104 290 n 660; 113 37 n 103; 117 37 n 103; 125 37 n 103; 136 305 n 793; 159 72 n 371; 164 72 n 371, 340 n 1080, 354 n 1196; 174 355 n 1203; 182 354 n 1196; 227 354 n 1196; 244 67, 68, 291 n 670, 291 n 673; 254 299 n 736, 300 n 745; 383 304 n 786; 421 187 n 751, 204 n 865; 422 157 n 537, 187 n 751; 423 187 n 751; 424 187 n 751; 425 187 n 751; 426 187 n 751, 347 n 1140, 372 n 1333; 430 347 n 1140, 372 n 1333; 439 321 n 924; 440 321 n 924; 476 30 n 63, 113 n 227, 199 n 831; 1032 152 n 506, 208 n 5; 1134 354 n 1198; 1150 185 n 740, 213 n 59; 1154 352 n 1171, 352 n 1180; 1180a 185 n 739; 1184 185 n 739; 1190 185 n 739, 213 n 59; 1344 95 n 83; 1353

412

Indices

106 n 175, 275 n 537; 1357 54 n 218; 1180a 213 n 59, 216 n 80; 1184 213 n 59, 216 n 80; 1190 213 n 59, 216 n 80 IG II²  1 71 n 358; 83 41 n 1095; 10 125 n 320, 249 n 325, 288 n 646, 332 n 1000, 333 n 1017; 33 176 n 685, 343 n 1107, 343 n 1111; 37 343 n 1107, 343 n 1111; 43 346 n 1125; 46 321 n 924; 48 340 n 1081; 53 177 n 689, 343 n 1113, 346 n 1127; 61 340 n 1081, 343 n 1112; 83 338 n 1060; 103 360 n 1244, 360 n 1248; 106 346 n 1131; 109 282 n 599, 341 n 1095, 343 n 1112; 110 266 n 460, 283 n 602, 287 n 639, 331 n 991; 111 119 n 280; 125 342 n 1102; 130 177 n 689, 346 n 1127; 141 172 n 652, 172 n 653, 269 n 479, 302 n 766, 343 n 1107, 343 n 1111; 144 321 n 924; 174 343 n 1113; 180 341 n 1095; 195 341 n 1095; 206 177 n 689, 346 n 1127; 211 340 n 1081; 218 216 n 87, 239 n 236, 338 n 1053, 346 n 1131; 222 360 n 1239; 226 282 n 599; 237 120 n 288, 121 n 304, 176 n 679, 176 n 682, 176 n 683, 239 n 236, 340 n 1081, 343 n 1112, 346 n 1131, 346 n 1132; 242 266 n 460, 331 n 991, 354 n 1196; 243 266 n 460, 331 n 991; 244 31 n 69, 238 n 228, 238 n 231, 299 n 734, 300 n 745; 245 340 n 1081; 276 217 n 90, 284 n 607, 333 n 1017; 286 341 n 1090; 287 216 n 87, 239 n 236, 338 n 1053; 334 298 n 730, 299 n 732; 337 269 n 479, 269 n 480, 347 n 1142; 342 353 n 1194; 343 353 n 1194; 347 354 n 1196, 353 n 1194; 351 216 n 87, 333 n 1016, 338 n 1053; 360 216 n 87, 239 n 236, 333 n 1016, 338 n 1053; 373 38 n 110, 114 n 239, 114 n 241 266 n 460, 284 n 607, 331 n 991, 334 n 1018, 348 n 1144, 354 n 1196, 354 n 1198, 357 n 1218; 374 114 n 241, 114 n 242; 380 312 n 852; 404 284 n 607; 408 282 n 599; 416 353 n 1194; 421 217 n 90, 333 n 1017; 448 283 n 602; 483 334 n 1018; 502 284 n 607; 505 212 n 52, 212 n 53, 216 n 87, 217 n 90, 255 n 374, 333 n 1014, 333 n 1017, 334 n 1020, 338 n 1053, 338 n 1058, 340 n 1080, 348 n 1147; 545 31 n 69, 177 n 689, 216 n 87, 239 n 236, 338 n 1053, 346 n 1131, 346 n 1132; 554 31 n 69, 177 n 689,

333 n 1014, 346 n 1127; 706 345 n 1119; 715 217 n 90, 333 n 1014, 333 n 1017; 732 177 n 689, 345 n 1119, 346 n 1127; 768 177 n 689, 333 n 1016, 338 n 1058, 346 n 1127, 348 n 1147; 786 333 n 1016, 345 n 1119; 801 345 n 1119; 802 177 n 689, 333 n 1016; 810 345 n 1119; 835 333 n 1014, 354 n 1196; 1036 152 n 506; 1140 341 n 1092; 1147 341 n 1092; 1186 104 n 163, 241 n 252; 1187 292 n 680; 1188 292 n 680; 1204 292 n 680; 1214 292 n 680; 1263 263 n 425; 1283 304 n 786, 347 n 1142; 1362 312 n 852; 1491 212 n 50; 1492 212 n 50; 1553 157 n 534, 158 n 547, 158 n 551, 199 n 831, 326 n 962; 1554 158 n 548, 199 n 831, 326 n 962; 1555 199 n 831, 326 n 962; 1556 158 n 551, 199 n 831, 326 n 962, 354 n 1196; 1557 158 n 546, 199 n 831, 326 n 962; 1558 199 n 831, 326 n 962; 1559 199 n 831, 326 n 962; 1560 157 n 534, 199 n 831, 326 n 962; 1561 199 n 831, 326 n 962, 354 n 1196; 1562 199 n 831, 326 n 962; 1563 199 n 831, 326 n 962; 1564 199 n 831, 326 n 962; 1565 199 n 831, 326 n 962; 1566 199 n 831, 326 n 962; 1567 199 n 831, 326 n 962; 1568 199 n 831, 326 n 962; 1569 104 n 164, 199 n 831, 326 n 962; 1570 157 n 534, 199 n 831, 326 n 962, 354 n 1196; 1571 199 n 831, 326 n 962; 1572 199 n 831, 326 n 962; 1573 199 n 831, 326 n 962; 1574 199 n 831, 326 n 962; 1575 199 n 831, 326 n 962; 1576 199 n 831, 326 n 962; 1577 199 n 831, 326 n 962; 1578 199 n 831, 326 n 962; 1590 261 n 413; 1604 211 n 46; 1609 270 n 487; 1612 270 n 487; 1951 204 n 868, 208 n 1; 1957 101 n 137; 1975 36 n 95; 2934 39 n 113; 3039 270 n 487; 7155 151 n 500; 7862 339 n 1071; 7864 339 n 1071; 7865 339 n 1071; 7868 339 n 1071; 7870 339 n 1071; 7873 158 n 544, 160 n 563, 335 n 1031; 7965 106 n 174; 7967 95 n 83; 8388 97 n 98, 100 n 132; 8866 106 n 176, 106 n 177; 8868 106 n 177; 8881 106 n 177; 8883 106 n 177; 8888 106 n 177; 9034 97 n 98; 9035 97 n 98; 9112 158 n 544; 9304 352 n 1171, 354 n 1197; 9347 183 n 720; 10090 106 n 179; 10091 106 n 179; 10092

Index Locorum

106 n 179; 10096 106 n 177, 106 n 179; 10270 97 n 98, 100 n 132; 10321 183 n 722; 10435 183 n 721; 10935 151 n 500; 12442 151 n 500 IG II/III²  2318 302 n 770

413

Knigge 1991  Nr. 21 (= fig. 117) 248 n 317; Nr. 22 (= fig. 118) 248 n 317 ML  23 68 n 343, 208 n 4, 217; 94 360 n 1245 OGISI  229 23 n 19

