Die Anfänge des Deutschen Fernsehens: Kritische Annäherungen an die Entwicklung bis 1945 [Reprint 2012 ed.] 9783110918755, 9783484340305


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German Pages 336 Year 1991

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Table of contents :
Einleitung
Fernsehleute im Spannungsfeld zwischen Fortschritt und Reaktion – über das Wirken deutscher Wissenschaftler, Politiker und Künstler auf dem Gebiete des Fernsehens von den historischen Anfängen bis 1945
Das Fernsehspiel im Dritten Reich
Fernsehspiele im Programm des Fernsehsenders “Paul Nipkow” Berlin, 1936–1941
Von deutschem Heldentum: Eine Film-Kompilation für das Fernsehen aus dem Jahre 1936
Der lange Weg eines schnellen Mediums: Zur Frühgeschichte des deutschen Fernsehens
“... das Bild des Führers in alle deutschen Herzen!” Das frühe deutsche Fernsehen als Gegenstand und als Medium der nationalsozialistischen Propaganda – eine “nicht bestellte Erfindung”
Fernsehen als Geschichte: Die Darstellung des deutschen Fernsehens zwischen 1935 und 1944
Zum ORGANisationsprinzip TELEVISION. Von der Unverträglichkeit eines Mediums mit dem faschistischen Regime: deutsches Fernsehen 1933–1945
Entwicklungsmöglichkeiten des Fernsehens
British Intelligence Objectives Subcommittee (BIOS) Final Report # 867: Television Development and Application in Germany
Autoren
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Die Anfänge des Deutschen Fernsehens: Kritische Annäherungen an die Entwicklung bis 1945 [Reprint 2012 ed.]
 9783110918755, 9783484340305

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MEDIEN IN FORSCHUNG + UNTERRICHT Serie A Herausgegeben von Dieter Baacke, Wolfgang Gast, Erich Straßner in Verbindung mit Wilfried Barner, Hermann Bausinger, Hermann K. Ehmer, Helmut Kreuzer, Gerhard Maletzke Band 30

William Uricchio (Hg.)

Die Anfänge des Deutschen Fernsehens Kritische Annäherungen an die Entwicklung bis 1945

α Max Niemeyer Verlag Tübingen 1991

CIP-Titelaufnahme der Deutschen Bibliothek Die .Anfänge des Deutschen Fernsehens : kritische Annäherungen an die Entwicklung bis 1945 / William Uricchio (Hg.). - Tübingen : Niemeyer, 1991 (Medien in Forschung + Unterricht: Ser. A ; Bd. 30) NE: Uricchio, William [Hrsg.]; Medien in Forschung und Unterricht / A ISBN 3-484-34030-4

ISSN 0174-4399

© Max Niemeyer Verlag GmbH & Co. KG, Tübingen 1991 Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Printed in Germany. Druck: Weihert-Druck, Darmstadt. Einband: Heinr. Koch, Tübingen

INHALT William Uricchio Einleitung

1

Manfred Hempel Fernsehleute im Spannungsfeld zwischen Fortschritt und Reaktion — über das Wirken deutscher Wissenschaftler, Politiker und Künstler auf dem Gebiete des Fernsehens von den historischen Anfängen bis 1945

13

Knut Hickethier Das Fernsehspiel im Dritten Reich

74

Knut Hickethier Fernsehspiele im Programm des Fernsehsenders "Paul Nipkow" Berlin, 1936-1941

124

Friedrich P. Kahlenberg Von deutschem Heldentum: Eine Film-Kompilation für das Fernsehen aus dem Jahre 1936

143

Monika Eisner, Thomas Müller, Peter Spangenberg Der lange Weg eines schnellen Mediums: Zur Frühgeschichte des deutschen Fernsehens

153

Peter Hoff "... das Bild des Führers in alle deutschen Herzenl" Das frühe deutsche Fernsehen als Gegenstand und als Medium der nationalsozialistischen Propaganda — eine "nicht bestellte Erfindung"

208

William Uricchio Fernsehen als Geschichte: Die Darstellung des deutschen Fernsehens zwischen 1935 und 1944 . . . .

235

Erwin Reiss Zum ORGANisationsprinzip TELEVISION. Von der Unverträglichkeit eines Mediums mit dem faschistischen Regime: deutsches Fernsehen 1933-1945

282

Kurt Wagenführ Entwicklungsmöglichkeiten des Fernsehens

312

British Intelligence Objectives Subcommittee (BIOS) Final Report # 867: Television Development and Application in Germany

320

Autoren

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VI

Hiermit möchte ich all denjenigen danken, die mir bei der Herstellung dieses Bandes in der einen oder anderen Form geholfen haben. Vor allem gilt dies für die folgenden Damen und Herren: Frances Calvert, Beate Engel-Doyle, Dr. Angsar Diller, Dr. Gerhard Goebel, Manfred Hempel, Arthur Hungerford, Prof. Dr. Friedrich Kahlenberg, Prof. Dr. K.R.M. Short, Dr. Rüdiger Steinmetz, Heidi Thompson, Angelika Trotter, Andrea Brunnen-Wagenführ, Dawn Walnoha, Karin Wenzel, und Prof. Dr. Siegfried Zielinski. Gertrud Rath-Montgomery danke ich für die Korrektur des gesamten Manuskripts. Die Essays von Monika Eisner / Thomas Müller / Peter M. Spangenberg, Manfred Hempel, Knut Hickethier und Peter Hoff wurden zum ersten Mal in The Historical Journal of Film, Radio and Television, 10:2 (1990) veröffentlicht, und erscheinen hier mit Genehmigung des Journals. Ausschnitte des Essays von Uricchio erschienen in Wide Angle, 11:1. Das Projekt wurde teilweise von der Fulbright Kommission Deutschland und dem Pennsylvania State University Institute for Arts and Humanistic Study unterstützt.

William Uricchio

1 William Uricchio (University Park, Pa) Einleitung

Wie bei jeder historischen Studie war die Entstehung dieses Bandes tief geprägt durch den historischen Prozeß seiner eigenen Herstellung. Diese Sammlung von Essays, die das deutsche Fernsehen vor 1945 zum Thema haben, d.h. das Fernsehen vor der Spaltung dc»r Nation und der Kultur in oftmals ideologische Oppositionen, geht gerade zum Zeitpunkt der deutschen Wiedervereinigung in Druck. Die Essays, von denen die meisten noch in den Monaten geschrieben wurden, bevor die rapiden Schritte in Richtung Wiedervereinigung möglich erschienen, reflektieren die charakteristischen wissenschaftlichen Ansätze und Grundlagen, die aus den der "Stunde Null" folgenden Jahren hervorgingen. Eine Vielfalt von Perspektiven, Voraussetzungen, analytischen Strategien und Archlvguellen wird auf diese Weise mobilisiert, um die Produktions- und Rezeptionskonditionen eines ' bedeutenden und häufig übersehenen Zeitraums in der Rundfunkgeschichte kritisch zu untersuchen — das deutsche Fernsehen vor 1944. Diese Essays wollen nicht nur das Bild vom deutschen Fernsehen vervollständigen, sondern sie geben auch analytische Einblicke in Deutschlands einzigartige Rundfunkgeschichte und liefern neue Einsichten in einen besonderen historischen Moment, während sie gleichzeitig verschiedene analytische Ansätze enthüllen, dia zur Konstruktion einer Mediengeschichte beitragen. Daß der selbstproklamierte "erste" Rundfunk der Welt mit regulärem Fernsehdienst häufig übersehen wurde und wird, ergibt sich aus einer vielschichtigen Reihe von Umständen, von denen viele den

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späteren Zugang zu den Ereignissen, die die Entwicklung das Fernsehens umgeben, bestimmt haben. Das Deutsche Fernsehen begann verfrüht, geprägt durch tief verwurzelte wirtschaftliche, nationale und militärische Kräfte und gleichzeitig angespornt von utopischen Visionen und nationalen Sicherheitsinteressen. Eine Reihe von Institutionen (vom Postministerium bis zur Elektronikindustrie) und Personen (Techniker, Militärspezialisten, Ideologen) rangen um den Anspruch, der "erste" Fernsehdienst der Welt zu sein, und erzwangen dadurch die stolze Verkündigung einer Vorrangstellung, mit der von einem nahezu veralteten -technischen Standard von 180 Zeilen und einer Sendezeit von weniger als zwei Stunden pro Tag abgelenkt wurde.1 Trotz eines ersten Jahres "regulären öffentlichen" Fernsehens, das nicht zu unterscheiden war von dem, was andere Nationen "experimentell" nannten, und trotz anfänglicher Streitereien um die Zuständigkeiten zwischen dem Luftfahrts-, Post- und Propagandaministerium, zeigten sich stetige technische und programmbezogene Fortschritte. Durchbrüche in der Hochvakuumsröhrentechnik, die Benutzung der Großbildflächenprojektion, die ständig wachsende Zahl der Kabelanschlüsse in großen Städten und die Umstellung auf ein 441-Zeilensystem resultierte in sichtbarem Fortschritt, der jedoch wenig dazu beitrug, eine Öffentlichkeit, die für die Zukunft bereit und mit dem langsamen technischen Fortschritt des Fernsehens unzufrieden war, versöhnlich zu stimmen. Fortschritte in

Am 22. März 1935 verkündete der Reichssendeleiter Eugen Hadamovsky: "Heute beginnt der nationalsozialistische Rundfunk in Zusammenarbeit mit der Reichspost und der deutschen Industrie als erster Rundfunk den regelmäßigen Programmbetrieb. Einer der kühnsten Menschheitsträume ist verwirklicht worden " Zitat Hadamovskys in Mitteilung der Reichs-Rundfunk-Gesellschaft, 460 (30 März 1936).

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der Programmgestaltung zeigten sich jedoch in der in weiten Kreisen bekanntgemachten Berichterstattung über die Olympiade 1936 und einem längeren, zunehmend abwechslungsreicheren Programmtag, der sich aus Nachrichten, Tagesereignissen, Fernsehspielen, Filmen, Varietevorstellungen, Gymnastikprogrammen usw. zusammensetzte. Jedoch auch diese Entwicklungen entsprachen nicht den Erwartungen der Öffentlichkeit. Der Grund dafür war nicht etwa ein Sendeablauf, der an sich enttäuschend oder belanglos war, sondern wieder einmal die Realität, die in keiner Weise den Erwartungen an das Fernsehen entsprach, die im vorangegangenen Jahrzehnt intensiv geweckt worden waren. Außerdem weisen Schätzungen darauf hin, daß insgesamt nur 600 bis 1000 Fernsehempfänger in Betrieb genommen wurden und somit individueller Besitz und selbst ein regelmäßiges Zuschauerpublikum ausgeschlossen wurden. Die Situation des deutschen Fernsehens wurde durch ein eigenartiges Schema charakterisiert, welches den Heimkonsum von Sendungen auf eine Handvoll von Kritikern, Parteifunktionären- und Ministerialbeamten beschränkte, während das allgemeine Berliner Publikum in einer kollektiven Umgebung fernsah. Wie vieles andere in der Entwicklung des Mediums reflektiert die Einrichtung von Fernsehsälen (mit zwischen 40 und 400 Sitzplätzen) eine Vielzahl widersprüchlicher Motive. Teile des sozialistischen Flügels der NSDAP befürworteten diese Strategie, bis Geräte preiswert genug und für jedermann erhältlich waren; Teile des Propagandaministeriums waren der Meinung, daß die Kollektivrezeption klare strategische Vorteile gegenüber der leichter zustandegebrachten unkontrollierbareren Heimrezeption hatte; und die Elektronikindustrie wartete die offizielle Anpassung an einen 441-Zeilen-Standard ab, bevor sie mit der Massenproduktion von Geräten begann. In gleichem Maße wichtig ist die Feststellung, daß hinsichtlich der genauen

4 Definition der einzigartigen Qualitäten des Mediums und somit seiner Verbreitungsart eine grundlegende Ambiguität bestand. 1939, kurz nachdem die ersten Aufträge für massenproduzierte, preiswerte Empfänger unter den führenden Elektronikherstellern aufgeteilt worden waren, führte der Krieg eine nicht ganz unerwartete Wende ein. Eines der zentralen Motive der langfristigen staatlichen Investitionen in die Fernsehforschung, sein Militärpotential, trat endlich aus dem Schatten hervor. Die Produktion von Zivilempfängern endete, kaum daß sie begonnen hatte, da die Elekronikhersteller höheren Gewinn bringende Verträge mit dem Militär schlossen. Die Entwicklung der Fernsehtechnologie beschleunigte sich, die zuvor verborgenen Fragen über die militärische Anwendbarkeit wurden nun richtungsweisend. Hochpräzise (1029 Zeilen) Bildtechnologie versprach eine erfolgreiche Anwendung zur Nachrichtensammlung; Miniaturkameratechnologie konnte in Bomben, Raketen und Torpedoführungssystemen angewandt werden; und selbst die ehemals "öffentliche" Fernsehgestaltung zur Unterhaltung konnte den ins Krankenhaus eingelieferten Soldaten zugute kommen. Ungeachtet der früheren Bemühungen verschiedener Interessengruppen, Kontrolle über Fernsehübertragungen zu erlangen, ebnete der Krieg ironischerweise den Weg zu einer Reihe von etwas autonomeren Entwicklungen in bezug auf die alltägliche Rundfunkoperation. Ständige Fortschritte in Programmvielfalt und Produktionsstandard, zusammen mit der Ausdehnung des Fernsehdienstes auf Paris und Plänen für ein europäisches Nachkriegs-Rundfunksystem, charakterisierten diesen Zeitabschnitt, in dem das öffentliche Profil des Fernsehens kaum erkennbar war. Obwohl sein Publikum selten über Berlin hinausging und obwohl sogar in Berlin selbst die reguläre Zuschauerschaft, zumindest bis zum Krieg, stark begrenzt war, wurde

5 die Existenz des Fernsehens aktiv gefördert. Hunderttausende sahen die Berichterstattung von der Olympiade und der alljährlichen Berliner Funkausstellung im Fernsehen, und etliche mehr lasen darüber in der Volksund Fachpresse. Doch trotzdem scheint in den Nachkriegsjahren die Existenz des Fernsehens vor 1945 größtenteils in Vergessenheit geraten zu sein. Die Entwicklung des deutschen Fernsehens, die Verflechtung von Privatindustrie, Technologie, divergierenden Interessengruppen in Politik und Regierung und nationalen Mythen, resultiert in einem Moment der Komplexität und Überdetermination, der nicht nur medienspezifische Fragen (an sich schon zwingend) enthüllt, sondern auch das Ineinanderwirken größerer historischer Kräfte demonstriert. Daß diese Entwicklungen dem öffentlichen Bewußtsein, besonders außerhalb Deutschlands, wo konkurrierende nationale Mythen dominierten, entfallen sind, bezeugt ihren außergewöhnlichen geschichtlichen Charakter. Als historisches Thema, als Erzählung am Rande des Bewußtseins der Öffentlichkeit, geht daher der Prozeß des historischen Ab- oder Uberlebens des deutschen Fernsehens und die Geschichte seiner Re-Präsentation selbst als Thema hervor. Das Vorhaben historischen Nachforschungen, unabhängig davon, ob sie sich auf eine Mentalitäts-, Technologie-, Institutions- oder Mythengeschichte beziehen, -- ist im Falle des deutschen Fernsehens aus mehreren Gründen besonders schwierig. Der Umfang des Problems läßt sich durch die geringe Aufmerksamkeit, die diesem Moment der Rundfunkgeschichte gewidmet wurde, sowie durch seinen außergewöhnlichen Charakter bei näherer Betrachtung veranschaulichen. Dieser Band versucht, sich diesem Problem durch die Präsentation eines Mosaiks verschiedener Methodologien, Zeugnisse und Perspektiven der frühen Entwicklung des

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deutschen Fernsehens zu widmen. Außerdem versammelt er, am Vorabend der nationalen Vereinigung, aktuelle Forschungsergebnisse aus beiden Teilen Deutschlands und aus der Fülle der west- und ostdeutschen Archive. Angesichts der durch die langjährige Teilung Deutschlands auferlegten Verzerrung der frühen deutschen Fernsehgeschichte, trägt dieser Band einen entscheidenden Schritt zu ihrer kritischen Hinterfragung bei, durch das Nebeneinander von wissenschaftlichen Beiträgen beider deutscher Traditionen. Die Essays unterteilen sich in zwei manchmal ineinandergreifende Gruppen: in jene, die im Wesentlichen von Themen handeln, die die Produktion betreffen, und jene, die sich größtenteils mit der Rezeption beschäftigen. Manfred Hempels Artikel konzentriert sich auf die Position deutscher Fernsehpioniere, die zwischen fortschrittlichen und reaktionären Kräften gefangen waren. Die bedeutenden Beiträge von Einzelpersonen zur Vorstellung der sozialen Funktion des Fernsehens vor seiner Verankerung in eine bestimmte Form, zu den technischen Voraussetzungen des Fernsehens und zum andauernden ideologischen Streit über die Art der Produktion und Benutzung, werden in Zusammenhang mit dem wachsenden Druck durch den faschistischen Staatsapparat und dem Monopolkapitalismus untersucht. Hempel macht auf die Kompliziertheit der allzuoft eindimensional betrachteten Rolle der NSDAP und des Kapitals der Aktiengesellschaften aufmerksam, indem er die oftmals übersehene Dialektik zwischen individueller und institutioneller Auslegung eines konkreten geschichtlichen Moments anspricht. Neben der Darstellung einer umfangreichen Geschichte individueller Bewältigung und individuellen Widerstands liefert Hempel auch neue Zeugnisse und Einsichten in technische, geschäftliche und kreative Gesichtspunkte der

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Fernsehproduktion, die er DDR-Archiven entnommen hat. Knut Hickethiers Artikel über das Fernsehspiel benutzt diese bestimmte Sendeform als Mittel, die Entwicklung des Mediums in Hinsicht auf Produktion, Programmgestaltung und Technologie zu untersuchen. Hickethier vertritt den Standpunkt, daß das Fernsehspiel der Maßstab wurde, an dem die Möglichkeiten des Fernsehens gemessen wurden. Von noch größerer Wichtigkeit war, daß das Fernsehspiel als Brennpunkt in den Debatten über die Identität des Fernsehens, als ein von Film und Radio abgesondertes Medium diente, eine Identität, die sich durch die Wechselbeziehung von Produktionsqualität, "signifying practices" und Technologie bestimmen läßt. Diese Konzentration auf ein bestimmtes Genre widerspricht einem weiten Spektrum von Interessen und enthüllt so die Wechselwirkung von Individuen, Technologie und Politik sowie ihre Manifestation in bestimmten Sendungen. Dieses Essay wird durch eine vollständige, mit Anmerkungen versehenen Liste aller bekannten, zwischen 1936 und 1941 produzierten und gesendeten Fernsehspiele ergänzt. Friedrich P. Kahlenbergs genaue Analyse der 1936 für das Fernsehen gedrehten Film-Kompilation Von deutschem Heldentum weist nicht nur auf die Beziehung zwischen der UFA und der Reichs-Rundfunk-Gesellschaft (RRG) hin, sondern bietet auch einen seltenen Einblick in eine Art Sendung, die einen hohen Prozentsatz des frühen deutschen Rundfunks ausmachte. Kahlenbergs Essay ist deshalb besonders wichtig, weil es eines der dringendsten Probleme anspricht, mit dem sich Forscher auf diesem Gebiet konfrontiert sehen: praktisch keine Fernsehsendungen sind unbeschädigt erhalten geblieben. Von deutschem Heldentum zeigt nicht nur die frühen Strategien und Praktiken des Fernsehens als Mittel offener Propaganda, sondern auch das Problem der Mediumspezifität des Fernsehens, welches in Hickethiers Essay angesprochen wird. Diese UFA-

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Produktion benutzt das Fernsehen, zum Teil auf Grund ihres frühen Entstehungsdatums, einfach als Mittel zur Verbreitung und Vorführung; seine "signifying practices" bleiben jedoch dem Film verhaftet. Das Feld der Rezeption umfaßt die Umstände, unter welchen das Publikum seinen Erwartungshorizont erweitert, die Reaktionen dieser verschiedenen Zuschauergruppen und die Prozesse, die diese Erwartungen und Reaktionen historisch geprägt haben. Durch die selektive Filterung der vorhandenen Zeugnisse durch die Herrschenden wird dieses Bestreben viel schwieriger gemacht. Die Mediengeschichte leidet im allgemeinen an der Aufwertung und dem sich daraus ergebenden Fortleben institutionalisierter Reaktionen — den in Zeitungen, Handelsblättern, Unternehmensund Regierungsakten dargestellten Anschauungen — üblicherweise auf Kosten der unsystematischen, nicht erfaßten vereinzelten Reaktionen individueller Zuschauer. Ein Resultat dieser einseitigen Ausrichtung ist die Trennung der umfassenden sozialen Phänomene von den Auffassungen, die sie manifestieren. Während also Zeugnisse hinsichtlich der Herstellung und des Verkaufs von Fernsehempfängern leicht zugänglich sind, würden die weiteren sozialen Determinanten dieser Produktion und die Nachfrage auf dem Markt höchstwahrscheinlich übersehen werden, was die These, die sich auf korporativen Diskurs und korporative Politik konzentriert, stützt, und die bedeutende Streitfrage, ob die Öffentlichkeit das Fernsehen überhaupt wollte, ignoriert. Die frühe Geschichte des Fernsehens, besonders in Relation zu seinem utopischen Charakter und im Kontrast zu anderen "neuen" Medien wie Radio und Film, trägt viel dazu bei, das mangelnde Interesse der deutschen Öffentlichkeit zu erklären. Monika Eisner, Thomas Müller und Peter M. Spangenberg gehen in ihrem Artikel der Entwicklung und

9 Geschichte einer Mentalität nach, in dem sie die verbreiteten Vorstellungen über das Fernsehen des frühen 20. Jahrhunderts untersuchen. Die Vielfältigkeit und Intensität der Erwartungen spielten der Elektronikindustrie in die Hände und vereitelten gleichzeitig viele greifbare Durchbrüche dieser Industrie. Für viele hatte die Realität der Fernsehübertragung wenig gemeinsam mit den Vorstellungen, die man mit dem Medium verknüpft hatte. Wie Hickethiers Essay in einem anderen Zusammenhang demonstriert, entwickelte sich die Identität des Fernsehens als eigenes Medium zur Hauptfrage der Debatte, sowohl für Teile der Öffentlichkeit als auch für die Fernsehindustrie. Eisner, Müller und Spangenberg betrachten die Identitätsfrage als Teil der umfassenderen Rezeptionsbedingungen, anhand einer provokativen Analyse und gestützt auf weitreichende Zeugnisse und Dokumente. Einer der wiederkehrenden Komponenten des Diskurses über das deutsche Fernsehen, der auch in den Nachkriegsjahren wieder aufgetaucht ist, betrifft die "deutsche Fernsehlegende". Peter Hoff erörtert diese Legende, die unter anderem behauptet, daß das Fernsehen, auf Grund der 1884 an Paul Nipkow ausgegebenen Patente, in Deutschland erfunden wurde. Diese Legende wird durch andere Komponenten, wie z.B. den "friedlichen" Absichten des Staates hinsichtlich der Nutzung des Fernsehens, wie bei der Olympiade 1936 demonstriert wurde, kompliziert. Diese Behauptungen ignorieren das eindeutig vorhandene multinationale Netz von Patenten, Lizenzierungen und die Tatsache, daß die "deutsche" Olympiadeübertragung als Fassade für RCA (Telefunken) und Baird/Farnsworth (Fernseh, A.G.) diente. Sie ignoriert ebenfalls die klare militärische Verbindung in der Forschung und Entwicklung des Fernsehens. Hoff weist darauf hin, daß diese oben genannten Behauptungen für die propagandistische Strategie des Reichs typisch waren: es wurde unter anderem lauthals

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Anerkennung gefordert für das Fernsehen als Demonstration deutschen technischen Könnens und seiner Verpflichtung zum Weltfrieden, aber tatsächlich zeigte die minimale staatliche Unterstützung seine Unerwünschtheit und Unzuverlässigkeit als Propagandamedium. Über das Fernsehen reden erwies sich dem Staat viel nützlicher als die wahre Funktion des Mediums. Die Diskurse über das frühe Fernsehen ergaben sich aus einer Reihe von Konkurrenzkämpfen zwischen verschiedenen Regierungsabteilungen, korporativen und politischen Interessengruppen und den divergierenden Mentalitäten eines Technikers, Ideologen, Kommunikationsspezialisten und Kapitalisten. Die daraus resultierenden Bedingungen der Produktion und Rezeption , beeinflußt von den Aktionen historischer Kräfte, die selektiv manche Entwicklungen förderten und andere ignorierten, erschienen in der Nachkriegszeit so voller Widersprüche, daß ein Beiseitelegen des Problems dem beschwerlichen Weg einer Hinterfragung vorziehbar erschien. William Uricchio betrachtet diesen Prozeß in seinem Essay, indem er unter anderem den sich überlappenden und oftmals konkurrierenden Rollen, die die verschiedenen Interessengruppen in der Gestaltung der öffentlichen Erscheinung des Fernsehens spielten, besondere Aufmerksamkeit schenkt. Die Implikationen dieser nationalen und multinationalen Einflüsse auf die spätere Rezeption, sowie auch auf Forscher der Nachkriegszeit, werden in diesem Versuch, die historische Rezeption des Fernsehens als eigenständige Quellensammlung zu betrachten, ebenfalls kurz untersucht. Die Umgebung, in der frühe Fernsehrezeption stattfand, scheint nicht nur mit dem Entstehen spezifischer Technologien und Institutionen tief verknüpft zu sein, sondern auch mit einer besonderen "Massen"Mentalität. Erwin Reiss untersucht die Resonanz des Versprechens und die Realität des Fernsehens im Hinblick

11 auf gleichzeitige technische Errungenschaften (Telefon, Film usw.) und verschiedene Stränge seiner kulturellen Implikationen. Fragen der Identität und Identifikation, der Mentalität und der Gestaltung von Kultur, und Fragen bezüglich des Begriffsraumes, der von der Entwicklung des Fernsehens eingenommen wurde, bilden den Kern dieses beziehungsreichen Essays. So werden z.B. die Verbindungen zwischen dem Luft-, Post- und Propagandaministerium in ihrem Bemühen, die Rollen verschiedener "neuer" Medien und Kommunikationssysteme genau zu bestimmen, erneut betrachtet, wobei das Fernsehen nur eine von vielen Kommunikationsarten unter der Kontrolle der Ministerien ist. Die Erörterung des Prozesses der Mentalitätskonstruktion in der Massenkultur und die Rolle des Fernsehens in kulturellen Prozessen des Krieges, Massenspektakel, Konsumerverhalten und der Massenidentität, formuliert auf spekulativ-theoretischer Ebene viele der in früheren Essays erhobenen Streitfragen aufs neue. Diese Sammlung enthält zwei Beispiele historischer Rezeption. Das erste, ein Essay von Kurt Wagenführ, einem Fernsehkritiker des besprochenen Zeitabschnitts, ist eine bemerkenswert vorausschauende Analyse der Möglichkeiten des Fernsehens im Jahre 1939. Während seine Analyse des Sendeauswahlverfahrens die Entwicklung in der Nachkriegszeit zu prophezeien scheint, ergänzt seine Sensibilität gegenüber den Identitätsproblemen des Fernsehens die Beiträge von Hickethier, Eisner, Müller und Spangenberg in eindrucksvoller Weise. Das zweite Beispiel, dem Bericht des British Intelligence Objectives SubCommittee (BIOS) aus dem Jahre 1946 entnommen, skizziert die Ergebnisse einer Feldgeheimdiensteinheit bei ihrer Untersuchung des deutschen Reichspost-Fernsehlabors in Aach. Der Bericht ist kennzeichnend für Ansätze anderer technischer Geheimdienstätigkeit in der unmittelbaren Nachkriegszeit und dient als nützliches Kompendium für

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Informationen über die oftmals undokumentierten letzten Jahre des deutschen Rundfunks im Dritten Reich. Ebenso enthüllen die Berichte ihren eigenen Status der Rezeption einer bestimmten Subkultur von Technikern und Geheimdienstanalytikern. Diese Essaysammlung versammelt also einige der wichtigsten neuen Werke über einen besonderen Zeitraum in der Geschichte des Mediums Fernsehen und enthüllt dabei eine Reihe von Perspektiven, die in einem gleichermaßen bedeutenden historischen Moment verankert sind. Diese Kooperation von Wissenschaftlern aus der früheren DDR, der BRD und den USA ist hinsichtlich des für vezerrte Darstellungen anfälligen Themas besonders bedeutend. Es bleibt zu hoffen, daß die Grenzen unserer individuellen "Visionen" durch verstärkte Kommunikation überwunden werden können.

(Aus dem Amerikanischen von Angelika Trotter)

Manfred Hempel

(Berlin-Adlershof)

Fernsehleute im Spannungsfeld zwischen Fortschritt und Reaktion - über das Wirken deutscher Wissenschaftler, Politiker und Künstler auf dem Gebiete des Fernsehens von den historischen Anfängen bis 1945 1

Das Fernsehen der Deutschen Demokratischen Republik begann am 21. Dezember 1952 als fünfte Station in Europa nach dem Fernsehen der UdSSR, Großbritanniens, Frankreichs und der Niederlande mit regelmäßigen öffentlichen Programmsendungen. Es folgt historisch jenem früheren deutschen Fernsehen der Jahre zwischen 1935 und 1944. Diejenigen, die heute in der sozialistischen deutschen Fernseh-

Die Gesamtentwicklung des deutschen Fernsehens von den historischen Anfängen bis 1945 wurde aus marxistisch-leninistischer Position erstmals vom Verfasser dargestellt: Der braune Kanal, Berlin 1969, S. 237 sowie (1970/1981) "Fernsehen unterm Hakenkreuz" in Mitteilungen des Postmuseums der DDR Band 3/4 (1970), S. 31-75, und Band 5 (1981), S. 49-80. Diese Publikationen enthalten u.a. Ausführungen zum Empfang der Programme, zur Konkurrenz Fernsehen Kino und zum Fernsehbetrieb Paris, die in den folgenden Darlegungen ausgespart bleiben. Deren Eingrenzung wurde so gewählt, weil vor allem im Hinblick auf ein stärker differenziertes Bild vom Ringen der Fernsehleute um einen fortschrittlichen, sozialen Gebrauch ihres Sendemediums neue Einschätzungen vorliegen. Sie stammen nicht - wie zuweilen unterstellt - aus konjunkturbedingten, pragmatischen Umdeutungen. Sie sind vielmehr normale Resultate tieferen Eindringens in die historischen Prozesse. Sie sind Ergebnisse wachsenden Bemühens, alles zu erschließen, was irgendwie zur Entwicklung des Fernsehens beigetragen hat und sei es noch so widersprüchlich ausgeprägt gewesen. Aber der Verfasser möchte auch schlicht bekennen, daß er beherzigt hat, was der Nestor der deutschen Fernsehgeschichtsschreiber, Oberpostrat a.D. Gerhart Goebel, jüngeren Fachhistorikern rät: "Scheut Euch nicht, auch Fehler in früheren eigenen Arbeiten zuzugeben und zu berichtigen 1" (Vgl. "Gedanken zur Fernsehgeschichte" in Mitteilungen des Arbeitskreises Rundfunk und Geschichte, Heft 3, 1978, S. 84-87.)

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organisation2 arbeiten, haben sich dieses Stück Vorgeschichte ihrer Tätigkeit nicht aussuchen können. Als Fernsehleute, die für einen Staat wirken, in dem Antifaschismus ebenso Regierungspolitik ist wie Lebenshaltung in alle Schichten des Volkes, sehen sie sich beim Blick in die Vergangenheit ihrer Wirkungsstätte3 voller Abscheu mit Untaten des Hitlerfaschismus konfrontiert. Sie entdecken aber auch von Jahr zu Jahr immer mehr Dokumente, die bezeugen, daß ihnen auf vielfach verschlungenen Wegen des Fernsehens vor 1945 bemerkenswerte Menschen vorangeschritten sind. Aus dieser Sicht sollen die folgenden Darlegungen beitragen, das Wissen um die Geschehnisse der Fernsehfrühzeit weiter zu vervollkommnen und aufmerksam zu machen auf Namen und Schicksale, die es verdienen, daß sich die Nachwelt ihrer erinnert.

Die vollständige Bezeichnung lautet "Staatliches Komitee für Fernsehen beim Ministerrat der DDR". Komitee-Vorsitzender ist Heinz Adameck, Mitglied des Zentralkomitees der Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands. Er steht seit 1954 an der Spitze der sozialistischen Fernsehorganisation. Dem volkseigenen Betrieb "Fernsehen der DDR", einer Einrichtung des Staatlichen Komitees, gehören 5500 Fernsehschaffende an. Ihre Tätigkeit unterstützen weiter 2400 Angehörige der "Studiotechnik Fernsehen", eines zentralen Amts der Deutschen Post. Die Fernsehorganisation der DDR ist Mitglied der PIRT und der INTERVISION. Sie arbeitet eng mit den Fernsehzentren der sozialistischen Staaten zusammen. Darüber hinaus unterhält das Fernsehen der DDR Beziehungen zu mehr als 50 Fernsehgesellschaften in aller Welt. Das Fernsehzentrum der DDR im Südosten ihrer Hauptstadt wurde in den fünfziger Jahren auf dem ältesten deutschen Luftwaffen-Erprobungsgelände, dem Flughafen Adlershof und dem südlich angrenzenden Areal der Adlershofer Deutschen Versuchsanstalt für Luftfahrt, errichtet. Hier stand eine Wiege militärischer Fernsehanwendungen für die Kriegsziele des Hitlerregimes .

15 Schöpfer wissenschaftlich-technischer Errungenschaften des Fernsehens in der politischen Entscheidung "Zum Sehen geboren, zum Schauen bestellt"4 ist der Mensch. Ganz natürlich nahmen die ersten, die nach Möglichkeiten suchten, fernzusehen — nicht optisch unmittelbar, sondern elektrisch vermittelt — , vom Menschenauge den Bauplan: der Amerikaner George R. Carey 1875, der Franzose Constantin Senlecq 1876, der Portugiese Adriano de Paiva 1878. Ihre Vorschläge beruhten sendeseits — wie die lebendige Vorlage — auf flächig angeordneten lichtempfindlichen Zellen. Empfangsseitig sollten Leuchtelemente eine Fläche bilden. Senlecq gab 1881 an, wie die in den Einzelzellen der Aufnahmeseite gespeicherten Ladungen nacheinander abgefragt werden sollten und wie aus dem entstehenden Signalstrom der Bildaufbau auf der Wiedergabeseite zu steuern war.5 Aus diesem konstruktiven Gedanken eines Fernsehens auf Rastertafeln entwickelte 1883 der französische Publizist und Karikaturist Albert Robida seine phantasievollen Streifzüge durch das Reich

Johann Wolfgang von Goethe, Faust, Vers 11.288/ 11.289. Vgl. Walter Friedel, "Die Anfänge des elektrischen Fernsehens" in Funkbastler, Heft 7, 1930. Friedel stellt fest: "Den ersten wirklich ausführbaren Apparat schlug im Jahre 1881 Senlecq vor ..." (Ebd., S. 110) Er führt aus, daß sich der französische Techniker schon früher mit dem Fernsehgedanken befaßt habe, und hebt den 1881 erreichten Erkenntnisfortschritt hervor: "Das wichtigste an dem Apparat war . .. eine Einrichtung, die es trotz der Vielzellentafeln ermöglichte, mit einer einzigen Fernleitung auszukommen." (Ebd.) Constantin Senlecq wollte die Bildelemente von beiderseits gleicher Lage über einen rotierenden Umschalter verbinden. Damit löste er als erster theoretisch die Aufgabe, Bildflächen in einen Signalstrom zu verwandeln und aus ihm wieder aufzubauen. Technisch zeitgemäß, genial zu nennen, ist seine Problemlösung mittels einfacher mechanischer Drehbewegung. Eben jene geistige Leistung wird oft dem Deutschen Paul Nipkow zugeschrieben, der seinen Vorschlag erst 1884 zum Patent angemeldet hat.

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der Fernsehmöglichkeiten.6 Bilder fernen Geschehens, zur Information und Unterhaltung auf großen, selbstleuchtenden Flächen zu empfangen — dieser originellen Grundidee folgten auch deutsche Wissenschaftler. Der dreißigjährige Otto von Bronk7 erhielt 1902 das Patent auf eine konstruktive Lösung.8 In der Patentschrift entwickelte er außerdem als erster das Prinzip der Sensorenzeile. Dem erdachten Modell versuchten ab 1906 die jungen Physiker Friedrich Lux und Ernst Ruhmer9 apparative Gestalt zu geben, indem sie Vielzellenraster bauten. Ruhmer konnte am 26. Juni 1909 in Berlin das technische Prinzip Fernsehen erstmals öffentlich vorführen.10 Von Ruhmer stammt auch der Gedanke, die Bildpunktlagen auf Sende- und Empfangsraster durch jeweils fest zugeordnete elektrische Werte auszudrücken. Die von ihm entwickelte Anlage konnte Aufsehen auch auf der Weltausstellung 1910 erregen. Aber Unterstützung im eigenen Lande blieb aus, weil hier Generale und Großunternehmer jeden neuen technischen Vorschlag

Vgl. Alfred Robida, Le Vingtieme Siecle, Paris 1883. Robida stellte sich vor, daß Fernsehaufnahmen auf riesigen Tafeln an belebten Plätzen zu sehen sein würden oder im Heim der Zuschauer. Den Heimfernseher beschrieb er so: "Das Gerät besteht in einer einfachen Kristallscheibe, die in eine Zimmerwand eingefügt oder wie ein Spiegel über den Kamin gehängt wird." (Ebd., S. 56) Deutscher Physiker. Geboren am 29. Februar 1872 in Danzig; gestorben am 5. August 1951 in Berlin. - Der Sohn eines Großgrundbesitzers gründete 1896 in Berlin ein Laboratorium für Röntgenstrahlentechnik, drahtlose Telegrafie und Telefonie, in dem er auch Geräte dieser Einsatzgebiete herstellte. Otto von Bronk, DRP 155 528, 12. Juni 1902. Deutscher Physiker. Geboren am 15. Dezember 1878 in Berlin; gestorben am 8. April 1913 in Berlin. Der Sohn eines Erfinders und Fabrikanten studierte von 1897 bis 1900 in Berlin und 1901 in Gießen Mathematik und Naturwissenschaften. 1904 gründete er im Berliner Südwesten ein physikalisches Privatlaboratorium. Vgl. Ernst Ruhmer, "Fernsehen" in Elektrotechnische Zeitschrift, 11. Jg./1909, S. 648.

17 allein aus dem Blickwinkel künftiger Kriegführung prüften. Als das Wettrüsten seinem Höhepunkt zustrebte, lag das fortschrittliche Streben nach einem Fernsehen zur Information und Unterhaltung kaum noch im Bereich des Denkbaren. Erst der von Deutschland ausgegangene Weltkrieg, mehr noch sein Ende, änderten bei den Machthabern die Einstellungen zum Senden an die Volksmassen. Der erste Funkruf des Kreuzers "Aurora", den im Oktober 1917 das von Lenin geleitete Revolutionäre Militärkomitee "An die Bürger Rußlands" richtete, und die folgenden Funkmitteilungen "An Alle!" kündigten jene Weltenwende an, über die Karl Marx vorausgesagt hatte, daß "eine neue Gesellschaft entsteht, deren internationales Prinzip der Friede sein wird, weil bei jeder Nation dasselbe Prinzip herrscht — die Arbeit/"— Die Volksmacht im Sowjetland nutzte die ehemaligen Militärfunkstationen, um den Völkern der Welt ihre Friedenspolitik bekanntzumachen. Ihre Presse begann, sich von "einem Organ, das vorwiegend politische Tagesneuigkeiten meldet, zu einem ernsten Organ ökonomischer Erziehung der Volksmassen zu"12 entwickeln und "an erste Stelle ... die Fragen der Arbeit in ihrer unmittelbar praktischen Form"13 zu stellen. Lenin wünschte sich eine "in Hunderttausenden und Millionen Exemplaren verbreitete Presse die . . ., die gesamte Bevölkerung mit der musterhaften Organisation der wenigen andere überflügelnden Arbeitskommunen des Staates bekanntmacht."14 Er sah in der Presse "ein Werkzeug, das die Massen darüber informiert, wie man die Arbeit auf neue Art organisieren muß."15

Karl Marx, "Erste Adresse des Generalrats über den Französischen Krieg" (1870), Werke, Band 17, Berlin 1962, S. 7. Wladimir Lenin, "Ursprünglicher Entwurf des Artikels 'Die nächsten Aufgaben der Sowjetmacht'" (1918), Werke, Band 27, Berlin 1960, S. 192. Ebd., S. 193. Ebd., S. 194. Ebd.

18 Wie geschaffen für diese Aufgabe mußte ihm der Rundfunk mit seiner ungeheuren, alles Dagewesene übertreffenden Verbreitungspotenz scheinen: "Die Zeitung ohne Papier und 'ohne Entfernungen', die Sie schaffen, wird eine großartige Sache sein,1,16 schrieb Lenin 1920 an Professor Michail Brontsch-Brujewitsch, dem er im ersten Jahr der Sowjetmacht ermöglicht hatte, in Nishni Nowgorod (heute Gorki) ein funktechnisches Institut einzurichten. "Ich verspreche Ihnen, Sie bei dieser und bei ähnlichen Arbeiten in jeder Weise und nach Kräften zu unterstützen."17 Zu Beginn des Jahres 1921 betonte Lenin noch einmal, es sei die Sache des Rundfunks "von kolossaler Wichtigkeit" , und er bestimmte, daß ihm der Leiter der Geschäftsstelle des Rates der Volkskommissare und des Rates für Arbeit und Verteidigung, N.P. Gorbunow, "zweimal monatlich über den Gang der Arbeiten zu berichten"18 habe. Ein solcher Bericht, formuliert vom Mitglied des Kollegiums des Volkskommissariats für Post- und Fernmeldewesen, A.M. Nikolajes, teilte im April 1921 mit, daß Bontsch-Brujewitsch ein neues "Fotoelement" erfunden habe, "welches in Verbindung mit einer Verstärkerröhre die Möglichkeit gibt, in einiger Entfernung (20 bis 30 Meter) die Abstrahlung von Radio-(Schwingungs-)-energie aufzunehmen."19 Wie Nikolajew weiter ausführte, war es mit dem Apparat möglich, daß eine Aufnahmeeinrichtung, gerichtet "auf einen Gegenstand (schwarz oder weiß) ... unter Einwirkung dieses Fotoelements mit Hilfe einer Empfangsstation ein Bild auf einen Bildschirm"20 übertrug. Man werde, so schrieb

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Lenin an Brontsch-Brujewitsch, 5. Februar 1920. Werke, Band 35, Berlin 1962, S. 413. Ebd. Lenin an Gorbunow, 26. Januar 1921. Werke, Band 35, Berlin 1962, S. 448. Wladimir Lenin, "Auftrag für N.P. Gorbunow und Vermerk auf einem Brief von A.M. Nikolajew" (1921), Briefe 1920-1921, Berlin 1970, S. 155. Ebd.

19 Nikolajew, "bei Vervollkommnung des Geräts . . . folgende Resultate erzielen: 1) auf einem Bildschirm das bewegliche Bild eines vor einem Radiotelefon sprechenden Menschen sichtbar zu machen; 2) auf Hunderte Werst Entfernung ein in Bewegung befindliches feindliches Geschwader auf dem Bildschirm widergespiegelt bekommen."21 Lenin, der als Vorsitzender des Rates der Volkskommissare zugleich den Rat für Arbeit und Verteidigung leitete, hob am Rande des Berichts den Punkt 2 mit drei Strichen hervor. Die Aussicht auf ein Frühwarnsystem zum Schutze der Landesgrenzen mußte ihn besonders interessieren.22 So setzte Lenin an diese Stelle ein Zeichen "X" hinzu und ordnete an: "Gen. Gorbunowl Helfen Sie bei der Vervollkommnung und sagen Sie mir Bescheid, wenn der Stand X

"Abwehr und Verteidigung war die Aufgabe bei der primitiven Entwicklungsstufe, auf der man das Land von dem vorherigen Zarenregime übernommen hatte." (Hans Kummerow, "Aufzeichnungen vom 21. August (1943)," zitiert nach Greta Kuckhoff, "Hans-Heinrich Kummerow" in Weltbühne, Heft 48/1969, S. 1517) So kennzeichnete der Naturwissenschaftler und Fernsehspezialist Dr.-Ing. Hans Kummerow, der seit 1917 das Entstehen der neuen Gesellschaft mit Sympathie verfolgte, die konkrete Situation. Abzuwehren waren zunächst wirtschaftlicher Boykott und politische Erpressung, die alle großen Staaten Europas sowie die USA und Japan gegen die neue Regierung ausübten. Als sie sich anschickten, die von ihren Administrationen für richtig gehaltene Lebensform mit militärischer Gewalt im fremden Land einführen zu wollen, mußten die russischen Arbeiter und Bauern ihr Recht auf Erneuerung der eigenen Gesellschaft unter blutigen Opfern verteidigen. Ende 1920 hatte die Rote Armee die Interventen an allen Fronten geschlagen, doch mußte die Sowjetmacht angesichts immer neuer Drohungen und Terrorakte weiter auf der Hut bleiben. Sie beschloß im März 1921 die teilweise Umbildung der Armee in Milizformationen zur Aufrechterhaltung der Ordnung und zur verstärkten Sicherung der Grenzen, die auf zwei Dritteln ihrer Gesamtlänge von Kriegsschiffen aus angegriffen werden konnten.

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erreicht ist·"23 Die Weisung des Regierungsoberhaupts vom 18. April 1921 machte das Fernsehen zur allgemeinen Angelegenheit. Mit dem ersten gesellschaftlichen Auftrag, die Technik der Widerspiegelung fernen Geschehens auf Bildschirmen zu fördern, begann die eigentliche, praktische Geschichte der Fernsehtechnik. Als erste Fernmeldebehörde der Welt bekannte sich das Volkskommissariat für Post- und Fernmeldewesen des sozialistischen Staates vorbehaltlos zum Fernsehen. Erst fünf Jahre später brachte in Deutschland ein weitsichtiger hoher Beamter des Telegraphentechnischen Reichsamtes, Ministerialrat August Kruckow,24 gegen den Widerstand des Reichspostministeriums eine staatliche Fernsehförderung zuwege. Der damit beauftragte Postrat Banneitz25 hatte seine praktische Technikerlaufbahn mit der Entwicklung von Marinewaffen begonnen und arbeitete darauf hin, die modernste Technik für Zwecke des Krieges anzuwenden. Er griff zu, als ein Wiener Husarenrittmeister, Denes von

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Deutscher Physiker. Geboren 1874; gestorben 1939. Postrat 1920. Oberpostrat 1921, Ministerialrat 1924. Goebel (1953) weist darauf hin, daß Kruckow 1926 im Telegraphentechnischen Reichsamt die Fernsehentwicklung "auf eigene Verantwortung und Gefahr in Gang" (ebd., S. 280) brachte, während das Reichspostministerium "jede Entwicklungstätigkeit auf dem Gebiet des scheinbar unrentablen Fernsehens scharf ablehnte." (Ebd.) Deutscher Physiker. Geboren am 11. September 1885 in Hameln/Weser; gestorben am 5. Dezember 1940 in Dresden. Der Sohn eines Fabrikbesitzers studierte Elektrotechnik an der Technischen Hochschule Darmstadt und Physik an den Universitäten Heidelberg und Leipzig. Tätigkeit als Assistent am Leipziger Physikalischen Institut. Als Kriegsfreiwilliger wissenschaftliche Arbeit in der Torpedo-Versuchsinspektion Kiel. 1919 Promotion an der Leipziger Universität zum Dr.phil. und Eintritt in den Postdienst. 1921 Postrat beim Telegraphentechnischen Reichsamt. Ab Juli 1927 als Leiter des Referats für drahtlose Schnelltelegraphie und Bildübertragung auch mit Fernsehen befaßt.

21 Mihaly, 1926 Geldgeber für militärische Fernsehprojekte zu finden hoffte.26 Im Juli 1927 begann beider Zusammenarbeit. Aus den militärischen Zielen und ihrer Geheimhaltung erklärt sich, weshalb August Kruckow, der 1926 die Fernsehentwicklung zu friedlichen Zwecken eingeleitet hatte, drei Jahre danach als Ministerialdirektor und Präsident des neu geschaffenen Reichspostzentralamtes diese Arbeiten "mit keinem Worte erwähnt."27 Beamte wie Friedrich Banneitz und Hans Bredow28 legten die Deutsche Reichspost auf einen technischen Umweg lichtoptisch erzeugter virtueller Fernsehraster fest, der die deutsche Fernsehentwicklung lange Zeit stagnieren ließ.29 Andere

Vgl. Denes von Mihaly, Das elektrische Fernsehen und das Teleohr, Berlin 1923, 2. Auflage 1926). Auf die Idee Mihalys, das Fernsehen zu fördern, weil es "als Kundschafterinstrument bei der Armee . . . auf beliebigen Stellen die genauen Stellungen des Feindes" (ebd., 2. Auflage, S. 195) festzustellen erlaube, hat schon Goebel hingewiesen (Gerhart Goebel, "Das Fernsehen in Deutschland bis zum Jahre 1945," in Archiv für das Post- und Fernmeldwesen, Jg. 5, Nr. 5, 1953, S. 376). Goebel 1953, S. 280. Deutscher Ingenieur und Hochfrequenztechniker. Geboren am 26. November 1879 in Schlawe (Pommern); gestorben am 9. Januar 1959 in Wiesbaden. 1900 Studium der Elektrotechnik in Cöthen (Anhalt). Tätigkeit als Ingenieur bei AEG in Riga 1903, später bei Telefunken in Berlin. 1908 geschäftsführender Direktor des Konzerns. Als Kriegsfreiwilliger Fronterprobung von Telefunken-Anlagen. 1918 Vorsitzender des Telefunken-Direktoriums. 1919 als Ministerialdirektor ins Reichspostministerium, Abteilungsleiter für drahtlose Telegraphie. 1921 Staatssekretär. Seit 1926 als Rundfunkkommissar des Reichspostministers Vorsitzender des Verwaltungsrates der Reichs-Rundfunk-Gesellschaft. Vgl. Fritz Schröter, Wege und Werden des Fernsehens, in Fernsehen, Vorträge über neuere Probleme der Fernsehtechnik, Berlin-Göttingen-Heidelberg 1953. Der langjährige Leiter der Fernsehforschung im Telefunken-Konzern äußert rückblickend auf 1924, daß zumindest der Ubergang auf elektronenoptisch erzeugte virtuelle Fernsehraster im Bereich des Machbaren lag, "als die gittergesteuerte Elektronenröhre für Senden,

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Wissenschaftler — urteilend aus praktischer Erfahrung mit der Bildtelegraphie — erkannten dagegen in den realen Rastern der Vielzellenmethode das Fernsehmodell der Zukunft. Arthur Korn30 vertrat 1923 diese Auffassung öffentlich.31 Im gleichen Jahr begann der junge Physiker August Karolus,32 systematisch alle Bauelemente und Verfahren der Optoelektronik, die mit der Automatisierung der Fertigungstechnik herangewachsen waren, zu untersuchen. Zwei grundlegende Probleme der Vielzellenmethode

Empfangen und somit auch schon die direkte Erzeugung der Sägezahnablenkströme ermöglichte ..." (ebd., S. 12). Wären in dieser Zeit anstelle des von Paul Nipkow 1884 vorgeschlagenen Ausblendverfahrens zum Beispiel die weitreichenden Gedanken des Engländers Campbell-Swinton aus den Jahren 1907 bzw. 1911 aufgegriffen worden, "so hätte die Fernsehentwicklung wohl manchen Umweg über mechanische Bildfeldzerleger vermieden," (ebd.) meint Schröter. Deutscher Physiker. Geboren am 20. Mai 1870 in Breslau (heute Wroclaw); gestorben im politischen Exil am 22. Dezember 1945 in Jersey City/USA. Der Sohn eines angesehenen Augenarztes studierte an den Universitäten Freiburg, Leipzig, Berlin und Paris. Habilitation an der Münchener Universität mit 25 Jahren. Als theoretischer Physiker veröffentlichte Korn zahlreiche mathematisch-physikalische Abhandlungen und Bücher zu Grundfragen der Schwerkraft, des Elektromagnetismus und der Atomphysik. 1904 verlegte er seine Tätigkeit auf das Gebiet praktischer Bildübertragungen. Arthur Korn realisierte stabile und in sehr guter Qualität arbeitende Bildnachrichtenverbindungen: 1907 zwischen München, Berlin, Paris und London, 1917 von Berlin nach Monte Carlo und Konstantinopel. Seit 1914 Professor an der Technischen Hochschule Berlin. Arthur Korn, Bildtelegraphie, Berlin 1923, S. 142. Deutscher Physiker. Geboren am 16. März in Reihen bei Sinsheim/Nordbaden; gestorben am 1. August 1972 in Zürich. Der Sohn eines Landwirts wurde Lehrer und begann neben dem Schuldienst an der Technischen Hochschule Karlsruhe Physikvorlesungen zu hören, wo er 1918 auch ein zweijähriges Studium der Physik und Elektrotechnik absolvierte. 1922/23 Assistent mit Lehrauftrag an der Technischen Hochschule Stuttgart. 1923 Lehrauftrag für angewandte Elektrizitätslehre am Physikalischen Institut der Universität Leipzig.

23 blieben allerdings zunächst noch ungelöst: die Herstellung feinster Rastermosaiks für den Aufnahmeteil und die trägheitsfreie Formierung des Bildsignals. Zu diesem Zeitpunkt, Mitte der zwanziger Jahre, entwickelte in Berlin der kaum zwanzigjährige Manfred von Ardenne33 eine Reihe von Erfindungen, die dem Sendemedium Radio zum Durchbruch in die Massen verhalfen und vielversprechend auch in die Zukunft des Fernsehens wiesen. Als Achtzigjähriger erinnerte er sich vor der Fernsehkamera : 1926 ist ein Element der Fernsehtechnik, das absolute Schlüsselelement, bei uns entwickelt worden: Das war der Breitband-Verstärker. Denn das Fernsehen braucht breite Frequenzbänder, die man verstärken muß. Das zweite Grundelement — entscheidende Grundelementl -- das auch in unserem Hause entstand, war der Elektronenstrahl- Oszillograph mit Elektronenstrahlröhren.34 Manfred von Ardenne war wissenschaftlicher Partner des Berliner Erfinder-Unternehmers Dr. Siegmund Loewe.35 Deutscher Physiker. Geboren am 20. Januar 1907 in Hamburg; lebt in Dresden/DDR. Der Sohn eines Berufsoffiziers erwarb bereits mit 16 Jahren sein erstes Patent. Studium der Physik, Chemie und Mathematik an der Berliner Universität 1925/26. Daneben bereicherte er die Hochfrequenztechnik durch die ersten integrierten Schaltkreise in Form von Mehrsystem-Röhren und durch die Entwicklung des ersten Breitbandverstärkers. Manfred von Ardenne (1987/11) Vom fliegenden Fleck. Interview für die Geschichtskommission des Fernsehens der DDR, Dresden-Weißer Hirsch, 8. April 1987. (Unveröffentlichte) Videoaufzeichnung, GdF/B. Deutscher Physiker und Unternehmer, Pionier des deutschen Rundfunks. Geboren am 6. November 1885 in Berlin; gestorben am 28. Mai 1962 auf der Seereise USA - Europa. Der Sohn eines Mediziners studierte in Jena Physik und Elektrotechnik. Ausbildung und Promotion 1913 bei Prof. Max Wien. Tätigkeit bei Telefunken, 1915 zur Firma Dr. Erich F. Huth als Leiter von Laboratorien und Patentabteilung. 1918 Gründung eines eigenen Berliner Versuchslaboratoriums für Hochfrequenz- und Vakuumtechnik. 1920 Studium der Rundfunk-Entwicklung in den USA. Einrichtung eines zweiten Laboratoriums in Berlin 1922. Dort

24 Dieser Industrielle betrieb die Fertigung einheitlicher, billiger Radio-Volksempfänger, lange bevor faschistische Kriegspropaganda diesen Begriff verfälschen konnte. Für die Schaffung von breiten Möglichkeiten zum Rundfunkempfang traten auch Künstler dieses, des ersten Sendemediums sowie Vereinigungen seiner Hörer ein. Zu einer ihrer führenden Figuren erhob sich gegen Ende der zwanziger Jahre der Theaterregisseur Horst Dreßler-Andreß.36 Der Absolvent der Max-Reinhardt-Schule des Deutschen Theaters in Berlin kam von einem bankrotten Provinztheater als Arbeitsloser zurück in die Reichshauptstadt. Aus einfachen Arbeiterverhältnissen stammend, erkannte der junge Bühnenkünstler im herrschenden Wirtschaftssystem die Ursache seiner Misere. So fühlte er sich von den Gedanken und der Persönlichkeit Gregor Strassers angezogen, der "Ziele und Wege" der Nationalsozialisten verkündete.37

begann im gleichen Jahre die enge Zusammenarbeit mit dem jungen Physiker Manfred von Ardenne. Im März 1923 erste Rundfunkvorführung vor dem Reichspräsidenten Friedrich Ebert, um für das Sendemedium zu werben. Loewe leitete eine Reihe nach 1923 gegründeter Industrieunternehmungen, die zur Einführung des Rundfunks in Deutschland entscheidende Beiträge lieferten. (Vgl. Ardenne 1987/11). Geboren am 8. April 1899 in Zeitz; gestorben am 19. Dezember 1979 in Berlin. Der Sohn eines Tischlers wurde Lederarbeiter, später Bürogehilfe. Als Wehrpflichtiger zum Kriegsdienst einberufen. Fronteinsatz und Lazarettaufenthalt an der Westfront. In der Novemberrevolution in Cottbus als Mitglied des Soldatenrates beim Infanterieregiment 52. Von 1921 bis 1923 Freischüler der Max-Reinhardt-Schule des Deutschen Theaters Berlin. Engagements in Berlin, Chemnitz, Dresden, Erfurt und zuletzt in Gera. Seit 1925 Auseinandersetzung mit dem Sendemedium Rundfunk und seinen Auswirkungen auf Kunst und Wirtschaft. (Vgl. Horst Dreßler-Andreß, Gesellschafts-politisches Kalendarium, 1979, Typoskript, GdF/S). In der Reihe sogenannter NS-Briefe entdeckte Dreßler-Andreß Anfang Juli 1927 Strassers Bekenntnis: "Wir sind Sozialisten, sind Feinde, Todfeinde des heutigen kapitalistischen Wirtschaftssystems mit seiner Ausbeute der wirtschaftlich Schwachen, mit

25 Auch Dreßler-Andreß brachte 1927 seine Vorstellungen zu Papier. In einer Denkschrift über "Kunst und Wirtschaft" formulierte er, wie zwei Jahrzehnte später festzuhalten ist, als "sein Hauptziel, die Förderung der deutschen Arbeiterschaft und das hervorbringen einer sozialistischen Kultur"38 zu verbinden. Im Kampf um die Verwirklichung seines Ziels erwies sich Dreßler-Andreß als "ein durch und durch idealistischer Mensch..., der ... das Leben des Arbeiters zu verschönern suchte ... Ihm schwebte besonders vor, . . . zur Verschönerung des Arbeiterlebens durch den Rundfunk beizutragen".39 Mit dieser Absicht richtete er seine 45 seitige Denkschrift im Dezember 1927 an das Reichspostministerium, das ihm als Hüter des Rundfunkmonopols entgegentrat. Als das Machtorgan der Weimarer Republik den Urheber der Denkschrift über "Kunst und Wirtschaft" nicht einmal einer Antwort für würdig erachtete, wurde aus dem gutwilligen Untertanen ein kampfbereiter Gegner des bürgerlichen Staates. Weitergehende Entwürfe seiner Sendemedienkonzeption verlangten schon ab 1928 die Vergesellschaftung von Technik, Wirtschaft und Programm des Rundfunks. Zur gleichen Zeit begann der Unternehmer Siegmund Loewe mit verstärkten Anstrengungen, das humanistische Anliegen zu vertreten, auch das Fernsehen für alle, für

seiner Ungerechtigkeit der Entlohnung, mit seiner unsittlichen Wertung der Menschen nach Vermögen und Geld statt nach Verantwortung und Leistung, und wir sind entschlossen, dieses System unter allen Umständen zu vernichten 1" (Im Faksimile wiedergegeben von Reinhard Kühnl, Die nationalsozialistische Linke 1925 - 1930, Meisenheim am Glan 1966, S. 283.) Urteil im Strafprozeß gegen den Schriftsteller Horst Dreßler-Andreß, 11. März 1948. Archiv des Landgerichts Meiningen, Akten der Großen Strafkammer 201, StKs 16/48. Ebd.

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das ganze Volk, den "Volksfernseher"40 möglich zu machen. Dazu führte er eine Kapitalgruppe zusammen, die als Gegenpol zu den in erster Linie auf Rüstung orientierten Großunternehmen gedacht war. So entstand am 11. Juni 1929 die Fernseh-AG41 — "auf Anregung der Firma Loewe",42 wie sich noch viel später ein kompetenter Zeuge ausdrücklich erinnert: Generalfeldmarschall Erhard Milch, der Vertreter des Reichsluftfahrtministers und Oberbefehlshabers der Luftwaffe Göring, Staatssekretär, Generalinspekteur und Generalluftzeugmeister der Luftwaffe. Für die militärische Verwendung des Fernsehens setzten sich führende Beamte der Deutschen Reichspost ein, voran Wilhelm Ohnesorge,43 ehemals Chef der Telegraphendirektion im Kaiserlichen Großen Hauptguartier und erster Ortsgruppenleiter in Hitlers Partei außerhalb Bayerns. Schon 1924 war er Abteilungspräsident der Reichspostdirektion Berlin geworden und zog 1929 als Präsident im Reichspostzentralamt ein. Unter seinem Regime hatten selbst Forschungen zur Bild-Telephonie "größeren Forderungen des Lebens als

Ebenso sahen im Jahre 1929 führende Wirtschaftskreise z.B. in der Schaffung eines "Volksautomobils" vor allem ein Mittel zur Krisenbewältigung. (Vgl. Karl Dietrich Bracher / Gerhard Schulz / Wolfgang Sauer, Die nationalsozialistische Machtergreifung, Köln 1960, S. 396.) Öffentlich vertrat solche Auffassungen der Wirtschaftsredakteur und spätere Herausgeber der "Berliner Börsenzeitung", Walther Funk, der 1930 in die NSDAP eintrat, um fortan in der Umgebung Hitlers dessen wichtigster Kontaktmann zu Bank- und Industriekreisen zu werden. Mitbegründer waren die Robert Bosch A.G. Stuttgart, die Zeiss Ikon A.G. Dresden und die Baird Television Ltd. London. Milch an Speer, 6. Dezember 1943, MPF/RPM. Deutscher Ingenieur und Politiker, Geboren am 8. Juni 1872 in Gräfenhainichen; gestorben. Eintritt in den Postdienst 1890, Erfinder der Vierdrahtschaltung. 1914 Chef der Telegraphendirektion im Großen Hauptquartier des Kaisers. 1920 in Dortmund Gründer und Leiter der ersten Ortsgruppe der NSDAP außerhalb Bayerns.

27 dem Austausch von Personenbildern . . .1,44 zu dienen. Im Ringen um den Rundfunk für alle gerieten im Herbst 1929 die von Horst Dreßler-Andreß geführten Kräfte an die Seite des Berliner Gauleiters der NSDAP, Joseph Goebbels.4S Patriotismus, wie sie ihn verstanden, sollte Erfüllung finden in einem national starken Deutschland. Sie meinten, in einer nationalsozialistischen Ordnung einen nationalen Sozialismus verwirklichen zu können. Die Faschisten brauchten solche Bündnisse, um in der Reichshauptstadt Fuß zu fassen, in der die kommunistische und sozialdemokratische Arbeiterbewegung eine starke politische Kraft ausübte. Besonders interessierte Goebbels, der sich anschickte, den Posten des Reichspropagandaleiters der NSDAP zu erjagen, das von Dreßler-Andreß entwickelte Sendemedienkonzept.46 Um davon zu profitieren, finanzierte Goebbels auch Aktionen des jungen Kulturpolitikers, der mit der Kraft organisierter "Funkwarte" Maßnahmen durchsetzen wollte, die "auf Vergesellschaftung der Funk- und Fernsehwirtschaft abzielten."47 Woher die Gelder für die aufwendigen Aktivitäten stammten, scherte Dreßler-Andreß und seine Anhänger wenig. Erfolge rechneten sie allein ihrer eigenen Tüchtigkeit zu. Sie, die Tugenden und Werte, wie Nation, Vaterland, Ehre, Kameradschaft und Pflicht verfochten, die angetreten waren, eine soziale Sendemedienpolitik gegen Monopole und Militärs zu erkämpfen, durchschauten nicht, daß sie einen Weg ein-

Günter Flanze, Jahrbuch des elektrischen Fernmeldewesens, Berlin 1938, S. 230. Das höhnische Eingeständnis wagt der verantwortliche Ministerialdirektor, Dipl.-Ing. Flanze erst, als der militärische Angriff gegen die UdSSR beschlossen ist. Vgl. Dressler-Andress an Goebbels, 13. November 1929. GdF/S, Nachlaß Dreßler-Andreß. Vgl. Aufzeichnung vom Gespräch Goebbels - DreßlerAndreß, 29. November 1929. GdF/S, Nachlaß DreßlerAndreß . Erinnerungsaufzeichnungen Dreßler-Andreß, GdF/S.

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schlugen, auf dem eben jene monopolistischen und militaristischen Kräfte sie vorspannen wollten, um ihr in der Krise wankendes Herrschaftssystem zu stabilisieren.48 Das war der Weg aus der parlamentarischen Demokratie hinein in die offene Diktatur. Für diesen Übergang schien der deutschen Großbourgeoisie 1930 die NSDAP-Führung als am meisten geeignet. Deshalb verstärkte sie den Einfluß direkter Vertrauensleute des Finanzkapitals, die, wie Walter Funk als Wirtschaftsberater Hitlers, bereits in wichtigen Funtionen dieser Führung saßen. Die Geldgeber stellten ihnen zwei entscheidende Aufgaben: "Die Führer mußten gesichert werden, daß die mit antikapitalistischer Demagogie gefütterten Anhängermassen keinerlei Möglichkeiten erhielten, durch Druck von unten Einfluß auf den politischen Kurs der Parteiführung zu nehmen."49 Gegen die Herren von Telefunken und ihre Interessenvertreter in den Führungszentren von Reichswehr und Reichspost stand auch der junge Wissenschaftler Manfred

Mitglied der Nazipartei wurde Horst Dreßler-Andreß am 1. Mai 1930 nachdem ihm Gregor Strasser seit März 1930 innerhalb seiner Reichsorganisationsleitung der NSDAP die Möglichkeit geboten hatte, eine FunkwarteOrganisation für ganz Deutschland aufzubauen. Mit ihren führenden Leuten unterlief Dreßler-Andreß den von deutsch-nationalen Redakteuren und Politikern, wie Kamecke, Stoffregen und Fritzsche, gegründeten Reichsverband Deutscher Rundfunkteilnehmer. Er rückte in dessen Führung ein und machte die Vereinigung zu einem radikalen Kampfinstrument für die Abschaffung des Rundfunkmonopols der Reichspost, für den Empfang der Sendemedien durch das ganze Volk und zu einer Kaderorganisation für die Erziehung des Publikums der Sendemedien. Die Ziele dieses erzieherischen Einflusses sah Dreßler-Andreß in produktiver Mitarbeit der Werktätigen an Technik und Programmen. Kurt Gossweiler, "Von Weimar zu Hitler. Wie es zur Errichtung der faschistischen Diktatur kam" in URANIA-Schriftenreihe für den Referenten, Heft 6/ 1973, S. 16.

29 von Ardenne, unterstützt50 von fortschrittlichen Vertretern der Rundfunkindustrie und des Reichspostministeriums wie Siegmund Loewe und August Kruckow. Seine technisch revolutionären Vorschläge zur Verbesserung und Verbilligung des Empfangs der Sendemedien rechnete die Kommunistische Partei Deutschlands zu jenen "Erfindungen, die getragen sind vom sozialen Geist".51 Gegen den sozialen Gebrauch des Rundfunkwesens, wie Manfred von Ardenne ihn vertrat, machten im Oktober 1930 vor allem Hans Bredow und Carl Schapira52 Front. Noch während der ökonomischen und politischen Auseinandersetzungen des Jahres 193053 vollbrachte der junge Forscher in seinem Privatlabor, in Berlin-Lichterfelde Ost, die bahnbrechende Leistung für die Anwendung des technischen Prinzips Fernsehen zu Zwecken des Programmsendens: den Leuchtfleckabtaster, verbunden mit der Bildwiedergabe auf dem Schirm einer

Vgl. Ardenne 1987/11. Die Rote Fahne, Berlin, 13. Jg./Nr. 248, 23. Oktober 1930, 3. Beilage, S. 1. Deutscher Physiker. Geboren am 13. Juni 1876 in Danzig; gestorben. Nach Studium und Promotion zum Dr.-Ing. seit 1. Januar 1906 Vorstandsmitglied der Telefunken-Gesellschaft. Später einer ihrer Direktoren. Im Ausschuß des Allgemeinen Deutschen Fensehvereins seit 5. Mai 1930. Zu der vom Telefunken-Konzern, seinem Direktor und dem Rundfunkkommissar des Reichspostministers, ausgehenden Ablehnung des Ardenne-Projects, "durch. . . zentralen Hochfrequenzverstärker radikal vereinfachte Rundfunkapparate" (Manfred von Ardenne, (1987/1) Sechzig Jahre für Forschung und Fortschritt. Autobiographie, Berlin 1987, S. 97) zu schaffen, vermerkt der Erfinder: "Leider gelang es auch nicht, den mit dem Konzern eng verbundenen Reichsrundfunkkommissar Dr.-Ing. e.h. Hans Bredow für einen Großversuch zu gewinnen." (Ebd.) Deshalb war schlecht beraten jenes Gremium, das am 29. Oktober 1973 ausgerechnet Manfred von Ardenne die Hans-Bredow-Medaille zuerkannte. Die Peinlichkeit ihrer "Rückgabe wegen der folgenreichen Gegnerschaft von Hans Bredow" (ebd., S. 472) durch den Dekorierten wäre bei mehr Geschichtskenntnis vermeidbar gewesen.

30 Strahlröhre. Für die Geschichtskommission des Fernsehens der DDR schilderte der achtzigjährige Professor Dr. h.c.rault. Manfred Baron von Ardenne 1987 die damalige Situation, wobei er von seinen in Lichterfelde entwickelten Strahlröhren ausging: Das waren Röhren, bei denen erstens zum ersten Mal der Schreibfleck zweihundertmal heller war als der bis dahin auf dem Weltmarkt befindlicher Laboratoriumsröhren. Aber das waren auch Röhren, die eine Möglichkeit eingebaut erhielten — eine sogenannte Steuerelektrode — , um die Fleckhelligkeit trägheitsfrei zu verändern. Und die hatten wir nun im Hause, zusammen mit den Netzanschlußgeräten, mit den Geräten für die Erzeugung von Ablenkspannungen. Das hatten wir alles im Hause. Und wir hatten auch Fotozellen in einem Verstärker mit Breitband, wie sie ihn hier sehen — das ist ja original von damals I54 Das war aber noch nicht alles, um ein komplettes Fernsehsystem zu realisieren. Es fehlte noch ein zündender Gedanke. Das war der Gedanke, daß man diese hellen Flecke auf Elektronen-Röhren-Schirmen dazu benutzen konnte, um einen sogenannten Leuchtfleckabtaster für Diapositive oder Filme zu gestalten. Als ich diese Idee konzipierte, da dauerte es dann nur noch wenige Stunden, die Geräte, die Sie hier um mich herum sehen, in meinem Laboratorium in Lichterfelde-Ost aufzustellen und dann zunächst mal als erstes eine Schere vor den Leuchtfleckabtaster zu halten. Und da sah man an der anderen Ecke des Zimmers die Silhouette der Schere und wie sie sich bewegte. Und das nächste war, das wir dasselbe mit Diapositiven machten: auch da dann die Wiedergabe des Diapositivs auf der anderen Seite. Und dann — wir hatten einen Filmprojektor von Zeiss Ikon — wurde der kombiniert mit der Anlage, und da konnten wir also Filme über-

Prof.Dr.h.c.mult. Manfred Baron von Ardenne macht diese Ausführungen vor Fernsehkameras und Mikrophon im Privatlaboratorium seines Wohnsitzes auf dem Weißen Hirsch in Dresden. Darin war zuvor — zur Überraschung des Interviewten — die im Berliner Museum für Deutsche Geschichte ausgestellte original-Anlage des Jahres 1931 eingebaut worden. Der Zeitzeuge sollte so Gelegenheit haben — umgeben von seinen Apparaturen — Ansprüche von Hochstaplern zurückzuweisen, die behaupten, im Besitze jener historischen Geräte zu sein. Die Lüge, ihm in Fernsehbildern vorgeführt, wird vom Schöpfer der Geräte entlarvt.

31 tragen. Solche Filmübertragungen liefen während der ganzen Funkausstellung 1931 in Berlin.55 Die Qualität — die Helligkeit der Bilder, die Schärfe — war so eindrucksvoll, daß ein Jahr später die gesamten Forschungslaboratorien übergegangen waren zu unserer Anordnung mit Elektronenstrahlröhren.56 Verglichen mit dem originellen, frühesten Modell eines Fernsehens auf Rastertafeln, das auf dem technischen Nachvollziehen des menschlichen Sehprozesses beruht, wies das Fernsehen auf Strahlröhren einen Vorzug auf, der in der Geschichte der Technik zählt: Dieses System stellte unter den gegebenen wissenschaftlich-technischen und politisch-ökonomischen Bedingungen das Machbare dar. Weil Manfred von Ardenne im Verlaufe nur weniger Wochen auch die apparative Lösung für das Fernübertragen von Kinofilmen und das erste Modell eines Bildröhren-Heimfernsehers bereitstellen konnte, trat das Fernsehen auf Strahlröhren seinen Siegeszug an, dem in der jüngeren Geschichte der Technik Vergleichbares nicht zur Seite steht. Die Strahlröhrentechnik für den Fernsehempfang und die internationale Fachdiskussion, die 1933 einen 180Zeilen-Standard als "hochdefiniertes" System festlegte, gaben der Hoffnung auf ein Fernsehen zur Information und Unterhaltung neuen Auftrieb. Doch die deutsche Rüstungsindustrie, ihre Handlanger im Regierungsapparat und in der Generalität, wußten sehr gut, daß unter den Menschen, die

Manfred von Ardenne (1987/1) kommentiert die Abbildung so: "The New York Times berichtete am 16. August 1931 über die Weltpremiere des Fernsehens mit Elektronenstrahlröhren und über die Erfindung des Leuchtfleckabtasters." (Ebd., 112 ff.) Weiter schreibt er: "Wir lagen mit . . . unserer öffentlichen Vorführung auf der Berliner Funkausstellung 1931 um etwa ein Jahr früher als der Fernsehpionier V.K. Zworykin aus den USA.... Durch diese Tatsache werden die großen Verdienste Dr. Zworykins nicht geschmälert, denn er hatte sich die schwierigere Aufgabe gestellt, eine Kameraröhre..." (ebd., S. 108). Ardenne 1987/11.

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neu in die technische Entwicklung des Fernsehens eintraten, auch solche sein mußten, die nicht stillschweigen würden, wenn sie erkennen, daß ihre Arbeit für Rüstungszwecke mißbraucht wird. Kräfte, die dafür sorgen mußten, daß - wie der Großindustrielle Gustav Krupp von Bohlen und Halbach später formulierte - "aus einleuchtenden Gründen ihre Tätigkeit dem Lichte der Öffentlichkeit entzogen"57 blieb, gaben die Eröffnung von Programmsendungen als friedvolles Ziel des deutschen Fernsehens aus. Dem Reichspostzentralamt oblag die Aufgabe, dafür technische und organisatorische Voraussetzungen zu schaffen und damit getarnt einen Betrieb aufzubauen, der einer zivilen Anwendung der für militärische Belange entwickelten Technik dienen konnte und sollte. Weil nicht der gesellschaftliche Fortschritt, sondern nur das Alibi für die Kriegsvorbereitung die beauftragten Beamten interessierte, war ihnen jede technische Ausrüstung gut genug, wenn sie nur schnell zur Verfügung stand. Als einen zweiten Tarnbetrieb schufen der Chef des Reichspostzentralamts, Ohnesorge, und der 1933 ins Reichspostministerium berufene Dipl.-Ing. Flanze das sogenannte Fernseh-Gegensprechen. Die Fernseh-Gegensprecheinrichtungen waren die Tarnung dafür, quer durch das Deutsche Reich auch militärisch verwendbare Breitband-Kabelstrecken zu verlegen. Bei

Gustav Krupp von Bohlen und Halbach, Dokument als Beweisstück im Prozeß gegen die Hauptkriegsverbrecher vor dem Internationalen Militärgerichtshof, Nürnberg, 14. November 1945 bis 1. Oktober 1946. Die ganze Passage lautet: "Es ist das große Verdienst der gesamten deutschen Wehrwirtschaft, daß sie in diesen schlimmen Jahren nicht untätig gewesen ist, mochte auch aus einleuchtenden Gründen ihre Tätigkeit dem Lichte der Öffentlichkeit entzogen sein. In jahrelanger stiller Arbeit wurden die wissenschaftlichen und sachlichen Voraussetzungen geschaffen, um zur gegebenen Stunde ohne Zeit- und Erfahrungsverlust wieder zur Arbeit für die deutsche Wehrmacht bereit zu stehen." (Ebd., Band II, S. 259).

33 deren Errichtung wurden "seit 1933 die wehrwichtigen Belange stärkstens beachtet."58 1933 erhielten die Funktionäre und Funkwarte des Reichsbundes Deutscher Rundfunkteilnehmer auch administrative Befugnisse. Dreßler-Andreß, der die Reichspost als Wahrerin des staatlichen Sendemedienmonopols stets bekämpft hatte, nahm am 16. Juni aus der Hand des Reichspräsidenten Hindenburg die Berufung als Ministerialrat der deutschen Reichsregierung entgegen. Er leistete seinen Amtseid in der Verblendung, nach Jahren des Kampfes gegen den Staat der Weimarer Republik politisch am Ziele zu sein. Den Regierungsapparat wollte Dreßler-Andreß gebrauchen, um Rundfunk-"Volksempfänger" einzuführen. Und weil ihm über den Programmbetrieb des Rundfunks Macht übertragen war, ging er daran, beim Rundfunk auch einen Fernsehbetrieb aufzubauen. Diese Aufgabe stellte er der eingespielten Mannschaft, die noch im März 1933 den Wahlfeldzug Hitlers mit Tontechnik begleitet hatte. Dieser sogenannte Übertragungsdienst stand unter der politischen Leitung von Carl-Heinz Boese. Er blieb auch bei der neuen Aufgabe an der Spitze. Der technische Leiter war und blieb Oberingenieur Ernst Augustin.59 Sie holten den jungen Fernsehspezialisten Dr.

Wilhelm Ohnesorge, Jahrbuch des elektrischen Fernmeledwesens 1942, Berlin, S. 12. Deutscher Ingenieur. Geboren am 4. Oktober 1902 in Berlin; gestorben am 6. Oktober 1961 in Berlin. Der Sohn eines Straßenbahnfahrers arbeitete als Laufbursche und Bürohelfer. 1919 Lehre als Elektromonteur. 1924 leitender Ingenieur für Montage und Reparaturarbeiten auf dem Gebiete drahtlose Telegraphie und Telefonie. Bau von Verstärkeranlagen für Siemens. Verantwortlicher Ingenieur für die rundfunktechnische Ausgestaltung des Berliner Funkhauses in der Masurenallee. 1931 Betriebsstellenvorsteher des Rundfunkbetriebes Berlin. 1934 leitet Augustin Umbauten von Verstärkerraum und Schallaufnahme.

34 Friedrich Kirschstein60 aus dem Reichspostzentralamt und gingen mit ihm ab 1. Januar 1934 daran, die bisherige Betriebsstelle des Übertragungsdienstes im Funkhaus für einen Fernsehprogrammdienst einzurichten. Als im März die Deutsche Reichspost begann, Fernsehbilder mit 180 Zeilen auszustrahlen, hofften die Männer um Dreßler-Andreß, daß es 1936 eine Berichterstattung von den Olympischen Spielen in Berlin geben würde. Das strebte der junge Nazifunktionär vor allem an. In ähnlicher Weise, wie er sein "Volksempfänger"-Project vorantrieb, wollte er die Industrie, die Sendeeinrichtungen und Empfänger des Fernsehens konstruierte und produzierte, zu einer friedlichen Entwicklung treiben, wobei der nationale Patriot auch das Anliegen verfolgte, "daß Deutschland das erste Land der Welt wird, in dem alle Volksgenossen fernsehen können."61 Mit taktischem Gespür erkannte der junge Ministerialrat, der dazu noch am "1. August 1934 ... Reichsamtsleiter der NS-Gemeinschaft Kraft durch Freude"62 wurde, in den für Berlin anstehenden XI. Olympischen Sommerspielen und in einem Weltfreizeitkongreß, den die Olympische Bewegung 1932 in Los Angeles angeregt hatte, ein Mittel, seine nationalen und demokratischen Zielsetzungen zu erreichen.

Deutscher Physiker. Geboren am 17. Januar 1904 in Bad Kreuznach; gestorben. Der Sohn des Oberbürgermeisters seiner Heimatstadt studierte an der Technischen Hochschule München seit 1923, später an der Technischen Hochschule Berlin. Assistent 1927 und Promotion zum Dr.-Ing. 1929 mit einer Arbeit "Über ein Verfahren zur graphischen Behandlung elektrischer Schwingungsvorgänge" (Vgl. Archiv für Elektrotechnik, 24/1930, S. 731-762). Seit 1929 zählte Friedrich Kirschstein zu den ersten Beamten der Deutschen Reichspost, die an Fernsehaufgaben arbeiteten. Erinnerungsaufzeichnungen Horst Dreßler-Andreß, GdF/S. Urteil im Strafprozeß gegen den Schriftsteller Horst Dreßler-Andreß, 11. März 1948. a.a.O.