IG II3  1,367 37 n 101, 333 n 1011

RO  4 110 n 119

IG VII  241 353 n 1194 IG IX,1  331 192 n 787; 867 32 n 76, 49 n 172, 352 n 1178, 352 n 1179 IG IX,1²  3,717 23 n 24, 23 n 28, 195 n 803, 232 n 188, 232 n 189 IG IX,2  109a 125 n 322; 257 25 n 37; 542 131 n 372 IG XI,2  3a 24 n 32; 105 23 n 18

SEG  1,14 152 n 506; 1,362 353 n 1194; 13,36 32 n 76, 49 n 172; 18,153 217 n 96, 231 n 182; 22,79 32 n 76, 66 n 329; 22,274 68 n 343, 208, 217; 26,72 312 n 852; 26,352 352 n 1171; 35,113 299 n 737, 299 n 738, 300 n 745; 35,991A 21 n 3, 22 n 3; 36,982A 24 n 31; 36,982B 344 n 1117; 36,983 24 n 32; 37,171 106 n 179; 37,450 125 n 322; 39,41 23 n 19; 47,1663 25 n 43; 53,1008.1 151 n 501; 56,75 352 n 1171 SGDI  1685 192 n 787; 1689 192 n 787; 1804 129 n 354; 1854 129 n 354; 2016 192 n 787; 5533a–c 24 n 31

IG XII,1  383 127 n 336 IG XII,1²  3.718 299 n 739 IG XII,4  129 351 n 1168, 351 n 1172; 130 351 n 1168, 351 n 1172 IG XII,5  225 22 n 6, 22 n 11, 105 n 171; 542 356 n 1215; 647 23 n 23 IG XII,7  2 22 n 6, 100 n 125

Syll.3  304 355 n 1203; 398 23 n 19; 537 283 n 602; 644 351 n 1168, 352 n 1172; 645 351 n 1168, 352 n 1172; 653A 351 n 1168, 352 n 1172; 941 347 n 1138; 1024 300 n 742 StV II2  279 321 n 924 Tit. Cam.  103 24 n 31 TOD  100 110 n 199

IG XXII,5  647.10 150 n 494

VII.2 Index Locorum Ail. var. 6,1 297 n 720; 13,16 22 n 4; 13,24 59 n 251, 60 n 259, 60 n 264 Ain. Takt. 9–10 196 n 812

Aeschin. 1,54–64 278 n 569, 371 n 1327; 1,57 261 n 412; 1,97 77 n 409; 1,138 261 n 411 2,19 302 n 771; 2,22 98 n 111; 2,23 245 n 295; 2,86 285 n 622 3,358 352 n 117

414

Indices

Aischyl. Ag. 55–59 41 n 126, 189 n 777 Eum. 1009–1010 67 n 330 Hik. 42–43, 68, 92 n 61; 212–220 92 n 65; 354– 369 284 n 608; 370–375 92 n 63; 608–614 68 n 340, 347 n 1349; 609–610 373 n 1344; 893–894 92 n 65; 911–953 373 n 1349; 921– 923 92 n 65; 993–995 270 n 495 Pers.120–125 42 n 131; 182–183 42 n 131 Ammon. Adv. Voc. 65 [Nickau] 136 n 399; 228 n 164 And. 1,12–28 127 n 336; 1,15 204 n 862, 204 n 863; 1,27–28 127 n 336; 1,43 317 n 895; 1,144 187 n 748 2,23 222 n 133, 360 n 1245 4,20 302 n 768 Androtion FGrHist 324 F52 359 n 235 Anecd. Bekk. 242,3–6 145 n 459, 298 n 728; 267,1–2 335 n 1035; 298 357 n 1217 Antiph. 5,68 287 n 640 Aristoph. Ach. 145–147 71 n 365; 162 209 n 16; 496–508 301 n 756; 505–506 301 n 754; 505–508 27 n 56; 507–508 270 n 498; 508 301 n 757; 703–712 93 n 74, 98 n 113; 704 98 n 116 Av. 11 98 n 114; 31–32 98 n 114; 1012–1013 22 n 4; 1319 201 n 85; 1660–1666 74 n 386, 75 n 395 Batr. 679–681 98 n 117 Eccle. 730–745 297 n 713 Hipp. 345–350 310 n 837; 551 209 n 16; 795 113 n 235 Pax 781–790 187 n 754 Vesp. 717–718 322 n 929 Ar. Byz. frgm. 303–305 [Slater] 17 n 18, 171 n 639, 232 n 186, 232 n 190, 235 n 210 frgm. 332–333 [Slater] 136 n 398

Aristot. Ath. pol. 7,4 224 n 145; 13,5 52 n 204, 52 n 205, 53 n 206, 53 n 211, 55 n 224, 56 n 226, 57 n 234; 21,4 58 n 240, 358 n 1226; 25,4 287 n 640; 26,1 225 n 150; 26,2 224 n 143; 26,3 59 n 249, 60 n 259, 60 n 262, 60 n 267, 64 n 295; 40,2 288 n 643, 332 n 999, 371 n 1331; 42,1 59 n 249, 60 n 260, 60 n 262, 142 n 430, 293 n 687, 311 n 842, 311 n 846, 324 n 946; 42,1–2 57 n 237; 42,5 341 n 1987; 43,5 320 n 919; 43,6 283 n 605; 45,1 310 n 840; 47,2 228 n 170; 47,2–3 230 n 176, 230 n 177; 48,5 324 n 946; 53,5 341 n 1085, 341 n 1088; 57,3 150 n 495, 314 n 870; 58,2 308 n 819, 309 n 820, 310 n 832, 313 n 856, 320 n 917, 321 n 921, 324 n 943, 324 n 946, 328 n 983, 336 n 1040, 336 n 1042, 339, n 1069, 340 n 1074, 353 n 1184, 357 n 1224, 369 n 1314; 58,2–3 150 n 495, 231 n 181; 58,3 309 n 822, 316 n 884, 320 n 918, 323 n 940, 325 n 948, 329 n 985; 59,3 322 n 932, 322 n 935, 323 n 936; 59,5 321 n 926 Eth. eud. 1233a 27–30 201 n 844, 275 n 540, 282 n 591 eth. Nic. 1160a 4–6 256 n 382 pol. 1253a 28–29 195 n 807; 1275a 7–8 188 n 761; 1275a 10–13 374 n 1348, 374 n 1350; 1275b 17–22 188 n 761; 1275b 36 54 n 212, 54 n 218, 55 n 220, 56 n 226; 1275b 36–37 149 n 488; 1275b 37–40 54 n 218; 1276a 20–22 181 n 708; 1277b 33–35 235 n 354; 1277b 33–1278a 2 149 n 488; 1278a 1–2 149 n 489; 1278a 2–3 253;1278a 26–30 71 n 360; 1278a 32–34 59 n 249, 64 n 295; 1278a 35–38 188 n 771, 366 n 1290; 1278a 39 201 n 844; 1279b 1–2 222 n 127; 1279b 16–25 222 n 127; 1291b 209 n 16; 1300b 31–32 188 n 760; 1321a 5–15 222 n 127; 1326a 18–20 22 n 15, 150 n 491, 151 n 502; 1327a 31 243 n 267; 1327b 19–1328a 16 88n 18 Athen. 1,5b 303 n 777 6,272c 80 n 440, 203 n 858