35 1934 ordnete das Propagandaministerium der Fernsehbetriebsstelle im Haus des Rundfunks eine Redaktion zu. Ihr gehörten neben den Redakteuren Bai und Wallner unter anderen auch der Dramatiker Arnolt Bronnen63 an, mit dem Dreßler-Andreß seit 1927 durch gemeinsame Überlegungen zur Zukunft der Sendemedien verbunden war. Mit der Produktion erster kurzer Fernsehfilme begann 1934 der junge Kameramann Wilhelm Buhler. Diese Fernsehleute gingen systematisch und gemeinsam64 daran, einen öffentlichen Fernsehrundfunk vorzubereiten. Oberingenieur Ernst Augustin richtete eine unmittelbar neben dem Funkhaus gelegene Villa als Studio für Filmschnitt und -Vertonung ein. Seit dem Frühjahr 1934 setzte das Reichspostzentralamt in seinem Programmbetrieb auch eine Abtastzelle des Fernsehgegensprech-Betriebs ein. Dadurch konnten Programmsprecherinnen und vortragende Künstler in "direkten Sendungen"

Österreichischer Schriftsteller. Geboren am 19. August 1895 in Wien; gestorben am 12. Oktober 1959 in Berlin. Der Sohn eines schreibenden Gymnasiallehrers studierte Germanistik und Jura in Wien. Kriegsfreiwilliger, schwere Verwundung, drei Jahre italienische Kriegsgefangenschaft. 1920 Warenhausangestellter in Berlin. Vielgespielter experimenteller Bühnenautor, Zusammenarbeit mit Bertolt Brecht. Seit 192 6 Mitarbeiter des Rundfunks, Dramaturg mit Pionierleistungen zum Hörspiel seit 1928. An ihren Taten, nicht an Beleidigungen, mit denen sie — aus welchen Gründen immer — sich später belegten, ist zu ermessen, was sie für den Fortschritt der Programmproduktion vollbrachten. Das gilt besonders für Bronnens Äußerungen über Boese, Nierentz und viele andere. (Vgl. Arnolt Bronnen, Arnolt Bronnen gibt zu Protokoll. Beiträge zur Geschichte des modernen Schriftstellers, Berlin und Weimar 1985.) Richtig bemerkte ein profunder Kenner des historischen Geschehens: "Bronnen hat — wie viele beim Schreiben von Erinnerungen -- Dichtung und Wahrheit gemischt, von der dichterischen Freiheit Gebrauch gemacht, aufgerechnet, abgerechnet usw. Das muß beachtet werden, wenn das Buch als 'Quelle' gebraucht werden sollte." (Kurt Wagenführ, "Aufzeichnungen zur Fernsehgeschichte", in Fernseh-Informationen, 18/ 1980, S. 442).

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auftreten. Jeder anderen Programmtechnik, zum Beispiel einem Übertragungswagen für Freilichtreportagen, setzten die Beamten des Reichspostlaboratoriums, das in erster Linie für die Rüstung arbeitete, heftigen Widerstand entgegen. Sie bekämpften alle Projekte, die über die Aufgabe hinausgingen, das Fernsehen als Objekt der Kriegsvorbereitung zu tarnen. Die Pläne der Reichspropagandaleitung der NSDAP und der Reichsleitung der Freizeitorganisation Kraft durch Freude sahen im Hinblick auf Olympische Spiele und WeltFreizeit-Kongreß vor, den Fernseh-Programmdienst 1935 aufzunehmen.65 Den Auftakt sollte ein 1. Fernsehkongreß des Reichsverbandes Deutscher Rundfunkteilnehmer geben. Seine Delegierten als die ersten Zuschauer würden die Idee des Volksfernsehens aus der Hauptstadt ins Reich hinaustragen. So wollte es Dreßler-Andreß. Langfristig ge66 plant, ohne besondere Eile, handelten die Rundfunkführung im Propagandaministerium und die Reichsrundfunkkammer. Die Einrichtung der ersten öffentlichen Fernsehstellen wurde für Mai 1935 vorgesehen. Nach und nach gelangten immer mehr weiterblickende Vertreter der deutschen

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Erinnerungsaufzeichnungen Horst Dreßler-Andreß, GdF/S. Eine lancierte Pressenachricht, die verkündete, die BBC in London wolle ebenfalls 1935 einen Programmdienst beginnen, ließ die Verantwortlichen unbeeindruckt. (Vgl. Erinnerungsaufzeichnungen Horst Dreßler-Andreß, GdF/S) Der deutschen Reichsregierung lagen exakte Informationen vor. Sie verfügte über Verbindungen zu Kreisen britischer Wissenschaftler und hoher Postbeamter, die dem "im Mai 1934 zum Studium der Fernseh-Entwicklung und zur Beratung des Britischen General-Postmeisters gegründeten Television-Comittee: (Goebel 1953, S. 376) angehörten. Als die Empfehlungen am Beginn des Jahres vorlagen (Vgl. Report of the Television Committee Presented by the Postmaster-General to Parliament, 14. Januar 1935. GdF/S, Nachlaß Augustin), bestätigte sich die Gewißheit, daß der Start des Fernsehprogramms in England kaum vor 1936 erfolgen würde.

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Industrie zu der Erkenntnis, daß "das Fernsehen neben der militärischen Wichtigkeit auch für die politische Propaganda und die Kulturpolitik eine Bedeutung erlangen wird."67 Sie erhofften sich vom Programmdienst, daß er die deutschen fernsehtechnischen Erzeugnisse in aller Welt bekanntmachen und womöglich neue Gewinnquellen aufschließen würde. Hingegen verfochten andere Industrielle — namentlich jene, die hinter Ohnesorge und weiteren reaktionären Vertretern aus dem Reichskriegsministerium und aus dem Reichsministerium für Luftfahrt standen — ihr Interesse, höhere Gewinne aus ungeschmälerter Rüstungsproduktion ziehen zu wollen. Als Sachwalter der Rüstungsindustrie konnte im Frühsommer 1935 der zum Staatssekretär beförderte Wilhelm Ohnesorge seinem "Führer bei der ersten Vorführung des Fernsehens .. . die Lenkung von Flugzeugen im Nebel oder über den Wolken mit Hilfe der Fernsehstrahlung . . .1,68 zeigen. Am 15. Juni 1935 - drei Tage nach einem Hitler-Erlaß, der die Entwicklung des Fernsehens allein in die Verfügung von Luftwaffe und Reichspost stellte,69 meldete das Reichspostzentralamt die "sehende Bombe" zum Patent an.70 Die lange zuvor fixierte Idee, "mit Hilfe des Fernsehens die Lenkung unbemannter Fahrzeuge oder Torpedos durchzuführen",71 machte das technische Prinzip Fernsehen zur potentiellen Angriffswaffe. Im Lichte der Öffentlichkeit stand auf der Berliner Funkausstellung 1935 ein Fernseh-Großbildempfänger aus Leipzig. Hunderttausende sahen, daß diese Fernsehtechnik auch bei Tageslicht helle Bilder lieferte. In einem

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Funk an Blomberg, 25. August 1935. GdF/S, Nachlaß Dreßler-Andreß. Ohnesorge an Hitler, 28. Mai 1940. MPF/RPM 12/69. Erstmals zitiert in Hempel 1970, S. 58. Als Faksimile veröffentlicht in Hempel 1981, S. 52 - 55. Vgl. Reichsgesetzblatt, 1935, Teil I, s. 1059. Vgl. Ohnesorge an Hitler, 28. Mai 1940. a.a.O. Ebd.

38 Vortrag, den der Schöpfer des Gerätes, August Karolus, 1936 hielt, begründete er, daß diesem Prinzip des Fernsehens auf der Rastertafel die Zukunft gehört.72 Sein Argument war, daß die "Zellenrastermethode . . . fast unbegrenzte Möglichkeiten hinsichtlich Größe und Helligkeit des Fernsehbildes bietet."73 Dem Fernsehen auf Strahlröhren hingegen räumte der Wissenschaftler nur eine begrenzte Zukunft ein. Zur Entwicklung der Zellenrastermethode regte Karolus an, die lichtelektrischen Effekte in Halbleitern verstärkt zu erforschen. Doch es erging ihm wie Ernst Rühmer vor dem Weltkrieg. Wieder drängten die führenden Großunternehmen der Elektroindustrie danach, alle verfügbaren Erkenntnisse in einen rüstungstechnischen Vorsprung umzumünzen. Die Militärs wollten die neue Technik vor allem in der Luftkriegsführung anwenden. "Auf dem Gebiete des Fernsehens werden", so erklärte 1935 Reichskriegsminister Generaloberst Werner von Blomberg, "in erster Linie wichtige Ergebnisse der Entwicklung für die Luftfahrt zu erwarten sein."74 Auf Grundlagenforschung legte er keinen Wert. Allen Hindernissen zum Trotz stand 1939 im Physikalischen Institut der Sächsischen Landesuniversität Leipzig ein neues Fernsehgroßbild von 4 χ 5 m

Der Wissenschaftler, seit 1926 Professor für angewandte Elektrizitätslehre an der Universität Leipzig, hatte 1924 das erste bewegte Fernsehbild mit 48 Zeilen im August 1924 öffentlich vorgeführt, was Telefunken "und im folgenden Jahr die Radio Corporation of America in New York zur Aufnahme der Fernsehentwicklung" (Karolus-Geest 1984, S. 21) veranlaßte. Doch Karolus selbst erkannte die Grenzen des benutzten Ausblendverfahrens zur Erzeugung virtueller Fernsehraster und wandte sich dem Fernsehen auf realen Rastern zu. 1928 begann er mit der Entwicklung des Großbildempfangs auf Rastertafeln. August Karolus, Das Großbildproblem beim Fernsehen. Vortrag am 14. Dezember 1936. Vervielfältigtes Typoskript, S. 18, GdF/S. Blomberg an Lammers, 24. Oktober 1935. GdF/S, Nachlaß Dreßler-Andreß.

39 Ausmaß und mit 40,000 Bildelementen zur Erprobung bereit. Als der Zweite Weltkrieg eine Woche alt war, ließ die Firma Telefunken bei dem inzwischen vom Staatssekretär zum Reichspostminister aufgerückten Wilhelm Ohnesorge75 anfragen, "ob diese Gerät im Hinblick auf die politische Lage für einen propagandistischen Einsatz fertiggestellt werden soll."76 Ohnesorge gab die Frage an Goebbels 77 weiter. Der Propagandaminister reagierte verständnislos. Er halte "es doch ... für dringlich, alle Kräfte ... Problemen zuzuwenden, die im Augenblick besonders wichtig sind."78 Stärkere Rundfunksender für die Auslandspropaganda meinte Goebbels. Doch mangelnde Kriegsvorbereitung mußte Ohnesorge sich nicht vorwerfen lassen. Seit 1935 wurden in der, 1937 aus der Abteilung XIII des Reichspostzentralamts hervorgegangenen "Forschungsanstalt der Deutschen Reichspost in Erwartung von Kriegsnotwendigkeiten"79 Forschungen angestellt für "eine Kriegsmaschine 80

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..., welche jedem Gegner fürchterlich sein muß." Mit solcher Absicht entstand auch die erste Festkörpermatrix zur Fernsehbildaufnahme. Die Rüstungsexperten der Deutschen Reichspost wollten neben der Fernsehbombe, die vom Flugzeug aus ins Ziel gelenkt werden mußte, eine automatisch das Ziel suchende Angriffswaffe gegen Stellungen der gegnerischen Luftabwehr, genauer gegen deren Scheinwerfer schaffen. Der aus sicherer Höhe, aus einem Flugzeug von der "sehenden" Bombe anvisierte Lichteindruck sollte durch die Optik am Kopf des FlugSeine Ernennung zum Minister durch Hitler war am 2. Februar 1937 erfolgt. Gladenbeck an Ohnesorge, 8. September 1939. MPF/RPM 52. Vgl. Ohnesorge an Goebbels, 19. September 1939. MPF/RPM 52. Goebbels an Ohnesorge, 27. September 1939. MPF/RPM 52. Ohnesorge an Hitler, 28 Mai 1940, a.a.O. Ebd.

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körpers auf eine optoelektronische Matrix fallen, und zwar die denkbar kleinste: zwei Zeilen, zwei Spalten. Jedes Auswandern des hellen Zieleindrucks auf eine der vier Fotozellen hätte die Waffe ins Ziel steuern sollen. So meinten ihre geistigen Väter. Ee gelang jedoch nur selten, vier gleich arbeitende Fotozellen in einem Gerät zusammenzubringen.81 Also trieb erst das technische Bedürfnis nach matrixgesteuerter Kriegsmaschinerie die Entwicklung der Optoelektronik voran. Der Wunsch eines Hochschullehrers nach schöneren Bildern auf Fernseh-Großbild-Empfangen hätte das nie und nimmer erreichen können.82 Nach fünfjähriger Entwicklungszeit, im Mai 1940, meldete Reichspostminister Wilhelm Ohnesorge an Hitler die

Die technischen Versuche sind detailliert beschrieben durch Goebel 1953, S. 377. Daß der verdienstvolle Fernsehhistoriker in der Zeit beginnender Wiederaufrüstung die Geschichtstatsache "Militärisches Fernsehen" (Ebd., S. 375 - 380) nicht — wie die meisten nach ihm — verschwiegen hat, zeugt von bemerkenswertem demokratischen Engagement. Dieser Zusammenhang erhellt auch die Frage, weshalb die "sehende" Bombe vom Hitlerregime nicht ausdrücklich als "Wunderwaffe" gepriesen und entsprechend gefördert worden ist. Zuweilen wurde die Vermutung laut, es seien Hitler und seine Ratgeber unfähig gewesen, die Möglichkeiten zu erfassen, die mit der Konstruktion solcher Waffensysteme denkbar waren. Doch solche Entscheidungen wurden in den Rüstungskonzernen getroffen. Diese hatten Hitler auch früher schon für eine ganze Reihe technischer Neuerungen zu engagieren gewußt: für die Motorisierung des gesamten Heeres, für den Ausbau der Panzerwaffe, für eine Luftwaffen-Flotte von Ganzmetallflugzeugen und auch für die forcierte Entwicklung strahlgetriebener Flugkörper. Auf dem Gebiete des Fernsehens hingegen lagen die Dinge anders. Der Stand bestimmter Grundlagenforschungen, zum Beispiel der Halbleiterphysik, gab noch nicht klar zu erkennen, ob einsatzfähige Fernsehlenkwaffen entwickelt werden konnten. Das Problem war, Volumen und Gewicht der Anlagen hinlänglich zu verringern. Das ließ sich mit der herkömmlichen StrahlröhrenTechnik schwerlich erreichen.

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Einsatzbereitschaft der "sehenden" Bombe.83 Dadurch leitete er die Entwicklung ganzer Serien ähnlicher Lenkwaffen ein. Es entstanden die Typen HS 117 (Schmetterling), HS 293, HS 298 und der Sprengpanzer "Goliath". Die elektronischen Einrichtungen für die fernsehtechnische Lenkung dieser Angriffswaffen produzierte die 1942 von Bosch (50 Prozent), Göring und Ohnesorge (je 25) gegründete Elektro-Optik-GmbH. Auf solche und andere Weise durch staatliche Beteiligungen, Kredite, nicht rückzahlungspflichtige Entwicklungskostenzuschüsse, Werbeaufwendungen und Steuervergünstigungen — wurde die damalige deutsche Fernsehindustrie nahezu vollständig vom Staat finanziert. Bereits 1942 sprach Wilhelm Ohnesorge gegenüber Erhard Milch, dem Vertreter des Reichsluftfahrtministers und Oberbefehlshabers der Luftwaffe Göring, seinem militärischen Partner, von "gewaltigen Summen",84 die das Hitlerregime für die Entwicklung des Fernsehens aufgebracht hatte. Der Reichspostminister erklärte unmißverständlich, daß davon "sowohl die Firma Telefunken als auch die Fernseh-GmbH im wesentlichen ihren gesamten Aufbau bestritten"85 hatten. Dem fügte Minister Ohnesorge noch ausdrücklich hinzu: "... auch der Erfahrungsschatz meiner Laboratorien ging auf die genannten Gesellschaften über ...1,86 Die faschistische Kriegswirtschaft ermöglichte den Konzernen Siemens, AEG und Bosch enorme Gewinne aus der Verwertung dieser staatlichen Aufwendungen. Neben dem staatlich finanzierten Aufbau von Laboreinrichtungen und Produktionsanlagen schlug vor allem die von Ohnesorge hervorgehobene Übernahme staatlich finanzierter For-

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Vgl. Ohnesorge an Hitler, 289. Mai 1940, a.a.O. Ohnesorge an Milch, 14. Dezember 1942. MPF/RPM, 52/136. Ebd. Ebd.

42 schungsergebnisse bei der Fernsehindustrie zu Buche. Gern hätte sie noch mehr an sehenden Bomben verdient. Doch die Entscheidung für eine Fernseh-"Wunderwaffe" richtete sich nicht nach subjektiven Wünschen und Meinungen, sondern nach den wissenschaftlichen Voraussetzungen. Sie fehlten am Beginn der vierziger Jahre noch und sollten sich erst im Verlaufe des Jahrzehnts entwickeln. Die deutsche Fernsehforschung hatte aber ihren Vorsprung in der zukunftsträchtigsten Richtung, den sie dank der Arbeiten von August Karolus vor dem Kriege erreichen konnte, verloren. Sie büßte schließlich ganz die Möglichkeit ein, an den in Leipzig gewonnenen Erkenntnissen zum Fernsehen auf Rastertafeln wieder anzuknüpfen. Mitte Juni 1945 betrat ein gewisser B. Ranger87 das Institut in Leipzig, das die unersetzlichen Arbeitsergebnisse barg. Um einen "amerikanischen Offizier, der über den Wert unterrichtet"88 war, handelte es sich bei diesem Ranger. Jener "Colonel der amerikanischen Armee"89 ließ die gesamte wissenschaftliche Ausbeute eines Vierteljahrhunderts gemeinschaftlicher Hochschulforschung "mit allen Apparaturen und Unterlagen"90 in die amerikanische Besatzungszone schaffen. Das geschah wenige Tage bevor — wie zwischen den verbündeten Großmächten in Jalta vereinbart -- die Sowjetarmee Leipzig beziehen konnte und das Eigentum der Sächsischen Landesuniversität, ihrer Wissenschaftler und Forscher, zu sichern vermochte.

Vgl. Hildegard Karolus-Geest, August Karolus. Die Anfänge des Fernsehens in Deutschland in Briefen, Dokumenten und Veröffentlichungen aus seiner Zusammenarbeit mit der Telefunken-GmbH, Berlin 1923 1930, kommentiert von Hildegard Karolus, Berlin-West und Offenbach 1984, S. 215. Walther Gerlach (1973) August Karolus, in Jahrbuch der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, München, S. 229. Karolus-Geest 1984, S. 215. Gerlach 1973, ebd.

43 Gestalter des Fernsehprogramms im Konflick zwischen Schöpfertum und Barbarei Bewußte Ansprache "An Alle!", politische Gestaltungsabsicht und Öffentlichkeit des Empfangs machten vom 22. März 1935 an das technische Verbindungsmittel Fernsehen zum neuen Werkzeug der Politik. Im Eröffnungsprogramm beschwor Reichssendeleiter Eugen Hadamovsky91 die Zukunft des neuen Sendemediums. Dem Fernsehen winke "die herrliche Mission, Völker sehend zu machen und damit der Wahrheit und dem Frieden zu dienen."92 Das schöne Wort ließ die humanistische Botschaft erkennen, daß Wahrheit und Frieden im Interesse der Völker liegen. Es drückte die in einem bestimmeten Kreis höherer Nazifunktionäre noch immer nicht ganz verschüttete Zuwendung zu den Idealen der Arbeiterbewegung und den Zielen des revolutionären Kampfes aus, Ideale und Ziele, die vor allem in den werktätigen Zuschauern fortlebten, an die Hadamovsky sich programmatisch wandte. Auch aus ihm sprach der Irrglaube, nach Jahren des Kampfes gegen den Staat der Weimarer Republik politisch am Ziele zu sein. Sicher verbanden sich damit bei dem politischen Funktionär Eugen Hadamovsky auch unlautere, auf Geld und Macht gerichtete Überlegungen. Doch schon im Gegensatz zu ihm war Horst Dreßler-Andreß, der Leiter der Rundfunkabteilung des Propagandaministeriums, ein aufrechter Idealist, der in den ersten beiden Jahren seiner Amtsführung immer noch allen Ernstes "glaubte, innerhalb der nationalsozialistischen Weltordnung ein wahrhaft sozialistisches Ziel

Eine Schreibweise Hadamowsky (Vgl. Riedel 1985) widerspricht Beurkunden vom Träger des Namens selbst und ist nur aus einem Lesefehler erklärbar. Originalton der Filmaufzeichnung der Rede Eugen Hadamovskys in der ersten Sendung des Programmdienstes am 22. März 1935. 35 mm comopt, 12 Min., GdF/B.

44 erreichen zu können."93 Doch so sehr er sich als Revolutionär fühlte, war er doch bestenfalls nur Reformist: er ordnete sich, auch wo er als Kammerpräsident und Ministerialrat handelte, den Gesetzen des Kapitals unter. Er regierte, während die anderen herrschten — über die Produktion, das gesellschaftliche Sein, über die Ideologie, das gesellschaftliche Bewußtsein, über Frieden und Krieg. Die Programmeröf f nung acht Wochen vor dem I. Deutschen Fernsehkongreß war in erster Linie dem persönlichen Ehrgeiz Eugen Hadamovskys geschuldet, der sich bei der Hitlerclique als Mann der Zukunft empfehlen wollte. Die Gegner der von Dreßler-Andreß vertretenen Sendemedienkonzeption fanden im Reichssendeleiter einen ansprechbaren und zu entschlossenem Handeln fähigen Spießgesellen. An ihn wandten sie sich — so im gleichen Jahre 1935 Staatssekretär Ohnesorge94 oder Oberst Fellgiebel95 im Namen der Reichspost — bzw. des Reichskriegsministers — , immer dann, wenn es galt, den Einfluß sozialistischer Zielstellungen auf die Fernsehentwicklung zurückzudrängen. Die reaktionäre, offen terroristische Gewalt verkörperten Reichskriegsminister Blomberg und Luftfahrtminister Göring. Zusammen hatten sie am 30. Juni des Vorjahres — in der Person Gregor Strassers und maßgeblicher SAKommandeure mit Ernst Röhm an der Spitze — die Führung jener Massen kleinbürgerlicher und proletarischer Nazianhänger ermorden lassen, die mit dem Ruf nach einer "zweiten Revolution" bei der Hitlerclique die Erfüllung der demagogischen, antikapitalistischen Vereißungen einklagten, und die damit für die faschistische Diktatur

Urteil im Strafprozeß gegen den Schriftsteller Horst Dreßler-Andreß, 11. März 1948. a.a.O. Ohnesorge an Hadamovsky, 27. September. GdF/S, Nachlaß Dreßler-Andreß. Fellgiebel an Hadamovsky, 27. September. GdF/S, Nachlaß Dreßler-Andreß.

45 des Monopolkapitals zur Gefahr wurden.96 Das von Horst Dreßler-Andreß geplante Verknüpfen der Programmeröffnung mit dem Fernsehkongreß einer Organisation, die in 3 1/2 Jahren fast eine halbe Million Menschen vereinen konnte, war den Drahtziehern der Aufrüstungs- und Kriegspolitik ein Dorn im Auge. Sie wußten genau, daß 97 "durch ... organisierten Willen" geführte Massen werktätiger Menschen ihren Kurs behindern würden, sobald sie Einfluß auf Industrie und Programm des Fernsehens gewinnen konnten. Um die Kräfte im Propagandaministerium auszuschalten, die dort sich einbildeten, mit administrativer Gewalt für den Frieden wirken und wahrhaft sozialistische Ziele erreichen zu können, nahmen die hinter Reichspostminister Freiherr von Eltz-Rübenach und Reichskriegsminister von Blomberg stehenden Industriekreise gemeinsam mit den Faschistenführern Göring und Ohnesorge die in Aussicht stehenden militärischen Fernsehanwendungen zum Anlaß. Ihr Bestreben, den Einfluß der Reiche-RundfunkGesellschaft auf die materielle Basis der Sendemedien abzuschaffen, ließ Reichskriegsminister von Blomberg darauf "bestehen, daß die gesamte Technik, einschließlich Betrieb und Personal, auch auf dem Gebiete des Fernsehens ... in der Hand der Deutschen Reichspost bleibt, bzw. wieder vereinigt wird, soweit einzelne Teile (z. B. der nachrichtentechnische Apparat der Reichs-Rundfunk-Gesellschaft) abgesplittert sind."98 Mit diesen strategischen und taktischen Zielstellungen bereiteten Göring und Freiherr von Eltz-Rübenach den Hitler-"Erlaß des Führers und Reichskanzlers über die Zuständigkeit auf dem Gebiete

Vgl. Kurt Gossweiler, Die Röhm-Affäre, Zusammenhänge - Hintergründe - Auswirkungen. Köln 1983. Diese Formel durchzieht alle programmatische Äußerungen von Horst Dreßler-Andreß (vgl. Erinnerungsaufzeichnungen, GdF/S). Blomberg an Lammers, 24. Oktober 1935. GdF/S. Nachlaß Dreßler-Andreß.

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des Fernsehwesens"99 vor. Ihn versah Hitler im Dezember 1935 notdürftig mit einer Ergänzung, damit Fernsehen auch "für Zwecke der Volksaufklärung und Propaganda"100 verwendet werden durfte. Doch das tat der Willensvollstrecker der aggressivsten und reaktionärsten Kreise des Finanzkapitals nicht mit der vom Reichssendeleiter beschworenen Absicht, sehend zu machen und damit der Wahrheit und dem Frieden zu dienen. Ganz im Gegenteil. Hitler und Goebbels brauchten ein Fernsehen, das ein Volk derart verblendete, daß es dem Kriege dienen konnte. Eine solche Programmpolitik ließ sich nur durchsetzen, wenn es gelang, Bestrebungen wie der VolkssenderAktion den organisierten Willen zu rauben, jeden Einfluß des Volkes auf die Programmgestaltung zu unterbinden. Das geschah. Im gleichen Moment, in dem der Fernsehprogrammdienst als Ergänzung zum Hitler-Erlaß Gesetz wurde, zerschlug Goebbels die im Reichsverband Deutscher Rundfunkteilnehmer unter dessen 485.000 Mitgliedern gewachsene Illusion einer aktiven Mitgestaltung der Sendemedien. Als am 11. Dezember 1935 der zweite, ergänzende Hitler-Erlaß über die Zuständigkeit für das Fernsehen vorlag,101 befahl Goebbels noch in der gleichen Woche, daß der Verband aufzulösen sei. Am 19. Dezember führte Hadamovsky den Befehl aus, mit Wirkung für den 31. Januar 1936. So vermochten es die herrschenden Kreise, das Fernsehprogramm weitgehend ungestört gegen die Lebensinteressen des deutschen Volkes zu entwickeln. Als neues Werkzeug ihrer Politik102 erfüllte das Fernsehprogramm den Auftrag, das verbrecherische 99 100 101 102

Reichsgesetzblatt, 1935, Teil I, S. 1429/1430. Ebd. Vgl. ebd. Die bekannte Filmschauspielerin Else Elster begrüßte die Zuschauer zum Programm des 15. Januar 1936. Ihre Worte: "Achtung! Achtung! Fernsehsender 'Paul Nipkow'. Wir begrüßen alle Volksgenossen und Volksgenossinnen in den Fernsehstuben Großberlins mit dem Deutschen Gruß 'Heil Hitler!'"

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Hitlerregime des deutschen Imperialismus im Innern wie im militärisch besetzten103 Ausland zu festigen. Hohe Aufmerksamkeit richtete die Programmführung auf sogenannte Zeitdienst-Sendungen. Sie dienten dazu, das antikommunistische, antisowjetische, chauvinistische und rassistische Feindbild der faschistischen Propaganda auch im Fernsehen zu vermitteln. Den Fernsehprogrammdienst bis zur letzten Nachricht mit Lügen zu durchsetzen, gelang selbst Goebbels'scher Medienlenkung nicht, weil sie sich gezwungen sah, auf viele Fernsehschaffende zurückzugreifen, die den Programmdienst als einen Kulturfortschritt gegen die Rüstungsinteressen der Elektrogroßunternehmen errungen hatten und ihn nach wie vor verteidigten. Hervorragende Künstler, zum Beispiel Arnolt Bronnen als Oberspielleiter und Dramaturg des Fernsehsenders und Phil •

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Jutzi, sein Chefkameramann, schufen neue Ausdrucksformen der dramatischen Kunst. 1937 entstand das erste Fernsehspiel der Kunstgeschichte, das in einem regulären Im Gefolge seiner Aggressionstruppen versuchte das Hitlerregime sein Fernsehsystem über ganz Europa zu verbreiten. Durch die Besetzung des französischen Fernsehbetriebes in Paris gelang es, die Leistung der deutschen Fernsehprogrammproduktion 1943 auf 77 Stunden wöchentlicher Sendezeit zu bringen. Kameramann und Spielleiter. Geboren (als Phillip Jutzi) am 22. Juli 1896 in Alt-Leiningen (Pfalz); gestorben am 1. Mai 1946 in Neustadt an der Weinstraße. Der Sohn eines Schneidermeisters arbeitete als Kunstmaler und begann 1919 mit der Produktion von Detektiv- und Westernfilmen. Anfang der zwanziger Jahre übernahm er Filmaufträge der Internationalen Arbeiterhilfe, einer Organisation, die durch Propaganda zur Unterstützung der Sowjetunion beitrug. Mit den Kinofilmen "Hunger in Waldenburg" (1928), "Blutmai 1929" und vor allem "Mutter Krausens Fahrt ins Glück" (1929) entwickelte sich Phil Jutzi zu einem sozialkritischen Filmkünstler. Nach dem Verbot seiner bedeutendsten Werke 1933 drehte er in Österreich und Polen einige anspruchslose Filme, bevor er Mitte der dreißiger Jahre im Fernsehen Lebensunterhalt und eine neue künstlerische Heimat finden konnte.

48 Fernsehprogramm seine Zuschauer erreichte. Das ZehnMinuten-Stück für zwei Darsteller trug den Titel Das Schaukelpferd. In großer Vielfalt entstanden publizistische Sendeformen, angefangen bei den Sportsendungen — mehr als 200 waren es allein zwischen 1. August 1936 und 31. Mai 1941105 — über Bildungs — und unterhaltende Gesprächssendungen bis hin zu Ratgeber-Sendereihen. Mit zunehmender Sendezeit rückten täglich gesendete Fernsehnachrichten immer deutlicher ins Zentrum der Programmpolitik. Ihren wesentlichsten Vorzug gegenüber der Wochenschau im Kino kleideten die Fernsehleute in das treffende Wort "Tagesschau". Dieser Begriff gelangte 1938 durch Friedrich Gladenbeck in den allgemeinen Sprachgebrauch. Der Ministerialrat und Chef der Reichspostforschungsanstalt machte in einem Vortrag Vorschläge, die recht weitgehend gediehene Erkenntnis der Medienspezifik widerspiegeln. Gladenbeck sagte: Man stelle sich vor, es wäre bei der Besetzung Sudetendeutschlands kurz vor Beginn der Tagesschau noch eine bedeutende Stadt erreicht worden; es könnte dann in der Tagesschau ein Sprecher zunächst auf der Landkarte die Vormarschlinie zeigen, dann einige im Archiv befindliche Stadtbilder dazwischenstreuen, dann die aller neuesten Momentbilder der marschierenden Truppen geben usw. Bei geschickter Ausnutzung der gegebenen Möglichkeiten wird der Zuschauer auch bei der Übermittlung toter Bilder immer den Eindruck einer lebendigen Darstellung haben. Das Haupterfordernis für den Fernsehsender ist also immer wieder: Höchste Aktualität!106 Mit so weitgehenden Einsichten in die Wirkung des Fernsehens zeichnete sich gegen Ende der dreißiger Jahre bei verantwortlichen hohen Reichspostbeamten eine bemerkenswert veränderte Einstellung zum Fernsehprogramm ab.

Vgl. Sendedokumentation der Geschichtskommission des Fernsehens der DDR, 1935 bis 1944 (Bearbeiter Joachim Bibrack). Friedrich Gladenbeck, "Vortrag auf der Post- und Telegraphentechnischen Woche in Wien, 23. November 1938" in Die Deutsche Post, Heft 51/1938, S. 1519.

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Sie beeinflußte auch künftige Entscheidungen des Reichspostministers. Wenn Gladenbeck nachwies, er eröffne "sich für das kommende Fernsehen eine Einwirkungsmöglichkeit der Führung auf das Volk, die von unvorstellbarer Kraft sein wird",107 oder wenn Ende 1938 Ministerialdirektor Günter Flanze die These veröffentlichte, Fernsehen sei "das stärker als der Rundfunk wirkende Machtmittel der Partei und des Staates",108 dann waren das Erkenntnisse, die allmählich auch die althergebrachten Propagandatheorien der Hitlerclique ins Wanken brachten.109 Die Sendungen zeigten, daß einzelne Sprecher des Fernsehens recht geschickt die Aufmerksamkeit und die Sympathie ihres Publikums gewannen.110 Sie pflegten das direkte Gespräch mit dem Zuschauer, seine Einbeziehung in Fernsehaussagen. Das bewußte Verwenden des direkten Gesprächs, die Nutzung persönlicher Ausstrahlung vom Bildschirm, vermochten in Unterhaltungssendungen voller Klamauk Äußerungen eines barbarischen Journalismus raffiniert einzuweben. Das erschien zwischen einer Steptänzerin aus dem Berliner Großvariete "Wintergarten" und einer englischen Musical-Clownerie ein Moderator. Er plauderte: Um mal wieder über die Musik zu sprechen - ich freue mich, daß heute alles so wunderbar im Takt geht. Nicht wahr? Wenn es auch hier und da immer noch so etliche Querpfeifer bei uns gibt. Und vielleicht auch mal solche, die gerne mal wieder die Zen-

Günter Flanze, in Jahrbuch des elektrischen Fernmeldewesens 1938, S. 229. Oft zitierte Einschätzungen der Gesamtwirkung dieses Fernsehens durch einen seiner Mitgestalter - "netter Privatspaß für Hitler" (Bronnen 1985, S. 418) und "es gab weder ein Fernsehen noch ein Programm" (Ebd., S. 387) - sind ebensowenig ernst zu nehmen wie die spaßigen Ausführungen über ein "250-Zeilen-Bild", (Ebd., S. 417) das es wirklich nie gegeben hat. Vgl. Moderation der Programmwerbesendung FernsehFibel durch Horst Preusker. (Filmaufzeichnung der Sendung. 35 mm comopt, 40 Min., GdF/B)

50 Trummel111 rühren möchten, sogenannte DevisenMusikanten. Nicht wahr, da machen wir wenig Federlesen. Die kommen zu ihrer weiteren Ausbildung in 112 ein Konzertlager, wo man ihnen dann solange die Flötentöne beibringt, bis sie sich an eine taktvolle Mitarbeit gewöhnt haben. Aber das wollte ich Ihnen ja eigentlich gar nicht ansagen. Ich hatte was ganz anderes vor: Wir haben jetzt englische MusicalClowns, die in einer grotesken Art musizieren, daß es nur so eine Art hat! Diese Art Fernsehunterhaltung beruhte auf zwei Voraussetzungen. Sie konnte erstens an ein schon vermitteltes Feindbild anknüpfen, in diesem Falle: Katholiken ('Zentrum'-Anhänger) gehören ins Konzentrationslager. Zweitens konnte sie Leistungen einer perfekten Unterhaltungskunst nutzen, die noch in einer Zeit begründet wurden, in der Berlin die Metropole einer modernen Vergnügungsindustrie war. 1939 meinten die reaktionärsten, aggressivsten Kreise des Elektro- und Luftfahrtkapitals im Interesse höherer Rüstungsgewinne und im Angesicht des lange vorbereiteten Krieges, daß ein Programmbetrieb zur Tarnung der Fernsehwaffen-Entwicklung nicht mehr notwendig sei. Sie nutzten die für den militärischen Überfall vorbereitete "Funkregelung im Kriege (F.i.K. - Wehrmacht Teil D)1,114 und ließen

112

113

Ein Wortspiel, gebildet aus dem Musikinstrument "Trommel" und dem Parteinamen "Zentrum" für die ehemalige Deutsche Zentrumspartei. Ihr gehörten vorwiegend Menschen katholischen Glaubens an, die sich der Verfolgung widersetzten und von denen nicht wenige aus humanistischer Gesinnung am antifaschistischen Widerstandskampf teilnahmen. Ein Wortspiel, gebildet aus dem musikalischen Begriff "Konzertlager" wurde allgemein verstanden, wenn von KZ die Rede war. (Vgl. Viktor Klemperer, LTI Notizbuch eines Philologen, 1982, S. 197.) Filmaufzeichnung des Auftritts einer Steptänzerin mit Lasso, der überleitenden Moderation und des Auftritts zweier Musical-Clowns mit Partnern, insg. 7 Min., GdF/B. Aktennotiz Abteilung III, 2. September 1939. MPF/RPM 52/130.

51 am 24. August 1939 die Programmausstrahlung abbrechen. Die Weisung kam aus der engsten Umgebung Hitlers, wahrscheinlich von Göring selbst, denn sie trat schon in Kraft, bevor Hitler ein erstes Mal den "Fall Weiß" befahl. In neu aufflammenden Richtungskämpfen für oder gegen einen öffentlichen Fernsehdienst konnte Goebels geltend machen, daß der Programmbetrieb seit 1935 mit dazu beigetragen hatte, das hitlerfaschistische Regime als modernes, technisch leistungsfähiges und kulturvolles Staatswesen hinzustellen. Allein die Existenz des Fernsehprogrammdienstes half mit, die Massenbasis des deutschen Faschismus im Lande und sein Ansehen im Ausland zu festigen. Diese Argumente vertraten vor allem jene Industriellen der Elektronikbranche, die im weiteren Ausbau leistungsfähiger Programmbetriebe eine wichtige Profitquelle der Zukunft erblickten. So konnten auch in den Jahren des Krieges Tatkraft und Schöpfertum mehrerer hundert fleißig und hingebungsvoll arbeitender Menschen eine straff gelenkte Fernsehorganisation auf den Beinen halten und zwei weitgehend entwickelte Programmbetriebe ausbauen. In keinem schafften es die faschistischen Medienlenker, die Fernsehprogramme bis in ihre letzten Äußerungen mit den geforderten Inhalten zu erfüllen. Zu arbeitsteilig, zu differenziert gestalteten sich bereits Produktions- und Ausdrucksweisen des neuen Sendemediums, als daß nicht noch Raum blieb für künstlerische Regungen außerhalb der verordneten Stereotype. In solchen Freiräumen zeigten sich mitunter — den herrschenden Machtverhältnissen zum Trotz und unter Arbeitsbedingungen entstanden, die es nicht zuließen, daß die Fernsehschaffenden ihre schöpferischen Fähigkeiten voll entfalten konnten — bemerkenswerte Leistungen. Wo namhafte Künstler-Spielleiter wie Arnolt Bronnen, Kameramänner wie Wilhelm Bühler und Phil Jutzi, Schauspieler wie Viktor de Kowa und Horst Preusker und viele andere — ,

52 schöpfend aus dem humanistischen Erbe des deutschen Volkes und der Weltkultur die Spezifik des neuen Sendemediums entdeckten, konnten sie Bleibendes in die Geschichte von Fernsehkunst und Fernsehtheorie eintragen. Eine ausge115 prägte Fernsehkritik, Fernsehfachliteratur116 und 117 Fernsehgeschichtsschreibung gehörten ebenso mit zu den weit in die Zukunft reichenden Errungenschaften der ersten

Als Begründer der deutschen Fernsehkritik ist zweifellos Kurt Wagenführ zu würdigen. Zu den wichtigsten fortschrittlichen Autoren einer weit verbreiteten Fachliteratur zählten Hanns Günther, Walter Friedel, Paul Hatschek, Günter Krawinkel, Eduard Rhein, Werner Schlesinger, Friedrich Vilbig und viele andere. Zu den wertvollsten Ergebnissen zählt vor allem die vor 1929 entwickelte, unverstellte Sicht auf die Erfindungsgeschichte des Fernsehens. Daß Paul Nipkow, der 1883 eine der ersten ausführbaren Fernsehmodelle entwarf, nicht damit zugleich die Grund- bzw. "General"-Idee des Fernsehens als erster veröffentlicht hatte, war schon 1884 durch Prof. Dr.Karl-Eduard Zetzsche bewiesen worden. Daß der grundlegende Gedanke keineswegs von ihm stammte, mußte Nipkow auch als Inhaber des ersten Fernsehpatents 1885 öffentlich eingestehen. Er ließ jedoch später zu, daß ihn Hitler vor aller Welt als den "Erfinder der Fernsehtechnik" (Hitler an DreßlerAndreß, 29 Juli 1935, GdF/S, Nachlaß Dreßler-Andreß) hinstellte. Unbescheiden beteiligte er sich auch am Bemühen der faschistischen Propaganda, die Leistungen aller tatsächlich um die Fernsehtechnik verdienten Persönlichkeiten aus dem Gedächtnis der Öffentlichkeit zu tilgen. Daß allein der von ihm ernannte als Fernseherfinder zu gelten habe, unterschrieb Hitler ein letztes Mal 1940, kurz bevor er das Staatsbegräbnis für Nipkow anordnete. An der Bahre polierten Redner ohne technische Sachkenntnis noch einmal jene Worthülsen, auf die sich eine ausufernde LegendenLiteratur stützt. Nur wenige aufrechte Kenner der fernsehtechnischen Geschichte wagten es, der Sprachregelung auszuweichen, so u.a. der ReichspostIngenieur Dr.-Ing. Günter Krawinkel (Vgl. Elektrotechnische Zeitschrift, 61.Jg./1940, Heft 36, S. 840) und - die Fernsehleute selbst. (Vgl. Fern-sehbericht vom Staatstrauerakt für Paul Nipkow, Berlin Unter den Linden, 28. August 1940. 35-mm- Film, comopt, 3 Min. und Schnittreste, 10 Min, GdF/B)

53 deutschen Fernsehleute. Schicksale und Erfahrungen deutscher Fernsehleute Im antifaschistischen Widerstand Seit dem ersten Tag der faschistischen Diktatur führte die Kommunistische Partei Deutschlands einen heroischen, opferreichen Kampf: für den Sturz des Hitlerregimes, für die Verhinderung des Krieges und die Schaffung einer friedliebenden deutschen demokratischen Republik. Gegen die offene terroristische Gewaltherrschaft der reaktionärsten, aggressivsten Kräfte des Finanzkapitals wandte sich auch ein Teil jener humanistisch denkenden Persönlichkeiten, die schon seit dem Beginn der zwanziger Jahre für einen fortschrittlichen sozialen Gebrauch der Sendemedien Radio und Fernsehen, gegen deren Mißbrauch zur Kriegsvorbereitung gestritten hatten. In Widerspruch zur faschistischen Führungsclique gerieten mit dem konservativen Staatssekretär August Kruckow, dem nationalsozialistischen Ministerialrat Horst Dreßler-Andreß und dem liberaldemokratischen Unternehmer Siegmund Loewe auch Persönlichkeiten aus dem Lager der Herrschenden und Vermögenden. Während August Kruckow, der neuernannte Rundfunkkommissar des Reichspostministers, in einer Kabinettsitzung dem neuen Kanzler Hitler couragiert entgegentrat und —

postwendend —

den Dienst quittieren

118

mußte, sah sich Siegmund Loewe, Haupteigentümer der Radio-AG, die 1933 technisch wie wirtschaftlich an der Spitze der Berliner Fernsehindustrie stand, in allmählich sich zuspitzende Gegnerschaft gedrängt — aus Gründen seiner jüdischen Herkunft. Zum ersten Mal mußten Loewe und viele seiner Mitarbeiter auf der Berliner Funkausstellung 1933 verspüren, was an Bedrohlichem auf sie zukam. Antisemitisch beflissene Reichspostbeamte, voran

Vgl. Ardenne 1987/11.

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der Leiter der Fernsehabteilung, Postrat Friedrich Banneitz, wachten darüber, daß ja kein "Nichtarier" auf den Ständen zu sehen war. Dieses Klima nutzten die Konkurrenten Loewes, den Anschluß an das Geschäft mit Fernsehempfängern herzustellen, den sie mit ihrem verspäteten Ubergang zum Röhrenbildschirm verloren hatten. An die Stelle von Werbeslogans setzten sie die faschistische Boykottparole "Deutsche, kauft nicht beim Juden!" Zu einem besonders heimtückischen Schlag gegen Loewe holten 1935 die Aktiengesellschaften Bosch und Zeiss Ikon aus. Sie nutzten dazu das Ausscheiden der englischen Gesellschaft Baird Television Ltd. aus der Fernseh-AG. Was da an praktischem Antisemitismus vor sich ging, hat später der Generalinspekteur der faschistischen Luftwaffe, Generalfeldmarschall Erhard Milch, dem Rüstungsminister des Hitlerregimes, Albert Speer, genau aufgeschrieben. Milch erklärte: Trotz einer ausdrücklich anderslautenden, "zwischen den deutschen Firmen getroffenen Vereinbarung hat Bosch im Einvernehmen mit der zum gleichen Konzern gehörenden Zeiss-Ikon die Baird-Anteile im Jahre 1935 erworben, ohne Loewe hieran zu beteiligen. Da die Inhaber der Firma Löwe Juden waren, konnten sie mit ihrem Protest gegenüber der Firma Bosch nicht durchdringen.1,119 Auch in den folgenden Jahren richteten faschistisch gesonnene Großunternehmer wie Alexander Ernemann und Alfred Simader von der Dresdener Zeiss-Ikon-AG die Reichsgesetze zur Diskriminierung der Juden in ganzer Schärfe gegen den Gründer der Fernseh-AG, Siegmund Loewe. So sah sich die Loewe-Firma "gezwungen, im Jahre 1938 auch ihren eigenen Anteil an Bosch abzugeben.1,120 Der waschechte Berliner mit dem germanischen Vornamen mußte seine Vaterstadt verlassen. Als neue Heimat wählte er die USA. Ähnlich

Milch an Speer, 6. Dezember 1943. MPF/RPM. Ebd.

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erging es Arthur Korn. Auch dieser erfolgreiche Wissenschaftler sah sich seit 1933 antisemitischen Verfolgungen ausgesetzt. Er blieb jedoch auf seinem Platz als Hochschullehrer und richtete seine praktische Arbeit gegen Ende der dreißiger Jahre mehr und mehr auf das Fernsehen, wobei er mit dem Berliner Unternehmen Dr.G. Seibt zusammenging. 1939 entzog ihm die faschistische Rassengesetzgebung Lehramt und Arbeitsmöglichkeit. Nur mit Mühe gelang es ihm, über Mexiko in die USA zu entkommen . Wie in Wirtschaft und Wissenschaft, so schieden sich die Geister in der Politik. In praktischem Tun trennten sich die Wege der Beamten in der Deutschen Reichspost und der Nazifunktionäre in den Institutionen des faschistischen Rundfunks. Wie jeder einzelne die öffentlich verbreiteten Lügen über angebliche "Feinde" für sich verarbeitete, wurde entscheidend dafür, ob die persönlichen Antworten Barbarentum oder Menschlichkeit, Anpassung oder Widerstand ausdrückten. Sicher, die Mehrzahl der Menschen, die auch die Entwicklung des Fernsehens voranbrachten, verfiel in ihrem Verhältnis zu Andersdenkenden oder Mitbürgern jüdischer Herkunft der um sich greifenden Verderbnis der Gewissen. Aber nicht wenige der Beamten und Funktionäre, solche vor allem, die in humanistischdemokratischen, pazifistischen Bildungstraditionen des deutschen Bürgertums standen, blieben in geistiger Distanz zur Hitlerclique. Techniker der Deutschen Reichspost, wie Johannes Begrich, Gerhart Goebel, Ernst Kehler und viele andere, stellten sich auf die Seite der von "Säuberungs"Aktionen121 Bedrohten und sahen sich selbst schikaniert122

Staatssekretär Ohnesorge vom Reichspostministerium behauptete, es hätten sich in der Deutschen Reichspost der Weimarer Republik "zahlreiche kommunistische und marxistische Elemente" (Wilhelm Ohnesorge, "Vortrag auf der Tagung des Arbeitsgebietes Verkehr der Reichsbetriebsgemeinschaft Verkehr und öffentliche

56 vom "Himmler der Deutschen Reichspost", wie der Rüstungsexperte Günter Flanze nicht nur wegen zufälliger Ähnlichkeit mit dem verrufensten Hitler-Intimus genannt wurde. Nazifunktionäre gab es, die herkommend aus nationaldemokratischen Positionen, ihre antimilitäristischen, antirassistischen, 123 mitunter gar sozialistischen Ideale nicht verrieten. Einer, der "seinen ursprünglichen Zielen treu blieb und mit eiserner Konsequenz auch gegen die ablehnende Haltung seiner Vorgesetzten innerhalb der Partei durchzusetzen suchte ...",124 war Ministerialrat Horst Dreßler-Andreß. Für seine Vorstellungen von der Nutzung des Fernsehens gewann die 1932 in Los Angeles begründete

Betriebe, 5. November 1936" in Archiv für Post und Telegraphie, 11/1936, S. 308) befunden. Wir "gingen daher", so prahlte der Faschistenführer, "an eine Säuberung . . ., die später erschienenen Gesetze schufen dann auch die gesetzliche Grundlage, um neben den unzuverlässigen auch die rassefremden Elemente zu entfernen.... Lücken wurden durch die bevorzugte Einstellung von alten Kämpfern ausgefüllt. Seit 1933 sind so insgesamt 19 000 verdiente Mitglieder der NSDAP bei der Reichspostverwaltung eingestellt worden." (Ebd.) Vgl. Goebel an Verfasser, 4. September 1974. GdF/S. Irene Meyer, geb. Sager, Witwe des ermordeten Widerstandskämpfers Hans Meyer-Hanno, gab der Großen Strafkammer des Landgerichts Meiningen im Prozeß gegen Dreßler-Andreß am 11. März 1948 die eidesstattliche Erklärung ab: "Gleich Anfang 33, als man meinen Mann wegen seiner jüdischen Frau nicht engagieren wollte, hat er (Dreßler-Andreß, MH) es durchgesetzt, daß er spielen konnte. Später hat er mit den zuständigen Behörden verhandelt, um mir, als mein Vater starb, und ich nach Rumänien reisen mußte, mir aber als Jüdin der Paß verweigert wurde, die Einreise nach Rumänien zu ermöglichen. Aber am meisten versuchte er uns zu helfen, als unser Sohn, weil er Mischling ersten Grades war, die höhere Schule verlassen mußte. ... Leider erfolglos, weil überhaupt keine Ausnahmen gemacht wurden. Aber ich weiß, daß er damals diese Gesetze grundsätzlich ablehnte." (GdF/S, Nachlaß Dreßler-Andreß). Vgl. Urteil gegen den Schriftsteller Horst DreßlerAndreß, 11. März 1948, a.a.O.

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olympische Freizeitkongreß-Bewegung Gewicht. Dazu wollte Dreßler-Andreß, seit Juli 1933 Präsident der Reichsrundfunkkammer und seit August 1934 dazu noch Reichsamtsleiter der NS-Gemeinschaft Kraft durch Freude, einen Fernsehprogrammdienst als technisch modernsten, grundsätzlich neuen Freizeit- und Kulturinhalt der internationalen Öffentlichkeit vorführen. Langfristig bereitete er den Weltfreizeit-Kongreß vor, der 1936 unmittelbar vor den Olympischen Spielen von Berlin in Hamburg stattfinden sollte.125 Obwohl Dreßler-Andreß nie ein Hehl aus seinen nationalistischen, antimarxistischen Standpunkten machte, führte ihn seine Gegnerschaft zur Kriegspolitik der reaktionärsten und aggressivsten Kräfte des Finanzkapitals in die breite Volksfront des Friedenskampfes unter Führung der KPD. In der zweiten Hälfte der dreißiger Jahre entwickelte sich ein Werkzeugmacher aus der Berliner Radio-RöhrenIndustrie zum führenden Kopf der illegalen kommunistischen Parteiorganisation in der Reichshauptstadt: Robert Uhrig. Unter seiner Leitung suchte die Partei das Bündnis mit Kreisen der reformistischen und nationaldemokratischen Arbeiterbewegung ebenso wie mit der bürgerlichen Intelligenz. Die Illegalen wandten sich auch an Berliner Kulturschaffende, die unter dem Eindruck der unmittelbaren Kriegsvorbereitungen in offenen Widerspruch zur Hitlerclique gerieten und, wie Arnolt Bronnen, mit Berufsverboten126 belegt wurden. Für Uhrig und seine Mitkämpfer gab es nicht nur Nazis schlechthin. Sie wußten ideologisch und sozial genau zu unterscheiden. Ihre politische Arbeit richtete sich sogar an Persönlichkeiten aus dem Führerkorps der Nazipartei, wenn sie antimilitari-

ErinnerungsaufZeichnungen Dreßler-Andreß, GdF/S. Vgl.u.a. Voss an Bronnen, 10. Mai 1940, Archiv der Akademie der Künste Berlin (West), Sammlung Arnolt Bronnen.

58 stische und nichtrassistische Positionen bezogen. Deshalb nahm die KPD auch zu Horst Dreßler-Andreß den Kontakt auf. Mittelsmann war der Schauspieler Hans Meyer-Hanno.127 Über den Bühnenarbeiter Kurt Seibt,128 einen führenden Funktionär der Adlershofer KPD-Gebietsleitung, ergab sich damit zufällig eine informelle Querverbindung in das Gebiet der Fernsehindustrie des Berliner Südostens.129 Ein Netz solcher Kontakte half, die Berliner KPD-Führung mit dem Denken bestimmter Nazi- und Unternehmerkreise bekannt zu machen. Das diente einer konkreten, auf Tatsachen beruhenden Agitation der KPD. Umgekehrt blieben die Informanden nicht unbeeinflußt. Als Dreßler-Andreß im Sommer 1936 sein Hauptreferat zum Hamburger Weltkongreß für Freizeit und Erholung aus-

Deutscher Schauspieler. Geboren am 3. Juni 1906 in Hannover. Der Sohn eines Postbeamten wurde zunächst Theatermaler, bevor er die Schauspieler-Ausbildung durchlief. Der am Berliner Schiller-Theater engagierte Künstler gehörte seit Beginn der 30er Jahre zum Freundeskreis von Dreßler-Andreß. Er pflegte diesen familiaren Umgang nach 1933 weiter, wie er im Auftrage der kommunistischen Partei auch zu anderen nationalbolschewistisch orientierten Persönlichkeiten, so z.B. Alexander Graf Steenbock-Fermor und Beppo Römer, Verbindungen unterhielt. Metallarbeiter. Geboren am 13. Februar 1908 in Berlin als Sohn eines Arbeiters. Mitglied der KPD seit 1931. Seit 1933 illegale Organisations- und Aufklärungsarbeit. Nach der Verhaftung von Robert Uhrig trat Anton Saefkow an die Spitze der Berliner kommunistischen Parteiorganisation. Auch er arbeitete eng mit der Gebietsleitung Südost zusammen: "Nachdem im Juli 1943 das Nationalkomitee 'Freies Deutschland' (NKFD) gegründet worden war, organisierte Anton Saefkow bereits im August in Berlin-Adlershof einen ersten Meinungsaustausch über das NKFD." (Heinz Habedank, "In Berlin an der Spitze des Widerstandes" in Neues Deutschland, Ausgabe B, 38.Jg./Nr. 172 vom 22. Juli 1983, S. 4) Mit der Saefkow-Organisation fiel Ende Juli 1944 auch Hans Meyer-Hanno der Gestapo in die Hände. Verurteilt zu einer Zuchthausstrafe wurde er unmittelbar vor Kriegsende in der Haft ermordet.

59 arbeitete, wußte er schon recht genau, wie sehr er bisher Kräften in die Hände gearbeitet hatte, die er eigentlich entmachten wollte. Er hatte durchaus erkannt, daß er das ideologische Geschäft von Kriegstreibern besorge, wenn er sich und seine Anhänger nicht klar von dem in Deutschland herrschenden Wirtschaftssystem abgrenzte, wenn er nicht den ersichtlichen Mißbrauch der Technik gegen Frieden und menschliches Wohl anprangerte. So mahnte Dreßler-Andreß die in Hamburg versammelten Vertreter von 60 Nationen: Die individualistische Auswertung der Technik in der Form eines ungehemmten Privatkapitalismus führt zum Kriege, zunächst in der Form der Klassenkämpfe und der Krisen, dann zum Krieg der Völker untereinander. Wir also handeln im Dienste des Weltfriedens, wenn wir dafür eintreten, daß die Arbeit und ihre Ausnutzung von den Schlacken niedriger Gewinnsucht befreit wird und die Technik in der höchsten Rang130

Ordnung menschlicher Werte ihren Platz erhält. Am Schluß seiner Ausführungen gab Dreßler-Andreß einen Ausblick auf die demokratische Zukunft der Sendemedien, wie er sie seit 1927 kämpfend erstrebte: Eines Tages wird das gesamte Rundfunkprogramm ein Programm vollkommener Freizeitgestaltung sein; nämlich dann, wenn unsere Volkssender-Aktion die Fülle der Begabungen aus dem Volke freigemacht hat und wenn, zusammen mit dem Fernsehen, Rundfunk und Volk aus ihrer Gemeinschaftsarbeit heraus neue Formen der Kunst werden entwickelt haben.131 Der Kongreß faßte den Beschluß, ein Internationales Zentralbüro für Freizeit in Berlin anzusiedeln und empfahl Dreßler-Andreß als dessen Leiter. Die offizielle Ernennung durch den Führer der Deutschen Arbeitsfront Robert Ley, verbunden mit Beförderung zum Reichshauptamtsleiter der Organisation Kraft durch Freude, trat am 15. August

Horst Dreßler-Andreß, Rede auf dem Welt-kongreß für Freizeit und Erholung, Hamburg 1936, zitiert in Dreßler-Andreß an Verfasser, 2. Juni 1979, GdF/S. Ebd.

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1936 in Kraft.132 Gleichzeitig sprach der faschistische Chef-Ideologe Alfred Rosenberg bei Hitler vor, um den Ausschluß von Dreßler-Andreß aus der Nazipartei zu fordern.133 Nicht die Phrase vom Weltfrieden — wenngleich aus ehrlichem Herzen kommend — war dafür der Grund. Sie verstieß durchaus nicht gegen die offizielle faschistische Propagandalinie, die von Friedenswillen schwafelte, während bei hemmungsloser Aufrüstung die Wehrpflicht wiedereingeführt, der Versailler Vertrag außer Kraft gesetzt und in eben diesem Jahre 1936 in Spanien eine militärische Intervention gestartet wurde, die der Vorbereitung eines neuen Weltkrieges diente. Was Rosenberg, der Hüter der faschistischen "Weltanschauung", bekämpfte, war die in Dreßler-Andreß gereifte Erkenntnis des Zusammenhangs von Gewinnsucht und Weltkrieg, war dessen Angriff auf die Freizügigkeit des Privatkapitalismus. Gefährlich wurde dieser Mann an der Spitze der Sendemedien, als er so offensichtlich die Mittel für seine nationalbolschewistischen Kulturziele vom Gewinn der Unternehmer zu nehmen trachtete. Deshalb ließ Hitlers Wirtschafts-"Berater" und Staatssekretär im Propagandaministerium, Walther Funk, Ministerialrat Horst Dreßler-Andreß am 7. September 1936 von den Ämtern als Leiter der Abteilung Rundfunk des Propagandaministeriums und als Präsident der Reichsrundfunkkammer beurlauben.134

Als ein Zeichen besonderer Wertschätzung des Ereignisses durch die Fernsehleute darf die Tatsache gelten, daß sie noch vier Jahre danach ihren Fernsehfilmbericht vom Weltkongreß zu den wichtigsten zählen, die sie im ersten Jahrfünft der aktuellen fernsehjournalistischen Arbeit auf den Bildschirm brachten. (Vgl. Sendung Fünf Jahre Filmtrupp, 1940, GdF/B). Vgl. Erinnerunsaufzeichnungen Dreßler-Andreß, GdF/S. Greiner an Dreßler-Andreß, 7. September 1936. GdF/S, Nachlaß Dreßler-Andreß.

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Seine letzten Ämter mußte Horst Dreßler-Andreß 1938 verlassen. Der Krieg, vor dem er gewarnt hatte, erfaßte ihn Anfang 1940. Am 3. Januar wurde er "als Landesschütze nach Polen"13S abkommandiert. Als einfacher Soldat war er da wieder angelangt, wo er am Ende des ersten Weltkrieges seinen Kampf gegen Militarismus und Krieg aufgenommen hatte. Als Gefreiter aus der Wehrmacht entlassen und zur kulturellen Truppenbetreuung dienstverpflichtet, trat Horst Dreßler-Andreß 1941 zum letzten Male öffentlich auf. Er hielt am 23. Januar 1941 in Lublin eine Rede, in der er sich als Sozialist bekannte, eine neue Ostpolitik forderte und insbesondere vor einer Gegnerschaft zur UdSSR warnte. Nach Bekanntwerden seiner Äußerungen erteilte ihm die Parteikanzlei der NSDAP die Weisung, das sogenannte Generalgouvernement zu verlassen und sich "in das Privatleben als Schriftsteller zurückzuziehen.1,136 Daß seine klugen Ideen zur Konzeption von Rundfunk und Fernsehen kaum zehn Jahre später Verwirklichung finden sollten, war dem nationalen und internationalen antifaschistischen Widerstandskampf zu danken. Tausende an Frieden und gesellschaftlichem Fortschritt, an Freiheit und Menschenwürde interessierte Menschen, wandten sich gegen die erkennbaren Kriegsvorbereitungen. Viele sammelten Informationen über das Ausmaß der heimlichen faschistischen Rüstungen. Unter ihnen gab es solche, die dem schon einmal Überfallenen Sowjetland helfen wollten, einem zweiten Angriff nicht unvorbereitet gegenüberzustehen. Zu ihnen gehörten auch Fernsehleute, gehörten Mitarbeiter der Berliner Radio-AG Loewes. Der Entwicklungsingenieur Dr.-Ing. Hans

135 136

Urteil im Strafprozeß gegen den Schriftsteller Horst Dreßler-Andreß, 11. März 1948, a.a.O. Vgl. Dreßler-Andreß an Burgsdorff, 1. Februar 1945, GdF/S, Nachlaß Dreßler-Andreß.

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1V7 Kummerow, als Lumineszenzstoff-Chemiker ein Fernsehspezialist, erkannte in der "Sowjetunion . . . das reiche zukunftsvolle Land, das vor der deutlich sichtbaren 138 Begehrlichkeit der Nachbarn geschützt werden muß." Dieser aufrechte Internationalist und deutsche Patriot handelte konsequent wie nur ganz wenige, als er 1933 die Entscheidung traf, in den Kundschafterdienst für den Schutz der sozialistischen UdSSR einzutreten. In seiner Tätigkeit unterstützten ihn seine junge Eherfrau Inge139 und ein Freund, Dr.-Ing. Erhard Thomfor,140 der Direktionsberater des Loewe-Unternehmens. Fast zehn Jahre lang konnte die kleine Gruppe innerhalb der Widerstandsorganisation Schulze-Boysen/Harnack, die die Gestapo "Rote Kapelle" nannte, ihren schweren Dienst tun. Es gelang ihr nicht nur, wertvolle geheime militärtechnische und wirtschaftliche Informationen über Fernsehlenkwaffen, sondern auch über die sogenannten VI und V2 zu sammeln und an die Sowjetarmee weiterzuleiten. Außerdem sabotierte Hans Deutscher Physiker. Geboren am 27. Februar 1903 zu Magdeburg. Der Sohn eines Professors und Abteilungsdirektors beim Provinzial-Schulkollegium studierte Musik und Philosophie in Berlin, später Physik und Chemie an der Technischen Hochschule. Examen zum Dipl.-Ing. 1927. Assistent am Institut für Physikalische Chemie und Elektrochemie der Kaiser-WilhelmGesellschaft. 1929 Promotion zum Dr.-Ing. mit der Arbeit "Der thermische Zerfall des Stickoxyduls". Tätigkeit als Chemiker bei der Gasglühlicht-AuerGesellschaft, Werk Oranienburg bei Berlin. Später Entwicklungsingenieur der Loewe-Radio-AG. Hans Kummerow, "Aufzeichnungen vom 21. August 1943," zitiert nach Greta Kuckhoff, "Hans-Heinrich Kummerow" in Weltbühne, Berlin, 24. Jg./Heft 48, 1969, S. 1516/1517. Sekretärin. Geboren am 25. August 1912 in Rahlstedt/ Holstein. Nach 12 jähriger Schulausbildung Arbeit im Berliner Versicherungswesen. Bekanntschaft mit Dr. -Ing. Hans Kummerow, Heirat 1939. Deutscher Physiker. Geboren am 10. Februar 1909 in Berlin. Zunächst Abteilungsleiter der Radio-AG Loewes. In dem 1938 "arisierten" Unternehmen OptaRadio-AG Assistent des Generaldirektors.

63 Kummerow mit Gleichgesinnten die Rüstungsproduktion der "arisierten" Loewe-Opta-Radio-AG, wo er nur konnte. Im Kampf auf Leben und Tod sah die Kundschaftergruppe Kummerow/Thomfor sich als Waffengefährte aller gegen Hitlerdeutschland kämpfenden Soldaten. Sie war deshalb bereit, auch mit dem englischen Geheimdienst zusammenzuarbeiten. Das bewies sie im November 1939, als Hans Kummerow erkannte, daß die britische Insel Ziel deutscher Raketenangriffe sein würde. Der sogenannte Oslo-Bericht des Kundschafters, von Inge Kummerow in die Maschine geschrieben, erreichte mit Hilfe von Verwandten Erhard Thomfors über Norwegen das Bestimmungsland. Die Ausarbeitung "enthielt alles, was man an technischen, wissenschaftlichen fundierten Daten kennen mußte, um gewappnet zu sein."141 So praktizierter Internationalismus deutscher Patrioten überstieg allerdings den Horizont der englischen "Experten". Sie vermochten nicht, etwas für wichtig und richtig zu halten, wofür sie keinen "Preis" hatten bezahlen müssen. So ließen sie die unter Todesdrohung erkundeten und übermittelten Hinweise unbeachtet.142 Als der Kundschafter Hans Kummerow die Bitternis seiner Enttarnung erleiden mußte, blieb er unbeugsam und treu. Eher suchte er den Tod, als daß er den faschistischen Folterknechten das Geheimnis seiner Verbindung zur Sowjetarmee auslieferte. Von Günther Weisenborn,143 der zu den überlebenden Kämpfern der Roten Kapelle gehörte, stammt dieses Zeugnis: Dr. Kummerow wurde so fürchterlich mißhandelt,

Ebd., S. 1516/1517. Vgl. ebenda. Deutscher Schriftsteller. Geboren 1902; gestorben 1969. Erster Bühnenerfolg 1928 mit dem Antikriegsstück "U-Boot S 4". Zeitweilig enge Zusammenarbeit mit Bertolt Brecht. 1933 in die USA, Arbeit u.a. als Lokalreporter. 1937 Rückkehr nach Deutschland. Chefdramaturg am Berliner Schiller-Theater und Anschluß an die Widerstandsorganisation Schulze-Boysen/ Harnack.

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daß er drei Selbstmordversuche unternahm, seine zertretenen Brillengläser verschluckte, seine Zehe bis zur Verwesung abschnürte und sich die Pulsadern aufschnitt.144 Bis ins Jahr 1944 hinein — der Kampfgefährte145 und die Ehefrau waren schon ermordet146 — lauerten die Henker auf Günther Weisenborn, Der lautlose Aufstand. Bericht über die Widerstandsbewegung des deutschen Volkes 1933 - 1945, Frankfurt/Main 1974, S. 254. Erhard Thomfor starb am 13. Mai auf dem Schafott des Strafgefängnisses Plötzensee. Die sowjetische Regierung beschloß zum 20. Jahrestag der Deutschen Demokratischen Republik seine Auszeichnung. Erhard Thomfor erhielt postum den Orden des Roten Sterns (Vgl. Neues Deutschland, Ausgabe A, 24. Jg./1969, Nr. 354 vom 23. Dezember, S. 5). Inge Kummerow, Mutter zweier Kleinkinder, starb am Abend des 5. August 1943 im Strafgefängnis Plötzensee unter dem Fallbeil. Mit ihr zusammen führten die Faschisten weitere 15 Kampfgefährten zum Schafott: die Studentinnen Liane Berkowitz und Ursula Goetze, die Keramikerin Cato Bontjes van Beek, die Buchhändlerin Eva-Maria Buch, die Angestellten Hilde Coppi und Marie Terwiel, die ehemalige Wohlfahrtspflegerin Rose Schlösinger, die Verkäuferin Else Imme, die Farbenhändlerin Anna Krauss, die Stenotypistin Klara Schabbel, den Fräser Stanislaus Wesolek und seine Frau Frida, die Bildhauerin und Tänzerin Oda Schottmüller, den Schriftsteller, Dramaturgen und Schauspieler Adam Kuckhoff und den Rentner Emil Hübner. Liane Berkowitz und Hilde Coppi ließen Kleinstkinder zurück, die sie während der Untersuchungshaft zur Welt gebracht hatten. Inge Kummerow erhielt auf Beschluß der sowjetischen Regierung zum 20. Jahrestag der DDR (Vgl. Neues Deutschland, Ausgabe A, 24. Jg./1969, Nr. 354 vom 23. Dezember, S. 4 postum den Orden des Vaterländischen Krieges I. Stufe, u.a. zusammen mit der USA-Bürgerin Dr. Mildred Harnack und dem Schriftsteller Günther Weisenborn. Der Dramaturg des Berliner SchillerTheaters war, wie die meisten Mitglieder der SchulzeBoysen/Harnack-Organisation 1942 verhaftet worden. Zu mehrjähriger Haftstrafe verurteilt, erlebte er 1945 im Zuchthaus Luckau seine Befreiung durch die Sowjetarmee. Er widmete von da an ein Großteil seines Wirkens dem Andenken und dem Vermächtnis der antifaschistischen Widerstandskämpfer. 1953 erschien sein Bericht Der lautlose Aufstand. Bericht über die Widerstandsbewegung des deutschen Volkes 1933 - 1945, Frankfurt/Main, dessen 4. Auflage (1974) das Zeugnis

65 eine Schwäche des Todeskandidaten. Vergeblich.147 Am 4. Februar brachen sie das Ringen ab und vollzogen ihr blutiges Werk. In diesem Jahr 1944 vollendeten sich auch Kampf und Leben eines weiteren Mitgestalters des deutschen Fernsehens, der im antifaschistischen Widerstand eine bedeutende Rolle spielte: Dr.jur. Oskar Maria Paul Hatschek.148 Der Berliner Fachschriftsteller und Fachhistoriker der Kinound Fernsehtechnik, Verfasser zahlreicher Bücher und hunderter Artikel, hatte schon in den letzten Jahren der Weimarer Republik zu den Intellektuellen gehört, die sich nicht länger von antikommunistischen Trugbildern schrecken ließen, die ein kapitalistisches Mediensystem tagtäglich verbreitete. Er stellte sich auf die Seite jener, die sich mit wachem Verstand dem imperialistischen Wissenschaftsmißbrauch und damit der Vorbereitung eines neuen Raubkrieges entgegenstemmten. Was an Paul Hatscheks Hauptwerk Optik des Unsichtbaren149 ein Rezensent für das

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148

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über Hans Kummerow entnommen ist. Dr.-Ing. Hans Kummerow erhielt auf Beschluß der sowjetischen Regierung (Vgl. Neues Deutschland, Ausgabe A, 24. Jg./1969, Nr. 354 vom 23. Dezember, S. 4) postum den Rotbanner-Orden, u.a. zusammen mit Harro Schulze-Boysen, Dr. Arvid Harnack und Dr. Adam Kuckhoff. Greta Kuckhoff, die Frau des Schriftstellers bekam Jahre nach Ende des Krieges von einem ehemaligen Wärter des Strafgefängnisses Plötzensee jene Notizen zugesandt, die Hans Kummerow am 21. August 1943 hatte anfertigen und im Fußboden seiner Zelle verbergen können. (Vgl. Kuckhoff 1969, S. 1517). Deutscher Techniker und Wissenschafts-Publizist. Geboren am 11. März 1888 in Troppau. Studium der Rechte und Promotion zum Dr.jur. 1917, wahrscheinlich mit dem Thema "Die Entwertung von Gebäuden im österreichischen Bergschadensprozesse". Nach eigenem erfinderischen Bemühen um Optik und Elektronik von Kinogeräten seit Ende der zwanziger Jahre in Berlin als wissenschaftlicher Berater und Fachschriftsteller. Vgl. Paul Hatschek, Optik des Unsichtbaren (Frankfurt am Main 1937.

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Bemerkenswerteste hielt, zeichnete auch die politische Einstellung des Wissenschaftlers aus: daß er nämlich "mit sicherem Instinkt das Wesentliche von dem Unwesentlichen scheidet ...".1S0 So konnte Paul Hatschek vom bürgerlichhumanistischen Standpunkt seiner konservativen Bildung aus eine gemeinsame Sprache mit der Arbeiterpartei finden. Sein unbestechlicher Intellekt führte ihn auf den Weg an der Seite der Kommunisten. Und wie alle anderen Kräfte, die sich für den Sieg über den Hitlerfaschismus einsetzten, erkannte auch Paul Hatschek einen festen Rückhalt in der UdSSR. Friedensliebe und politische Weitsicht des bemerkenswerten bürgerlichen Fernsehfaschismus gingen so weit, daß er sich entschloß, seine Erkenntnisse auf direktem Wege der sozialistischen Macht in die Hand zu geben. Auf Ende 1935 datiert später der faschistische Oberreichsanwalt Barnickel den Beginn von Paul Hatscheks "Beziehungen zu der Sowjetunion, die die Überlassung von geheimhaltsbedürftigen, militärisch wichtigen Patenten zum Gegenstand"151 hatten. Zu den von ihm beschafften Informationen gehörten unter anderem Interna der Zeiss-Ikon-Luftbild-Aufnahmetechniken. Paul Hatschek verfaßte für seine sowjetischen Partner auch "mehrere wissenschaftliche Arbeiten, unter anderem die Niederschrift 'Gedanken über elektrische Leitstrahlen zur Flugsteuerung. '1,152 An einer "WasserfahrzeugDifferenzier-Einrichtung" ,153 an genau dem, was Lenin vor Augen gestanden hatte, als er im Jahre 1921 die Entwicklung der Fernsehtechnik staatlich fördern ließ, arbeitete Paul Hatschek auf der Grundlage seiner Überlegungen zur Elektronenoptik. 1938 berief Robert Uhrig den Abteilungs-

150 151 152 153

E. H. Hamanke, Physik des Alltags, Stuttgart 1942, S. 295. IML/ZPA, NJ 1720, Bd. 1, Bl. 8. Luise Kraushaar, Berliner Kommunisten im Kampf gegen den Faschismus 1936 - 1942, Berlin 1981, S. 87. IML/ZPA, NJ 1087, Bd. 1, Bl. 11.

67 leiter für das Patentwesen bei der Berliner Filmgesellschaft Tobis, Dr. Paul Hatschek, in einen Kreis von Ingenieuren, Physikern und Chemikern, die wichtige Positionen in Rüstungsbetrieben und staatlichen Institutionen innehatten und in organisierter Form die Leitung der KPD über interne Vorgänge in der nazistischen Wirtschafts-undRüstungspolitik informierten. Wahrscheinlich deshalb nannte Günther Weisenborn, der Mitkämpfer Hans Kummerows, Paul Hatschek einen der "führenden Widerstandskämpfer".154 Diese aufrechten Patrioten und Internationalisten führten ihren Kampf, von Angehörigen und Freunden opfermutig unterstützt, in ständiger Berührung mit einer weitgefächerten "Europäischen Union" von aktiven Gegnern des faschistischen Raubkrieges. Ihr Widerstand war Teil des Kampfes der Antihitlerkoalition gegen den gemeinsamen Feind. Auch Paul Hatschek leistete seine illegale Arbeit zusammen mit Gefangenen und Verschleppten aus mehreren Ländern Europas. Dabei blieb er stets in engster Verbindung mit dem Berliner Arbeiterführer Robert Uhrig und anderen Funktionären dieser illegalen Leitung der KPD. Anfang Juli 1943 gelang es dem Reichssicherheitshauptamt, auf Paul Hatschek einen Spitzel anzusetzen. Der vermochte aufzudecken, daß nicht nur Paul Hatschek und seine Frau Elli, sondern auch eine in Prag lebende Tochter, die Fremdsprachen-Sekretärin Krista Lavickova, bereit waren, mit sowjetischen Partnern zusammenzuarbeiten.155 Als Mitte September Elli und Paul Hatschek zusammen mit Charlotte Uhrig, der Frau des KPD-Funktionärs, verhaftet wurden, konnten sie die Tochter nicht mehr warnen. Sie wurde im November festgenommen und mit

Weisenborn 1971, S. 137. Vgl. Kraushaar 1981. Luise Kraushaar hat feststellen können, daß Paul Hatschek noch 1943 "Informationen ... einem illegal in Berlin lebenden Sowjetbürger übermittelte . " (Ebd., S. 282).

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ins Zuchthaus Brandenburg-Görden eingeliefert, wo viele kommunistische Funktionäre einsaßen, unter ihnen der Mitorganisator der KPD-Gebietsleitung Berlin-Südost 156 (Adlershof), Kurt Seibt, und der Berliner Vorsitzende des Kommunistischen Jugendverbandes KJVD, Erich Honecker.157 Paul Hatschek und seine Tochter Krista Lavickova standen am 27. März 1944 vor dem I. Senat des faschistischen Volksgerichtshofes. Dessen Vorsitzender Roland Freisler formulierte zur Begründung seines Urteils: Paul Hatschek - ein kommunistisch gesonnener, bei seiner Intelligenz und Gewissenlosigkeit besonders gefährlicher Feind unseres nationalsozialistischen Reiches - hat noch im vierten Kriegs jahr . . . vor allem besonders kriegswichtige Nachrichten, die geheim bleiben mußten, gesammelt und weiter geleitet, um sie den Sowjets in die Hände zu spielen. Auch der Tochter Krista bescheinigte die Urteilsbegründung, sie habe Nachrichten gesammelt, die — wie es die juristischen Sachwalter des Raubkrieges verklausulierten — "im Interesse unserer Landesverteidigung geheim bleiben mußten, um sie einem feindlichen Agenten zu übermitteln."159 Wie zu erwarten, wurden Paul Hatschek und Krista Lavickova "als bolschewistische Kriegsspione"160 zum

Kurt Seibt war 1939 verhaftet und wegen Hochverrats zu lebenslänglich Zuchthaus verurteilt worden. Im Zuchthaus Bendenburg-Görden Mitglied der illegalen Parteileitung. Befreit durch die Sowjetarmee im April 1945. Heute Vorsitzender der Zentralen Revisionskommission der SED und Präsident des Solidaritätskomitees der DDR. Dachdecker. Geboren am 25. August 1912 in Neunkirchen als Sohn eines Bergarbeiters, Mitglied der KPD seit 1929. Seit 1930 hauptamtlich im Kommunistischen Jugendverband Deutschland tätig, nach 1933 illegale Arbeit unter der Berliner Jugend. Zu zehn Jahren Zuchthaus verurteilt und im April 1945 von der Sowjetarmee befreit. Zwischen 1971-1989, Generalsekretär des Zentralkomitees der SED und Vorsitzender des Staatsrates der DDR. ZPA/IML, NJ 1087, Bd. 1, Bl. 1. IML/ZPA, NJ 1087, Bd. 1, Bl. 1. Ebd.

69 Tode verurteilt. Das gleiche Urteil traf Elli Hatschek etwas später. Am 15. Mai 1944 mußte Paul Hatschek den letzten Gang antreten. Im Hinrichtungsraum Blick auf eine Schrift an der Wand:

traf

sein

Sie sind verurteilt vom Volksgerichtshof wegen Vorbereitung zum Hochverrat und gehen dafür in den Tod Scharfrichter walten Sie Ihres Amtes161 Findige Beamte hatten die Worte dahin gemalt, um die Zeit für den Richtspruch einzusparen.162 Was folgte, konnte Kurt Seibt bezeugen: "Der zum Tode verurteilte Genosse hatte kaum Zeit, dies zu lesen, da nahmen ihn die Henkersknechte und warfen ihn auf das Schafott. Das Fallbeil sauste 163 herunter und schlug seinen Kopf ab." Mitte 1944 mußten sich die deutschen Imperialisten und die faschistische Führungsclique eingestehen, daß der von ihnen angezettelte Krieg unwiderruflich für sie — verloren war. Dennoch fuhren sie fort zu morden. Am 19. Juli befahl Wilhelm Frick "mit Ermächtigung des Führers"164 die Hinrichtung der 26jährigen Krista Lavickova. Einen letzten Brief an ihren Ehemann Honza darf die junge Frau am 11. August 1944, wenige Minuten vor dem Tod, noch schreiben. Diese Zeilen abzusenden, wagten die faschistischen Behörden jedoch nicht. In die lateinischen Worte

Originalinschrift an der Wand der Autogarage des Hauses I im Zuchthaus Brandenburg, die als Hinrichtungsstätte diente. Heute Gedenkstätte. Derart perfektioniert, gelang es in Brandenburg in der Tat, zum Beispiel für die 42 Vollstreckungen des 14. August 1944 lediglich die 90 Minuten von 11.30 bis 1 3 . — Uhr zu benötigen, noch abzüglich einer 18minutigen Zigarettenpause, die sich die Henker nach 35 Hingerichteten gönnte. (Vgl. Sterbebuch Jahrgang 1944, Band III, Reg.-Nr. 2070 - 2111, Urkundenstelle des Standesamten Brandenburg.) IML/ZPA, EA 1455, Bl. 38. IML/ZPA, NJ 1087, Bd. 1, Bl. 1.

70 "post tenebros spero lucem: faßte Krista Lavickova ihre Zuversicht in eine lichtvolle Zukunft für die Nachwelt. Als zehn Tage später der kommunistische Arbeiterführer Robert Uhrig vor den Henker treten sollte, schrieb er in seiner letzten Stunde an seine Frau Charlotte: "... über das Urteil der Geschichte können wir noch nicht verfügen. Jedoch habe ich mich bemüht, so zu sein, wie ich gedacht habe."165 Auch das Vermächtnis des Antifaschisten Hans Kummerow drückte aus, wie ein Denken für Frieden und gesellschaftlichen Fortschritt nur in aktivem Handeln gegen den Krieg Erfüllung finden konnte: "Deshalb vermittelten die Freunde der Sowjetunion dem sozialistischen Staat alles Wissen, dessen sie habhaft werden konnten, besonders die Kenntnis der Waffen und militärischen Geheimnisse, die zum Angriff auf Rußland dienen konnten und sollten, so daß dadurch eine erfolgreiche Abwehr möglich wurde."166 Der Sieg seiner Waffengefährten und ihrer Verbündeten in der Antihitlerkoalition gab dem deutschen Volk die historische Chance, ein für allemal die unheilvolle Herrschaft von Monopolkapital und Militär über das Fernsehen auszuschließen. Die Befreiung eröffnete die große Chance, ein antifaschistisches, humanistisches und fortschrittliches deutsches Fernsehen zu verwirklichen.

Schlußwort Die marxistisch-leninistische Geschichtsschreibung über das Fernsehen geht aus von der Wechselwirkung zwischen den wissenschaftlich-technischen Errungenschaften der Optoelektronik und deren Einsatz für politische Kampfziele. Sie gelangt dabei zu dem Schluß, daß die Entwicklung der Produktivkräfte das physikalisch-technische Prinzip Fernsehen hervorbringt, doch seine gesellschafts-

Charlotte Uhrig in Junge Welt, Berlin, 42. Jg./Nr. 57, 8. März 1988, S. 3. Kummerow 1943.

71 wirksame Anwendung die in der Gesellschaft herrschende Klasse bestimmt. Schon die Überlegungen der ersten, die darüber nachdenken, was mit dem Fernsehen einmal möglich werden könnte, stehen unter den gegensätzlichen Einflüssen bürgerlich-humanistischer Ideen und imperialistischer Bestrebungen. Mit Beginn der zwanziger Jahre macht Lenin als erstes Regierungsoberhaupt das Fernsehen zur allgemeinen Angelegenheit -- im sozialistischen Gesellschaftssystem. Im kapitalistischen Deutschland gelangen Wissenschaftler — außerhalb der großen Konzernlabors — zu den wesentlichsten Errungenschaften: Manfred von Ardenne entwickelt 1930 als erstes anwendbares System das Fernsehen auf Strahlröhren; August Karolus stellt mit dem Fernsehen auf Rastertafeln 1935 in Grundzügen die nächste technische Entwicklungsstufe vor. Deren konstruktive Ideen sind die originellsten, die ältesten und zugleich am weitesten in die Zukunft reichenden, weil sie aus dem technischen Nachvollziehen jener Evolution herkommen, die in der Natur im Laufe von Jahrmillionen das System menschlichen Sehens hervorgebracht hat. Diese zukunftsträchtigste Fernsehtechnik wird von der deutschen ElektronikIndustrie aber nur wenig gefördert. Sie treibt dagegen die Techniken voran, von denen sich Militärs neue Angriffswaffen und bessere Kommunikation zwischen ihren Kommandostellen erhoffen. Zur Tarnung der Rüstungsvorhaben findet sich auch das Hitlerregime bereit, das Sendemedium Fernsehen zu fördern. So kann sich ein deutsches Fernsehwesen herausbilden, das zweifellos eine Kulturleistung bedeutet. Jedoch gelingt es einer Handvoll Kriegsverbrecher, die gesamte Fernsehentwicklung gegen die Interessen des deutschen Volkes zu lenken. Beide Anwendungen des Fernsehens, die waffentechnische wie die zivile, stellen unter den Bedingungen

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der faschistischen Diktatur des deutschen Monopolkapitals reaktionäre Mißbräuche eines hart errungenen Fortschritts dar. Vor dem Hintergrund dieser wissenschaftlich-technischen und politisch-ökonomischen Verhältnisse, in denen die Einführung des audiovisuellen Sendemediums und der Aufbau seiner beiden Programmbetriebe vor sich gehen, entwickelt sich die Fernsehgeschichte als von Menschen gemacht, die individuelle Gesichter und Anschauungen besitzen. Die verschiedenen Persönlichkeiten handeln in Zwängen vielgestaltiger Strömungen, die in dieser oder jener Weise auf die Fernsehentwicklung einwirken. Und wie die faschistische Diktatur die Fernsehtechnik mißbraucht, so treibt sie Mißbrauch auch mit Tugenden und Werten, um die lebendigen Träger des technischen und kulturellen Fortschritts für ihre Ziele gefügig zu machen. In dem so — entstehenden Spannungsfeld zwischen Fortschritt und Reaktion begründet eine Anzahl namhafter Vertreter deutscher Wissenschaft und Technik, unter ihnen liberal, nationaldemokratisch oder konservativ gesinnte, wie Manfred von Ardenne, August Karolus, Siegmund Loewe, August Kruckow und viele andere eine glanzvolle Tradition friedlicher, sozialer Anwendungen der Fernsehtechnik. Eine bedeutende Rolle spielt in der frühen deutschen Fernsehgeschichte eine Bewegung von Arbeitern, Künstlern und Journalisten, die mit nationalen und demokratischen Zielsetzungen noch zur Zeit der Weimarer Republik im Reichsverband Deutscher Rundfunkteilnehmer, in der rechtradikalen Funkwarte-Organisation und im Verein Reichsrundfunkkammer zu wirken beginnen. In ihr treten nationalorientierte Patrioten wie Horst Dreßler-Andreß hervor, die zunächst als Nazifunktionäre die Einführung des Fernsehprogrammdienstes erkämpfen und damit das Sendemedium Fernsehen als ein politisches Werkzeug in Gang setzen, die jedoch den Kriegskurs der Hitlerclique ablehnen und all-

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mählich zu Haltungen des Widerstandes finden. Ähnliche Entwicklungen durchlaufen am Programm des Fernsehens mitwirkende Künstler und Techniker, wie Arnolt Bronnen, Ernst Augustin und andere. Ihnen gelingt es, auf dem Bildschirm Signale gegen die herrschende Kulturbarbarei zu setzen. Schließlich gibt es unter den deutschen Fernsehleuten einige wie Paul Hatschek und Hans Kummerow, die mit höchstem Einsatz den antifaschistischen Kampf führen und als aufrechte Patrioten in der Antihitlerkoalition fallen — in der Front der Sieger.

Abkürzungen

Folgende Abkürzungen bezeichnen die in der Hauptsache benutzten Archive: IML/ZPA:

Institut für Marxismus/Leninismus beim Zentralkomitee der Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands, Zentrales Parteiarchiv

ZStAP:

Zentrales Staatsarchiv der DDR, Potsdam

MPF/RPM:

Archiv des Ministeriums für Post- und Fernmeldewesen der DDR, Aktenbestand Reichspostministerium

GdF/S:

Geschichtskommission des Fernsehens der DDR, Schriftgutfundue

GdF/B:

Geschichtskommission des Fernsehens der DDR, Bildträgerfundus

Knut Hickethier (Berlin) Das Fernsehspiel im Dritten Reich

1. Das Fernsehspiel als Kunstform In der Entstehungsphase des deutschen Fernsehens spielt das Fernsehspiel als Prototyp von Fernsehen eine wichtige Rolle. Dies ist zunächst erstaunlich, weil das Fernsehspiel als 'Spiel', als 'Fiktion', mit dem Prinzip 'Fernsehen' wenig zu tun zu haben scheint. Denn die technische Vermittlung von Bildern und Tönen von einem Geschehen über große Distanzen hinweg an einen anderen Ort, die als ein Fernseh-Charakteristikum sich vor allem in der Live-Übertragung herausstellte, erwies ihre medialen Qualitäten nicht unbedingt bei einer künstlerischen Darbietung, da diese in aller Regel nicht an einen spezifischen Ort und eine spezifische Zeit gebunden ist. In der Erprobungsphase der Technik, in den technischen Versuchssendungen der Jahre 1931 bis 1935, gibt es deshalb auch kein Fernsehspiel, wenn man von einer auf Film aufgenommenen Spielszene absieht, die sich "Fernsehspiel" nennt. Das Fernsehspiel ist gebunden an das Programm, an einen regelmäßigen Programmbetrieb, und in diesem Kontext gewinnt es seine, die anderen Programmformen überragende Bedeutung: Am Fernsehspiel als künstlerischem Produkt hat sich das Fernsehen als ein den anderen Medien (wie z.B. Theater und Kino) gleichwertiges und ihnen gegenüber neues Medium zu beweisen. Denn nach den geltenden Kunstauffassungen und den Mediendebatten der zehner und zwanziger Jahre legitimierten sich die neuen Medien (Film und Radio) gegenüber den alten Medien Literatur (Buch) und Theater dadurch, daß sie sich als neue Künste auswiesen bzw. diese zumindest innerhalb ihrer Angebote enthielten. "Film als

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Kunst" nannte Rudolf Arnheim 1932 sein Buch über den Film und Richard Kolb definierte im gleichen Jahre das Hörspiel als "Kunstform" und als "Krönung des Funks".1 Die Debatte über das Verhältnis der Medien zueinander wird im Dritten Reich weitergeführt. 1933 gibt Alfred Bofinger, der Intendant des Stuttgarter Senders, in einem mehrfach abgedruckten Aufsatz über "Die Situation der theatralischen Kunst" dafür die Richtung vor, als er Funk und Film als "publizistische Kräfte von nahezu universeller Art" bezeichnete, aber zugleich behauptete: "Ihre ganze Stärke und Eindringlichkeit werden Funk und Film, Tonfilm und Fernsehen immer nur dann erreichen, wenn sie einen dramatischen Gehalt in rein theatralischer Form zur Darstellung bringen". Unter 'Theatralik' verstand er dabei sehr weit gefaßt "künstlerisch geformtes Leben schlechthin".2 Diese Einschätzung vom Verhältnis der Medien zueinander setzt sich in anderen Positionsbestimmungen der Zeit nur gering variiert fort und wird zur herrschenden Auffassung. Jedes Medium habe innerhalb des Gesamtbereichs der theatralischen Kunst ihren Platz, und die Abgrenzung der Medien gegeneinander sollte, so formuliert es dann der Präsident der Reichsrundfunkkammer Hans Kriegler 1938, dazu dienen, die "arteigenen kulturellen Leistungen" der Medien zu entwickeln.3 Damit war auch der Rahmen für das Fernsehen abgesteckt, das Kriegler als Weiterentwicklung des Rundfunks gegenüber dem Tonfilm (der wiederum als Weiterentwicklung des Stummfilms galt) definierte. Gegenüber der "Eigenart

Richard Kolb, Das Horoskop des Hörspiels, Berlin 1932, S. 83 und 123. Alfred Bofinger, "Die Situation der theatralischen Kunst. Bühne - Film - Funk - Tonfilm - Fernsehen" in Funk und Bewegung H.8/1933, o.P. Hans Kriegler, "Rundfunk und Film" in Nationalsozialistische Rundfunk-Korrespondenz, Folge 14 vom 6.4.1938.

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des Tonfilms", die er in dessen "optischen Ursprung" sah, sei der "Fernsehrundfunk" durch seinen "akustischen" Ursprung grundsätzlich anders bestimmt.4 Dieses Verständnis vom Fernsehen prägte dann folgerichtig auch die Aufgabenzuweisung für das Spiel in diesem Medium. Denn das "Fernsehspiel als Kunstform" hatte, wie der Radio- und Fernsehkritiker Gerhard Eckert im Anschluß an Kriegler ausführte, die "Eigenart" des neuen Mediums zu beweisen. Wenn das Fernsehspiel zeigte, daß es nicht "Fernkino" und nicht "gefunkter Film" war, hatte es auch die "Eigenart" des neuen Mediums insgesamt deutlich gemacht — und umgekehrt: "Daß man von Anfang an darangeht, ein eigenes Fernsehspiel zu entwickeln, beweist weiter, daß das Fernsehen etwas anderes will als der Film."5 Diese Einschätzung wird von Gerhard Eckert auch noch zu Beginn der fünfziger Jahre, zu Beginn des Fernsehprogrammbetriebs in der Bundesrepublik Deutschland vertreten, und er definiert dann, analog zu Kolbs Hörspieldefinition von 1932, das Fernsehspiel als eigenständige Kunstform und als "Krönung des Fernsehens".6 Die Bedeutung des Fernsehspiels für das Medium lag auch darin, daß es als Programmform — neben der Außenübertragung -- die höchsten technischen Anforderungen in der Produktion stellte. Durch seine komplexe Ästhetik wurde die Kamera, Beleuchtungs- und Studiotechnik des Fernsehens immer wieder zu Weiterentwicklungen herausgefordert. An der Realisation von Fernsehspielen wiederum

Kriegler, S. 8, auch Bofinger. Gerhard Eckert, "Eine neue Kunstform - das Fernsehspiel" in Nationalsozialistische RundfunkKorrespondenz . Folge 38 v. 21.9.1938. (Ohne Verfasserangabe) Auch gekürzt als: "Fernsehspiel als eigene Kunstform," in Berlin sieht und hört, Nr. 34, 1940 (dort mit G.E. gekennzeichnet). Gerhard Eckert, Die Kunst des Fernsehens, Emsdetten 1953, S. 83.

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wurde der "Stand" der Fernsehentwicklung gemessen.7 Beschreibungen der Fernsehproduktionstechnik sind deshalb, noch lange über das NS-Fernsehen hinaus, Beschreibungen der Produktion von Fernsehspielen. Hans-Jürgen Nierentz, der erste Intendant des NS-Fernsehens gab dafür von Seite der NS-Programmverantwortliehen ein frühes Beispiel.8 In diesem Stellvertretungsverhältnis entwickelte sich auch die Fernsehkritik zunächst als Bericht über Fernsehspiele bzw. wie sie in dieser Zeit hieß, als "Betrachtung", weil das Wort "Kritik" verpönt war. In der Erörterung einzelner Fernsehspiele wurde der "Stand" des Fernsehens insgesamt diskutiert. Kurt Wagenführ im "Berliner Tageblatt" und Gerhard Eckert in der "Berliner-Börsen-Zeitung", die beide zuvor schon über den Rundfunk geschrieben hatten, begannen 1937 mit Kritiken, in denen Fernsehspiele in diesem Sinne häufig für die allgemeine Situation des Fernsehens stehen. Das Fernsehspiel setzt ein entwickeltes Verständnis vom Fernsehen voraus. Das Medium wird nicht mehr nur als bloßer Transporteur verstanden, der vorfindbare Ereignisse reproduziert, sie als Bilder und Töne an einen anderen Ort übermittelt. Fernsehen wird mit der Produktion von Fernsehspielen als ein produktives Medium verstanden, das eigene ästhetische Ereignisse zu schaffen imstande ist. Sie heben sich deutlich ab von den im NS-Fernsehen (in Zusammenschnitten) gezeigten Kinospielfilmen, die auch innerhalb des Fernsehprogramms von der Aura des anderen Mediums, des Kinos, leben. Daß das Fernsehspiel zu diesem Zeitpunkt schon von seiner Produktionstechnik her nicht mit der ästhetischen Differenziertheit des Kinospielfilms

z.B. bei Kurt Wagenführ (1937a), "Fernsehen. Aufnahme und Probleme" in Berliner Tageblatt vom 17.6.1937; (1938c) "Wie steht es mit dem Fernsehen?" in Berliner Tageblatt vom 23.8.1938. Hans-Jürgen Nierentz, "Wir schaffen für den Fernsehfunk" in Nationalsozialistische RundfunkKorrespondenz, Folge 19 vom 16.6.1937, S. 1.

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mithalten kann, ja daß die Technik zum Teil noch sehr unvollkommen ist und die Produktionsweisen des NS-Fernsehens eine grundsätzliche Veränderung erfahren, wird nicht unbedingt als ein Mangel empfunden, sondern gilt als Beweis dafür, daß man sich auf dem Weg zu einer eigenständigen Fernsehkunst befindet. Diese Auffassung wirkt sich noch bis in die fünfziger Jahre hinein aus.9 Dem Fernsehspiel des NS-Fernsehens ist somit ein widersprüchlicher Status zu eigen: zum einen originärer Ausdruck des Mediums sein zu wollen und dessen Kunstanspruch zu verkörpern, zum anderen immer auch von seinen Mitteln her Vorläufiges, Unvollkommenes darzustellen, eine Station auf dem Wege zu einem erst noch zu erreichenden Zustand zu sein; zum einen den Maßstab (aus der Zugehörigkeit des Fernsehens zum Rundfunk und der Herkunft vieler Fernsehprogramm-Mitarbeiter) im Hörspiel, zum anderen aber auch im Theater zu sehen — und sich insgeheim und uneingestanden die Ideale dann doch vom Kinospielfilm vorgeben zu lassen. Für den ideologischen Gebrauch, den die Nationalsozialisten vom Fernsehen machten, spielte das Fernsehspiel selbst nur eine nachgeordnete Rolle. Den NS-Ideologen galt vor allem die Tatsache, daß man im Vergleich zu Großbritannien und den USA als erstes Land mit dem Beginn eines regulären Programms begonnen hatte, als Beweis dafür, daß man in Sachen Fernsehen an der Spitze der Welt stehe. Wie es tatsächlich mit dem Medium stand, interessierte schon nicht mehr. Die zahlreichen Berichte in Zeitschriften und Zeitungen über den Stand des englischen und amerikanischen Fernsehens dienten deshalb dazu, deutlich zu machen, daß man das, was die anderen machten, längst schon geleistet

Eckert 1953, vgl. auch Knut Hickethier, Das Fernsehspiel der Bundesrepublik. Themen, Form, Struktur, Theorie und Geschichte. 1951-1977. Stuttgart 1980, S. 39ff.

79 habe bzw. einen anderen, sinnvolleren Weg gegangen sei. Kurt Wagenführ beispielsweise, der bis zu seinem Tode in der Bundesrepublik hochgeachtete 'Nestor' der Fernsehpublizistik, argumentierte im 'Berliner Tageblatt' z.B. in diese Richtung.10 Daß die BBC bereits 1930 und die amerikanischen Fernsehsender W2XAB (CBS) bereits 1931 und W2XBS (NBC) im Juli 1936 die ersten Fernsehspiele in ihren Versuchsprogrammen ausstrahlten,11 schien nicht erwähnenswert, weil es nicht in das Konzept deutscher Überlegenheit gepaßt hätte. 2. Phasen der Fernsehspielproduktion Nach den ersten Versuchssendungen ohne Ton (1929 bis 1934) und mit Ton (April 1934 bis März 1935) produzierte die Reichs-Rundfunk-Gesellschaft (RRG) mit ihrem Fernsehsender "Paul Nipkow" im Berliner Raum vom 22. März 1935 bis zum 26. 11. 1943 ein reguläres Programm, das vom UKWSender Berlin-Witzleben ausgestrahlt wurde. Nach der Zerstörung des Senders übertrug man noch, der Darstellung Gerhart Goebels zufolge, bis zum Herbst 1944 "über Reportage- und Fernsprechstichleitungen" Sendungen in einige Lazarette. Zwar gab es außerdem noch Versuchssendungen in anderen deutschen Städten (z.B. in Hamburg von 1940 bis 1943), doch wurde dort kein eigenes Programm produziert.12 In den achteinhalb Jahren regulären Programmbetriebs des Fernsehsenders "Paul Nipkow" markiert der Beginn des 2. Weltkrieges am 1.9.1939 die wohl wichtigste von außen gesetzte Zäsur. Sie teilt den gesamten Programmzeitraum

Kurt Wagenführ (1938d), "Fernsehen in Europa und Amerika," in Berliner Tageblatt vom 5.10.1938. William Hawes, American Television Drama. The Experimental Years, University of Alabama Press 1956. S. 160ff. Vgl. Gerhart Goebel, "Das Fernsehen in Deutschland bis zum Jahre 1945" in: Archiv für das Post- und Fernmeldewesen, 5.Jg., Nr.5, (1953), S. 340ff.

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in zwei Phasen von jeweils gut vier Jahren. Dieser Einschnitt stellt sich auch als eine Programmlücke dar. Bis zum 2. September 1939 kündigten die Programmzeitschriften noch ein Programm an, danach erschienen bis zum 18. November keine Programmangaben. Die Sendungen waren eingestellt worden, weil die bis dahin für die Programmausstrahlung benutzten Sendeanlagen für die Luftwaffe benötigt wurden.13 Daß dennoch "Paul Nipkow" sein Programm wieder aufnahm und weiterhin aufwendige Fernsehspiele produzierte, galt als deutlicher Ausdruck deutscher Stärke: "Wie stark muß ein Volk sein, das, während es einen großen Krieg führt, auch in der Lage ist, seine Kunststätten zu erhalten."14 Innerhalb dieses Programmrahmens ist der Zeitraum des hier darstellbaren Fernsehspielschaffens auf die Zeit vom 26.11.1936 bis zum 30.6.1941 begrenzt. Am 26.November 1936, also gut anderthalb Jahre nach Aufnahme des regulären Programmbetriebs, wird das erste Fernsehspiel ausgestrahlt: Das Schaukelpferd von Adolf Weber, ein Winterhilf ssketch mit Rosl Schaffrian und Waldemar Bublitz. Nach dem Einmarsch der deutschen Truppen in die Sowjetunion am 22.6.1941 stellen die deutschen Rundfunkprogrammzeitschriften ihr Erscheinen ein. Damit läßt sich das Programm des Senders, und damit auch das Fernsehspielschaffen, in den dann noch verbleibenden zweidreiviertel Jahren der Programmausstrahlung nicht mehr rekonstruieren.15 Vgl. Goebel, S. 316. "Funk und Bühne im Krieg" in: Berlin sieht und hört 1940, Nr. 25. Die bisherige Literatur über das NS-Fernsehspiel ist in ihrer Darstellung der einzelnen Fernsehspiele sehr unzuverlässig. Peter von Rüden hat eine Fernsehspielliste publiziert, die nur einen Bruchteil der tatsächlich produzierten Fernsehspiele umfaßt. (Peter von Rüden, "Ablenkung als Programmauftrag. Das NSFernsehen - ein Unterhaltungsmedium" in Peter von Rüden (Hrsg): Unterhaltungsmedium Fernsehen, München 1979.) Die historischen Kapitel in den Fernsehspielarbeiten von Rhotert und Schwaegerl geben ebenso wie Goebel nur wenige, beliebig ausgewählte Beispieltitel

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Während das Programm das ganze Jahr hindurch täglich (mit Ausnahme des Sonntags und der wichtigsten religiösen Feiertage wie Ostern, Pfingsten und Weihnachten) ausgestrahlt wurde, wurden Fernsehspiele nicht das ganze Jahre hindurch gezeigt. Die Spielzeiten des Fernsehspiels orientierten sich grob an den Theaterspielzeiten: Sie endeten zumeist Ende Juli, danach spielte man noch während der Rundfunkausstellung, die jährlich Anfang August stattfand, zumeist auf großen Freilichtbühnen auf dem Ausstellungsgelände am Funkturm. Mitte Oktober wurde dann in der Regel mit neuen Inszenierungen die Spielzeit im Fernsehen wieder begonnen. Diese spielzeitbezogene Produktion hatte ihre Ursache darin, daß alle Fernsehspiele live gespielt wurden. Die fernsehspielfreie Zeit stellte also so etwas wie 'Betriebsferien' des Fernsehspielteams dar. In dieser Zeit brachte der Sender im fiktionalen Bereich ausschließlich Filme und Filmzusammenschnitte der Ufa, Tobis und anderer Kinofilmproduzenten. Für die Entwicklung der Ästhetik des Fernsehspiels ist die Veränderung der Produktionstechnik (Übergang von der Dunkelbühne zum hellen Rundstudio) und die Verbesserung der Übertragungstechnik Mitte 1938 von Bedeutung. Sie stellte eine technische Zäsur dar. Mit der Funkausstellung 1938 wird das Bild statt in einer 180-Zeilen-Norm nun in 441-Zeilen-Norm ausgestrahlt. Dies war möglich

an. Auch sind bei Schwaegerl und Rhotert die Datierungen zum großen Teil falsch. (Goebel; Bernt Rhotert, Das Fernsehspiel, Diss. Univ. München, 1961; Tony Schwaegerl, Das deutsche Fernsehspiel von 1936-1961. 25 Jahre deutsches Fernsehspiel, Diss Univ. Erlangen-Nürnberg, 1966). Erwin Reiss hat das Programm nur in Stichproben untersucht. (Erwin Reiss, "Wir senden Frohsinn". Fernsehen unterm Faschismus, Berlin 1979) Die hier vorgelegte Darstellung beruht auf einer Erhebung der Fernsehspiele zwischen 1936 und 1941 anhand der Programmzeitschriften Die Sendung und Berlin sieht und hört.

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geworden durch die Abkehr von der mechanischen Bildzerlegung (Nipkow-Scheibe) und der Hinwendung zur elektronischen. Zugleich war es verbunden mit dem Bau eines neuen Aufnahmestudios, das über eine neue Beleuchtungsanlage sowie später auch über andere Kameras verfügte. Die produktionstechnischen Bedingungen der Fernsehspielproduktion waren überhaupt für das Fernsehspiel insgesamt von so großer Bedeutung, daß sie in Verbindung mit der Darstellung der einzelnen Phasen des NS-Fernsehspiels dargestellt werden sollen. 3. Das Fernsehspiel der Dunkelbühne Nachdem 1935 die Programmproduktion im wesentlichen aus Kinospielfilm-Zusammenschnitten, Kulturfilmen und Wochenschauen bestritten wurde, die per Filmabtaster aus dem Haus des Rundfunks über den Sender gingen, betrieb man nach dem Brand auf der Funkausstellung 1935 (der das Ubertragungskabel zum Haus des Rundfunks zerstörte) die Programmherstellung vom Fernsehlabor des Reichspostzentralamtes in der Rognitzstraße aus. Hier existierte auch ein kleines Aufnahmestudio. Die Aufnahmetechnik bediente sich noch der mechanischen Bildabtastung mit Hilfe einer Nipkow-Lochscheibe, die, auch in ihrer Weiterentwicklung als Linsenkranzabtaster, nur ein begrenzt scharfes Bild (180 Zeilen) ermöglichte. Der Aufnahmeraum hatte die Größe einer Telefonzelle, so daß nur eine Person und zunächst nur als Brustbild aufgenommen werden konnte. Erst ab Sommer 1936 bestand ein auf etwa 6 qm vergrößertes Studio, in dem auch Personen in Lebensgröße abgebildet werden konnten. Die Personen mußten in völliger Dunkelheit agieren, während ein Lichtstrahl durch die rotierende NipkowScheibe mit den spiralförmig angeordneten Löchern geschickt wurde. Die dabei entstandenen punktförmigen Beleuchtungen wurden von zwei großen Selenzellen aufgenom-

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men.16 Die Spielszenerie bestand aus gemalten Kulissen. Die Aufnahmegeräte waren völlig unbeweglich, konnten weder geschwenkt noch gefahren, nicht einmal höher und tiefer gestellt werden. Die Darsteller mußten, wenn sie groß im Bild erscheinen sollten, sich selbst dichter vor die Aufnahmeoptik stellen. Durch die Enge der Räume stieg die Temperatur rasch auf 45 bis 50 Grad Celsius. W. HoeppenerFlatow, ein Fernsehspielautor der ersten Jahre (Schwindler, 11.3.1937), schrieb 1939 rückblickend über die Aufnahmetechnik der 'Dunkelkammer': Der Umbau ging so vor sich, daß die Darsteller ganz nach vorn an die Apparatur herankamen, deren Optik auf NAH eingestellt wurde, so daß der Hintergrund nur schwach als grau-verschwommenes Etwas sichtbar blieb. Während die Schauspieler vorn agierten, trugen hinten Männer auf dicken Filzsohlen die 'Dekoration' hinaus und bauten eine neue auf. Wurde das Gerät dann wieder auf die TOTALE umgestellt, dann hatte ein Wald sich in ein Hotelzimmer verwandelt, und alle Beteiligten atmeten (oft sogar recht hörbar) auf.17 Bei diesen Produktionsbedingungen, vor allem bei der völligen Dunkelheit, war man schon sehr froh, wenn der Spielablauf technisch einigermaßen klappte und keine größeren Pannen passierten. Zahlreiche Anekdoten sind darüber überliefert, daß Darsteller den Text vergaßen (soufliert werden konnte ja nicht), daß sie sich in der Dunkelheit über die am Boden angebrachten Markierungsleisten bewegten und so, ohne daß sie es selbst merkten, aus dem Bild verschwanden. 18 Ein intensives, künstlerisch gestaltetes

Waldemar Bublitz, "Es begann in der Dunkelkammer" in: ARD-Fernsehspiel 2.Jg., H.4., 1978, S. 19. W. Hoeppener-Flatow, "Fernsehen—wie es wurde" in: Die Sendung, Jg. 1939, S. 675. Hoeppner-Flatow 1939; Gabriele Müller (1940b), "Deutscher Fernsehrundfunk liegt in Führung. Ein ernster und heiterer Rückblick auf fünf Jahre stürmischer Entwicklung" in: Berlin sieht und hört Jg. (1940) Nr. 12 .; Herbert Kutschbach, "Betrachtungen zur Fernseh-Fototechnik" in: Rufer und Hörer 7.Jg. (1953) H.5.

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Interagieren der Darsteller fand unter solchen Umständen wohl nur selten statt. Axel von Ambesser erinnert sich in seinen Memoiren an einen solchen Auftritt in der Dunkelzelle: Wie alle (hatte ich) meinen Part in einem völlig verdunkelten Raum, in dem man seine eigene Hand nicht vor Augen sehen konnte, durchzustehen. Es war so, daß in einem mittelgroßen, als Atelier bezeichneten Zimmer absolute Nacht herrschte. Dann wurde ein Gerät eingeschaltet, und ein ganz dünner, schwacher Lichtstrahl schnitt einen kleinen Sektor aus der absoluten Dunkelheit heraus und erhellte ihn auf den Helligkeitsgrad von einer sich gerade anbahnenden Morgendämmerung. In diesem Lichtschein drehte sich irgend etwas und gab ein surrendes Geräusch von sich. Heute weiß ich, das war Paul Nipkow, das heißt, das war der 'Bildfeldzerleger' mit der rotierenden Nipkow-Scheibe. In dieser Stockfinsternis zogen wir nun ein ganzes Variet6programm von einer Stunde Länge ab. Zwei Akrobaten schleuderten einander in die Höhe und vollführten komplizierte Salti. Ein völlig glatzköpfiger älterer Mann, dessen Schädel bei diesen Lichtverhältnissen natürlich nicht mehr strahlte, spielte auf einer singenden Säge. Die Tänzerinnen — gleich zwei auf einmal — , denen die Musik über Lautsprecher eingespielt wurde, hatten ungeheure Schwierigkeiten mit dem Raumgefühl, da es ja keinen wahrnehmbaren Raum mehr für unsere Augen gab und Paul Nipkows Lichtstrahl so dünn war, daß die beiden Damen meistens im Dunkeln tanzten und auf dem Bildschirm der Fernseher dann vermutlich nur ein Bein oder eine Feder an ihren Hüten zu sehen war. Doch das war nicht das eigentliche Problem. Der ganze dunkle Raum war mit Mikrofonen gespickt, um alle Geräusche, alle Dialoge und alle musikalischen Darbietungen einzufangen. Deshalb mußte von allen an der Sendung Beteiligten während der ganzen Zeit völliges Schweigen gewahrt werden, natürlich auch von den Bühnenarbeitern, die die Dekorationen auswechselten und die benötigten Requisiten für die Schauspieler herbeizuschaffen hatten. So mußte ich zum Beispiel unter ungeheuren Zielbemühungen zwei Gläser mit Rotwein füllen. Sogar die ansonsten sehr gesprächigen Maskenbildner hatten ihre Tätigkeit unter völligem Stillschweigen im Dunkeln zu verrichten. Desgleichen der Aufnahmeleiter, der für das rechtzeitige Auftreten der Künstler verantwortlich war. Er mußte seine Zeichen den Künstlern lautlos übermitteln, was nicht geringe Schwierigkeiten mit sich brachte, da man den Mann nicht sehen konnte. Er löste das Problem, indem er sich an seine Schäfchen

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herantastete, sie durch Klopfzeichen verständigte und sie in die richtige Richtung schob. Wie er die Betreffenden jeweils finden konnte, ist mir heute noch ein Rätsel.19 Diese produktionstechnischen Unzulänglichkeiten führten dazu, daß man zunächst weniger an die Inszenierung richtiger Spielhandlungen ging, sondern sich um Alleinunterhalter aus den Varietös und literarischen Kabaretts bemühte. Das Programm des Jahres 1936 hat dafür einen häufig wiederkehrenden Sendeplatz: Künstler stellen sich vor. Diese "Kleindarsteller", häufig auch durch den Rundfunk und das Kino populär gewordene Schauspieler und Interpreten wie Carl de Vogt, Else Ester, Inge Vesten, Käte JökenKönig, Bruno Fritz und Willy Schaeffers präsentierten im Fernsehen Stücke aus ihrem Repertoire, das sie in anderen Medien bereits vorgetragen hatten. Dadurch besaßen sie in der Dunkelzelle eine gewisse Sicherheit und konnten die besonderen Umstände dieses für sie doch recht merkwürdigen Fernsehens besser beherrschen. Auffällig ist, daß vor allem musikalisch unterstützte Darbietungen gezeigt wurden. Die Musik diente dabei offenbar als ein Darstellungsvorgang stützendes Element. Carl de Vogt beispielsweise, der ehemalige Reinhardt-Schauspieler und frühe StummfilmDarsteller, ist mit seiner aus dem Rundfunk bekannten Laute oft im Fernsehen zu sehen und mit den von ihm immer wieder vorgetragenen Soldatenliedern zu hören. Aber auch die nach 1945 noch populären Unterhalter wie Bruno Fritz und Ewald Wenck oder Komiker wie Jakob Tiedtke traten auf. Die von der NS-Funkzeitschrift "Funk und Bewegung" 1933 im Zusammenhang mit dem Fernsehen aufgeworfene Frage "Werden wir in einem Jahr Adolf Hitler sprechen sehen?", beantwortete sich bei solchen Aufnahmebedingungen von selbst: Die Parteiprominenz kam nicht in solch ein sku-

Axel von Ambesser, Nimm einen Namen mit Α. , Frankfurt/ M./ Berlin 1988 (l.Aufl. 1985), S. 136ff.

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riles Dunkel-Studio. Dafür war stattdessen schon früh der Schauspieler Otto Gebühr am 13.5.1935 in der dunklen Abtastzelle gewesen und hatte, im Zusammenhang eines Programms für einen der "nationalen Feiertage", den Alten Fritz dargestellt. Ein Foto davon diente dann später immer wieder als Werbematerial für den Sender. Auf der vergrößerten Dunkelbühne reicherte man ab Herbst 1936 die Kleinkunst-Nummern mehr und mehr mit kleinen Sketchen und Rezitationen an: Es entstanden Folgen unterschiedlich gemischter "Bunter Abende", Artisten wurden gewonnen, die Kunststücke präsentierten. Aus diesen locker aneinander gereihten Nummernsendungen, fast immer unterhaltender Art, bildeten sich die ersten Fernsehspiele heraus: Sendungen, die zunächst eher etwas großspurig als solche bezeichnet wurden, weil sich die Abfolge der Sketche so verdichtet hatte, so daß eine mehr oder weniger zusammenhängende fiktionale Darstellung enstand. Solche Szenenfolgen werden aber auch später immer wieder inszeniert, so z.B. Grünkäppchen und der Detektiv (27.1. 1938), Kurz und schmerzlos (3.5.1938) nach Szenen von Ivo Veit und Christian Morgenstern, und Heimat an der Havel (19.7. 1938). Aber man war auch voller Selbstironie. Neben den annoncierten "Kurzspielen" gibt es "Scherzspiele", ein "Rüpelspiel", "Grotesken", "Heitere Begebenheiten" und schließlich auch ein "Großes Kurz-Fernseh-Opern-Schauspiel" (Der Floh von Oseirara von Leopold Hainisch, der als Autor bei späteren Aufführungen das durchsichtige Pseudonym "Eusebius Zirbelsand" wählte, "Musik: BarschAal "). Es waren vor allem kurze Spiele, kaum eines dauert länger als 20 Minuten. Die Titel lassen den anspruchslosen Charakter der Spielhandlungen ahnen: Im 'Roten Ochsen' (26.11.1936), Der Weihnachtsmarkt (5.12.1936), Der Stift hat das Wort. Kleiner Krach im Setzersaal (12.2. 1937), Junge Dame mit künstlerischem Einschlag gesucht

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(13.2.1937), Erika im Schwalbennest (4.4.1937), Kleine Bank im Park (2.6.1937). Im März 1937, also zum Ende der Winterspielzeit, kommt es zu einer organisatorischen Veränderung im Fernsehsender. Der bis dahin zuständige Reichssendeleiter Eugen Hadamovsky, der noch aus der "Sturm- und Kampfzeit" gegen den Rundfunk der Weimarer Republik stammte, wurde dadurch entmachtet, daß Goebbels das Amt des Generaldirektors und Reichsintendanten des deutschen Rundfunks schuf und mit Heinrich Glasmeier, dem Intendanten des Kölner Senders, besetzte. Gleichzeitig bekam der Fernsehsender einen eigenen Intendanten:20 Hans Jürgen Nierentz, NS-Lyriker und Verfasser der Nazi-Hymne "Flieg, Fahne, flieg!", "Angriff"-Redakteur, Rundfunk-Mitarbeiter und schließlich Reichsfilmdramaturg. Nierentz organisierte den Programmbetrieb neu. Ihn interessierte besonders das Fernsehspiel. Das Kalkül war durchsichtig: Da sich das Medium bei der Olympiade bereits bewährt hatte, muß er sich in anderen Programmbereichen profilieren. Zum Beispiel, indem man seine emotionale Wirksamkeit vor allem im Spielbereich nachweisen konnte. Hier war "artreines" Fernsehen zu demonstrieren. In einem Beitrag für die Nationalsozialistische Rundfunk-Korrespondenz betonte Nierentz im Juni 1937 vor allem die Unterhaltungsorientierung des Fernsehspiels und lag damit ganz auf der Programmlinie des neuen Reichsrundfunkintendanten Glasmeier, der für mehr Unterhaltung im Rundfunk eingetreten war. Da sich der Nationalsozialismus zu diesem Zeitpunkt bereits fest etabliert hatte, wollten die Nationalsozialisten durch die Betonung von Unterhaltung in den Programmen die "Normalität" der Verhältnisse demonstrieren. Der Rundfunk gab sich ganz als Dienender im

Kurt Wagenführ (1937b), "Neu-Ernennungen im deutschen Rundfunk" in: Berliner Tageblatt vom 24.4.1937.

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Interesse der Bevölkerung. Für Nierentz war es deshalb folgerichtig, daß die an der Fernsehspielproduktion Beteiligten am Ende eines jeden Spiels "ihr Glück" darin sahen, "den Menschen, für die sie senden, einen Abend bereitet zu haben, der Entspannung und Spannung gebracht hat, Freude, Zuversicht und — hoffentlich — auch Begeisterung für ein so schönes Instrument, wie der Fernsehfunk es darstellt".21 Nierentz konzentrierte sich noch aus anderen Gründen auf Unterhaltungsstücke: Bei den noch vorhandenen technischen Problemen des Mediums wollte er kein "Risiko" eingehen, das "dichterische Wort" und "den heroischen Stoff" der Dichtung durch einen technischen Zwischenfall lächerlich zu machen.22 Dies vertrugen Lustspiele schon eher, auch konnte man mit ihnen leichter ein breites Publikum gewinnen. Die verstärkte Unterhaltungsorientierung, die gerade beim Fernsehspiel zu einer Ausrichtung auf Lustspiele, Sketche und Boulevardstücke führte, diente vor allem nach 1945 immer wieder als Beweis dafür, daß es sich beim Fernsehen des Dritten Reiches eben nicht um ein "NS-Fernsehen" gehandelt habe, sondern daß hier eine Nische existierte, in der viele Regimegegner überwintern konnten. Davon bleibt beim genauen Hinsehen jedoch nicht viel übrig. Die Ausrichtung auf die Unterhaltung war ein auch in anderen Medien (Radio, Film) durchgesetztes ideologisches Konzept, und daß die Unterhaltung, z. B. beim Film, in der Propaganda eingebunden war, ist in der umfangreich geführten Diskussion der letzten Jahre unbestritten. Beim Fernsehen, und beim Fernsehspiel, dessen Aufarbeitung bislang eher marginal blieb, konnte sich deshalb die — vor allem von den damals in der Fernsehentwicklung involvierten — vor-

Nierentz. Kurt Wagenführ (1937f), "Neue Gestaltungsfragen beim Fernsehen. Eine Unterredung mit Intendant H.J. Nierentz" in: Berliner Tageblatt vom 29.10.1973.

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getragene Ansicht vom unpolitischen Charakter des "Fernsehsenders Paul Nipkow" halten. Und daß gerade Nierentz, mit der ideologischen Produktion des Regimes vertraute Fernsehintendant, auf Unterhaltung im NS-Fernsehen setzte, steht dafür, wie deutlich auch auf der Seite der Macher diese Einbindung gesehen worden war. Nierentz holte den erprobten Theater- und Rundfunkregisseur Leopold Hainisch zum Fernsehen, der nach seiner Einarbeitungszeit bei vielen Unterhaltungssendungen und Fernsehspielen Regie führte. Hainisch hatte als Leiter der Opernabteilung der Berliner Funkstunde auch Regie bei Großveranstaltungen geführt, darunter auch beim "Tanz der Völker" bei den Olympischen Spielen. Kurt Wagenführ wollte bei Hainischs Rundfunksendungen bereits eine Tendenz zum Optischen beobachtet haben. Hainisch, der jedoch vor allem dadurch hervorgetreten war, daß er "Massen funkgerecht einzusetzen" wußte, wurde nun — und das ohne alle Ironie — als "Fernsehspielleiter" auf das "Kammerspiel" verpflichtet: "acht Personen und ein Zimmer von 2 mal 3 Metern" Als Dramaturg arbeitete schon vor der Ernennung von Nierentz der Dramatiker Arnolt Bronnen am Fernsehsender. Er war die wohl schillerndste Figur des nationalsozialistischen Fernsehens. Als expressionistischer Erfolgsautor in den zwanziger Jahren, hatte er sich nach einer Zusammenarbeit mit Bertolt Brecht dem Faschismus genähert. 1928 war er Rundfunkdramaturg geworden, wurde aber 1933 bei der Machtergreifung der Nationalsozialisten entlassen, weil er den Nazis dennoch als unzuverlässig erschien. 1935 fand er beim Fernsehen einen Unterschlupf, der erste Leiter des Fernsehens, Carl Boese machte ihn zum Reichsfernsehdramaturgen. Hier konnte man seine unterschiedlichen Medien-

Kurt Wagenführ (1937c), "Von der Bühnenregie zur Fernsehstube" in: Berliner Tageblatt vom 6.7.1937.

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erfahrungen nutzen, ohne daß die Partei von ihm irgendeinen ideologischen Schaden befürchten mußte. "Reichsfernsehdramaturg" — das war zunächst nur ein Titel ohne Bedeutung, weil er im Sender vieles andere als dramaturgische Arbeit zu machen hatte. Seit 1936 Parteimitglied, geriet er 1937 mit den neu hinzugekommenen Leitern Nierentz und Hainisch in Konflikt. Von seiner eigenen politischen Dramatik her, wollte er offensichtlich auch im Fernsehspiel mehr erreichen, während Hainisch und Nierentz vor allem auf Lustspiele und Komödien setzten. Mit der Inszenierung von Ludwig Thomas Waldfrieden brachte Bronnen als erster ein schon bewährtes Stück eines bekannten Autors ins Programm. In Bronnens 1945 geschriebenen Erinnerungen zeigt sich deutlich das Dilemma eines Intellektuellen, der sich in der Zeit des Dritten Reiches auf beiden Fronten bewegt und der auf jeden Fall dabei sein will. Dort beschreibt er Nierentz als völlig unfähigen Intendanten, und der Fernsehbetrieb wird durch Intrigen und Machtkämpfe jeder gegen jeden gekennzeichnet.24 Seine Darstellung der Zeit ist sicher auch aus dem Zwang, sich nach 1945 für seine Teilhabe am Nationalsozialismus zu rechtfertigen, zu sehen. Dennoch scheint Bronnens Sicht plausibler als die Glorifizierung jener "Pionierzeit" in den Erinnerungen anderer Fernsehmitarbeiter, die den faschistischen Kontext völlig negieren. 25 In der Zeit von Mai bis Juli 1937 kam es zu einer ersten "Blüte" des Fernsehspiels. Die Fernsehspiele, obwohl immer noch fast ausschließlich im Bereich des Lustspiels, der leichten Komödien, der unterhaltsamen Sketche angesiedelt, wurden aufwendiger. Neben der häufig als Autorin auftretenden Lore Weth, ein Pseudonym für die

Arnolt Bronnen, Amolt Bronnen gibt zu Protokoll, Berlin (1.Auf1.1954), S. 420f. Vgl. Bublitz.

91 Sekretärin Bronnens, Frl. Müller, die auch Kriminalromane für "Goldmanns Taschenbücher" und für Programmzeitschriften schrieb,26 und die mit Fernsehspielen wie Der Stein des Schreckens (5.2.1937), Erika im Schwalbennest (4.4.1937) und Ali und die Lausejungs (19.12.1940) vertreten ist, gewann man nun auch etwas renommiertere Autoren. Nach Bronnens Inszenierung von Thomas Waldfrieden produzierte Waldemar Bublitz Flotows Operette Die Witwe Grapin (18.4. 1937). Willi Kollos Nachts ging das Telefon (16.6.1937) und Christian Schulz-Gellens Die Tochter des Kalifen (1.7.1937) wurden gezeigt. Die Autoren der Fernsehspiele kamen vor allem vom Hörspiel, wie beispielsweise W.E.Hintz, Alfred Prügel oder Kurt Heynicke, viele haben nach 1945 beim Hörfunk weitergearbeitet, manche von ihnen sind populär geworden wie Werner Oehlschläger und Günter Neumann, von denen im NSFernsehen einige Unterhaltungssendungen und musikalische Szenenfolgen wie Im Grunewald, im Grunewald in vielen Wiederholungen zu sehen waren. Die Arbeit der Autoren bestand im wesentlichen darin, ein schon vorhandenes Hörspielbuch oder einen anderen Text auf die besonderen Bedingungen des Fernsehens umzuarbeiten. Völlig neue Stoffe werden, so weit sich feststellen läßt, nicht entwickelt. An Kollos Nachts ging das Telefon ist dies deutlich zu sehen: Kollos stellte in den Mittelpunkt mehrere, schon in Operette und Revue erfolgreiche Couplets und drapierte eine eher lose Handlung darum, wobei schon in den Regieanweisungen zu erkennen ist, daß er um die besonderen Produktionsbedingungen wußte.27 Gezielt wurde in dieser Zeit an der Weiterentwicklung und besseren Beherrschung der ästhetischen Mittel gear-

Bublitz, S. 22. Knut Hickethier (Hrsg), "Nachts ging das Telefon" von Willi Kollo. Siegen Universität (MuK-Reihe Nr.54), 1988.

92 beitet. Obwohl man sich sicher war, daß das Fernsehspiel erst mit der Verwendung von elektronischen Kameras, sogenannten "Bildfängern", und der Arbeit im hellen Studio wirklich zu großen und schweren Stoffen vordringen konnte, wollte man doch schon die spezifischen Arbeitsbedingungen, vor allem auch die Tücken der Aufnahmetechnik mit ihren besonderen Farbproblemen, genauer kennen und durch immer neue Forderungen an die Kameratechnik diese auch weiterentwickeln helfen. Die Fernsehkritik begleitete diese Entwicklung aufmerksam. Sie konstatierte eine "Wende in der ProgrammArbeit", eine Abkehr von den "stammelnden Anfängen", "wo — für den Zuschauer geradezu schmerzhaft — der eine dem anderen im Weg stand". Man erkannte, daß es notwendig war, durch die Inszenierungsweise "dem Bild Weite und Tiefe (zu) geben". Am Beispiel des Kriminalfernsehspiels Zweimal Jenkins von Adolf Weber (27.5.1937) wurde begrüßt, daß man aus dem flachen Aufstellraum für die Figuren jetzt mehr in den Raum hinein inszenierte.28 An Adolf Webers Herrn Kubankes Erholung (8.6.1937) lobte Wagenführ dann die Einbeziehung filmischer Außenaufnahmen in das Livespiel, ebenso auch das Tempo des Spiels.29 Willi Kollos Nachts ging das Telefon (16.6.1937) fiel durch die größere musikalische Besetzung und das vermehrte Personal auf.30 Alfred Prügels Kriminalfernsehspiel Lang-kurz-lang (8.7.1937) wurde wiederum wegen der Annäherung an filmische Darstellungsweisen gelobt.31

"Wende in der Programmarbeit" in: Nationalsozialistische Rundfunk-Korrespondenz, Folge 18 vom 9.6.1937. Wagenführ 1937a. vgl. auch Waldemar Bublitz, Die Entwicklung des Fernsehprogrammbetriebes der Reichs-Rundfunk-Gesellschaft von 1935 bis 1939. Unveröff. Manuskript (HansBredow- Institut ) , O.A., S. 7. Kurt Wagenführ (1937d), "Fernsehstil im Fernsehspiel" in: Berliner Tageblatt vom 28.7.1937.

93 4. Die Ubergangszeit auf der erweiterten Dunkelbühne

Das Bemühen um eine Weiterentwicklung der ästhetischen Gestaltungsmöglichkeiten des Fernsehspiels geschah bereits in Hinblick auf den beabsichtigten Umzug in ein neues Fernsehstudio.32 Die Räume des Fernsehlabors in der Rognitzstraße waren längst zu klein geworden, im Deutschlandhaus baute die für die Technik mitverantwortliche Post ein ehemaliges Caf6 zu einem neuen und größeren Studio um. Doch die Umbauten dauerten länger als gedacht und behinderten den Programmbetrieb des Herbstes 1937. Nierentz klagte in einem Interview im Januar 19 38 in der ProgrammZeitschrift "Die Sendung" über "Die Zukunft des Fernsehens", daß alles viel zu lange dauerte und die finanziellen Mittel fehlten. Christine Großmann, die das Interview mit ihm führte, war selbst Darstellerin im Fernsehsender und später selbst Autorin eines Spiels um die Neuberin (Der Weg ohne Ende, 7.5.1938). Das Fernsehspiel mußte weiterhin in den engen Räumen produziert werden, wegen der Umzugsarbeiten wurden erneut kürzere und anspruchslosere Spiele hergestellt. Wieder griff man auf Sketche zurück, produzierte vor allem im November und Dezember eine Reihe von Kurz-Fernsehspielen von Adolf Weber (Die Speisekarte, Die Kiste, Frau Matschke greift ein, Die Fundunterschlagung), von Wilhelm Rinke (Hinein, hinein), Hugo Härtung (Ein netter alter Herr) und einige andere mehr, die immer gleich zu Programmbeginn um 20.00 Uhr gespielt wurden. Keines dieser Kurzspiele dauerte länger als fünf Minuten. Als der Programmbetrieb schließlich zum Jahreswechsel 1937/38 ins Deutschlandhaus umzog, war das neue Studio immer noch nicht fertig. Stattdessen wurde in Nebenräumen ersatzweise eine, wenn auch verbesserte, Dunkelbühne errichtet. "Fernsehen mit Schnürboden" nannte es der ewig

Wagenführ 1937f.

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wohlmeinende Kurt Wagenführ. 33 Ihre Verbesserungen waren begrenzt: Neben den größeren Räumen und einer "Dunkelschleuße", die den Übergang zur Dunkelbühne erleichtern sollte, und den getrennten Regie- und Orchesterräumen, war diese erhöhte Bühne mit "einer zum Abtastgerät geneigten schiefen Ebene" versehen, damit die Künstler nicht mehr so leicht mit dem Kopf aus dem Bildfeld gerieten.34 Das hellausgeleuchtete Rundstudio mit seinen neuen elektronischen "Bildfängern" wurde erst mit der Funkausstellung vorgestellt und vom Oktober 1938 an für den Programmbetrieb benutzt.35 Immerhin adaptierte man in dieser Spielzeit 1937/38 bereits einen Roman. Der populäre Roman Otto Rombachs Adrian, der Tulpendieb, ein Schelmenroman, kurz vorher auch als Hörspiel gesendet, aber noch nicht verfilmt, bildete die Vorlage für ein Fernsehspiel, das am 13.1.1938 von Leopold Hainisch ins Programm gebracht wurde. Hainisch hatte weite Passagen des Romans durch einen Erzähler zusammenfassen lassen, der Autor selbst hatte einen Einführungsvortrag gegeben.36 In der Folge wurden weitere Romane und Erzählungen adaptiert: Horst Lange bearbeitete Josef Conrads Die Schattenlinie (21.4.1938), Adolf Weber schrieb nach Robert Louis Stevensons Erzählung Flaschenteufeichen ein Spiel (13.8.1938) und Ludwig Mezger verfaßte Der Kapland-Diamant (17.3.1938). Man versuchte, aus dem eintönigen Genre der belanglos-heiteren Lustspiele auszubrechen und dem Fernsehspiel neue Genres zu erschließen. Kurt Wagenführ schrieb im 'Berliner Tageblatt', man habe mit

Kurt Wagenführ (1938b), "'Die Schattenlinie'. Joseph Conrad im Fernsehsender" in: Berliner Tageblatt vom 6.5.1938. "Die neue Berliner Fernsehbühne" in: Berlin sieht und hört Nr.1/1938. Wher, "Von der Stegreifbühne zum Fernsehen" in: Die Sendung 1938, S. 783. Wagenführ 1938c.

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dem Fernsehspiel Die Schattenlinie "einen mutigen Schritt in das Gebiet des rein dichterischen Wortes und der Dramatik getan", und er hob die durchgehend gelungene Gestaltung einer "unheimlichen, spannungsreichen Handlung an Bord eines von seinem toten Kapitän verfolgten Schiffes" hervor, sowie "den Sprung des Nachfolgers über die 'Schattenlinie' des Schicksals".37 Wurde mit diesen Fernsehspielen vor allem das Abenteuergenre anvisiert, das in dieser Zeit auch im Kinofilm häufig vertreten war, so setzten sich eine Reihe weiterer Fernsehspiele mit dem "Alten Berlin" des 19. Jahrhunderts auseinander. Dieser Themenkreis ist durchgängig durch die ganze Zeit des NS-Fernsehspiels immer wieder anzutreffen. Im Rückgriff auf Adolf Glasbrenners Altberliner Figuren (insbesondere Nante, den Eckensteher) werden zahlreiche Szenen nachgespielt und zu Fernsehspielen verdichtet. Daß gerade der kritische Autor Glasbrenner ins NS-Fernsehspiel kommen konnte,38 lag daran, daß er schon vorher durch den Literaturbetrieb zu einem bloß unterhaltsam-harmlosen Lokaldichter stilisiert und alles Kritische aus seinen Texten "ausgemerzt" worden war. Schon am 13.3.1937 hatte der Komiker Bruno Fritz die Figur des Eckenstehers Nante im Fernsehen verkörpert (Alt Berlin), noch im gleichen Jahr gab es ein "Biedermeier-Lustspiel" (Das alte Lied) von Helene und Erich Fischer (31.7.1937) zu sehen, dann zwei "heitere Szenen" zum Stralauer Fischzug von Hermann Krause (19.9.1937). 1938 schließen sich Alt Berliner Miniaturen (27.1.1938) an, sowie Szenen aus der Berliner Zeitungsgeschichte (Vom Büttel zur Rotation, 10.3.1938), zu deren Autoren auch der Fernsehkritiker Gerhard Eckert gehörte. Berliner Miniaturen (23.3.1937) setzten die Reihe

Wagenführ 1938b. vgl. auch Reiss, S. 184f.

96 fort, ebenso Heimat an der Havel (19.7.1938) mit Szenen um Theodor Fontane und eine Fernsehaufführung des "Berliner Volksstücks" Der alte Wrangel von Otto Brües (28.5.19138), das ein Jahr zuvor in der Volksbühne erfolgreich aufgeführt worden war. Der äußerliche Anlaß zu dieser Vielzahl von BerlinFernsehspielen ist sicherlich in der 700-Jahr-Feier der Stadt 1937 zu eehen, doch hat sie ihre tiefere Ursache wohl darin, daß in der verstärkten Beschäftigung mit dem alten Berlin mehrere Motive zusammentrafen: Zum einen ließ sich mit diesem Griff in die Geschichte einer Thematisierung der Gegenwart ausweichen, auch entsprach das angeblich "Gemütliche" der behandelten Biedermeierzeit dem "Kammerspiel"-Charakter des kleinen Fernsehbildes, und Berlin kam als Thema beim ausschließlich Berliner Fernsehpublikum ebenfalls an. Die auch in anderen Medien des Dritten Reiches forcierte Beschäftigung mit dieser Zeit diente zum anderen der Umdeutung der Geschichte, vor allem der Verdrängung aller revolutionären und sozialistischen Momente, an denen die Geschichte des "roten" Berlins reich ist. Nicht zufällig wurde aus Adolf Glasbrenner, dem Dichter des Vormärz und der 48er Revolution, der Possenautor und Humorist, nicht zufällig wurde auch der preussische General Wrangel, der die 48er Revolution in Berlin niedergeschlagen hatte, zum Fernsehspiel-Sujet. Seinen Höhepunkt hatte das Berlin-Genre 1938 in dem auf der Funkausstellung wiederholt gezeigten revueartigen Fernsehspiel Endstation Berlin, das auf einer großen Bühne vor 400 bis 500 Personen täglich zweimal gezeigt wurde und das in drei anderen Räumen über Großprojektionen (3x3,50m Bildfläche) verfolgt werden konnte.39 Leopold Hainisch verstand diese Produktion, in der zahlreiche Künstler auftraten, als "Ziel der Arbeit eines langen und arbeits-

Die Sendung 1938, S. 711.

97 reichen Sendejahres", als "Schnitt- und Kreuzungspunkt, auf dem sich Idee und Leistung allen Fernsehschaffens begegnen" .40 Es war wohl auch der Auftakt für die nach der Sommerpause im Oktober dann einsetzenden Phase der Fernsehspielproduktion im hellen Rundstudio im Deutschlandhaus. Hier wollte man schon einmal zeigen, was die Zuschauer dann erwarten konnten, wenn im hell erleuchteten Studio gearbeitet wurde, wenn mehrere Bühnen gleichzeitig zur Verfügung standen und wenn das Bild mit 441 Zeilen eine neue Brillianz zeigen würde. 5. Das Fernsehspiel des Rundstudios Mit dem Bau des großen Rundstudios im Deutschlandhaus glaubte man, endlich die für die Fernsehproduktion ideale Form eines Studios gefunden zu haben. Das fünf Meter hohe Studio hatte einen kreisförmigen Grundriß, an seinem Außenrand waren ineinander übergehend fünf Einzelbühnen angebracht, die durch fest eingebaute Lichtanlagen ausgeleuchtet wurden. Die Mitte war ausgespart, in ihr waren die Kameras untergebracht. Die Bühnen waren gegenüber der Mitte um etwa 13 cm erhöht, so daß die Kameras das Geschehen auf der Bühne nur von vorn aufnehmen konnten.41 Diese Konstruktion hatte ihre Ursache in der Auffassung, man habe es mit einem Bühnengeschehen zu tun (deshalb auch die Bezeichnung 'Fernsehbühne'). Man wollte, so schrieb der damalige Fernseh-Kameramann Herbert Kutschbach 1956 rückblickend, "bei dem Beschauer des Fernsehbildes den Eindruck (...) erwecken, daß er das Bild aus der Perspektive eines Theaterbesuchers vermittelt bekäme, der in einer Parkettreihe sitzt".42

40

41 42

Die große Bühne des Fernsehsenders entsteht. Leopold Hainisch plaudert von der großen Fernsehschau "Endstation Berlin" (1938), S. 7. Goebel, S. 343. Kutschbach 1956, S. 144.

98

Bei der Konstruktion des Studios hatten die Fernsehbühnen der Funkausstellungen Pate gestanden, deren Möglichkeiten man durch den Studiobau nun für die alltägliche Programmpraxis nutzen wollte. In diesen Kontext paßt auch, daß noch während der Funkausstellung 1938 (der Anschluß Österreichs lag gerade gut ein viertel Jahr zurück) ein Gastspiel des österreichischen Bauerntheaters Löwinger für Fernsehauftritte genutzt worden war. Der Jogi vom Wegscheidhof (1.8.1938), Gruß aus den Bergen (2.8.1938) und Die Simhandlbruderschaft (3.8.1938) waren die ersten Produkte der Gattung 'Theater im Fernsehen', die dann nach 1952 auch mit Schwank-Aufführungen — nicht zuletzt von der Löwinger-Bühne — häufig im Programm vertreten waren. Doch diese theaterbezogenen Studiobühnen erwiesen sich letztlich als problematisch, weil sie die Kameraarbeit einschränkten, ohne daß bei dieser Konstruktion die Vorteile genutzt werden konnten, die ein so wie bei den Funkausstellungen anwesendes Studiopublikum bot. An deren Stelle standen hier die Kameras. Diese Bühnenkonstruktion prägte die ersten Fernsehspiel-Inszenierungen im hellen Rundstudio. Obwohl sie sich in der Programmpraxis als hinderlich erwies, wurde sie erst 1940 entfernt, so daß die Kamera auch in das Spielgeschehen hineinfahren konnte. Die emphatischen Erwartungen, die sowohl die Programmacher wie auch die Kritiker mit dem neuen Studio verbanden, erfüllten sich jedoch nicht sofort, weil sich mit der neuen Technik eine Reihe neuer Probleme einstellten. Die elektronischen Kameras hatten vor allem eine andere Farbempfindlichkeit, das heißt, sie übersetzten die Farben oft ganz anders als erwartet in Grauabschattungen, so daß unvorhergesehene Effekte auftraten, die erst mühsam wieder beseitigt werden mußten. Die Spielzeit 1938/39 begann mit zwei Fernsehspielen Versprich mir nichts von Charlotte Rißmann (Regie Arnolt Bronnen) und Die vier Gesellen von Jochen Huth (Regie

99

Bruno Reisner). Beide Stücke waren Theaterstücke und hatten bereits auf der Bühne ihre Erfolge erlebt, beide waren aber auch bereits verfilmt worden. Mit Versprich mir nichts hatte Wolfgang Liebeneiner am Staatstheater debütiert und nach dem großen Erfolg (das Stück wurde an zahlreichen deutschen Bühnen nachinszeniert) hatte Liebeneiner es auch verfilmt. Als Hörspiel war es auch vom Sender Frankfurt produziert und von mehreren anderen Sendern ausgestrahlt worden. Ebenso waren auch Die vier Gesellen sowohl auf der Bühne wie im Film und als Hörspiel sehr erfolgreich gewesen; der Film mit Ingrid Bergman, Ursula Herking und anderen (Regie Carl Froehlich) war erst gut einen Monat zuvor in den Berliner Kinos angelaufen und überaus positiv aufgenommen worden. Damit waren die Erwartungen in zweifacher Weise stimuliert: Konnten die Fernsehspiel-Inszenierungen so gut sein wie die Theateraufführungen und zugleich so gut wie die Kinofilme? Kurt Wagenführ lobte das Fernsehspiel Versprich mir nichts — wie so oft — als "durchaus gelungen", monierte aber dann vor allem die noch mangelnde Beherrschung der Technik. So seien zwar die Dialoge "sorgsam durchgearbeitet", aber die vielen Großaufnahmen erzeugten einen "Stilbruch", weil sie zu filmisch seien, Flecken und weiße Flächen hätte es durch die unsichere Führung der Scheinwerfer gegeben. Die Regieführung Reisners aber wäre "wie stets sicher und geschmackvoll" gewesen.43 Die Ambivalenz zwischen Bühnenhaftigkeit und filmischer Darstellung, die Wagenführ schon bei Versprich mir nichts festgestellt hatte und auf die er als Kritiker selbst nicht entschieden reagieren konnte, stellte er auch bei den Vier Gesellen fest. Sie ist ihm eine allgemeine Überlegung wert, die die Unentschiedenheit in der Ein-

Kurt Wagenführ (1938e), "'Versprich mir nichts!' Vielversprechende Fernsehvorführung" in: Berliner Tageblatt vom 16.11.1938.

100

Schätzung der ästhetischen Entwicklung des Fernsehspiels deutlich macht: Der Fernsehbetrieb kann heute noch nicht den vielseitigen Szenenwechsel oder den mannigfachen Betrachtungsstandpunkt für eine Szene vornehmen wie der Film, andererseits kann er auch nicht die eindeutigen Einschnitte wie das Theater in seinen Akten und Szenen setzen. So muß auch diesmal wieder der Eindruck eines stark gekürzten Filmes entstehen. Da der Programmbetrieb mit Sicherheit seinen Weg zum künstlerisch-dramaturgischen Programm sucht, wird man dieses Stilbemühen von Etappe zu Etappe mit dem größten Interesse verfolgen und ihm das Recht zum Experiment uneingeschränkt zusprechen.44 Doch in einer überraschenden Argumentations-Volte sah Wagenführ dann die Chancen des Fernsehspiels, zu einer eigenen Form zu kommen, im Hörspiel liegen. Er schreibt: "Er (der Programmbetrieb - KH) wird mit jeder neuen Bearbeitung neue Erfahrungen sammeln, die sicher einmal sehr wichtig sind, wenn man bedenkt, daß das Fernsehen die Unzahl von Hörspielmanuskripten in den Rundfunkarchiven zu neuem, schönerem Leben erwecken kann. 1,45 In den weiteren Fernsehspielproduktionen bis zum August 1939 treten die Fernsehspiele nach Bühnenvorlagen in den Vordergrund: von Curt Goetz wird am 21.1.1939 die Komödie Ingeborg gezeigt, von Leo Lenz Der Mann mit den grauen Schläfen (9.2.1939), Paul Helwigs Flitterwochen (26.11.1938), Otto Bielens Komödie Ich bin kein Casanova (14.12.1938), Fritz Peter Bruchs Ein ganzer Kerl (7.3. 1939), Axel von Ambessers Temperamente nach Wahl (4.4. 1939), Hans Schweikarts Lauter Lügen (20.6.1939) und andere. Daneben wird die Lustspieltradition nach Hörspielvorlagen und die Nummerndramatik der Sketch-Autoren weiter gepflegt, für die vor allem Namen wie Werner Oehlschläger

Kurt Wagenführ (1938f), "'Die vier Gesellen'— ferngesehen. Die zweite Filmbearbeitung des Fernsehsenders" in: Berliner Tageblatt vom 22.11.1938. Wagenführ 1938f.

101 und Adolf Weber stehen. Die Bemühungen um anspruchsvollere Stücke treten wieder in den Hintergrund. Bei den wenigen anspruchsvollen Spielen ließen sich die offenbar immer noch bestehenden technischen Probleme leichter lösen. 6. Fernsehspiele in der Kriegszeit

Der Kriegsbeginn bedeutete durch den Fortfall des Senders, der für den Kriegseinsatz gebraucht wurde, eine Programmpause, wobei nicht ganz klar ist, ob nicht auch an eine völlige Einstellung des Programms gedacht worden war. Die Wiederaufnahme des Programmbetriebs hatte vor allem eine ideologische Funktion: zu zeigen, daß man trotz Krieg weiter machen konnte. Die Programmzeitschrift "Berlin sieht und hört" schrieb im Dezember 1939: "Mit Stolz darf (...) gesagt werden: ob Organisatoren, Künstler oder Techniker - der Deutsche Fernseh-Rundfunk arbeitet mit Hochdruck weiter. Der englische und französische Fernseh-Rundfunk tut das nicht. Sie haben mit Kriegsbeginn ihr Wirken eingestellt. Deutschland aber will auch auf diesem wichtigen Kulturgebiet seinen Vorsprung halten und verstärken."46 Und Gabriele Müller mutmaßt 1940: "Den Vorsprung, den wir durch dieses unermüdliche Schaffen bekommen, wird sicher auf Jahre hinaus wirksam bleiben und die Leistungen des Deutschen Fernsehrundfunks zum Vorbild der Welt machen.1,47 Herbert Kutschbach betont, daß die erzwungene Sendepause nach Kriegsbeginn dazu genutzt wurde, Probleme der Aufnahmetechnik, insbesondere das Zusammenspiel von Kamera und Beleuchtung zu klären. Die festinstallierte Lichtanlage wurde zugunsten einer variablen Anlage demontiert, "an ihre Stelle trat also eine Beleuchtung, die eine

"Fernseh-Arbeit bei 60 Grad" in: Berlin sieht und hört, 1939, Nr.48. Gabriele Müller (1940a), "Grünliches Mädchen bei 50 Grad" in: Berlin sieht und hört 1940, Nr. 9.

102

Angleichung des Lichtes an das natürliche Leben ermöglicht, woraus die Echtheit der Bildwiedergabe und somit eine ähnliche Qualität wie beim Film geschaffen wurde. (...) Nach dem Umbau glich das Studio einem kleinen Filmstudio, und so zeigten die folgenden Sendespiele ein gänzlich anderes Gepräge."48 Zusätzlich entwickelte man den Einsatz tricktechnischer Effekte, die den Eindruck der "Natürlichkeit der Studioszenen" steigern sollten. "Dazu gehört die Schaffung 'künstlichen Klimas': Man kann jetzt auch im Fernsehstudio Regen, Nebel, Sonnenschein, Dämmerung, zarteste Mondnachtstimmungen mit vollendeter Natürlichkeit hervorzaubern" . Ebenso wurden Tests mit Schminkfarben und verschiedenen Masken gemacht, "um vor den peinlich-genauen, unerbittlich-scharfen Augen der Fernsehkamera die besten Wirkungen hervorzurufen".49 Die Veränderung der Studiotechnik drängte also deutlich auf einen größeren Illusionismus, auf einen Natürlichkeitsschein hin. Den Maßstab dafür gab wieder der Kinospielfilm. In der Intendanz des Fernsehsenders gab es Anfang 1940 zudem einen Wechsel: Nierentz wurde zum Kriegseinsatz in die Etappe abkommandiert. Sein Nachfolger war Herbert Engler, der einige Zeit beim Sender Breslau, dann als Referent bei der Reichskulturkammer gearbeitet hatte, bevor er am 1.2.1940 zum kommissarischen Leiter des Fernsehsenders bestellt wurde. Engler hat im Fernsehen die Entwicklung filmischer Darstellungsweisen unterstützt. Er stellte die künstlerische Weiterentwicklung in den Mittelpunkt seiner ersten öffentlichen Erklärungen. Indem er die Besonderheit des Fernsehens "zwischen Theater und Film"50

48 49 30

Kutschbach, S. 146. Fernseh-Arbeit bei 60 Grad. Hanhei, "Hinter den Kulissen des Fernsehsenders" in: Die Sendung, Jg.(1940), S. 75.

103 betonte, raeinte er

zugleich

eine

stärkere Abwendung

von

den benutzten theaterhaften Mitteln. Als Regisseure waren neben Leopold Hainisch, Filmproduktion

der

gewechselt

schon

war,

am

vor

ein ehemaliger Hörspieldramaturg

1.5.1939

allem

zur

Bruno

Tobis

Reisner,

und -regisseur des Kö-

nigsberger Senders, getreten, dann kamen mit Hannes pers, Hanns Farenburg und Peter A. Horn Regisseure

Küp-

hinzu,

die die Entwicklung der filmischen Darstellungsmittel forcierten. Hanns Farenburg beispielsweise

setzte sich

sehr

für die Filmeinblendung ein, die er vor allem in dem Fernsehspiel elte.

Der

Strom

(28.11.1940)

zur

Perfektion

entwick-

51

Die Spielzeit

Fernsehspielproduktion 1939/40

gegenüber

der

veränderte

sich

Vorkriegszeit

lich. Die neue Technik, insbesondere die neuen steigernden

Mittel,

dienten

dazu,

in

der

beträchtillusions-

der veränderten

poli-

tischen Situation im Spiel Rechnung zu tragen. Im Programm dominierten Fernsehspiele, in denen Abenteuer und die Auseinandersetzung

des

Menschen

mit

den

Naturkräften

Thema waren, und in denen die Frage nach

das

Selbstdisziplin

und Durchhaltevermögen des Menschen gestellt wurden.

Daß

dies vor dem Hintergrund des Krieges gesehen werden muß, insbesondere der

auch vor

sogenannten

dem

Hintergrund

"Blitzkriege"

und

der

Kriegserfolge

Überfälle

auf

andere

Länder, ist naheliegend. Vertrag um Karakat, ein Fernsehspiel von Fritz Peter Buch (1.12.1939) — dem Theater,

den Stoff gab es zuvor auch schon auf

als Kinofilm

der") und als Hörspiel — ,

(Titel:

"Mit versiegelter

handelt von einem

Or-

Bauvorhaben

am Fluß Karakat in einer Wüste Asiens, in der durch

eine

Hanns Farenburg, Fernsehen und Film. Vortrag der Reichs-Rundfunk-Gesellschaft, gehalten am 21.5.1941. Vervielf. Manuskript (Archiv Hans-Bredow-Institut, Hamburg).

104

Intrige die Deutschen von den Engländern um die ihnen schon in Aussicht gestellten Ölkonzessionen gebracht werden sollen. Der deutsche Ingenieur Keßler wird in falschen Verdacht gebracht, er reagiert "in instinktiver Abwehr und im Bewußtsein seiner Unschuld" gegenüber den zynisch vorgehenden Engländern, in denen sich, wie es in einem Bericht heißt, "britischer Neid und britische Habgier" bemerkbar machen. In einer Schlüsselszene beschreibt eine Figur des Stückes explizit die Opferbereitschaft des deutschen Helden: Bekennt sich der Ingenieur als unschuldig, kann er wohl sein Leben retten, aber sein Vaterland, dessen höchste Hoffnungen sich auf den Vertrag richten, muß seine Ziele preisgeben. Keßler steht vor der Entscheidung seines Lebens. Die Liebe zu seinem Volk gibt ihm die Kraft, für Deutschland zu sterben. Nur dadurch wird es möglich, daß die deutschfreundliche Regierung bestehen bleibt und der Vertrag unterzeichnet werden kann, obgleich bereits England seine verbrecherischen Finger nach der Ölkonzession ausstreckte.52 In diese neue, kriegsunterstützende Richtung des Fernsehspiels gehören auch Spiele wie Station D im Eismeer nach dem Hörspiel von Hanns Braun (2.2.1940) und Fieber im Urwald von Hans Heise. Im weiteren Umkreis sind auch die Fernsehspiele von Peter A. Horn Überfall auf Zelle 7 (18. 5.1940), ein Kriminalspiel mit Beteiligung des Publikums, und Kabinett Fulero von Doris Riehmer (31.10.1940) zu zählen. In Station D im Eismeer sind drei Männer in einer Wetterstation ein Jahr lang stationiert und warten auf ihre Ablösung, doch das erwartete Schiff muß abdrehen und auch ein Zeppelin kann nicht landen. Bei der Aussicht, noch ein Jahr lang aushalten zu müssen, geht der jüngste der Männer, ohnehin schon heimwehkrank, ins Eis hinaus und

"'Vertrag um Karakat' nun auch im Fernsehsender" in: Nationalsozialistische Rundfunk-Korrespondenz, Folge 47 vom 22.11.1939, S. 3.

105

erschießt sich, während die anderen beiden sich mannhaft zeigen und noch ein weiteres Jahr aushalten.53 Beim Fernsehspiel Fieber im Urwald handelt es sich wie schon beim Fernsehspiel Vertrag um Karakat um die Darstellung einer Auseinandersetzung zwischen den Mächten Deutschland und England, eingepackt in eine Spielszene. Der Anteil der Lustspiele und Komödien reduzierte sich im ersten Halbjahr 1940 deutlich. Zwar wurden noch einige Fernsehspielkomödien, wie Verstaubtes Herz im Pulverschnee von Hans Christoph Kaergel (12.12.1939) und ein Spiel nach dem Stück von Friedrich Forster Robinson darf nicht sterben (19.11.1939) inszeniert, doch sie blieben vereinzelt. Die Lustspiele transformierten sich zu einer neuen Form der volkspädagogisch aufklärenden Stücke. "Gehaltvolle Unterhaltung" sollte der "Winterspielplan des Deutschen Fernsehsenders" bringen, indem er "kurze amüsante Serien" zeige: "Bitte kurz fassen (lustige Erlebnisse aus dem täglichen Leben), Ich habs gleich gesagt! (aktuelle Dinge des Alltags werden in lustiger Form behandelt), Gut gelaunt ist halb gewonnen (Darbietung aus Kabarett und Varietö)." 54 In diesen 'Serien' (die jedoch nicht Serien im heutigen Verständnis, sondern eher locker miteinander verbundene Folgen waren) gingen die vorher als Einzelproduktionen produzierten Lustspiele, Komödien und Unterhaltungsabende auf. Mit ihnen wollte man offensichtlich auf die veränderten Alltagsverhältnisse reagieren und belehrende Informationen über Durchhaltewillen, Wehrbewußtsein und den Kriegsalltag der Daheimgebliebenen unterbringen. Die Nationalsozialistische Rundfunk-Korrespondenz formulierte das Ziel dieser als fortlaufende Serien geplanten Sendungen so: In lockeren, lustigen Szenen entstehen auf der Bühne Spiele, die in den Alltag hineinblenden. Wir nennen

Hoeppener-Flatow 1940, S. 84. Die Sendung 1939, S. 898.

106

nur die Sendungen Haben Sie das gewußt, Frau Miesner? oder Ich hab's ja gleich gesagt. In heiterer Form wird auf die vielen Sünden hingewiesen, deren wir uns gerade jetzt immer wieder zu erwehren haben. Frau Miesner ist nichts anderes als eine Frau, die bei jeder Gelegenheit zu kritisieren und zu meckern versucht. Indem ihr der Giftzahn gezogen wird, wird auch vielen anderen Volksgenossen gezeigt, wie sie sich in der Gegenwart zu verhalten haben." An der Sendung Ich hab's ja gleich gesagt wird hervorgehoben, daß die Sendung mit ihren Szenen vom Luftschutzkeller (1939!), Hamsterern und am Stammtisch "dem Zuschauer eine gute Lehre zu vermitteln" weiß. "Handfeste und einprägsame Verse sorgen dafür, daß sie in der Erinnerung haften bleiben, gleichgültig, ob es sich um den Bezugsschein, um Verdunkelung oder andere wichtige Dinge handelt.55 Der Kriegsbeginn wird also durch eine deutliche politische Akzentuierung des Fernsehspiels markiert. Das Fernsehspiel hatte zur Unterstützung des Kriegswillens beizutragen, indem es zum einen Belehrung und Verhaltensanweisungen für die veränderten Alltagssituationen der Daheimgebliebenen in unterhaltsamer Form brachte, zum anderen sich an der Schaffung und Verfestigung von Feindbildern beteiligte und den Durchhaltewillen stärkte. In der Spielzeit 1940/41 wird die ein Jahr zuvor ganz ausgeprägte politische Akzentuierung dann jedoch wieder deutlich zurückgenommen. Die Dauer des Krieges machte die Rückkehr zur Unterhaltung notwendig. Die Bevölkerung brauchte offensichtlich jetzt weniger Durchhaltespiele, sondern Ablenkung. Hinzu kam ein anderer Umstand, auf den ein Jahr zuvor jedoch keine Rücksicht genommen worden war: Das Programm wurde während der Kriegsjähre nicht wie zuvor von 20.00 bis 22.00 Uhr, sondern jetzt von 18.00 bis 20.00 Uhr bzw. dann von 17.00 bis 19.00 Uhr ausgestrahlt. Die Spielproduktion verlagerte sich deshalb stärker auf ein Publi-

"Zeitgemäße Sendungen des Fernsehrundfunks" in: Nationalsozialistische Rundfunk-Korrespondenz, Folge 46 vom 15.11.1939, S. 6f.

107 kum, das aus Kindern bestand. Dafür stehen Spiele wie Der Schneemann, der auf Reisen ging von Hedwig Zöllner

(11.1.

1941) oder Till Eulenspiegel (26.1.1941). Es werden Schattenspiele

von

Heinz

Ohlendorf

und

Handpuppenspiele

ge-

zeigt. Von

den

anspruchsvollen

Fernsehspielen

ragen

Adaption des Schauspiels Der Strom von Max Halbe

eine

(28.11.

1940) und Wenn der junge Wein blüht, eine Bearbeitung des Bühnenstücks von Björnson (10.4.1941) heraus. Dazu gehört auch

die

"erste

Fernsehoper"

Der

Liebling

des

Kalifen

(21.4.1940), bei der versucht wurde, nicht nur eine Oper aufzuführen, sondern sie in Text und Musik den besonderen Bedingungen des Fernsehens

anzupassen.