Index Locorum

9,406e 303 n 777 10,455c–d 203 n 858 12,45 157 n 535; 12,533d 157 n 536 13,577b 76 n 401; 13,577b–c 76 n 397 15,698c–699a 303 n 77 Caelius Aurelianus chron. 3,122 114 n 238 Cass. Dio 39,38,6 136 n 398 Deinarch. 1,32 285 n 622; 1,43 331 n 993; 1,45 356 n 1213 frgm. 5 [Conomis] 322 n 934 Demosth. 4,36 70 n 353, 221 n 12; 4,36–37 208 n 9, 209 n 19, 221 n 118 5,6–8 302 n 771 7,42 344 n 1118 12,9 360 n 1248; 12,10 360 n 1244, 360 n 1248 13,23 359 n 229 14,19 238 n 225; 14,30 238 n 225 18,129–130 310 n 836; 18,152 72 n 374 19,246 302n 771 20,1 342 n 1096; 20,5 333 n 1011; 20,8 341 n 1085; 20,13 359 n 229; 20,18 341 n 1091; 341 n 1092; 20,20 241 n 249; 20,21 241 n 254, 341 n 1089, 343 n 1105; 20,29 339 n 1070, 341 n 1091, 360 n 1247; 20,30 360 n 1248; 20,31 342 n 1100, 342 n 1107; 20,40 347 n 1141, 372 n 1333; 20,41 342 n 1102; 20,50 120 n 291; 20,51 343 n 1109; 20,52–54 119 n 283, 119 n 284; 20,59 119 n 285; 20,60 119 n 283, 119 n 286, 120 n 287, 196 n 818; 20,62 341 n 1092; 20,64 37 n 101, 332 n 997; 20,68 342 n 1102; 20,84 266 n 460; 20,106 341 n 1091; 20,127 341 n 1091; 20,130 341 n 1092; 20,131 354 n 1199; 20,131–133 145 n 460; 20,132 196 n 818, 356 n 1213; 20,133 120 n 289 21,43 51 n 195; 21,47 313 n 863; 21,56 302 n 768; 21,149 310 n 836 21,155 341 n 1085; 21,163 210 n 31, 210 n 35; 21,169 241 n 257; 21,225 241 n 257 22,54–55 312 n 852; 22,61 130 n 359; 238 n 232 23,23 201 n 845; 23,39 189 n 774; 23,45 315 n 876; 23,71–72 314 n 871; 23,126 360 n 1247; 23,135

415

87 n 13; 23,200 359 n 1233; 23,202 266 n 460; 23,211 24 n 31, 25 n 38 24,131 322 n 935 25,51 261 n 407; 25,56 233 n 193; 25,56–58 155 n 524; 25,57 79 n 424, 141 n 426, 142 n 438, 158 n 553, 159 n 555, 229 n 174, 235 n 207, 291 n 675, 327 n 973, 328 n 977, 370 n 1318; 25,57–58 311 n 844; 25,58 367 n 1296, 368 n 1309, 369 n 1317, 374 n 1352; 25,76–78 241 n 2526,11 71 n 361, 222 n 132 27,19 150 n 498 28,1 249 n 325 29,3 23 n 16, 23 n 28, 193 n 791, 194 n 797, 206 n 870 32,1 321 n 926; 32,29 309 n 828, 313 n 857 33,5–8 244 n 286 34,36 342 n 1100 35,48 323 n 939; 35,51 201 n 850 36,5 97 n 103; 36,6 164 n 602, 245 n 298; 36,32 162 n 581; 36,43 97 n 99, 97 n 101; 36,43–44 97 n 199, 126 n 334; 36,45 97 n 99; 36,45–48 133 n 382; 36,50 243 n 278 39,16 341 n 1087 44,35 78 n 418; 44,37 78 n 418 45,4 162 n 581; 45,8 365 n 1284; 45,28 162 n 579, 162 n 580, 163 n 594, 163 n 597; 45,30 87 n 9; 45,55 270 n 488, 361 n 1258; 45,64 243 n 272; 45,71–72 165 n 611; 45,77 362 n 1258; 45,85 211 n 45, 247 n 305, 361 n 1253; 45,86 272 n 514 46,13 162 n 583, 165 n 611; 46,23 166 n 620 47 370 n 1319; 47,4–67 315 n 881; 47,53–73 372 n 1336; 47,55 158 n 543, 158 n 545; 47,61 278 n 569; 47,69 316 n 883, 316 n 884, 370 n 1319; 47,70 316 n 885, 316 n 886 49 270 n 491; 49,31 243 n 272; 49,47 270 n 491; 49,64 262 n 416 50,8–10 270 n 487; 50,9 341 n 1085; 50,12 211 n 38; 50,42 266 n 460 52,4 535 n 1184; 52,9 270 n 496 53,4 270 n 490, 362 n 1259; 53,16 278 n 569; 53,18 247 n 305, 361 n 1253; 53,19 187 n 753; 53,20 312 n 853 54,44 241 n 257 57,26 77 n 409, 78 n 418; 57,30 74 n 389, 76 n 396, 261 n 408; 57,34 227 n 158; 57,48 264 n 437, 295 n 695; 57,60 359 n 1235

416

Indices

58,19 203 n 856; 58,21 318 n 906 59,2 97 n 104, 247 n 305, 270 n 488, 361 n 1253, 362 n 1258; 59,8 162 n 579, 162 n 580, 163 n 594; 59,9 278 n 569; 59,16 63 n 292, 76 n 397, 159 n 556, 159 n 557, 162 n 588, 188 n 760, 265 n 448, 265 n 449, 311 n 843, 311 n 848, 322 n 931; 59,27I 341 n 1086; 59,30 128 n 346; 59,30–32 128 n 346, 157 n 538; 59,31 128 n 346, 157 n 539; 59,32 172 n 541; 59,43 182 n 713; 59,52 63 n 292, 76 n 397; 59,64 313 n 864; 59,66 313 n 865; 59,89 76 n 401, 76 n 406, 359 n 1237, 360 n 1243; 59,89–90 360 n 1240; 59,89–92 359 n 1236; 59,90 359 n 1238; 59,91 331 n 993, 356 n 1215; 59,92 118 n 275, 165 n 614, 165 n 615, 165 n 617, 167 n 627, 167 n 628, 281 n 589, 292 n 697, 362 n 1266, 362 n 1267; 59,104 71 n 359, 118 n 274, 118 n 275, 118 n 276, 359 n 1234, 360 n 1245, 362 n 1260, 362 n 1264, 362 n 1266, 362 n 1267, 363 n 1268; 59,103– 104 178 n 693; 59,106 295 n 697, 362 n 1266, 362 n 1267; 59,117 241 n 257 60,13 221 n 121, 279 n 580, 284 n 611, 285 n 614 Diod. 11,91,1 60 n 268 12,4,6 61 n 272; 12,40,4 80 n 430 13,84,3 25 n 42; 13,97,1 71 n 363, 72 n 374, 208 n 11, 222 n 133, 360 n 1245 15,46,6 118 n 274 Diog. Laert. 2,56 203 n 858; 2,71 114 n 247; 2,77 114 n 247; 2,14 328 n 978 4,1 115 n 249; 4,2–15 251 n 343; 4,8–9 288 n 652; 4,9 288 n 651, 289 n 654; 4,14 233 n 195, 328 n 984 5,73 128 n 349, 128 n 352, 140 n 420 7 206 n 872; 7,1,12 192 n 782 10,16–21 252 n 345; 10, 17 252 n 347 10,18 252 n 348 Dion. Hal. Deinarchos 633 308 n 814 Isaios 586 308 n 815 Eumelos FGrHist 77F2 76 n 397