Die Unterhaltung verlagerte

sich

immer stärker

auf

die Ausstrahlung der ab 14. März 1941 zweimal wöchentlich aus

dem

Kuppelsaal

des

Reichssportfeldes

übertragenen

Großveranstaltungen Künstler spielen vor Verwundeten, die dann ab April zur regelmäßig freitags ausgestrahlten

Sen-

dung wird und den bezeichnenden Titel Wir senden Frohsinn —

wir spenden Freude trug. In Anspielung auf die hinter

der Front tätigen Agenten werden die Fernsehkünstler "die Der

'fünfte Kolonne' im Fernseh-Sender" "Ansager"

dieser

Sendungen

des

als

herausgestellt.

jetzt

"Soldatensen-

ders" genannten Programms, Kurt Krüger-Lorenzen,

auch er

dann nach 1950 beim bundesdeutschen Fernsehen wieder dabei, schrieb 1941:

"Es sind unsere Künstler und

rinnen,

die

und

unseren

Soldaten,

Verfügung

immer

immer

wieder

den gesunden

stellen,

um

ihnen

sich

Künstle-

uneigennützig

und den verwundeten,

durch

Erbauung

und

zur

Freude

seelische Stärkung und Kraft für neue Taten zu geben. Und in

diesem

Sinne

allerdings

sind

unsere

Künstler

unwesentlicher Faktor im Kampf gegen unsere Feinde."

kein 56

Der

Krülo (Kurt Krüger-Lorenzen), "Die 'fünfte Kolonne' im Fernsehsender" in: Die Sendung, 1940, S. 341.

108

Weg zum Lazarettfernsehen war damit vorprogrammiert, das Fernsehen selbst die "modernste Form der Truppenbetreuung"57 geworden. Die Aufführungen wurden von drei Kameras aufgenommen und übertragen, das Muster für spätere Übertragungen von Unterhaltungsveranstaltungen war damit vorgegeben . In den Erinnerungen von Fernsehmitarbeitern werden noch Fernsehspiele genannt, die noch nach 1941 produziert worden sein sollen, so z.B. Lessings Minna von Barnhelm, Grabbes Hannibal,58 Dame KoboldS9 oder Petersburger Abenteuer,60 doch lassen sich diese Angaben nicht anhand von Programmausdrucken verifizieren. 7. Die Live-Asthetik Nach dem programmgeschichtlichen Durchgang durch die einzelnen Spielzeiten soll nun eine erste Bestimmung der Ästhetik des Fernsehspiels im Dritten Reich gewagt werden. Fernsehspiel ist im Dritten Reich Livespiel. Sehr früh liegt der Begriff des Fernsehspiels fest. Seine Ästhetik formuliert sich aus apodiktisch behaupteten und festgeschriebenen ästhetischen Prinzipien, aus einem schlichten Praktizismus der Fernsehspieldramaturgen und regisseure sowie aus den Bedingungen, die durch die technischen Unzulänglichkeiten des erst noch im Entstehen begriffenen Mediums gegeben waren. In dem von Bofinger als System begriffenen Zusammenhang der "theatralischen Kunst" hatte jedes Medium als "Gattung" der theatralischen Kunst seinen besonderen Platz.61 Dem Fernsehspiel, obwohl zu dieser Zeit noch nicht existent, hatte Bofinger den wichtigsten Platz zugewiesen:

Die Sendung 1941, S. 171. Rhotert, S. 112. Goebel, S. 358. Kutschbach, S. 298. Bofinger, o.P.

109

"Das Fernsehen wird nicht nur eine unerhörte Vervollkommnung der Publizistik bringen, es wird auch, neben dem Tonfilm die am weitesten verbreitete theatralische Ausdrucksform der Zukunft sein und damit das stärkste Instrument der Propaganda: der Volksaufklärung und der Weltaufklärung."62 Deutlich ist bei Bofinger zu erkennen, daß sich die auf Abgrenzung und Betonung der Gegensätzlichkeit der Medien konzentrierte Mediendebatte der zwanziger Jahre dahingehend verändert hat, daß es jetzt um die Formierung der Kunstformen innerhalb eines großen Ganzen ging. Diese Grundauffassung ist dann in der Folgezeit noch deutlicher ausgeprägt. Um die jeweiligen Besonderheiten der einzelnen Medien im Sinne dieses Ganzen am wirkungsvollsten einsetzen zu können, mußten die "arteigenen" Formen erkannt, entwickelt und benutzt werden. Und sie mußten deutlich gegeneinander abgegrenzt sein, weil, so die Strukturvorstellung, erst durch die klare Abgrenzung eine Ordnung erreicht werden konnte. Dieser Ordnungsvorstellung waren alle Verwischungen und Unentschiedenheiten zuwider, und es ist kein Zufall daß die behaupteten ästhetischen Zusammengehörigkeiten (Tonfilm und Stummfilm als optische Medien, Radio und Fernsehen als akustische) dem Gliederungsprinzip in der Reichskulturkammer entsprachen. Das ästhetische Konzept, wie es der Präsident der Reichsrundfunkkammer Kriegler, vertrat, war deshalb ein administratives. Und durch Administration ließ sich die Formierung der Künste nach der Vorstellung der Nationalsozialisten am besten erreichen. Das Fernsehspiel hatte nach diesen Vorgaben seine "arteigenen" Bestimmungen zu finden, diese durften eben nicht die des Theaters oder die des Films sein, denn als bloße Nachahmungen konnten sie nach diesem Formationsge-

Bofinger, o.P.

110

danken nicht so wirkungsvoll wie das Vorbild sein. Das "Arteigene" hatte etwas zu sein, worüber die anderen Medien nicht verfügten. Daß dieser Begriff des "Arteigenen" bzw. entsprechend der des "Artfremden", das es immer zu vermeiden bzw. zu tilgen galt, ideologisch in hohem Maße durch seine Verwendung im Zusammenhang der Rassentheorien belastet war, wurde nicht nur hingenommenen, sondern war offenbar sogar erwünscht. Wie aber sah dieses "Arteigene" des Fernsehspiels konkret aus, wie war es zu erreichen? Kurt Wagenführ sah es 1937 in Synthese von "Elementen" des Rundfunks und des Films: "Das Fernsehen ist etwas Neues, das von beidem nimmt, von Grund auf neu entwickelt und zu einer arteigenen Kunst formt."63 Im Widerspruch zwischen dem Vonbeidem-nehmen und Von-Grund-auf-neu-entwickeln zeigt sich die Hilflosigkeit, dieses "Arteigene" zu fassen. Ebenso wußte auch Gerhard Eckert die Besonderheit nicht konkret zu benennen, als er das Fernsehspiel nach Film und Hörspiel als die "dritte aus der Fortschritten den Technik erwachsene Kunstform" nannte.64 Die Konkretion des "Arteigenen" konnte nur in den Erprobungen der Programmpraxis herausgefunden werden, die Kritiker und Theoretiker sahen ihre Aufgabe darin, darüber zu befinden und die wesentlichen Ergebnisse festzuhalten, wobei sie dann jedoch vor allem die Forderung nach dem "Arteigenen" normativ festschrieben. Als fernsehspezifisch galt das Rundfunk-Element, die Möglichkeit der Zeitgleichheit von Aufnahme und Empfang, das sich im Fernsehspiel als Liveprinzip manifestierte. Dieses Liveprinzip machte das Fernsehspiel der Theateraufführung verwandt, auch wenn die Technik als Mittler zwischen Schauspieler und Zuschauer trat und die räumliche

Wagenführ 1937a. Eckert 1938.

Ill Einheit von Zuschauerraum und Bühnenraum nicht gegeben war. Dieser Bezug zum Theater ließ die Bühnenmittel, ja die Bühne selbst lange Zeit als dem Fernsehspiel gemäß erscheinen. Das Liveprinzip als das "arteigene" Kennzeichen erfuhr seine Bestätigung aber auch in den FernsehAußenübertragungen, die ideologisch hoch bewertet wurden. Hatten die Übertragungen der Olympiade und der Versuchssendungen vom Reichsparteitag 1936 bereits deutlich gemacht, daß die Besonderheit des Fernsehens in der zeitgleichen Übertragung lagen, wobei das Zwischenfilmverfahren eine Annäherung daran darstellte, so verfestigte sich diese Auffassung 1937 nach der Übertragung des Nürnberger Parteitages durch das Fernsehen, die Kurt Wagenführ als "Großtat deutscher Technik" und als "einmalig in der Welt" feierte.65 Die Liveübertragungen lebten ganz wesentlich durch die Aura, hier an einem entfernt stattfindenden Geschehen "teilnehmen" zu können, es "direkt" mitzuerleben. Oft ließ sich aber am Bildschirm gar nicht feststellen, ob man denn tatsächlich live sah oder nicht doch einen Film, wie Wagenführ anläßlich der Parteitagsübertragung feststellte. Deshalb wurde um so wichtiger, dieses Liveprinzip als Besonderheit zu verklären. Die Livepraxis litt aber unter der Starrheit der Kamera, die den sonst filmerfahrenen Zuschauern als störend erschien. Die Kamera beweglicher zu machen, durch den Einsatz mehrerer Kameras einen dem Film angenäherten Einsteilungswechsel zu erzeugen, war deshalb ein Ziel der Fernsehspielmacher. Die Kritiken einzelner Fernsehspiele zeigten, daß man dabei aufgrund der Fixierung auf das Livespiel einen umständlichen Weg ging: Weil die direkte Übernahme der Filmkamera als Produktionsmittel sich, von

Kurt Wagenführ (1937e), "Fernsehen beim Parteitag. Eine Großtat deutscher Technik" in: Berliner Tageblatt vom 11.9.1937.

112

kleinen Ausnahmen abgesehen, verbot, mußte die Fernsehkamera soweit entwickelt werden, daß sie filmische Darstellungsmöglichkeiten aufwies. Mit anderen Worten: Man erfand die filmischen Darstellungsprinzipien noch einmal. Durch die Entwicklung unterschiedlicher Objektive, durch die Steigerung der Mobilität der Kamera, durch das Zusammenschneiden der Aufnahmen zweier Kameras näherte man sich der Filmästhetik an. Die Großaufnahmen wurden zunächst, wie im frühen Stummfilm, einfach in die Totalen 'hineingeschnitten' (richtiger natürlich 'hineingemischt'), und erst der Einsatz dreier beweglicher Kameras, die in das Spielgeschehen hineinfuhren, konnte man vergleichbare differenzierte Schnittfolgen entwickeln, und dennoch die Zeit- und Raumeinheit des Darzustellenden (im Gegensatz zum Kinospielfilm) wahren. Dies führte in ein Dilemma, weil man die Annäherung an filmische Gestaltungsmittel (Schnitt und unterschiedliche Einstellungsgrößen) zwar als Fortschritt empfand, aber im Film auch ein dem Fernsehen gegensätzliches Prinzip sah. So empfand Wagenführ das Fernsehspiel "zwischen zwei Polen: sie heißen Bühne und Film" plaziert, zwischen denen die Fernsehspielästhetik sich wie in "Pendelschlägen" bewege. An das "Vorbild" Film wage man sich heran, aber im "Prinzip" Film, also in der Fixierung und Konservierung des Spiels auf einen Träger, sah er eine Gefahr für das Fernsehspiel.66 Das Ideal war immer noch die mit der Produktion zeitgleiche Präsentation auf dem Bildschirm, war das Livespiel. Doch die Reinheit des Livespiels war in der Fernsehspielpraxis längst schon durchbrochen, weil sich die "direkte Sendung" manchmal als "zu eng" erwies. Dort wurden schon 1937 vorgefertigte Filmaufnahmen eingeblendet. Leopold Hainisch nannte diese Filmeinblendung ins

Wagenführ 1937d.

113

Livespiel einen "verzahnten Film", der "dort den Blick ins Weite und Große hinausführt, wo er im einzelnen auf der Bühne begonnen wurde". 67 Die Folge war, daß ein verstärkter Argumentationsbedarf bestand, um das Liveprinzip im Fernsehspiel zu rechtfertigen. Es wurde deshalb zum Uberprinzip des Fernsehspiels stilisiert. Hannes Küpper, ab 1940 Regisseur von Fernsehspielen, dichtet 1941 in einem Vortrag vor Mitarbeitern des Senders: "Das Fernsehspiel hat den heißen Atem des Augenblicks, fern vom Wirken elektrischer Ströme. Auch eingeblendete Filmstreifen

etwa vermögen

schöne Gegenwärtigkeit zu nehmen." klärte 1941 apodiktisch:

68

ihm kaum

seine

Und Hans Farenburg er-

"Denn wir sind eine neue,

arteigene Kunst aus Bild und Ton und dem Augenblick.

eine 1,69

Vor allem die Fernsehkritiker und -theoretiker behaupteten

immer

stärker,

je mehr

sich das

Fernsehspiel

selbst filmästhetische Darstellungsweisen zueigen machte, den Gegensatz von Fernsehspiel und Spielfilm als grundsätzlich. Gerhard Eckert vor allem schrieb diesen Gegensatz fest, als er behauptete, anderes will als der Film" immer wieder

angestellten

70

in diesen

Vermutung der Nähe von

Fernsehspielen

erblickte. Nein, formt."

"Fernsehen

sie werden

etwas

oder dann 1940 der offenbar

sehen und Film entgegentrat: man

daß das

Fern-

"Es wäre ganz falsch, wenn nur unter

eine

Abart

eigenen

des

Films

Gesetzen

ge-

71

G., "Der Filmstreifen im Fernsehprogramm" in: Nationalsozialistische Rundfunk-Korrespondenz, Folge 3 vom 19.1.1938, S. 7. Hannes Küpper, Gedanken über die Dramaturgie des Fernsehens. 5. Vortrag der Vortragsreihe für künstlerisch technische Mitarbeiter der RFG und RRG. 30.4. 1941. Berlin (Vervielfältigtes Manuskript), S. 14. Farenburg, S. 6. Eckert 1938. Gerhard Eckert, "Fernsehen immer besser" in: Berlin sieht und hört, 1940, Nr.38.

114

Gerhard Eckert ist es denn auch, der nach 1945 den Livecharakter des Fernsehspiels erneut behauptet. Zwar fehlt jetzt der Begriff des "Arteigenen", doch vehement wird die Verteidigung des "dem Fernsehen Wesensgemäßen" als Abwehr einer "maschinellen Beziehungslosigkeit" des Films, als Abwehr des "Kunstimperialismus" des Films vertreten. 72 Im gleichen Jahr 1953 hatte Gerhard Goebel, als Referent beim Reichspostzentralamt mit der Entwicklung des Fernsehbetriebs im Dritten Reich eng vertraut, rückblickend sich zum Festhalten am Liveprinzip im NS-Programmbetrieb geäußert: "Es wurden mannigfaltige Gründe — wie die Unmittelbarkeit des Fernsehens, die Unmöglichkeit spielgemäßer Uberblendungen im Film u.v.a. — für diesen Verzicht (auf den Filmeinsatz) angeführt, in Wirklichkeit war dafür aber — abgesehen von einer gewissen Freude an der Improvisation — offenbar nur das Unvermögen maßgebend, mit den vorhandenen Kräften und Mitteln etwas den Erzeugnissen der damaligen Spielfilm-Industrie Gleichwertiges zu schaffen. 1,73 8. Ensemble und Programmeinbindung

Das Liveprinzip des Fernsehspiels hatte Folgen für dessen Programmeinbindung. Da das Fernsehprogramm in den ersten Jahren, von Ausnahmen wie der Übertragung der Olympiade oder den Parteitagen abgesehen, eine Dauer von einer Stunde (20.00 bis 21.00 Uhr) hatte, das dann unmittelbar darauf (von 21.00 bis 22.00 Uhr) wiederholt wurde, um in den öffentlichen Fernsehstuben einem größeren Interessentenkreis die Gelegenheit zum Betrachten zu geben, hätte das Spiel so kurz sein müssen, daß es noch Platz für andere Sendungen bot, und es hätte dann in sehr kurzem

Eckert 1953, S. 84. Goebel, S. 358.

115 Abstand hintereinander noch einmal aufgeführt werden müssen. Dies gilt auch für die ersten Fernsehspiele bis Mitte Juni 1937. Sie dauerten nicht länger als 30 Minuten und wurden innerhalb eines Abendprogramms zweimal aufgeführt. Diese Zeitbegrenzung erwies sich als hinderlich. In der Woche, in der Willi Kollos Fernsehspiel Nachts ging das Telefon (16.6.1937) erstmals ausgestrahlt wurde, stellte man den Programmbetrieb um, so daß das Programm jetzt durchgehend von 20.00 bis 22.00 Uhr dauerte. Dadurch waren Fernsehspiele von längerer Dauer möglich. Schon Kollos Fernsehspiel dauerte 40 Minuten. Die Liveproduktion führte auch dazu, daß die Dauer der Fernsehspiele bei Wiederholungen nicht immer gleich war. Es gibt sowohl für die Verlängerung als auch für die Verkürzung Beispiele. So wurde das Spiel Zweimal Jenkins (27.5.1937) von 20 Minuten auf 45 Minuten (am 5.8.1937) ausgedehnt, ebenso Haydns letzter Besucher von 32 (11.4. 1938) auf 45 Minuten. Das Flaschenteufeichen dagegen kürzte man von 62 auf 40 Minuten, ebenso auch Jürgen von Altens Spiel Das verlorene Lächeln von 62 auf 50 Minuten. Die vier Gesellen wurden zunächst als 75-Minuten-Sendung ins Programm gebracht, dann auf 60 Minuten gekürzt (30.8. 1939) und schließlich auf 90 Minuten verlängert (2.12. 1939). Zu vermuten ist, daß damit auch die Inszenierung selbst während der Wiederholungen verändert wurde. Auch schien vor allem eine Anpassung an die Veränderungen der Technik bzw. eine tagesbezogene Anpassung an den Programmkontext immer wieder stattgefunden zu haben. Der beträchtliche organisatorische Aufwand der Fernsehspiele ließ bald schon die Frage nach der Wiederholbarkeit entstehen. Da das Publikum ohnehin wechselte, stand man nicht unter dem Zwang, ständig neu produzieren zu müssen. So lassen sich deshalb eine Vielzahl von Wiederholungen feststellen. Drei bis vier Wiederholungen, häufig im monatlichen Abstand, waren die Regel, manche Fernsehspiele

116

wurden auch innerhalb eines kürzeren Zeitraums mehrfach ausgestrahlt. Die Zahl der Wiederholungen stieg dann ab 1938 bei den als anspruchsvoller eingeschätzten Spielen, etwa bei Das Flaschenteufeichen (8 Wiederholungen), Robinson darf nicht sterben (9 Wiederholungen), Vertrag um Karakat (15 Wh), Verstaubtes Herz im Pulverschnee (14 Wh) oder bei den Vier Gesellen (23 Wiederholungen). Die Zahl der Neuproduktionen nahm in den Jahren 1940 und 1941 im Maß der Zunahme der Wiederholungen ab. Die Wiederholungen führten denn auch dazu, daß das Fernsehspiel als Programmform innerhalb des Programms einen relativ breiten Raum einnahm. Im Durchschnitt wurde zwei- bis dreimal die Woche ein Fernsehspiel gezeigt, das dann innerhalb des Tagesprogramms den größten Raum einnahm. Steht es in der Zeit, als das Programm zwischen 20.00 und 22.00 Uhr gesendet wurde, häufig in der Mitte des Abendprogramms (nach der Ausstrahlung des "Aktuellen Bildberichts"), so wandert es nach Kriegsbeginn, als das Programm auf den Spätnachmittag zwischen 18.00 und 20.00 Uhr plaziert wird, an das Ende des Programmangebots und nähert sich der "Abendspielzeit" an. Ziel war dabei offenbar auch, das Fernsehspiel als Mittelpunkt bzw. Höhepunkt eines Programmablaufs zu präsentieren. Entsprach die Plazierung der Wiederholungen eines Fernsehspiels in größeren Abständen innerhalb einer Spielzeit eher dem Repertoirebetrieb, wie ihn die Stadt- und Staatstheater kennen, so ändert sich 1940, etwa zeitgleich mit der Übernahme der Intendanz durch Herbert Engler, der Wiederholungsbetrieb: Die Wiederholungen folgen jetzt dicht aufeinander, oft sogar mehrmals innerhalb einer Woche und entsprechen damit eher dem en-suite-Prinzip des kommerziellen Theaters. Kaum eine Fernsehspiel-Produktion überdauerte eine Spielzeit, nur von Kollos Nachts ging das Telefon und Jochen Huths Die vier Gesellen sind Wiederholungen über

117 einen längeren Zeitraum bekannt. Häufig sind allerdings Wiederaufnahmen von Fernsehspielen unmittelbar zu Beginn der nächsten Spielzeit, ohne dann jedoch fortgesetzt zu werden und kontinuierlich im Programm zu bleiben. Offenbar dienten sie dann nur dazu, die Zeit bis zur Fertigstellung einer neuen Inszenierung zu überbrücken. Die Aufnahme von Produktionen der Spielzeit von 1937/38 im Jahre 1939 hatte, so scheint es, zudem den Zweck, die Dunkelbühnenspiele in ihrer Wirksamkeit auf der hellen Bühne erneut zu erproben (z.B. Haydns letzter Besucher). Da sie dann nicht weiter wiederholt wurden, ist zu vermuten, daß man sich zur Inszenierung neuer Stücke entschloß. Die Annäherung dieser Spielpraxis an den Theaterbetrieb ist offenkundig, sie ließ sich aber durch den kollektiven Empfang in den Fernsehstuben rechtfertigen. Korrekterweise können die Wiederholungen auch nicht als solche bezeichnet werden, da es sich um Wiederaufführungen handelt, von denen keine genau wie die vorhergehende gewesen sein kann. Erst nachdem das Fernsehprogramm ab 1941 als Lazarettfernsehen über ein Publikum verfügte, das — notgedrungen — das Programm täglich verfolgte, änderte sich auch hier die Wiederholungspraxis. So schrieb Herbert Engler 1942 (also nach der hier dargestellten und darstellbaren Programmzeit) in der Zeitschrift "Reichsrundfunk": "Wir wissen, daß die Feldgrauen gern allabendlich durch ein anderes Fernsehspiel unterhalten sein möchten und nicht in drei Wochen zehnmal ein Stück ansehen wollen, in dem sie schon selbst fähig wären (wie uns ein Soldat einmal schrieb) die Hauptrolle zu spielen. Wir haben all diesen Wünschen soweit Rechnung getragen, wie es uns heute möglich ist."74 Damit war man aber schon dem Prinzip der

Herbert Engler, "Fernsehen im Vormarsch" in: Reichsrundfunk Jg. 1941/42, H.24 v. 15.2.1942, S. 453.

118 weitgestreuten

Wiederholung

angenähert,

wie

es

der

Heimempfang notwendig machte. Die häufigen Wiederholungen führten dazu, daß nicht nur häufig Darsteller ausgewechselt wurden; auch die A n gaben der Regie änderten sich wiederholt. So führte z.B. bei Kollos Nachts ging das Telefon zu Beginn Arnolt Bronnen Regie, ebenso offenbar auch bei den drei

darauffol-

genden Wiederholungen, dann übernahm am 8.12.1937 u n d der darauffolgenden

Aufführung

Bruno

Reisner

die

Regie.

Schließlich w i r d am 5.1.1939 Werner Oehlschläger genannt. Ähnlich löste bei A l f r e d Prügels Lang-kurz-lang

Hainisch

Bronnen in der Regie ab, später ist bei Frischer W i n d aus Kanada

(19.2.1938)

Leopold Hainisch durch Bruno

Reisner

(am 1.2.1939) abgelöst worden. Huths Stück Die vier Gesellen hatte Reisner inszeniert, ab 6.7.1940 führte dann der Intendant Herbert Engler

selbst Regie.

Die

Regieführung

(in der damaligen Bezeichnung: Spielleitung) meinte also nicht nur die Erstellung der Inszenierung, sondern umfaßt auch das, was im Theater unter dem Begriff der Abendregie gefaßt wird: die Verantwortung für den Ablauf einer einzelnen Aufführung nach der Premiere. Über die Darsteller liegen nur spärliche Angaben zu den einzelnen Fernsehspielen vor. Inge Vesten, Käte JökenKönig,

W.Tom-Stassar,

Carell, Maria Riffa —

O.

Below,

Ε.

Bruns,

Carl

Heinz

die meisten Namen sagen uns heute

nichts mehr. Es handelt sich um Kleindarsteller,

häufig

auch um Entertainer aus Kleinkunst u n d Rundfunk.

Viele,

die sich rühmen, bei Reinhardt gearbeitet zu haben,

sind

in den Besetzungslisten der Reinhardt-Spielpläne auch als vierte und fünfte Besetzung einer Inszenierung nicht finden, andere haben nur die hardts besucht

Schauspielschule Max

zu

Rein-

(so z.B. Waldemar Bublitz). Einige kommen

auch aus dem Boulevardtheater, wie zum Beispiel Leo Peukert (Nachts ging das Telefon), waren dort offenbar nicht mehr

gefragt und fanden über

den Rundfunk

zum

Fernseh-

119 spiel. Für einen Schauspieler war das Fernsehspiel nicht besonders attraktiv, weil er in diesen anfangs wenig scharfen Bildern nicht besonders gut herauskam, weil das zahlenmäßig geringe Publikum sich stärker für die technische Novität Fernsehen als für die einzelne darstellerische Leistung interessierte und weil die Produktionsbedingungen der Dunkelbühne eher abschreckend waren. So ist denn auch der Auftritt Otto Gebührs als prominenter Darsteller in der Dunkelzelle eine Ausnahme. Dennoch scheint sich so etwas wie ein fester Darstellerstamm herausgebildet zu haben, wobei einige der Darsteller aber auch in anderen Tätigkeiten, etwa bei der Regie, zu finden sind, oder als Autoren auftreten (Carl Heinz Carell, Ivo Veit, Heinz Förster-Ludwig) oder ganz in Leitungsfunktionen überwechseln (Waldemar Bublitz wurde Leiter des Zeitdienstes). Mit dem Wechsel zum hellen Rundstudio scheint die Attraktivität des Fernsehens für Schauspieler gestiegen zu sein. Namen wie Harry Frank, Horst Preussker, Rudolf Aßmann, Fritz Staudte, Charlotte Radspieler, Ph. Manning, G. Ballier sind nach 1939 immer wieder in den Fernsehspiel-Besetzungslisten zu finden. Mit der Übernahme der Intendanz durch Herbert Engler wird von diesem besonders die Bildung eines festen Ensembles betont.75 Diese Idee, das Theaterprinzip des festen, aufeinander eingespielten Ensembles auf die technischen Medien und ihre Kunstformen anzuwenden, ist ein altes Konzept des Hörspiels und war vor allem in den dreißiger Jahren am Breslauer Sender, von dem Engler kam, für das Hörspiel beispielgebend verwirklicht worden. Indem Engler es Anfang 1940 für das Fernsehspiel zu einem Prinzip formulierte, gewann er damit zugleich ein Argument, das das "Arteigne" des Fernsehspiels betonte, denn damit unterschied sich das Fernsehspiel

Hanhei, S. 75.

120

trotz der sonstigen Annäherung an filmische Darstellungsweisen wieder vom Film, der keine festen Darstellerensembles kannte. Daß die Schaffung eines Fernsehspielensembles während des Krieges für die Darsteller auch einen Schutz gegenüber einer Abkommandierung an die Front bedeuten konnte, war sicher ein willkommener Effekt. Engler hatte auch betont, daß der feste Darstellerstamm des Fernsehspiels nach Bedarf um "anerkannte Kräfte von Bühne und Film" ergänzt werden sollte.76 Davon ist jedoch in den Programmankündigungen wenig zu merken. Allein bei Wenn der junge Wein blüht wird in der Darstellerliste auch die bekannte Schauspielerin Gertrud Eysoldt geführt. Schauspieler wie Bruno Fritz oder Ewald Wenck, die als Rundfunkdarsteller bekannt waren, gewannen ihre Prominenz dann vor allem erst nach 1945. Andere wurden im Rundfunk nach 1945, vor allem im RIAS, durch eigene Sendungen berühmt: z.B. Rudolf Günter Wagner (als Darsteller in Der Strom) mit seinen Wunschmusiksendungen zwischen Ost und West; Günter Neumann mit seinem Kabarett "Die Insulaner" oder Werner Oehlschläger als Text- und Musikautor und Regisseur vieler Unterhaltungssendungen. Als festes Ensemble wirkte auch das Orchester Emanuel Rambour mit, so wie Rio Gebhardt, der sich fast durchgehend für die musikalische Leitung im Sender verantwortlich zeichnete. Für die Kulissen, die anfangs auf Packpapier gemalt und dann erst nach und nach räumlich gestaltet wurden, war Heinz Monnier bis etwa 1939 verantwortlich, danach wechselt es, zuletzt taucht auch mehrfach Karl-Hermann Joksch als Gestalter des "Bühnenbildes" bzw. der "Szenenbilder" auf, der dann auch wieder nach 1950 beim NWDR und späteren NDR bis in die sechziger Jahre hinein für die "Szenenbilder" verantwortlich ist. Die Kameramänner sind in den Ankündigungen lange Zeit nicht

Hanhei, S. 75.

121

besonderer Beachtung für wert gehalten worden. Mit der stärker filmisch orientierten Aufnahmetechnik verändert sich auch ihr Stellenwert. 1940 werden sie dann erwähnt, neben Herbert Kutschbach, der sich nach 1945 auch in einigen Beiträgen theoretisch zur Kameratechnik und ästhetik geäußert hat, ist vor allem der frühere Filmregisseur Phil Jutzi zu finden. 9. Vom NS-Fernsehspiel zum Fernsehspiel der Bundesrepublik Das Fernsehspiel des Dritten Reiches stellt eine abgeschlossene Episode in der Geschichte des deutschen Fernsehspiels dar - und zugleich auch wieder nicht. Vom Fernsehspiel des Dritten Reiches laufen zahlreiche Verbindungslinien zum Fernsehspiel der Bundesrepublik, wie es sich dann ab 1951/52 herausbildete.77 Zahlreiche Fernsehmitarbeiter des NS-Fernsehsenders "Paul Nipkow" arbeiteten nach 1950 wieder beim bundesdeutschen Fernsehen mit. Von den Regisseuren sind Hanns Farenburg in Hamburg, Hannes Küppers und Waldemar Bublitz in Berlin und Peter A. Horn in Baden-Baden wieder als Regisseure mit dabei, auch Leopold Hainisch, der schon 1940 geschwärmt hatte: "Passen Sie auf, wie es nach dem Kriege wird! Dann werden Sie mich auch wieder beim Fernsehsender sehen",78 ist mit einigen Fernsehinszenierungen wieder im Programm. Aber auch Schauspieler wie Charlotte Radspieler und andere kommen so ins bundesdeutsche Fernsehspiel. Vor allem die NWDR-Programmversuche in Berlin, von Heinz Riek, auch ein ehemaliger Mitarbeiter des NS-Fernsehsenders, in Gang gesetzt, binden viele der ehemaligen Darsteller und Techniker.79 Einige 77 78 79

Fernsehspiele,

die

schon das

NS-Fernsehen

Vgl. Hickethier 1980. Die Sendung 1940, S. 10. vgl. auch Knut Hickethier, "Vernebelter Anfang. Polemisches zur 'Stunde Null' des Fernsehens - beim Durchblättern fernsehhistorischer Erinnerungen" in: TheaterZeitSchrift 1989, H.28.

122

zeigte, werden dann auch nach 1952 wieder ins Programm gebracht: Curt Goetz, der schon emigriert war, als sein Stück Ingeborg über den NS-Fernsehsender lief, ist mit diesem Stück ebenso vertreten wie das Fernsehspiel nach Calderons Komödie Dame Kobold, das Hannes Küpper vor 1945 wie nach 1945 für das Fernsehen inszeniert. Doch nicht nur im Fernsehspiel gab es Kontinuitäten, sondern auch in anderen Programmbereichen. Hugo Murero war schon vor 1945 für seine Sportberichte berühmt und nicht erst in den fünfziger Jahren. Und so wie "Balkie" vor 1945 seine Karikaturen im Fernsehen zeigte, zeichneten dann Oskar und -zel für den NWDR und dann für den SFB bis in die Gegenwart hinein Fernsehkarikaturen. Die Beispiele lassen sich fortsetzen.80 Neben solchen personellen Kontinuitäten wurde vor allem das ästhetische Konzept des Fernsehspiels als Livespiel hinübergerettet und als neues Konzept ausgegeben. Besonders Gerhard Eckert sorgte mit seinem Buch "Die Kunst des Fernsehens", in dem er seine ästhetischen Maximen aus der Zeit vor 1945 wiederholt, für eine konzeptionelle Kontinuität.81 Aber diese Vorstellungen waren auch in den Köpfen der Fernsehmacher fest verankert. Es brauchten nur ein paar Ettikettierungen ausgetauscht zu werden, und schon war der faschistische Hautgout verflogen. Das "Arteigene" wurde zum Medienspezifischen und die Rede vom Wesensgemäßen brauchte nicht einmal diesen Begriff zu wechseln. Und die Unterhaltung galt per se schon immer als unpolitisch. Hatte man denn etwas anderes als Unterhaltung im Fernsehsender "Paul Nipkow" betrieben? Die Indienstnahme eines ganzen Mediums durch den Nationalsozia-

Vgl. Hickethier 1989. Vgl. zu den Konzepten der fünfziger Jahre auch Knut Hickethier (Hrsg), Der Zauberspiegel - das Fenster zur Welt. Untersuchungen zum Fernsehprogramm der fünfziger Jahre, Siegen: Universität-GH-Siegen (Arbeitshefte Bildschirmmedien 14), 1990.

123

lismus wurde verdrängt, die Durchhaltespiele vergessen. Denn als es in der Bundesrepublik mit dem Fernsehen wieder aufwärts ging, war Berlin schon wieder Frontstadt und brauchte wieder Spezialisten der unauffälligen Beeinflussung. Nur sehr langsam hat sich das Fernsehspiel der Bundesrepublik von diesen Anfängen gelöst und zu einer, inhaltlich und formal bestimmten, einen Form entwickelt. Eine wirkliche Stunde Null hat es trotz des späten Wiederbeginns nicht wirklich gegeben.

Knut Hickethier (Berlin) Fernsehspiele ia Programm des Fernsehsenders "Paul Nipkow" Berlin, 1936—1941

Quellen: Programmzeitschriften "Die Sendung" und "Berlin sieht und hört" 1936 - 1941. Es wurden die in den Programmzeitschriften vorgefundenen Gattungsbezeichnungen übernommen. Bei abweichenden Angaben wurden in der Regel alle Versionen vermerkt. A: Autor; R: Regie (Spielleitung); B: Bearbeitung; Bü: Bühnenbild; Mu: Musik; M.Ltg: Musikalische Leitung; T.Ltg: Technische Leitung. S: Sendedatum (Erstsendunq); Sz: Sendezeit der Erstsendung; Da: Dauer der Erstsendung; Wh: Wiederholungstermine; D: Darsteller 1936 Das Schaukelpferd. Kurzspiel aus dem Fernsehlabor. A: Adolf Weber. R: Willi Bai. Bü: Heinz Monnier. S: 7.11.1936. D: Rosi Schaffrian, Waldemar Bublitz. Die Nachtigall. Melodram von Winternitz nach dem Märchen von Andersen. A: Liselotte Erb von Falkenstein S: 18.11.1936 Im 'Roten Ochsen'. Fernsehkurzspiel. A: Hanns Brennecke (26.11.1936) Christian Dietrich Hahn (3.2.1937). S: 26.11.1936. Wh: 3.2.1937. D: H. Sternberg (Wilhelm Sedlmair); O. Below (Jochen Althoff); E. Bruns (Jupp Neufeld); Lil Krämer (Nichte München); K.L. Schreiber (ein Neffe); Carl Heinz Carell (Hannes Hochzeitsbitter). Der Weihnachtsmarkt. Ein Kurzspiel. S: 5.12.1936 1937 Die Begegnung. Fernsehkurzspiel. A: Dr. Hans Harbeck. S: 13.1.1937

125 Frühlingsmärchen. S: 22.1.1937. Wh: 8.2.1937; 26.2.1937; 31.3.1937 D: Ciaire Fuchs (Ciaire Lehmann); Ida Wüst (ihre Mutter Martha); Manfred Norden (Maurice Vetra).

???. S: 23.1.1937. D: Inge Vesten; Else Kochhann; Albert Vossen; Waldemar Bublitz o.T. Ein Fernsehkurzspiel. S: 3.3.1937. 24.3.1937. o.T. Fernsehkurzspiel. A: Erwin Albrecht. S: 16.5.1937. Da: 20 Min. Der Stein des Schreckens. Kriminalkomödie. A: Lore Weth. S: 5.2.1937. Da: 20 Min. Wh: 10.5.1037. D: F. Klebusch; Lucie Lemm; C. Stephanek. (Angaben v. 10.5.1937) Der Stift hat das Wort. Ein kleiner Fernsehkurzspiel. S: 12.2.1937.

Krach

im

Setzersaal.

Junge Dame mit künstlerischem Einschlag gesucht. Fernseh-Kurzspiel. A: Lore Weth. S: 13.2.1937. Da: 30 Min. Wh: 6.3.1937; 12.5.1937. D: W. Tom-Stassar; Inge Vesten; Eva Borris; Käte Jöken-König; Annelotte Sees; Maria Riffa. Elly und das

Abenteuer.

Heitere Szenen um ein Auto. S: 20.2.1937 Waldfrieden. Lustspiel. A: Ludwig Thoma. R: E.H. Hagen. S: 24.2.1937. Da: 40 Min. (am 7.10.1937) Wh: 7.10.1937; 13.10.1937; 26.1.1939. Umzug. Lustiges Kurzspiel. S: 4.3.1937. Wh: 16.3.1937. D: Manny Ziener; Bruno Fritz. o.T. Szenen aus dem dichterischen Schaffen. A: W.E. Möller. S: 10.3.1937. Schwindler. Fernsehkurzspiel. A: W. Hoeppener/Flatow. S: 11.3.1937.

126 Wir rüsten zur Osterfahrt. Fernsehkurzspiel. A: Reinhold Loebel. S: 12.3.1937. Alt Berlin. Eckensteher Nante im Verhör. A: Adolf Glasbrenner. S: 13.3.1937. Wh: 7.4.1934. D: Bruno Fritz; E. Keune. April April. Fernsehkurzspiel. S: 1.4.1937. Die Witwe Grapin. Operette. A: Fr.v. Flatow. R: Waldemar Bublitz. S: 4.4.1937. Da: 30 Min. Wh: 31.5.1937; 17.6.1937. D: Mimi Gyenes; H. Skriwanek; H. Eck (Angaben am 18.4.1937). Rosl Schaffrian; E. Bodart; H. Eck (Angaben am 9.5.1937) Erika im Schwalbennest. Fernsehkurzoperette. A: Lore Weth. R: Willi Bai. M: Paul Noak-Ihlenfeld. S: 4.4.1937. Da: 40 Min. Wh: 21.4.1937. D: R. Jahnke; W. Tom-Stassar; Anneliese Würtz; F. Wolf. Eine Frau im Spiel. Fernsehkurzspiel. A: Vera Bern. S: 30.4.1937. Da: 30 Min. o.T. (evt.: Umzug). Fernsehkurzspiel. S: 19.5.1937. Da: 20 Min. D: Bruno Fritz; Manny Ziemer; W. Gille. Zweimal Jenkins. Fernsehkurzspiel. A: Adolf Weber. S: 27.5.1937. Da: 20 Min. (am 27.5.1937) 45 Min (am 5.8.1937). Wh: 14.6.1937; 22.6.1937; 5.8.1937. Gast im eigenen Heim. Spiel. A: Hermann Krause. R: Arnolt Bronnen. S: 1.6.1937. Da 30 Min. Wh: 15.6.1937; 7.7.1937; 17.9.1937. D: R. Bernda (Herr Kroll); Eva Brock (Frau Kroll); Dorothea Thieß (Minna, das Mädchen). Kleine Bank im Park. Fernsehfolge. A: W.E. Hintz. S: 2.6.1937. Da: 50 Min. Wh: 30.6.1937. Szenen: Der Herr mit dem Embonpoint / Das alte Paar / Der Parkwächter / Das Kindermädchen / Zwei Hausfrauen / Der Papiersammler / Der Dichter / Das Liebespaar. Herr Kubankes Erholung. Fernsehfolge. A: Willi Krause; Erwin Albrecht. R: Arnolt Bronnen. M: Willi Hahn; Hans Sattler; Fritz Wenneis. S: 8.6.1937. Wh: 23.6.1937.

127 Nachts ging das Telefon. Fernsehspiel. A: Willi Kollo. R: A r n o l t Bronnen; (Angabe am 8.12.1937: Bruno Reisner; am 5.1.1939: W e r n e r Oehlschläger). Bü: Heinz Monnier. M: Willi Kollo. Orchester Emanuel Rambour. M.Ltg: Rio Gebhardt. S: 16.6.1937. Da: 40 Min. Sz: 20.15-20.55 Uhr. W h : 6.7.1937; 10.8.1937; 22.9.1937; 8.12.1938; 5.1.1939. D: Leo Peukert; Carl Heinz Carell; Ivo Veit; Hugo Schräder; Friedel Pisetta; Hilde Seipp; Wolfgang Neusch; M a r i a Riffa. Im Grunewald, im Grunewald. Bilder und Lieder. A: Günter Neumann, W e r n e r Oehlschläger. M: Günter Neumann, Werner Oehlschläger. S: 24.6.1937. Da: 52 Min. Wh: 3.7.1937; 21.7.1937. Die Tochter des Kalifen. Groteskes Märchen für das Fernsehen. A: C h r i s t i a n Schulz-Gellen. R: Leopold Hainisch. Bü: Heinz M o n n i e r . M: Willi Geißler. S: 1.7.1937. Da: 55 Min. Wh: 5.7.1937; 30.7.1937; 6.8.1937. Lang-kurz-lang. Fernsehspiel. A: A l f r e d Prügel. R: A r n o l t Bronnen; (Angabe am 11.7.1937: Leopold Hainisch) Bü: Heinz Monnier. S: 8.7.1937; 11.7.1937; 28.7.1937. In der schönen Sommerzeit. Ferienreise-Fernsehspiel. A: Carl-Heinz S: 19.7.1937. Wh: 3.8.1937.

Carell.

Das alte Lied. Biedermeier-Lustspiel. A: Helene Fischer, Dr. E r i c h Fischer. M: Wolgang Amadeus Mozart. S: 31.7.1937. Da: 55 Min. Wh: 4.8.1937; 16.8.1937; 18.9.1937; 12.6.1939; 22.6.1939; 27.6.1939. Die romantische Verlobung. Scherzspiel für das Fernsehen. A: Kurt Heynicke. B: Arnolt Bronnen. R: Arnolt Bronnen. M: F. Stuhlraacher (Entwicklung und Komposition). S: 12.8.1937. Da: 38 Min. (am 30.8.1937) 50 Min. Sz: 20.22-21.00 Uhr. Wh: 17.8.1937; 26.8.1937; 30.8.1937. Anprobe zum Stralauer Fischzug / Woher stammt das Berlinische? Zwei heitere Szenen. A: hermann Krause. S: 19.9.1937. Da: 15 Min. Sz: 20.25-20.50 Uhr. Wh: 29.9.1937; 6.10.1937; 11.10.1937. Max und Moritz. Die unsterbliche Lausbubengeschichte. A: W i l h e l m Busch. S: 30.9.1937. Da: 35 Min. Wh: 18.10.1937; 1.11.1937.

128 Wir feiern Erntezeit. Fernsehspiel. R: Leopold Hainisch. S: 4.10.1937. Da: 45 Min. Wh: 12.10.1937; 21.10.1937 Fernsehbild Bühne.

des

Urberliners.

S: 27.10.1937. Da: 35 Min. Wh: 25.11.1937;

15.12.1937.

Die Weinprobe. Buschiade. A: Erich Fischer. S: 30.10.1937. Da: 30 Min. Sz: 20.29 - 20.59 Uhr. Wh: 3.11.1937; 10.11.1937. Iha, der Esel. Ein RQpelepiel. A: Heinz Steguweit. R: Leopold Hainisch. Bü: Heinz Monnier. S: 11.11.1937. Da: 20 Min. Wh: 15.11.1937; 1.12.1937; 23.12.1937. Die Speisekarte. Kleines Fernsehspiel. A: Adolf Weber. R: Wolfgang Neusch. Bü: Heinz Monnier. S: 23.11.1937. Da: 5 Min. Sz: 20.00 - 20.05 Uhr. Wh: 17.12.1937; 23.12.1937; 28.12.1937; 4.1.1938. D: Frieder Drost (Er); Lucie Leram (Sie); L. Delsan (der Sammler). Die Kiste. Kleines Fernsehspiel. A: Adolf Weber. R: Wolfgang Neusch. Bü: Heinz Monnier. S: 24.11.1937. Da: 5 Min. Sz: 20.00 - 20.05 Uhr. Wh: 2.12.1937; 30.12.1937. Frau Matschke greift ein. Kleines Fernsehspiel. A: Adolf Weber. S: 25.11.1937. Da: 6 Min. Sz: 20.00 - 20.06 Uhr. Wh: 27.11.1937; 14.12.1937; 22.12.1937. Die Fundunterschlagung. Kleines Fernsehspiel. A: Adolf Weber. S: 26.11.1937. Da: 6 Min. Sz: 20.00 - 20.06 Uhr. Wh: 3.12.1937. 27.12.1937. Hinein, hinein. Spaß für den Fernsehsender. A: Wilhelm Rinke. S: 29.11.1937. Da: 5 Min. Sz: 20.00 - 20.05 Uhr. Wh: 4.12.1937; 13.12.1937; 18.12.1937; 6.1.1938. Ein netter alter Herr. Hörszene für den Fernsehsender. A: Hugo Härtung. S: 16.12.1937. Da: 5 Min. Sz: 20.00 - 20.05 Uhr. Wh: 21.12.1937; 3.1.1938. Würde bringt Bürde. Kleine heitere Moralpauke. A: Dr. Ingeborg Möller. A: Arnolt Bronnen.. S: 16.12.1937. Da: 43 Min. Wh: 20.12.1937; 28.12.1937.

129 Zwei kraus - zwei glatt. Kleines Fernsehspiel. A: H.-U. Röhl. S:20.12.1937. Da: 5 Min. Sz: 20.00 - 20.05 Uhr. Wh: 15.1.1938. Der fahrende Schüler im Paradies. Fastnachtsspiel. A: Arnolt Bronnen nach Hans Sachs. M : Rio Gebhardt. S: 28.12.1937. Da: 25 M i n (am 28.12.1937); 60 Min (am 22.2.1938); 30 M i n (am 24.11.1938). W h : 10.1.1938; 22.2.1938; 24.11.1938. D: mit drei Personen. 1938 Schneeflocken. Winterlicher Spuk voll Heiterkeit und Frohsinn. A: Heinz Förster-Ludwig. R: Arnolt Bronnen. S: 6.1.1938. Da: 60 Min. Sz: 20.18 - 21.18 Uhr. Wh: 24.1.1938. D: E r w i n A . Ludwig. Vor der Haltestelle. Kurzgespräch. A: Adolf Weber. S: 7.1.1938. Da: 5 M i n . Sz: 20.00 - 20.05 Uhr. Wh: 21.1.1938. Adrian, der Tulpendieb. Ein Roman w i r d lebendig. Ein Fernsehspiel m i t Szenen aus dem gleichnamigen Schelmenroman v o n Otto Rombach. A : Leopold Hainisch. R: Leopold Hainisch. Bü: Heinz Monnier. M.Ltg: Rio Gebhardt. S: 13.1.1938. Da: 62 M i n . Sz: 20.28 - 21.30 Uhr. Wh: 22.1.1938; 9.3.1938. Mit dem Hut in der Hand. Zwei Kapitel Höflichkeit. A: Hermann Krause. R: A r n o l t Bronnen. Bü: Heinz Monnier. S: 17.1.1938. Da: 11 M i n (am 2.4.1938). Da: 16 Min. Sz: 21.21 - 21.32 Uhr. W h : 22.2.1938; 2.4. 1938. Der Floh von Oseirara. Großes Kurz-Fernseh-Opern-Schauspiel. A: Leopold Hainisch. M: (Angabe am 2.2.1938: Eusebius Zirbelsand). R: Leopolod Hainisch. M: (Angabe am 2.2.1938: B a r s c h Aal). S: 18.1.1938. Da: 32 Min. Sz: 20.32 - 20.55 Uhr. Fips, der Affe. Unsterbliche Geschichte. A: Wilhelm Busch. S: 19.1.1938. Da: 30 Min. Sz: 20.23 - 20.53 Uhr. Wh: 14.2.1938. Kabarett in Dur und Moll. A: Arnolt Bronnen. R: Arnolt Bronnen. Bü (Bildgestaltung): Heinz Monnier. M.Ltg: Rio Gebhardt. S: 20.1.1938. Da: 47 Min. Sz: 20.13 - 21.00 Uhr. Wh: 3.2.1938. D: Es schreibt in Dur: Werner Illing; es dichtet in Moll: Gerte Illing.

130 GrünkSppchen und der Detektiv. Zwei Grotesken ohne jeden Zusammenhang. A: Cami. R: Arnolt Bronnen. Bii: Heinz Monnier. M.Ltg: Rio Gebhardt. S: 27.1.1938. Da: 30 Min. Sz: 20.30 - 21.00 Uhr. Wh: 1.2.1938; 8.2.1938; 16.3.1938. Alt Berliner Miniaturen. S: 16.2.1938. Da: 47 Min. Sz20.13 - 21.00 Uhr. Szenen: Die erste Vitrine / Ein alter Mann erinnert sich / Goethe im Tiergarten (1778) / Abschied von der Königin Luise (1810) / Adolf Menzel soll Regel schieben. Frischer Wind aus Kanada. Heitere Begenheit. A: Hans Müller-Nürnberg. R: (Angabe am 19.2.1938) Leopold Hainisch; (1.2.1939) Bruno Reisner. B: W. Leuchter. Gesangstext: Hans Fritz Beckmann. M: Herbert Walter. M.Ltg: Rio Gebhardt. S: 19.2.1938. Da: 60 Min. Sz: 20.00 - 21.00 Uhr. Wh: 7.3.1938; 1.2.1939. Kopf hoch, Herr Krull. Fernsehkomödie. A: Velten Rolves. R: Leo Peukert. Bü: Heinz Monnier. S: 24.2.1938. Da: 47 Min. Sz: 20.13 21.00 Uhr. Wh: 12.3.1938. Vom Büttel zur Rotation. Bilder und Szenen aus der Geschichte der Zeitung. A: Hans Bornemann, Gerd Eckert, Kurt Heynicke, Sigurd Raabe, Helmut Schwatlo. R: Leopold Hainisch. Bü: Heinz Monnier. Musik. Bearbeitung: Siegfried Scheffler; M.Ltg: Rio Gebhardt. S: 10.3.1938. Da: 90 Min. Sz: 20.00 21.30 Uhr. Szenen: Marktplatz um 1420 / Schänke zur Reformationszeit um 1520 / Im 'Grauen Kloster' / Ende des 16. Jahrhunderts / Berlin 1728 / Kladderadatsch / August Scherl / Zeitung von heute. Das heiße Eisen. Fastnachtsspiel. A: Hans Sachs. S: 15.3.1938. Da: 15 Min (am 7.4.1938) Sz: 20.13 - 20.28 Uhr. Wh: 7.4.1938; 4.7.1938. Kurzdrama im Fahrstuhl. Fernseh-Groteske. A: Cami. S: 16.3.1938. Da: 17 Min. Sz: 20.13 - 20.30 Uhr. Wh: 7.4.1938. Der Kapland-Diamant. Aus dem Tagebuch des Sergeanten Bickershoff. Fernsehspiel. A: Ludwig Metzger. S: 17.3.1938. Da: 62 Min. Sz: 20.13 - 21.15 Uhr. Vorsicht, frisch gestrichen. Erlebnisse auf der Frühingsbank. A: Josef Maria Lutz, Georg Mühlen-Schulte. R: Bruno Reisner. Bü: Heinz

131 Monnier. Μ: Quartett Lamy, Orchester Emanuel Rambour. M.Ltg: Rio Gebhartd. S: 21.3.1938. Da: 62 Min. Sz: 20.13 - 21.15 Uhr. Wh: 21.4.1938. (Scherz von Josef Maria Lutz 'Die vier Temperamente setzen sich auf eine frisch gestrichene Bank' und heitere Verwicklung 'Die beiden Nachtigallen' von Georg Mühlen-Schulte.) Berliner Miniaturen. Szenen und Vorträge. Ein Hans Brennert-Abend. A: Hans Brennert. R: Arnolt Bronnen. Bü: Heinz Monnier. Μ: K. Stieglitz. M.Ltg: K. Stieglitz, Orchester Emanuel Rambour. S: 26.3.1938. Da: 55 Min. Sz: 20.13 - 21.08 Uhr. Wh: 27.3.1938; 9.5.1938. Das verlorene Lächeln. A: Jürgen von Alten. R: Jürgen von Alten. Bü: Heinz Monnier. M: Walter Sieber. M.Ltg: Rio Gebhardt. 3 Harmonists und Orchester Emanuel Rambour. S: 26.3.1938. Da: 62 Min (am 17.11.1938) 50 Min. Sz: 20.13 - 21.15 Uhr. Wh: 5.4.1938; 1.6.1938; 9.6.1938; 17.11.1938. Wer bist Du? Kleine Fernsehspiel-Komödie. A: Hans Bornemann. R: H. Wauer. Bü: Heinz Monnier. M: G. Haentschel, Wolf Ackva (nach "Berlin sieht und hört" von Billy Golwyn, Wolf Ackva). S: 29.3.1938. Da: 62 Min. Sz: 20.13 - 21.15 Uhr. Wh: 14.4.1938; 27.4.1938. Haydns letzter Besucher. A: Dr. Erich Fortner. R: Bruno Reisner. Bü: Heinz Monnier. S: 11.4.1938. Da: 32 Min (am 2.5.1939). 45 Min. Sz: 20.13 - 20.45 Uhr. Wh: 27.4.1938; 21.6.1938; 2.5.1939. Alt Wiener Bilder. Des Herrn Willibald Alexis romantische Reise nach Wien und was er dort vor 100 Jahren sah und erlebte. Fernsehfolge. A: Erich Fortner. S: 15.4.1938. Da: 62 Min (am 18.11.1938) 70 Min. Sz: 20.13 - 21.15 Uhr. Wh: 19.4.1938; 14.5.1938; 18.11.1938. Die Schattenlinie. A: Horst Lange, frei nach Motiven von Josef Conrad. R: Leopold Hainisch. Bü: Kurt Balkle. M.Ltg: Rio Gebhardt. S: 21.4.1938. Da: 62 Min. Sz: 20.13 - 21.15 Uhr. Wh: 2.5.1938; 17.5.1938. Meister, die vom Himmel fallen. A: Werner Oehlschläger. R: Bruno Reisner. M: Werner Oehlschläger. M.Ltg: Rio Gebhardt. S: 23.4.1938. Da: 65 Min. Sz: 20.25 - 21.30 Uhr. Wh: 5.5.1938; 28.6.1938.

132 Die lustigen Minnesänger. Musikalische Fernsehgroteske. A: Fritz Dahl. R: Bruno Reisner. BQ: Kurt Balkle. M: Lothar Schulz. M.Ltg: Rio Gebhardt. S: 30.4.1938. Da:67 Min. Sz: 20.13 - 21.20 Uhr. Wh: 13.6.1938; 27.6.1938. Kurz und schmerzlos. Einakter, Szenen und andere Belanglosigkeiten. A: Christian Morgenstern, Ivo Veit. R: Bruno Reisner. Bü: Heinz Monnier. S: 3.5.1938. Da: 62 Min. Sz: 20.13 21.15 Uhr. Wh: 16.5.1938; 2.6.1938. Szenen: 1. Das herrschaftliche Haus (Morgenstern) / 2. Guter Rat wird teuer (Veit) / 3. Der erste Patient (Veit) / 4. Egon und Emilie (Morgenstern) Der Weg ohne Ende. Spiel um die Neuberin. A: Christine Großmann. R: Leopold Hainisch. Bü: Heinz Monnier. (am 25.5.1938) A. Schweighardt. M: R. Keller. M.Ltg: Rio Gebhardt. S: 7.5.1938. Da: 65 Min. Sz: 20.25 - 21.30 Uhr. Wh: 19.5.1938; 25.5.1938. Die Hasenpfote. Spiel. A: Hans Brennert. R: Hans Sternberg. Bü: Heinz Monnier. S: 18.5.1938. Da: 32 Min. Sz: 20.13 - 20.45 Uhr. Wh: 29.5.1938; 16.6.1938; 5.7.1938. (nicht identisch mit dem gleichnamigen Kinospielfilm, der in einer Zusammenfassung auch im Programm gezeigt wurde.) Frauen aus dem Busch. A: Gerte Illing. R: Bruno Reisner. Bü: Heinz Monnier. M: K. Knauer. M.Ltg: Rio Gebhardt. S: 21.5.1938. Da: 62 Min. Sz: 20.13 - 21.15 Uhr. Wh: 22.6.1938. Alle Tage Gloria. Szenen um ein Kind. A: Felix Riemkasten. R: Leo Peukert. Bü: Heinz Monnier. M: Siegfried Scheffler. M.Ltg: Rio Gebhardt. S: 24.5.1938. Da: 62 Min. Sz: 20.13 - 21.15 Uhr. Wh: 15.6.1938; 29.6.1938. Der alte Wrangel. Komödie. A: Otto Bües. R: Bruno Reisner. Bü: Heinz Monnier. S: 28.5.1938. Da: 62 Min. Sz: 20.13 - 21.15 Uhr. Wh: 31.5.1938; 8.6.1938. Fahrendes Volk. Fernsehspiel. A: Udo Vietz. R: Horst Wauer. M: (am Flügel) R. Ehricke; H. Moenke. S: 18.6.1938. Da: 62 Min. Sz: 20.13 - 21.15 Uhr. Wh: 25.6.1938. D 309 hat Aufenthalt. Fernsehspiel. A: Hans Richter. R: Horst Wauer. Bü: Heinz Monnier. M: Billy Golwyn; Werner Oehlschläger. M.Ltg:

133 Rio Gebhardt, (am 25.7.1938: Billy Golwyn). S: 30.6.1938. Da: 62 Min. Sz: 20.13 - 21.15 Uhr. Wh: 9.7.1938; 11.7.1938; 25.7.1938. Wie die Alten sungen. A: Erwin Albrecht. R: Bruno Reisner. Bü: Heinz Monnier. Choreographie: G. Heß. S: 4.7.1938. Da: 24 Min. Sz: 20.13 - 20.37 Uhr. Wh: 12.7.1938; 26.7.1938. Das Flaschenteufeichen. A. Adolf Weber nach Robert L. Stevenson. R. Jürgen v. Alten, (am 13.8.1938: Arnolt Bronnen). M: H. Priegnitz. M.Ltg: G. Ad. Schlemm. S: 14.7.1938. Da: 62 Min. (am 13.8.1938:) 44 Min. Sz: 20.13 - 21.15 Uhr. Wh: 20.7.1938; 13.8.1938; 29.7.1939; 30.7.1939; 4.8.1939 (2x); 15.8.1939. Heimat an der Havel. Zwei Szenen um Theodor Fontane und andere Wanderer durch die Mark. A: Hans Brennert. R: Arnolt Bronnen. Bü: Heinz Monnier. S: 19.7.1938. Da: 47 Min; (am 10.8. und 16.8.1939:) 36 Min. (am 11.7.1939:) 50 Min. Sz: 20.13 21.00 Uhr. Wh: 10.8.1938; 16.8.1938; 11.7.1939. Der Jogi vom Wegscheidhof. Gastspiel des Original-Österreichischen Bauerntheaters Löwinger. A: Paul Löwinger/H. Weg. Gesangstexte: H. Löwinger. R: H. Löwinger. Bü: Heinz Monnier. S: 1.8.1938. Da: 88 Min. Sz: 20.13 - 21.41 Uhr. Gruß aus den Bergen. Gastspiel der Original-Österreichischen Bauerntheaters Löwinger. S: 2.8.1938. Da: 88 Min. Sz: 20.13 - 21.41 Uhr. Die Simandlbruderschaft / Du sollst nicht stehlen / Sepp auf Brautschau / Der hungrige Melchior. Gastspiel der Original-Österreichischen Bauerntheaters Löwinger. (Posse / Einakter / Bauernpossen / Ländliche Posse) A: H. Bernauer /J. Ralph /L. Sperlich /J. Ralph. R: H. Löwinger. Bü: Heinz Monnier. S: 3.8.1938. Da 73 Min. Sz: 20.13 - 21.26 Uhr Endstation Berlin. Ein bunter Fernsehfahrplan mit vielen Sonderzügen. Fernsehspiel. A: Günther Neumann, Werner Oehlschläger, H. Witt. R: Bruno Reisner. M.Ltg: Rio Gebhardt. Orchester A. Berger. Bauten und Kostüme: H.-J. Maeder. S: 5.8.1938. Da: 62 Min. (3.7.1939:) 50 Min. Sz: 20.13 21.15 Uhr. Wh: 10.8.1948; 20.8.1938; 8.11.1938; 10.12.1938; 3.7.1939. D: R. Herell (Gesang); J. Larsen (Saxophon); W. Liebe (Posaune); S. v. Menden-Strawinsky (Viol); Ballett S. Reß.

134 Versprich mir nichts. A: Charlotte Rißmann. B: Arnolt Bronnen. R: Arnolt Bronnen. Bü: Heinz Monnier. M: W. Görgel. S: 12.11.1938. Da: 75 Min. Sz: 20.30 - 21.45 Uhr. W h : 22.11.1938. (nach einem Theaterstück von Charlotte Rißmann.) Die vier Gesellen. Nach dem gleichnamigen Bühnenstück. A: Jochen Huth. B: Arnolt Bronnen. R: Bruno Reisner (6.7.1940ff.:) Dr. Herbert Engler. Bü: Hans-Joachim Maeder. K: Herbert Rutschbach. T.Ltg: Kurt Müller-Lübeck. S: 19.11.1938. Da: 75 Min. (30.8.1939:) 60 Min. (2.12.1939:) 90 Min. Sz: 20.30 - 21.45 Uhr. Wh: 12.12.1938; 27.12.1938; 30.8.1939; 2.12.1939; 12.12.1939; 21.12.1939; 27.12.1939; 13.1.1940; 29.1.1940; 3.2.19490; 17.2.1940; 27.2.1940; 9.3.1940; 23.3.1940; 11.4.1940; 2.5.1940; 6.6.1940; 7.7.1940; 10.7.1940; 17.7.1940; 22.7.1940; 25.7.1940. Flitterwochen. Lustspiel. A: Paul Helwig. R: Wolf Braumüller. S: 26.11.1938. Da: 75 Min. (am 11.1.1939:) 60 Min. Sz: 20.30 - 21.45 Uhr. Wh: 5.12.1938; 11.1.1939. Ich bin kein Casanova. Komödie. A: Otto Bielen. R: Kurt Richards. Bü: Heinz Monnier. S: 14.12.1938. Da: 75 Min. Sz: 20.30 - 21.45 Uhr. Wh: 19.12.1938; 2.1.1939. Spuk mit Hindernissen. Fernsehspiel, Groteske. A: Werner Oehlschläger, Adolf Weber. Gesangtexte und M: Werner Oehlschläger. R: Bruno Reisner, (am 28.2.1939: Werner Oehlschläger). Bü: Heinz Monnier. S: 16.12.1938. Da: 60 Min. (am 28.2.1939:) 80 Min. Sz: 20.30 - 21.30 Uhr. Wh: 4.1.1939; 28.2.1939. 1939 Ingeborg. Komödie. A: Kurt Goetz. R: Wolf Braumüller. Bü: Heinz Monnier. S: 21.1.1939. Da: 75 Min. Sz: 20.45 - 22.00 Uhr. Wh: 4.2.1939. (Bühnenstück) Der Mann mit den grauen Schläfen. Lustspiel. A: Leo Lenz. R: Kurt Richards. S: 9.2.1939. Da: 75 Min. Sz: 20.45 - 22.00 Uhr. Wh: 17.2.1939. D: Olga Limberg; Trude Marlen; Fritz Eckert; Ilse Contence u.a. Das Interview / Der Nachwuchsschauspieler und andere Szenen. Szenen. A: Christian Morgenstern, Werner Oehlschläger. R: Gerd Randolf Schmalnauer. S: 20.2.1939. Da: 30 Min. Sz: 20.45 - 21-15 Uhr.

135 Ein gewisser Herr Noah. Komödie. A: Alfred Prügel. R: Wolf Braumüller. S: 23.2.1939. Da: 75 Min. Sz: 20.45 - 22.00 Uhr. Wh: 27.2.1939 Der Revisor. Komödie. A: Nikolai W. Gogol. R: Bruno Reisner. Bü: Heinz Maurenbrecher. S: 3.3.1939. Da: 80 Min. Sz: 20.40 - 22.00 Uhr. Wh: 9.3.1939 Ein ganzer Kerl. Lustspiel. A: Fritz Peter Bruch. R: Kurt Richards. Bü: Heinz Monnier. S: 7.3.1939. Da: 80 Min. Sz: 20.40 22.00 Uhr. Wh: 15.3.1939; 6.4.1939. D: Maria Pierenkämper; G.H. Schell; Herbert Wilk; Friedel Haerlin; W. Predatch; Robert Aßmann; Josefine Dora; Reinhold Bernt. Seine Frau, die Sekretärin. Komödie. A: Waldemar Reichardt. R: Kurt Richards. S: 17.3.1939. Da: 50 Min. Sz: 20.40 - 21.30 Uhr. Wh: 20.3.1939. Temperamente nach Wahl. A: Axel vom Ambesser. M: Siegfried Scheffler. R: Bruno Reisner. Bü: Heinz Maurenbrecher. S: 4.4.1939. Da: 40 Min. Sz: 20.40 - 21.20 Uhr. Wh: 14.4.1939. Schwarzbrot auf Kipferl. Lustspiel in drei Akten. A: Werner von der Schulenburg. R: Kurt Richards. Bü: Heinz Monnier. S: 19.4.1939. Da: 80 Min. Sz: 20.40 - 22.00 Uhr. Wh: 4.5.1939. Ladies und Gentlemen. Komödie. A: Michael Gesell. R: Werner Oehlschläger. S: 27.4.1939. Da: 80 Min. Sz: 20.40 - 22.00 Uhr. Wh: 8.5.1939. Küssen Sie sich auf der Bühne wirklich? Drei Szenen um einen Kuß. R: Bruno Reisner. Bü: Heinz Monnier. M.Ltg: Rio Gebhardt. S: 6.5.1939. Da: 55 Min. Sz: 20.45 - 21.55 Uhr. Wh: 15.5.1939. D: U.v. Angern; E. Petrick; H. Kohlung; H. Heyner; E. Lissa; Rudolf Assmann; Lilli Kraus; H. Förster-Ludwig; R. Bourö; H. van Delft. Verbindende Worte: E. Petermann. Staberl aus Wien. Ein Fernsehspiel mit Liedern aus der Altwiener Theaterzeit. A: Erich Fortner. R: Kurt Richards. S: 16.5.1939. Da: 80 Min.; (am 14.8.1939) 60 Min. Sz: 20.40 - 22.00 Uhr. Wh: 14.8.1940.

136 Die Primanerin. Lustspiel. Α: Siegmund Graff. R: Kurt Richards. Bü: Heinz Monnier. S: 25.5.1939. Da: 70 Min. Sz: 20.50 22.00 Uhr. Der rote Unterrock. Lustspiel in fünf Akten. Α: Hermann Boßdorf. R: Hannes Küpper. Bü: Heinz Monnier. S: 2.6.1939. Da: 60 Min. Sz: 21.00 - 22.00 Uhr. Wh: 15.6.1939 Keine Angst vor Geld. Familienkomödie. A: Christian Bock. R: Bruno Reisner. Bü: Heinz Monnier. S: 7.6.1939. Da: 55 Min. Sz: 21.05 22.00 Uhr. Wh: 15.6.1939. Lauter Lügen. Komödie. A: Hans Schweikart. R: Bruno Reisner. S: 20.6.1939. Da: 50 Min. Sz: 21.10 - 22.00 Uhr. Wh: 12.7.1939. Erste Klasse. Bauernschwank. A: Ludwig Thoma. R: Arnolt Bronnen. S: 29.6.1939. Da: 50 Min. Sz: 21.10 - 22.00 Uhr. Wh: 4.7.1939; 25.8.1939. Hundstage. R: Werner Oehlschläger. S: 12.8.1939. Da: 60 Min. Sz: 21.00 - 22.00 Uhr. Wh: 16.8.1939; 20.8.1939. Das Kälberbrüten. Volksspiel. S: 17.8.1939. Da: 15 Min. Sz: 17.00 - 17.15 Uhr. Bitte kurz fassenl Szenen aus dem täglichen Leben. R: Werner Oehlschläger. S: 27.8.1939. Da: 60 Min. Sz: 21.00 - 22.00 Uhr. (Als Serie) A: Jo Rosier, Christian Bock, Rolf Sievers, Hermann Krause. R: Werner Oehlschläger. 28.11.1939. Weitere Folgen: 10.12.1939; 18.12.1939; 23.12.1939. Der Heiratsantrag. Scherz. A: Anton Tschechow. S: 28.8.1939. Da: 40 Min. Sz: 21.20 - 22.00 Uhr. Robinson soll nicht sterben. Fernsehbild um Daniel Defoe. Nach dem gleichnamigen Bühnenstück. A: Friedrich Forster. S: 19.11.1939. Da: 90 Min. (am 7.12.1939:) 75 Min. (ab 23.1.1940:) 70 Min. Sz: 15.00 - 16.30 Uhr. Wh: 27.11.1939; 6.12.1939; 7.12.1939; 17.12.1939; 27.12.1939; 1.1.1940 (2x); 10.1.1940; 23.1.1940; 10.2.1940.

137 Postlagernd - Postamt II. Kleines Spiel. A: F. Albrecht. S: 3.12.1939. Da: 30 M i n . Sz: 19.30 - 20.00 Uhr. Wh: 11.12.1939. Haben Sie das gewußt, Frau Mießner? Eine Folge aktueller Heiterkeitserreger. S: 24.11.1939. Da: 50 Min. Sz: 19.10 - 20.00 Uhr. Wh: 16.12.1939 Der Mann aus dem Express. Fernsehspiel. A: F.A: Angermayer. S: 30.11.1939. Da: 45 Min. Sz: 19.15 - 20.00 Uhr. Wh: 20.12.1939; 3.1.1940; 27.1.1940; 4.2.1940. Vertrag um Karakat. Nach dem Schauspiel von Fritz Peter Buch. B: Hannes Küpper. R: Hannes Küpper. M: Rio Gebhardt. S: 1.12.1939. Da: 60 Min. Sz: 19.00 - 20.00 Uhr; (ab 24.1.1940:) 90 Min. Wh: 4.12.1939; 15.12.1939; 30.12.1939; 6.1.1940; 21.1.1940; 24.1.1940; 31.1.1940; 15.2.1940; 18.2.1940; 8.3.1940; 27.3.1940; 13.4.1940; 23.4.1940; 26.6.1940; 27.6.1940. D: Harry Frank (Gesandter Dr. Eggerth), H o r s t Preusker (Ingenieur Keßler), Julius Eckhoff (Ris Khan), Charlotte Radspieler (Ellen v o n Dorp), Annemarie Sauerwein (Manja von Larski), Tatjana Sais, Herbert Klatt, Hans Joachim Schölermann, Oskar Baihaus, R o b e r t Thiera. Urlaub vom Alltag. Spiel von Alltag, Ferien, Schnee u n d Wind. S: 9.12.1939. Da: 90 Min. Sz: 18.30 - 20.00 Uhr. Arm Reiterlein. Märchen von deutscher Weihnacht. S: 10.12.1939. Da: 23 Min. Sz: 15.12 - 15.35 Uhr. Frau Holle. Märchenschattenspiel. S: 10.12.1939. Da: 25 Min. Sz: 15.35 - 16.00 Uhr. Wh: 7.1.1940. Verstaubtes Herz im Pulverschnee Ein Spiel von Alltag, Urlaub, Schnee u n d Wind. A: Hans Christoph Kaergel. S: 12.12.1939. Da: 90 Min. Sz: 18.30 - 20.00 Uhr. Wh: 19.12.1939; 29.12.1939; 4.1.1940; 9.1.1940; 26.1.1940; 1.2.1940; 5.2.1940; 13.2.1940; 21.2.1940; 25.2.1940; 5.3.1940; 2.4.1940; 3.4.1940; 17.4.1940. D: Gisela Breiderhoff; Harry Frank; Edgar Kanisch. Ich hab's dir ja gleich gesagtl Aktuelles aus dem Alltag. (Serie) A: Rolf Sievers. S: 14.12.1939. Da: 35 Min. Sz: 19.25 - 20.00 Uhr.

138 1940 Kampf gegen den Bazillus. Fernsehsendung. A: Gerhard Wahnrau. S: 8.1.1940. Da: 55 Min. Sz: 19.05 - 20.00 Uhr. Wh: 23.2.1940. Hinnerk, der Hahn. Fernseh-Schattenspiel. A: Heinz Ohlendorf nach dem Roman von Wilhelm Scharrelmann. S: 28.1.1940. Da: 30 Min. Sz: 15.30 - 16.00 Uhr. Wh: 3.11.1940; 10.11.1940. Station D im Eismeer. A: Hannes Braun. R: Hannes Küppers. M: Rio Gebhardt. S: 2.2.1940. Da: 30 Min; (ab 7.2.1940) 70 Min. Wh: 7.2.1940; 14.2.1940; 22.2.1940; 28.2.1940; 4.3.1940; 19.3.1940; 10.4.1940; 15.4.1940; 27.4.1940; 8.5.1940. D: Harry Frank (Gregor); Fritz Staudte (Wladimir, der Alte); Alois Giani (Knut). Dat Wettloopen twischen Hasen und Swinegel. Fernseh-Schattenspiel. S: 11.2.1940. Da: 20 Min. Sz: 15.40 - 116.00 Uhr. Wh: 14.4.1940. Zum ersten, zum zweiten, zum dritten. Ein lustiges Spiel um einen verlorenen Schirm. A: Lore Weth nach der Idee v. Harald Mannl. S: 29.2.1940. Da: 45 Min. Sz: 19.15 - 20.00 Uhr. Wh: 6.3.1940; 11.3.1940; 26.3.1940; 4.4.1949; 28.4.1940; 11.5.1940; 14.5.1940; 20.5.1940. Fieber im Urwald. Fernsehspiel. A: Hans Heise. R: Hanns Farenburg. S: 17.3.1940. Da: 70 Min. (ab 1.5.1940) 60 Min. Sz: 18.50 - 20.00 Uhr. Wh: 20.3.1940; 28.3.1940; 6.4.1940; 7.4.1940; 16.4.1940; 25.4.1940; 1.5.1940; 22.5.1940; 25.5.1940; 26.5.1940; 30.5.1940; 6.6.1940; 26.6.1940; 4.7.1940. Besuch aus Übersee. Heiteres Spiel. A: Kurt Heynicke. R: Dr. Herbert Engler. M: Günter Engler. Bü: Arthur Bemeleit: K: Alfons Sensburg. T.Ltg: Martin Kippenhan S: 4.5.1940. Da: 90 Min. Sz: 18.30 - 20.00 Uhr. Wh: 5.5.1940; 16.5.1940; 5.6.1940; 9.6.1940; 15.6.1940; 16.6.1940; 27.6.1940; 30.6.1940; 3.7.1940; 12.7.1940; 20.7.1940; 21.7.1940. Oberfall auf Zelle 7. Kriminalfall. (Ein Kriminalfall, den Sie aufklären sollen.) A: Peter A. Horn. R: Hannes Farenburg. Bü: Arthur Bemeleit. T.Ltg.: Kurt Müller-Lübeck. K: Phil Jutzi. S: 18.5.1940. Da: 70 Min. (ab 19.5.1940) 75 Min; (am 30.6.1940) 60 Min. Sz: 18.50 - 20.00 Uhr. Wh: 19.5.1940; 28.5.1940; 3.6.1940; 13.6.1940; 21.6.1940; 24.6.1940; 29.6.1940; 30.6.1940; 8.7.1940; 16.7.1940;

139 23.7.1940; 21.9.1940; 24.9.1940;

10.10.1940.

Der Liebling des Kalifen. Heitere Fernseh-Oper nach 'Abu Hassan' von Carl Maria von Weber. A: Hermann Roeramer. Gesangstexte: F.C. Hiemer; R: Günter Stenzel. Bü: Karl Joksch; K: Hermann Wallbrück. M.Ltg.: Rio Gebhardt. T.Ltg.: Martin Kippenhan. S: 21.4.1940. (2x) Da: 75 Min. Sz: 15.00 16.15 Uhr; 18.00 - 19.16 Uhr. Wh: 22.4.1940; 30.4.1940; 6.5.1940; 15.5.1940; 23.5.1940; 29.5.1940; 7.6.1940; 12.6.1940; 20.6.1940. D: (Fatima) früh: Elisabeth Schwarzkopf; abends: Genia Hajduk; (Omar) früh: Erich Rauch; abends: Eduard Kandl. Der Schwarzkünstler. Lustspiel. A: Emil Gött. R: Hannes Küpper. Bü: Arthur Bemeleit. M: Rio Gebhardt. K: Herbert Kutschbach. T.Ltg: M. Kippenhan. S: 1.6.1940. Da: 57 Min. Sz: 19.03 - 20.00 Uhr. Wh: 2.6.1940; 10.6.1940; 25.6.1940; 2.7.1940; 13.7.1940; 14.7.1940; 24.7.1940; 27.7.1940; 15.9.1940; 26.9.1940; 7.10.1940; 12.10.1940; 21.10.1940. D: K. Hartwig (Gautier de Grommelard, ein Landedelmann); Carlotte Radspieler (Alison, seine Frau); H. Preusker (Robert, ein fahrender Schüler); S.O. Schöning (Kapitän Gaspard Robinet); Friedrich Staudte (Jules de Godelureaux, ein Junker); Elvira Erdmann (Jeanne, Zofe); A. Grimmer (Mathieu, Diener); Elsa Dalands ( Die alte Crache); E: Nootbaar (Museumsdiener). Herzen auf Urlaub. Musikalisches Lustspiel. A: Peter Arnolds. R: Karl-Heinz Uhlendahl. M: Dolf Brandmayer. M.Ltg.: Rio Gebhardt. Bü: Karl Joksch. T.Ltg.: Kurt Müller-Lübeck. K: Sester. S: 22.6.1940. Da: 70 Min. Wh: 23.6.1940; 24.1.1941; 25.1.1941; 28.1.1941; 29.1.1941; 1.2.1941; 3.2.1941; 6.2.1941; 7.2.1941; 10.2.1941; 11.2.1941. D: Edith Schmidt-Geisler; Franz Heigl. Kabinett Fulero. Spiel nach dem Schauspiel 'Die Krone'. A: Doris Riemer/Op gen Orth. R: Dr. Herbert Engler. Bü: Arthur Bemeleit. M: Rio Gebhardt. S: 31.10.1940. Da: 60 Min (oder 70 Min. oder 75 Min.) Sz: 17.30 - 18.30 Uhr. Wh: 1.11.1940; 4.11.1940; 5.11.1940; 7.11.1940; 12.11.1940; 14.11.1940; 16.11.1940; 18.11.1940; 20.11.1940; 21.11.1940; 5.12.1940; 21.12.1940. D: Angelika Feldmann; Hermann Wagner; Fritz Staudte; Gina Balluschek. Eine Melodie erlebt Abenteuer. Schattenspiel. A: Heribert Grüger. M: Heribert Grüger. S: 17.11.1940. Da: 30 Min. Sz: 17.00 - 17.30 Uhr. Wh: 24.11.1940; 1.12.1940.

140 Der Strom. Nach dem Schauspiel von Max Halbe. B: Peter A. Horn. R: Hanns Farenburg. Bü: Arthur Bemeleit. K: Phil Jutzi. T.Ltg: M. Kippenhan. S: 28.11.1940. Da: 60 Min. Sz: 17.00 - 18.00 Uhr. Wh: 29.11.1940; 2.12.1940; 3.12.1940; 4.12.1940; 7.12.1940; 10.12.1940; 12.12.1940; 13.12.1940; 15.12.1940; 20.12.1940; 31.1.1941. D: C. Günther (Peter Doorn); W. Kersten (Heinrich Doorn); Rudolf Günter Wagner (Jacob Doorn); Ingeborg Senkpiel (Renate, Peters Frau); F. Staudte (Reinhold Ulrichs). Ali und die Lausejuags. Fernsehspiel. A: Lore Weth n.d. Roman von Friedrich Schnack "Klick aus dem Spielzeugladen". S:19.12.1940. Da: 60 Min. Sz: 17.00 - 18.00 Uhr. Wh: 22.12.1940; 23.12.1940; 25.12.1940; 28.12.1940; 30.12.1940; I.1.1940; 2.1.1941; 4.1.1941; 5.1.1941; 8.1.1941; II.1.1941; 14.1.1941; 17.1.1941; 19.1.1941; 20.1.1941; 26.2.1941; 1.3.1941; 2.3.1941.

1941 Emil von Behring. Fernsehfolge um den Bekämpfer der Diphterie. A: H. Tölle. R: M. Mario. S: 7.1.1941. Da: 60 Min. Sz: 17.00 18.00 Uhr. Wh: 15.1.1941; 27.1.1941; 5.2.1941. Vom Schneemann, der auf Reisen ging. Fröhliches Fernsehspiel. A: Hedwig Zöllner. S: 11.1.1941. Da: 30 Min. Sz: 17.30 - 18.00 Uhr. Wh: 16.1.1941. Till Eulenspiegel. Schelmenspiel. A: G. Goroll. S: 26.1.1941. Da: 15 Min. Sz: 17.00 - 17.15 Uhr. "Berlin lustige Blätter". Nante. R: Oskar Felix. S: 15.2.1941. Da: 45 Min. Sz: 17.00 17.45 Uhr. Das kluge Schneiderlein. Fernseh-Schattenspiel. A: Heinz Ohlendorf. S: 16.2.1941. Da: 30 Min. Sz: 17.00 - 17.30 Uhr. Wh: 3.5.1941; 11.5.1941. Das Spiel vom klugen und tapferen Schneiderlein. Handpuppenspiel. A: H. Schultze. M: B. Scholz. S: 23.2.1941. Da: 30 Min. Sz: 17.00 - 17.30 Uhr. Wh: 23.3.1941; 6.4.1941. Erinnerungen an Alt-Berlin: Nante. A: Lore Weth nach Adolf Glasbrenner. R: Hanns Farenburg.

141 Bü: Η.-J. Maeder. Κ: W. Lemcke. (am 18.3.1941) Phil Jutzi. S: 15.3.1941. Da: 45 Min. Sz: 17.00 - 17.45 Uhr. Wh: 18.3.1941; 27.3.1941; 15.4.1941; 23.4.1941; 10.5.1941. D: Ewald Wenck (Nante); Thea Kärner (Babette); Heinz Klinck (Aktuarius); Walter Halden, Ph. Manning (Gerichtsdiener). Dies und Das und eine kleine Melodie. (II. Folge) Besinnliches Fernsehspiel. A: Oskar Felix. Μ: B. Grams. S: 29.3.1941. Da: 60 Min. Sz: 17.00 - 18.00 Uhr. Wenn der junge Wein blüht. Nach dem Lustspiel v o n Björnson. B: Doris Riehmer. M: Rio Gebhardt. S: 8.4.1941. Da: 60 Min. Sz: 17.00 - 18.00 Uhr. Wh: 10.4.1941; 14.4.1941; 21.4.1941; 28.4.1941; 6.5.1941; 20.5.1941; 24.5.1941; 27.5.1941; 31.5.1941. D: A. Braun (Arvik Björnson); Cordy Millowitsch (Frau Arvik); H. Kassing (Hall); W. Witte (Tönning); Charlotte Dahler (Marna); G e r d a Holmer (Alberta); Charlotte Radspieler (Helene); Eva M a r i a Werner (Alvilde); G e r t r u d Eysoldt (Maria); E. N o o t b a a r (1. Engel); k. Harbacher (2. Engel); B. Seidler (3. Engel). Berliner Bilderbogen. Szenen aus dem Berlin des Mittelalters. A: Hugo Landgraf. R: Oskar Felix. Bü: (Szenenbilder) J.-J. Maeder. T.Ltg: M. Kippenhan. S: 19.4.1941. Da: 50 Min. Sz: 17.00 - 17.50 Uhr. Wh: 22.4.1941; 5.5.1941; 12.5.1941; 21.5.1941; 29.5.1941. D: Rudolf A ß m a n n (1. Ratsbüttel); H. Helmes (2. Ratsbüttel); Rudolf G ü n t e r Wagner (Merten Pütte); Friedrich Staudte (Markgraf Jobst); H.A.E. Böhme (Dietrich v. Quitzow); G. Ballier (Johann v. Quitzow); Ph. Manning (Achim v. Bredow); W. Gembs (Caspar v. Puplitz); E. Dernburg (Kurfürst Friedrich) u.a. Das Lied der Liebe. Besinnliches Fernsehspiel. A: Oskar Felix. Bü: Wl. Novikow. M.Ltg: Rio Gebhardt. Orchester des deutschen Opernhauses, Kapelle E. Steinbacher. K: W. Lemcke. Direktionskameramann: A. Sensburg. S: 29.4.1941. Da: 60 Min. Sz: 17.00 - 18.00 Uhr. Wh: 7.5.1941. D: Friedel Haerlin; Genia Hajduk; Trude Hell; Liesl Koch; Charlotte Kolle; E l i s a b e t h Schwarzkopf; Lotte Spira-Andersen; M a r i n a Bried; Rudolf Aßmann; G. Ballier; G. Haselbach; E. Kösling; Ph. Manning; W. Müller; A. Straube; H. Waschatko; u.v.a. Es tanzt das Kinderballett M a r y Zimmermann. Des Teufels goldene Haare. Puppenspiel. A: Reinhold Harten. R: Wilhelm

Schweimer.

142 Μ: Bernd Scholz. S: 4.5.1941. Da: 35 Min. Sz: 18.00 18.35 Uhr. Wh: 17.5.1941.

Friedrich P. Kahlenberg (Koblenz) "Von deutschem Heldentum"ι Eine Film-Kompilation für das Fernsehen aus dem Jahre 19361

Am 17. März 1936 sah der Vorstand der Universum-Film AG den "Ufa-Fernseh-Querschnitt-Film" Von deutschem Heldentum. Der Film wurde ohne weiteren Änderungsvorschlag oder Einwand abgenommen, doch empfahl der Vorstand, ihn nach der Ausstrahlung im Fernsehen nach Möglichkeit auch als "Wahlpropaganda-Film" unterzubringen.2 Nach den heute im Bundesarchiv verwahrten Unterlagen der ehemaligen Ufa-Film AG handelte es sich bei diesem Film um die erste Produktion der Ufa, die primär für die Fernsehauswertung bestimmt war. Die Ufa hatte frühzeitig die Entwicklung der Fernsehtechnik zu beobachten begonnen; seit August 1930 stellte sie der Reichspost ältere Filme, deren Auswertung ausgelaufen war, für Versuchszwecke zur Verfügung.3 Nachdem die kostenlose Lieferung von Kopien älterer UfaFilme für die "Bildsendungsversuche" im Frühjahr des Jahres 1934 noch einmal ausdrücklich gebilligt worden war,4 drängte der Ufa-Vorstand nach der Funkausstellung des Jahres 1934 und den dort erstmals öffentlich präsentierten Fernseh-Vorführungen auf vertragliche Vereinbarungen mit der Reichs-Rundfunk-Gesellschaft (RRG).5 Die Ufa suchte sich in dieser Phase Vorzugsbedingungen für die Aufstel-

Aus: Mitteilungen, Studienkreis Rundfunk und Geschichte 1 (1979), S. 21-27. Bundesarchiv, Bestand R109 I, Ufa-Film GmbH (UFI), Bd. 1031 b, f. 314; Niederschrift Nr. 1148/1. R 109 1/1027 b, f. 192, Niederschrift 695/5 vom 1. VIII.1930. R 109 1/1029 b, f. 208. Ebd., f. 40.

144

lung von Fernseh-Empfangsgeräten in den eigenen Filmtheatern zu sichern. Doch der zum Jahresende 1934 unternommene Versuch, ein erstes Empfangsgerät zu erwerben, scheiterte zunächst.6 Nach Verhandlungen zwischen der Ufa und der RRG im Februar 1935, über deren Fortgang sich die Reichsfilmkammer berichten ließ, vereinbarte die Ufa im März 1935 die Lieferung von 26 Wochenschau-Programmen der eigenen Produktion für das Fernsehen gegen Berechnung der Kopierkosten. Der Text des Vertrags läßt sich zur Zeit in den Akten der Ufa und der RRG7 leider noch nicht nachweisen, doch genehmigte der Ufa-Vorstand am 19. März 1935 einen entsprechenden Vertragsentwurf vom 5. März.8 Mit einer Großveranstaltung im Sitzungssaal des Berliner Funkhauses hatte die Reichs-Rundfunk-Gesellschaft am 22. März 1935 den regelmäßigen Programmbetrieb aufgenommen. In der Zeit von 20.30 bis 22.00 Uhr wurden an drei Tagen der Woche Sendungen ausgestrahlt.9 Das breite publizistische Echo auf das neue Medium veranlaßte den Vorstand der Ufa, in einer Sitzung am 2. April 1935 den augenblicklichen Stand der Fernsehtechnik zu erörtern.10 Am Ende der Beratungen, die von einem Bericht des für die technischen Betriebe der Ufa zu diesem Zeitpunkt verantwortlichen Vorstandsmitglieds Paul Lehmann eingeleitet worden waren, stand der Beschluß, Verhandlungen mit dem Ziel zu führen, "daß uns (der Ufa) die serienweise Herstellung der für die Fernsehsendung notwendigen kurzen Programmfilme übertragen wird". Für diese Verwertung boten sich nicht zuletzt Kurzspielfilme an, die seit Anfang der dreißiger Jahre als Beiprogrammfilme von 15 bis 20 Minuten Dauer ohnehin produziert und für die im Grunde

6 7 8 9 10

R 109 1/1029 c, f.49 f. und 19. Bundesarchiv, Bestand R 78. R 109 1/1030 a, f. 84, Niederschrift 1067-6. R 78-2344. R 109 1-1030 a, f. 34.

145 ständig bessere Auswertungsmöglichkeiten Die bislang ausgewerteten Akten

gesucht wurden.

enthalten

jedoch

Hinweis auf mögliche Ergebnisse der im April strebten Verhandlungen.

keinen

1935

ange-

Indessen nahm die U f a eine erste

Beschwerde eines Verlags wegen ungeklärter Stoffrechte bei der

Sendung

Anlaß

eines

eines

Films

förmlichen

im Fernsehen Beschlusses,

im

bei

Juni

1935

künftigen

trägen über den Erwerb von Filmstoffen neben d e n

zum Ver-

Schmal-

filmrechten stets auch Rundfunk- u n d Fernsehrechte m i t z u erwerben. 11

Den Anlaß

hatten Ansprüche des

Kiepenheuer-

Verlags wegen des im Jahre 1932 produzierten Kriminalfilms Schuß

im Morgengrauen

nach dem Bühnenstück

der Smaragd" von Harry Jenkins gegeben.

"Die Frau u n d

D i e s e n Film hatte

die Ufa im Frühjahr 1935 für die Fernsehausstrahlung

zur

Verfügung gestellt. Nachdem der Fernsehsender Witzleben m i t dem Brand auf der Funkausstellung im Herbst 1935 ausgefallen war, setzte der regelmäßige Fernsehprogrammbetrieb erst w i e d e r am 15. Januar

1936 ein.

Das

im Vorjahr von der U f a

verfolgte

Projekt, Fernsehempfangsmöglichkeiten im eigenen Theaterbetrieb zu schaffen, konnte nicht realisiert werden.

Von

dem im Frühjahr des Jahres

be-

1936 in Berlin insgesamt

triebenen elf Fernsehstuben w u r d e n acht v o n der post,

drei

unterhalten.

von 12

der Das

Gaurundfunkstelle Programm wurde

Berlin

der

jetzt täglich

strahlt, wechselte aber in seinen Filmbeiträgen nur

wöchentlich.

Die

Ufa

Reichs-

lieferte

weiterhin

NSDAP ausge-

zunächst ältere

Spielfilm-Aufnahmen u n d Wochenschau-Material zur ausstrahlung im Fernsehen, stellte daneben aber auch erstmals eine eigens für das Fernsehprogramm bestimmte Kompilation sammen



den

eingangs

erwähnten

Film

Von

zu-

deutschem

Heldentum.

R 109 1/1030 b, f. 168, Niederschrift 1087/21 vom 17. Juni 1935. R 78/2344 und 2345.

146

Im Filmarchiv des Bundesarchivs werden das OriginalBildnegativ des Films in zwei Rollen, vom Ton-Negativ leider nur eine Rolle verwahrt (35mm, E-Nr. 54014); die archivische Sicherung wurde inzwischen eingeleitet. Unter dem Titel Von deutschem Heldentum wurden Szenen aus vier Spielfilmproduktionen der Ufa aus den Jahren 1930 bis 1935 zusammengefaßt, im einzelnen aus Das Flötenkonzert von Sanssouci13, aus Yorcku, aus Morgenrot15 und aus Hitlerjunge Qu ex16. Nach dem Titel ohne weitere Vorspanndaten und begleitet von Fanfaren-Akkorden, leitet ein Sprecher mit den Sätzen ein: Wir zeigen Ihnen die Taten deutscher Männer, wie sie sich in Ufa-Filmen der vergangenen Jahre widerspiegeln. Deutsches Wesen formte deutsche Geschichte und gab damit dem deutschen Film sein eigenes Gesicht. Im Jahre 1756 in Sanssouci, wähend der große König scheinbar ruhig wie immer seinen Part auf der Flöte spielt, schiebt ihm ein Diener eine soeben eingetroffene geheime Schrift über die Noten. Während die Kamera aufblendet und von der Geheimschrift auf den Flöte spielenden König Friedrich II. von Preußen in jener Szene führt, die bis ins Detail dem Gemälde von Adolph von Menzel aus dem Jahre 1852 nachempfunden ist, fährt der Sprecher fort: "Der teuflische Pakt zwischen Frankreich, Österreich und Rußland gegen das friedliche Preußen ist geschlossen. Sofort rüstet ein genialer Feldherrnwille zur Abwehr." Der Originalton aus Das Flötenkonzert von Sanssouci begleitet die Szene der Befehlsausgabe an nacheinander eintretende Generäle während kurzer Unterbrechungen des vom König gespielten Soloparts. Zwei Mitglieder des zuhörenden Hofstaates unterstreichen die

13

14 15 16

Zensur 16. XII. 1930; zur Stabliste und Besetzung vgl. Alfred Bauer, Deutscher Spielfilmalmananch 19291950, München 1976, S. 10. Zensur 18. XII. 1931, Bauer S. 113 f. Zensur 26. I. 1933, Bauer S. 199. Zensur 7. IX. 1933, Bauer S. 191.

147 Bedeutung des Vorgangs: "Von diesem Konzert wird die Geschichte erzählen." Während der König den Musiksaal verläßt, um den versammelten Generälen gegenüberzutreten, kommentiert der Sprecher: "Die eisernen Würfel rollen." Im Abgang gibt der König den Befehl, Kriegserklärungen an Frankreich und Österreich auszufertigen. In seiner Ansprache an die Generäle verweist der von Otto Gebühr dargestellte Friedrich II. auf das Bündnis von Maria Theresia mit Frankreich und Rußland und fährt im Original-Ton des Films fort: "Das bedeutet Krieg. Ich werde gegen alle Regeln der Kriegskunst einen fünfmal stärkeren Feind angreifen. Ich muß es tun oder alles ist verloren. Bleiben wir mit verschränkten Armen stehen, werden wir zermalmt. Es ist kein Augenblick zu verlieren. Der Ruhm der preußischen Waffen und das Wohl meines Volkes heißen auch handeln und werden mich bis zu meinem Tode leiten." Der insgesamt 140 m lange Ausschnitt aus Das Flötenkonzert von Sanssouci endet mit der Einstellung des Vorbeimarsches der Garde an Friedrich II. beim Abmarsch in den Siebenjährigen Krieg. Während im Bild des Films Vom deutschem Heldentum die Karte von Mitteleuropa aus dem Jahre 1812 erscheint, leitet der Sprecher zum nächsten Ausschnitt mit den Worten über: "Nach 50 Jahren ist bittere Schmach über das Vaterland gekommen. Napoleon herrscht in Europa. Der Wille zur Freiheit stützt den Mann, der sich in erschütterendem Kampf zwischen Erkenntnis und Pflicht zu sich selbst zu einer weltgeschichtlichen Tat durchringt: Yorckl" Der Ausschnitt aus der Ufa-Produktion des Jahres 1931 setzt unter Übernahme des Originaltons mit jener Einstellung ein, wo der von Werner Krauss dargestellte Ludwig Yorck von Wartenburg im Jahre 1812 in Königsberg den preußischen Ständen gegenübertritt, um seinen Antrag auf Bildung der preußischen Landwehr zu begründen, und in seiner Ansprache u.a. betont: "Ein Volk kann nicht dauernd den Nacken

148

beugen. Ein Volk muß aufrecht stehen." In der folgenden Szene verlangt der französische Gesandte in Namen Kaiser Napoleons von König Friedrich Wilhelm II. von Preußen nach der Entlassung Yorcks aus seinen Ämtern die Abberufung sämtlicher Stabsoffiziere und die Verlegung des preußischen Oberkommandos in das französische Hauptquartier. Die Szene der Demütigung des Königs liefert die Motivation für die Begeisterung des Volkes am Vorabend der "Befreiungskriege" . Yorck wendet sich an die zum Abmarsch angetretenen Preußen: "Kameraden, die Stunde ist da. Die schwerste Prüfung beginnt, die je ein Volk auf sich genommen hat. Wir werden sie bestehen, wenn wir einig sind. Deshalb tut eure Pflicht, ihr tut sie für euer Leben und ihr tut sie für eure Kinder, damit euren Kindern einmal die Sonne über Deutschland leuchten möge. Kameraden, nur ein freies und glückliches Deutschland sieht mich wieder, ein unglückliches nicht. Und jetzt sage ich euch das Losungswort. Das Wort heißt — FreiheitI" Damit endet der 160m lange Ausschnitt aus dem Film Yorck. Zur nächsten Szene der Torpedierung eines englischen Flottenverbandes durch ein deutsches U-Boot im Jahre 1917 aus dem Film Morgenrot leitet der Sprecher mit dem Hinweis über: "Hundert Jahre später ziehen deutsche Männer hinaus, um ihr Vaterland gegen die halbe Welt zu verteidigen." Es ist die Zeit des uneingeschränkten U-Boot-Krieges, auf die im Bild des Films mit dem Eintauchen eines U-Bootes zum Angriff auf einen feindlichen Flottenverband verwiesen wird. "Deutsches Heldentum auf hoher See" kündigt der Sprecher des Jahres 1936 an. Doch bricht das nur unvollständig überlieferte Ton-Negativ der Kompilation Von deutschem Heldentum an dieser Stelle ab, so daß zu diesem nur 85 Meter langen Ausschnitt aus Morgenrot wie für den folgenden Ausschnitt aus dem Film Hitlerjunge Quex der Kommentar des Jahres 1936 fehlt. Der Ausschnitt aus Morgenrot bietet im übrigen die einzige militärische

149 Kampfszene der Kompilation. Er zeigt die Anfahrt des UBootes bis zum Erreichen der besten Schußposition auf einen englischen Kreuzer, den Abschuß zweier Torpedos, das Sinken des Kreuzers und die anschließende Verfolgung des U-Bootes durch drei Zerstörer. Zwar klingen die Explosionen der Wasserboraben im getauchten U-Boot gefährlich nahe, zwar fällt im Boot die Beleuchtung aus, aber alle Mitglieder der Besatzung harren in blindem Heroismus auf ihren Posten aus, bis die Gefahr überstanden ist. Der deutsche Soldat kennt offensichtlich keine Todesfurcht; an einer anderen Stelle des Filmes aus dem Jahre 1933 heißt es zynisch: "Leben können wir Deutsche vielleicht schlecht, aber sterben können wir jedenfalls fabelhaft." Der letzte Teil des Films Von deutschem Heldentum ist mit dem Schluß des Films Hitlerjunge Quex fast identisch, der entsprechende Ausschnitt 153 Meter lang. Er setzt mit Aufnahmen aus den Wahlkämpfen des Jahres 1931 ein, zeigt den freiwilligen Einsatz von "Quex" als Wahlhelfer der NSDAP im Beusselkiez von Berlin, dessen Verfolgung, Flucht und Ermordung auf einem einsamen Jahrmarktsplatz, schließlich die Schlußapotheose des nahen Sieges der Nationalsozialisten im Jahre 1933 mit endlosen Marschkolonnen von Hit-lerjugend und SA unter den Klängen des Propagandaliedes Wir marschieren für Hitler durch Nacht und durch Not, Mit der Fahne der Jugend für Freiheit und Brot, Unsere Fahne flattert uns voran. Unsere Fahne ist die neue Zeit, Und die Fahne führt uns in die Ewigkeit. Ja die Fahne ist mehr als der Tod! Es folgt der Ende-Titel der in einer Gesamtlänge von 543 Meter überlieferten Fassung des Ufa-Fernseh-Films aus dem Jahre 1936. Der Inhalt der Ufa-Produktion Von deutschem Heldentum faßt im Kern die Botschaften jener Filme der Jahre 1930 bis 1933 zusammen, die sämtlich im Selbstverständnis der

150 Ufa die Niederlage des Reichs im Ersten Weltkrieg vergessen helfen, Opfer- und Kampfbereitschaft der Bevölkerung für das Vaterland, für die Nation stärken. Zugleich intendierte die Produktionsleitung der Ufa nach ihrer Übernahme durch Alfred Hugenberg mit der Herstellung von historischen Kostümfilmen in den letzten Jahren der Weimarer Republik eine Stärkung des nationalen Geschichtsbewußtseins mit deutlich militaristischen Akzenten. Die Gestalt Friedrichs II. von Preußen wurde mit den Fridericus-Filmen für die aktuelle politische Auseinandersetzung funktionalisiert. Die scheinbar faktenorientierte Darstellung von Ereignissen der preußich-deutschen Geschichte sollte schließlich dazu beitragen, die europäischen Feindmächte des Reichs im Ersten Weltkrieg, vor allem Frankreich, als ständige Bedrohung Deutschlands zu markieren, den Ersten Weltkrieg nur als eine Etappe einer in der Geschichte schicksalhaft angelegten, vor allem aber fortdauernden Auseinandersetzung der Völker zu propagieren. Das den historischen Kostümfilmen wie Das Flötenkonzert von Sanssouci oder Yorck zugrundeliegende Geschichtsverständnis duldete bewußt keine Objektivität. Oskar Kaibus, im April 1933 als Geschäftsführer der UfaFilmverleih-GmbH. bestellt, schrieb im Jahre 1935 über Yorck u.a.: Es ist ein echter Gesinnungsfilm geworden in des Wortes höchster Bedeutung. Die Gesinnung, die daraus spricht, lautet: über alles das Vaterland! Man ging hier konsequent vor und hat offen Farbe bekannt, im Gegensatz zu anderen Pseudogesinnungsfilmen, die mit Rücksicht auf die verschiedenartige Zusammensetzung des Kinopublikums niemand verägern wollten und dann "klugerweise" die Gesinnung 50 : 50 mischten. — Wie Weltgeschichte gemacht wird, zeigt dieser Film, und man muß seinen Schöpfern danken, daß sie den Mut fanden, gerade heute dem deutschen Volk ein Werk vorzusetzen, das nicht in Schönreden, sondern voll Tat und Aufrichtigkeit zu ihm spricht und in zeitfernen Bildern vielleicht an die Probleme unserer

151 Tage erinnert·17 Das Losungswort "Freiheit", von Yorck am Vorabend der militärischen Erhebung von 1812 ausgegeben, konnte 1933 keinesfalls mißverstanden werden: es zielte allein auf die Befreiung vom äußeren Feind. In diesem Sinne aber sollte auch der Film Yorck als Mahnung zur Kampfbereitschaft dienen, ebenso wie die bis zur Todessehnsucht gesteigerte Opferbereitschaft der U-Boot-Besatzung in Morgenrot als positives Beispiel in der Gegenwart der dreißiger Jahre verstanden werden sollte. Denn ohne Wiederholung der militärischen Auseinandersetzung um eine deutsche Vormachtstellung in Europa würde der Friedensvertrag von Versailles nicht zu revidieren sein. Um dieses Fernziel nationalistischer und eben nicht nur nationalsozialistischer Politik im Bewußtsein der Bevölkerung zu unterstützen, wurde mit den in die Geschichte zurückgreifenden Filmproduktionen zur "nationalen Wiedergeburt" aufgerufen. Welche Richtung dabei letztlich den erfolgreichen Durchbruch gegen die ungeliebte Weimarer Republik, ihre Verfassungsorgane und die demokratischen Parteien erzielte, unterstreicht der letzte Filmausschnitt der Kompilation, die Schlußszene aus Hitlerjunge Quex. Diese Interpretation des ersten Ufa-Fernsehfilms findet in der eingangs erwähnten Empfehlung des Ufa-Vorstandes vom 17. März 1933, den Film auch als Wahlpropaganda-Film anzusehen, eine indirekte Bestätigung. Am 7. März 1936 hatte die Reichsregierung die entmilitarisierte Zone des Rheinlandes besetzt, den Locarno-Vertrag gekündigt und die Wiederherstellung der vollen militärischen Souveräntität proklamiert, ein wichtiger Schritt auf dem Wege zum 1. September 1939. Gleichzeitig war der Reichstag aufgelöst, dessen Neuwahl zum 29. März 1936 ange-

Vom Werden deutscher Filmkunst, 2. Teil: Der Tonfilm, S 77.

152 kündigt worden war, die Hitler als Gelegenheit seine

Politik

von

98,8

Prozent

der

Wähler

benutzte,

ausdrücklich

billigen zu lassen. Die bislang bekannten Quellen lassen im übrigen keinen

Schluß zu, ob Von deutschem

kampf von März konnte

bislang

Heldentum

1936 auch eingesetzt das

Sendedatum

noch im Wahl-

wurde.

des

Films

Ebensowenig im

Fernsehen

ermittelt werden; in der Programmzeitschrift Der Rundfunk

Deutsche

wird der Film in den Monaten März bis Mai

nicht genannt. 18 vor dem 9. Mai

Das Sendedatum sollte jedoch 1936 gelegen haben.

1936

jedenfalls

An diesem Tage

ließ

die Ufa eine Schmalfilmfassung für den Verleih zensieren. 19 Eine zweite Fassung des Films, die als Kurzfilm in dem am 1. Juli werden

1936 beginnenden sollte,

20

nahm

neuen

Geschäftsjahr

der Vorstand

am

22. Mai

eingesetzt 1936

ab.21

Die Kurzfilmfassung wurde mit einer Länge von 595 Meter am 9. Juli 1936 zensiert. 22

Freundliche Mitteilung von Dr. Ansgar Diller, Deutsches Rundfunkarchiv. Zensur-Nummer Β 42.397, 227 Meter, zugelassen auch zur Vorführung vor Jugendlichen und zur Vorführung an Karfreitag, Büß- und Heldengedenktag. Niederschrift 1157/9 v. 24. April 1936, R 1091/1031 b, f. 268. Niederschrift 1162/2, ebd. f. 227. Β 42.834; Freigabe wie bei der Schmalfilmfassung.

Monika Eisner (Siegen)

/ Thomas Müller

/ Peter

M.

Spangenberg

Der lange Heg eines schnellen Mediums: Zur Frühgeschichte des deutschen Fernsehens

I. Medien und Mentalitätsgeschichte Lautsprecher und Bildschirm des Fernsehers sind für uns das dominierende Mittel der Unterhaltung, Zerstreuung, aber auch des Informationserwerbs und der Weltaneignung schlechthin geworden, mit denen wir die uns zur Verfügung stehenden Erfahrungsgegenstände ins potentiell Unendliche erweitert haben. Jedoch nicht nur die Menge des Erlebbaren und die Reichweite, sondern auch die Qualität der Erfahrung haben sich so radikal durch das Fernsehen gewandelt, daß ein Großteil der primären Erfahrung des 'Horizontes Welt' in modernen Kommunikationsgemeinschaften durch dieses Medium bestritten wird. Ohne daß es uns immer bewußt ist, haben wir uns daran gewöhnt, die Fernsehkamera als einen Bestandteil der eigenen Wahrnehmungsfähigkeit, als ein 'besseres'— weil leistungsfähigeres — 'Auge', dem alles zugänglich ist, anzusehen. Daher fällt es bereits schwer sich vorzustellen, daß es eine Zeit gab, die zwar schon Fernsehtechnik kannte, in der jedoch der Erfolg dieses neuen Mediums durchaus noch fragwürdig schien. Die Frühgeschichte des Fernsehens in Deutschland und die Reaktionen des ersten Publikums im Berlin der dreißiger Jahre zu untersuchen, ist eine der Aufgaben eines Projektes innerhalb des Sonderforschungsbereichs 'Ästhetik, Pragmatik und Geschichte der Bildschirmmedien' an der Universität-Gesamthochschule Siegen.1

Dieser Aufsatz entstand im Kontext unserer gemeinschaftlichen Arbeit im Teilprojekt A5: "Vor- und Frühgeschichte des Mediums Fernsehens." (Projektleiter: Prof. Dr. Hans Ulrich Gumbrecht) im Rahmen

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Der mit großem Stolz und unter Zeitdruck im nationalsozialistischen Deutschland eingerichtete 'regelmäßige Programmdienst' des Fernsehens stieß bei den Berlinern nur auf mäßiges Interesse. Die öffentlichen Fernsehstuben wurden zwar besucht, aber ein derart einschneidendes Ereignis wie die Ende 1923 erfolgte Einrichtung des öffentlichen Rundfunks2 war der Beginn des Fernsehprogrammdienstes im Bewußtsein seiner wenigen Zuschauer nicht. Das Fernsehen etablierte sich gewissermaßen schleichend im Wahrnehmungshorizont der Menschen und erst die Übertragung eines großen Massenereignisses, der Olympiade 1936, machte das neue Medium einem erweiterten Publikum bekannt. Fernsehen war also für die Zeitgenossen seit seinem Beginn mit einem Programmereignis verknüpft. Die Rekonstruktion der historischen Kommunikationsbedingungen des Mediums Fernsehen basiert auf einer Reihe von Fragestellungen, die in dem Interesse am Wandel von Formen der Kommunikation konvergieren. Damit kommt ein Bedürfnis zum Ausdruck, sowohl die etablierten Forschungsbereiche und Frageraster der Literaturwissenschaft — die meisten Mitglieder des Sonderforschungsbereichs stammen aus dieser Disziplin — als auch der Medienwissenschaft zu erweitern. Allzuoft nämlich erschöpft sich Medienforschung und die hier interessierende Historiographie der technischen Kommunikationsmedien in Faktenreihungen, die einem positivistischen Ideal von Geschichtsobjektivität verpflichtet sind. Demgegenüber soll versucht werden, Ele-

des von der Deutschen Forschungs-Gemeinschaft (DFG) getragenen Sonderforschungsbereichs 240: Ästhetik, Pragmatik und Geschichte der Bildschirmmedien. Schwerpunkt: Das Fernsehen in der Bundesrepublik Deutschland, der im Januar 1986 an der UniversitätGesamthochschule Siegen eingerichtet wurde. Der Aufsatz wurde im April 1988 fertiggestellt. Vgl. Rundfunk in Deutschland, Hrsg. v. Hans Bausch, Bd. 1: Winfried B. Lerg, Rundfunkpolitik in der Weimarer Republik, München 1980.

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mente der Technik-, Programm- und Mediengeschichte zu einer mentalitäts- und diskursgeschichtlichen Gesamtperspektive zu vereinigen. Das theoretische Konzept unseres Forschungsprojekts verfolgt also etwas anderes als die bloße Ausweitung der literaturwissenschaftlichen Objektbereiche. Ziel ist vielmehr eine Neuorientierung des Erkenntnisinteresses auf die Materialität von Kommunikationsformen und der von ihnen verwendeten Zeichensysteme.3 Verabschiedet man somit die vorherrschende, Semantik- und sinndominierte Geschichte einzelner — meist literarischer — Gattungen, so verschieben sich die Analyseschwerpunkte. Ausgehend von den medialen Vorbedingungen von Kommunikationsformen tauchen neue Fragen auf, wie etwa die nach den historischen Produktionsbedingungen und Rezeptionsmodi von sonst meist metahistorisch angesehenen Kommunikationsformen wie etwa Literatur.4 Schränkt man den Begriff der Medien nicht, wie es leider häufig geschieht, auf technische Kommunikationsmedien des 20. Jahrhunderts ein, dann eröffnet sich eine Perspektive auf einen sehr langsamen Wandel von Kommunikationsformen, der über lange Zeit gekennzeichnet ist durch die Koexistenz von Handschriftenkultur und Druck-

Zu diesem Problemkontext siehe den aus einem interdisziplinären Kolloquium in Dubrovnik hervorgegangenen Band Materialität der Kommunikation, hg. v. Hans Ulrich Gumbrecht und K. Ludwig Pfeiffer, Frankfurt a.M. 1988; darin spezifisch zum Medium Fernsehen die Aufsätze: Monika Eisner / Thomas Müller, "Der angewachsene Fernseher", S. 392-415, und Peter M. Spangenberg, "TV, Hören und Sehen", S. 776-798. Vgl. Hans Ulrich Gumbrecht, "Beginn von Literatur / Abschied vom Körper", in: Der Ursprung von Literatur. Medien, Rollen, Kommunikationssituationen zwischen 1450 und 1650, hg. v. Gisela Smolka-Koerdt, PeterMichael Spangenberg und Dagmar Tillmann-Bartylla, München 1988.

156 niedien.5 Diese longue-dur§e-Strukturen erfahren erst ab Mitte des 19. Jahrhunderts eine — allerdings rapide — Beschleunigung ihres Wandels. Die entstehenden Kommunikationstechnologien und Rezeptionsformen verändern das gesamte gesellschaftliche Kommunikationssystem so radikal, daß eine Analyse von Teilbereichen nurmehr vor dem Hintergrund dieser Gesamtentwicklung möglich ist.6 Da schnelle Printmedien, Rundfunk und Kino zentrale kommunikative Funktionen erfüllen, muß sogar die Frage nach dem Ende von Literatur gestellt, oder zumindest untersucht werden, ob in diesem neuen medialen Kontext die Institution Literatur mehr als ihren Namen beibehielt. Durch den Paradigmenwechsel von einer Geschichte des Wandels von — literarischen — Formen und Gattungen hin zur Mediengeschichte als Geschichte der Materialität kommunikativer Formen stellt sich zudem die von der soziologischen Systemtheorie bejahte Frage, ob sich moderne Gesellschaften nicht dominant als Kommunikationssysteme beschreiben lassen.7 Indem die Medienforschung neben Wissensstrukturen und Distributionsprozessen die materiellen Voraussetzungen von Kommunikation — Sinn und Sinnlichkeit von Kommunikation — solcher Gesellschaften zum Thema macht, leistet sie einen durchaus nicht periferen Beitrag zur Mentalitätsgeschichte des 20. Jahrhunderts. Anhand der Frühgeschichte des Fernsehens in Deutschland wollen wir exemplarisch zeigen, daß sich eine so konzipierte Mediengeschichte nicht auf einzelne Technologien — Radio, Film, Grammophon, Buchdruck, Schreibmaschine —

Vgl. Walter J. Ong, Orality and Literacy. Technologizing of the Word, London 1982 (dt.: Oralität und Literalität. Die Technologisierung des Wortes, Opladen 1987). Vgl. Friedrich A. Kittler, Aufschreibesysteme 1800/ 1900. München 1985, S. 271-278. Vgl. Niklas Luhmann, Soziale Systeme. Grundriß einer allgemeinen Theorie, Frankfurt a.M. 1984.

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oder die isolierte Betrachtung der Institutions- oder Programmgeschichte des Rundfunks oder Fernsehens beschränken kann. So ist zur Erklärung der Tatsache, daß das Fernsehen keinen schlagartigen Erfolg in Deutschland hatte, sicherlich ein Blick auf die Entwicklung der technischen Möglichkeiten notwendig. Die Ergebnisse der ideologiekritischen Programmgeschichte müssen zur Erklärung mit herangezogen werden, und auch die — wie wir meinen — mythischen Elemente der Technikgeschichtsschreibung sind aufschlußreich für das Image, das die nationalsozialistischen Fernsehverantwortlichen aufbauen wollten. Doch ebenso wichtig sind die Erwartungen und Bedürfnisse des Publikums, das Mediensystem, in dem sich das Fernsehen behaupten mußte und die Kommunikationsangebote im Berlin der dreißiger Jahre. Die Identitätsprobleme des frühen Fernsehens verweisen auf die historischen Schwierigkeiten, dieser Technik einen Ort, eine Aufgabe im etablierten Medien- und Kommunikationssystem zuzuweisen. Sofern nicht ein generelles Mißtrauen gegenüber dem Fernsehen vorherrscht, sucht man nach einer Identität des Produktes Fernsehsendung in Abgrenzung gegenüber der Rundfunksendung und dem Film. Bei der Definition des 'Fernsehspezifischen' des Fernsehens — in Analogie zum 'Funkischen' des Rundfunks8 — kommen in Deutschland seine kommunikativen Möglichkeiten nur selten, und zumeist in frühen Technikutopien, in den Blick. Nicht das Produkt, sondern eine neue Pragmatik der kommunikativen Leistungen macht heute — so unsere These — die Identität des Fernsehens aus, gerade weil damit eine neue Aufteilung der kommunikativen Funk-

Vgl. Fritz Walter Bischoff, "Die Ästhetik des Rundfunks", in: Funk. Die Zeitschrift des Funkwesens, H. 2, 1926, zit. nach: Radio-Kultur in der Weimarer Republik, hg. v. Irmela Schneider, Tübingen 1984, S. 72 ff.

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tionen des Mediensystems einhergeht. Schon weil unsere Erkenntnisinteressen an dieser Art einer Geschichte kommunikativer Formen inkompatibel mit einer ästhetischwertenden Sichtweise sind — was ja keineswegs Parteilichkeit ausschließt — wollen wir dabei die alteuropäische Klage über den 'Niedergang' oder die wachsende Funktionslosigkeit von Literatur vermeiden und vielmehr eine bestimmte historische Situation rekonstruieren, in der diese Klagen auch schon zur intellektuellen Routine gehörten. Ein aktueller Diskussionskontext unserer Rekonstruktion sind die Thesen über die Veränderung der Wahrnehmung durch technische Medien. Das Fernsehen als das dominante Kommunikationsmedium der letzten Jahrzehnte muß sich fragen lassen, inwieweit es gesellschaftliche Wahrnehmungsstrukturen beeinflußt hat. Die Illusionswelten einer inszenierten Unmittelbarkeit, die Ästhetik der Überraschung der Sinne und die Beschleunigung der Wahrnehmung konnotieren wir heute ohne Zögern mit dem Medium Fernsehen, auch wenn die Genese dieser neuen Art des Sehens von den Medienhistorikern anhand des Mediums Kino beschrieben wird.9 Die Verfügbarkeit und die Produktion von Welten mittels Kommunikation ist also nicht auf die Produkte eines Mediums einzugrenzen. Aus historischer Sicht ergibt sich dann die Frage, ob auch das frühe Fernsehen im faschistischen Deutschland an dieser Veränderung von Raum- und Zeiterfahrung durch das 'neue Sehen' beteiligt war.

II.

Frühe Fern-Seh-Utopien: Die Ausweitung des visuellen Wahrnehmungshori ζ ontes Der alte Menschheitstraum, sehen zu können, was in der Ferne geschieht, in die Ferne sehen zu können ("seeing at

Vgl. Paul Virilio, Guerre et cinäma. La logistigue de la perception, Paris 1984, S. 41-69. (dt.: Krieg und Kino. Logistik der Wahrnehmung, München/Wien 1986).

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a distance"), erhielt in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts einen enormen Auftrieb. In einer Zeit schnellen technischen und sozialen Wandels glaubte die menschliche Phantasie an die baldige Erfüllung alter Utopien, während gleichzeitig eine Fülle naturwissenschaftlicher Experimente und technischer Erfindungen sich mit dem Problem der Fernübertragung von Bildern befaßten. Die Ende des 19. Jahrhunderts entworfenen technischen Projekte boten hauptsächlich Lösungen an zur Fernübertragung statischer Bilder, waren also zunächst Bildtelegraphen, die "elektrisches Teleskop", "T61ectroskop" oder "Telephotograph"10 genannt wurden; das Bedürfnis nach Fernübertragung sich bewegender Bilder scheint mit der Erfindung des Kinematographen und der Popularität des Films gewachsen zu sein. Die Zeit zwischen ca. 1875 und 1925 kann man als eine Phase der Spekulation über das "Fernsehen" bezeichnen, in der die dominante Faszination von Technikern und interessiertem Laienpublikum darin bestand, die Fähigkeiten der menschlichen Sinnesorgane künstlich erweitern, den visuellen Wahrnehmungshorizont ausweiten zu können. Die Etymologie des deutschen Wortes "Fernsehen" verweist auf die Semantik der alten Utopie: in die Ferne sehen, sehen können, was in der Ferne geschieht, sowohl die technischen Experten als auch die für ein populäres Publikum schreibenden Journalisten verwendeten das Wort "Fernsehen" zunächst in diesem Sinne. Der Diskurs des technischen Wissens und der Diskurs der populären utopischen Phantasie produzierten eine Symbiose, indem die Semantik der alten Utopie und zahlreiche technische Projekte der Bildübertragung spekulativ miteinander kombiniert wurden. Das "elektrische Fernsehen" ("Seeing by electricity", "Distant electric vision") wurde als (ein weiteres) technisches

Vgl. Heide Riedel, Fernsehen - Von der Vision zum Programm, Berlin 1985, S. 15-25.

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Wunder betrachtet, dessen Realisierung in greifbare zeitliche Nähe gerückt zu sein schien. Die Erfindung des Telephons hatte es möglich gemacht, den Klang der menschlichen Stimme und anderer Geräusche über so weite Entfernungen hinweg zu übertragen, wie es für ein natürliches Hören völlig undenkbar gewesen wäre. Der britische Fernsehpionier John Logie Baird behauptete 1926 in einer Werbeanzeige für seine Fernsehapparatur ("televisor"), schon 1876 hätten einige Phantasten angekündigt, daß nach dem Hören durch das Telephon ("hearing by telephone") das Sehen durch das Telephon ("seeing by telephone") selbstverständlich folgen würde.11 Der französische Schriftsteller Albert Robida beschrieb in seinem 1892 erschienenen Roman "Le vingtiöme sifecle" die Utopie einer neuen Erfindung, die die Technik des Telephons um die Komponente bereicherte, das natürliche Sehen mit dem menschlichen Auge ins Unermeßliche zu erweitern: Unter den besonderen Erfindungen, deren sich das 20. Jahrhundert rühmt, kann das Telephonoskop als eine der überraschendsten genannt werden. Mit dem Telephonoskop sieht man und hört man. Der Dialog und die Musik werden übertragen wie gewöhnliches Telephon, aber zur gleichen Zeit erscheint die Szene selbst mit ihrer Beleuchtung, ihren Dekorationen, ihren Darstellern auf der Kristallscheibe mit der Deutlichkeit der direkten Sicht. Man wohnt wirklich der Darbietung mit den Augen und Ohren bei. Die Illusion ist komplett, absolutl (...) Man konnte also, oh Wunderl, in Paris Augenzeuge eines Ereignisses werden, das sich tausend Meilen von Europa entfernt abspielte.12 Der russische Ingenieur Boris Rosing entwarf 1911 in der französischen Zeitung "Excelsior" ein ähnliches Zukunfts-

Vgl. Asa Briggs, "The Pleasure Telephone: A Chapter in the Prehistory of the Media", in: The Social Impact of the Telephone, hg. v. Ithiel de Sola Pool, Cambridge, Mass./London 1977, S. 40-65, hier: S. 47. Albert Robida, Le vingtidme siäcle, Paris 1892; zit. nach: Riedel, S. 13.

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bild über die Ausweitung der Sehfähigkeit des menschlichen Auges durch die Technik: Das Anwendungsgebiet des Telephons geht nicht über die menschliche Unterhaltung hinaus. Mittels der Teleskopie wird der Mensch nicht nur mit anderen Menschen verkehren können, sondern auch mit der Natur selbst. Ausgerüstet mit dem "elektrischen Auge" werden wir bis dahin eindringen können, wohin bisher nie ein Mensch gelangte. Wir werden sehen, was bisher nie ein Mensch sah... Im gewöhnlichen Leben wird es die Verbindung unter allen Gliedern der menschlichen Gesellschaft erleichtern.13 In Albert Robidas Roman Le vingtiäme siäcle wurde eine weitere Utopie des Fernsehens präsentiert; eine Illustration zeigt die Vision eines auf dem Sofa sitzenden Bourgeois, der auf einem wandgroßen, runden Projektionsschirm Ballettänzerinnen aus nächster Nähe genüßlich betrachtet. Der Ton zur Darbietung kommt offenbar aus einer Art Grammophon, das vor ihm auf dem Tisch steht. Also bereits in den frühen technischen Utopien Ende des 19. Jahrhunderts wurde "Fern-Sehen" imaginiert in Verbindung mit schon bekannten technischen Erfindungen wie z.B. dem Telephon oder dem Grammophon. Solche Vorstellungen von Medienkombinationen sollten in den zwanziger und dreißiger Jahren des 20. Jahrhunderts zu neuer Popularität gelangen. III. Technikfaszination und neue Horizonte Kommunikation: Radio und Grammophon

der

Schallplattenspieler, Cassettenrecorder und Radiogerät gehören heute mit derartiger Selbstverständlichkeit zur Wohnungseinrichtung, daß es schwer fällt, den mentalen Schock nachzuempfinden, den die Speicherung der Stimme, von Musik und Geräuschen aller Art bei den Zeitgenossen

Boris Rosing in: Excelsior, Paris 1911; zit. nach: Walter Bruch, Kleine Geschichte des deutschen Fernsehens, Berlin 1967, S. 10.

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auslöste.14 Die dominante Rolle der Schrift als semantisches Speichermedium war gebrochen,15 und der Phonograph erlaubte einen stets als besonders flüchtig und vergänglich gehaltenen Teil der Körperlichkeit aufzubewahren. Mit der Einführung des Rundfunks, mit der Möglichkeit "direkt" an einem fernen akustischen Geschehen teilzuhaben, wiederholte sich der überwältigende Eindruck, den Phonograph und Grammophon bewirkt hatten, noch einmal — wenn auch auf einer anderen Komplexitätsebene. War das mechanische Grundprinzip des Grammophons noch recht leicht verständlich, so bedurfte es nun eines speziellen Fachwissens, um die Funktionsweise des Radios zu durchdringen. Der Detektor- und später der Röhrenempfänger war das erste komplexe elektrische Gerät in der Privatsphäre der Menschen, wenn nicht sogar das erste elektrische Gerät überhaupt, mit dem sie näheren Kontakt hatten. Elektrizität galt im Haus bis dahin dominant als Energiequelle für die Glühlampen und 'Lichtnetz' ist noch in den dreißiger Jahren die gebräuchliche Bezeichnung für die Stromleitungen im Haus. Die technische Funktionsweise der ersten Detektorund später Röhrenempfänger konnte man sich noch relativ einfach aneignen. Doch solange diese Geräte noch den Status eines technischen Apparates besaßen und noch nicht alltäglicher Gebrauchsgegenstand waren, eröffnete erst technisches Fachwissen einen völlig neuen Horizont der Kommunikation. Die Begeisterung über die Horizonterweiterung war so groß, daß es viele Bastler gar nicht interessierte, was sie hörten. Die Faszination für eine Technik, die eine Vielzahl von Möglichkeiten der Kommuni-

Vgl. Kittler, Aufschreibesysteme, S. 235-270. Vgl. H. Marshall McLuhan, Understanding Media, New York 1964 (dt.: Die magischen Kanäle, Düsseldorf/Wien 1968); Friedrich Kittler, Grammophon - Film - Typewriter, Berlin 1986.

163 kation erschloß, kennzeichnete auch die Arbeiter-RadioBewegung in der Weimarer Republik und war Motivation für den Versuch, diese politischen Möglichkeiten in einem selbstbestimmten Kommunikationsmedium zu realisieren.16 Die Erfahrungen mit dem technischen Gerät Radio strukturierten die Erwartungen des Publikums vor. Auch für die Entwicklung des Fernsehens erwartete man ähnlich rasante Fortschritte und die Partizipation der Bastler bei der Geräteentwicklung und -Verbesserung. Teilweise schon sehr früh fehlte es nicht an Versuchen, Fernsehtechnologie dem Bastler zugänglich zu machen. Bereits 1927 erschien in Deutschland ein populärtechnisches Buch für den "Funkamateur" mit dem Titel: "Bildfunk. Anleitung zum Selbstbau eines Bildempfängers"17 . Nachdem das Fernsehen auf den Berliner Funkausstellungen 1928 und 1929 einem größeren Publikum vorgestellt worden war, hatte sich sehr schnell eine allgemeine Euphorie über die baldige Einführung des "Fernseh-Rundfunks" ausgebreitet. 1930 erschien ein technikdidaktisches Buch von Wilhelm Schräge mit dem bezeichnenden Titel "Fernsehen, ein praktischer Wegweiser. Wie es vor sich geht und wie der Radiohörer daran teilnehmen kann". In der beigefügten Verlagsmitteilung heißt es: Fernsehen 1 Auf das Fernsehen warten Millionen. (...) Fernsehen, Fernkino zu Hause, das will man sich neben Radio und Telephon sofort zulegen. Wäre es nur erst betriebssicher und billig genug. (...) Wahrscheinlich wird eine neue Bastlerbewegung einsetzen und wieder ihr gut Teil dazu beitragen, die technischen Fähigkeiten unseres Volkes zu entwickeln, technisches Wissen und Verständnis zu verbreiten.1

Vgl. Peter Dahl, Arbeitersender und Volksempfänger. Proletarische Radiobewegung und bürgerlicher Rundfunk bis 1945, Frankfurt a.M. 1978. Rudolf Hell, Bildfunk. Anleitung zum Selbstbau eines Bildempfängers, Berlin 1927. Wilhelm Schräge, Fernsehen, ein praktischer Wegweiser. Wie es vor sich geht und wie der Radiohörer daran teilnehmen kann, München 1930, zit. nach: Riedel, 1985, S. 57.

164 Die Komplexität des erforderlichen Fachwissens, die Gefährlichkeit des Umgangs mit Hochspannung und der hohe Preis der Komponenten von Fernsehapparaten waren entscheidende Hindernisse, die einer Fernseh-Bastelbewegung entgegenstanden. Trotzdem hielt sich die Idee bis in die späten dreißiger Jahre, ein Indiz dafür, wie stark die Erfahrung mit dem Rundfunk die mentalen Dispositionen für den "Fernseh-Rundfunk" vorgeprägt hatte. In den USA konnte man noch 1937 einen kompletten Bausatz für einen Fernsehempfänger mit einer runden 5-Zoll-Kathodenstrahlröhre erwerben.19 Der gleichgeschaltete "Reichsverband Deutscher Rundfunkteilnehmer" appellierte 1935 an seine Mitglieder: Schließt Euch überall zusammen und bildet Fernsehgemeinschaften t Sorgt durch Euren organisierten Willen dafür, daß diesen Empfangsgemeinschaften der praktische Apparatebau und der Senderbau auf der Stelle folgt! Arbeitet für die Einführung des Fernsehens und ihr arbeitet für den endgültigen Sieg der nationalsozialistischen Ideel Tragt das Bild des Führers in alle deutschen Herzen! Verkündet es allen jenseits der deutschen Grenzen! Kämpft dafür, daß Deutschland das erste Land auf der Welt wird, in dem alle Volksgenossen fernsehen können!20 Spätestens die Forderung, eigene Sendeanlagen zu bauen und zu betreiben, beweist, daß dieser linientreue Aufruf durch keinerlei technische Kenntnisse getrübt war. Im Gegensatz zu der stetigen und schnellen Entwicklung der "Nachbarmedien" Rundfunk und Kino, waren die Fortschritte des Fernsehens durch wesentlich mehr technische Sackgassen und wiederholte, langwierige Detailforschungen gekennzeichnet.

Vgl. Radio News, Special Television Number, May 1937. Aufruf des Reichsverbandes Deutscher Runkfunkteilnehmer, in: Mitteilungen der Reichs-Rundfunk-Gesellschaft, September 1935, zit. nach: Peter Dahl, Radio. Sozialgeschichte des Rundfunks für Sender und Empfänger, Reinbek bei Hamburg 1983, S. 199.

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Uber das Grundprinzip der Fernübertragung von Bildern, die schon von den Printmedien bekannte Aufrasterung eines Bildes in Punkte unterschiedlicher Helligkeit, war man sich relativ früh einig. Für die Produktion dieser Raster und ihre Reproduktion auf der Empfängerseite war jedoch zu entscheiden, ob sie mechanisch-elektrisch oder allein auf elektrischem Wege erfolgen sollte. Diese Wahl war deshalb so schwierig, weil über einen langen Zeitraum nicht deutlich wurde, welches Verfahren die besseren Leistungen erbringen würde, denn keiner der beiden Wege konnte Anfang der dreißiger Jahre wirklich überzeugende Resultate vorweisen. Somit wird auch verständlich, daß frühe Labormodelle eine Kombination beider Technologien verwendeten. Weitere grundsätzliche Schwierigkeiten bestanden etwa in der Notwendigkeit, für die Übertragung von synchronen Bild- und Tonsignalen einen Sender mit breitem Frequenzband zur Verfügung zu haben, oder wurden verursacht durch die noch nicht ausreichende Leistungsfähigkeit einzelner Komponenten, wie etwa die erforderliche optische Auflösung des Bildes — Zeilenzahl, Wiederholungsfrequenz und Bildpunktanzahl. Selbst nachdem sich die Braunsche Röhre als brauchbarer Bildschirm (im populären Diskurs 'Bildschreiber' genannt) erwiesen hatte, also nach einer technisch bahnbrechenden Innovation, waren wiederum zahlreiche Folgeprobleme im Detail zu lösen, um diesen Durchbruch tatsächlich in der praktischen Anwendung attraktiv zu machen. Erst das "Zeilensprungverfahren" etwa verhinderte das Flimmern der Bilder, und man mußte von der Verwendung einer gasgefüllten Braunschen Röhre zu einer Hochvakuumröhre übergehen, um das sekundenlange Nachglühen eines Bildes zu unterbinden, was nur eine Übertragung langsamer Bildwechsel und Bewegungen erlaubt hätte. Solche immer wieder neu zu lösenden komplexen Detailprobleme der Fernsehtechnik überforderten jedoch selbst den technisch ambitionierten Laien. Die populäre Technik-

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faszination, die das Radio in den ersten Phasen seiner Entwicklungsgeschichte begleitet hatte, blieb somit aus, und von einer Einflußnahme von "Bastlern" auf die Fernsehtechnik konnte in keinem Land die Rede sein. Der Komplexitätssprung, der mit der Fernsehtechnik einherging, bedingte, daß sie von vornherein ein Gebiet für Fachleute war. Der Fernsehempfänger wie auch der Sender, waren stets industrielle Produkte und die Produktion und Verbreitung von Programmen bedurfte von Beginn an eines großen finanziellen, technischen und organisatorischen Aufwands. Der deutschen Elektroindustrie scheint die Bedeutung des Kriteriums der Leistung für die Einführung eines neuen Medienproduktes auf dem Markt auch bewußt gewesen zu sein. Die Industrie war 1935 — im Jahr der offiziellen Eröffnung eines Programmbetriebes — trotz entsprechender Ankündigungen nicht zur groß angelegten Serienfertigung von Fernsehapparaten auf dem damaligen Leistungsstand bereit; Telefunken beispielsweise äußerte sich in seinen für den Rundfunkfachhandel bestimmten Mitteilungen im Frühjahr 1935 zurückhaltend: Man verlangt heute klare und unverzerrte Bilder vom Film. Vom Rundfunk verlangt man höchste Qualität der Sendungen. Auf beiden Gebieten hat sich also in der Vorstellung des Publikums ein bestimmter Qualitätsbegriff entwickelt, den man in der Entwicklungsarbeit des Fernsehens einbeziehen muß. Das Publikum kommt bereits mit besonderen Vorstellungen hinsichtlich Güte und Leistungen an das Fernsehen heran, im Gegensatz zu den Anfängen der Film-und Rundfunkentwicklung, denen das Publikum ohne jegliche Vorbelastung gegenüberstand. (...) Je gründlicher die Untersuchungen und Versuche sein werden, die man auf dem Fernsehgebiet durchführt, desto sicherer bannt man die Gefahr, daß die überstürzte Herstellung von Fernsehempfängern in großer Serie den Fernsehgedanken, dem eine große Zukunft offensteht, diskreditiert.21 Der Telefunkensprecher, Nr. 4, Mai/Juni 1935, S. 96; zit. nach: Erwin Reiss, "Wir senden Frohsinn". Fernsehen unterm Faschismus, Berlin 1979, S. 35-36. Vgl. die anders lautenden Ankündigungen einer Serienfa-

167 IV. Funktionsutopien über das Fernsehen Je mehr in den zwanziger Jahren der Zeitpunkt einer praktischen Anwendung der neuen Technik des elektrischen Fernsehens im Bewußtsein des interessierten Publikums näherrückte, desto intensiver wurden erste — h e t e r o g e n e — Erwartungen an die neue Technik formuliert, und desto stärker wucherten und wirkten in einer populären Öffentlichkeit Funktionsutopien, die von einer freischweifenden Phantasie über technisch-sozialen Wandel genährt wurden. Als Mitte der zwanziger Jahre zunächst John Logie Baird in England und D6nes von Mihäly und August Karolus in Deutschland mit öffentlichen Vorführungen von Apparaturen die Leistungsfähigkeit des Fernsehens demonstrieren wollten, erregten sie in einer bereits aufmerksamen Öffentlichkeit großes Aufsehen: die Tagespresse feierte die funktionierenden Laboratoriumsexperimente als technische Sensation und weckte große Erwartungen in Bezug auf eine baldige Integration des Fernsehens ins Alltagsleben, wobei — vielleicht in allzu schneller Analogie zum Radio denkend — der noch ausstehende Entwicklungszeitraum für das High-Tech-Produkt Fernsehen völlig unterschätzt wurde. In der auflagestarken "Berliner Illustrierte Zeitung" beispielsweise erschien in der Ausgabe vom 3. 1. 1926, nur kurze Zeit nach der ersten Vorführung einer FernsehApparatur von Baird in London, ein illustrierter Artikel "Die Welt in 40 Jahren. Ein Blick in die Zukunft"; darin wird neben der Vision eines dichten städtischen Luftverkehrs vor allem auch die Alltäglichkeit des Gebrauchs eines Fernsehapparates (Fernseher) imaginiert: Muß die Geselligkeit nicht wesentlich eingeschränkt werden, wenn die Menschen, in ihrer Wohnung sitzend, nicht bloß miteinander sprechen und Musik oder Vorträge hören können, sondern einander und jede beliebige Theatervorstellung, ja Bilderausstellungen

brikation der Firma Loewe AG in: Funk, H. 34, 29.8. 1934, S. 607-608.

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und alle sonstigen Vorführungen mit dem Fernseher vom Lehnstuhl aus werden sehen können? Telephon und Radio werden in diesem Text als schon selbstverständliche Elemente einer modernen Wohnung beschrieben, zu deren Einrichtung nun eben — um das Ensemble moderner technischer Kommunikationsmedien zu komplettieren — noch das Allerneuste, der Fernseher, hinzukommen wird. Man ahnt offensichtlich auch schon, daß sein Gebrauch soziale Auswirkungen haben wird, vielleicht die Geselligkeit beeinträchtigen könnte, aber man weiß andererseits wohl noch nicht einmal genau, wie denn so ein Fernseher genau funktionieren und welche Art von Bildern er ins Haus liefern würde. Anders läßt sich die allgemeine Vagheit der Beschreibung und die gleichzeitige Deutlichkeit bestimmter Textaussagen nicht erklären; so heißt es, die Menschen könnten mit dem Fernseher "einander" sehen oder auch "jede beliebige Theatervorstellung". Kann der Fernseher "hinschauen", wo er will? Wer steuert ihn und seine Bilder? Die in diesem Text entfesselte Imagination ist also noch wesentlich beeinflußt von der alten Utopie des Fern-Sehens (in die Ferne sehen) und noch sehr weit entfernt von der Vorstellung des Mediums Fernsehen, mit dem wir heute vertraut sind: ein bestimmtes Programmangebot, über dessen Gebrauch in Heimempfang wir jeweils verfügen können. Dieselbe "Berliner Illustrierte Zeitung" veröffentlichte ein Jahr darauf, am 30. 1. 1927, einen Artikel mit dem Titel "Von der Phantasie zur Wirklichkeit", in dem die Schnelligkeit des technischen Fortschritts betont und eine "gigantische Umwälzung aller Lebensanschauungen" angekündigt wurde. Lapidar und wie selbstverständlich heißt es darin: "Der Fernseher war vorgestern noch ein utopisches Märchen, er ist heute erfunden und wird morgen praktisch anwendbar sein". Wie sehr die Vorstellungen einer "praktischen Anwendbarkeit" noch geprägt waren durch Utopien, erdacht von

169 einer frei flottierenden Phantasie, mag eine großformatige Illustration verdeutlichen, die am 8. 1. 1928 in der "Berliner Illustrierte Zeitung" erschien: eine ganzseitige Zeichnung präsentiert einen in seinem Bett liegenden Mann, der — vor sich ein fragmentarisches Armaturenbrett — irgendein technisches Gerät zu steuern scheint und gleichzeitig auf einer Art Projektionswand ein aus der Vogelperspektive gesehenes Gebirgspanorama betrachtet. Die Bildunterschrift enträtselt uns die Darstellung: Wunder, die wir vielleicht noch erleben werden: Besichtigung der Welt vom Bett aus durch den Fernseher. Der Apparat über dem Bett dient zum Fernlenken eines Flugzeugs, das die Aufnahmeapparate mitführt und drahtlos Ansichten der Gegend vermittelt, über der das Flugzeug schwebt. Auf der Karte, die der Beschauer vor sich hat, kann er kontrollieren, wo das Flugzeug sich befindet. Die populäre Faszination für die Fliegerei und die Faszination für das Fern-Sehen wurden in der breiten Öffentlichkeit phantastisch miteinander kombiniert, und mit großer Unbekümmertheit eilte die Phantasie dem Tempo des technischen Fortschritts noch voraus. Zwei fortgeschrittene Technologien — die eine (das Flugzeug) fast schon zur Alltäglichkeit perfektioniert, die andere kurz vor dem Durchbruch — wurden miteinander zu einer utopischen Synthese montiert, die einen praktischen, anwendbaren "Sitz im Leben" für die embryonale Technik suggerierte, aber gleichzeitig auch einen illusionären Erwartungshorizont erzeugte und dadurch die Beurteilung/Rezeption realer technischer Anwendungen von vornherein so steuerte, daß eine Enttäuschung schon vorprogrammiert wurde. Die große Euphorie der Berliner Presse nach den ersten Vorführungen von Fernsehempfangsgeräten im Status von Laboratoriumsapparaten auf den Funkausstellungen in Berlin 1928 und 1929 hatten die Erwartungen in Bezug auf baldige Realisierung und Qualität des Fernsehens enorm

170 hochgeschraubt. Ähnlich wie in England John Logie Baird22 hatte in Deutschland D6nes von Mihäly die Konstruktion eines zufriedenstellenden und billigen "Volksfernsehers" angekündigt. Das Publikum, das auf der Funkausstellung 1928 zunächst nicht mehr als stumme Bilder einfacher bewegter Objekte auf einer mechanisch gerasterten Bildfläche von 4x4 cm Größe durch eine Lupe betrachten konnte, mochte an die Einfachheit der ersten Detektor- Radios und die schnelle Entwicklung des Rundfunks gedacht haben, als es sich angesichts solcher kleinformatiger, flimmernder Bilder zu wahrhaft euphorischer Begeisterung hinreißen ließ, wie etwa der Journalist Egon Larsen, der nach einer öffentlichen Fernseh-Demonstration in einem Artikel "Fernsehen in Sicht!" schrieb: Hier in dieser gewöhnlichen kleinen Hochparterrewohung der Kantstraße soll sich also das Wunder ereignen, dem seit Tausend und einer Nacht die ewige Sehnsucht der Menschen galt: das Fernsehen, das Erschauen räumlich entfernter Dinge und Ereignisse im Augenblick ihres Geschehens. Ist es wirklich wahr, daß Menschenhirne nun auch dieses Geheimnis gelöst und damit die Fesseln des Raumes gesprengt haben, so wie Film und Schallplatte die Zeitgebundenheit für uns Sterbliche gemildert haben?23 Die jedoch im Vergleich zum Radio viel komplexeren technischen Probleme, die gelöst werden mußten, um Aufnahme, Sendung und Empfang eines audiovisuellen Fernsehprogramms leisten zu können, bedingten, daß die Techniker auch auf den Berliner Funkausstellungen der kommenden Jahre kaum eine sichtbar höhere Qualität von Fernsehbildern anbieten konnten. Das Publikum fühlte sich in seinen Erwartungen offenbar enttäuscht und reagierte zunehmend mit Desinte-

Vgl. Asa Briggs, The History of Broadcasting in the United Kingdom. Vol. I., The golden Age of Wireless, London/New York/Toronto 1965, S. 533; George Shiers, "Television 50 Years Ago", in: Journal of Broadcasting, Jg. 19, H. 4, 1975, S. 387-400. Egon Larsen, "Fernseher in Sicht!", in: Film und Volk, Jg. 2, Η. 4, Mai 1929, S. 9.

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resse auf die präsentierte neue Technik. Denn nach Abklingen der ersten sensationshungrigen Neugier konnte die komplizierte High-Tech des Fernsehens eine Faszination als reine Technik nur noch dem vorgebildeten Spezialisten ermöglichen; das große Publikum der Laien und potentiellen Konsumenten mußte schließlich nach dem Gebrauchswert fragen, die Leistungsfähigkeit der Fernsehtechnik im Alltagsleben wurde das entscheidende Beurteilungskriterium. Die anfängliche Euphorie schlug um in Ernüchterung oder gar zornige Kritik am Fernsehen. Beispielsweise schrieb im Berliner Tageblatt vom 28. 1. 1931 ein mit den Initialen "W. Sehr." unterzeichnender Redakteur einen Beitrag mit dem Titel "Skandal ums Fernsehen", in dem er sich eindringlich dagegen wandte, daß die Reichs-RundfunkGesellschaft (RRG) die Fernsehversuche weiterhin aus öffentlichen Geldern finanzierte. Er schrieb: Es ist noch gar nicht lange her, da hörte man fast täglich von irgendeiner 'völlig umwälzenden' Fernseherfindung, deren Einführung nur noch eine Frage von wenigen Wochen sei. Aber aus den Wochen wurden Monate, und aus den Monaten wurden Jahre, und dann wurde es still... Die deutsche Reichspost hat im Laufe der Jahre immerhin 200000 Mark für Fernsehversuche ausgegeben. (...) Zwei größere Spezialfirmen steckten ebenfalls viel Geld ins Fernsehen hinein. Alle Beteiligten (die an vielen falschen Anschauungen, die jetzt beim Publikum vorherrschen, nicht ganz unschuldig sind) müssen aber zugeben, daß es noch lange dauern kann, bis wir einwandfrei fernsehen können.24 Schließlich wandte sich der Verfasser gegen die Versuchssendungen der Post mit Fernsehbildern, die zu bestimmten Zeiten auf Hörfunkfrequenzen durchgeführt

"Skandal ums Fernsehen", in: Berliner Tageblatt, 28. 1. 1931; zit. nach: Winfried.B. Lerg, "Zur Entstehung des Fernsehens in Deutschland", in: Rundfunk und Fernsehen, Jg. 15, H.4, 1967, S. 349-375, hier S. 353.

172 wurden, aber von den Rundfunkempfängern nur als "Gesumme" wahrgenommen werden konnten. Im Interesse der Radiohörer sollten solche Versuchssendungen während der Hauptsendezeit des Rundfunks unterbleiben, denn das bloße "Gesumme" der Fernsehübertragung störe und unterbreche bloß den Radioempfang. Der populäre Diskurs über das Fernsehen und der Diskurs der technischen Experten über "Verfahren zur elektrischen Fernsichtbarmachung bewegter Bilder"25 begann sich in den zwanziger Jahren deutlich zu differenzieren. Die technischen Spezialisten (mit Ausnahme Mihälys) äußerten sich auch nach den erfolgreichen Vorführungen der Fernsehtechnik auf den Funkausstellungen Ende der zwanziger Jahre mit Zurückhaltung und Skepsis über die Zukunft des Fernsehens. Entgegen der allgemeinen Euphorie der Tagespresse dämpften die Techniker die Erwartungen, betonten die Unvollkommenheit des Erreichten und die Schwierigkeiten der zu lösenden Probleme; Festlegungen auf zeitliche Fristen der Realisierung des Fernsehens verweigerten sie sich und sprachen von der unbestimmten Zukunft "wirklichen" Fernsehens. Der ausdifferenzierte Diskurs der High-TechSpezialisten und der populäre Diskurs der Laien trafen sich und kreuzten sich in Deutschland um 1930 in institutionalisierter Form: 1929 wurde in Berlin der "Allgemeine Deutsche Fernsehverein" gegründet, dem sowohl an der Entwicklung des Fernsehens beteiligte Techniker, führende Leute der Rundfunkadministration und der Reichspost als auch ein interessierter Kreis von Journalisten und Laien angehörten. Dieser Verein wollte sich der Förderung des

Max Dieckmann, Patent DRP Nr. 420 567 vom 29.8.1924, zit. nach: Gerhart Goebel, "Das Fernsehen in Deutschland bis zum Jahre 1945", in: Archiv für das Postund Fernmeldewesen, Jg. 5, Nr. 5, August 1953, S. 259-393, bes. S. 279, 387.

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Fernsehens widmen, und zu diesem Zweck gab er die Zeitschrift "Fernsehen" heraus. In den Artikeln dieser Zeitung war sowohl der nüchterne Experten-Diskurs als auch der spekulativ-populäre Diskurs über die Entwicklungsmöglichkeiten des Fernsehens repräsentiert und teilweise auch symbiotisch miteinander vermischt. Ein Symptom für das zunehmende Desinteresse des großen Publikums an einem unausgereiften, als unattraktiv empfundenen Fernsehen ('Flimmerkasten') mag wohl (auch) die Tatsache sein, daß beispielsweise im Jahre 1930 selbst in einer Zeitschrift, die der Förderung des Fernsehens dienen sollte, die Tendenz zu skeptischen Artikeln deutlich zunahm. Charakteristisch für die sich ausbreitende Skepsis der Enttäuschten ist ein Artikel des Journalisten Eduard Rhein mit dem Titel "Es ist ein weiter Weg...", der im September 1930 in der Zeitschrift "Fernsehen" erschien: Da stehen wir nun — die wir zu dem neuen kommenden Wunder mit großen Augen aufgeschaut — ziemlich enttäuscht, vielleicht verärgert. Was uns die Tagespresse mit reißerischen Schlagworten zugerufen, waren Phrasen. Die Hoffnungen, die man uns gemacht, — Phrasen. Es ist nichts. Zwei Jahre liegen zwischen der ersten Enttäuschung und der letzten. Was auch, daß Fortschritte zu verzeichnen, mit Differentialen, Integralen, Rechenschiebern, Kurven zu beweisen sind: wir sehen sie nicht.26 Die Lösung technischer Probleme bleibt eben so lange uninteressant, wie dadurch nur ein technisches Wissen akkumuliert wird, das vielleicht — und aus der Perspektive der technischen Spezialisten ein Schritt oder ein Detail zur Gesamtlösung sein könnte, ohne jedoch eine

Eduard Rhein, "Es ist ein weiter Weg...", in: Fernsehen. Zeitschrift für Technik und Kultur des gesamten elektrischen Fernsehwesens. Offizielles Organ des Allgemeinen Deutschen Fernsehvereins. Jg. 1, Nr. 9, September 1930, S. 413-415, bes. S. 415.

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solche Qualität zu besitzen, daß bereits von einer sichtbaren Vollendung der neuen Technik die Rede sein könnte. Aber solche sichtbaren Resultate und Leistungen verlangte das Laienpublikum schließlich, nachdem es von der Euphorie der phantastischen Utopien reichlich ernüchtert war und mit dem Pragmatismus alltagsweltlichen Denkens die Frage nach der spezifischen Leistungsfähigkeit der neuen Technik in den Mittelpunkt rückte: Was bietet uns das Fernsehen Neues? Eduard Rhein empfahl dem "Verein zur Förderung des Fernsehens" in dem genannten Beitrag denn auch Geduld: Es ist auch Förderung des Fernsehens, wenn man dafür sorgt, daß das Fernsehen nicht diskreditiert wird, ehe es da ist. Es ist auch Förderung des Fernsehers, wenn man ehrlich zugibt: die Technik ist noch nicht so weit, ihr müßt noch ein paar Jahre warten!27 V.

Medienkonkurrenz

Die Startschwierigkeiten des neuen Mediums lassen sich nicht allein durch die technischen Probleme erklären, die die Erwartungen des Publikums immer wieder enttäuschten. Es ist vielmehr zu berücksichtigen, daß sich das Fernsehen innerhalb eines bereits etablierten, aufgabenteiligen Systems technischer Kommunikationsmedien durchsetzen mußte.28 Die Photographie lieferte nicht nur eine sehr hohe Bildqualität, sondern sie war schon ein sehr schnelles,

Ebd., S. 414. Einen ähnlichen Versuch, eine "integrierte Mediengeschichte" zu schreiben, d.h. die Entwicklung verschiedener Medien "in einer Gesamtschau" (S. 15) darzustellen, unternimmt Siegfried Zielinski, Audiovisionen. Kino und Fernsehen als Zwischenspiele in der Geschichte, Reinbek bei Hamburg 1989. Zielinski geht es dabei allerdings nicht um die Untersuchung eines Systems konkurrierender Medien, sondern um den historischen Prozeß der Ablösung von Dominanzen einzelner Medien, unter der Perspektive einer vereinheitlichenden Zielrichtung "fortgeschrittener Audiovision" .

175

aktuelles Medium, dessen Fähigkeiten durch den Bildtelegraphen nochmals beschleunigt wurden. In den Printmedien ermöglichten Fotos eine neue Informationsqualität, die derartigen Erfolg beim Publikum hatte, daß ein neuer visualisierter Zeitungstyp, die Illustrierte, entstand. Die Wachswalze des Edisonschen Phonographen war zur Schallplatte weiterentwickelt worden und mit dem Grammophon stand dem Rundfunk ein unkompliziertes Speichermedium zur Verfügung. Der Film hatte sich von der Jahrmarktsattraktion zu einer akzeptierten Kunstform entwickelt und obwohl von vielen nicht nur falsch eingeschätzt, sondern aus ästhetischen Gründen abgelehnt — hatte der Tonfilm den Stummfilm verdrängt. Schon in den zwanziger Jahren wurde der Rundfunk von Politikern aller Schattierungen und auch von Künstlern als wichtigstes Mittel des Meinungsbildungsprozesses und zur Bildung der Massen angesehen. Die intellektuelle und politische Kontrolle dieses Mediums stand im Zentrum der Auseinandersetzung. Radio und Flugzeug wurden in dieser Zeit verantwortlich gemacht für eine paradoxe Veränderung von Raumerfahrung. Die Welt stürzte auf den Betrachter ein. Der zur Verfügung stehende Erfahrungsraum fand seine neue Grenze in der Geschwindigkeit der Flugmaschine oder in den Ausbreitungseigenschaften der Radiowelle. Die Möglichkeiten, durch die schnellen Transportmittel oder mit dem "Ohr zur Welt", dem Radiogerät, körperlich präsent zu sein, erweiterten den potentiellen Erfahrungshorizont, doch gleichzeitig machte man die Erfahrung einer Implosion des globalen Raumes. Die Eisenbahn, das Automobil, die großen Passagierschiffe und das Flugzeug als zentrales Emblem des beschleunigten Transports, vervollkommneten die räumliche Naturbeherrschung, und als weiterer medialer Ersatz für das eigene Raumerleben stand der Film bereit. In großstädtischen Metropolen waren neue Formen kultureller Erfahrung entstanden; Kinopaläste, moderne

176 Theater als "Illusionsmaschinen", Kabarett- und Variet6bühnen ebenso wie riesige Veranstaltungesäle und -lokale einer populären Unterhaltungskultur prägten einen neuen Stil der (kulturellen) Wahrnehmung: Illusionssteigerung, "beschleunigte Wahrnehmung" und Technisierung des sinnlichen Erlebens29 schufen eine als Intensivierung des Lebens erfahrene neue Wirklichkeitsdimension. Die Großstädte, deren Attraktivität in Deutschland mit Berlin den absoluten Zielpunkt erreichte, zogen mit sportlichen Riesenspektakeln (Sechstagerennen) und aufwendigen Revuen ein Massenpublikum an. Im Deutschland der Weimarer Republik ergänzten Massenaufmärsche und Kundgebungen der verschiedensten politischen Organisationen die gleichzeitige Selbst- und Fremderfahrung eines kollektiven Körpers. In diesem Kontext eines übervollen Angebots neuer Kommunikationsformen und Medien der Unterhaltung mußte sich das Fernsehen durchsetzen. Die "sichtbaren" Resultate des neuen Mediums waren jedoch gegen die etablierte Konkurrenz zu dürftig. In den dreißiger Jahren erlebte das Radio einen weiteren, lawinenartigen Anstieg der Hörerzahlen. Seine technische Entwicklung hatte das Bastlerstadium schon hinter sich gelassen und die industriell gefertigten Geräte erlaubten einen derart weltweiten Empfang, daß die Nationalsozialisten in Deutschland den Verkauf von Kurzwellengeräten reglementierten. Durch Gemeinschaftsempfang und die Produktion von billigen und leistungsschwachen Geräten sollte die Welt des deutschen Radiohörers auf den gleichgeschalteten Informationshorizont des Volksgenossen zurechtgestutzt werden. Staatlich gefördert wurde die

Vgl. Knut Hickethier, "Beschleunigte Wahrnehmung", in: Die Metropole. Industriekultur in Berlin im 20. Jahrhundert, hg. v. Jochen Boberg, Tilman Fichter, Eckhart Gillen, München 1986, S. 144-155.

177 Massenproduktion

des

Volksempfängers 301 —

deutschen

Kleinempfängers

und

des

eine Reminiszenz an den 30.1. 1933,

der Tag an dem Hitler Reichskanzler wurde. Ein Indiz dafür, wie schwer das Fernsehen seinen Ort im

etablierten

Korranunikations-

und

Mediensystem

finden

konnte, sind auch die verschiedenen, immer wieder auftauchenden Vorstellungen von Medienkombinationen den

Technikern

als

auch

im populären

Fernsehen. Nicht als Alternative

sowohl bei

Diskurs

über

zu vorhandenen

das

techni-

schen Kommunikationsmedien, sondern als sinnvolle Ergänzung zu Radio, Film, Telephon konnte man sich Fernsehen vorstellen. Und im populären Diskurs wirkten künftiger Mediensynthesen

Phantasien

als überbietung der

bekannten

Medien/Techniken. Bereits auf der Funkausstellung 1928, als Fernsehen erstmalig öffentlich vorgestellt wurde, wurde es auf dem Stand der Telefunken

GmbH

zusammen mit

dem

sogenannten

"Gleichlaufkino" präsentiert, einer Technik, die parallelgeschaltete, schiedenen

synchron

Orten

ausgestrahlten Bericht

über

laufende

als visuelle

Radiosendungen

Filmprojektoren Illustration vorsah.

die .Funkausstellung

30

1928

Und

zu

an

ver-

synchron in

beurteilte

einem ein

Berliner Journalist den von Mihäly vorgestellten Fernsehempfänger folgendermaßen: Eine kleine Einrichtung für den Hausgebrauch, ähnlich der, die wir vielleicht schon in Bälde mit unserem Rundfunkempfänger verbinden werden. Tonfilm, Rundfunk und Fernsehen werden vielleicht früher, als wir es selbst zu hoffen wagen, eine Einheit sein. Dann bringt uns der Rundfunk das sprechende, singende, das von Musik lebende Bild auf den Wellen des Äthers ins Haus."31

Vgl. Gerhart Goebel, "Der Fernsehstart in Deutschland", in: Funkschau, H. 19, 1978, S. 62-65. Berliner Zeitung am Mittag, 1.9.1928, zit. nach: Riedel, 1985, S. 38f.

178

Im "Rückblick auf die Funk-Ausstellung 1929" wurde in der renommierten Berliner Programmzeitschrift "Funkstunde" über das Fernsehen geschrieben, daß "die Grundlagen vorliegen, um eine wirklich brauchbare Erweiterung des seither ausschließlich akustischen Rundfunks nach der optischen Seite hin erwarten zu lassen".32 Als Ende der zwanziger Jahre die Fernsehversuche noch als aufsehenerregende Sensation erlebt wurden und der Berliner Presse noch die Herausgabe von Extrablättern wert waren, wurden die ersten erfolgreichen drahtlosen Versuchssendungen des Fernsehens, die den meisten Rundfunkteilnehmern nur als "lärmendes Knattern" im Radiolautsprecher erkennbar waren, sogleich spekulativ mit den bekannten Medien in Verbindung gebracht.33 In der Zeitschrift "Fernsehen" des Allgemeinen Deutschen Fernsehvereins" wurden Anfang der dreißiger Jahre noch intensive Debatten geführt über den Umfang und Zweck von Bildsendungen innerhalb des Rundfunkprogrammes. Die "Ergänzung des Rundfunks durch Fernseher oder Fernkino" sollte mit "Rücksichtnahme auf die übrigen Rundfunkhörer", auf die "Nur-Hörer", "zu äußerster Sparsamkeit in der Verwendung des Fernsehens innerhalb des eigentlichen Rundfunkprogramms zwingen", war eine relativ stark vertretene Position.34 Andere kritisierten die Fernsehversuchssendungen der Reichspost über Sendefrequenzen und im Tagesprogramm des Rundfunks: Es ist eine Unmöglichkeit, Fernsehsendungen und Klangsendungen abwechselnd über den gleichen Sender laufen zu lassen. Es ist ein Unding, aus dem ohnehin überfüllten Tagesprogramm Stunden herauszuschneiden, sie für den Rundfunkhörer ohne Fernsehen, mit dem Wawawa des Fernsehers zu füllen. Wie es denn eine Funkstunde, Nr. 38, 13.9.1929, S. 1243. Vgl. das Extrablatt der Berliner Zeitung am Mittag vom 9.3.1929. Vgl. R. Thun, "Bemerkungen zum Fernsehprogramm", in: Fernsehen, Nr. 3, 1930; Hans Philipp Weitz, "Fernsehprogramm?", in: Fernsehen, Nr. 11/12, 1930.

179

Quälerei gewesen ist, zwischen die Stunden der Tanzmusik das schmerzvolle Getute des Bildfunks zu schalten.35 Die von Rhein vorgeschlagene Alternative lief übrigens darauf hinaus, eine Art von "Zwitterprogramm" zu gestalten: "Fernsehen und Tonfunk müssen gleichzeitig laufen" und die Sendungen müßten so konzipiert werden, "daß die Dinge auch dem Nichtsehenden verständlich bleiben, daß sie auch ihm Erlebnis werden können"36; zu einer eigenständigen Medienidentität des Fernsehen war es offenbar tatsächlich noch ein weiter Weg, noch nicht einmal technisch hatte sich das Fernsehen Anfang der dreißiger Jahre vom Rundfunk emanzipiert. Begriffe wie "(drahtloses) Fernkino", "(drahtloses) Heimkino", "Fernseh-Rundfunk", "Ton-Bildempfänger","Fern-Seh-Sprechen", "Fernseh-Wochenschau", "Fernsehfilm-Theater" mögen dokumentieren, daß es eine Zeit gab, in der der Signifikant "Fernsehen" noch keine Vorstellung eines prägnanten Signifikats im Bewußtsein der Menschen hervorrufen konnte. Die Größe der vertrauten Kinoleinwand bestimmte lange die Vorstellungen und Erwartungen des Publikums über die optische Dimension und Qualität des zukünftigen Fernsehens. In Deutschland gab es bis Ende der dreißiger Jahre immer wieder technische Modelle (besonders von Karolus) und mediale Projekte von Fernsehgroßbildprojektionen in Kinosälen, die eine Ergänzung des Kinoprogramms ermöglichen und eine "Fernseh-Tagesschau" als aktuellere Wochenschau anbieten sollten. Auch aus politischen Gründen wurden die Fernsehgroßbild-Versuche gefördert, sie entsprachen dem Ziel, die Wirkung nationalsozialistischer Propaganda durch diziplinierenden Gemeinschaftsempfang zu

Rhein, S. 415; vgl. Anm. 19. Ebd.