Eur. Bacch. 1–3 301 n 752 Heraclid. 252–266 121 n 294 Hipp. 836–838 189 n 774; 827 201 n 850 Ion 673 52 n 205 Iph. A. 1400–1402 89n 29 Suppl. 888–895 274 n 528 Gorg. frgm. R19 [Henderson] 285 n 621 Harpokration s. v. Ἀγασικλῆς 275 n 543 s. v. ἀπελεύθερος 136 n 399 s. v. ἀπροστασίου 323 n 938, 325 n 954, 327 n 971, 367 n 1298 s. v. ἀρχιδάμειος πόλεμος 322 n 934 s. v. διαμαρτυρία καὶ διαμαρτυρεῖν 317 n 894 s. v. δώρων γραφή 322 n 934 s. v. ἐξαιρέσεως δίκη 141 n 431 s. v. ἰσοτελής καὶ ἰσοτέλεια 335 n 1034 s. v. κυρία ἐκκλησία 322 n 934 s. v. μετοίκιον 130 n 359, 130 n 361, 130 n 364, 132 n 375, 147 n 475, 148 n 480, 155 n 523, 155 n 525, 156 n 526, 172 n 651, 186 n 746, 201 n 849, 228 n 164 s. v. νοθεῖα 322 n 934 s. v. Πολύγνωτος 113 n 233, 334 n 1019 s. v. προστάτης 374 n 1348 s. v. σκαφηφόροι 276 n 544, 297 n 714 s. v. συλλογῆς 6 n 151 Hdt. 1,134 91 n 57 2,160,4 188 n 760; 2,167,2 272 n 506 3,38,3–4 88n 22; 3,75 145 n 458; 3,131 113 n 237; 3,160,1 91 n 46 4,46 87 n 10; 4,165,3 44 n 144 5,22 99 n 121, 99 n 122; 5,50,3–5,51,1 44 n 144; 5,71,1 263 n 430; 5,72 22 n 12, 105 n 172 6,81 22 n 7, 100 n 125; 6,106,3 74 n 388 7,29,2–7,39,3 44 n 141; 7,141,1 44 n 144 8,61 195 n 806; 8,75 361 n 1254; 8,134,2 105 n 170; 8,136 352 n 1177; 8,142 87 n 13; 8,144,2 101 n 141 9,11,2 44 n 146; 9,35,1 22 n 3, 78 n 412; 9,55,2 44 n 146

Index Locorum

Hes. erg. 633–640 43 n 136, 44 n 137, 50 n 186 Hesych. s. v. ἰσοτελής 335 n 1035 s. v. μετοίκιον 130 n 363, 132 n 375, 228 n 164 Hippokr. medic. 14 113 n 237 Hom. Il. 5,60–61 50 n 183; 9,648 49 n 181, 50 n 184, 50 n 188, 195 n 808; 22,242 182 n 714; 16,59 49 n 181, 50 n 184, 50 n 188, 195 n 808 Od. 6,232–235 50 n 183; 13,192 182 n 714; 17,322– 323 146 n 464, 272 n 513; 17,381–385 50 n 183; 17,383 49 n 181; 19,135 49 n 181 Hyp. 3 101 n 135; 3,3 97 n 107, 98 n 119, 128 n 347; 3,4 101 n 136, 128 n 347; 3,7–9 267 n 468; 3,19 101 n 136; 3,29 221 n 124; 3,33 140 n 419, 173 n 660, 221 n 124 4,3 203 n 859, 275 n 543 5,25 356 n 1213 frgm. 20 [Jensen] 322 n 935 frgm. 13–26 [Jensen] 323 n 941 frgm. 76 [Jensen] 356 n 1214 Idomeneus FGrHist 338 F8 287 n 640 Ind. Acad. 22–23 115 n 251; 38–39 251 n 339; 40–42 288 n 651 Isaios 4,9 138 n 406 7,1 78 n 418; 7,27 78 n 418 8,19–20 290 n 661 12 77 n 409 Isokr. 4 101 n 141; 4,167 117 n 266; 4,167–168 112 n 221, 117 n 265, 121 n 295; 4,173 101 n 141 5,120–123 117 n 265; 5,121 196 n 811 6,68 117 n 270 8,21 83 n 458; 8,44 195 n 806; 8,48 208 n 10; 8,50 100 n 128, 359 n 229; 8,53 135 n 394, 276 n 551, 374 n 1348, 375 n 1356; 8,88 359 n 229

417

9,54 360 n 1244, 360 n 1248 10,8 195 n 807 12,94 71 n 359, 118 n 274, 178 n 693 14 118 n 273; 14,1 26 n 51, 120 n 290, 120 n 292, 121 n 296; 14,5 118 n 274; 14,55 195 n 806, 195 n 809 15,166 352 n 1177 17,4 97 n 101, 174 n 666; 17,6 97 n 100; 17,12 309 n 825, 309 n 826; 17,13–14 134 n 388; 17,14 141 n 425, 317 n 891, 318 n 905, 371 n 1326; 17,31 270 n 491; 17,33 133 n 383; 17,41 228 n 170, 240 n 245; 17,42 174 n 665, 244 n 283, 247 n 308, 310 n 839; 17,56 174 n 667 19 199 n 833; 19,3–12 199 n 833–200 n 833; 19,7 200 n 837; 19,12 200 n 834, 200 n 838; 19,13 200 n 835, 200 n 837, 200 n 839 ep. 9,8–9 213 n 56 Iustin. 5,9,9 183 n 728 Krateros frgm. 18 [Kassel/Austin] 91 n 52 frgm. 85 [Kassel/Austin] 304 n 790, 304 n 791 Ktesikles FGrHist 245,1 80 n 440 Lykurg. 1 194 n 796; 5 193 n 792; 21 23 n 16; 41 71 n 361, 222 n 132; 76 78 n 418 Lys. 2 221 n 122; 285 n 617 3,5 318 n 897; 3,6 318 n 900; 3,6–10 318 n 897; 3,10–11 318 n 900; 3,11–14 318 n 897; 3,13 318 n 900; 3,14 319 n 911; 3,15–17 318 n 897; 3,18–20 318 n 897; 3,20 319 n 911; 3,22 318 n 900, 319 n 910; 3,32 318 n 897; 3,33 318 n 898; 3,35–38 318 n 897 4,14 317 n 891, 318 n 904, 318 n 906 5,2 201 n 850; 5,5 124 n 314 7 109 n 191; 7,9–10 109 n 191; 7,10 109 n 191, 110 n 195 9,5 262 n 418 12 40 n 119, 46, 187 n 755; 12,4 112 n 219, 183 n 724, 183 n 725, 245 n 299, 274 n 532, 277 n 554, 287 n 634, 308 n 813, 375 n 1357;

418

Indices

12,6–7 83 n 455; 12,8 112 n 219; 12,8–9 261 n 405; 12,8–16 83 n 456; 12,20 240 n 245, 241 n 251, 301 n 760, 302 n 766; 12,38 241 n 257; 12,67–68 113 n 235; 12,94–99 275 n 542, 365 n 1286 13 361 n 1254; 13,27 317 n 895; 13,57 317 n 895; 13,64 272 n 514, 365 n 1284; 13,58–60 74 n 383; 13,71 287 n 639 20,35 195 n 806, 195 n 809 22 202 n 853, 202 n 853; 22,5 116 n 259, 199 n 832, 201 n 843, 201 n 848, 274 n 533, 308 n 818 23,2 201 n 843, 309 n 824, 361 n 1264; 23,2–3 178 n 693; 23,5–6 105 n 166; 23,5–8 268 n 476; 23,6 362 n 1262; 23,15 200 n 842, 309 n 829 26,3 241 n 257 30,2 272 n 514 31,6 193 n 793; 31,8.10 23 n 16, 193 n 789; 31,9 23 n 28, 194 n 795, 206 n 971, 368 n 1304, 373 n 1342; 31,14 373 n 1342 32,4 110 n 196 frgm. 128 [Carey] 5–8 76 n 405 Men. Epitr. 895–899 87 n 11 Heros 26–36 374 n 1351 frgm. 631 [Kassel/Austin] 91 n 55 Oros. 2,17,9 183 n 728 Paus. 1,29,7 35 n 91 7,25,1 44 n 143 Philochoros FGrHist 328 F19 61 n 275; F35a 59 n 253 Pind. Ol. 8,21–30 25 n 39 Plat. Crit. 51d 189 n 774, 201 n 849; 52b 21 n 2 Euthyd.271 a–c 261 n 411; 285c 91 n 52 Gorg. 483a-b 312 n 853 Ion 542c–d 360 n 1244 Lach 187 a–b 91 n 52 Nom. 850a-b 175 n 672; 850b 45 n 148, 175 n 671, 175 n 678; 877c 51 n 195; 914e–915c 128 n 349;