180

verstärken:37 Die Lichtspieltheater werden nach Vervollkommnung der Fernseh-Sendungen einmal eine unerhörte Steigerung ihrer täglichen Aktualität erreichen. Die Filmtheater werden immer mehr zum Sammelpunkt der großen volksgemeinschaftlichen Erlebnisse unserer Nation werden. Wenn sich heute bei politischen Großkundgebungen die Volksmassen auf den Straßen und Plätzen der deutschen Gaue vor den Lautsprechern zum Gemeinschaftsempfang versammeln, so werden in Zukunft die gleichen Massen, in ihrer Erlebnismöglichkeit durch das Wunder des Fernsehens gesteigert, sich um die Übertragungen der aktuellen Fernsehsendungen in den Lichtspieltheatern scharen.38 Solche Fernsehgroßbildwände wurden in Berlin auch technisch realisiert, stießen aber offensichtlich nicht auf ein kommunikatives Bedürfnis und fanden wohl wegen des Desinteresses des Publikums und der hohen Produktionskosten keine Verbreitung. Im Vergleich zu technisch realisierbaren Modellen von Medienkombinationen gab es jedoch in den dreißiger Jahren auch Technik-Utopien, die sich Mediensynthesen imaginierten, die sämtliche bekannten Techniken als Komponenten enthielten und zu einem künftigen Meta-Medium verschmolzen. Frank Warschauer beispielsweise publizierte 1930 einen Aufsatz mit wissenschaftlichem Anspruch unter dem Titel "Die Zukunft der Technisierung", in dem er ein visionäres Panorama entwarf über einen zukünftigen Medienverbund von Theater, Oper, Rundfunk, Schallplatte, Tonfilm, Fernsehen und Bildplatte (analog zur Schallplatte ein audiovisuelles Speichermedium) . Sein Konzept gipfelte in der Vorstellung einer Fernbühne, auf der drei-dimensionale und farbige optischakustische Darbietungen mit technischer Perfektion erzeugt, d.h. reproduziert würden, so daß der Zuschauer

Vgl. die Rede von 'Reichssendeleiter' Eugen Hadamovsky am 22.3.1935, in: Mitteilungen der Reichs-Rundfunk-Gesellschaft, Nr. 459, 23.3.1935, S. 1-3. Reichssendeleiter Carl-Heinz Boese in: Funk, H. 8, 15.4.1935, S. 246.

181

den Eindruck erhielt, als würde er beispielsweise einem Opernabend beiwohnen.39 Die Fernsehtechnik steht bei Warschauer einerseits an zentraler Stelle seiner Utopie, weil sie die Funktion eines — unbegrenzt gedachten — Transmissionsmediums übernimmt: Diese Technik des Fernsehens und der Farbfilmübertragung wird die Verbreitung von entsprechenden Darstellungen ermöglichen, die sich mit phantomhafter Deutlichkeit überall abspielen werden, sie wird vor allem, was wahrscheinlich noch viel wichtiger ist, dem Menschen den Einblick und das Miterleben jedes zur Zeit auf der Erde erfolgenden Vorganges im gleichen Augenblick erlauben.40 Andererseits aber wird das Fernsehen bereits als ein überwundener Schritt auf dem Weg der Synthese von Techniken und Kunstformen utopisch überboten. Auffallend ist, daß viele Technik-Utopien des späten 19. Jahrhunderts wie auch der dreißiger Jahre des 20. Jahrhunderts — so phantastische Imaginationskraft sie auch freisetzen mögen — durchgängig an der Vorstellung einer vollständig kontrollierbaren, durch den Willen eines menschlichen Subjektes gesteuerten Technik festhalten. Kommunikationsmedien (wie z.B. das Fernsehen) werden dabei häufig nicht nur als eine Verlängerung der menschlichen Sinnesorgane vorgestellt, sondern auch als eine Potenzierung der Interaktionsmöglichkeiten des Menschen, der solche "Medien" wie eine externe Objektivation seines autonomen Willens kontrollieren zu können scheint.41

40 41

Vgl. Frank Warschauer, "Die Zukunft der Technisierung", in: Kunst und Technik, hg. v. Leo Kestenberg, Berlin 1930, S. 409-446, hier S. 417f., 425. Ebd., S. 418. "Der Rundfunk ist Ohr und Mund des Menschen, ins Unendliche verlängert" (Warschauer, S. 435). "Hiergegen will das Fernsehen im Enderfolg sozusagen die Reichweite des Auges vergrößern, also etwas ermöglichen, was auf unmittelbar optischem Wege selbst unter Zuhilfenahme der besten Fernrohre nicht möglich ist." (Reiser, "Bildfunk, Fernsehen und Tonfilm", in: Rundfunk-Jahrbuch 1930, hg. v. der Reichs-RundfunkGesellschaft, Berlin 1930, S. 299-306, Hier: S. 299).

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Jedoch auch 'pragmatischere' Anwendungen wie die Fernsteuerung von Schiffen, Passagierflugzeugen oder eine ärztliche Fernuntersuchung gehörten zu den Anwendungen, die man sich Anfang bis Mitte der dreißiger Jahre vorstellen konnte. Elektrizität, Wolkenkratzer, Luftverkehr in Analogie zum Autoverkehr, die Überwachung von Arbeitern und Produktionsprozessen per Fernsehen sah man in einer zukünftigen Gesellschaft realisiert, deren verfilmte Version "Metropolis" all diese Möglichkeiten schon 1926 antizipierte. Die technischen Zukunftsphantasien blieben sogar überraschend konstant. Wie sehr das Kino als visuelles Medium und als Rezeptionsform dominierte, verdeutlicht auch diese Utopie aus dem Jahre 1938: Im kleinen Kinovorführraum (sc. des Flugzeugs ) laufen auf der Leinwand plastisch wirkende Farbtonfilme ab, die in Wirklichkeit in der Unterhaltungsabteilung des Zentralflughafens in die Wiedergabeapparatur eingesetzt werden. Die Vorführungen werden unterbrochen durch die gesprochene und lebende Zeitung des "Zeitspiegels", dessen Dienststellen jedes wichtige politische, kulturelle, wirtschaftliche oder sportliche Ereignis, so wie damals die großen Nachrichtenbüros ihre Telegramme, weitergeben an die interessierten Stellen, die wiederum Ton und Bild weiterleiten an das große Publikum, sei es im Fernsehgroßkino der Städte, im Fernsehkleinkino der Flugzeuge, Schiffe, Eisenbahnen, Autobusse und Autos.42 Die Begeisterung für die Potentiale der Technik dominierte in diesen Utopien, die weder nach einem Bedarf für diese Möglichkeiten noch nach der ökonomischen Realisierbarkeit fragten. Es gab jedoch auch Anwendungen der Fernsehtechnik, die Ende der dreißiger Jahre technisch und wirtschaftlich realistisch waren und sich doch nicht durchsetzten. Bestes Beispiel dafür ist die immer wieder

Vgl. auch die erwähnten Zukunftsvisionen in der Berliner Illustrierten Zeitung vom 8.1.1928. Dipl.-Ing. Η. Büscher, "Zukunftsphantasie. Das werden wir erleben," in: Jeder Rundfunkinteressent muß wissen was..., hg. v. Radio-Web, Berlin 1938, S. 9f.

183 auftauchende Konzeption des Bildtelephons. In Berlin, Leipzig und München wurden von der Post spezielle Fernsprechzellen mit Fernsehkameras ausgestattet, und in einem Werbefilm wurde ein unfallflüchtiger Autodieb durch eine Gegenüberstellung mittels Bildtelephon überführt.43 Die Telephonkunden nutzten diese neue Einrichtung jedoch kaum, und so wurde dieses Serviceangebot mangels Bedarf eingestellt. Nicht jede technische Lösung war also publikumswirksam. In den Jahren 1930 bis 1934 wurde es ruhig ums Fernsehen. Die breite Öffentlichkeit hörte Radio, ging ins Kino, begeisterte sich für Revuen, Kabarett und Theater, strömte in Massen zu Sportspektakeln, Sechstagerennen und auch politischen Versammlungen, — und jeden Sommer auf der Berliner Funkausstellung warf es vielleicht mal einen flüchtigen Blick auf die dort präsentierten neuen Errungenschaften der Fernsehtechnik, um festzustellen, daß der "Guckkasten" wohl immer noch nicht "fertig" war. Die Techniker arbeiteten unter Laboratoriumsbedingungen an der Lösung vielfältiger Probleme der neuen Technik und akkumulierten innerhalb weniger Jahre — unbehelligt von utopischen Phantasien — ein beträchtliches technisches Wissen, z.B. wurde die optisch-mechanische Phase der Aufnahme- und Empfangstechnik durch die Einführung elektronischer Verfahren abgelöst, die drahtlose Sendung von synchronen Bild- und Tonsignalen erfolgreich erprobt, erste leistungsfähige Fernsehempfänger in industrieller Fertigung gebaut; solche technischen Innovationen wurden allerdings zunächst — ohne Aufsehen in der Öffentlichkeit zu erregen — nur vom Kreis der Experten wahrgenommen und diskutiert. Der Diskurs der technischen Spezialisten und der populäre Diskurs über das Fernsehen hatten den

Vgl. den Film "Wer fuhr IIA 2992?", 1939, (Bundesarchiv Koblenz).

184

Schnittpunkt verlassen, an dem sie sich Anfang der dreißiger Jahre gekreuzt hatten, und entwickelten sich nun getrennt in ausdifferenzierten Kontexten weiter. VI. Inszenierung eines Technikmythos Im Februar 1935 machte das Fernsehen wieder Schlagzeilen. In Großbritannien hatte eine staatliche Untersuchungskommission ("Television Committee") nach halbjährlicher Arbeit und Befragung zahlreicher Experten am 31. Januar 1935 einen Abschlußbericht vorgelegt, der zu der Schlußfolgerung gelangte, man müßte die Eröffnung eines allgemeinen Fernsehprogrammdienstes in England anstreben und vorbereiten, der BBC wurde die baldige Einrichtung eines regelmäßigen Programmdienstes für London empfohlen. Diese Empfehlung des britischen "Television Committee" wurde in vielen europäischen Ländern und den USA von der Presse aufgegriffen und verursachte zahlreiche sensationelle Artikel, in denen die sofortige Einführung des Fernsehens in England angekündigt wurde. Im nationalsozialistischen Deutschland lösten solche Pressemeldungen offenbar eine gewisse Panik aus, denn es gehörte zur nationalsozialistischen Ideologie, die besondere Rolle und Leistungsfähigkeit der deutschen Naturwissenschaft und Technik herauszustellen. Die bevorstehende Inauguration eines Fernsehprogrammdienstes in Großbritannien wurde als eine Herausforderung an den Führungsanspruch der "deutschen Technik" empfunden. So wurde die Fernsehtechnik in Deutschland zu einem Politikum. Die nationalsozialistischen Funktionäre der ReichsRundfunk-Gesellschaft (RRG) und der Reichspost wurden einerseits von ihrem politischen und nationalistischen Ehrgeiz getrieben, den Briten zuvorzukommen und als erste in der Welt Fernsehen zu senden, andererseits aber mußten sie das Risiko einer Blamage vor der Weltöffentlichkeit (und den Nazi-Größen) fürchten. So versuchten sie in aller

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Eile, ein technisches Ereignis herbeizuführen und präsentieren zu können, für das die Voraussetzungen ausreichender Erprobung und technischer Reife nicht gegeben waren. Am 22. März 1935 versammelten sich im Berliner Funkhaus etwa 80-100 geladene Personen (Funktionäre der RRG und der Post, Techniker und Vertreter der Elektroindustrie, einige Journalisten und einige rangniedrige Parteifunktionäre in Vertretung ihrer Minister), um einer eineinhalbstündigen Fernsehvorführung beizuwohnen und sich mehrere feierliche Reden anzuhören. Diese Veranstaltung sollte fortan in die Geschichte eingehen als die Eröffnung des "ersten Fernsehprogrammbetriebes der Welt". 'Reichssendeleiter' Hadamovsky, dem in Abwesenheit der führenden Prominenz die Ehre zuteil wurde, die festliche Eröffnungsrede zu halten, mühte sich redlich, dem Ereignis historische und nationale Bedeutsamkeit zu verleihen: Heute beginnt der nationalsozialistische Rundfunk in Zusammenarbeit mit der Reichspost und der Industrie als erster Rundfunk der Welt den regelmäßigen Fernsehprogrammbetrieb. Einer der kühnsten Menschheitsträume ist verwirklicht. (...) vollziehen wir in diesem Augenblick auf deutschem Boden einen Kulturfortschritt, der einmal als die Krönung vieler technischer Einzelentwicklungen der letzten Jahrzehnte angesehen werden wird. Während wir hier im Saale atemlos lauschen und schauen, hat die Zeit eines neuen, unbegreiflichen Wunders begonnen.44 Das epochale Ereignis fand zunächst kaum Beachtung, selbst die deutsche und Berliner Presse berichteten nur am Rande darüber, z.B. die "Frankfurter Zeitung" vom 24. 3. 1935 auf Seite 12 in der Rubrik "Aus aller Welt". Doch ganz ungehört schien die Kunde vom "epochalen Ereignis" des nun verwirklichten "Fernsehwunders" nicht verhallt zu sein, denn nur wenige Tage nach dem 22. 3. 1935 sah sich die RRG offenbar dazu gezwungen, eine recht nüchterne Presseerklä-

Mitteilungen der Reichs-Rundfunk-Gesellschaft, Nr. 459, 23.3.1935, S. 4f.

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rung zu veröffentlichen, in der richtiggestellt wurde, daß alle Pressemeldungen über die Präsentation eines "FernsehVolksempfängers" auf der bevorstehenden Funkausstellung ein Mißverständnis wären. In einer ausführlichen Pressemitteilung wurde nochmals in sehr sachlichem Ton der Hintergrund und die Bedeutung der zelebrierten Veranstaltung erläutert, die nun "Eröffnung eines Fernseh-Versuchsbetriebes für Berlin" genannt wurde. Damit hatte man den tatsächlichen Charakter des ganzen Vorgangs auch adäquat bezeichnet; denn es handelte sich wahrlich nicht um mehr als die Erweiterung der bisherigen, unter Laborbedingungen stattfindenden Experimente mit der Fernsehtechnik, die nun im größeren Maßstabe, regelmäßig dreimal die Woche je zwei Stunden lang, und unter Augen eines größeren Kreises interessierter und prominenter Laien (Journalisten, Parteifunktionäre etc.) durchgeführt wurden. Für ein solches erweitertes Laborpublikum wurde ein Versuchsprogramm gesendet -- und häufig auch wiederholt --, das im wesentlichen aus Zusammenschnitten von UFA-Spielfilmen und Wochenschauen bestand, ergänzt durch kurze Ansagen und Wortbeiträge, die noch nach dem mechanischen Prinzip der Bildzerlegung mit Hilfe der Nipkowscheibe aus einer ungefähr quadratmetergroßen, dunklen "Abtastkabine" produziert wurden. Selbst dieser bescheidene Fernseh-Versuchsbetrieb mußte wegen eines Brandes und folgender technischer Schwierigkeiten zwischen August 1935 und Januar 1936 ganz eingestellt werden. Doch ungeachtet dieser Tatsache wurde und wird in Deutschland weiterhin mit großem Stolz vom ersten regelmäßigen Programmbetrieb der Welt gesprochen und geschrieben. Die nationalsozialistische Propaganda interessierte sich Mitte der dreißiger Jahre nur für die technische Pionierleistung; diese wurde auch in den folgenden Jahren immer wieder öffentlich gegenüber einem Publikum, dessen Begeisterung für das Fernsehen längst abgeklungen war,

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inszeniert: die technische Innovation wurde als "Wunder des Fernsehens" einerseits national vereinnahmt und andererseits zu einer Großtat der Leistungsfähigkeit von Naturwissenschaft und Technik dramatisiert. Ein nationaler Technik-Mythos wurde in die Welt gesetzt und bereitwillig popularisiert. Er wurde mit dem Namen des Deutschen Paul Nipkow verbunden, dessen Patent über ein "Elektrisches Teleskop" von 1884 für die Entwicklung der mechanisch-elektrischen Laborapparaturen in den zwanziger und frühen dreißiger Jahren eine gewisse Bedeutung gehabt hatte. Schon eine Woche nach Eröffnung des sogenannten ersten regelmäßigen Programmdienstes der Welt wurde der Berliner Sender umbenannt in "Fernsehsender 'Paul Nipkow', Berlin". Der noch lebende, aber schon etwas senile alte Herr wurde in den folgenden Jahren mit Ehrungen überhäuft, auf den jährlichen Berliner Funkausstellungen herumgereicht und tausendfach abgelichtet neben den jeweils neuen Modellen der Fernsehindustrie, damit sein Photo und sein Name herhalten konnten zu unzähligen Artikeln über das Wunder des deutschen Fernsehens und über die Überlegenheit deutscher Wissenschaftler und Techniker. Obwohl die Fernsehtechnik selbstverständlich eine internationale Entwicklung war und vor 1933 in Deutschland auch so präsentiert wurde, obwohl die Fernsehversuchsbetriebe in den USA und in England mindestens einen ähnlichen Standard erreicht hatten, obwohl spätestens 1936 — als die Fernsehtechnik in ihre elektronische Phase eintrat — das Patent Nipkows längst ein alter Hut war, wurde der nationale Technik-Mythos vom deutschen "Vater des Fernsehens" Paul Nipkow in der Zeit zwischen 1935 und 1945 häufig erzählt und lebendig gehalten.45

Bis heute wird in der Bundesrepublik Deutschland in zahlreichen, vorwiegend technikgeschichtlich orientierten Publikationen der Mythos vom genialen Erfinder Paul Nipkow, der als "Vater des Fernsehens" seiner Zeit weit voraus war, unkritisch fortge-

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Neben dem Aspekt, sich für nationalsozialistische Propaganda zu eignen, bestand die Attraktivität dieses Mythos wohl auch darin, daß das mechanische Prinzip der Nipkowschen Lochscheibe einem breiten Publikum noch plausibel gemacht werden konnte, während dieses eich auf eine höhere technische Komplexitätsebene — wie sie dem elektronischen High-Tech-Fernsehen von 1936 entsprochen hätte — nicht mehr einlassen konnte. In den dreißiger Jahren bestand aber offensichtlich noch der Anspruch, daß eine Technik, die ins Haus kommen sollte, auch für Laien prinzipiell verstehbar sein müßte. Die Popularität des Mythos Nipkow mag auch deshalb so groß gewesen sein, weil auch die Angst davor, ein undurchschaubares und unkontrollierbares Gerät im Hause zu haben, noch aktuell und groß gewesen sein mag. Vielleicht ist auch der ständige Rekurs auf die Metapher des menschlichen Auges, um das Funktionieren des Fernsehens zu erklären, durch die Verdrängung der Angst vor einer unfaßbaren Technik motiviert.46 Interessant ist, daß der Mythos Nipkow auch beim Start des deutschen Nachkriegsfernsehens am 25.12.1952 in Hamburg wiederbelebt und von Programmzeitschriften wie "Hör zu" in den fünfziger Jahren wachgehalten wurde, nun allerdings variiert: erzählt wurde die rührende Geschichte vom armen Studenten Nipkow, der an einem Weihnachtsabend (l) fern von seiner Familie (!) sein Patent erdachte, um so in Zukunft eine technische Kompensation bereitzustellen, um räumlich getrennte Familienmitglieder mit Hilfe des Fernsehens einander näherbringen zu können. Der deutsche Fernsehmythos der fünfziger Jahre war nicht mehr ausschließlich nationalistisch wie in den dreißiger

schreiben. Vgl. etwa — als eine von vielen Publikationen — Werner Hardorn/Mario Cortesi, Mensch und Medien. Die Geschichte der Massenkommunikation, Aarau/ Stuttgart 1986, Bd. 2, S. 164-167. Vgl. den Film "Das Auge der Welt", 1935, (Bundesarchiv Koblenz).

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Jahren, sondern hatte sich nach dem Motto "Technik und Gemütlichkeit" gewandelt und war geeignet, die Idylle der neuen Fernsehfamilie auszustaffieren. VII. Fernsehen ein Ersatz? - Die Olympiade 1936 Erst mit der Olympiade 1936 gelangte das Fernsehen — in Berlin und Leipzig -- ins Bewußtsein eines größeren Publikums; ca. 150 000 Berliner konnten in 28 sogenannten "Fernsehstuben", öffentliche Räume für ca. 30-50 Zuschauer, ein tägliches Fernsehprogramm von bis zu acht Stunden betrachten, das aus Direktübertragungen aus dem Olympiastadion, eingeblendeten Filmbeiträgen und Ansagen aus dem Studio zusammengesetzt wurde. In der Presse wurde auch diese "technische Großtat" und besonders die neue elektronische Ikonoskop-Kamera (vor allem von Zworykin in den USA entwickelt) als neuer Leistungsbeweis der deutschen Technik gefeiert.47 Das (rudimentäre) Fernsehpublikum wurde jedoch nicht als etwas besonders Erwähnenswertes betrachtet, es wurde eher als eine Vergrößerung des Stadionpublikums wahrgenommen. Die Situation der Fernsehrezeption wurde nicht als eine spezifische — heute eventuell privilegierte — Form des Sehens bewertet, sondern eher als ein Ersatz für das Dabei-Sein im Stadion, das als die bessere Form des Sehens und Erlebens favorisiert wurde. Insofern war das Fernsehen während der Olympiade eher ein Anhängsel des Stadions denn ein eigengewichtiges Medium. Das mag eine Episode verdeutlichen, die Walter Bruch, Ingenieur und 1936 Kameramann im Stadion, berichtet: es gab Schwierigkeiten mit den Verantwortlichen, die Ikonoskop-Kamera (wegen ihrer Ausmaße auch "Fernsehkanone" genannt) im Stadion zu plazieren: "Hauptsache war für sie,

Z.B.: Deutsche Allgemeine Zeitung, 6.8.1936, Titelseite.

190 wir störten nicht."48 Trotz allen Stolzes auf die neue Technik mußten sich die Fernsehleute übergeordneten Gesichtspunkten beugen; die politischen Spitzen des NSStaatee legten größten Wert darauf, die Olympiade als ein perfektes Massen-Live-Spektakel zu inszenieren·49 Und obwohl die Übertragungen von den Olympischen Spielen ein erster Höhepunkt in der Geschichte des deutschen Fernsehens waren und das neue Medium in gewissem Rahmen populär gemacht hatten, wurde auch in den folgenden Jahren, in der Rückschau auf das Medienereignis Olympiade, diese Wertungsperspektive -- Fernsehen als Ersatz für das Dabei-Sein im Stadion — beibehalten. Für die Kontinuität solcher mentaler Dispositionen (selbst bei Fernsehleuten) mögen folgende zwei Beispiele sprechen: Während es Hunderttausenden vergönnt war, das Geschehen der Olympiade im weiten Rund des Stadions zu erleben, vergrößert der neue 'Fernseher' den großen Kreis der Miterlebenden noch mehr.50 Und C.-H. Boese schrieb 1940 in einem Rückblick unter dem Titel "So fingen wir anl" voller Stolz über die Leistung: (...) vielen Tausenden von weniger bemittelten Volksgenossen, die nicht in der Lage waren, sich die teuren Eintrittskarten zu den Veranstaltungen der Olympiade zu beschaffen, in direkter Fernsehübertragung die Leichtathletikkämpfe auf der Olympiabahn, die spannenden Wettkämpfe aus dem Schwimm-

Walter Bruch, Kleine Geschichte des deutschen Fernsehens, Berlin 1967, S. 60f. Uber die Atmosphäre in Berlin während der Olympischen Spiele, über die perfekte Organisation und über die nationalsozialistische "Kunst", Menschenmassen zu lenken, siehe die Schilderungen des amerikanischen Schriftstellers Thomas Wolfe, Es führt kein Weg zurück, Hamburg 1953, (Originaltitel: You can't go home again, 1940). Das NS-Fernsehen sollte das Ziel verfolgen, "den Kreis der an wichtigen Veranstaltungen Teilnehmenden durch das Fernsehen zu erweitern" (Dipl.Ing. Dr. Hoffmann, Mitteilungen der ReichsRundfunk-Gesellschaft, Nr. 459, 23.3.1935, S. 4). "Etappen des Fernsehens", in: Die Sendung, Jg. 14, H. 20, 1937, S. 469.

191 Stadion usw. in den Fernsehstuben geboten zu haben.51 Was in England oder den USA schon sehr früh als Spezifikum der neuen Technik und des neues Mediums antizipiert wurde, nämlich die spezifisch neue Rezeptionssituation des Heimempfangs, wurde in Deutschland kaum erkannt oder aus politischen Gründen nicht gefördert. Stattdessen favorisierte man eindeutig Formen kollektiver Rezeption, die eine Ersatzfunktion für körperliche Partizipation an Massenversammlungen übernehmen sollten. Erst ab dem Ende der fünfziger Jahre sollte das Fernsehen — gerade bei der Übertragung von Sportveranstaltungen (und unterstützt durch verfeinerte Kamera- und Regietechnik) — seinen Zuschauern zu Hause mediale SehErlebnisse vermitteln, die dann — und zunehmend bis heute — als ein 'privilegiertes' Sehen erfahren werden konnten: noch näher und intensiver, 'als wenn man selbst auf den Rängen dabei gewesen wäre', was in den fünfziger Jahren noch als ein spektakuläres Erlebnis-Versprechen der Fernsehgerätewerbung galt. Demgegenüber fühlte sich aber 1936 selbst der Zuschauer in der hintersten Reihe des Berliner Olympia-Stadions näher am Ereignis als das damalige Fernsehpublikum, das die Sportler auf den (wenigen) Großbildpro jektionsf lachen oder auf den Bildschirmen der Fernsehstuben betrachtete. Neben den rein technikorientierten Erklärungen des jeweiligen historischen Entwicklungsstands dürfen aber bei der Rekonstruktion der unspektakulären Frühgeschichte des Mediums — im Sinne von mentalitätshistorischen Resistenzen -- auch Symptome für andere SehGewohnheiten nicht unterschätzt werden: Sehen wurde in den dreißiger Jahren erst in körperlicher Partizipation als 'Erlebnis' erfahrbar, da körperliche Erfahrungsdimensionen für die Vorstellung und Erfahrung von Kommunikation

Carl-Heinz Boese, "So fingen wir an!", Rundfunk, Jg. 4, 1940, S. 14-17.

in: Welt-

192 entscheidend waren. VIII. Technik ohne mediale Identität Abgesehen von Höhepunkten früher Fernsehgeschichte wie der Direktübertragung der Olympiade 1936, war der Sendealltag des

'ersten Fernsehprogrammbetriebs

und erregte wenig öffentliches

ohne

entscheidend

Neues

es jeweils Elemente bieten

zu

können,

Hindernis

zu

überwinden,

die

Bühne

zwischen übernahm,

hatte 52

das

zunächst

Attraktivität

'Heimempfangs' sowie die Abgrenzbarkeit

grau

der

hineingestellt

Fernsehen, um "ein Volk zum Sehen aufzurufen", das

eher

Interesse. Auf

Berliner Medienkonkurrenz mitten Radio und Film, von denen

der Welt'

seines

seines Programms

zu anderen Medien 'sichtbar' zu machen. Da

das

neue

'Medium

zwischen

den

Stühlen'

von

Elementen zehrte, die schon längst vorhanden waren, aber noch weit davon entfernt war, seine

'Adaptationsleistun-

gen' heterogener Elemente anderer Medien im Rahmen seiner privaten Rezeptionssituation zu einer neuen Erscheinungsund

Wirkungsform

zusammenzuordnen,

Identität des Mediums

lange Zeit

blieb

die

mediale

im Dunkeln. Während

in

den USA bis Ende der dreißiger Jahre der Entwicklungsstand des Fernsehens (trotz höherer technischer Leistungen) von den Verantwortlichen noch im Status des suchs ' gesehen

wurde



das

wurde der amerikanischen vermarktbares Perspektiven Verwertbarkeit bar waren

53

—,

Produkt

neue

Kommunikationsmedium

Öffentlichkeit

präsentiert,

technischer

'Laboratoriumsvererst

als

Ausgereiftheit,

als

bereits

alle

kommerzieller

und genauer Programmvorstellungen besaß das Fernsehen

fertig

verfüg-

in Deutschland

wegen

Hadamovsky, Mitteilungen der Reichs-Rundfunk-Gesellschaft, Nr. 459, 22.3.1935, S. 4. Siehe z.B. H. Horton Sheldon/Edgar Norman Grisewood, Television. Present Methods of Picture Transmission, New York 1929, S. 189: "Television cannot win its way foot by foot; it must come as a more or less finished

193

seines übereilten Startes zunächst lediglich eine technisch bedingte Identität. Von einer prägnanten Vorstellung des Mediums und von einer neuen Kommunikationssituation 'Fernsehen' konnte 1935 noch lange keine Rede sein. Während in den USA bis zur öffentlichen Inbetriebnahme 1941 eine Vorstellung von der Identität des Fernsehens als privates Unterhaltungs-Medium für die Wohnstuben konzipiert war, das mit kommerziellen Lizenzen über die gesamte Nation verbreitet werden sollte,54 wurde in Berlin die Medieninnovation in den dreißiger Jahren zwar als 'technische Errungenschaft deutschen (t) Geistes' dramatisiert, blieb aber ohne größere Faszinationskraft auf das Publikum der Hauptstadt. Das Interesse an Formen medienspezifischer Programmgestaltung verschwand hinter der unspezifischen Zukunftsvision, die eher einem Platzhalter glich, "das Bild des Führers tief und unverlöschlich in alle deutschen Herzen zu pflanzen".55 Solange das Programm weiterhin 'Nebensache' blieb— die inhaltliche Gestaltung sowie die Suche nach eigenen Programmgesetzen kam selbst in den Jahren nach Aufnahme des Sendebetriebs noch zu kurz — blieb das Interesse des Publikums bei einer abwartenden, wenn auch neugierigen Skepsis. Den Hauptteil beinahe jeden Abends bestritten noch 1937 die Programmgestalter mit Kurzfassungen von Spielfilmen, welche die Filmindustrie — auf Anweisung des Reichspropagandaministers — dem 'Heimkino' Fernsehen zur Verfügung zu stellen hatte. Die Nähe und der sich aufdrängende, unvorteilhafte Vergleich eines 'Heim-Kinos' mit den beliebten Filmpalästen der dreißiger Jahre führte

product". Vgl. Erik Barnouw, A History of Broadcasting in the United States, Vol. II, New York 1968, S. 127-129; Robert Campbell, The Golden Years of Broadcasting. A Celebration of the First 50 Years of Radio and Television on NBC, New York 1976, S. 50-57. Hadamovsky, vgl. Anm. 46.

194

nicht nur dazu, daß die gewohnte Bildqualität (und visuelle Intensität) des Films von vornherein hohe Erwartungen der Zuschauer steckte; zugleich wurde jegliche Konzeption einer 'medialen Identität' des Fernsehens unter dem Medienvergleich erschwert: Was liegt da näher, als vom Film, oder genauer gesagt, vom Heimkino auszugehen. Alles verleitet den Betrachter dazu: der verdunkelte Raum [eine zufriedenstellende Bildqualität konnte nur im abgedunkelten Zimmer erreicht werden, d.A]; die helle Fläche, auf der sich das Bild formt; die Wochenschau, die täglich abrollt; die Spielszenen usw.56 Gleichzeitig mußte angesichts der mangelnden Identität eines Programms auch jegliche Vorstellung des 'HeimEmpfangs' nur diffus und unattraktiv bleiben: Nüchtern und lieblos waren ihre Bemerkungen, sie monierten die Kleinheit und das Flimmern des Bildes, die Einfärbung (beige oder bläulich-weiß), die zu beobachtenden Störungen, das noch zu einfache, nach Inhalt, Vielfalt und Dauer 'primitive' Programm. Zu schnell wurden Vergleiche mit dem Film gezogen, schnell war das Wissen, einem 'Wunder' beizuwohnen, verflogen, schnell kam die Frage: 'Und was steht morgen auf dem Programm?'.57 In dem Maße, wie die Inszenierung der 'Machbarkeit' des Fernsehens als 'technisches Wunder' immer weniger ausreichte, um das Interesse eines größeren Publikums zu wecken, mußte sich das Fernsehen vor dem Hintergrund der bereits etablierten, arbeitsteiligen Medienlandschaft mehr und mehr die Frage zum "Nachweis seiner Notwendigkeit" stellen lassen.58 Fragte man jedoch nach den Leistungen, die das Fernsehen anzubieten hatte, wurde deutlich, daß es — zumindest potentiell — vieles schneller, aktueller

Kurt Wagenführ, "Im verdunkelten Zimmer", in: Deutsche Allgemeine Zeitung, 15.2.1938. Kurt Wagenführ, Anmerkungen zum Fernsehen 1938 bis 1980, hg. v. Arnulf Kutsch, Mainz/Stuttgart 1983, S. 169. R. Thun, "Die Bedeutung des Programms für einen Erfolg des Fernsehens", in: Fernsehen und Tonfilm, Jg. 3, Nr. 3, 1932, S. 134-139.

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als Rundfunk und Kino vollbringen konnte, aber eigentlich nichts völlig Neues. Radio und Film hatten bereits die gesamte Welt als potentiellen Erfahrungshorizont erschlossen; den Anspruch, "zeitnahes und wichtiges Porträt eines augenblicklichen Zeitgeschehens" zu sein, besetzte — neben Radio-Live-Berichten — vor allem die Wochenschau als wichtigstes Element der Filmindustrie.59 Mit dem Fernsehen war somit ein Stadium erreicht, ab dem sich neue Kommunikationsmedien nach ihrem Kosten-Nutzen-Verhältnis fragen lassen mußten und sich nicht allein durch Technikfaszination durchsetzen konnten. Das Dilemma des Fernsehens besteht vor dem Hintergrund mentalitätshistorischer Resistenzen im Deutschland der dreißiger Jahre vor allem darin, daß der Mehrwert dieses neuesten technischen Mediums, die Frage seines Zweckbeweises und inhaltlichen Profils nur punktuell oder unsystematisch in Zusammenhang mit seiner privaten Rezeptionssituation gesehen wurde. Nach Carl Haensel blieb auch das Fernsehen im nationalsozialistischen Deutschland "gleichgeschaltet": (...) nicht auf seine Intimität wurde Wert gelegt, sondern auf den Gemeinschaftsempfang. Die Fernsehstuben waren nichts weiter als Filmtheater mit elektrischem Betrieb, insofern im Grunde überflüssig, weswegen der Kriegsbeginn sie auslöschte.60 Der neue "Rundfunk-Fernseher" geriet scheinbar in die ambivalente Situation, daß seine Bestimmung für eine "Benutzung im Heim" zwar einerseits bereits erkannt wurde,61 das neue Medium aber — vielleicht gerade deshalb — seinen Ort im Kommunikations- und Mediensystem der dreißiger Jahre nicht finden konnte. Die Rezeptionssituation des Heimempfangs — 'im verdunkelten Zimmer' — 59 60

61

Frankfurter Zeitung, 27.7.1935, S. lf. Carl Haensel, Fernsehen - nah gesehen. Technische Fibel - Dramaturgie - Organisatorischer Aufbau, Frankfurt a.M./Berlin 1952, S. 95. R. Thun, vgl. Anm. 52.

196 ohne die psychologischen Bedingungen des Gemeinschaftserlebnisses, gemeinsamen Lachens oder Gerührtwerdens und angesichts einer kleineren oder gar flimmernden Bildfläche mußte nach zahlreichen Aussagen von Zeitgenossen wenig reizvoll gewirkt haben. Aus einem Artikel von 1939, in dem prognostisch die zukünftige Programmgestaltung des Mediums in eine Winter- und Sommersaison aufgeteilt wird, ergibt sich, daß die Vorstellung des Fernsehens als "häusliche Kunst" in den dreißiger Jahren noch eher Nachteile als Vorteile geboten haben muß: An einem schönen Sommernachmittag hört man sich zwar Rundfunkmusik auf dem Balkon gern an, aber man geht nur ungern aus der Wärme und dem Licht ins Zimmer, um sich in der bedrückenden Schwüle des geschlossenen Raumes Bilder anzusehen.62 Ohne die Kompensation der besonderen visuellen und Erlebnis Intensität wie im Kino konnte die Rezeptionsvoraussetzung des in der Dunkelheit aus der Interaktion herausgenommenen Körpers (ohne den Kontakt zu einem größeren Publikum) nur als unattraktiv empfunden werden, mußten die Übertragungen des Fernsehens als bloße 'Bilder' eines starren Guck-Kastens ohne Erlebnisqualität erscheinen. Die Positivierung von Massenerlebnissen der dreißiger Jahre belegt in zahlreichen Bildern von Massen-LiveEreignissen eine Faszination der Zeit, sich — abgelöst vom Intellekt — dem physischen Aspekt und der Eigendynamik der Menschenmasse überlassen zu wollen. Diese Disposition, sich von den 'Ereignissen' tragen zu lassen, welche von den Nationalsozialisten organisiert und verstärkt werden konnte, und in deren Sog für Massenspektakel vor allem auch der Sport geriet, impliziert einen kommunikativen Habitus, 'nah bei der Aktion'/'dabei' sein zu wollen, der für die dreißiger Jahre charakteristisch zu

Wagenführ, Anmerkungen zum Fernsehen, S. 23.

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sein scheint:63 der Wunsch nach körperlicher Partizipation in räumlicher Nähe — auch neben der Szene und ohne gute Sicht zu haben — "treibt die Massen in die Nähe der Ereignisse". Ein Beispiel für diese Faszination ist etwa die "Fahrt der Zehntausende zum Schmelingkampf", so ein Titel der Frankfurter Zeitung vom 10. März 1935, der auch diejenigen in den Bann der "Kampfstadt" zieht, die keine Eintrittskarte besitzen: Die Millionenstadt an der Elbmündung war über Nacht ein Riesenmagnet geworden. Es müssen viel mehr Menschen gekommen sein, als die Hanseatenhalle überhaupt fassen kann. In einem Berliner Sonderzug saßen zwei junge Leute, die in letzter Minute das Fahrgeld zusammenbekommen hatten. Darüberhinaus hatten sie keinen Pfennig in der Tasche, und sie hofften wohl auch nicht, daß ihnen die Wellen zwei Freikarten als Strandgut an das Alsterufer spülen würden. Das Wichtigste war, sie wollten in der KampfStadt gewesen sein, die im Verlaufe weniger Tage zu einer Weltmitte geworden war, wie es bei solchem Ereignis einst die Stadt New York gewesen ist. Vor dem Hintergrund dieses mentalen Rahmens hätte die Präsentation eines privaten Heimstuben-Mediums als 'Miterlebens-Wunder', 'als wenn Sie selbst dabei gewesen wären', keinen wirklichen Reiz ausüben können. Solange über das, was gesendet werden kann, hinaus, der Wunsch gesehen zu werden und am Körper der Masse mitzuwirken, Bedeutung hatte, konnte 'Live' im Fernsehen nur als Ersatz für Dabei-Sein empfunden werden. "Millionen wollen sehen, sehen, sehen: Die Lust am Schauen treibt die Massen in die Nähe der Ereignisse. Man will dabei sein. Alle können aber nicht immer überall sein."64 Im Sinne von Ersatz für die dominant bleibende körperliche Partizipation, die am ehesten über Visualität substituierbar war und das Seh-

Vgl. Hans Ulrich Gumbrecht, "'Dabeisein ist alles'. Über die Geschichte von Medien, Sport und Publikum", in: Arete. The Journal of Sport Literature, IV: 1, 1986, S. 36f. Berliner Illustrierte Zeitung, Nr. 1, 1937, S. 26.

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erlebnis in einer eng zusammenhängenden Vorstellung von Schauen und Dabei-Sein bestimmte, konnte die Fernsehübertragung der Olympischen Spiele 1936 aus dem überfüllten Berliner Stadion dem Fernsehen lediglich zu einem (Aktualitäts-) Durchbruch verhelfen, hinter den es später wieder zurückfallen mußte: die Partizipation an Sportspektakeln sowie bei Theater-, Revue- und Kinovorstellungen, die die soziale Rezeption des 'Dabei-Seins' boten, blieb weiterhin der Vorstellung von Heimempfang überlegen. Gemessen an den Programmangeboten des populären Mediums Radio, an der Beliebtheit des neuen aufsteigenden Mediums Tonfilm und an der Fülle des allabendlich in Berlin 'live' gebotenen Kultur- und Unterhaltungsprogramms konnte das Berliner Publikum Mitte der dreißiger Jahre von der Attraktivität des 'Guckkastens' nur enttäuscht sein. Gerade die Schilderung der Ausgehlust und körperlichen Anwesenheit etwa bei Live-Vorstellungen von Revue und Cabaret macht ja noch heute für uns die nostalgische Qualität jener Epoche aus, die für viele an Heimempfang gewöhnte Fernsehzuschauer der achtziger Jahre für immer verloren scheint. Der heute wieder neue Reiz an Live-Spektakeln mag eine Reaktion auf solche Verlusterfahrung sein. Gegen Ende der dreißiger Jahre wurde der Empfang von Fernsehsendungen in familiärer Privatheit — in Analogie zum Rundfunkempfang — bereits als die natürliche Rezeptionssituation des neuen Mediums gesehen, aber erst in fernerer Zukunft für realisierbar gehalten. Auch die Fernsehleute ahnten zwar im Heimempfang eine Zukunft des neuen Mediums, waren aber nur punktuell in der Lage, dies als Chance oder gar als Trumpf des Fernsehens gegenüber anderen Medien einzusetzen. Eine ausreichende Zahl von Heimempfängern blieb daher in Deutschland während der dreißiger Jahre noch weniger vorstellbar als die Einrichtung weiterer Fernsehstuben oder anderer Formen kollektiver Rezeption wie z.B. der Großbildprojektion in Kinos. Während die Techniker bis

199 1939 für ein Heimstubenmedium noch zu hohe Kosten sahen, konnten die Nazis neben ihrem Interesse, sich international als technisch überlegen zu profilieren, mit diesem Medium nur wenig anfangen: Im Fernsehfunk kann man nicht hinterher etwas herausschneiden oder hineinkopieren, wenn mal ein Bild nicht so ist, wie es der Vorstellung entspricht. Wenn es in das Ikonoskop hineingeschlüpft ist, dann rast es gedankenschnell durch den Äther und in das Fernsehbild des Empfängers hinein; und dann kann niemand die weniger gelungenen Stellen mit Schere oder Retusche hinauekomplementieren.65 Im Zeitalter der perfekten Inszenierung von Massenspektakeln, deren erlebter mit dem von den Machthabern gewollten Sinn zusammenfallen sollte, war solche Spontaneität nicht gefragt. Im Mediensystem des Dritten Reichs wurde das Fernsehen nicht gebraucht, weder als direktes Propagandainstrument wie der Rundfunk noch als Unterhaltungs- und Evasionsangebot wie die Spielfilm-Produktion der UfA. (Während des Krieges allerdings wurden die vorhandenen Fernsehanlagen in Berlin, solange sie noch funktionstüchtig waren, für die Truppenbetreuung benutzt: bis 1944 wurde ein Unterhaltungsprogramm für verwundete Soldaten gesendet.66) Solange die uns seit den fünfziger Jahren vertraute Identität des Mediums in engem Zusammenhang mit seiner privaten Rezeptionssituation nicht erkannt werden konnte,

"Film und Fernsehen", in: Der deutsche Film, Nr. 5, 1936; zit. nach Fernseh-Informationen, Nr. 19, 1986, S. 587. Vgl. Erwin Reiss, "Wir senden Frohsinn". Fernsehen im Faschismus. Das unbekannteste Kapitel deutscher Mediengeschichte, Berlin 1979; zur Frage der personellen und Programm-Kontinuität des deutschen Nachkriegsfernsehens siehe Knut Hickethier, "Vernebelter Anfang. Polemisches zur 'Stunde Null' des Fernsehens - beim Durchblättern fernsehhistorischer Erinnerungen", in: TheaterZeitSchrift, Heft 28: Theater- und Mediengeschichte nach 1945, 1989, S. 74-90.

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mußte sich das Fernsehen umso stärker über die spezifische Qualität seiner Produkte, welche sich als 'Werk' von anderen Medienprodukten abheben sollten, in einem Gattungssystem 'Kunst' legitimieren. Die Erfahrung der Verdrängung des Stummfilms durch die technische Realisierbarkeit des Tonfilms, die Erfahrung der Entwertung von Erlebnisqualität durch Medien (z.B. die Entwertung von 'Musik als Ereignis', zu dem man sich hinbegeben mußte gegenüber ständig verfügbarer Radiomusik im Heim), läßt als weiteres Hindernis schon 1935 eine typisch europäische, kulturpessimistische Perspektive "Gefahren des Fernsehens" entstehen, wonach technischer Fortschritt automatisch "einen künstlerischen Rückgang der Leistungen im Gefolge hatte". Das Fernsehen mußte daher von Beginn seiner Entwicklung in Deutschland mit einem verteidigenden Gestus rechnen, welcher vorhandene "Kunstgattungen" gegenüber der neuen technischen Entwicklung "zu schützen und zu erhalten" suchte, wie z.B. die in Blüte stehende Form des Funkspiels oder wie Kino und Theater, die nicht "alltäglich für jedermann, zu jederzeit erreichbar" werden sollten.67 Das Fernsehen geriet somit zusätzlich unter einen spezifisch 'künstlerischen' Leistungsdruck, dem die Programmleute des deutschen Fernsehens sich noch in keiner Weise gewachsen fühlen konnten. In dem entstehenden, nationalspezifischen Diskurs über die 'künstlerische Medienidentität' wurden alle Hoffnungen auf eine Produktidentität in das "Fernsehspiel" gesetzt, das aber lange Zeit nur Experiment blieb; nach Kurt Wagenführ war das "erste deutsche Fernsehspiel nur ein bunter Nachmittag"68:

Julius Lothar Schücking, "Gefahren des Fernsehens", in: Das deutsche Wort, Nr. 19, 12.5.1935. "50 Jahre deutsches Fernsehprogramm 1935-1985: Das erste Fernsehspiel der Welt war nur ein Bunter Nachmittag", zit. nach: Fernseh-Informationen, Nr. 10, 1985, Titelseite.

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Das erste deutsche Fernsehspiel, als Kleinkunstbühne gedacht und früher wohl 'Kabarett' genannt, brachte Gesang und Musik, und wer zum ersten Mal diesen verheißungsvollen Vorstoß sah, der mochte wohl nicht mehr staunen über das neue Wunder, das uns beinahe nicht mehr überrascht, weil wir den Tonfilm schon kennen und selten bedenken, welche Erkenntnisse nötig waren, um diesen technischen Vorgang zu meistern und zu diesem Ergebnis zu führen.69 IX. Rezeptionstraisen von Fernsehen Solange die spezielle Rezeptionssituation des Fernsehsenders noch nicht überzeugen konnte und eine 'künstlerische' Gestaltung des Programms auf sich warten ließ, mußte alle Medienidentität des Fernsehens auf Aktualität, unmittelbare Liveübertragung und die sogenannte 'Regie des Augenblicks' verwiesen werden, die aber höchstens VorAhnungen einer zukünftigen Mit-Erlebensqualität dramatisierte; vor einer Institutionalisierung des neuen Mediums im Alltag rechnete man eher mit einer Leistungs-Verbesserung von Technikern und Programmgestaltern als mit einem Wandel der Rezipienteneinstellung, zu der man aufgrund der fehlenden Erfahrungsvoraussetzungen noch nicht bereit war. Die über einen speziell eingerichteten Flugdienst Nürnberg-Berlin ermöglichte Berichterstattung vom Nürnberger Parteitag 1936 — welche trotz der Zeitverschiebung 'direkt' eindringlicher wirken sollte — war daher der damalige Stolz deutscher Fernsehleute: "denn das Einmalige, Unkorrigierbare [war] das 'Erregende' und Mitreißende" .TO Rundfunk, Presse und Film sind bemüht, allen die nicht dabei sein können, schnellstens und ausführlich von den großen Tagen in Nürnberg zu berichten. Ihnen gesellt sich - Wunder der Technik - das Fernsehen.71

"Das erste Fernseh-Sendespiel", zit. nach: FernsehInformationen, Nr. 10, 1985, S. 298. Wagenführ, Anmerkungen zum Fernsehen, S. 16. "Fernsehen vom Reichsparteitag", in: Die Sendung, Jg. 13, Nr. 38, 1936, S. 1133.

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Doch ungeachtet der Dominanz von körperlicher Partizipation und kollektiver Rezeption, wie sie für die Epoche charakteristisch war, finden sich gleichzeitig auch — typologisch ungleichzeitig — andere Rezeptionseinstellungen, wie sie (aus der Retrospektive) erst in den fünfziger Jahren dominant werden und dann dem Fernsehen zu seiner Institutionalisierung verhelfen sollten. Im folgenden Rezeptionsbeleg zur Übertragung des Nürnberger Parteitages von 1937 zeigt sich eindrucksvoll, wie eine Verbindung von 'natürlicher' und 'technisierter' Wahrnehmung schon zu einer neuen, medialen Erlebnisqualität verschmilzt: Es ist doch ein Wunderl Man sitzt in einer der Fernsehstuben in Berlin, man starrt ungläubig und zweifelnd auf den Bildschirm des Empfängers, über den seltsame Blitze schießen, ... Aber dann gewöhnt sich das Auge — genau wie Auge und Ohr sich im Theater erst gewöhnen müssen, Stimmen zu verstehen und Darsteller zu erkennen — und man erkennt marschierende Kolonnen, Gesicher tauchen auf, eine Fahne flattert, Menschen reden. Ein Bild blendet ab, und ein neues scheint auf, und nun saugt sich das Auge fest an den Lichtgestalten. Man vergißt seine Körperlichkeit; man löst sich aus der Erdgebundenheit, und man ist 'dabei', ... Man denkt viel mehr als daß man wüßte: jetzt bin ich in Nürnberg. Und später erst, wenn zwei Stunden wie im Fluge vorbeigegangen, macht man sich das alles nüchtern klar: man hat über 400 Kilometer hinweg ferngesehen. Und nicht nur gesehen. Man hat fernerlebt." Weiter unten heißt es dann: "... hier sind über Auge und Ohr alle Sinne beteiligt, und man glaubt, die Luft zu atmen in Nürnberg, meint des Himmels spätsommerliche Bläue wahrzunehmen, fühlt sich mitten unter den Auserwählten und ist von ihrer Begeisterung miterfüllt. Und es geschieht, daß mitten in die gespannte Stille ein unterdrückter Jubelschrei bricht, der Schrei eines Fernsehzuschauers, der so mitgerissen wurde, daß er die Ferne vergaß und nur noch die lebendige Nähe 72 fühlte Doch wenn auch mit den Direktübertragungen solcher Ereig-

Ludwig Kapeller, "Nürnberg ferngesehen", in: Hier Berlin!, Nr. 38, 1937, zit. nach: Fernseh-Informationen, Nr. 18, 1987, S. 497ff.

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nisse die Attraktivität des Fernsehens gestiegen sein mag/ so kann doch eine allgemeine Begeisterung für eine neuartige Erfahrung solchen medialen 'Mit-Erlebens', wie sie hier vom Chefredakteur der Programmzeitschrift "Hier Berlinl", Ludwig Kapeller, geschildert wird, noch nicht als 'typisch' oder symptomatisch betrachtet werden. Sicher ist jedoch, daß aktuellem Dienst und unmittelbaren Ubertragungen vom Ort des Geschehens zunehmend Funktion und 'Wesen des Fernsehens' zugesprochen werden. 1939 berichtet Kurt Wagenführ vom aktuellen Programmdienst der Rundfunkausstellung, bei der unter dem Motto "Sport und Mikrophon" auch der Weltrekord von Harbig aus dem Olympiastadion übertragen wurde: In den sogenannten acht Tagen zeigte sich augenfällig, was Fernsehen einmal bedeuten kann. (...) Das Fernsehen ist stets am überzeugendsten, wenn es im Gleichschritt mit den Ereignissen marschiert. Wer diese Tage miterlebt hat, merkt plötzlich, daß das Wort des Rundfunksprechers den Ereignissen nachhinkt, weil es das Geschehen erst dolmetschen muß. So winzig gering diese Spannung auch ist - sie wurde uns plötzlich bewußt. .. ,73 Dennoch bleibt diese — zeitliche — Optimierung des Fernsehens gegenüber anderen Aktualitätsmedien nur graduell, und der schwache Wettbewerbsvorteil, eine winzige Zeitspanne schneller und damit aktueller zu sein als der Film, wirkt inszeniert74 und erscheint wie ein Ersatzargument für Produktidentität, welches die Ausblendung der spezifischen Rezeptionssitutation erlaubte. Leider konnte das Fernsehen der dreißiger Jahre auch an solchen Aktualitäts-Ereignis-

Wagenführ, "Entwicklungsmöglichkeiten des Fernsehens", in: Deutsche Rundschau, 10, 1939, S. 184-191, zit. n. Wagenführ, Anmerkungen zum Fernsehen, S. 25. Vgl. "Berlin sah und hörte Nürnbergl", in: Berliner Tageblatt, 8.9.1937: "Wir hörten und sahen, was in Nürnberg vor sich ging - sahen und hörten es in demselben Augenblick, in dem sich in Nürnberg diese Dinge vollzogen. Keine Minute, keine Sekunde, ja nicht einmal der tausendste Teil einer Sekunde ging verloren".

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sen mit 'relativ' geringen Live-VerSchiebungen nur zu wenig Höhepunkte bieten, um allein mit diesem Argument dem Fernsehen das kontinuierliche Interesse eines Massenpublikums zu sichern. Ein Wandel der Rezeptionseinstellung gegenüber 'Heimempfang' läßt sich noch 1938 nur in vereinzelten Belegen nachweisen. Dennoch sind Zitate wie das folgende aus der Retrospektive der deutschen Fernsehgeschichte symptomatisch für einen Wandel von Rezipienteneinstellungen, die die spezifische Identität der neuen Kommunikationssituation erst konstituieren konnten. So belegt etwa Kurt Wagenführ, der als Besitzer eines Heimgeräts bereits sensibilisiert war für die neue Kommunikationssituation, in seinen Rezeptionsbeobachtungen an Gästen vor dem Fernsehempfänger, "wie schnell das Premierenpublikum versucht (e), die Fernsehsendung in seinen Lebenskreis einzuordnen": Der Einbruch, den das Fernsehen in die Häuslichkeit vollzieht, ist gewaltig und bisweilen fast umwerfend. Er ist sehr unmittelbar, er tritt mit der Inbetriebnahme des Empfängers auf, gegen ihn scheinen sich natürliche Abwehrkräfte bemerkbar zu machen, die nicht aus einer Ablehnung, sondern aus einer Erschütterung herrühren, die abklingen muß. Niemand läßt sich gerne aus dem Gleichgewicht bringen. Allerdings verliert sich das Gefühl meist schnell, ja, in vielen Fällen, die ich beobachten konnte, zu schnell. Nicht zum Schaden der Programmleute, sondern zum Schaden des Betrachters.75 Trotz der Dominanz einer Sphäre von Öffentlichkeit, die die Etablierung privater Kommunikations- und Rezeptionsformen behinderte, konnte man bei den Zuschauern, die schon Gelegenheit zu regelmäßigem privaten Fernsehen hatten — nachdem die Schwelle 'Einbruch in die Häuslichkeit' einmal überwunden war — sehr schnell ein SichEinlassen auf neue Rezeptionsweisen feststellen. Die mediale Identität des Fernsehens, wie sie erst seit den

Wagenführ, vgl. Anm. 50.

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fünfziger Jahren gerade über die Kopplung von Aktualität, privater Rezeptionssituation und neuer Sehqualität zu einer neuartigen, medial vermittelten Erfahrung geführt hat, konnte aber in den dreißiger Jahren im Zusammenspiel dieser einzelnen Elemente nicht erlebt werden. Zwar wurde auch in den dreißiger Jahren neben den ständigen Beschwerden gegenüber der geringen Bildqualität des Mediums auch die Beobachtung gemacht, das Fernsehauge sei 'potenter als das Menschenauge' (der Vergleich der Fernsehkamera mit dem menschlichen Auge verweist zugleich auf die Erfahrung der Erweiterung wie auf die (Noch-) Nähe des natürlichen Sehens). In der Frühphase des Fernsehens stieß man jedoch an eine Differenzqualität des Sehens gegenüber dem Film nur 'ungewollt' und ohne bleibende Wirkung wie z.B. am Ende der "nicht öffentlichen Propaganda-Übertragung" vom 30. April 1935, die "für den ersten Fernsehübertragungswagen der Welt" als Generalprobe der 1.-Mai-Feier geplant war: Ich glaube, am schönsten war das Nicht-Offizielle hier am Schluß, gerade als auf einmal verschiedene Herren sich ganz ungeniert bewegten, tatsächlich daß wir nicht den Eindruck hatten, hier wird uns ein Film vorgeführt, sondern wir sehen einmal fern und beobachten sie, ohne daß sie es überhaupt selbst ahnen.76 Erst in den fünfziger Jahren wurden solche vereinzelten Beobachtungen zu einer Faszination(skraft) für ein breiteres Publikum. Eine neue, privilegierte Sehqualität des Fernsehzuschauers konnte sich erst dann — in Zusammenhang mit einer privaten Rezeptionssituation, die 'befreit' von den Risiken menschlicher Interaktion und Partizipation — auf einer breiteren Grundlage etablieren, wie etwa77 bei dem ersten großen Fernsehereignis der NachZit. nach: Fernseh-Informationen, Nr. 7, 1985, S. 208. In unserer Untersuchung mentalitätsgeschichtlichen Wandels im Kontext eines Medienwechsels werden einzelne Ereignisse als Symptome langfristiger Verände-

206

kriegszeit, der Übertragung der Krönungsfeierlichkeiten von Elisabeth II. im Jahre 1953: Ein Beispiel für den Grad der Belauschung von früher in keiner Weise dem Auge zugänglichen Augenblicken soll hier genannt werden, weil es so überzeugend demonstriert, was das Fernsehen ist. Millionen Menschen haben zugesehen, als der englischen Königin bei der Huldigung ihres Gatten im Verlaufe der Krönung die Tränen in die Augen stiegen. Das waren echte Tränen im Vergleich zu den vorhin genannten aus Glyzerin. Die gleichen Millionen wären aber auch nächste Zeugen jedes Schwächeanfalls gewesen, der die Königin hätte befallen können. Jeder, der den Ablauf der englischen Krönung trotz der unvermeidlichen technischen Schwierigkeiten verfolgt hat, hat das eigenartige Gefühl, nunmehr den Menschen, den die Königin verkörpert, zu kennen. Dieses extreme Beispiel mag dafür stehen, wie in allen Fällen die Fernsehkamera das Offizielle, das Amtliche durchbricht und sich aus einer Maske oder Verkleidung den Menschen heraussucht.78 Fernsehen 1953 bedeutet daher nicht mehr nur 'Ersatz für Dabei-Sein' in 'dunkler, enger Stube'; man beginnt sogar, es als neues, privilegiertes Sehen zu erfahren, da es den Zuschauer in einen "ihm sonst vermutlich unzugänglichen Lebensraum" versetzt79 und ihm Einblicke erlaubt, die ihm selbst als Anwesender bei den Ereignissen nicht möglich gewesen wären. Es war der Beginn einer neuen Periode der Inszenierung von Unmittelbarkeit. Selbst bei so ritualisierten Veranstaltungen wie der englischen Krönungszeremonie konnte eine besondere Form der Unmittelbarkeit erlebt werden, die an das Medium Fernsehen gebunden war. Sie wurde umso prägnanter erfahren, solange den Prominenten und in der Öffentlichkeit Agierenden noch

rungen interpretiert; diese Ereignisse stehen paradigmatisch für einen Strukturwandel gesellschaftlicher Kommunikationsformen, für den man weitere Beispiele anführen könnte, etwa die Übertragung der Fußball-Weltmeisterschaft 1954 oder andere Eurovisionssendungen. Gerhard Eckert, Die Kunst des Fernsehens, Emsdetten 1953, S. 70. Ebd., S. 39.

207 nicht wie hautnah

heute bewußt

beobachtet

und

war,

daß die

'immer dabei'

Fernsehkamera ist.

In

sie

gleicher

Weise ist der Fernsehzuschauer seit den fünfziger Jahren nicht nur "durch viele Sendungen daran gewöhnt, daß ihn das Fernsehen

'dabei' sein läßt":80 Fernsehen ist seitdem

trotz allen Verlustes an Körperlichkeit und menschlicher Interaktion sogar zu einem Wohnstube geworden.

Ebd., S. 8.

'besseren Dabei-Sein'

in der

Peter Hoff (Berlin) "... das Bild des Führers in alle deutschen Herzen!" Das frühe deutsche Fernsehen als Gegenstand und als Medium der nationalsozialistischen Propaganda — eine "nicht bestellte Erfindung"

"Selbstverständlich gibt es keine umfangreiche und reichhaltige Literatur und Dokumentation der Nationalsozialisten über das Fernsehen, das es erst kurze Zeit gab. Es ist daher kaum möglich, ein treffendes Bild der propagandistischen und "weltanschaulichen" Auffassungen des Regimes über das Fernsehen zu vermitteln. Sicherlich aber war ein Volksfernsehen der Traum aller Propagandamanager. ..."1 Der antifaschistische Publizist Joseph Wulf traf diese Feststellung Anfang der sechziger Jahre, gestützt auf die wenigen veröffentlichten Äußerungen der Nazi-Führung zum Fernsehen in Deutschland. In den seit dem Erscheinen von Wulfs Dokumentensammlung vergangenen drei Jahrzehnten sind weitere Zeugnisse aufgefunden und publiziert worden, die es erlauben, die Absichten genauer darzustellen, die die nationalsozialistischen "Propagandamanager" mit dem von ihnen zur "deutschen Erfindung" erklärten "neuen Medium" Fernsehen verfolgten.2 Aus gegenwärtiger Sicht betrachtet, gerade auch angesichts der "apokalyptischen" Visionen eines Neil Post-

Joseph Wolf, Presse und Funk im Dritten Reich. Eine Dokumentation. Gütersloh 1964, S. 309. In der DDR vor allem die materialreiche Darstellung von Manfred Hempel, Der braune Kanal. Die Entstehung und Entwicklung des Fernsehens in Deutschland bis zur Zerschlagung des Faschismus, Leipzig 1969. Hempel zitiert in einem umfangreichen Anhang zahlreiche Dokumente, die ein aufschlußreiches historisches Quellenmaterial für die Beantwortung dieser Frage darstellen. Vergl. auch die auf zahlreiche Dokumente gestützte Studie von Heide Riedel, Fernsehen — Von der Vision zum Programm. 50 Jahre Programmdienst in Deutschland, Berlin (West) 1985.

209

man, hatten die deutschen Faschisten in den knapp zehn Jahren zwischen 1935, dem Beginn des "ersten regelmäßigen Fernsehprogrammbetriebes der Welt" in Berlin, und 1944, als im Zuge des "totalen Krieges" auch der Fernsehbetrieb eingestellt wurde, ein Medium in ihren Händen, das sich für die totalitäre Propaganda und Massenindoktrination und -manipulation geradezu aufdrängte. Es ist umso verblüffender, daß der Propagandaapparat des Joseph Goebbels während dieses gesamten Zeitraums kein brauchbares Nutzungskonzept für dieses "neue Medium" entwickelt hat. Es sind kaum Äußerungen der Naziführung zum Fernsehen überliefert, die darauf schließen lassen, daß man sich überhaupt um den wirksamen Einsatz dieses Mediums als Propagandainstrument bemühte. Auftritte der ersten Reihe der faschistischen Führung — Hitler, Göring, Goebbels, Himmler, Heß u.a. — vor den Fernsehkameras sind nicht bekannt. In seiner sehr knapp gehaltenen Antwort auf die Meldung des "Reichssendeleiters" Eugen Hadamovsky, die ihm die Aufnahme des "ersten regelmäßigen Fernsehprogrammbetriebes der Welt" am 22. März 1935 über den Fernsehsender Berlin-Witzleben mitteilte,3 begrüßte Hitler dieses Ereignis als "großen technischen Fortschritt" und wünschte "weiter guten Erfolg".4 Wortreicher, doch im gleichen Sinne antwortete auch Goebbels auf diese Mitteilung.5 Aufschlußreich für die Erkundung der Absichten, welche die Nazi-Führung mit dem Fernsehen verfolgte, ist der "Erlaß des Führers und Reichskanzlers über die Zuständigkeit auf dem Gebiet des Fernsehwesens" vom 12. Juli 1935. Dieser erste Gesetzestext der deutschen Faschisten zum Fernsehen sieht folgende Unterstellung der jungen Institution vor:

3 4 5

Ebd., S. 69 Ebd. Ebd.

210

Die weitere Entwicklung des Fernsehwesens erfordert dringend eine Zusammenfassung der staatlichen Zuständigkeiten in einer Hand. Mit Rücksicht auf die besondere Bedeutung des Fernsehwesens für die Flugsicherung und den nationalen Luftschutz ordne ich daher an: Die Zuständigkeiten auf dem Gebiete des Fernsehwesens gehen auf den Reichsminister der Luftfahrt über, der sie im Benehmen mit dem Reichspostminister ausübt.6 Wichtig für die Erhellung des politischen Hintergrundes für diese Entscheidung Hitlers ist die Tatsache, daß ein Erlaß der Reichsregierung vom 26. Februar 1935 den offiziellen Aufbau einer deutschen Luftwaffe ab 1. März 1935 verfügte, und durch das "Gesetz für den Aufbau der Wehrmacht" vom 16. März 1935 erfolgte die Einführung der allgemeinen Wehrpflicht.7 Im Reichspostministerium, dem die sendetechnischen Anlagen des Fernsehens unterstanden, und das gemeinsam mit der elektrotechnischen Industrie an der technologischen Weiterentwicklung des Mediums arbeitete, machte man sich offensichtlich schon sehr früh Gedanken über die militärstrategische Verwendung. Der Schriftsteller Arnolt Bronnen, der seit 1926 für den Rundfunk gearbeitet hatte und bereits 1934 mit vorbereitenden Studien zum Fernsehen betraut worden war, berichtete, daß er im Sommer 1936 mit der Ausarbeitung eines "Expose über die Rolle des Fernsehens im Α-Falle"8 durch die Leitung des Rundfunks beauftragt wurde. Bronnen stellte mit Betroffenheit fest: "Α-Fall ist Kriegs-Falll Du sollst ihnen helfen, das Fernsehen zum Kriegs-Instrument zu machen."9 Dennoch erarbeitete Bronnen, aus Angst, wie er schreibt, die geforderte Studie, die jedoch nicht realisiert wird.

Zit. ebenda, S. 72. Angaben nach: Deutsche Geschichte in Daten, Hrsg. von Institut für Geschichte der Deutschen Akademie der Wissenschaften zu Berlin, Berlin 1967, S. 704 - 729. Arnolt Bronnen gibt zu Protokoll, Beiträge zur Geschichte des modernen Schriftstellers, Berlin und Weimar, 1985, S. 413. Ebd.

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Ein Aktenvermerk des Referats Flanze im Reichspostministerium zur Kriegsverwendung des Fernsehens vom 29. April 1938 formulierte in sechs Punkten die Möglichkeiten des neuen Mediums im "Interesse der Landesverteidigung" und forderte dafür die "Bereitstellung öffentlicher Mittel", denn "Das Fernsehen ist im Kriegsfalle ein neues vorzügliches Nachrichtenmittel für die schnelle und geheime Wiedergabe von Befehlen und Meldungen zwischen den Dienststellen der Wehrmacht."10 Das Fernsehen wurde hier auf die Funktion eines Bildfunks reduziert, denn "Fernsehen liefert scharfe Bilder von Gegenständen, Personen, Skizzen, Kartenausschnitten bei der Empfangsstelle, die sich außerdem fotografieren lassen."11 Doch schon der ungarisch-deutsche Fernsehpionier Denes von Mihaly hatte 1926 das von ihm entwickelte Fernsehverfahren mit Hilfe des sogenannten Telehor möglichen Geldgebern mit dem Hinweis auf dessen militärische Verwendbarkeit empfohlen: Besonderes Gewicht kommt dem Telehor als Kundschafterinstrument bei der Armee zu. Eine auf einem Flugapparat angebrachte Bildaufnahmestation, welche auf drahtlose Übermittlung eingerichtet ist, gibt sofort auf beliebigen Stellen die genauen Stellungen des Feindes zu wissen.... Nicht minder wichtig ist der Umstand, daß der Generalstab zu jeder Zeit innerhalb weniger Sekunden sich über die genaue Verteilung der eigenen Truppen informieren kann und gibt somit die Möglichkeit einer vollkommen zentralisierten Leitung.12 Das Interesse an der militärischen Nutzung des neuen Mediums hat also offensichtlich bei der Nazi-Führung vor allen anderen Interessen an einer Verwendung des Fernsehens gestanden. Das Fernsehen war letztlich für das gleiche Schicksal bestimmt, wie es auch andere Entwicklungen teilten, die von den deutschen Faschisten aufgegriffen und

Zit. b. Hempel, S. 180. Ebd. Denes von Mihaly, Das elektrische Fernsehen und das Telehor, Berlin 1926, S. 195.

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weitergeführt wurden. Der "Volkswagen" wurde zum militärischen Kleintransporter, und die Autobahnen zu Heerstraßen. Die sendetechnischen Anlagen des Fernsehens, vor allem das Breitbandkabel, das bis zum Kriegsbeginn am 1. September 1939 verlegt worden war und eine Gesamtstrecke von 4340 km Länge aufwies, "hatten jetzt militärischen Belangen zu dienen."13 Im erwähnten "Erlaß des Führers ..." vom 12. Juli 1935 war dem Reichsministerium für Volksaufklärung und Propaganda des Dr. Joseph Goebbels noch kein Mitspracherecht am Fernsehen zugestanden worden. Es bedurfte erst ernsthafter Bemühungen von Seiten des Goebbels Ministeriums, bis Hitler am 11. Dezember 1935 in einem "Zweiten Erlaß ... über die Zuständigkeit auf dem Gebiet des Fernsehwesens" dem "Reichsminister für Volksaufklärung und Propaganda . . . die darstellerische Gestaltung von Fernsehübertragungen für Zwecke der Volksaufklärung und Propaganda" übertrug, freilich nicht, ohne hinzuzufügen: "Er hat in Fragen, die die Landesverteidigung berühren, das Einvernehmen mit dem Reichsminister der Luftfahrt herbeizuführen.1,14 Obgleich durch diesen "Erlaß" mit allen Vollmachten für die Nutzung des Fernsehens zu Propagandazwecken ausgerüstet, fand der Apparat des Goebbels Ministeriums zum Fernsehen einfach keinen Zugang. Das ist durch eine ganze Reihe von Dokumenten belegt.15 Es erwies sich, daß die faschistische Propagandamaschinerie im eigentlichen Sinne unschöpferisch war, daß ihre endliche "Leistung" in der Usurpation von Methoden und Mitteln bestand, die z. T. von ihren politischen Gegnern ausgearbeitet, oder aber, wie die Dramaturgie und Inszenierung ihrer Massenaufmärsche, dem Vorbild des italienischen Faschismus abgeschaut worden 13 14

15

Riedel, S. 97. Ebd., S. 73. Vergl. Hempel, S. 151-181

213 waren. Der Romanist Victor Klemperer, der sich als Jude in Nazi-Deutschland verborgen hielt und so, von "innen", den Alltag im Dritten Reich beobachtete und mit seinem Buch LTI (lingua tertii imperii) eines der bedeutendsten Werke zur Ideologie- und Sprachkritik des deutschen Faschismus schrieb, wies auf diesen Fakt hin: ... so wie der Titel Führer nur eine Verdeutschung von Duce ist und das Braunhemd nur eine Variation des italienischen Schwarzhemds und der Deutsche Gruß nur eine Nachahmung des Faschistengrußes, so ist die gesamte Filmaufnahme solcher Szenen (von Massenaufmärschen und -kundgebungen, P.H.) als Propagandamittel, so ist die Szene selber, die Führerrede vor dem versammelten Volk, in Deutschland dem italienischen Vorbild nachgeformt worden.16 Auch bei den Medien, die die Nationalsozialisten bei ihrem Machtantritt usurpierten, stützten sie sich auf vorhandene Konzeptionen, die sie ihren Erfordernissen anzupassen suchten. Sie bedienten sich der Film- und Rundfunkkonzeptionen der organisierten Arbeiterklasse, kehrten deren Zielstellung allerdings radikal um, gegen die Arbeiter. Aus Kommunikationsmitteln, zu denen diese technischen Medien in der politischen Massenarbeit der organisierten Arbeiterklasse werden sollten, machten die Propagandagewaltigen dee deutschen Faschismus "Führungsmittel". Das Individuum wurde zum Glied einer anonymen Masse deklassiert, der ein "Führer" Weg und Richtung gebot. Doch für das Fernsehen gelten den Faschisten entsprechende konzeptionelle Vorgaben, obgleich die gesellschaftliche Öffentlichkeit in Deutschland seit den Berliner Funkausstellungen 1929 und 1930, als die ersten Fernsehversuche noch nach dem mechanischen Prinzip vorgestellt wurden, an diesem neuen Medium Interesse zeigte. Auch der Begriff "Volksfernsehempfänger" war bereits in

Victor Klemperer, LTI. Leipzig 1968, S. 65.

Notizbuch eines Philologen,

214

Gebrauch. Im Rundfunkjahrbuch 1930, herausgegeben von der Reichsrundfunkgesellschaft Berlin, wurden bereits Typen des "Volksfernsehempfängers" nach dem mechanischen Prinzip vorgestellt. Walter Reisser, ein Techniker, erläuterte an gleicher Stelle den Entwicklungsstand des Fernsehens und kam zu dem Schluß: "Da zur Zeit in allen am Fernsehen interessierten Lagern mit großem Nachdruck gearbeitet wird, ist anzunehmen, daß auch das Fernsehen nicht mehr allzu lange braucht, bis es sozusagen "publikumsreif" geworden ist."17 Im gleichen Jahr 1930 äußerte sich der Rundfunkkommissar Hans Bredow zur Erwartung der Öffentlichkeit, daß in Kürze ein Fernsehprogramm eröffnet werden könnte, und verwies auf die Verantwortung, die die Rundfunkveranstalter mit diesem Schritt eingehen würden, wenn er zu früh gegangen würde, ohne daß die technische Entwicklung einen vertretbaren Stand erreicht hat. "Hier müssen wir uns auf eine ganz bestimmte durch Punktzahl, Bildzahl und Art der Synchronisierung gekennzeichnete Sendemethode und mit dieser auf einen vorher definierten Grad der Vollkommenheit festlegen, ehe an eine Einführung gedacht werden kann."18 Mit der Verwendung der Braunschen Röhre als Bildröhre wurde der entscheidende, revolutionierende Schritt vom mechanischen zum elektronischen Fernsehen am Anfang der dreißiger Jahre getan, so daß im Rundfunkjahrbuch 1932 der Verfasser einer technischen Bestandsaufnahme, überschrieben "Wie weit sind wir mit dem Fernsehen?", feststellen konnte: "Das Problem des Fernsehens ist gelöst. Bevor jedoch eine Einführung des Fernsehens für allgemeine Rundfunkzwecke in Frage kommt, müssen noch ... Vervollkomm-

18

Dr.-Ing. Walter Reisser, "Bildfunk, Fernsehen und Tonfilm." In Rundfunkjahrbuch 1930, Berlin 1930, S. 310. Zit. b. Riedel, S. 49.

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nungen abgewartet werden."19 Solcherlei Erwägungen spielten für die Nationalsozialisten kaum noch eine Rolle, als sie sich im Frühjahr 1935 zur Aufnahme des Programmbetriebes entschlossen. "Nicht die Massenwirkung der neuen Technik, sondern sein (des Fernsehens, P.H.) ideologischer Gebrauchswert als Propagandainstrument für den Nationalsozialismus rückten ins Bewußtsein; Deutschland die erste Fernsehnation der Welt!"20 Das Fernsehen wurde also noch im technischen Experimentalstadium an die Öffentlichkeit gezerrt, denn die Nationalsozialisten brauchten vorzeigbare Erfolge ihrer Politik. In den Jahren 1933 und 1934 hatten sie ihre Macht in Deutschland mit terroristischen Mitteln und mit allen erdenklichen Methoden der Rechtsbeugung gesichert und befestigt, die Parteien aufgelöst, mit dem Gesetz zur "Ordnung der nationalen Arbeit" vom 20. Januar 1934 die Betriebsräte entmachtet, das Tarifsystem außer Kraft gesetzt. Mit dem Blutbad vom 30. Juni 1934, dem sogenannten "Röhm-Putsch", entledigten sich Hitler, Göring und Himmler der möglichen Opposition in der SA und der Partei. Dieser innenpolitischen Konsolidierung der Macht der Führungsgruppe um Hitler folgten ab Jahresbeginn 1935 außenpolitische Aktivitäten des deutschen Faschismus, die schließlich 1939 in den Zweiten Weltkrieg führen sollten. In diesem Zusammenhang wurde auch das Fernsehen als sichtbarer Beleg für die wissenschaftlich-technische Leistungsfähigkeit und Innovationsbereitschaft des Nationalsozialismus zum willkommenen Gegenstand der Propaganda, zum Ausgangspunkt für Legendenbildungen, die bis in die Gegenwart nachwirken und noch ihre Tauglichkeit als Werbemittel bis

19

20

"Wie weit sind wir mit dem Fernsehen?" jahrbuch 1932, Berlin 1932, S. 86. Riedel, S. 68.

In, Rundfunk-

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heute beweisen.21 Die Nationalsozialisten handelten unter Druck, als sie am 22. März 1935 den Experimentalbetrieb zur technischen Erprobung von Möglichkeiten des Fernsehens zum "Fernsehprogrammbetrieb" erklärten, denn die britische BBC hatte für den Herbst 1935 ihren Programmstart angekündigt. In Großbritannien experimentierte man mit einem entwickelten System (405 Zeilen), das eine relativ gute Bildauflösung garantierte, während man in Deutschland noch eine Norm von 180 Zeilen (bei 25 Bildwechseln) vertrat. Arnolt Bronnen merkte sarkastisch an: "Es war eine reine Hochstapelei, denn es gab weder ein Fernsehen noch ein Programm, höchstens einen Betrieb, den der stellvertretende Reichssendeleiter Carl Heinz Boese für sich selbst ganz allein machte."22 In der "deutschen Fernsehlegende" wird dieser Programmstart zum Zeugnis deutschen technischen Pioniergeistes, bemerkenswerten Wagemutes, vertreten durch den stellvertretenden Reichssendeleiter C. H. Boese (nach Arnolt Bronnen "ehemals Provinzkomiker, ... der Erfinder der globalen Ansagen: "Hier alle europäischen, amerikanischen, afrikanischen Sender, angeschlossen der Reichssender Leipzig .. . "23), der die Mitarbeiter der Reichsrundfunkgesellschaft ermuntert: "Ja, worauf warten wir eigentlich? Sollen uns die Engländer wieder einmal überflügeln? Warum fangen wir nicht vor ihnen an, meine Herren?"24 Einen gewissen rationalen Kern hat diese Legende

Vergl. die Nutzung des "50. Jahrestages der Eröffnung des ersten regelmäßigen Fernsehprogrammbetriebes der Welt" als Werbemittel auf der Internationalen Funkausstellung 1985 in Berlin (West). Bronnen, S. 387. Ebd. S. 370-371. Ernst Pfau/ Egon Jameson, Weltmacht Fernsehen. Blick hinter den farbigen Bildschirm, Stetten a.F. 1967, S. 74.

217 allerdings. In der Tat gingen die Bemühungen um das Fernsehen vom Reichspostministerium und der Reichs-RundfunkGesellschaft (RRG) aus. Sie waren allerdings kaum auf technischen "Pioniergeist" zurückzuführen, wie die "deutsche Fernsehlegende" glauben machen will, sondern eher auf privaten Ehrgeiz und individuelle Profilierungssucht der entsprechenden Funktionäre. Arnolt Bronnen führt in seinem Rechtfertigungsbuch Arnolt Bronnen gibt zu Protokoll mehrere Beispiele dafür an.25 Bereits 1934 hatte "Reichssendeleiter" Eugen Hadamovsky den bei Goebbels in Ungnade gefallenen österreichischen Schriftsteller und Dramatiker Bronnen damit beauftragt, ein Expos6 über die Aufnahme eines FernsehProgrammbetriebes innerhalb der RRG auszuarbeiten. Ich hatte immer eine Abneigung gegen den Film gehabt. Im Fernsehen sah ich die Möglichkeit, die Vorteile des Films mit einer Entkonservierung der optischen Künste zu verbinden. Im Fernseh-Spiel, ebenso wie in der aktuell aufgenommenen Fernseh-Reportage, gab es noch die Magie des Augenblicks, das große Eins-Sein, die heilige Gleichzeitigkeit, in welcher für mich seit je die größte Kraft und der Sinn des Lebens beruht hatte. So betonte ich, sehr im Gegensatz zu den Bestrebungen, das Fernsehen nur für die Übertragungen von Filmen zu verwenden, mit Emphase die Bedeutung des Fernsehens für Fernseh-Spiel und Fernseh-Reportage und kam damit, ohne es zu wissen oder zu wollen, den Bestrebungen der Reichs-Sendeleitung entgegen, welche dem Film seine Gelder wie seine Erfolge neidete und sich, um es schlicht zu sagen, ihren eigenen Harem wünschte.26 Der Ideenmangel seitens der Fernsehverantwortlichen wie die noch nicht überwundenen technischen Mängel des neuen Mediums, das als "Frühgeburt" in die Welt gesetzt worden war, wurden durch Propagandagetrommel um das Fernsehen zu negieren versucht. In einem Aufruf des "Reichsverbandes Deutscher Rundfunkteilnehmer" (den Reichssendeleiter Hadamovsky mit Wirkung vom 31. Januar 1936 auflösen ließ)

Bronnen, S. 37 6 Ebd., S. 376-377.