915a–c 143 n 447–144 n 455; 915c 154 n 447; 928e 195 n 806; 952d–953a 243 n 267 Pol. 1 269 n 483; 327a 305 n 794 Rep. 371c 215 n 78; 562e–563a 270 n 497 Plut. Flam. 12,4 233 n 195 Kim. 4,1 61 n 272 Mor. 418a 99 n 122; 834a–b 73 n 381; 835c 183 n 727, 187 n 755; 835d 174 n 663; 835f 332 n 1002; 835f–836a 183 n 728, 360 n 1242, 365 n 1285; 841d 326 n 963; 841e 267 n 474; 842b 233 n 195, 327 n 974; 848f–849a 222 n 132; 852b 326 n 963; 1034a 192 n 783, 194 n 794 Nic. 20,1 286 n 623 Pelop. 5–6 104 n 165 Per. 4–6 287 n 637; 10,7 287 n 640; 19,1 23 n 19; 24 287 n 635; 24,2 157 n 535; 24,3 157 n 536; 24,5 73 n 376; 24,6 73 n 377; 32 287 n 637; 36,1–5 73 n 376; 37,3 59 n 250, 60 n 260, 60 n 263, 61 n 275, 61 n 276, 63 n 287; 37,3–4 60 n 269; 37,4 61 n 277; 62 n 279; 37,5 73 n 378, 74 n 388 Phoc. 27,1 289 n 653; 27,1–4 289 n 651; 27,4 289 n 655; 29,4 233 n 194, 32 n 974 Sol. 22,1 51 n 192, 51 n 193; 23,3 224 n 146; 24,2 51 n 191, 51 n 194, 51 n 196, 52 n 198, 271 n 505, 358 n 1226 Pol. 2,12,8 99 n 122; 28,20,8 344 n 1118 Poll. 3,55 130 n 362, 132 n 374, 235 n 210; 3,56 326 n 960, 327 n 971; 3,59 353 n 1184; 3,83 136 n 398, 143 n 441; 8,35 325 n 954; 8,91 335 n 1035; 8,144 238 n 228 Ps.-Skylax 53 25 n 38 Ps.-Xen. Ath. Pol. 1,2 209 n 16, 222 n 127; 1,10 45 n 149, 149 n 485, 149 n 486, 152 n 511, 184 n 732, 229 n 172, 278 n 568; 1,10–12 256 n 385; 1,11 45 n 149, 127 n 343; 1,12 45 n 149, 208 n 8, 209 n 19, 221 n 117, 221 n 120,

Index Locorum

280 n 582, 286 n 631; 1,19 209 n 25; 2,8 26 n 53 Scholia Aesch. in or. 1,39 76 n 397 Aristoph. Equ. 327 113 n 235 Aristoph. Plut. 953 301 n 762 Soph. Ai. 1258 136 n 398 Ant. 852 202 n 851; 868 201 n 849, 202 n 851; 890 202 n 851 Ichn. 199 136 n 398 Strab. 13,57 115 n 250, 115 n 251 Suda s. v. ἀχαιός 302 n 774 s. v. Ἀποστασίου 327 n 971 s. v. Ἀρίσταρχος 302 n 774 s. v. Ἀριστογείτων 222 n 132 s. v. ἀσκὸς ἐν πάχνῃ 297 n 715 s. v. δημοποίητος 60 n 266 s. v. ἰσοτελεῖς 336 n 1038 s. v. νέμειν προστάτην 327 n 971, 374 n 1348, 376 n 1362 s. v. Πολύγνωτος 113 n 233, 334 n 1019 Theophr. Char. 4,2–4 286 n 630 Thuk. 1,2,6 119 n 278; 1,55,1 209 n 25; 1,121,3 208 n 3; 1,143,1 80 n 437, 208 n 3, 208 n 13, 220 n 115; 1,144,2 22 n 3, 22 n 4 2,2,2–2,6,4 118 n 272; 2,6,2 194 n 800 2,13,6 219 n 105, 220 n 112; 2,13,6–7 79 n 428, 80 n 430, 215 n 75; 2,13,7 72 n 370, 184 n 735, 185 n 736, 213 n 57, 213 n 60, 214 n 63, 216 n 85, 225 n 149; 2,29 305 n 796; 2,29,5 71 n 365; 2,31,1 214 n 67; 2,31,1–2 213 n 57, 220 n 112; 2,31,2 214 n 71, 219 n 106; 2,34,4 188 n 760, 279 n 580, 284 n 612; 2,35–46

419

221 n 121, 279 n 580, 284 n 611; 2,37 26 n 49; 2,39,1 22 n 4, 26 n 50, 70 n 352, 70 n 355; 2,69,2 71 n 365; 2,81,4 87 n 12; 2,97 87 n 10 3,3,2 215 n 73; 3,7,3 215 n 73; 3,16,1 208 n 3, 208 n 13, 214 n 69; 3,17 213 n 55; 3,18,4 209 n 16; 3,55,3 71 n 359; 3,55,3–4 71 n 366; 3,55,5 118 n 274; 3,63,2 118 n 274; 3,68,3 178 n 694; 3,70,3 119 n 280; 3,71,2 194 n 801; 3,72,1 195 n 802 4,67,2 216 n 81, 216 n 84; 4,67,5 216 n 81, 216 n 84; 4,90,1 214 n 68; 4,126 87 n 12; 4,126,2 222 n 127 5,43,2 119 n 281 6,27,1 203 n 861; 6,27,2 127 n 336; 6,27,3 203 n 861; 6,28,1 204 n 861; 6,31,1 211 n 39; 6,31,2 209 n 16; 6,54,6 53 n 210; 6,60,2–5 204 n 861 7,13,2 209 n 21, 209 n 25; 7,63,3–4 208 n 3, 208 n 13, 221 n 120; 7,75 213 n 55 8,73,5 208 n 3, 209 n 25 Xen. An. 1,1,10 72 n 374; 1,7,4 87 n 12; 5,4,30–5,5,6 92 n 60 Ec. 14,9 127 n 343 Hell. 1, 6, 24 222 n 133, 360 n 1245; 2,3,20 83 n 455; 2,3,38 83 n 455; 2,3,48 222 n 127; 2,4,11 305 n 793; 2,4,24–25 288 n 641; 2,4,25 336 n 1037; 4,5,6 353 n 1184; 4,8,27 23 n 17, 25 n 44; 5,2,19 344 n 1118; 6,3 195 n 806 Hipp. 9,6 214 n 64 Mem. 1,2,61 22 n 3; 3,10,1–15 286 n 623 Vect. 2 123 n 309, 172 n 647; 2,1 115 n 252, 115 n 253; 2,1–2 253 n 355; 2,2 213 n 60; 2,2–3 218 n 101, 222 n 130; 2,3 87 n 3, 101 n 138, 218 n 102; 2,3–4 86 n 2, 91 n 45; 2,4 218 n 103, 221 n 125; 2,5 45 n 148, 214 n 64; 2,6 123 n 310, 249 n 323, 250 n 331, 348 n 1144; 2,7 196 n 814; 3 123 n 309; 3,4 333 n 1010; 3,5 115 n 252, 253 n 355; 3,11 333 n 1011; 4,11–12 111 n 214; 4,12 336 n 1037; 4,14 124 n 316