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vom 27. September 1935, drei Wochen nach dem Nürnberger NSDAP-Reichsparteitag "der Ehre" (vom 9.9.1935) wurde die Frage gestellt: Warum wollen wir Nationalsozialisten in Deutschland Fernsehen? Ist das Fernsehen vielleicht auch ein Luxus? Adolf Hitler hat in Nürnberg angesichts der aufmarschierten Hunderttausenden erklärt: "Ich wollte nur, alle Deutschen des Reiches könnten in diesem Augenblick Euch, meine deutschen Kameraden, sehen I" Dieser Wunsch des Führers ist heute eine jederzeit realisierbare politische Wirklichkeit geworden und keine Utopie mehr! Wenn wir wollen, können morgen alle Deutschen nach Nürnberg sehen 1 Wenn wir wollen, kann die intensive Propaganda des gesprochenen Wortes morgen schon ergänzt werden durch die noch intensivere unwiderlegbare Propaganda des mit eigenen Augen Geschauten. Adolf Hitler hat darum in Nürnberg weiter erklärt: "Würde heute das ganze deutsche Volk Euch hier gesehen haben, ich glaube, auch die letzten Zweifler würden bekehrt werden, daß die Aufrichtung einer neuen Nation, einer neuen Gemeinschaft unseres Volkes kein Gerede, sondern eine Wirklichkeit ist." Darum ist Fernsehen kein Luxus, sondern eine politische Notwendigkeit der nationalsozialistischen Volksaufklärung und Propaganda. Wenn irgendetwas noch sicherer überzeugen kann, als das gesprochene Wort, dann ist es das Sehen mit eigenen Augen I Darum rufen wir die im Opfern und Kämpfen bewährten Nationalsozialisten und Nationalsozialistinnen des Reichsverbandes Deutscher Rundfunkteilnehmer auf: Schließt Euch überall zusammen und bildet Fernsehgemeinschaften! Sorgt durch Euren organisierten Willen dafür, daß diesen Empfangsgemeinschaften der praktische Apparatebau und der Senderbau auf der Stelle folgt! Arbeitet für die Einführung des Fernsehens und Ihr arbeitet damit für den endgültigen und vollkommenen Sieg der nationalsozialistischen Idee! Tragt das Bild des Führers in alle deutschen Herzen! Verkündet es allen jenseits der deutschen Grenzen!

219 Kämpft dafür, daß Deutschland das erste Land der Welt wird, in dem alle Volksgenossen fernsehen können! Es lebe der Führerl Es lebe unsere herrliche Bewegung! Es lebe das erwachte und sehend gewordene Deutschland!27 Auch dieser Appell war, wie die Programmeröffnung ein halbes Jahr zuvor, "Hochstapelei". Es ist bezeichnend, daß die Fernsehverantwortlichen nicht nur das Ausland über die Leistungsfähigkeit des noch gänzlich unentwickelten Fernsehens in Deutschland täuschen wollten, sondern auch die Führung im eigenenen Lande, die sich nach wie vor weitgehend uninteressiert zeigte. Der Aufruf läßt deutlich genug erkennen, daß die Betreiber des Fernsehens ihr Medium durch offizielle Anerkennung als Propagandamittel aufgewertet zu sehen wünschten. Doch das Fernsehen interessierte die Propagandamanager im Goebbels Ministerium nicht als Medium, sondern ausschließlich als Gegenstand ihrer Arbeit. Sie woben an der "deutschen Fernsehlegende", die ihren Höhepunkt in der Präsentation des Fernsehens im Rahmenprogramm der XI. Olympischen Sommerspiele Berlin 1936 fand. Diese Spiele waren von der faschistischen Führung als Propagandashow für ihre "Friedenspolitik" geplant, als eine ihrer gigantischen Masseninszenierungen, ähnlich ihren Reichsparteitagen in Nürnberg. Von der Goebbels-Propaganda wurden sie gleichzeitig als Medienereignis aufgebaut und entsprechend noch jahrelang nachgenutzt wie in den Olympiafilmen der Regisseurin Leni Riefenstahl, die nach aufwendiger Endfertigung 1938 in die Kinos kamen.28 Sie gaben

Zit. b. Joseph Wulf, S. 309-310. Olympia-Film. Teil I: Fest der Völker. Teil II: Fest der Schönheit. Deutscher Dokumentarfilm, eine Reportage von den XI. Olympischen Spielen 1936 in Berlin. Produktion: Olympia-Film GmbH., 1938. DB und RE: Leni Riefenstahl.

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noch 1940 dem Propagandastreifen Wunschkonzert, der die Rundfunkkonzeption des NS-Regimes als Handlungsmodell veranschaulichte, den Rahmen.29 Erklärtes Ziel der Nazi-Progaganda war die Demonstration deutschen Friedenswillens, vermittelt über die Usurpation des Olympischen Grundgedankens für den faschistischen Staat, obgleich noch während der Dauer der Olympischen Spiele die Söldner der "Legion Condor" in geheimer Mission zur Unterstützung des faschistischen Staatsstreiches General Francos nach Spanien geschickt wurden. Weitere Absicht der Propagandashow Olympiade war die Demonstration deutscher Überlegenheit auf allen Gebieten, im Sport ebenso wie durch die sorgsame Präsentation der Reichshauptstadt Berlin als weltoffene, fortschrittliche Metropole und als Stadt des technischen Fortschritts. Diesen Eindruck sollte auch das Fernsehen stärken helfen. Dabei war ihm jedoch nur eine sekundierende Rolle zugedacht, es durfte im eigentlichen politischen Showprogramm nicht in Erscheinung treten, seine Kameras und technischen Apparaturen mußten versteckt werden, damit sie das Massenschauspiel nicht störten.30 In 25 Fernsehstuben in Berlin, einer in Potsdam und zweien in Leipzig wurden täglich etwa acht Stunden Programm von der Olympiade übertragen, insgesamt 48 Sendungen, die von 162.228 Zuschauern gesehen wurden, der größten Zuschauerzahl, die das Fernsehen der Nazi-Zeit

Wunschkonzert. Deutscher Spielfilm. Produktion: Cine-Allianz-Tonfilm GmbH. Premiere: 1940. DB: Felix Lützendorf, Eduard von Borsody. KA: Fritz Weihmayr, Günter Anders, Carl Drews. RE: Eduard von Borsody. DA: Ilse Werner, Carl Raddatz, Joachim Brennecke, Ida Wüst, Hedwig Bleibtreu, Malte Jäger, u.a. Vergl.: Walter Bruch, Die Fernseh-Story, Stuttgart 1969, S. 114-115.

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jemals erreichte.31 Einerseits waren die Direktübertragungen von einem Originalereignis wie den Olympischen Spielen zweifellos technische Pioniertaten. Andererseits stellen sie jedoch auch Momente Nazi-deutschen Imponierverhaltens dar,demonstrierten sie nationalistische Überlegenheit, täuschten sie Aufgeschlossenheit für wissenschaftlich-technischen Fortschritt vor, während gleichzeitig führende Wissenschaftler aus dem Lande getrieben wurden. Für die eigentliche Fernsehentwicklung in Deutschland bedeuteten sie eine "Entwicklungsverzögerung", wie dies der zu einem Studienauftrag nach Großbritannien entsandte Postrat Harder in einem Bericht betont, in dem er die britische mit der deutschen Fernsehentwicklung vergleicht.32 Doch die "deutsche Fernsehlegende" betrachtet diese Vorgänge anders. Gerade dem kritischen Postrat Harder legte sie die Idee zu dieser "deutschen Pionierleistung" in den Mund: "Ich habe eine tolle Idee", versichert Ingenieur Harder vom Reichspostzentralamt in Berlin. "Wir werden als erste in der Welt die Olympischen Spiele im August 1936 per Fernsehen ausstrahlen."... Ein grandioser Plan wird ausgearbeitet. Er ist, weil so etwas noch nie zuvor in der Welt gemacht worden ist, ohne Beispiel.33 Die "deutsche Fernsehlegende" übernimmt unkritisch die Darstellung der Olympiade 1936 als Zeugnis deutschen Friedenswillens, wenn sie emphatisch schwärmt: Die Olympiaglocke läutet. Fanfaren ertönen. Tauben fliegen aus ihren Schlägen. Der 73jährige WiederNach Heide Riedel, S. 86. Manfred Hempel nennt unter Berufung auf einen "Bericht des Reichpostzentralamtes über die Fernsehübertragungen von den XI. Olympischen Sommerspielen in Berlin 1936" vom 1. Oktober 1936 "33 Fernsehstellen für Bevölkerung und Sportler" neben einer "beträchtlichen Anzahl von Heimempfängern" und gibt die Zahl von 190.000 Zuschauern an (a.a.O., S. 68; ebenda, S. 153-154). Zit. b. Manfred Hempel, S. 153-154. Pfau und Jameson, S. 77.

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begründer der Spiele, Baron Pierre de Coubertin, verkündet das Geleitwort: "Sinn der Olympischen Spiele ist nicht Sieg, sondern Teilnahrae, Ziel nicht Kampf, sondern Ritterlichkeit." Und in dem Gewirr der Tonbandgeräte, Filmkameras und Funkmikrophone thront als neueste Zauberattraktion das Ikonoskop und fängt zum ersten Mal unter europäischer Sonne all die Begebenheiten der 16 Tage auf. Täglich sechs Stunden lang laufen die Sendungen in den überfüllten Fernsehstuben und den beiden Fernsehkinos. An die 150.000 Berliner haben so die Möglichkeit, in den Postämtern die Spiele zu verfolgen. Einstimmiges Urteil: " Knorke 11,34 Die "deutsche Fernsehlegende" hat sich bis in die Gegenwart erhalten. Das Buch, aus dem hier mehrfach zitiert wurde, ist eine populäre Darstellung der Fernsehentwicklung und erschien anläßlich der Einführung des Farbfernsehens 1967 in der BRD. Diese Publikation übernimmt auch die von den Nationalsozialisten aufgebaute Legende um den "deutschen Erfinder des Fernsehens" Paul Nipkow, die das Ergebnis von schöpferischen Bemühungen unterschiedlichster Konstrukteure und Erfinder nationalistisch usurpierte. Die "Paul-Nipkow-Legende" als Teil der "deutschen Fernsehlegende" war von den Faschisten geschickt aufgebaut worden. Am 29. Mai 1935 wurde der Berliner Fernsehsender nach Nipkow benannt, und Reichssendeleiter Hadamovsky stellte die Leistung Nipkow jener Gutenbergs gleich, der den Buchdruck mit beweglichen Lettern erfunden hatte: Wir sind unendlich stolz darauf, daß dieser Mann ein Deutscher ist, und daß damit wie vor einem halben Jahrtausend ein Deutscher die grundlegende Voraussetzung für eine neue Kulturepoche schuf, nämlich den Buchdruck, nun wiederum ein Deutscher, der heute noch in unseren Reihen steht, die grundlegende Erfindung einer neuen Kulturepoche geschaffen hat. In der "deutschen Fernsehlegende" nimmt sich dies dann so aus: "Man hat ihn aus der Versenkung geholt und mit Recht als den genialen Pionier der neuen Weltmacht (Fernsehen,

Ebenda. Zit. b. Riedel, S. 79.

223 P.Η.) gefeiert. ... Paul Nipkow ist der erste Ingenieur der Welt, dem man ein Staatsbegräbnis gewährt."36 Erst in den letzten Jahren ist die Nipkow-Legende kritisch hinterfragt und korrigiert worden.37 Die "deutsche Fernsehlegende" verschweigt die Widersprüche in der alltäglichen Fernseharbeit. So hatte das Fernsehen noch im Frühjahr 1936 kein eigentliches ausgestrahlt, das am Abend zweimal, um 20.00 Uhr und dann noch einmal um 21.00 Uhr, gesehen wurde.38 Die Fernsehstuben waren also nichts anderes als elektronische Lichtspieltheater mit wöchentlich wechselndem Programm. Das Interesse der Öffentlichkeit, das der technischen Sensation gegolten hatte, ließ nach, der Publikumszustrom auf die Fernsehstuben verebbte. Zwei Berichte der Reichspostdirektion beziehen sich auf den Umstand, daß sich die Besucher der Fernsehstuben in Berlin weniger über den Entwicklungsstand des Fernsehens unterrichten wollen, als vielmehr die Fernsehstuben "als eine billige Wärmequelle" betrachten. Interessant ist dabei, daß über den Besuch der Fernsehstuben durch Juden geklagt wird, die "anständigen und am Fernsehen wirklich interessierten Volksgenossen" die Plätze wegnähmen.39 An diesen denunziatorischen Berichten verdient der Fakt Beachtung, daß in jüdischen Wohngebieten wie in Berlin-Mitte, auf das sich der Bericht bezieht, die Fernsehstuben offensichtlich den rassisch verfolgten Juden, denen der Besuch traditioneller Kulturveranstaltungen verboten war, geistig-kulturelle Anregung und Zuflucht

Pfau und Jameson, S. 79. So bei Manfred Hempel, S. 59-62; vergl. auch Erwin Reiss: "Wir senden Frohsinn". Fernsehen unterm Faschismus. Berlin (West) 1979, S. 62. Vergl. Knut Hickethier: "Die ersten Programmstrukturen im deutschen Fernsehen. Von der wohlproportionierten Mitte zum Viertelstundentakt," in Rundfunk und Fernsehen. 32. Jahrgang 1984/4, S. 444. Zit. b. Manfred Hempel, S. 155-156.

224

boten, da sie in den gültigen Gesetzen zur Rassendiskriminierung — vergessen worden waren. Diese Frage verdiente gründlichere Untersuchung. Mit den Übertragungen von den Olympischen Spielen 1936 hatte die "deutsche Fernsehlegende" ihren Zenit überschritten, das Fernsehen als Gegenstand der propaganda war moralisch verschlissen, zumal auch andere Länder — Großbritannien, aber auch und vor allem die USA — mit Leistungen auf diesem Gebiet konfrontierten, die Deutschland in Zugzwang brachten. Goebbels nahm im Januar 1937 Veränderungen in der Leitung des Rundfunks vor und verstärkte bei dieser Gelegenheit auch den Personalbestand des Fernsehens auf (im November 1938) 37 Mitarbeiter,40 wobei augenscheinlich der fachlichen Qualifikation bei der Auswahl neuer Mitarbeiter mehr Aufmerksamkeit geschenkt wurde als der "sauberen" Kaderakte. Arnolt Bronnen beispielsweise, durch eine "linke" Vergangenheit als enfant terrible des Theaters der zwanziger Jahre sowie durch eine "zweifelhafte rassische Herkunft" doppelt belastet, fand hier ebenso Arbeit wie der den Kommunisten nahestehende frühere sozialkritische Filmregisseur Phil Jutzi, der als Kameramann unterkam. Ziel der Veränderungen in der Leitung und im Personalbestand war die Schaffung eines eigenständigen Fernsehprogramms mit der Dominante eines den spezifischen Erfordernissen und Bedingungen des Fernsehens entsprechenden Fernsehspiels. Die Möglichkeiten eines solchen "Fernsehspiels" waren freilich nicht unumstritten. Die britische BBC hatte schon 1930 erste Erfahrungen mit dieser neuen Kunstform gesammelt.41 Artur Kutscher, einer der Begründer der deutschen Theaterwissenschaft, der sich als einer der

40 41

Riedel, S. 85. Nach Artur Kutscher, Stilkunde des Theaters. Grundriß der Theaterwissenschaft, II. Teil, Düsseldorf, 1936, S. 169.

225 ersten Wissenschaftler theoretisch mit dem Fernsehen auseinandersetzte, stellt dessen künstlerische Möglichkeiten infrage.42 In seiner Darlegung verweist er jedoch auf einen interessanten Zusammenhang: Es konnte gar nicht ausbleiben, daß sofort (nach Einführung des Fernsehens, P.H.) eine Verdrängung des Films und wieder einmal ein Ende des Theaters prophezeit im Hause habe, und wies die Bedenken der Unkosten damit zurück, daß man dann die überflüssigen Schauspiele und Opernhäuser pachten und dort der versammelten Menge neue Spiele vorführen werde.43 Folgt man diesen freilich nur skizzenhaften Darstellungen Kutschers, so läßt sich daraus schließen, daß es seitens der Nationalsozialisten seinerzeit Überlegungen gab, das Theatererlebnis auf dem Wege der Fernsehübertragung zu privatisieren, die Theaterkunst in die heimische Sphäre der Zuschauer zu verlegen, während die Theatergebäude den suggestiven Massenerlebnissen in Kundgebungen und kultischen Weihespielen vorbehalten werden sollten, wie sie die Faschisten am Beginn ihrer Herrschaft einzuführen trachteten.44 Tatsächlich wiesen die frühen Inszenierungen von Fernsehspielen noch eine große Nähe zum Theater auf. "Die Kamera nahm den Sitz des Zuschauers im imaginären Parkett ein und aus dieser Sicht heraus wurde die gesamte Aufführung fotografiert und übertragen."45 Doch die Zeit nach 1938, auf der Grundlage einer modernisierten und endlich dem möglichen Höchststand angepaßten Technik mit der 441-Zeilen-Norm im Zeilensprungverfahren, mit einem neuen Studioraum, der auf einer exzentrischen Rundbühne

42 43 44

45

Ebenda, S. 169. Ebenda, S. 170. Vergl. Jutta Wardetzky, Theaterpolitik im faschistischen Deutschland. Studien und Dokumente, Berlin 1938, S. 90 ff. Tony Schwaegerl, Das deutsche Fernsehspiel von 19361961 — 25 Jahre deutsches Fernsehspiel. InauguralDissertation der Philosophischen Fakultät der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg, 1964, Ms., S. 39.

226

den Aufbau mehrerer Dekorationen ermöglichte und mit einem Regietisch ausgestattet war, auf dem bereits Bildmischungen und -Überblendungen durchgeführt werden konnten, wo mit den zwei Kameras die Sendungen schon nach dem Mehrkamera-Prinzip gestaltet werden konnten, wurde zur eigentlichen Periode des Erfahrungsgewinns über Möglichkeiten und Grenzen der Fernseharbeit, gewonnen an der Gestaltung von Fernsehspielen und szenisch gestalteten Studiosendungen. "Es war eine ganz neue Technik, die hier im Entstehen war, um ein Bedeutendes feiner als die plumpe Film-Technik. Sie erforderte eigene Fernseh-Manuskripte, einen eigenen Fernseh-Darstellungs-Stil.1,46 Diese Erfahrungen fanden aber erst nach der Zerschlagung des Faschismus Berücksichtigung, beim Aufbau des Fernsehens in der BRD, aber auch in den ersten theoretischen Diskussionen um Möglichkeiten und Probleme beim Aufbau eines sozialistischen Fernsehens in der DDR. Eine besondere Rolle spielte dabei das Buch Die Kunst des Fernsehens, veröffentlicht 1953 als erste deutschsprachige umfassende Abhandlung zur Medien- und Kunstspezifik des Fernsehens und folglich lebhaft diskutiert, geschrieben von Gerhard Eckert, dem früheren führenden Rundfunktheoretiker des NS-Staates. Sein Buch Der Rundfunk als Führungsmittel aus dem Jahre 1941 trug seinerzeit programmatischen Charakter.47 Für Joseph Wulf waren die Bemerkungen Gerhard Eckerts zur Funktion des Rundfunks bei der Verbreitung der Nazi-"Weltanschauung" von so prototypischer Gültigkeit, daß er einen Auszug aus dessen Buch in seine eigene Dokumentensammlung aufnahm.48

47

48

Bronnen, S. 426. Gerhard Eckert, Der Rundfunk als Führungsmittel. Studien zum Weltrundfunk und Fernsehrundfunk, Hrsg. v. Dr. Kurt Wagenführ in Zusammenarbeit mit dem Institut für Rundfunkkunde an der Universität Berlin, Bd. 1, Heidelberg/Berlin/Magdeburg 1941. Wulf, S. 311-312.

227 Gerhard Eckert war ein Kenner der Propagandamethoden des Goebbels-Ministeriums. Er rühmte seinerzeit am Rundfunk vor allem dessen integrative Potenz, seine Kraft, ein ganzes Volk um die Zentralgestalt des politischen Systems, um den "Führer" zu scharen und dieses Volk auf das "Führerwort" einzuschwören. Neben der Integrationskraft, die vom Rundfunk ausging, erkannte Eckert auch dessen bestimmendes Merkmal der Allgegenwärtigkeit, das die elektronischen Medien, den Rundfunk wie später das Fernsehen, vor den traditionellen Printmedien und auch vor dem Film auszeichnete. Er sah die Propagandakraft vor allem darin, daß der Rundfunk "ein Gemeinschaftserlebnis des ganzen Volkes mit Hilfe des Lautsprechers hervorrufen"49 kann. Nur ein Dutzend Jahre später, 1953, kommt derselbe Gerhard Eckert bei seiner Analyse der Spezifik des Fernsehens zu ganz anderen Schlüssen. Eckert unterstreicht mit seinen Beobachtungen, die er noch an den Programmen des Nazi-Fernsehens gesammelt haben muß, denn neuere Erfahrungen mit dem Fernsehen und mit der Fernsehkunst lagen zu jener Zeit noch nicht vor, den besonderen Charakter der Fernsehrezeption: Das Fernsehen wendet sich mit seinen Sendungen an den Einzelnen. Es erreicht ihn in seiner Wohnung. Der größte Kreis, der sich um den Empfänger schart, ist, von Ausnahmefällen abgesehen, die Familie ... . . .Da Fernsehen ein Einzelerlebnis ist, muß die Fernsehsendung das Individuum ansprechen, nicht aber die Masse. Der Genuß des Fernsehens ist intim, nicht kollektiv.so Hatte die Nazi-Propaganda bei der Installierung der "deutschen Fernsehlegende" ihre größten Erfolge dort gehabt, wo sie mit der technischen Attraktion verblüffen konnte, so sieht Eckert, selbst schon früh mit den Geräten für den Heimempfang ausgestattet gewesen wie die meisten

Ebenda, S. 312. Gerhard Eckert, Die Kunst des Fernsehens, Emsdetten 1953, S. 30.

228

Fernsehkritiker der dreißiger/vierziger Jahre, denn die Industrie investierte durchaus in die Popularisierung der Fernseh-Idee und gab sich großzügig, indem sie den Bildnern der öffentlichen Meinung entsprechende Gerätschaften kostenlos zur Verfügung stellte,51 die Flüchtigkeit dieser ursprünglichen Attraktion und reduzierte die Fernsehwirkung auf deren alltägliche Möglichkeiten: Ist erst der prickelnde Reiz der Neuheit des Bildes im eigenen Zimmer überwunden, dann verhält sich der Fernseher kaum noch anders als der Rundfunkhörer" er läßt den Fernsehempfänger laufen, um sich nur noch dort in Konflikt mit ihm zu bringen, wo es ihm die Sache wert erscheint. So kann der nach Belieben allein den Ton oder allein das Bild des Empfängers laufen lassen, um von der ausgeschalteten Äußerung nicht gestört zu werden, aber auch nicht in die Gefahr zu geraten, etwas zu versäumen·52 Wie Eckert beurteilt später auch Kurt Wagenführ, der erste Fernsehkritiker in Deutschland, die Wirkung des Fernsehens. 1963 merkt er zum Charakter des Fernsehauditioriums an: Der Fernsehzuschauer ist nicht "Masse". Die Zuschauerschaft setzt sich aus einer Vielzahl von kleinen Gruppen zusammen (meist in Familienstruktur). Diese "Gruppen" sind nach der Arbeit des Tages abgespannt, sie suchen Entspannung. Das bedeutet, daß das Interesse an der Programmsparte "Unterhaltung" von vornherein sehr groß ist; an diese Sparte geht der Zuschauer mit einer positiven Vorstimmung, mit einer guten Einstimmung, mit gutem Willen heran. Die Einzelsendung wird ad hoc beurteilt, sehr kritisch und oft aus distanzierter Einstellung heraus.53 Die Gewöhnung an das Fernsehen als "elektronischem Hausgenossen" zieht schließlich auch noch die Realisierung des egalitären Charakters der Kommunikationsprozesse über dieses Medium nach sich. Das Fernsehen stiftet mit seiner kommunikativen Charakteristik Gleichheit zwischen Kommunikator und Kommunikant, stiftet ein fiktives Gespräch

Vergl. Riedel, S. 70. Eckert, 1953, S. 30. Ebd.

229 zwischen ihnen, bei dem sich der Kommunikant, der Zuschauer in seinem eigenen häuslichen Milieu, im "Heimvorteil" befindet. Dazu Gerhard Eckert: Fernsehen ist die Zwiesprache eines Menschen im Studio mit einem Menschen daheim. An den Einzelnen muß der Fernsehgestalter immer denken, der für ihn entweder verkörpert ist in der Kamera, dem sozusagen in die Gestalt eines foto-elektrischen Roboters verwandelten Zuschauers, oder in der Person des interviewenden Partners, der nichts anderes ist als der Vertreter des Fernsehers daheim.54 Wir setzen voraus, daß diese Erkenntnisse über das Fernsehen von ihren Autoren anhand der Programme des frühen deutschen Fernsehens der Nazi-Zeit gesammelt wurden, daß sie also in ihren Grundeinsichten aus den vierziger Jahren datieren. Wenn diese Charakterisierungen der Fernsehwirkung schon seinerzeit bekannt waren — welches Interesse konnten die Propagandaverantwortlichen des NSStaates an der Nutzung des Fernsehens als Progagandainstrument haben und es zum "Volksfernsehen" ausbauen wollen? Die faschistische Propagandatheorie und -praxis ist zutiefst elitär und konservativ. Die Aufassung von der Rolle der Massen, wie sie Goebbels und Hitler in ihren Schriften unverhohlen vertraten, weisen in das 19. Jahrhundert zurück, auf den französichen Massenpsychologen Gustave Le Bon.55 Goebbels nennt die Masse eine "schwache, faule, feige Mehrheit von Menschen. Die breiten Massen gewinnt man nie ganz. Ihre besten Teile müssen so in Form gebracht werden, daß sie zum Schluß ihren Siegeslauf antreten."56 Die "Massen" sind für die Faschisten aus-

Kurt Wagenführ, "Phänomenologie der Fernseh-Erfolge," in Vierzehn Mutmaßungen zum Fernsehen, Hrsg. v. AnneRose Katz, München 1963, S. 63. Vergl. Gustave Le Bon, Psychologie der Massen, Stuttgart 1922. Joseph Goebbels, Signale der neuen Zeit. 25 ausgewählte Reden. München 1934, S. 51.

230 schließlich Objekte der Beeinflussung, nicht Subjekte geschichtlicher Entwicklungsprozesse wie in der leninistischen Auffassung dieser Kategorie.57 Hitler spricht der Masse gar jede Intelligenz ab: "Bei der geringen Denkfähigkeit der breiten Massen wundere man sich nicht über den Erfolg."58 Er baut auf die "Primitivität der Empfindungen der breiten Massen".59 Seine Verachtung der Massen teilt er mit Mussolini, der versicherte: "Ihr wißt, ich bin kein Verehrer dieser neuen Gottheit, der Masse."60 Der stumpfen, dumpfen Masse wird in der Propaganda der denkende, lenkende, leitende Führer gegenübergestellt. Er bedient sich der Mittel und Methoden der Propaganda, um sein Ziel zu erreichen: Die Masse in seine Richtung, auf sein Ziel hin zu bewegen. "Die Aufgabe der Propaganda liegt nicht in einer wissenschaftlichen Ausbildung des einzelnen, sondern in einem Hinweisen der Massen auf bestimmte Tatsachen, Vorgänge, Notwendigkeiten usw., deren Bedeutung erst in den Gesichtskreis der Massen gerückt werden soll."61 Der Feind der faschistischen Propaganda ist das Denken, und "...so muß ihr Wirken auch immer mehr auf das Gefühl gerichtet sein und nur sehr bedingt auf den sogenannten Verstand. Jede Propaganda hat volkstümlich zu sein und ihr geistiges Niveau einzustellen nach der Aufnahmefähigkeit der Beschränktesten unter denen, an die sie sich zu richten gedenkt."62 Man urteile selbst, inwieweit sich ein Medium wie das Fernsehen, das sich zunächst an das Individuum wendet,

58 59

60 61 62

Wladimir Iljitsch Lenin, "Der 'linke Radikalismus', die Kinderkrankheit im Kommunismus," in Ausgewählte Werke, Bd. V, Berlin 1971, S. 489-490. Adolf Hitler, Mein Kampf, 2. Auflage, München 1926, S. 49. Ebenda, S. 193. , , Benito Mussolini, Reden, Hrsg. v. H. Meyer, Leipzig 1925, S. 103. Adolf Hitler, Mein Kampf, München 1939, S. 197. Ebd.

231

für die Propaganda der Faschisten brauchbar war. Ein Medium zudem, das seinem Nutzer Souveränität und Widerspruchsrecht auf Grund seiner medienspezifischen Kommunikationsbedingungen zu gewähren hat. Hitler formulierte seine Anforderungen an eine wirksame nationalsozialistische Propaganda aus dem Geiste des "Aristokratisrous" im "Führer- und Heroenkult" des Nationalsozialismus, wie dies der antifaschistische Publizist Hans Günther ausdrückte.63 "Sie [die Propaganda, P.H.] hat sich ewig nur an die Masse zu richten! Für die Intelligenz ... ist nicht Propaganda da, sondern wissenschaftliche Belehrung.1,64 Notwendig für das Funktionieren dieser Art von Propaganda ist "die glänzende Kenntnis der Primitivität der Empfindungen der breiten Massen",65 denn die "Aufnahmefähigkeit der großen Masse ist nur sehr beschränkt . . ., dafür jedoch die Vergeßlichkeit sehr groß. Aus diesen Tatsachen heraus hat sich jede wirkungsvolle Propaganda auf nur sehr wenige Punkte zu beschränken und diese schlagwortartig ... zu verwerten.1,66 In den Massen müssen elementare Gefühle freigesetzt werden, die die möglichen Zweifel zerstreuen oder besser: gar nicht erst aufkommen lassen. Der Glaube ist schwerer zu erschüttern als das Wissen, Liebe unterliegt weniger dem Wechsel als Achtung, Haß ist dauerhafter als Abneigung, und die Treibkraft zu den gewaltigsten Umwälzungen auf dieser Erde lag zu allen Zeiten weniger in einer die Massen beherrschenden wissenschaftlichen Erkenntnis als in einem sie beseelenden Fanatismus und manchmal (Π in einer sie vorwärtsjagenden Hysterie. Auf der Grundlage dieser Selbstaussagen der faschistischen Führer, die seinerzeit alle veröffentlicht und für jeden einsehbar vorlagen, entwickelten die Nazis ihre Methoden 63 64 65 66

67

Hans Günther, Der Herren eigner Geist. Ausgewählte Schriften, Berlin und Weimar 1981, S. 202. Hitler, 1939, S. 196. Ebd., S. 202. Ebd., S. 198. Ebd., S. 371.

232 der Propaganda. Die Propaganda wurde zur lärmenden Trommelei, zum ungeheuren Spektakel, zur Marktschreierei. Sie wurde ungeschminkte Anpreiserei, Reklame; sie suchte zu "werben", indem sie die Sinne verwirrte, die Köpfe benahm; nicht von ungefähr wurde von "Holzhammermethoden" gesprochen. Das Argument ist verpönt, es ist zu fein und zu verwickelt und stellt an die Denkkraft zu hohe Anforderungen; der äußerliche gewaltige Eindruck soll das Urteil lähmen und einfach überrumpeln.68 Diese Charakterisierung der faschistischen Propaganda durch den Philosophen Ernst Niekisch entsprach durchaus deren Selbstverständnis. So sah Hitler als die "allererste Voraussetzung jeder propagandistischen Tätigkeit überhaupt: ... die grundsätzlich subjektiv einseitige Stellungnahme derselben zu jeder von ihr bearbeiteten Frage. . .. Sowie durch die eigene Propaganda erst einmal nur der Schimmer eines Rechtes auch auf der anderen Seite zugegeben wird, ist der Grund zum Zweifel an dem eigenen Rechte schon gelegt."69 So kommt Ernst Niekisch ganz folgerichtig zu dem Schluß: Die faschistische Propaganda war das Musterbeispiel eines Unternehmens, das auf die Erzeugung eines falschen Bewußtseins ausgerichtet war. Die kleinbürgerlichen Massen, aber auch die Arbeiter, sollten so denken und sehen, wie es der schwerindustriellen Großbourgeoisie Vorteil brachte. Nationalismus, Sozialismus, Rassismus, Antisemitismus, Antibolchewismus, Militarismus waren Elemente eines "Weltbildes", das jedem kleinen Mann Kopf und Atem benahm.70 Die Nationalsozialisten vertrauten der Masse des Volkes nur in jenem Maße, in dem sie die Massen-Reaktionen lenken und kontrollieren konnten. Sie waren in dieser Massenauffassung noch dem 19. Jahrhundert verhaftet, sie sperrten sich gegen neuere massenpsychologische Einsichten. Gemäß diesen Erkenntnissen, wie sie vor allem die

®® ™

Ernst Niekisch, Europäische Bilanz, Potsdam 1951, S. 354-355. Hitler, 1939, S. 200. Niekisch, S. 354.

233 ökonomische Analyse des Marxismus zutage gefördert hatte, war die Masse auch in den vielen dispersen einzelnen Individuen noch präsent. Die Faschisten suchten und provozierten die Situationsmasse, die sie in ihren Masseninszenierungen zu formieren beabsichtigten. Von diesen Vorstellungen waren auch die Medienkonzeptionen der Nationalsozialisten bestimmt. Für sie war das Kino zum primären Unterhaltungsmittel geworden. Der populäre Unterhaltungsfilm dominierte die Spielpläne der Lichtspieltheater. Der Kinozuschauer war aus seiner alltäglichen Wohn- und Lebewelt für die Stunden der Filmrezeption herausgelöst. Der Filmzuschauer bleibt auch während des Rezeptionsprozesses von Fernsehsendungen in dieser Welt seines Alltags. Auch in den Masseninszenierungen des Faschismus wurde das Individuum aus seinem Alltag gelöst, dazu noch aus seiner persönlichen Unbedeutendheit. Es wurde in einer Masse aufgehoben, die für sich schon "Kraft" und "Macht" bedeutete, mit der überragenden Führerpersönlichkeit an der Spitze. Wie anders dagegen im Fernsehen: Auf dem Bildschirm des Fernsehempfängers wurde auch der "Führer" — zum zufälligen Besucher, den man durch "Abschalten" — ausschalten, aussperren konnte -- für die faschistische Propaganda undenkbar. Es war diese "subversive" Natur des neuen Mediums Fernsehen, das die "erhabenen Gegenstände" dem Individuum zur beliebigen Nutzung ausliefert, was das faschistische Propagandamanagement von einer Nutzung für die eigenen Zwecke abhält. Das Fernsehen hätte den Faschisten eine Veränderung ihrer gesamten Propagandakonzeption abverlangt, zu der sie nicht in der Lage waren. So blieb das Fernsehen "ein netter Privatspaß für Hitler und Goebbels, die sich gern vor ihren Gästen mit dem damals in Deutschland noch seltenen Fernsehgerät auf-

234 spielten."71

Seine medialen Möglichkeiten für ihren Zweck

zu nutzen, waren sie nicht in der Lage. für

sie

sind",

72

eine

jener

Erfindungen,

Das Fernsehen war

"die

nicht

bestellt

wie Brecht in seinen Aufsätzen und Polemiken zur

"Radiotheorie"

schrieb.

Sie

wußten

nichts

mit

diesem

neuen Medium der Massenkommunikation anzufangen, weil sie keine

Kommunikation

der

Massen

wünschten oder beabsichtigten. konnte

unter

gelangen, eines

dem

deutschen

mit nicht

gleich ob der Krieg nun die

Deutschen vor

Rundfunk-

und

wie

er auf

des

Zweiten

unter

der

zur

Reife

der

Großen

1939, nicht.

Naziherrschaft

möglich und sicher auch nie vorgesehen.

vier

Welt-krieges,

vorgestellt worden war, verhindert hat oder war

Massen

Serienproduktion

Fernsehausstellung

Entfesselung

"Volksfernsehen"

den

Das neue Medium Fernsehen

Faschismus

"Fernseh-Volksempfängers",

Wochen

oder

Ein nicht

Zum Glück!

Bronnen, S. 418. Bertolt Brecht, "Der Rundfunk als Kommunikationsapparat. Rede über die Funktion des Rundfunks," in Schriften zur Literatur und Kunst, Bd. I, Berlin und Weimar 1966, S. 138.

William Uricchio

(University Park, PA, USA)

Fernsehen als Geschichte: Die Darstellung des deutschen Fernsehens zwischen 1935 und 1944

Als Walter Benjamins Aufsatz "Das Kunstwerk im Zeitalter seiner technischen Reproduzierbarkeit" Anfang 1936 in der Zeitschrift wenige

für

Monate

Gesellschaft

Sozialforschung

vergangen, im

März

erschien,

seitdem 1935

die

den

waren

nur

Reichs-Rundfunkersten

Fernsehdienst der Welt angekündigt hatte.

1

regulären

Dieses beinahe

Erscheinen eines neuen Massenmediums und der gleichzeitige impliziten Kritik an dessen kultureller Prägung ist in der Tat auffallend und höchst beachtenswert.

Angesichts der

enormen kulturellen Rolle, die d^s Fernsehen in späteren Jahren anzunehmen begann, und der relativen Randstellung Benjamins

als

Mitglied

eines

kleinen

Intellektuellen-

kreises erscheint es jedoch erstaunlich, daß sein Essay bis heute eine wesentlich profiliertere Stellung einnimmt als die durchaus bedeutenden Entwicklungen des deutschen Fernsehens zwischen 1935 und 1944.

Benjamins Erörterung

eines kulturellen Wandels hin zur Rezeption im Zustand der Zerstreuung

und

damit

verbunden

seine

hellseherischen

Beobachtungen zur Massenästhetik und Politik sind nämlich nur

ein

Diskurs

innerhalb

eines

ganzen

Spektrums

von

Diskursen, die die Entstehung des Fernsehens begleiteten. Besonders in Deutschland verliehen die vielfältigen und

sich

oftmals

im

Verwaltungseinheiten

Konflikt und

Persönlichkeiten,

Fernsehen

verantwortlich

Vorstellung

von

diesem

miteinander

waren,

Medium

ganz

befindenden die

ihrer klar

für

das

jeweiligen und

deutlich

Der deutsche Fernsehdienst wurde am 22. März 1935 für "öffentlich" erklärt; Benjamins Aufsatz erschien in Band 5, Heft 1, 1936.

236

Ausdruck. Der sozialistische Flügel der NSDAP und die Befürworter des Gesellschaftskapitalismus im Postministerium, das Propagandaministerium mit seinen überzeugend formulierten Interessen und das Luftfahrtministerium mit seinen militärischen Interessen, Regierungsstellen und riesige multinationale Elektronikkonzerne, sie alle trugen zur Sicht des Fernsehens bei -- seiner Organisation, Programmgestaltung und möglichen Breitenwirkung -- was ebensoviel über den Zustand des Mediums verrät wie über die historischen Voraussetzungen, in welche diese Sichtweise eingebettet war. Ein mörderischer Interessenkampf zwischen diesen Gruppen führte zu zahlreichen Auseinandersetzungen und brachte politische Standpunkte hervor, von denen einige von der deutschen und ausländischen Presse öffentlich unterstützt wurden. Aber trotz dieser vielen Diskussionen und trotz weitverbreiteter Beteiligung öffentlicher und privater Institutionen an ihnen, ist es dem kollektiven Gedächtnis scheinbar entgangen, daß das deutsche Fernsehens schon zu dieser frühen Zeit existierte. Die Leichtigkeit, mit der Briten und Amerikaner unangefochten behaupten, die "Ersten" gewesen zu sein, die einen regelmäßigen öffentlichen Fernsehbetrieb aufnahmen — ein Anspruch, der durchaus problematisch ist — , ist nur eines von vielen Beispielen hierfür.2 Dieser Aufsatz verfolgt nun mehrere Stränge des Diskurses über das Medium Fernsehen, die in dieser Periode entstanden sind; dabei werden die Zeugnisse des deutschen

Siehe William Uricchio und Brian Winston, "The Anniversary Stakes", Sight and Sound 55:4 (1986): 231-232. Der britische Fernsehsendebetrieb wurde 1936 aufgenommen und 1939 am Anfang des Krieges wieder eingestellt. Der öffentliche amerikanische Sendebetrieb verzögerte sich trotz früher Führung auf dem Gebiet der Technologie bis 1939 und erfolgte auch dann nur mittels einer vorläufigen Lizenz zu Versuchszwecken.

237 Fernsehen in ihren Erscheinungsmustern zusammen mit Elementen der laufenden kommentierenden Darstellung des Fernsehens als Reflexionen umfassenderer historischer Interessen ausgewertet. Die Entwicklungsgeschichte des Fernsehens scheint in ein komplexes Netz von Determinanten eingebettet zu sein. Deren Bestimmung und Analyse bietet die Möglichkeit, das Medium als einen Ort von Auseinandersetzung und kultureller Paradoxie zu enthüllen und gleichzeitig auf den Charakter der ständig wechselnden nationalen, technologischen und wirtschaftlichen Paradigmen zurückzuschauen, durch die es dargestellt wurde. Sowohl während des Dritten Reichs als auch während des kalten Krieges haben diese Perspektiven den öffentlichen Zugang zu den Ereignissen geprägt, die das Fernsehen zwischen 1935 und 1944 umgaben und die größtenteils für seine "merkwürdige Auslassung" in zeitgenössischen Studien verantwortlich sind. Dieser Aufsatz wird somit Auffassungen von deutscher Geschichte skizzieren und problematisieren, und zwar im Hinblick darauf, wie diese im Zuge der kulturellen Gestaltung und Darstellung des frühen deutschen Fernsehens in Fachzeitschriften, der Boulevardpresse, wissenschaftlichen Essays und dergleichen geprägt wurden. Das deutsche Fernsehen vor 1944 befaßte sich als Darstellungs- und Übertragungsmedium mit greifbaren Bildern aus der Geschichte, und somit mag es scheinen, daß seine Sendungen einen unmittelbareren Zugang zu den verschiedenen Auffassungen von deutscher Geschichte liefern, als Diskurse darüber es vermögen. Indem das Fernsehen Ereignisse wie die Olympiade 1936 mit einer "weltgeschichtlichen" Aura versah oder auch indem es Spielfilme und Kulturfilme mit ausgesprochen historischen Themen übertrug, demonstrierte es ständig sein Potential als Vermittler einer populären Vergangenheitsvorstellung. Es scheint, als hätten die übertragenen Sportveranstalt-

238

ungen, Filme, Nachrichten, Fernsehspiele und Sendungen über öffentliche Angelegenheiten, die den deutschen Prograiranalltag typischerweise ausmachten, alle von der Fülle des historischen Moments widergehallt. Zwei Faktoren motivieren jedoch die Konzentration dieses Essays auf diskursive Praktiken des hier besprochenen Zeitraums. Zunächst einmal existieren praktisch keine intakten Sendungen aus den Jahren 1935-1944. Das wenige, was entdeckt wurde -- einige Clips und Filmkompilationen für die Fernsehübertragung — ist zwar nützlich für das Studium spezifischer Themen, schließt jedoch systemumfassende Analysen weitgehend aus.3 Sodann gilt es zu bedenken, daß obgleich das Fernsehen viel Publizität erfuhr und auch Empfangsgeräte zu annehmbaren Preisen versprochen wurden, allgemeinen Schätzungen zufolge jedoch nur 600 bis 1000 Geräte tatsächlich erhältlich waren. Trotz der stetigen Verlängerung der Sendezeiten fehlte dem deutschen Fernsehen also grundsätzlich das Publikum. Größtenteils war das Publikum weitaus häufiger den Diskussionen über das Fernsehen ausgesetzt, als daß es Gelegenheit hatte, direkte Erfahrungen mit dem Medium selbst zu machen. Obwohl sie als "textlos" im traditionellen Sinne zu verstehen sind, deuten die zahlreichen Widersprüche, welche die nationale und internationale Entwicklung des deutschen Fernsehens durchdringen, zusammen mit den verschiedenen Mustern seiner historischen Interpretation auf seine Relevanz als Meta-Text hin, das heißt als auf

Trotz des Mangels an vorhandenem Material wurden Versuche unternommen, Fernsehtexte im Hinblick auf Produktion und Übertragung zu untersuchen. Friedrich P. Kahlenberg untersuchte zum Beispiel eine erhaltene, von der UFA für das Fernsehen produzierte Filmkompilation, und Knut Hickethier hat auf der Basis von Drehbüchern und Interviews die Produktion von Fernsehspielen untersucht.

239

umfassendere Fragen der deutschen Geschichte gerichtetes Objektiv. Die Art von Fragen, die über das frühe deutsche Fernsehen gestellt werden können, und unser auf Quellen gestützter Zugang zu ihnen, können dazu benutzt werden, die Annahmen und Funktionen des damaligen institutionellen und technologischen Diskurses zum Thema Fernsehen zu enthüllen. Viel mehr als im Falle des Kinos mit seinen relativ langfristig angelegten internationalen organisatorischen und darstellerischen Praktiken (welche die Konzentration auf die Analyse individueller Filme und auf die Rezeption als Ort spezifischer historischer Konzeptionen fördern) ermutigt die kurze Geschichte des Fernsehens vor 1944 und sein einzigartiger insti4 tutioneller Status diesen "Meta-Text"-Ansatz. Aufgeteilt zwischen drei Ministerien, umkämpft von nationalen und multinationalen Konzernen und angetrieben von Ideologen verschiedene Ausrichtung sowie von technologischen Phantasten und Bürokraten befand sich das Fernsehen im Zentrum einer Reihe von Kräften, die für die Entwicklung der Epoche wesentlich waren. Die Nähe des Fernsehens zu den Handlungsträgern von Staat und Kapital, die bei der "Gestaltung" des Dritten Reiches mitwirkten, lieferte dann wiederum den Zündstoff für die Interpretationsstrategien der Nachkriegszeit. Sehr oft wurde das historische Fernsehen mit einer Reihe spezifischer ideologischer Diskurse in Zusammenhang gebracht. So erschienen Interpretationen des Reichs als auf Abwege geratener

Das soll nicht bedeuten, daß das Fernsehen ohne Bezug zu traditionelleren kulturellen Institutionen entstand. Theater und Kino, aber insbesondere das Radio lieferten deutliche Entsprechungselemente, auf die sich das Fernsehen auch sofort bezog. Doch trotz repräsentatorischer und organisatorischer Gemeinsamkeiten hebt sich der Diskurs, der das Fernsehen als Fernsehen behandelt von diesen Versuchen der Herstellung eines Bezugs recht klar und deutlich ab.

240

Kapitalismus oder anormaler (totalitärer) Staatsapparat in der Diskussion über das Fernsehen; dabei beschworen diese Interpretationen Deutschlands fortdauernde Geschichte herauf und prägten sie mit. Dieser Forschungsbeitrag versucht deshalb, den Diskurs, der das Fernsehen sowohl während des Dritten Reichs als auch danach begleitet, als eine eigenständige Darstellung der deutschen Geschichte zu behandeln. Zu diesem Zweck wird die zentrale Rolle erforscht, die Konzepte wie Nationalismus und Technologie in der diskursiven Praxis spielten, was die thematischen Darstellungen zu Film und Fernsehen, die an anderer Stelle in diesem Band erörtert werden, ergänzt und kritisch erweitert. Besonders die nationalistische Rhetorik spielte eine bedeutende und oftmals alles umspannende Rolle angesichts der ansonsten disparaten Motive der vielen Interessensgruppen, die um die Kontrolle der Rundfunkunternehmen vor 1944 rangen. Die politischen Interessen verschiedener Fraktionen innerhalb der NSDAP, die Karrieremotive von Einzelnen in Wissenschafts-, Regierungsund Unternehmensbereichen und die wirtschaftlichen Interessen multinationaler Betriebe legitimierten sich alle dadurch, daß sie sich im weiteren Sinne des Wortes nationalistische Ziele bereitwillig zu eigen machten. Zudem blieb die Dominanz des Nationalismusbegriffs in den Darstellungen des frühen Fernsehens unangefochten, obwohl sich die Nuancen des Nationalismus im Laufe der physischen Spaltung des Landes in der Nachkriegszeit änderten. In der Tat trugen auf beiden Seiten der innerdeutschen Grenze unterschiedliche Gestaltungen des Konzepts Nation dazu bei, den ideologischen Unterschied des "anderen" Deutschlands auszudrücken, und zwar sowohl im Hinblick auf das Dritte Reich als auch auf die beiden gegensätzlichen Seiten diesund jenseits der Mauer.

241

Trotzdem entging dem Bewußtsein der Öffentlichkeit in den Nachkriegsjähren beinahe ein Jahrzehnt der Fernsehübertragung und mit ihm eine Reihe recht eindrucksvoller Fortschritte. Dabei trugen die Komplexität der Entwicklung des Fernsehens im Dritten Reich, die durch die Teilung der Archive nach dem Krieg noch weiter komplizierte Widersprüchlichkeit der vorhandenen Dokumente und das umfassendere Problem, voneinander abweichende Geschichtskonzepte und Erklärungsparadigmen zum Ausgleich zu bringen, zu dem Beinahe-Verlust einer Vergangenheit bei, die die Grundlage für das bald weit verbreitete "neue" Medium der 50er Jahre geschaffen hatte. Der Kampf um Kontrolle

In den Diskursen und Entwicklungsmustern, die das Erscheinen des Fernsehens in Deutschland begleiten, zeichnet sich nicht nur ein begrenztes Spektrum von Rundfunk-spezifischen Interessen ab, sondern es enthüllt sich auch die Zusammenarbeit von Individuen, Ministerien, nationalen und multinationalen Konzernen, was die Begriffsbildung und Gestaltung eines "neuen" Massenmediums anbelangt. Die Umstände, unter denen dieses neue Medium entstand, stellten, wie Benjamin andeutete, den Entwurf einer auf menschliche Handlungsträger ausgerichteten Geschichte und die Rolle des rationalen Diskurses in ihr fundamental in Frage. Wie gezeigt werden wird, traten die für den Rundfunk Verantwortlichen ausdrücklich für Fernsehen in Gruppen ein, um so eine Reihe von Diskussionen unter den Zuschauern zu verhindern, die atomisiertes, individuelles Fernsehen im häuslichen Rahmen ihrer Meinung nach förderte. Außerdem kristallisierte sich in der Diskussion um das Fernsehen eine gleichermaßen aufschlußreiche Veränderung bezüglich der Auffassung von Technologie heraus. Während dem Prinzip der Aufklärung nach Wissenschaft zum allgemeinen Wohle der Menschheit

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dienen sollte, erschien Technologie hier als Mittel im Dienste der deutschen Nation. Auf diese Weise fand also eine Diskurstradition, die trotz aller nationalistischer Anfechtungen im 19. und frühen 20. Jahrhundert wirksam geblieben war, durch Zuweisung von Aufgaben wie das Einpflanzen des Bildes des Führers in die deutschen Herzen, das Verkünden der Überlegenheit der deutschen Technologie oder die Nutzung von Fernsehsteuerungssystemen für Torpedos und Raketen ein entschiedenes Ende. Am 22. März 1935 verkündete der Reichssendeleiter Eugen Hadamovsky: Heute beginnt der nationalsozialistische Rundfunk in Zusammenarbeit mit der Reichspost und der deutschen Industrie als erster Rundfunk der Welt den regelmäßigen Fernsehprogrammbetrieb. Einer der kühnsten Menschheitsträume ist verwirklicht....5 Indem er auf die gemeinsame Aufgabe von Regierung und nationaler Industrie hinwies, bezeichnete Hadamovsky in seiner Ansprache mit großer Genauigkeit die Dynamik, die das deutsche Fernsehen zu einer Spitzenstellung auf internationaler Ebene vorantrieb. Während dieser Verbindung einige sehr reelle Vorteile entsprangen, führte sie jedoch, besonders was die Elektronikindustrie anbetrifft, zu grundsätzlichen Widersprüchen. Rapide Fortschritte in der Kabeltechnologie, bei der Liveübertragung von Bildern (eingesetzt bei der Olympiade 1936) und in der Empfängertechnologie wurden bei der jährlichen öffentlichen Rundfunkausstellung angepriesen und sowohl an einheimische als auch ausländische Interessenten vermarktet. Jede der größeren Elektronikfirmen entwickelte ein breit gefächertes Sortiment an Heimempfängern und führte sie mit der nötigen Furore einem für die Zukunft bereiten Absatzmarkt vor. Trotz anfänglicher Konkurrenz unter den einzelnen

Mitteilungen der Reichs-Rundfunk-Gesellschaft, Nr. 460, 30. März 1935.

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Konzernen erweiterte die Regierung ihre "koordinierende" Funktion, die schon in den neuen wirtschaftspolitischen Formulierungen gesellschaftlich sanierter monopolkapitalistischer Produktion wie dem Volkswagen oder dem Volksempfänger sichtbar geworden war, auf das Fernsehen aus und ebnete dadurch den Weg zum Wohlstand für die großen Elektronikkonzerne. Nationalismus war gut für das Geschäft. Die Elektronikindustrie rechnete durchaus damit, daß die Verkaufszahlen von Fernsehheimempfängern dieselben Höhen erreichen würden wie die von Radios. 1937 besaßen die Deutschen über 8 Millionen Radios — bei weitem die größte Konzentration in Kontinentaleuropa — und dies nach kaum der Hälfte einer Kampagne, deren Ziel "ein Radio in jedem deutschen Haus" war.6 Bis 1939 wurden jedoch nur 200 Heimfernsehapparate verkauft. Aufgrund ihrer Erfahrung mit dem Radio konnte die deutsche Elektronikindustrie durchaus einen starken Umsatz bei Fernsehgeräten erwarten. Obwohl zunehmend klarer wurde, daß Deutschlands industrieweite Standardisierung (der Nachteil der "Koordinierung" seitens der Regierung) Gewinnspannen und Kapitalverteilung durch Wettbewerb einschränken würde, hatten die meisten großen Industriezweige die Vorteile der Staatsregulierung und der daraus resultierenden Reduktion der Konkurrenz zwischen den einzelnen Konzernen während des Ersten Weltkrieges schon erlebt. Außerdem kam es durch Aktienbesitz und Vorstandsmitgliedschaft zumindestens in der Elektronikindustrie zu einer weitverbreiteten Integration

Die Zuhörerschaft des Radios nahm durch die gemeinsamen Bemühungen der Regierung und der Industrie dramatisch zu. Zwischen dem 1. Mai 1932 und dem 1. Mai 1933 stieg die Anzahl der Zuhörer von 4.177.000 auf 12.500.000 an (Heide Riedel, 60 Jahre Radio. Von der Rarität zum Massenmedium , Berlin, Deutsches Rundfunk-Museum e.V, 1983, S. 61-65).

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von Besitz und Kontrolle, was die Zusammenarbeit der Konzerne und deren Finanzierung erleichterte.7 Obwohl die Regierung diese Entwicklung unterstützte, blieb ihre Rolle jedoch nicht ohne Widersprüche. Regulation und Koordinierung seitens der Regierung förderten zwar technologische Entwicklungen und Normen, aber sie liefen auch schnell den Erwartungen der Industrie zuwider. Einige Gruppen innerhalb der Regierung, insbesondere jene mit NSDAP-Zugehörigkeit, scheinen eine sehr genaue Vorstellung von Format und sozialer Funktion des Fernsehens gehabt zu haben. Spannungen zwischen den beiden bevorzugten Plänen für das Fernsehen, d.h. denen der Industrie und der Partei, die sich beide in den schützenden Deckmantel des nationalen Interesses hüllten, entluden sich sehr deutlich in ministeriellen Auseinandersetzungen. Die Regierung regulierte das Fernsehen ebenso wie das Radio mittels verschiedener Institutionen und Gremien, zu denen das Reichspostministerium (RPM), die Reichs-Rundfunk-Gesellschaft (RRG), die vom Propagandaministerium kontrollierte Reichsrundfunkkammer und schließlich Goebbels Reichsministerium für Volksaufklärung und Propaganda gehörten. Das Reichspostministerium, welches schon lange mit der Elekronikindustrie verbündet war, handelte in einer Weise, die der seiner Equivalente in England und den USA entsprach, und forderte die technische Standardisierung und Normierung des Fernsehens.

Die Direktionen der Konzerne setzten sich, früher nicht anders als heute, wesentlich aus führenden Persönlichkeiten des Bankwesens, der Regierung und anderer, verwandter Konzerne zusammen. Ebenso trafen sich inoffizielle Beratergruppen, die aus Unternehmensleitern und Regierungsbeamten bestanden, regelmäßig, um Aktivitäten zu koordinieren. Detaillierte Beispiele für beides finden sich in den Verhören Kurt von Schröders (NI-247) National Archives of the United States.

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Doch das Propagandaministerium mit seiner viel engeren Anbindung an die NSDAP machte einen eigenen Entwicklungsplan geltend, welcher davon ausging, daß das Fernsehpublikum dem Filmpublikum verwandter sei (zentralisiert, öffentliche Aufführung) als der Radiohörerschaft (dezentralisiert, privates Zuhören). Die Propagandatheorie, die damals populär war und von Hadamovsky und Goebbels kräftig unterstützt wurde, bevorzugte die Wirksamkeit der Fernsehrezeption in der Gruppe als Mittel übereinstimmende Interpretation zu erzielen und abweichende Meinungsentwicklungen auf ein Minimum zu reduzieren. Und so entstanden zur Bestürzung der Konzerne anfangs öffentliche Fernsehstuben mit 40-400 Sitzplätzen als Hauptempfangsforum (ein Ansatz, der dem in der Sowjetunion zu dieser Zeit üblichen nicht unähnlich war) . Die Entwicklung dieser widersprüchlichen Strategie — die Vorbereitung eines starken Absatzmarktes für Heimempfänger auf seiten der Industrie und die Kampagne der Regierung für Gemeinschaftsfernsehen auf der anderen Seite — war das Resultat einer Reihe sich ändernder Faktoren. Dazu gehören die oben genannten Propagandatheorien, die frühen "sozialistischen" Tendenzen des Nationalsozialismus (Unterstützung des öffentlichen Gemeinschaftsfernsehens bis Fernsehempfänger für die Massen erschwinglich waren), sich ändernde technische Standards (180 Zeilen bis 1937, und 441 Zeilen ab 1938 und danach) und die sich immer weiter verlagernde Rolle der multinationalen Konzerne in der Politik während der nationalsozialistischen Periode. Zudem wurde das deutsche Fernsehen in den Dienst der Nazi-Propaganda gestellt. Nochmals Hadamovsky: In dieser Stunde wird der Rundfunk berufen, die größte und heiligste Mission zu erfüllen: Nun das Bild des Führers unverlöschlich in alle deutschen

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Herzen zu pflanzen.8 Während die Geschäftswelt offenbar keine Bedenken bezüglich dieser Mission hatte, warf ihre Ausführung erhebliche Probleme auf. In den späten 30er Jahren, als die technische Situation sich um eine 441-Zeilen Norm herum stabilisierte, trieb die Industrie gemeinsam mit dem Postministerium ihre Pläne für Empfangsgeräte für den Verbrauchersektor eifrig voran. Gerade zu dem Zeitpunkt jedoch, als der Befehl zur Massenproduktion von Fernsehempfängern erlassen wurde, verhinderten der Ubergang zur Kriegswirtschaft und damit verbunden die einschränkenden Rundfunkgesetze von 1939 ironischerweise die Massenproduktion und vereitelten die Vermarktungspläne, die aus den Akten der Konzerne klar hervorgehen und die sich auf den Berliner Fernsehausstellungen so deutlich abzeichneten.9 Wie schon früher erwähnt, bezeichnete Hadamovsky in

Mitteilungen der Reichs-Rundfunk-Gesellschaft, Nr. 460, 30. März 1935. Das RPM teilte seinen ersten Produktionsauftrag von mehr als 10.000 für den Privatsektor bestimmten Fernsehempfangsgeräte unter den fünf größten Fernsehherstellern auf: Telefunken, Fernseh, Lorenz, Löwe und Tedake. Das Postministerium stellte diesen Firmen eine 25%ige Subvention zur Verfügung (RPM-Akten, 9. März 1939). Der Ausbruch der Feindseligkeiten stoppte die Produktion jedoch. Geheimdienstberichte aus der unmittelbaren Nachkriegszeit deuten an, daß von diesem ersten Auftrag nur 600-1000 Geräte wirklich produziert wurden (British Intelligence Objectives Subcommittee, Bericht Nr. 867). Es ist bemerkenswert, wie sehr diese Geschehnisse den Entwicklungen in den Vereinigten Staaten zwei Jahre später ähnelten. Die FCC führte 1941 ihren Standard von 525 Zeilen ein, was endlich die Massenproduktion von Fernsehempfängern ermöglichte. Amerikas Eintritt in den Krieg am Ende des gleichen Jahres führte dann jedoch zum sofortigen Stop der kommerziellen Produktion (Brian Winston, Misunderstanding Media, Cambridge: Harvard, 1986, S. 13) .

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seiner Antrittsrede mit großer Genauigkeit die Dynamik, die das deutsche Fernsehen vorantrieb, indem er auf die gemeinsame "Mission" von Regierung und nationaler Industrie hinwies. Das genaue Wesen dieser Mission blieb jedoch unklar. Einerseits verbanden Äußerungen der Solidarität, des Schutzes und der gegenseitigen Unterstützung die Interessen der Regierung mit denen der Konzerne. Andererseits ist diese Periode auch von ebenso deutlichen Spannungen zwischen der Regierung und dem privaten Sektor durchdrungen, die sich in der nationalen Färbung der multinationalen Handelskonzerne, Streitigkeiten zwischen den einzelnen Ministerien um politische Direktiven sowie der Einschätzung von verschiedenen Organisationsmodellen des Fernsehens und dem Eintreten beziehungsweise Werben für sie äußern. Ob der Interessen des Postministeriums und von 1926 bis 1934 insbesondere ob der Interessen von Hans Bredow stellte die Regierung Subventionen in großer Höhe für die technische Entwicklung des Fernsehens zur Verfügung (inklusive der Entwicklung beziehungsweise Verbesserung von verwandten Technologien wie Kabel, Telefon, der Bildübertragung mit und ohne Kabel sowie Verstärkern).10 Diese Subventionen verdeutlichten das schon lange existierende Bemühen des Ministeriums um Kommunikationstechnologien sowie seine strukturelle Beteiligung an ihnen und zwar zu einem Grad, der schon vor dem Ende des 19. Jahrhunderts offensichtlich war und der häufig in Bezug auf potentielle militärische Anwendungen formuliert und offen ausgesprochen wurde. Patente wie Paul Nipkows

Siehe die RPM-Korrespondenz im Bundesarchiv (R48/4343, 4344). Im Jahre 1934 betrugen die jährlichen Ausgaben der Post für Forschung und Entwicklung im Bereich Fernsehen bereits ungefähr 500.000 RM; hinzu kamen Nebenkosten von 400.000 RM speziell für die Verbesserung des Fernsehens (RPM-Korrespondenz mit dem RFM, R2/4903).

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'elektrisches Teleskop' von 1884 und Dieckmanns Funktelegraph von 1906 — beide direkt verwandt mit frühen Fernsehsystemen — bekunden eine Dimension televisueller Kommunikation, die den übergeordneten nationalen Interessen entspricht und von Relevanz für diese ist.11 Das Aufklärungsvorhaben, Wissenschaft und Technologie in den Dienst des Gemeinwohls zu stellen, war also schon lange vor der Bildung der Partei unterminiert worden, die schließlich sein totales Scheitern bedeutete. Von der Korrespondenz zwischen dem Postministerium und dem Reichsfinanzministerium während der Weimarer Republik zu schließen, scheint die nationale Sicherheit ein die Staatsausgaben zur Entwicklung verwandter Technologien motivierender Faktor gewesen zu sein. Unter den Folgerungen, die sich daraus ergaben, dominierten zwei den nachfolgenden Diskurs. Erstens: Vermutungen hinsichtlich faktischer Informationsübertragung vereinheitlichen grundsätzlich den Sinn dieser Technologien, ihr nationales Sicherheitspotential und ihren daraus resultierenden Charakter sowie ihre Koordination und Kontrolle durch Regierungsstellen (letztlich das RPM). Zweitens: Die Praxis der Subventionierung der massiven Forschungsund Entwicklungskosten für diese Technologien in einheimischen Firmen durch die Regierung und der anschließenden Privatisierung der Forschungsresultate, sobald sie kommerziell anwendbar waren, zeigt die besondere Art der

Eine Diskussion der Ursprünge und Entwicklungsmuster von Technologie und Konzeption des frühen Fernsehens auf multinationaler Ebene findet sich bei Albert Abramson, The History of Television, 1880 to 1941, London: McFarland & Company, 1987, und Gerhart Goebel, "Das Fernsehen in Deutschland bis zum Jahre 1945", Archiv für das Post- und Fernmeldewesen, 5. Jg., Nr. 5 (1953).

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Beziehung der Regierung zu privaten Konzernen·12 Diese Art von Unterstützung zum gegenseitigen Nutzen von Industrie und Staat steckte den Rahmen für nachfolgende Entwicklungen ab, wozu weitere Regierungssubventionen, Regulierungen und letztlich die Koordinierung mit dem NSDAP-Programm gehörten. Das Eindringen einer Reihe wirtschaftlich um einiges autonomerer "Mitspieler" komplizierte die Eingriffe des Postministeriums in ausgesuchte Teile der einheimischen Elektronikindustrie. Von 1921 bis in die frühen 30er Jahre (und zwar mit einer durch die Stabilisierung der Mark aufgrund des Dawes-Plan im Jahre 1924 hervorgerufenen besonders hektischen Aktivität) spielten multinationale Konzerne mit Sitz in den USA eine wichtige Rolle in der deutschen Wirtschaft. Deutsche Unternehmen brachten über $826 Millionen in Pfandbriefen in den Vereinigten Staaten in Umlauf, und viele amerikanische Firmen wie Dow Chemical, Ford, General Motors, I. E. DuPont und General Electrics investierten stark in deutsche Gesellschaften, indem sie Partnerschaften schlossen oder Tochtergesellschaften gründeten.13 Die multinationale

Im allgemeinen subventionierte die Regierung die Forschungs- und Entwicklungskosten und gestattete den beteiligten Industriezweigen nach der Perfektionierung der jeweiligen Technologie, die daraus resultierenden Patente zu kontrollieren. Dieser hohe Grad der Unterstützung erklärt zumindestens teilweise die außergewöhnliche Zusammenarbeit sowohl innerhalb der einzelnen Industriezweige als auch zwischen Industrie und Staat. Eine genauere Untersuchung dieser Zusammenarbeit liefert Manfred Hempel, Der Braune Kanal (Leipzig: Karl Marx Universität, 1969) und "Die Entstehung und Entwicklung der Television in Deutschland bis zur Zerschlagung des Hitlerregimes", Mitteilungen des Postmuseums Berlin 3/4 (1970). Eine Übersicht dieser Investitionen aus der Sicht eines Industrie-Apologeten findet sich bei R. Sobel, IT&T: The Management of Opportunity (New York: Times Books, 1982).

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Patentgrundlage vieler Technologien ermutigte ebenfalls zu einem breiten Spektrum von Lizenz- und Patentnutzungsabkommen, was in der Fernsehtechnologie von Gesellschaften wie Baird, RCA, Farnsworth und International Telephone and Telegraph klar ersichtlich ist.14 Fernseh A.G., eine der beiden größten Fernsehgesellschaften Deutschlands, wurde zum Teil von Baird International Television (in Partnerschaft mit Robert Bosch, Zeiss Ikon und D.S. Loewe) gegründet und teilte sich Patente mit Farnsworth.15 Andere Fernsehgesellschaften unterhielten gleichermaßen komplizierte Verbindungen: Lorenz (und das dieser Gesellschaft angehörige Konglomerat Standard Elektrizitätsgesellschaft [SEG]) war als Tochtergesellschaft von IT&T in dere:. völligem Besitz, und Telefunken (mit seinen Gründergesellschaften Siemens und AEG) war in das Lizenzsystem von RCA eingebunden. Trotz dieses Gewebes von multinationalen Verbindungen erschien die Einführung der regulären öffentlichen

Siehe zum Beispiel die Unternehmensgeschichte von IT&T von Sobel. Die organisatorischen Verflechtungen dieses Konzerns erstreckten sich auf alle ideologischen Lager. So verkündete die New York Times am 5. Mai 19 37, daß das Moskauer Fernsehen mit RCA einen Vertrag über technische Vorrichtungen abgeschlossen habe — das war zu derselben Zeit, als RCA seine Patente mit Telefunken teilte. Baird schied nach ein paar Jahren aus und Loewe Mitte der 30er Jahre. Dieser Zeitabschnitt war von intensiven Kapitalanforderungen gekennzeichnet. Nach Schätzungen beliefen sich die Unternehmensausgaben bis 1939 auf 20 Millionen RM (die Gewinne aus Exporten und den Einnahmen der deutschen Post betrugen 8 Millionen RM). Im Gegensatz dazu wurden Telefunkens Ausgaben auf 15 Millionen RM geschätzt und die der anderen Firmen auf insgesamt 8 Millionen (Goebel zitiert nach F. Rudert, "50 Years of Fernseh, 1929-1979", Bosch Technische Berichte 6, Heft 5/6, S.29) . 1938, gerade als sich auf dem Gebiet der Rentabilität eine Wende abz'izeichnen schien, schied Zeiss-Ikon ebenfalls aus und ließ Fernseh als eine Bosch-Tochtergesellschaft zurück; dieses Besitzverhältnis dauert heute noch fort.

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Fernsehübertragung im März 1935 in nationalistischem Licht. Obwohl Fernsehempfangsgeräte für die Allgemeinheit nie erhältlich waren und obwohl der Fernsehdienst mit einem bereits veralteten Standard (180 Zeilen) begann, führte die Regierung die Fernsehübertragung ausdrücklich ein, um die Briten in diesem Wettstreit sowohl aus Gründen des "nationalen Interesses" als auch zugunsten des "deutschen Exports" zu schlagen.16 Das Kommerzialisierungspotential einer neuen Technologie brachte die Möglichkeit für eine rapide Expansion mit sich, wie sie in traditionelleren Sektoren nicht gegeben war, und eine etablierte Interessengruppe wartete gespannt auf die erste Gelegenheit, davon zu profitieren. Wie der internationale Handel und die Aufnahme in der Boulevardpresse andeuten, tendierten außer Deutschland auch noch andere Länder dazu, multinationale Technologien und somit Gewinne zu nationalisieren. Doch dieser nationalistische Diskurs verdeckte gleichzeitig auch die Besitzund Lizenzierungsmuster multinationaler Unternehmen wie IT&T und RCA, die trotz zunehmender internationaler Feindseligkeiten ihre Gewinne auf diversen Märkten aufrecht erhalten konnten. Die deutliche Spannung zwischen multinationalen Entwicklungen (Notwendigkeit gemeinsamer Patentnutzung; Versuche, neue Märkte zu integrieren usw.) und nationalen Interessen machte sich auf verschiedene Weisen bemerkbar. Die Weltwirtschaftskrise der späten zwanziger Jahre ebenso wie die zunehmende Einsicht in internationale technologische Gegebenheiten wie das Telefon und den Telegraphen (das Investitionsverhalten von ITS. Τ ist hier

Korrespondenz des RPM / der RRG mit RFA im Bundesarchiv R2/4903 1934-35. Die Briten hatten einen geplanten Sendebeginn für den Herbst 1935 bekanntgegeben, was angeblich die deutschen Maßnahmen im Frühjahr veranlaßte.

252 aufschlußreich17) förderten sicherlich multinationale Investitionen. Außerdem gibt es immer mehr Beweise dafür, daß die frühe nationalsozialistische Wirtschaftspolitik für technischen Fortschritt offen war und eher durch Bemühungen angetrieben wurde, das Vertrauen der Geschäftswelt durch Modernisierungs- und finanzielle Sicherheitsversprechungen wiederherzustellen als durch die Androhung eines Krieges mit dem Ausland. Ebenso wie die Autobahnkonstruktion und die Automobilproduktion stellten Entwicklungen im Fernsehbereich einen Propagandacoup für die Regierung dar und bestärkten zugleich die Zuversicht der einheimischen Unternehmergemeinschaft (besonders die der Elektronikunternehmen).18 Der Staat sah den Export als entscheidend für das wirtschaftliche Überleben an und ermutigte daher strukturell mittels von Subventionen und steuerlichen Anreizen dazu, die neue Technologie als nationale Leistung hinzustellen und förderte ihren Verkauf als solche, selbst wenn man von den Patenten anderer

Ab 1930 besaß oder kontrollierte IT&T Tochtergesellschaften auf jedem Kontinent; siehe Anthony Sampson, The Sovereign State of ITT (New York: Stein and Day, 1973). Die detaillierte Analyse spezifischer Industriezweige führt allmählich zu einer Änderung der Ansicht, daß die nationalsozialistische Wirtschaftspolitik unsystematisch gewesen sei, nur reagiert habe und hauptsächlich von öffentlichen Bauvorhaben, Wiederaufrüstung und Krieg abhängig gewesen sei. Hierzu siehe zum Beispiel R.J. Overy, "Cars, Roads and Economic Recovery in Germany 1932-9", European History Review 28 (1975) S. 466ff. und "Transport and Rearmament, in the T'r.ird Reich", Historical Journal 16 (1973), S. 389.

253 abhängig war.19 Das Postministerium förderte durch die jährlichen Rundfunkausstellungen und die viel propagierte Übertragung der Olympiade von 1936 umfangreiche Gelegenheiten zur Vermarktung.20 Die ausländische Presse erfuhr ganz besondere Aufmerksamkeit, und man verwandte große Sorgfalt darauf, ihren Vertretern die neuesten Kommunikationseinrichtungen zur Verfügung zu stellen. Von vielleicht noch größerer Wichtigkeit war jedoch, daß das Postministerium den Wettbewerb zwischen den verschiedenen Elektronikfirmen und multinationalen Lizenzpartnern ermutigte und als lohnenden Preis die nationale Anpassung

Emil Lederer macht darauf aufmerksam, daß der Warenaustausch mit anderen industrialisierten Ländern bis September 1939 bereits gut 73% des deutschen Außenhandelsvolumens ausmachte. E. Lederer, "Gegen Autarkie und Nationalismus" in J. Kocka, Hrsg., Kapitalismus, Klassenstruktur und Probleme der Demokratie in Deutschland 1910-1914 (Göttingen, 1979, S. 199). Obwohl Schachts öffentliche Bauvorhaben und staatliche Ausgabenprogramme (von Strasser 1932 entworfen) der Wirtschaft sicherlich halfen, war das Wachstum des Exportsektors von größerer Wichtigkeit. Im April 1933 machte Hitler auf den Fehler aufmerksam, den der Westen begangen habe, als er ehemals unentwickelte Teile der Welt industriell entwickelt habe, und er skizzierte die Folgen, die dieser Fehler für die deutsche Wirtschaft gehabt habe (siehe Peter Krüger, "Zu Hitlers nationalsozialistischen Wirtschaftserkenntnissen", Geschichte und Gesellschaft 2, 1980, S. 263-282). Die Ausdehnung auf neue Gebiete wurde zur Schlüsselstrategie (siehe L. Zumpe, "Weltwirtschaftslage und faschistische Außenwirtschaftsregulierung", Jahrbuch für Wirtschaftsgeschichte 4, 1978, S. 201-207.), und das Fernsehen bot sich in dieser Hinsicht fast von selbst an. Die Rundfunkausstellungen meldeten jährlich über 300.000 Besucher. Die Olympiade wurde in bis zu 25 Fernsehstuben übertragen, wovon sich eine in Potsdam und zwei in Leipzig befanden (eine der beiden in Leipzig hatte fast 400 Sitzplätze). Die Sendezeit wurde von den üblichen 3 Stunden pro Tag auf über 8 Stunden ausgedehnt und eine Zuschauerzahl von 162.228 angegeben.

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an den Standard des Gewinners in Aussicht stellte. Somit diente die Olympiade als Arena für den Kampf zwischen Fernseh/Farnsworth und Telefunken/RCA, während der Welt inzwischen "deutsches" Fernsehen vorgeführt wurde.21 In scharfem Kontrast zu der Geheimhaltungspolitik also, die die vergleichbaren britischen und amerikanischen Entwicklungen umgab, schien Deutschland die Initiative zu ergreifen und sich für einen Vorstoß auf den internationalen Markt in Stellung zu bringen. Der Kriegbeginn im Jahre 1939 komplizierte das Bild erheblich, indem er eine verbesserte Tarnung der multinationalen Firmen erforderlich machte. Die deutschen, britischen und amerikanischen Gesetze gegen den Handel mit dem Feind, die amerikanischen "freezing acts" und die Rolle, die von verschiedenen Verwaltungsstellen für ausländischen Besitz gespielt wurde, führten zu seltsamen Widersprüchen.22 Lizenzabkommen und der Austausch von Patenten zwischen deutschen Elektronikgesellschaften und amerikanischen Firmen wie IT&T dauerten auch nach 1941 an; IT&T behielt die Kontrolle über seine Tochtergesellschaften (einschließlich 28.3% der Focke-Wulf Militärflugzeuggesellschaft) und dehnte sogar sein Tätigkeitsfeld während des Krieges aus. •>3

in Deutschland

noch

Obwohl die Olympiade 1936 als öffentliches Testverfahren sowohl für das System von RCA als auch das von Farnsworth diente, hielt das Postministerium das RCA-System offensichtlich für besser und unterstützte bereits vor der tatsächlichen Übertragung der Olympischen Spiele die nationale Anpassung an den RCA-Standard. United Kingdom Trading with the Enemy Act, 1939; United States Trading with the Enemy Act, 1917, ergänzt 1940, 1941, usw.; Executive Order Nr. 8389 vom 10. April 1940; usw. Martin Domke, Trading With the Enemy in World War II (New York, 1943). Trotz der Gesetze gegen den Handel mit dem Feind waren die multinationalen Unternehmen in einer hervorragenden Position, ihre Investionen

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Es scheint als hätte der deutliche Wechsel zur militärischen Anwendung der Fernsehtechnologie nach 1939 die Aktivitäten multinationaler Konzerne verhindern sollen. Doch in Anbetracht des zuvor erwähnten langjährigen und engen Verhältnisses zwischen Elektronikbeziehungsweise Telekommunikationsindustrien und nationalen Sicherheitsinteressen überraschten diese Entwicklungen die multinationalen Firmen keineswegs. Die Widersprüche, die sich in diesem Zeitabschnitt ergaben, stellen ein unterdrücktes Kapitel in der Geschichte der multinationalen Konzerne dar, was die Komplexität und Sensivität der Situation in der Nachkriegszeit erklären

aufrechtzuerhalten. Ein außergewöhnlich gut dokumentiertes Beispiel hierfür stellt IT&T dar. S. Behn, der damalige Direktor von IT&T, unterhielt enge Beziehungen zum Dritten Reich. IT&T war dementsprechend auch eine der ersten ausländischen Firmen, die das Prädikat "deutsch" erhielten und somit der Kontrolle durch den 'Reichshüter für fremdes Besitztum' entgingen. Obwohl sowohl das U.S.-Justizministerium als auch das FBI eine Reihe von Untersuchungen anstellten, erschien die Komplizenschaft von IT&T mit dem deutschen Staat zu Beginn des Kalten Krieges in einem neuen Licht: Der tagtägliche Ablauf und die Führung seiner deutschen Unternehmungen wurden als außerhalb von iT&Ts direkter Kontrolle und Verantwortung stehend angesehen. Nichtsdestoweniger widersprechen die Aussagen Wesricks und Schröders, der deutschen Direktoren von IT&T, in dieser Angelegenheit denen des Konzerns in der Nachkriegszeit. Siehe z.B. die Verhöre Schröders, US National Archives, NI-234, 15. November 1945 und NI-235, 16. November 1945. Was den Austausch von Patenten anbelangt, ist festzustellen, daß deutsche Firmenzeitschriften regelmäßig über die Patententwicklungen ihrer amerikanischen Schwestergesellschaften wie z.B. RCA und über Lizenzvereinbarungen mit ihnen berichteten, bis im Zuge des "totalen Krieges" solche Veröffentlichungen verboten wurden. Große Ähnlichkeiten in der Patententwicklung für amerikanische und deutsche Fernsehwaffen selbst nach dieser Nachrichtensperre läßt jedoch vermuten, daß der Informationsaustausch fast ungehindert weiterging.

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Sensivität der Situation in der Nachkriegszeit erklären hilft.24 Innerhalb Deutschlands charakterisierte ein komplexes Netz sich überschneidender Zuständigkeitsansprüche und sich daraus ergebender Dispute die Verwicklung der Regierung mit dem Fernsehen nach 1933. Das Postministerium zum Beispiel war mit dem Fernsehen durch sein eigenes Netz intraministerialer Agenturen wie die Deutsche Reichspost, das Reichspostzentralamt [RPZ] und die Forschungsanstalt der DRP und durch seine Rolle in der Reichs-RundfunkGesellschaft [RRG] verbunden. Die Beziehungen zwischen einzelnen Ministerien gaben jedoch mehr Anstöße zu ernsthaften Konflikten. Seit seiner Entstehung im Jahre 1933 war das Propagandaministerium mit dem Postministerium in einen dauernden Streit über die Anteile am Einkommen durch Radiolizenzen und letzten Endes über die Kontrolle der Reichs-Rundfunk-Gesellschaft verwickelt (ein Kampf, der schließlich den Zusammenbruch der Reichsrundfunkkammer verursachte).25 Selbst auf der belanglosen Ebene der Mietzahlungen für die Fernsehstuben und -säle entflammten Streitigkeiten zwischen dem Postministerium und der NSDAP, da diese sich weigerte, für die wenigen Stuben und Säle, die sie kontrollierte, zu zahlen. Zu einem extremen, jedoch aufschlußreichen Ausbruch von Feindseligkeiten

Zumindestens oberflächlich bestehen enge Parallelen zwischen der Entwicklung zum Beispiel von Fernseh-Observierungsflugzeugen, mit Hilfe einer Fernsehkamera ferngelenkten Raketen ("fernsehgesteuert") und Raketen, deren Steurung auf der Diskriminierung der Wärmestrahlung der Ziele ("hitzesuchend") basiert, bei Telefunken und bei RCA. Diese Ähnlichkeiten stellen ein Gebiet andauernder Forschung dar. Die Aktivitäten IT&Ts auf dem Gebiet kriegsrelevanter Technologien und IT&Ts Verflechtungen mit kriegswichtigen Industriezweigen sind besser dokumentiert. Dokumentiert im Bundesarchiv in den RFM-Akten, R2/4903.