VIII. Register VIII.1 Register historischer Personen (in Auswahl) Aphobos  23n 16, 23 n 28, 193, 206 Achaios 303 Agasikles 275 Agoratos  272, 361 n 1254 Akestor  98 n 114 Alexandros  99 n 121 Alkibiades 119 Amynandros 204 Anaxilas 66 Androkleidas  104 n 165 Antidoros 203 Antimachos 211f Apollodor (Honorant der isotéleia)  160 n 563, 335 n 1031 Apollodor (Sohn d. Pasion)  46, 161f, 164–166, 182 n 713, 246 n 303, 266, 269, 270 n 487, 270 n 488, 282, 308, 361, 363, 364–365, 371 n 1325 Archebios  119, 120 n 287 Archelaus  37 n 103 Archeptolemos  73, 113 n 235 Archippe  161–167, 169 Aristarchos 302 Aristippos  114 n 247 Aristodemos  302 n 771 Aristophanes 74 Aristoteles  115, 250f Arybas  282 n 599 Aspasia  73, 157, 287 Astykrates  282 n 599 Athenogenes  101, 128 n 347, 242, 267 n 468 Charidemos  360 n 1245 Damasias 241

Deinarchos  46, 285 n 622, 308 Dionysius  360 n 1244 Dorkidos  160 n 564 Ekphantos  119, 120 n 287  Epainetos 313 Epigenes  276 n 549 Epigonos  127 n 336 Epikerdes  37 n 103, 342 n 1102, 343 n 1113 Euagoras  37 n 103, 360 n 1244 Euenor  38 n 110, 114, 122, 334 n 1018, 348 n 1144, 354, 355 n 1202 Euromos 344 Euthenika  106 n 176 Euxitheos 74 Exekestides  98 n 114 Gorgias 285 Hegemon 303 Herakleides (aus Klazomenai?)  212 n 50, 360 n 1244 Herakleides (aus Salamis)  37 n 101, 333 n 1011, 334 n 1020, 355 n 1203 Hermachos 252 Hermaios  95 n 83 Hippodamos 113 Ion  302 Iasios   40, 46, 308 Kallaischros 111 Kephisodoros 204 Karphinas  121, 176f Kephalos  46 n 151, 112, 174 n 663, 183, 245, 257, 263 n 433, 277, 287, 375 Kerykides  104 n 164 Kimon 61

Sachregister

Kleomenes  22 n 7, 44 n 144 Konon  276 n 549, 342 n 1103 Kotys   360 n 1248 Ktesikles 203 Leokrates  23 n 16, 193f Lesis  374 Leukon  343 n 1108 Leukos  360 n 1248  Lykidas  354 n 1199 Lykon  128 n 349 Lysias  29, 40, 46, 83, 112, 174, 183, 187 n 755, 240f, 261, 275f, 285, 288, 301, 308, 332, 360, 365 Melitta  160 n 563, 335 n 1031 Midas  127 n 339, 128 Mikion 204 Mnemon  282 n 599 Neaira  28f, 127 n 341, 128, 157, 182 n 713, 266 Neoptolemos  302 n 771 Nikandros 212 Nikostratos  138 n 406 Pamphilos 210 Pankleon  200 n 842, 268, 309, 362 Pasikles  161, 165 Pasion  29, 46, 94 n 77, 97, 112, 126 n 334, 12 n 339, 133, 134 n 388, 143 n 447, 146, 161– 167, 196, 211, 243, 244, 245, 246f, 254 n 366, 255, 257, 266, 270, 272, 276f, 287, 288 n 648, 308, 317 n 891, 318, 345, 360f, 371 Peithias  119 n 280 Phanes  25 n 37 Phano  278 n 570

421

Philon  23 n 16, 23 n 28, 193f, 206 Phormion (aus Arkananien)  121, 176f Phormion (Freigelassener d. Pasion)  94 n 77, 127, 143, 146, 162–167, 196, 243f, 246, 247 n 306, 254 n 366, 255, 257, 345, 360, 361 n 1254, 365 n 1284 Phrasierides  360 n 1245 Phryniskos  104 n 163 Polemarchos  40 n 119, 46 n 153, 263 n 433, 269 n 483 Polygnotos  113, 334 n 1019 Polyzelos 212 Praxinos  106 n 174 Pythagoras  354 n 1198 Pythios  106 n 175 Sadokos  71 n 365 Sosonos  139 n 411 Stesileides 111 Teisamenos  78 n 412 Teukros 203f Theodotos 318f Thrasybulos  119, 288, 332, 371 Thrasylochos 199f Tibeios 374 Tymnes  95 n 83 Xenokrates  115, 174, 233, 250–252, 288f, 327 Xenophon  25 n 43 Zenon  192, 194, 206 n 872 Zobia  141 n 426, 142 n 428, 155, 158 n 553, 229f, 233, 235 n 207, 291, 309 n 825, 327f, 367, 369f, 374 Zenothemis  313, 368

VIII.2 Sachregister Ägypter in Athen  101, 201, 269 n 479 aítēsis  383 Akademie Platons  115, 250–252 allopoliátai  21 n 3 Ämterbesetzung  167, 214, 224, 264, 280f, 295f, 308, 362–366 apeleútheroi  24 n 36, 136–138, 143 n 441, 150 n 495, 151 n 499, 152, 385 apólides  195–197 apophorá  127 n 341

apostasíu díkē  132f, 309, 320, 323, 325–327, 373 aprostasíu graphḗ  231, 309, 314, 317 n 894, 320, 323–329 árchōn polémarchos  201, 217, 230f, 268 n 475f, 308–310, 312–314, 319–324, 328f, 336, 369 Arkadier in Athen  183 Arkananier in Athen  176f Ärzte  38 n 110, 72 n 371, 113–115, 122, 334 n 1018, 340 n 1080, 348 n 1144, 354f Asklepioskult  269, 304

422

Register

aspháleia  120 n 293 Assassinierungen 287f asylía  23 n 37, 120, 122, 178 atéleia  24 n 31, 25 n 37, 31 n 67,121, 160f, 176, 292 n 677, 334, 340–344, 349, 361 – a. pántōn  120f, 331 – a. strateías  340 – a. tú metoikíu  340, 344 atimía  50, 73, 195 n 808 Attraktivität Athens  66, 108–115, 123, 253, 321 Aufenthaltsdauer  17 n 18, 23, 45 n 148, 100, 112, 144, 170-180, 228, 232, 249 Aushebung ansässiger Fremder  72, 217f, 231, 290f Ausreiseverbot in Kriegszeiten  70, 140 n 419, 173, 221 Ausschluss von immobilem Besitz  24 n 32, 70, 163–166, 244–253, 258, 276f, 338 Bankwesen, Bankiers  93f, 97, 127 n 339, 135, 146f, 161–164, 243f, 246f, 254, 262, 266f, 272, 276 n 549, 345, 360 n 1246, 361 bárbaroi – Begriff  44 n 146, 88f – Einstellung gegenüber b.  87 95, 98 – in Athen  31 n 72, 42, 90–102, 107, 145f, 305, 361, 379 Bauprogramm des Perikles  66 n 327, 112f, 115 Bendiskult, Bendideia  27, 90, 269, 275 n 539, 304–306, 347 n 1142 Berufe  109–115, 158, 245, 271f Bestattung (s. auch Grabinschriften, Gräber)  32 n 74, 33f, 88 n 22, 100f, 247f Besucher s. nichtansässige Fremde Bezeichnungen für ansässige Fremde (s. auch métoikos (Begriff)  23f, 31, 38, 152, 178f, 187f, 196, 273, 339f, 350 Böotier in Athen  103f, 106, 194, 343 n 1107 Bürgerrechtsverleihung s. politeía an Gruppen  54, 57, 71f, 77, 359 Bürgschaft  142, 309, 352 chorēgía, chorēgoí  172f, 241, 270 n 487, 277, 299, 300 n 748, 301f chōrís oikúntes  127, 140, 150f Demenaffiliation  29 n 60, 30, 84f, 181, 212 n 51, 217, 290–293, 299f Demengesetz

– der Ikarioi  300 – der Phrearrhioi  299f – der Skambonidai  67–69, 291  n 670, 291 n 673, 299f dēmiurgoí 49f Demotikon  29, 30 n 62, 30 n 64 diamartyría  317 diapsēphismós  53, 54 n 213, 55–57, 77 Dichter 302f Diffamierung  46, 97, 145, 273, 280, 310, 368 díkē (Privatklage)  133, 312f, 315, 317, 324, 372 Dionysoskult, Dionysien  300–302, 334 diphrophóroi  297 Diplomaten (s. auch Gesandtschaften)  71, 96, 105, 288, 305, 360 dōroxenía  323 n 936 Drama ansässige Fremde 40–43, 155, 274 dúloi métoikoi  54 n 218, 55f, 57, 149 n 488 Ehegesetze s. Heiratsverbindungen Ehreninschriften  30 n 65, 33, 35–39, 95 n 86, 183, 198f, 212 n 51 Ehrungen s. Privilegien Einkommensquellen  111, 157f, 209, 243 eisphoraí  38, 172f, 174 n 665, 212, 237–240, 254, 270 n 487, 333, 337f, 341 ekklēsía s. Volksversammlung Emigration  69, 70 n 353, 146, 148, 154, 171, 173 emporikaí díkai  321 émporoi  111, 243f énktēsis (Privileg)  24, 109f, 113f, 115, 120 n 288, 121, 123, 160, 162 n 599, 164, 176f, 224 n 148, 245, 248, 250–252, 269, 275, 304, 334, 344–351, 357, 372 n 1333, 381 epichṓrios  187f epidóseis  38 n 111, 333 epimeleísthai  121 n 299 Erbschaft, Erbangelegenheiten  73–75, 147, 163–165, 251, 265 Erwartungen an ansässige Fremde  40f, 274–276, 282, 355 ethelopróxenos  119 n 280 Ethnikon  31, 35 n 93, 192f, 196, 198f, 211 euergétēs (Titel)  331 n 994, 334 exēgētaí  316, 370 n 1319 exeleútheroi  135–138, 143 n 441, 151, 153, 236, 325

Sachregister

exhairéseōs díkē  141, 371 n 1327 Exil, Exillierte  27 n 102, 46 n 153, 50 n 190, 51, 119, 121, 171, 176, 195, 288, 314f, 380, 382 Feste, kultische  160, 296–301, 305, 353 Flotte  112, 150f, 208–213, 217f, 220f, 223, 231, 360 n 1245 Flüchtlinge  71, 117–123, 177f, 199 n 833, 335, 343, 346f, 354 n 1198, 360 n 1245, 380 Folter  140 n 425, 317–319, 371 Frauen  82, 154–170, 228, 297, 335 free spaces  261, 285, 294 Freigelassene  24 n 36, 29 n 61, 46, 77, 109 n 191, 112, 116f, 124–154, 155 n 520, 157 n 534, 158, 161–164, 171, 192, 211, 235, 246 n 303f, 272f, 280, 311, 315–318, 325–327, 354 n 1199, 360 n 1246, 361, 365, 370–372 Freigelassenengesetze  136 n 398, 143f, 380 Freilassungspraxis (in Athen)  124–129 Freilassung unter Vorbehalt s. paramonḗ Freilassungsurkunden 125 Freizügigkeit s. Emigration Gastfreundschaft s. xenía Geburtsort  181–191, 192 n 785 Gefallenenlisten  152, 185, 216, 285 Geiseln  21 n 3, 118 n 272, 194 Gelehrte  114 n 246, 263, 250–252 génē 290, 295f Gerichtsprozesse (s. auch díkē, graphḗ) 97f, 116, 140–144, 159, 168, 230f, 267f, 274, 308– 329, 357, 368–370, 372 n 1334, 374 Gesandtschaften  44 n 144, 194, 282 n 597, 284 n 607, 288, 353 Getreidehandel  37 n 101, 300–302, 334 Grabasyl 248 Gräber, Grabinschriften  25 n 37, 29, 31 n 66, 32–35, 39, 49 n 172, 65, 82, 94,100, 104–106, 158, 160 n 563, 182f, 192f, 198f, 213, 247f, 255, 273, 275, 335 n 1031, 339, 349, 351 Grabluxusgesetz  33 n 78, 80 n 439, 100 grammateús  132 graphḗ (Popularklage)  310, 313f, 322, 324 n 942 graphḗ adíkōs heírchthēnai 313 gymnasiarchía  241 Hafen(-viertel) s. Piraeus Händler  84, 101, 111, 114, 116, 122, 194, 202, 242f, 253, 267, 272, 321, 333, 353, 355

423

Handwerker und Künstler  49, 50 n 183, 50 n 190, 51, 108, 112–114, 127 n 341, 234, 242, 255, 271f Heer, Landstreitkräfte – Bogenschützen  93 n 72, 207 – Hopliten  80–82, 184f, 213–215, 217, 219– 221, 223–225 – Kavallerie 223 – Verteidigungseinheiten  184f, 214–216, 219, 221f Heimatlose, Landstreicher  50 n 188, 195f Heimatverbundenheit  105f, 194 Heiratsverbindungen  159f, 161–163, 264– 266, 278, 281, 311f, 361 Herakleier in Athen  183, 248 n 317, 282 n 599 Herkunftsorte  87, 90, 102–106 Herkunftsgruppen (s. auch unter den einzelnen Herkunftsgruppen)  71, 91, 106, 268f, 303f Hermokopidenfrevel  127, 203f, 317 n 891 hestíasis  241 hetairíai  263 hiketeía  41 n 128, 44, 1778f, 283f hydrophóroi  297 Isiskult 269 isotéleia (Privileg)  335, 337–344, 362 kanēphóroi  299 kápēloi  242f Karer in Athen  49 n 172 katoikúntes  179 Kerameikos(-viertel)  32 n 75, 34 n 86, 84, 183, 248f, 261 Kerkyraier in Athen  194f Kitieer in Athen  269 n 479, 304, 347 Kulte, fremde (s. auch Bendis, Isis, Kybele)  188, 269, 275, 303–306 – Teilhabe an K.n  99f, 188, 300f, 303–306 kulturelle Aneignung  26f Kultvereine  262f, 289, 303f Kybelekult 269 Landwirtschaft  109f, 245f, 271f Leiturgien (s. auch triērarchía und chorēgía)  38 n 105, 210–212, 227, 241f, 244, 254, 264, 270 n 487, 277, 333, 341 lēxiarchiká grammateía  291 n 674 Loyalität, Loyalitätskonflikte  71, 73, 193f, 197 n 825, 209, 214, 215 n 77 Mantineaer in Athen  176 n 685

424

Register

Marktsteuer  225, 227, 229, 254f, 337f, 340, 349 n 1154 – Befreiung von der M.  337f, 340, 349 n 1154 Masseneinbürgerung  s. Bürgerrechtsverleihung an Gruppen megarisches Psephisma  194 Messenier in Athen  183 n 720 metanástai  49f, 188 metoíkion  17 n 18, 25f, 81, 130, 148, 155–157, 167f, 170–175, 184, 206, 224, 227–237, 240, 254, 273, 280, 282, 350, 376 – Befreiung vom m. s. isotéleia – Zahlungsversäumnis  79, 141f, 155, 158 n 553, 159, 229f, 234f, 278, 311, 326–329, 339, 368 – Zahlungsvorgang  17 n 18, 228–231, 291f, 370 métoikos – Begriff  43, 67 n 330, 126, 148f, 151f, 172– 174, 186–190, 197–199, 235–237, 334f, 339 – Status(-merkmale)  43, 67 n 330, 126, 148f, 151f, 172–174, 186–190, 197–199, 235–237, 334f, 339 Mieten, Mieträume  109, 164, 249f, 256, 347, 373 Militärisches Engagement (s. auch Heer und Flotte) – Aushebung  72, 217f, 231, 290f – separate Einheiten für ansässige Fremde  215–218, 278 Mobilität, Ortswechsel  113, 174, 228, 253, 353 Mord, Mordprozesse  40 n 119, 119, 287f, 314–316, 330, 370 n 1319, 372f naúklēroi  243 nautodíkai  321, 322 n 932 Neubürger, neopolítai  281, 295, 358, 360–366 nichtansässige Fremde  181 n 708, 269, 285, 301, 312, 313, 317, 321, 330f, 334–336, 347, 351, 360, nóthoi  29 n 61, 73–76 oikogenḗs  187 oikṓn en–Formel  30, 84, 158, 192 n 786, 198f, 204 n 866, 212, 216 n 87, 291f Opferhandlungen, Opferfleisch  22 n 7, 67, 100 n 125, 298–300 Pachtvereinbarungen (s. auch Mieten)  109f, 112, 229, 246, 252

Panathenäen  145, 246, 272, 275, 297–301, 306 paramonḗ (-Freilassung)  128 n 349, 129, 134f, 138f, 151, 171 paranómōn graphḗ  332, 341 n 1091, 336, 359 parepidēmúntes  179 Patronymikon  29f, 57f, 292 n 680, 326 phiálai-Inschriften  126, 131 n 372, 199 n 831, 326–328 philotimía 241 Piraeus  28, 84f, 90, 110f, 249, 261, 305 Phönizier in Athen  91, 93f, 97, 100 n 132f, 102 n 149, 192, 242, 269 n 478 Phratrie  260, 289f, 296 Phylenreform d. Kleisthenes  57–59 phýsei dúlos  89 n 29 Plataier in Athen  26, 71, 103, 105 n 166, 106, 118, 120f, 178, 216, 218, 268, 334, 359 n 1234, 360 n 1245, 362–365 pōlētaí, pōlētḗrion  79, 229–231, 291 politeía (Privileg)  48, 65, 114, 118, 161–167, 192, 211, 277, 182f, 295, 332, 358–366 Priesterämter  118, 165, 295f, 362–364, 366 Privilegien (allgemein) (s. auch unter den jeweiligen Privilegien)  115, 122f, 160, 177f – Vergabeprozess  292, 331–334 prodikía  334 prohedría  160, 334 n 1021 próshodos  283, 376 prostátēs  132–139, 141, 143, 145f, 170, 173, 206, 273, 276, 311, 325–327, 367–377 – Aufgaben des p. 249, 276, 368–375 – Wahl des p. 132–135, 139 Prostitution 157f Proxenie, Proxenoi  35 n 93, 96, 114, 119f, 160, 196, 248, 250 n 330, 288, 321, 351–358 proxenikós nómos  357 n 1223 Quasibürger  15, 197 Rechtsschutz  312, 321, 329 Registrierung  17 n 18, 58, 72 n 372, 79, 132, 140f, 173, 231, 292, 308, 368 Reisende s. nichtansässige Fremde Rückkehrabsicht  171–178, 193, 196f, 343, 346 Schauspieler  302, 306 Sidonier in Athen  172f, 269 n 479, 343 n 1107 Silberminen (Laureiongebirge)  111, 229 Sinoper in Athen  183 skaphēphóroi  297

Sachregister

skiadēphóroi  297 Sklaven, ehemalige s. Freigelassene Sklaverei  25, 29, 39 n 115, 45 n 149, 52 n 205, 55f, 80, 89, 92–94, 111, 140 n 420, 145–147, 149, 151, 169, 187, 192, 209f, 213, 242, 261f, 272f, 297, 315, 317f, 371 n 1327 – Verkauf in die S. 62, 142, 155, 158 n 553, 159, 162, 168, 230, 235, 278, 310f, 327–329, 367 Söldner  36 n 95, 38 n 111, 71–73, 90, 112 n 221, 117 n 266, 208f, 333 n 1017 Solonische Reformen  50–52, 142, 223, 311 Sozialer Aufstieg  97, 258, 276–279 Sprache  32 n 74, 33f, 42 n 131, 55, 105f, 275, 304 n 784 stáseis 83 Steuern (s. auch metoíkion und Marktsteuer)  17 n 18, 48, 78, 116, 132, 173, 227–242, 335–338, 342, 349 n 1154 stratēgoí  61, 120 n 288, 214 symbolaí  21 n 1, 312 n 854, 321 n 924 symmoríai  237f tás strateías strateúesthai metá Athēnaíōn (Privileg)  160 n 562, 185, 216f, 338, 376 télē  47 n 160, 336–338 telṓnai  132, 228–230 tetrakósioi  287 Thasier in Athen  177f Theater  40, 300–303 thíasoi s. Vereine thesmothétai  321 n 926, 322 Thraker in Athen  27, 61, 90–92, 94, 102 n 149, 304f, 347 threptoí  187 n 751 triákonta týrannoi (Herrschaft der Dreißig)  40 n 119, 46n 153, 83, 174 n 663, 193 n 789, 288

425

triērarchía  210–213, 241, 270 n 487, 333 n 1017 triṓbolon  130–132, 134, 145, 227, 228 n 163, 258 Verbannung, Verbannte s. Exil Vereine, s. auch hetairíai, Kultvereine 256, 262f, 269, 286, 289, 303f Vermögensklassen 223–225 Volksversammlung  117, 266, 280, 282–284, 288, 331, 359, 371, 376 – Zugang zur V. 21, 282f, 331 Vorurteile  40, 44, 46, 57, 91, 94, 98 n 112, 101f, 107, 145f, 196, 270, 272–274, 365 Wehrpflicht s. auch Ausreiseverbot in Kriegszeiten  72, 116 n 257, 173, 217, 231, 338 – Befreiung von der W. s. tás strateías strateúesthai metá Athēnaíōn (Privileg) Wohnräume  250, 373f xenēlasía  22, 23 n 21, 70 xenía  44, 353, 373 xenías graphḗ  313, 322f, 325 n 954, 326 n 961, 329 xenikón télos s. Marktsteuer xenodíkai  321, 322 n 1154 xénoi s. nichtansässige Fremde – Begriff  21 n 3, 44 n 146, 72 n 374, 150 n 492, 152, 185, 188, 237, 339 n 1067 – x. katoikúntes  179 – x. parepidēmúntes  179 Zeugnisrecht  267f, 317–319, 370, Zugangsbeschränkungen – institutionelle (s. auch Volksversammlung)  21, 27, 135, 189, 282, 313f, 320f, 336, 353 – lokale  21f, 99f, 256

Das klassische Athen zog zahlreiche fremde Gäste und Besucher an, und für viele von ihnen war die Polis mehr als nur ein Zwischenstopp: Als ansässige Fremde gehörten sie ganz selbstverständlich zum Stadtbild. In einer umfangreichen Studie arbeitet Franziska Luppa systematisch die Merkmale auf, die Angehörige dieser Bevölkerungsgruppe sowohl durch individuelle Voraussetzungen als auch durch athenische Zuschreibung trugen, und analysiert deren Einfluss auf das Leben

ISBN 978-3-515-13423-1

9 783515 134231

und Erleben der ansässigen Fremden in Athen. Die Untersuchungen zeigen zum einen, welche bemerkenswerte Heterogenität die Gruppe der ansässigen Fremden im klassischen Athen ausmachte, zum anderen zeichnen sie das komplexe Geflecht aus Integrationsangeboten und Exklusionsgeboten nach, mit dem die Athener den Platz der Fremden in der Polis nicht einfach starr festlegten, sondern kontinuierlich aushandelten.

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