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zwischen mehreren Ministerien kam es, als Hitler im Juli 1935 Reichsluftfahrtminister Göring die Oberaufsicht über das Fernsehen zusprach (eine Machtübertragung, die mit großer Umsicht der Presse vorenthalten wurde).26 Sowohl das Post- als auch das Propagandaministerium protestierten heftig,27 und obwohl Goebbels versuchte, ein besonderes Abkommen mit Kriegsminister Blomberg auszuhandeln, teilte eine neue Direktive im Dezember die Verantwortlichkeit zwischen allen Teilnehmern auf.28 Das Postministerium erhielt die Verantwortung für technische Entwicklung und Übertragung; das Propagandaministerium war für die Programmgestaltung zuständig, und dem Luftfahrtministerium 29

fiel der Bereich der Verteidigungsanwendungen zu. Zusätzliche parallel verlaufende und sich oftmals überschneidende Zuständigkeitsbereiche wurden von der Nazipartei durch das Gausystem eingeführt, und die Machtverteilung wurde durch die organisatorischen Querverbindungen verschiedener Arbeitsgruppen weiterhin kompliziert. Eine der deutlichsten Spannungen, die in dieser Matrix von sich überschneidenden Zuständigkeitsbereichen Reichsgesetzblatt 88. Akten des Reichskanzleramtes, Bundesarchiv, R43II/267a. Reichsgesetzblatt 136. Angesichts der Kenntnis militärischer Anwendungsmöglichkeiten, die sich schon in den Übertragungen der späten 20er Jahre abzeichnet, überrascht diese letztgenannte Zuweisung eines Zuständigkeitsbereichs an das RPM keineswegs. Spätestens ab den frühen 40er Jahren war die Entwicklung von "fernsehgesteuerten" Raketen, Torpedos, unbemannten Observierungsflugzeugen und damit verwandten Technologien wie Radar und "hitzesuchenden" Raketen militärischer Weisungsgewalt unterstellt. Hierzu siehe: 'Combined Intelligence Objectives Subcommittee' [CIOS] Bericht Nr. 28-41, Nr. 31-1, Nr 31-8; 'British Intelligence Objectives Subcommittee' [BIOS] Bericht Nr. 867; Public Records Office (London) Air Ministry Files 40/1656, 40/2000.

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und Interessen entstand, bezog sich auf die Ausstellung des Fernsehens und betraf das Postund das Propagandaministerium. Obwohl diese beiden Ministerien fortlaufend in Dispute über Einkommenssowie Kostenverteilung verwickelt waren, verbarg ihr Streit nur eine tieferliegende Spaltung. Mit Hilfe eines Führungspersonals von Berufsbeamten, die langjährige Beziehungen zu dem industriellen Sektor hatten, koordinierte die Post die technischen Entwicklungen und kontrollierte bis 1933 die Sendegebühren. Im Gegensatz dazu dominierten im Propagandaministerium neu ermächtigte Parteimitglieder, die mit ihrem parteispezifischen Programm in die Domäne der Post eindrangen und aus deren Gebührensäckel schöpften. Goebbels und Hadamovsky sind typische Vertreter des letztgenannten Typus.30 Außerdem stimmten beide als Deutschlands führende Propagandatheoretiker darin überein, daß die Massenrezeption von Propaganda am effektivsten sei, und Hadamovsky plädierte daher für den öffentlichen Charakter des Fernsehempfangs. Die Elektronikindustrie im Verbund mit der Post (ständig abhängig von Lizenzgebühreinnahmen) drängte auf die schnelle Verbreitung von individuellen Heimempfängern parallel zur Entwicklung des Radios. Die weit voneinander abweichenden Interessen und Strategien der verschiedenen Interessensgruppen sowohl unter den Ministerien als auch innerhalb von ihnen, zusammen mit den Komplikationen, die von den verschiedenen NSDAP-Gruppierungen verursacht wurden, deuten auf die Unzulänglichkeit des Paradigmas vom vereinigten nationalen Interesse als Erklärung für die historische Entwicklung des Fernsehens hin. 'Führer' und 'Vaterland' wurden selbstverständlich zu jeder gegebenen Gelegenheit

Siehe z.B. Hadamovsky, Der Rundfunk im Dienste der Volksführung und Propaganda und nationale Macht (Leipzig: Robert Noske Verlag, 1934).

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heraufbeschworen, doch die Zeugnisse aus dieser Zeit deuten darauf hin, daß Politiker und Industrielle eher vom eigenen Interesse als von jedweder Verpflichtung gegenüber der Nation oder dem Allgemeinwohl motiviert wurden. Der nationalistische Diskurs über das Fernsehen wich von den Gemeinwohlprinzipien der Aufklärung ab, indem er den eng begrenzten Interessen von Bürokratien und Individuen Tarnung bot. Was die technologische Entwicklung des Mediums anbelangt, deuten viele der Faktoren — nationale und multinationale Interessen der Industrie, Regierungseinrichtungen und sich rapide verändernde technische Standards zusammen mit dem Druck der Weltwirtschaft — auf eine Reihe möglicher Ursachen hin. Ernsthafte Streitigkeiten auf jeder dieser Ebenen hätten wahrscheinlich genügt, um die Standardisierung und den Einsatz des Fernsehens zu verzögern. Umgekehrt hätte angemessener Druck von dem einen oder anderen Sektor die Interessen sehr gut vereinigen können. Das Ende war gekennzeichnet durch das Aufkommen eines technischen Standards und den Zusammenschluß der führenden Elektronikfirmen. Wie in England, wo die Systeme von Baird und EMI/Marconi miteinander konkurrierten, sah sich Deutschland anfangs den Systemen der Fernseh A.G. (Farnsworth/Baird Patente) und von Telefunken (RCA) gegenüber, und das war dann auch der technische Grund für die Verzögerung der Produktion von Fernsehempfänger. Die Situation wurde durch ein starkes nationalistisches Festhaltebestreben an mechanischen Systemen (der Nipkowscheibe) kompliziert, das auf dem hohen Entwicklungsniveau beruhte, das diese als Resultat genauester Planung und Herstellung (Hochvakuumstechnologie) erreichten; ferner wurde dieses Festhalten durch den Status dieser Systeme als "rein deutsch" noch

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verstärkt.31 Nichtsdestoweniger bewies Zworykins Ikonoskop seine technische Überlegenheit, und 1937 setzten sich 441 Zeilen offiziell als deutscher Standard durch.32 Aufgrund der koordinierenden Funktion der RPZ und RRG stellten alle konkurrierenden Elektronikhersteller trotz ihrer vorherigen und laufenden Unternehmens- und Lizenzabkommen auf diese Norm um und machten so den Weg zur gemeinsamen Massenherstellung von Fernsehempfängern frei. Die Genehmigung der Pläne für den kostengünstigen Fernsehvolksempfänger zog sich bis zum Ende des Jahres 1938 hin, eine Verzögerung, die die Elektonikindustrie sicherlich teuer zu stehen kam. Wie schon erwähnt, begann der Krieg kurz nachdem das RPM seinen ersten Großauftrag erteilt hatte, und die Produktion von Empfängern für Privatverbraucher verlangsamte sich fast bis zum völligen Stillstand. Trotz offensichtlichem Produktionsstop entwickelten sich Forschung, Planung und Programmgestaltung jedoch weiterhin rapide. Die Arbeit an einem landesweiten Kabelsystem ging weiter, und die tägliche Sendezeit, die bis 1938 im Durchschnitt 3 Stunden betragen hatte (mit Ausnahme der Olympiade), erreichte in den frühen 40er Jahren 6 1/2 Stunden (einschließlich 1 1/2

Diese mechanische Technologie wurde von den Briten hinsichtlich der Bildklarheit gelegentlich als ihrem eigenen elektrischen System überlegen angesehen, und die Deutschen verbesserten diese Technologie weit über alle erwarteten Grenzen hinaus bis zu einem aus 729 Zeilen bestehenden Bild. E. Traub, "Television at Berlin Radio Exhibition, 1937", Journal of the Royal Television Society , 2. Reihe, 2 (Dezember 1937), S. 289-297. 15. Juli 1937.

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Stunden Liveübertragung).33 Der Zugang zu Fernsehempfängern blieb jedoch größtenteils auf Funktionäre beschränkt, und viele der anderweitig erhältlichen Privatgeräte wurden in Militärkrankenhäusern und Freizeitzentren eingesetzt. Fernsehstuben blieben die vorherrschenden Übertragungsorte für die Öffentlichkeit, und die Forschung auf dem Gebiet der Großbildprojektion und der Präzisionsfernsehsysteme mit 1029 und selbst 2000 Zeilen ging währenddessen weiter.34 Die Forschung und Entwicklung nach 1939 betonte ausdrücklich die militärische Anwendung. Aufklärung (daher das Interesse an hoher Bildqualität), fernsehgesteuerte Raketen, Bomben und Torpedos und Abfallprodukte wie "hitzesuchende" Raketen und damit verwandte Technologien, machten eine rapide Entwicklung durch, die den Entwicklungen in den Vereinigten Staaten gleichkam.

Das tägliche Programm bestand aus Kulturfilmen und gekürzten Spielfilmen, Sport, Nachrichten, Wetter usw. Für Freitag, den 28. Juli 1939, sah es folgendermaßen aus: 12.05 "Blitzlichter" 13.05-13.30 (Pause) 13.30 "Musikalisches Zwischenspiel" 14.00 "Das Deutsche Rote Kreuz" 15.00 "Das schöne Deutschland" 15.45 "Altwiener Bilder" 16.50 Einführung in die Veranstaltunsreihe "Sport und Mikrofon" 17.45 "Aus der Werkstatt des Rundfunks" 18.35 "Ein Traum im Puppenladen" 19:15-20.00 (Pause) 20.00 Nachrichten, Wetter 20.15 "Interessantes aus aller Welt" 20.25 Zeitdienst 21.00 Altwiener Bilder 22.00-22.20 Nachrichten, Wetter, Sport (Erwin Reiss, 'Wir senden Frohsinn. ' Fernsehen unterm Faschismus, Berlin: Elefanten Press Verlag, 1979, S. 158. ) Eine ausgiebigere Diskussion der deutschen Fortschritte in der Technik findet sich in den Berichten von CIOS, BIOS und FIAT sowie bei Goebel.

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Basierend auf einer vorläufigen Analyse, übertrafen die Geschäfte der deutschen Elektronikindustrie mit dem Militär, was Produktionsuitifang und Gewinnspannen anbelangte, bei weitem die Bemühungen (und vielleicht Möglichkeiten) im zivilen Bereich. Fernsehen als Geschichte

Selbst ein kurzer Überblick über die Entwicklung des Fernsehens in Deutschland fördert ein Netz von Widersprüchen zu Tage, die die Rollen von technologischer Forschung, nationaler und multinationaler Industrieentwicklung und staatlicher Wirtschaftskoordination sowie die Beziehungen zwischen dieses Größen kompliziert. Obwohl das Fernsehen also in gewisser Hinsicht Zeuge ist für die bemerkenswert verschiedenartige und oftmals widersprüchliche Anziehungskraft des Dritten Reiches und der mit ihm verknüpften Interessen, ist es jedoch nur eines von vielen Beispielen, deren Entwicklung selbst erst die Komplexität des historischen Moments kennzeichnet und vergegenständlicht. Während die deutsche Situation, eben weil sie so extrem ist, ein nützliches Vergleichsmodell zu alternativen und besser dokumentierten Mediensystemen darstellt, kann sie aus demselben Grund gut die Beziehungen und Spannungen illustrieren, die im breiteren Entwurf der modernen deutschen Geschichte gegenwärtig sind. Die Geschichte des deutschen Fernsehens zeichnet sich sowohl durch die Versuche der NSDAP aus, das Medium als Mittel parteispezifischer Agitation zu dominieren (am offensichtlichsten in den Aktivitäten des Propagandaministeriums), als auch durch die deutliche Koordination der Bemühungen des privaten und öffentlichen Sektors um die Einführung und Förderung des Fernsehens (durch das Postministerium). Somit mag es erscheinen, daß die gesellschaftliche Produktion des Fernsehen mit dem Fernsehen als Produktionsmittel innerhalb dieses sozialen

263 Rahmens eine hochspezifische und national begrenzte Reihe von Ursachen und Wirkung teilt. Diese Perspektive kann sicherlich nützliche Einsichten vermitteln, und zwar ganz besonders im Hinblick auf eine Neubewertung der deutschen Wirtschaftspolitik vor 1939. Die ideosynkratische Besonderheit des deutschen Falles könnte dann umgekehrt als Motivation für die Verdrängung dieses Moments der Rundfunkgeschichte im späteren Diskurs betrachtet werden. Im Unterschied zu diesen Positionen hilft jedoch eine nähere Untersuchung der zugrundeliegenden strukturellen Gemeinsamkeiten, die die deutsche Erfahrung mit den parallel verlaufenden Entwicklungen anderer nationaler Märkte wie zum Beispiel den Vereinigten Staaten und Großbritannien verbindet, die Konturen eines breiteren technologisch-wirtschafliehen Systems in Erscheinung treten zu lassen. Der multinationale Charakter der Forschung und Entwicklung auf dem Gebiet des Fernsehens, die Art und Weise seiner technischen Übertragung (Patentnutzungs- und Lizenzabkommen) und sein Platz im Gefüge des Wirtschaftswachstums im frühen 20. Jahrhundert, verbunden mit dem deutlichen industriellen Engagement von RCA, IT&T, AEG usw., dies alles deutet auf eine Reihe gemeinsamer Nenner hin, die Konzeptionen historischer Prozesse in Frage stellen, die sich fast ausschließlich auf Nation und nationale Loyalität konzentrieren. Außerdem ergeben sich durch die Umstellung auf die weitaus gewinnträchtigeren militärischen Anwendungen der Fernsehtechnologie und wegen der Beibehaltung von wenigstens einigen Geschäftsverbindungen von ausgesprochen multinationaler Art, die selbst Waffensysteme einschlossen und den gesamten Krieg fortdauerten, wesentliche Widersprüche zu der herkömmlichen Sichtweise. Obwohl ein lange Reihe von Faktoren für Deutschlands Fernsehentwicklung verantwortlich zu sein scheint, komplizieren kulturelle Aspekte weiterhin den Status der

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Nation in der Fernsehgeschichte. Das Beziehung zwischen zeitgenössischer Rezeption und daraus folgender historischer Darstellung liefert wertvolle Einsichten in die sich verändernde Mentalitätsgeschichte in der Nachkriegszeit. Die Vielfalt der zugänglichen Quellen und der AuswahlVorgang, bei dem historische Fragen und Methoden bestimmte Teile dieser Quellen als relevant hinstellen, enthüllen die im weitesten Sinne des Wortes ideologische Rolle, die vom Fernsehen als kulturelle Größe und als Studienobjekt eingenommen wird. Unter den zahlreichen möglichen Äußerungen, mittels derer sich der Prozess der konkreten historischen Darstellung des deutschen Fernsehens verfolgen läßt, können zunächst einmal diejenigen herangezogen werden, die die öffentliche Rezeption mehrerer Interessengruppen wiedergeben, die sich durch ihre Beziehung zum Medium unterscheiden. Eine genaue Aufstellung der Positionen, die von der einheimischen und ausländischen Boulevardpresse, von der Fachpresse sowie in den veröffentlichten Berichten und in Umlauf gesetzten Meinungen der Industrie vertreten wurden, ermöglicht nämlich die vergleichende Analyse wenigstens einer Dimension. Natürlich kann ein solcher Ansatz allenfalls andeuten, wie die sich äußernde Institution an der breiten Öffentlichkeit orientiert und übersieht dabei notwendigerweise das umfassendere Spektrum sozialer Kräfte und die sich daraus ergebende Vielfalt der Diskurse (von denen einige schon erwähnt wurden).35 Doch als Hinweis auf die öffentliche Haltung skizziert dieser Ansatz wenigstens in groben Zügen die Rezeption und macht

Aus Platzgründen ist es unmöglich, hier die Entwicklung der Einstellung gegenüber dem Fernsehen und seine Rezeption in den 20er und frühen 30er Jahren zu besprechen; es soll jedoch kurz darauf hingewiesen werden, daß zu dieser Zeit die utopische Dimension des Fernsehens im Vordergrund stand (siehe Monika Eisner, Thomas Müller, Peter M. Spangenberg).

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gleichzeitig die Art des Quellenmaterials aus, zu dem spätere Generationen von Historikern leicht Zugang hatten. Daher werde ich die Ansichten über das Fernsehens skizzieren, die der allgemeinen Öffentlichkeit durch Zeitungen, dem Elektronikgewerbe und seinen Beschäftigten durch deren Fachzeitschriften und den Unternehmen durch Berichte nahegebracht wurden, um so einige öffentliche Konturen des Fernsehens zu umreißen. Es erscheint angebracht, sowohl die deutsche als auch die amerikanische Rezeption während des Jahres 1935 zu untersuchen, um die gesamte Bandbreite an Reaktionen zu erfassen und darzulegen. Mangelte es dem stark propagierten Beginn des öffentlichen Fernsehens 1935 auch an Publikum, so appellierte das Fernsehen nichtsdestoweniger mittels ausgedehnter und intensiver Pressekampagnen an breite Publikumsmassen. In der Boulevardpresse spiegelte sich ein Spektrum von Einstellungen und 19 35, das Jahr in dem Deutschland seinen öffentlichen Fernsehdienst einführte, stellt einen Knotenpunkt in der Darstellung und Gestaltung der Sichtweisen dar.36 Innerhalb Deutschlands — das Pressewesen war bereits zentralisiert -- verkündeten Presseveröffentlichungen und übertriebene Kommentare der Reichs-Rundfunk-Gesellschaft die technischen Errungenschaften der Nation als Beweis einer neuen Ausrichtung sowohl im industriellen Bereich als auch auf dem Verbrauchersektor und priesen sie als Zeugnis der fruchtbaren Zusammenarbeit von Staat und Industrie. Die Berichterstattung der einheimischen Presse war erfüllt von Darstellungen des Fernsehens als Beweis für Deutschlands

Die Muster der Rezeption in den Diskursen von allgemeiner Öffentlichkeit, Handel und Industrie stellen natürlich solch ein großes Forschungsgebiet dar, daß dieser Artikel sie allenfalls einführend erwähnen kann.

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technologische Überlegenheit, als Rechtfertigung seiner neuen Wirtschaftsordnung, als greifbarer Beweis der Wohltaten des Reichs. Multinationale Verbindungen, denen in den Fachzeitschriften relat-iv viel Aufmerksamkeit zukam, wurden in öffentlichen Berichten selten erwähnt, obwohl die Besuche amerikanischer und britischer Wissenschaftler mitunter Erwähnung fanden, aber dann eben als weiterer Beweis für Deutschlands Führung auf dem Gebiet des Fernsehens. Die öffentliche Art der Ausstellung wurde oftmals als ein Beweis egalitärer Politik interpretiert, aufgrund derer ein freier Fernsehdienst für alle zur Verfügung gestellt wurde, bis Fernsehmpfänger erschwinglicher würden (die Aussicht auf letztere wurde immer als nahe bevorstehendes Ereignis hingestellt). Die Boulevardpresse in England und den Vereinigten Staaten legte oftmals einen ähnlich nationalistischen Ton an den Tag, wenn es um das Fernsehen ging. Die New York Times erwähnte wiederholt, daß Deutschland versuche, sich eher dem amerikanischen als dem englischen Standard anzugleichen, obwohl ein etabliertes oder auch nur lizenziertes experimentelles amerikanisches Fernsehen noch gar nicht existierte. Nichtsdestoweniger wurde die zentrale Bedeutung amerikanischer Patente in der Presse ständig hervorgehoben und die technische Überlegenheit der USA behauptet.37 Zusätzlich herrschte in der Boulevardpresse die Tendenz, die britischen Entwicklungen den deutschen vorzuziehen, obwohl in manchen Fällen die zur Diskussion stehende britische Technologie nie wirklich inspiziert worden war (und die getesteten deutschen Systeme anerkanntermaßen reichhaltige Auswahl boten und

Die Berichterstattung hinsichtlich des Sendebeginns des deutschen Fernsehens ist hierbei typisch. Siehe New York Times, 30. Juni 1935; 2. Februar 1935; 27. April 1935.

267 erhältlich waren) ,38 Ein deutliches Konkurrenzbewußtsein mit seinen Gefahren machten sich ebenfalls bemerkbar. Die Bedeutung und das rapide Wachstum des Radios innerhalb Deutschlands wurde regelmäßig zur Kenntnis genommen und dazu benutzt, um die zukünftigen Entwicklungen des Fernsehens 39 vorauszusagen. Oftmals wurden deutsche Entwicklungen von der Presse als Motivationsanreize erwähnt. So lautet etwa eine Schlagzeile der New York Times: "Deutschland treibt die Entwicklung des Fernsehsystems mit Volldampf voran: Berlin hat keineswegs die Absicht, sich beim Thema Fernsehen von London übertreffen zu lassen.1,40 J. Royal, Vizepräsident der National Broadcasting Company [NBC], übertrieb die Auswirkungen des Mediums in Deutschland im Vergleich zum US-Markt als Teil eines umfassenderen Versuchs, den Abschluß staatlicher Lizenzabkommen anzukurbeln, indem er sagte: "Das Fernsehen wird in Deutschland rapide zum nationalen Zeitvertreib."41 Im Unterschied Konkurrenzbewußtsein

zu diesen geprägten

national Artikeln

und durch über die

The New York Times, 4. September 1935. Eine Serie von zusammenhängenden Behauptungen befaßt sich auf positive Weise mit der Verzögerung des amerikanischen Sendebeginns gegenüber dem deutschen und britischen. Im Anschluß an diesbezügliche Behauptungen der amerikanischen Industrie soll Richter E. O. Sykes von der FCC den Briten gesagt haben: "Wenn ihr da drüben mit dem Fernsehen früher beginnt als wir hier, werden wir einfach abwarten und aus euren Fehlern Nutzen ziehen." [The New York Times, ohne Datum, 1934, aus: Ν. E. Kersta Papers, File 2a, Pennsylvania State University]. Typisch für diese Berichte ist eine Behauptung der New York Times vom 5. Mai 1935: "... nichtsdestoweniger wird die wichtige Rolle, die das Radio in politischer Hinsicht in Deutschland spielt, dazu beitragen, die Entwicklung des Fernsehens zu beschleunigen." The New York Times, 26. Juli 1935. The New York Times, 25. August 1935.

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historische Entwicklung des Fernsehens in Deutschland berichtete sowohl die deutsche als auch die internationale Fachpresse zumindest bis zur Kriegserklärung pflichtbewußt über die technischen Neuerungen aus der Perspektive der Patent- und Lizenznutzungsabkoramen sowie der neuen Herstellungsmethoden. The Journal of the Royal Television Society z.B. widmete detaillierten Beschreibungen der jährlichen Rundfunkausstellung in Berlin und der Diskussion über diese Veranstaltung beträchtlichen Raum. Die Zeitschrift verglich die auf dem Markt erhältlichen Empfängermodelle und Studioeinrichtungen sorgfältig miteinander und beklagte dabei häufig die britische Vorliebe für Geheimhaltung. Technikerdelegationen berichteten über ihre Funde, und im großen und ganzen läßt die Fachliteratur Respekt vor deutschem Ingenieurwesen und technologischer Handwerksfähigkeit erkennen, aber sie äußert auch Unverständnis über die (anfängliche) Beibehaltung mechanischer Systeme seitens der Deutschen und ihre Programmgestaltung.42 Die deutsche Fachpresse und in besonderem Maße die technischen Zeitschriften von Telefunken und Fernseh A.G. verbreiteten die Einzelheiten der neuesten Patente ihrer amerikanischen und britischen Schwestergesellschaften, während sie gleichzeitig die eigenen Fortschritte zur Sprache brachten. Die deutsche Fachpresse liefert bis zu ihrem Ende durch den Beginn des "totalen Krieges" im Jahre 1941 reichhaltige Informationen und Beweise für die enge Zusammenarbeit der multinationalen Konzerne. Die deutsche Wirtschaft unterschied sich von ihren britischen und amerikanischen Pendants nur ihre gelegentlich

Siehe z.B. E. Traub, "Television at the Exhibition", Journal of the Television Reihe, 2 (1935), S. 53-61. Traubs Berichte erschienen regelmäßig einmal dieser Zeitschrift.

Berlin Radio Society , 2. detaillierte pro Jahr in

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nationalistischen Diskurse, was in der historischen Einbettung von Fragen der Entwicklung besonders deutlich wird. So erschienen Diskussionen zum Beispiel über die einflußreiche Position Paul Nipkows und Manfred von Ardennes in der Evolution des Fernsehens und deren fortdauernde wichtige Rolle in der Entwicklung des Mediums nur im deutschen Kontext. Während der Diskurs der Konzerne auf der einen Seite die Interessen der multinationalen Elektronik- und Telekommunikationsindustrie reflektiert, bereitet er andererseits wegen der im allgemeinen privaten Natur der Äußerungen ernsthafte Schwierigkeiten für die Forschung. Nichtsdestoweniger erscheinen Auszüge aus diesem Quellenkorpus in Regierungsakten, in den Memoiren von Führungskräften der Konzerne, in Aktionärsberichten, Prozeßprotokollen der Nachkriegszeit u.s.w.43 Während des hier exemplarisch ausgewählten Jahres 1935-36 konzentrierte sich die amerikanische Industrie dagegen hauptsächlich auf Deutschlands technische Errungenschaften. Britische Bemühungen erhielten viel größere Aufmerksamkeit, da die Programmentwicklungen der Briten und ihre Strategien bezüglich der Vermarktung von Empfängern den Plänen der Amerikaner ähnlicher waren.44 Außerdem fiel deutschen Programmen nicht nur aufgrund

Die Rezeption des deutschen Fernsehens seitens der Industie ist Gegenstand meiner derzeitigen Forschungen. Alle Aussagen zu diesem Thema sind dementsprechend als vorläufig zu betrachten und werden nur unter Vorbehalt vorgetragen. Seit dem offiziellen Sendebeginn des britischen Fernsehens 1936 scheint das tägliche Programm der Briten wesentlich entwickelter gewesen zu sein als das der Deutschen. Außerdem war Großbritannien ein besseres Vorbild, da sich die Verkäufe von Empfangsgeräten hier auf etwa 10.000 Geräte während der gleichen Zeitspanne beliefen, in der in Deutschland nur 600-1000 Geräte produziert und verkauft wurden.

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ihrer offen erklärten politischen Funktion, sondern auch wegen des Sprachunterschiedes eine Außenseiterrolle zu. David Sarnoff bemerkt 1936 in seinem Bericht an die 'Federal Communications Commission' über "Die Zukunft des Radios", daß " . . . andere Nationen den Standard und die Methoden der RCA-Techniker akzeptieren und sie bei der Lösung ihrer eigenen Probleme im Bereich Fernsehen anwenden." Sarnoffs Berichte an die RCA-Aktionäre waren jedoch noch detaillierter und enthielten Angaben über das jährliche Einkommmen aus Patenten, welches 1934 die Höhe von $20.166.545,06 erreichte (abzüglich der Reserve für Patente in Höhe von $11.503.333,79 sind das 45 $8.663.211,27) . Zumindest innerhalb der Vereinigten Staaten scheinen Reflexionen über die Konkurrenz seitens des Fernsehens und vor allem deren Auswirkungen auf das Radio einen beträchtlichen Teil der verfügbaren Dokumente von 1935 auszumachen. Inzwischen dokumentierten leitende Angestellte der Industrie sowie Techniker sorgfältig die Entwicklungen in England, Deutschland, Japan, Argentinien und der Sowjetunion; sie spürten so Marktlücken auf und hielten sich über technologische Veränderungen und neue Anwendungsmöglichkeiten auf dem Laufenden. Mit derselben abwartenden Haltung, wie sie 'Federal Communications Commissioner' Syke einnahm, schien die Industrie Deutschland und England als Versuchsfeld für die frühen Konkurrenzkämpfe zwischen der von Farnsworth entwickelten Technologie und der RCA-Technologie zu betrachten und diese Auseinandersetzung genauestens im Auge zu behalten. Selbst aus dieser kurzen Skizze der Rezeption des Fernsehens in Öffentlichkeit, Handel und Industrie während des Jahres 1935 geht hervor, daß die kulturelle Gestaltung

N.E. Kersta Papers. University.

File

lb.

Pennsylvania State

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des Fernsehens oftmals widersprüchliche Formen annimmt, und zwar aufgrund einer Matrix sich überschneidender und durchkreuzender struktureller Probleme, die bereits angerissen wurden. Wenn die Diskussion über die deutschen Entwicklungen auch sonst keine Auswirkungen hatte, so ist sie doch wenigstens zu jenen Bevölkerungsgruppen durchgedrungen, die von diesen verschiedenen Zeitungen und Zeitschriften angesprochen wurden. Angesichts einer derartig starken öffentlichen Präsenz stellt sich natürlich die Frage, wieso die Entwicklungen des deutschen Fernsehens vor 1944 in der Nachkriegszeit so ganz in den Hintergrund verdrängt werden konnten. Welche Art von Interpretationen dieser Materialien (und der viel umfangreicheren allgemein zugänglichen Zeugnisse) liegen vor, und inwiefern prägen diese Interpretation die Konzeptionen deutscher Geschichte? Ein kurzer Blick auf die Neuformulierung des Diskurses nach dem Krieg läßt die vagen Umrisse einer Antwort erkennen. Der Prozeß der kulturellen Neugestaltung des Fernsehens problematisiert indirekt auch die Beziehungen zwischen Technologie, Industrie und Politik und legt auf diese Weise einen Strang der fortlaufenden Geschichtskonstruktion frei. Die Darstellung des deutschen Fernsehens in der Nachkriegszeit spiegelt das Ausmaß der materiellen Einschränkungen wie z.B. den limitierten Zugang zu Archiven wieder, und was vielleicht noch wichtiger ist, die ideologischen Voraussetzungen, auf die sich unsere gegenwärtigen Interpretationen stützen. Dabei stecken drei wesentliche Entwicklungen das Spektrum der vorherrschenden historischen Darstellungen des Themas ab: 1) Nachrichtendienstberichte aus der unmittelbaren Zeit nach der Besatzung, 2) wissenscnaftliche Arbeiten, die sich auf Materialien aus den Archiven des Propagandaministeriums stützen, welche in der (alten) Bundesrepublik lagern, und 3) Forschungsbeiträge, die auf dem sich in der

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DDR befindlichen Archivmaterial des Postministeriums beruhen. Die Abweichungen dieser Ansätze voneinander lassen einige Thesen hervortreten, die selbst die gegenwärtige Forschung noch durchziehen. Gleichzeitig sind diese Ansätze jedoch dadurch miteinander verbunden, daß sie Geschichte in einer Art und Weise verstehen, die gemeinsames Interesse und gemeinsame historische Entwicklung im Gegensatz zu einem bedrohlichen "Anderen" impliziert. Die Darstellung des zumeist als faschistisch definierten "Anderen" hallt dabei wider von starken Anklängen des jeweils anderen Deutschlands. Eine Informationsquelle über den Zustand des deutschen Fernsehens unmittelbar nach dem Krieg stellen die Berichte des amerikanischen FIAT [Field Intelligence Agency, Technical Division], des britischen BIOS [British Intelligence Objectives Subcommittee] und des gemeinsamen amerikanischen und britischen CIOS [Combined Intelligence Objectives Subcommittee] dar, die geradezu einen detaillierten Überblick über die kurze Geschichte des deutschen Fernsehens geben. Diese Studien, die größtenteils den Interessen der Industrie dienten, und zwar sowohl als Quelle für Kriegsbeute an Patenten als auch als Basis für Patentverletzungsprozesse, waren das Resultat umfangreicher Interviews und Untersuchungen, die so schnell wie möglich nach der Beschlagnahmung feindlicher Besitztümer durch das Militär abgehalten wurden. [Genauere Details über diese Institutionen und Beispiele ihrer Berichte folgen später in diesem Band.] Die Berichte, die in systematischer Weise entstanden, versäumten es, organisatorische Themen oder multinationale Patentnutzungsabkommen anzusprechen und konzentrierten sich stattdessen in erster Linie auf technische Themen. Ihrem Auftrag entsprechend trennten diese Studien die Fragen der Technologie sowohl von der Politik als auch von der industriellen Entwicklung. Doch die Beschaffenheit

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der Untersuchungen selbst und ihr enger Zusammenhang mit Bemühungen auf dem Gebiet der Unternehmensspionage und der Abwerbung von Spezialisten sprechen Bände. Während die FIAT/BIOS/CIOS-Berichte also ihrem Zweck nach offiziell eine wertvolle Dokumentation einer ansonsten verlorengegangenen technologischen Entwicklungsgeschichte darstellen, so implizieren sie zumindestens die fortdauernde Symbiose von dem, was Eisenhower als den 'militärisch-industriellen Komplex' bezeichnete. Das Gefühl des "Anderen", das aus diesen Berichten hervorgeht, wird durch die Leichtigkeit verstärkt, mit der sich die Ermittler von vergleichbaren (und oftmals aufgrund von multinationaler Unternehmensorganisation mit der deutschen Elektronikindustrie verflochtenen) Aktivitäten auf ihrer Seite distanzierten. Bei diesem Distanzierungsprozeß tritt denn auch mit erstaunlicher Klarheit zu Tage, daß Geschichte hier vor allem als den eigenen Zwecken dienlich angesehen wird. Die Forschung der Nachkriegszeit über das frühe deutsche Fernsehen spiegelt das ideologische sowie das räumliche Auseinanderdriften der BRD und der DDR wieder. Obwohl die veröffentlichten Forschungsarbeiten meistens aus einer bewußt nationalen Perspektive hervorgingen, scheinen sie bemerkenswerterweise nicht so sehr von dem eigennützigen Interesse gekennzeichnet zu sein, das sowohl die Darstellungen vor 1944 als auch die Berichte von BIOS/FIAT/CIOS charakterisiert. Dennoch gilt es zu bedenken, daß das Unterfangen, eine nationale Geschichte zu konstruieren und Entwicklungen des Fernsehens innerhalb seiner kurzen Geschichte selektiv zu loben beziehungsweise zu kritisieren, unumgänglich mit umfassenderen Fragen der Kontinuität und der Veränderung der nationalen Identität verflochten ist. Folglich läßt der begrenzte Zugang zu Archivmaterialien, der durch die weiterreichenden ideologischen Auffassungsmuster der jüngsten Vergangenheit

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kompliziert wird (und sich manchmal damit deckt), bestimmte Tendenzen erkennen. Angesichts der bedeutsamen Veränderungen, die die Identität Deutschlands zur Zeit erfährt, und zwar besonders im Zusammenhang mit dem Zusammenbruch der strukturellen Barrieren, welche die Wissenschaftler aus beiden Teilen Deutschlands eingeschränkt hatten, zeichnen sich diese Auffassungsmuster deutlicher ab als je zuvor. Trotzdem hat das letzte Jahrzehnt, aus der Perspektive der Wiedervereinigung betrachtet, einen bemerkenswerten Austausch von Auffassungen und Bezügen hervorgebracht, der den Gedanken an eine gemeinsame geschichtliche Vorstellung nahelegt, was für die Nachkriegszeit einzigartig ist. Strukturelle Einschränkungen, die also mit Ausnahme des letzten Jahrzehnts für die gesamte Nachkriegszeit charakteristisch waren, sind zum Teil das Resultat der Trennung der deutschen Archive; so befanden sich die Akten des Propagandaministeriums größtenteils in der BRD und die Akten des Postministeriums in der DDR. Wenn man die zuvor diskutierten, auseinanderlaufenden Interessen beider Ministerien ebenso wie die ihrer Anhänger und Lobbyisten in Betracht zieht, sind die Implikationen dieser Trennung tiefgründig und weitreichend. Aus heuristischen Gründen wird im folgenden nur versucht, die Konturen der Forschung nachzuzeichnen, die für diese Phase der getrennten Ansätze einer deutschen Fernsehgeschichte sowohl im Osten als auch im Westen typisch sind. Wenn man die Darstellungen mehrerer Forscher bezüglich des Versagens Deutschlands miteinander vergleicht, einen Absatzmarkt für Fernsehempfänger im Verbrauchersektor zu entwickeln, lassen sich die unterschiedlichen Perspektiven schnell voneinander absetzen. Durch die Betonung der gemeinsamen Ausrichtung verschiedener Forscher gehen notwendigerweise wichtige Nuancen und Unterschiede verloren, doch wird zugleich deutlich, daß diese Forscher eben gemeinsam auf

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den beschränkten Zugang zu Quellenmaterialien und auf umfassende ideologische Zusammenhänge reagierten, was größere historische Vorgänge enthüllt. Zuerst zur Forschungssituation in der BRD: Gerhard Goebels Studie aus dem Jahre 1953 "Das Fernsehen in Deutschland bis zum Jahre 1945" ist ein seltenes, frühes und allgemein anerkanntes Beispiel eines Versuchs, die Zeugnisse aus den Archiven beider Ministerien miteinander in Einklang zu bringen. Trotz einer Vielfalt von Bezügen, was sich mit vielen der späteren Forschungsarbeiten aus der DDR überschneidet, benutzt Goebel das Material in erster Linie, um technologische Daten zu sammeln, anstatt wie viele westliche Gelehrte dieser Zeit es taten, organisatorische Implikationen herauszustellen. Goebel verfolgt die Entwicklung der deutschen Fernsehtechnologie, indem er die Patentakten, Handelszeitschriften, technischen Berichte und Interviews einer genauen Untersuchung unterzieht. Obwohl sein Uberblick Programmplanung und -analyse einschließt und auch die wirtschaftlichen Konturen der Industrie umreißt, entspricht seine Einstellung grundsätzlich den technischen Interessen des Postministeriums (bei welchem er beschäftigt war), ohne daß er je dessen Archive oder interne Akten systematisch konsultiert, was dazu führt, daß seine Einstellung der öffentlichen Rezeption des Postministeriums verhaftet bleibt. Im Hinblick auf den legitimen Einflußbereich des Postministeriums stellt Goebel in seinem einflußreichen Werk auch die Zentralität der technologischen Entwicklung — Erfindung, Modifikation, Verbesserung — als den entscheidenden Faktor für die Verzögerung der Massenproduktion von Fernsehempfängern in Deutschland heraus. Einige Wissenschaftler, wie z.B. Heinz Pohle und Winfried Lerg, die erheblich zur Geschichte der zeitgeschichtlichen Medienpolitik, Produktion und ihrer

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Interaktion beigetragen haben, gründeten ihre frühe Forschungsarbeit auf Periodika und öffentliche Aufzeichnungen.46 Pohles Studie aus dem Jahre 1956 und Lergs Analyse aus dem Jahre 1967 tendieren beide dazu, die Ereignisse, die die Auseinandersetzungen um Zuständigkeitsbereiche aus dem Jahre 1935 begleiteten und die zu der vorübergehenden Kontrolle des Luftfahrtsministeriums über das Fernsehen führten, auf eine Art und Weise darzustellen, die die Ansichten des Propagandaministeriums (die Stelle, die für die Gestaltung der Berichterstattung verantwortlich war) implizit wiederholt. Indem Pohle und Lerg den übertriebenen rhetorischen Ton des Propagandaministeriums mit den Realitäten der technischen Entwicklung des Fernsehens verbinden, kommen sie zu dem Schluß, daß die vorzeitige Ingangsetzung der Industrie im Jahre 1935 für die Verzögerung der Heimempfängerproduktion verantwortlich war. Das zu schnelle Vorpreschen der Industrie auf Geheiß des Propagandaministeriums bewirkte einen Rückschlag, von der die Industrie sich nicht wieder erholen sollte. Beide Autoren deuten die de facto Subversion der kapitalistischen Interessen durch das Propagandaministerium an, ohne jedoch konkrete Beweise anzuführen. Offensichtlich haben spätere Forschungsarbeiten, besonders die von Lerg, viel zur systematischen Untersuchung der Komplexität dieser Interaktion beigetragen. Die Archivmaterialien, die in der (alten) BRD zugänglich sind, tendieren dazu, diese Grundperspektive zu bestätigen. Die Akten des Propagandaministeriums befassen sich deutlich mit dem Fernsehen, doch in

Heinz Pohle, "Wollen und Wirklichkeit des deutschen Fernsehens bis 1943," Rundfunk und Fernsehen 1 (1956): 59-75; Winfried Lerg, "Zur Entstehung des Fernsehens in Deutschland," Rundfunk und Fernsehen 4 (1967): 349-375.

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Anbetracht der Aufteilung der Verantwortung für das Fernsehen und der 1935 sich schon klar abzeichnenden Interessenskonflikte läßt diese Perspektive nur einen Ausschnitt aus der komplizierten Matrix von Fragestellungen erkennen. In Übereinstimmung mit den Auffassungen einiger westlicher Historiker deuten die Aufzeichnungen des Propagandaministeriums darauf hin, daß es ihm bezüglich der Programmgestaltung vor allem um "Überredung" ging, was die Idee einer "Machtergreifung" verstärkt. Obwohl sich in westlichen Archiven mit Sicherheit Gegenbeweise zu dieser Position finden lassen (zum Beispiel Kopien ausgewählter Briefwechsel zwischen dem Postministerium und dem Finanzministerium oder Kanzleramt), bleibt die "Unternehmensseite" des Postministeriums und dessen Empfindlichkeit weiterhin nur begrenzt dargestellt. Im Unterschied dazu haben Bemühungen in der DDR Werke hervorgebracht, die sich, wie Manfred Hempels Arbeit veranschaulicht, auf das Archivmaterial des Postministeriums stützen und so eine für die Kritik wichtige Ergänzung der westlichen Forschung liefern.47 Durch das Archiv des Postministeriums hatte Hempel Zugang zu dem tagtäglichen Wechselspiel zwischen Staat und Unternehmenswelt und kann somit seine Aufmerksamkeit auf die Geschichte multinationaler Investitionen, die Kämpfe innerhalb der Industrie und den Prozeß der Koordinierung von Industrie und Staat richten. Hempel erklärt das Versagen des frühen deutschen Fernsehens, sich ein Publikum zu verschaffen, indem er den internen Machtkampf zwischen Telefunken und Fernseh (und ihren jeweiligen multinationalen Hinterleuten) dokumentiert und klarstellt, daß die Situation vor allem dadurch verschlimmert wurde,

Der Braune Kanal und "Die Entstehung und Entwicklung der Television in Deutschland bis zur Zerschlagung des Hitlerregimes".

278 daß plötzlich beide Unternehmen ganz rapide die Entwicklung von preiswerten Fernsehempfängern zugunsten der gewinnträchtigeren militärischen Produktion aufgaben. Somit erscheint die Beibehaltung von Fernsehforschung und -entwicklung (trotz der Aufgabe des Verbrauchermarktes) und die schnelle technologische Ausweitung auf verwandte Technologien im Lichte des Strebens nach Unternehmensprofiten. Wie schon im Falle der Forschung in der BRD formte das Archivmaterial, zu welchem Hempel den besten Zugang hatte, notwendigerweise seine Analyse, was bei ihm dazu führte, daß er eine Verbindung zwischen Faschismus und Monopolkapital herstellte. Es wäre schwierig, dieselbe Argumentation anzuführen, wenn man nur Zugang zu den Akten des Propagandaministeriums hätte. Als die Spannungen des kalten Krieges allmählich nachließen und positive ebenso wie negative Reaktionen auf das Weiterbestehen von Unternehmensverflechtungen aus der nationalsozialistischen Vergangenheit immer mehr verblaßten, spiegelte die Geschichte des Fernsehens die Veränderungen wider. Seit dem Ende der siebziger Jahre haben Veränderungen, was Problemstellungen, Sichtweise, Materialzugang und Methode anbelangt, die frühere Spaltung der Ansätze teilweise aufgehoben. Die Arbeit von Erwin Reiss popularisierte zum Teil Elemente einer Analyse im Westen, die sonst typischer für die DDR-Forschung sind.48 Und Dank der Bemühungen einzelner wie Ansgar Diller, Manfred Hempel, Knut Hickethier, Arnulf Kutsch, Friedrich Kahlenberg, Winfried Lerg, Kurt Wagenführ, Siegfried Zielinski und von Gruppen wie dem Studienkreis Rundfunk und Geschichte, der Geschichtskommission des Fernsehens der DDR und dem Projekt "Ästhetik, Pragmatik und Geschichte der Bildschirmmedien" der Universität-

Erwin Reiss, 'Wir Senden Frohsinn.' Fernsehen unterm Faschismus (Berlin: Elefanten Press Verlag, 1979).

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Gesamthochschule Siegen erfuhren in diesem Zeitabschnitt Themen wie Rezeption, Programmgestaltung, Beziehungen zwischen Film und Fernsehen, Fernsehprogrammsparten und genaue Textanalysen größere Aufmerksamkeit.49 In dem Maße, wie die Wiedervereinigung Deutschlands eine Realität wird, ist zu erwarten, daß die während des letzten Jahrzehnts sichtbaren Trends in beiden Teilen Deutschlands zunehmen, wobei die wissenschaftlichen Traditionen beider Seiten zu einem besseren Verständnis eines kritischen und in gewisser Hinsicht bestimmenden Moments der Mediengeschichte beitragen. In der Zwischenzeit stellen die nach den dargestellten Mustern abgefaßten Zeugnisse, die innerhalb des Zeitabschnitts von 1933 bis 1944 entstanden, weiterhin eine äußerst komplizierte Angelegenheit für den Medienhistoriker dar. Konkurrierende Kräfte innerhalb einzelner Ministerien im Verbund mit interministeriellen Auseinandersetzungen, die zudem noch von den oftmals widersprüchlichen Interessen der Partei und einzelner nationaler und multinationaler Unternehmen durchwirkt sind, haben alle zusammen und gleichzeitig eine äußerst breitgefächerte und komplexe Beweisgrundlage geschaffen. Außerdem erschweren und verdrehen weitere Faktoren die Zeugnislage noch zusätzlich. Erstens hat die multinationale Verflechtung, die aus Selbstschutzgründen oftmals als national getarnt wurde (besonders nach der Kriegserklärung, um der Gesetzgebang gegen den Handel mit dem Feind zu entgehen), die Beweisgrundlage vernebelt. Das Material, das in der unmittelbaren Nachkriegszeit von alliierten Ermittlern gesammelt wurde, diente im Grunde genommen dem Geschäftsinteresse der Konzerne: Märkte wurden zusammengelegt, Patentgemeinschaften auf den

Dazu vergleiche die Sonderausgabe über frühes deutsches Fernsehen von The Historical Journal of Film, Radio and Television 10 Nr. 2 (1990).

280

neuesten Stand gebracht und neue Spezialisten ausfindig gemacht. Das rasche Aufflaitunen des kalten Krieges und die sich daraus ergebende Wiederherstellung der alten Geschäftsverbindung zwischen den Alliierten und den Achsenmächten sowie die schnelle Rehabilitation vieler Nazi-Kollaborateure im Westen zusammen mit dem eingeschränkten Zugang zu Informationen oder Quellen in den DDR-Archiven komplizieren das Bild weiterhin. Am besten jedoch läßt sich der Charakter der Forschungsbemühungen nach dem Krieg aus der Teilung der Archive entlang ministerieller Linien erklären, vor allem wenn man die Entwicklungsmuster des Fernsehens in Deutschland in Betracht zieht. Natürlich erschien die Teilung der Archive angesichts der ideologischen Perspektiven auf beiden Seiten der Grenze so manchen als Glücksfall, da sie auf der einen Seite die Ansichten des Westens bestätigte, der in der nationalsozialistischen Epoche eine antikapitalistische, überregulierte, propagandistisch angetriebene Diktatur sah, und auf der anderen Seite die des Ostens, wo dieselbe Epoche als monopolkapitalistischer, krisenabwendender Widerspruch angesehen wurde. Während der ganzen Entwicklungszeit des frühen deutschen Fernsehens wird die Rolle, die der multinationale Gesellschaftskapitalismus vor und während des Krieges in diesem Zusammenhang spielte — eine Beziehung, die noch in der Gegenwart fortdauert — von einer Reihe nationalistischer Diskurse verdeckt. Wie der Fall des Fernsehens demonstriert, sicherten Investitionen, Besitzverhältnisse, Patent- und Lizenzübereinkommen sowie die Beschaffenheit z.B. der Telekommunikationstechnologie selbst einen stetigen Technologietransfer, egal ob dieser nun konstruktiver oder destruktiver Art war. Trotzdem oder vielleicht gerade deswegen werden in Analysen im großen und ganzen kulturelle Konfigurationen nationalistischer Dimensionen zugrundegelegt. Nur das

281

explizite Eindringen von national-ausgerichteten Sendungen einer bestimmten Nation in andere Nationen scheint die Aufmerksamkeit auf multinationale Themen zu lenken. Doch die zugrundeliegende wirtschaftlich-technologische Identität des Fernsehens innerhalb seines ganz und gar multinationalen und monopolkapitalistischen Rahmens erfordert viel sorgfältigere Aufmerksamkeit. Die Diskurse über die Entwicklung des frühen deutschen Fernsehens und ihre spätere Darstellung enthüllen ebensoviel über die Entstehung einer neuen Technologie wie über das Entstehen geschichtlicher Auffassungen. Die Geschichte der Prägung des nationalsozialistischen Fernsehens durch eine Reihe von nationalistischen, technologischen und wirtschaftlichen Diskursen, besonders wenn man die effektive Entfernung dieses kulturellen Momentes aus der öffentlichen Erinnerung in Betracht zieht, wirft grundlegende Fragen über unsere Fähigkeit auf, uns ir:t dem Dritten Reich und dem Schicksal Deutschlands in den Nachkriegsjähren auseinanderzusetzen, die Geschichte zu bewältigen.

(Aus dem Amerikanischen von Angelika Trotter und Gertrud Rath-Montgomery.)

Erwin Reiss

(Berlin)

Zum ORGANisationsprinzip TELEVISION Von der Unverträglichkeit eines Mediums mit dem faschistischen Regime: deutsches Fernsehen 1933-19451

Die Erfindung und das Bedürfnis: Wer wartet auf wen? 1988/89 hätte das deutsche Fernsehen 50 Jahre alt werden können. 1935)

Gab es doch damals in Berlin schon (ab Frühjahr

einen

erprobten

öffentlichen

ersten auf der Welt und überhaupt.

Fernsehbetrieb.

Als

Ein neues technisches

Medium, in internationaler Kooperation und Konkurrenz ersonnen und erschaffen, dem Labor entschlüpft und von seinen Experimentatoren zum Laufen gebracht, wartete darauf, anwenden zu können, was in ihm angelegt war.

Doch wer

indes hatte darauf gewartet? Ein neues technisches Medium. Mittel der Produktion, Mittel zur Destruktion?

Ein Mittel

der oder zur Kommunikation wahrscheinlich. Aber Kommunikation welcher Art? lation?

Als

Kommunikation als Transport, als Zirku-

Sozialisation,

als

Kultur

vermutlich.

Ein

Massenmedium also? 1938 in Deutschland: Zeit der Anschlüsse, der territorialen; wieso nicht der medialen? Es gab eine starke Tradition rauschender und flimmernder Aneignung und Vorstellung von Welt, die mit Macht und untertänig oder mit Wut und widerwillig in den Nationalsozialismus überging. Da war eine Tradition des Kinos, war eine Tradition des Radios. Und für das Fernsehen, bei dem man anfangs noch im Dunkeln tastete, dürftig in einer Kammer eingezwängt,

ward

1938 Licht,

Bühne, Auslauf.

Von

der

Gruft aufs Spielfeld, in die helle Hitze der Schweinwerfer und des Sonnenlichts. Endlich und doch schon schön früh-

Der Essay ist aus einem für das Deutsche Rundfunk-Museum Berlin verfaßten Beitrag für die Ausstellungsbegleitung hervorgegangen.

283

zeitig

mit

Leben

erfüllt:

Spiele

live

auf

der

Bühne,

Spiele live auf Rasen, Sand und Asche. Voraussetzungen: Apparat und Personal und eigentlich alles ganz Aug und Ohr Die Voraussetzungen für ein durchaus passables deutsches Fernsehen waren 1938/39 gegeben. Es wurde nichts, obgleich es doch schon existierte. Mit ansehnlichem Bild, relativ hoch auflösbar, augensanft und doch recht scharf. Apparativ auf entwickelter elektronischer Grundlage. Es gab den vom

Hörfunk

her

bekannten

Auftrag

zur

erschwinglichen

allgemeinen Belehrung und Unterhaltung und eine dementsprechende

Massenproduktion

an

Empfangsgeräten.

Alles

sollte ganz Ohr sein: "Ganz Deutschland hört den Führer!" Auch das Auge wäre präpariert gewesen, oder weniger vortrainiert gungsillusion

und

jedenfalls

in der Wahrnehmung von

Illusionsbewegung.

Man

mehr Bewe-

kannte

das

Gelände und hatte sich darin zurechtzufinden und zu vergnügen gelernt: Operetten, Revuen, Attraktionen von der Bühne und aus dem Kino, Spiele der Lust und Verwechslung, Abgründe der Begierde und Aufschreie der Sehnsucht, Irritationen und Ekstasen, Extravaganzen und Intimitäten, die Bilder der Stiegen und Vorhänge, der Himmel, Tränen und Küsse, das Licht und die Klänge dieser Bilder. Man hatte mit dem Leben dieser Bilder leben gelernt, gelernt, daß man sie zum Leben braucht. Aber es wurden einem ja nicht nur die Augen für die Abwege der Gefühle und Gelüste geöffnet, auf denen man sich gerne sah; man wurde daneben auch mit einem Auge für den Weg versehen, der viel näher am Alltag vorbeiführte. Neben Spielfilmen gab

es

Wochenschauen,

sozusagen

das

Zeitgeschehen

im

Unterschied zu den Ewigkeitszuständen. Es gab im Kino eine Traumwelt und eine Lebensrealistik. Das wurde seit langem produziert und konsumiert. Man hatte damit umzugehen gelernt, fand Verständnis, Gewinn und Gefallen daran, beim

284

Publikum und bei den Machern. Es gab audiovisuelles Material genug, das für einen massenmedialen Fernsehbetrieb hätte verwertet werden können, sowohl im Sinne der Weiterverwendung und Weiterentwicklung als auch im Interesse weiterer Profite. Und es gab das dafür erforderliche technische, journalistische und artistische Personal auf der Produzentenseite. Und auf der Konsumentenseite wußte wahrscheinlich fast jeder sein Okular zu tragen als wäre es sein Auge. Künstliches Sehen war schon dabei, sich von des Menschen zweiter Natur in seine erste zu verwandeln. Allzu viel bemächtigte sich seiner oder entkam ihm im Laufe der Zeit, als daß er hätte leben können, überleben können, ohne das Unsichtbare sehen zu lernen oder sich selber unsichtbar zu machen: Mikrokosmos der alten Krankheiten, Makrokosmos der neuen Kriege, politischer Druck, soziale Not, existentielle Angst. Wesentliche Produktivkräfte waren entwickelt: soziokulturelle Bedingungen der Kommunikation, materiell-technische Grundlagen der Medienapparatur, Voraussetzungen der ästhetischen Darstellung und Wahrnehmung. Vielleicht simpler: Nachdem die erste Fernseh-Ansagerin sich noch im Dunkeln von einem eindringenden Lichtstrahl abtasten lassen mußte, als körpersprachengenötigte Allround-Moderatorin mit kleintierischen Mitbringseln und Schultafelzeichen in einer Art obskurer Kammer eingezwängt, konnte man alsbald in Live-Studios auftreten und das Fernsehspiel als originäres Genre einstudieren. Anzunehmen, daß hinreichend Unterhaltungskünstler, Journalisten und Reporter in Anbetracht des neuen Mediums auf dem Quivive hätten sein müssen. Und es konstituierte sich eine Geräteindustrie, die mit Empfängern zu populären Preisen auf den wieder zu Kaufkräften gelangten Bürger zustrebte: statt Stückwerk oder Einzelserien für die Labore, Administrationen oder

285

Prominenzen eine Massenproduktion an Volksempfängern, also nunmehr eine für jedermann günstige Fernseh- wie Hörfunkteilnahme daheim. An entsprechenden Ubereinkünften der Exponenten des Elektrokapitals hätte es nicht gefehlt. Über Kompetenz läßt sich streiten

Der ökonomischen Bereitschaft zur Massenproduktion hätte es der politischen Zustimmung zur Massenrezeption bedurft. Es gab auch zuständige Instanzen: ein Postministerium, ein Luftfahrtministerium, ein Propagandaministerium. Es ist nicht zu bestreiten, daß Minister(ien) sich um Kompetenzen streiten. In welcher Richtung sollte das Fernsehen sich entwickeln, gefördert werden? Seine Entstehung wird im Ressort der Post reklamiert, irgendwie mit ihr verwandt waren sie alle, die an seiner Erschaffung mitwirkten, Ingenieure und Amateure der Telekommunikation. Grundlegende Entscheidungsrechte für den Rundfunk lagen bei der Post. Verständlich, daß sie sich auch für das Fernsehen verantwortlich hielt, aus Gründen der Tradition und der Definition des neuen Mediums. Sie ist für die Briefbeförderung zuständig, für den Fernsprech- und Fernschreibverkehr sowie für die Wellen und Netze des Radios. Die Post stellt auch die technisch-organisatorische Infrastruktur des Fernsehens. Die konkret kommunikative Nutzung des Mediums ist von einer solchen Produktion zwar nicht unabhängig, ihr gegenüber aber indifferent. Sie ist wie eine universale Zirkulationsagentur. Die von ihr bereitzustellenden und instandzuhaltenden Kommunikationssysteme lassen sich so interindividuell anwenden: intim, familiär, kommerziell. Aber sie können auch als Medien militärischer Operationen oder für die publizistische Sozialisation eingesetzt werden: kriegerisch oder propagandistisch. Die Post hat zu fördern und zu befördern: ob Liebesschwüre oder Todesdepeschen oder einfach Sonderstempel, ob Wunschkon-

286

zerte, oder Frontreportagen oder einfach Frequenztöne. Das kann ihr letztlich egal sein, in ihrer grenzenlosen Neutralität. Ihre Unbelastetheit ist ihr nur schwer zur Last zu legen, ist ihr aber dennoch schwer zur Last zu legen. Bekanntlich ganz anders ein Propagandaministerium.

Auch

wenn dasjenige der Nazis vermutlich

grö-

ßeren

Ruf

hat

als

es

ihn

je

einen weitaus

hatte.

Als

ob

es

damit

gewissermaßen über sich selbst hinausgewachsen wäre: als Propaganda der Propaganda. Orte der Propaganda und Reizstellen Bekanntlich war die Propaganda des deutschen Faschismus weitestgehend zentral dirigiert und durchorganisiert: die auf den Straßen und den Plätzen, die in den Hallen und den Sälen, aber auch die der Presse, des Films und des Hörfunks.

Natürlich

subversiv

veranlagt

gab

es

war:

suspekte ob

Gassen

Medien. oder

Alles,

Stuben,

was

Flug-

blätter oder Kurzwellen. Das konnte nicht recht aufgehen im Anspruch auf Totalität, Subordination und Kontrolle. Da müßte man doch Verdacht schöpfen auf kommunikativ Untergründlerisches, auf mediale Geheimgänge, auf Diffuses, das mehr als nur dem Räuspern oder Blinzeln Schutz und Anreiz gibt, Diffuses, aus dem heraus Widersprüchliches sich als Widerstand organisieren lassen könnte. Mit dem Fernsehen kann man weiter sehen als das Auge blickt.

Aber Fernsehen würde das näher bringen, was sich

im Augenblick ereignet, nicht das, was schon passiert ist. Es wäre Leben, zunächst einmal unabhängig davon, ob es direkt live sendet oder auf Film konserviertes Material ausstrahlt. Es wäre das Erlebnis der Prozeßhaftigkeit des Sehens

selbst und nicht nur -- wie im Kinofilm

-- die

Reproduktion einer abgeschlossenen Anschauung. Fernsehen würde das Auge in Aktion setzen, würde es nicht nur als Empfänger eines längst abgegoltenen Sehvorgangs antreffen, sondern würde es als Organ der Wahrnehmung organisieren.

287

Fernsehen wäre nicht nur ein allgemeines Mittel der Beobachtung und Überwachung oder der Beschickung mit Gesichtspunkten der Wirklichkeit, sondern es würde jeden einzeln empfindlich machen. Fernsehen dient nicht nur der allgemeinen Anschauung, es ist ein Medium, das individuell sehender zu machen vermag. Darin steckt sein Prinzip der technischen Vervollkommnung des menschlichen Organismus: ein Organisationsprinzip. Was ein Projektionsstrahl auf die Kinowand wirft, ist abgegolten, es mag rührend, lustig, schrecklich, klug oder blöd sein, verlogen oder ehrlich, aber es ist definitiv, vergangen. Was im televisuellen Strom treibt, ist in Bewegung, hat offene Ränder, an denen Utopisches aufscheinen kann, befreierisch, bedrohlich, je nach Standort des Benutzers. Das Organisationsprinzip des Fernsehens, das Prinzip, wie es technisch-kulturell gemacht ist und wirkt, als mediale Vervollkommnung des individuellen Wahrnehmungsorganismus, befindet sich von vornherin im Zwist mit dem politischen System der Nazis. Bei allem Drang, jedes Kommunikationsmittel in den Dienst ihrer Propaganda zu nehmen, das Fernsehen war anscheinend nicht nur als Bote ihrer Ideologie zu unzuverlässig, sondern vor allem aufgrund seiner Botschaft als Medium zu widersprüchlich. Zwar machte das Propagandaministerium sich für das neue Medium stark, aber als Mittel für die Propaganda für die Tüchtigkeit, die Schaffenskraft, den technischen Willen der Nation zur Macht.

Zeitströme - - -

Aber auch im Technik(ok)kultischen, auf das die Nazis setzten, steckt als medialer Funken ein menschliches, ein soziales Bedürfnis. Das Bedürfnis, weiter zu sehen als das Auge reicht. Reichlich Fertigkeiten, die Körperlichkeit, ihre Trägheit zu überwinden, waren vorhanden. Geschwindigkeit und Beweglichkeit waren zu wesentlichen Triebkräften

288

der Produktion geworden und bestimmten Industrie und Handel. Die Fabrikation lief am Fließband, Automation war ihr Kennzeichen. Von Tempo und Mobilität ergriffen waren auch Verkehr und Transport: und die Mittel der Kommunikation im weitesten Sinne. Im Sinne der effektivsten Montagesteuerung, der aktuellsten Börsenkurse, der politischen Schlagzeilen, des letzten Schlagers der Unterhaltung. Eben leben, das pulsiert. Ein Pulsieren in Massen. Nicht unbedingt der Puls der Masse. Die Weltwirtschaftskrise von 1929 war ein Kollaps. Galt als Folge einer unvorsichtigen Übererregung des Kreislaufs, als Momentanes und nicht als Moment des Kreislaufs selbst. Die Stabilisierung der Währung löste zwar die Inflation in ihrem atemberaubenden Tempo ab, löste aber nicht das darin entwickelte Temperament auf: weder das industrielle noch das mentale. Die in den Zwanziger Jahren bis in die Lohntüte hinein erfahrene Rasanz gesellschaftlicher Progression wirkte nach. Stabile Preise sind willkommen, stabile politische Verhältnisse werden dafür in Kauf genommen. Doch im Grunde regiert die Mobilität. Gewiß wesentliche gesellschaftliche Komponenten, die den Menschen in die Zwanziger Jahre (beg)leiten, sind vielfach ganz direkte Erfahrungen außergewöhnlichen Stillstands und außergewöhnlicher Beschleunigung. Das Festgefahrensein, Eingegrabensein auf den Schlachtfeldern des Ersten Weltkriegs machte sicherlich einen Eindruck tödlicher Immobilität. Demgegenüber empörende oder umwerfende Schleunigkeit: Revolutionäre Vehemenz, mit der eine neue Gesellschaft in die Geschichte drängt (Oktober in Rußland, November in Deutschland) einerseits, andererseits inflationäre Rasanz, eine Geschwindigkeit, die viele(s) schwinden läßt.

- - - und ihre Bändigung Den Nazis fiel etwas ein, das aufzufangen. Das allgemein

289

erschwingliche Automobilsein, der Volkswagen, der Personenkraftwagen für jedermann, das ('Kraft durch Freude') Reisen für jedermann. Das Vorhaben einer Massenmobilisierung, generell ein Gefühl von unabhängiger Beweglichkeit zu vermitteln, hatte ein entsprechendes Bedürfnis in der Bevölkerung und hatte ein entsprechendes Interesse für die Kriegsmobilmachung des deutschen Faschismus. Die aus der Perspektive der zum Abgang gedrängten Gesellschaftsschichten wild erscheinende revolutionäre Massenbewegung galt es zu domestizieren. Der Rhythmus der Maschine, der Puls der Stadt, die Organisation der Arbeiter, ihre Manifestation der Straße. Domestiziert wurde dies durch Arrangements der Masse(n), galant, pikant, sakrosankt oder militant, zwischen Revuegirlbeinen, unter Paradeschrittstiefeln, in Aufmärschen, Umzügen, als leibliche Piktographien. Die Farbe, die Gesänge, die Werkzeuge und Wahrzeichen, die Ausdrucksmittel, die Gesellschaftlichkeit der sich als historisches Subjekt begreifenden Massen galt es unter Kontrolle zu bekommen. Auf Rot brach man Sichel und Hammer das Kreuz und machte die Räder der Fabriken und das Rad der Geschichte zum Haken. Formation war die gegen ihren Inhalt verkehrte Form. Und das inflationäre Verschwinden materieller Werte beantwortete man mit sittlichem Groll wider den schnöden Materialismus. Materielle Bedürfnisse sollten sich hinten anstellen; vorne wurden Ideale ausgegeben. Entwertung des Geldes, der Arbeit, des Menschen wurde kompensiert als Umwertung aller Werte. Höhere Werte werden für die Niedrigen angeboten; am Emporkommen zu profitieren hoffen am verläßlichsten die Erniedrigten. Entfesselte Kräfte galt es zu bändigen, vor allem aber Kräfte der Entfesselung: für die Massenmedien. Das technisch Machbare und das politisch Vermachte

Das Propagandaministerium hatte die Aufsicht über Presse,

290

Film, Radio. Bereits vor dem Machtantritt der Nazis waren die materiell-technischen Bedingungen dieser Medien weitgehend

entwickelt.

Sie waren

als

Massenkommunikations-

mittel

in Betrieb.

Es gab Erfahrungen,

Kenntnisse

und

Fertigkeiten in ihrer Anwendung: ästhetische Konventionen, eine Tradition, gesellschaftliche Spannen und Spannungen zu reproduzieren, sie zu (in)aktivieren. Film

und

Radio waren

Medien,

die

gut

bürgerlich

herangewachsen waren, ausgewachsen waren. Zweifelsohne mit den zwei Seelen in der Brust, den mehr oder weniger miteinander gesellschaftlich widerstreitenden. Diese Medien waren den Nazis zugefallen. Sicherlich, sie wurden manipuliert in ihrer Funktion; aber man konnte sie übernehmen und vieles von dem, womit sie die Bevölkerung amüsiert und trainiert hatten. Das Fernsehen war zwar auch schon zur Welt gebracht worden. Aber das massenmediale Laufen hätten die Nazis ihm beibringen müssen. Zugegeben, es fing recht unentwickelt an. Versuchsweise noch mit 30 bis 90 FernsehBildzeilen, ab Eröffnung eines regelmäßigen Sendebetriebs 1935 mit 180 Zeilen. Mit Übertragungen eines sprechenden Kopfs

aus

einer

engen

obskuren

Studio, mit überkommenen tisch-mechanisch, weder

Kammer,

ohne

lichtes

Kameras, unerschütterlich elektronisch

live noch

op-

mittels

magnetischer Aufzeichnung. Empfangbar nicht in den eigenen vier Wänden, sondern in öffentlichen Fernsehstuben: sogenanntes Fernkino. Aber

schon

1936

bekamen

die

Fernsehpioniere

den

Widerspruch zwischen dem technisch Wünschenswerten, Machbaren, und dem politisch Erstrebenswerten, Annehmbaren, am eigenen Leib zu spüren: an den olympischen Sommerspielen in Berlin, als im Stadion der Kameramann mit seinem neuen Elektronenstrahlgeschütz

sich

im

Erdboden

verstecken

mußte. Vielleicht weil man ihn nicht sehen sollte, vielleicht weil man ihn fliehen wollte.

291 In die Ferne sehen: Bombardieren Als ob die Fernsehkamera eine Geheimwaffe wäre, als ob sie überhaupt eine Waffe wäre, ein gefährlicher Apparat, ein Apparat der Gefährdung. Spätestens rund 10 Jahre nach den ersten

geglückten

einschlägigen

Experimenten,

ab

1938,

hätte man auf der Grundlage eines weitgehend entwickelten elektronischen Fernsehens das Massenmedium laufen lassen können. Es ist zunächst die Technik, die es bei sich nicht lange

aushält,

bewähren.

nach

Fernsehen

außen

drängt,

ist auch

sich

in die

praktisch

Ferne

Sehen,

zu über

Grenzen und Hindernisse hinweg, das dem Auge Unerreichbare oder

Verborgene

Heranholen.

Jäger

brauchen

eine

gute

Fernsicht, auch Krieger. Sehen hat da durchaus einen ganz direkten Sinn des Lebens, den des Überlebens und Tötens. Bei Wanderern und anderen vordringlich zu ihrem Vergnügen Sehenden bietet sich dieser Aspekt der Fernsicht weniger an. Aber auch der Operngucker kann seine Verwandtschaft mit

dem

Feldstecher

nicht leugnen. Daß ausgerechnet

Reichsluftfahrtminister

und der

wegen

sich

des

Fernsehens

der

Reichspropagandaminister

Konkurrenz

machten,

läßt

erkennen, was in einem solchen Medium alles steckt. Gewiß, auch Propaganda —

ob rabiat oder jovial, pastoral oder

delikat -- kann zur materiellen Gewalt werden. Aber todsicher rascher und endgültiger ist die materielle Gewalt des Bombenabwurfs. Dieser verlangt

Zielsicherheit,

eine

Fernsicht, für die das menschliche Auge nicht ausreicht. Für das Reichsluftfahrtministerium war die Fernsehkamera eine Geheimwaffe, Waffe in einem nicht übertragenen Sinne. Ein Apparat zum Lenken und Leiten, zum Zielen und Treffen. Was die Nazis mit dem neuen Medium erforschten und erprobten, werden

hätte

sollen.

Bodenkontrollen

ein

Bombenfernsehen

Abgesehen bei

Wunderwaffen-Raketen sehen Fernsehprojekt.

von

den

Startversuchen blieb

letztlich

Der den

für

Fernsehbomben

fernsehübertragenen mit das

den

bekannten

Projektilfern-

televisuellen

Medien

ur-

292

sprüngliche Erobern,

Zusammenhang

Besitzen

Versuchen

oder

von

eines militärischen

fortgesetzt.

künstlichem

Zerstören

hat

Sehen

sich

Einsatzes

in

des

und

solchen

Fernsehens

Sicherlich eine restriktive Variante,

eine

sehr gezielte Nutzung der materiell-technischen Potenz des Mediums. Auch nicht eine beiläufige, sondern eine durchaus konsequente Anwendung seiner Anlagen und eine zumindest experimentelle Vorwegnahme seines künftigen Stellenwerts für den Luftkrieg und den Bombenterror. Irgendwo auf dem Weg der Entwicklung des Mediums vom Schnappschuß mit dem Repetiergewehr

im

vergangenen

Jahrhundert

zu

den

Lid-

schlagimpulsen für Bordgeschütze in den Kriegen nach dem Zweiten

Weltkrieg:

elektronisch

aufgewecktes

Rapid

Eye

Movement, Blicke, die töten.

In die Ferne sehen: Telefonieren Unbändige Kräfte des Fernsehens, die man so als gebändigte Kraft zu dirigieren versuchte. Fernsehen zum Lenken statt zum Zerstreuen. Dem Fernsehen freien Lauf zu lassen, dem schien das Nazi-System zu widerstreben. Das Medium öffentlich werden zu lassen, es dem Massenvergnügen zu öffnen, es

gewissermaßen

seiner

proletarischen

Herkunft

gemäß

leben zu lassen, das verwehrten die Nazis. Sie zwängten es ein. Zu Massenkommunikation wäre es geeignet gewesen, zu Versuchen der Massendestruktion wurde es Auch

in

anderen

eingeführt. sprechen.

außergewöhnlichen

abkommandiert.

Kreisen

Zum Zwecke des Telefonierens: Das

war

ein

weiterer

wurde

es

Fernsehgegen-

Versuch,

es

vor

der

Berührung mit der Masse zu verschonen, es von der öffentlichen Belustigung wegzuschließen. Zwei Telefonapparate, eine

exklusive

sprechend,

Verbindung.

sich

Experimentierfeld

So

gegenseitig für

das

konnte

sehen.

Fernsehen

man,

Auch

miteinander das

fernab

war

von

ein

seinen

Möglichkeiten als Mittel der Massenkommuniktion. Vielmehr ein Mittel der Individualkommunikation, der interpersona-

293

len Kommunikation, allenfalls profitabel für geschäftliche Dienste, gegebenenfalls auch vorteilhaft für militärische Zwecke. Verwendungsbereiche, die mehr oder weniger geheim sind. Jedenfalls nicht eine Öffentlichkeit, in die man die Bürger privat sich hätte einmischen lassen wollen. Fernsehen lief, aber man konnte nicht damit daheim frei herumlaufen. Es wurde instrumentalisiert, kaserniert. Ein exklusives Fernsehen allemal

In Labors, Bombern, Postämtern, Ministerien, Messehallen, Hospitälern. Domestiziert war es dadurch, daß es nicht ins Haus kam. Fernsehen gab es unter Anleitung, Führung und Aufsicht, mit Wärtern, Pflegern, Ordnern. Das Fernsehen war geregelt, es hatte zu regeln. Auch als man es zu seinem regelmäßigen Sendedienst antreten ließ. Das Medium verfing sich immer wieder im System. Immer wieder wurde sein technisch-kulturelles Temperament abtemperiert, waren seine Essenzen dem individuellen Stoffwechsel mit dem Zuschauer entzogen. Es hatte Dienst zu tun, nicht Kräfte zu entfesseln. Es hatte für gepflegte Unterhaltung und gute Laune zu sorgen. Nicht wenige, die damals das Fernsehen hervorbrachten oder dafür einsprangen, Techniker und Künstler, erkannten, ahnten zumindest, daß das Medium einst elementar das Leben beeinflussen wird, mit welchem kulturellen Anspruch auch immer es eingesetzt werden mag. Einen solchen verabreichten ihm auch die Nazis, jedenfalls schon damit, daß sie das Medium nicht nur durch das Postministerium befördern ließen oder ins Luftfahrtministerium jagten, sondern es auch der Dramaturgie des Propagandaministeriums unterstellten. Wie (zögerlich und ängstlich) auch immer, das Fernsehen war längst nicht mehr nur zum Laborieren da, zum Telefonieren oder zum Bombardieren, sondern begann zu amüsieren und zu propagieren: exklusiv allemal.

294

Fernsehen wie im Kino Es war ein Massenmedium, wenn auch für ganz wenige. Und für die meisten der ganz wenigen war es wie im Kino, weil es nicht zu ihnen nach Hause kam. Weil es sich nicht zu ihnen setzte, sondern sie zu ihm hingehen mußten. Also Fernkino. So bezeichnete man anfänglich auch die Novität, kennzeichnend für eine Art Vereinigung der beiden Medien Film und Rundfunk. Fernsehen wurde zumeist auch tatsächlich gegeben wie eine Vorstellung, wurde aufgeführt

in

öffentlichen Räumen, Postämtern oder dergleichen: Gemeinschaftsempfang,

Großprojektion,

Aufenthaltsfernsehen



eine Veranstaltung alles in allem. Man war Besucher des Fernsehens, nicht sein Gastgeber. Dort, wo man sich hinbegab,

wurde

stattgefunden

etwas

vorgeführt,

was

eigentlich

schon

hatte. War man dort, hatte man nicht nur

seinen gewohnten Raum verlassen, man machte letztlich auch einen Zeitsprung. Was einem wie Kino geboten wurde, war Anteilnahme an Vergangenem. Fernsehen hingegen, privat bei sich, wäre die augenblickliche Vermittlung mit dem Gegenwärtigen gewesen: Das wäre eine Vergegenwärtigung, die der Anmaßung allgegenwärtiger politischer Macht zuwiderlaufen müsste. Das hätte eine Tendenz fortwährender Entmachtung aufkommen

lassen können: durch

respektlose,

im Prinzip

alles egalisierende Nähe dessen, was doch nicht an einen herankann. Distanzlosigkeit, gar Indiskretion, dezentrales beliebiges

Assoziieren,

Telepräsenz,

das

sind

mediale

Charakterstärken, vor denen das faschistische Regime in Deutschland anscheinend kapitulieren mußte. Wenn doch das Medium zunächst nichts anderes als eine fast immense individuelle Ausformung der menschlichen Sinnesorgane ist, so wäre Fernsehen wohl auch unter den Nazis zu einer privaten sozialen Netzhaut mit Fingerspitzengefühl umgekehrt, Umzüge

oder

verläßlich.

geworden. Und

jede noch so nahe Berührung der Aufmärsche, Veranstaltungen

klemmt

ab

und

sperrt

aus,

295

Das Medium der Zerstreuung wurde an einen Ort der Sammlung geschickt. Fernsehen im Kino. Wie freizügig oder preisgünstig, wie traumwandlerisch und sorgenflüchtig auch immer, der Aufenthalt im Kino hat etwas von Befangenheit, ist eine Art Gefangenheit: Da gibt es einen Einlaß und zur Not Ausgänge. Da gibt es Kontrolleure, Plätze, auf die man verwiesen wird, ob Sperrsitz oder die aus dem Opernhaus herübergerettete Loge, Neben- und Vordermänner. Da gibt es Verbindlichkeiten, Dunkelheit, Dauer, Örtlichkeit, vor allem den Projektionsstrahl, der alle(s) (kon)zentriert. Rausgehen ist unüblich, stört. Unterbrechen gilt nur als Verkaufspause für Erfrischungen oder als technischer Defekt. Die Verfügung über Raum und Zeit ist aus der Hand gegeben. Auch wenn weiter nichts, das jedenfalls hat man an der Garderobe abgelegt. Schon die einst so bekannte Aufmunterung, sich ein paar schöne Stunden zu machen und ins Kino zu gehen, kündigt diese Demission an, so unternehmungslustig sie auch immer klingt. Die Leute, die ins Kino gehen, sehen sich den Film an, ob sie nun hinschauen oder nicht; abgesehen von denen, für die das Kino eine andere Art der Zuflucht ist, denen es besonders darum geht, daß man von ihnen absieht, Verliebte bestenfalls.

Öffentliche Darbietung statt privater Verbrauch

Im Kino rückt man zusammen. Sicher, das ist nicht zu vergleichen mit dem Rücken bei Umzügen, Aufmärschen und anderen Varianten mobil gemachter Immobilität. Aber auch wer im Kino allein sitzt, sitzt in Reih und Glied. Das von den Nazis hergerichtete Fernsehen war nicht privat. Auch nicht privat, und darauf kommt es an, bezüglich der Medienrezeption. Kein Zweifel, das Medium war geschaffen von Spezialisten der Masse derer, die produktiv tätig sind, gesellschaftliche Werte produzieren; es war gesellschaftlich privat erwirtschaftet. Aber dem Zugriff des

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privaten Konsums blieb es entzogen. Da wurde es herausgehalten aus dem alle(s) mitreißenden Kreislauf der Warenzirkulation, die doch gemeinhin nichts ausläßt, weder an Produktionsbedarf nocht an Konsumbedürfnissen. Die Mittel zur Produktion des Mediums waren privat angeeignet, in den Konzernen der Elektroindustrie. Die Produkte des Mediums ließ man nicht privat konsumieren: nicht die Geräte und nicht die aus ihnen hervorgebrachten Sendungen, nicht den Kopf der Studioansagerin und nicht die Beine der Revuefilmgirls, nicht die Großaufnahme vom Kopf des flüchtigen Täters und nicht die Totalen vom Reichsparteitagsspektakel. Die Produkte des Mediums wurden in die Öffentlichkeit entrückt. Nur öffentlich ließ man die Konsumenten ran. Und die Verweigerung eines privaten Zugriffs wurde als Gewährung von Öffentlichkeit gewertet. Die Rasanz, das Tempo des Mediums, die Potenzen seiner Vielseitigkeit und Allgegenwart, seine Direktheit zum privaten Kontakt, die prinzipielle Fortschrittlichkeit des Fernsehens — das alles wurde administrativ zurückreguliert. Eigentlich etwas, was ähnlich schon dem Medium Film widerfuhr. Als man ihm den Schmutz und die Hast der Fabrikhallen abwischte und ihn von den Rummelplätzen in die Kulturpaläste schickte, seine primitiven Zuckungen zu vornehmen Gebärden verrenkte, als sein rußiges Gesicht zur pudrigen Visage wurde, sein Maschinenöl zur Pomade.

Film und Fernsehen: Medienkultivierung

Schon dem Film hatte man den aufrechten Gang des Auflauern, Zuschlagens und Weglaufens abgestellt, hatte man Platz zu nehmen angeboten. Das war schon ein weitgehend gelungener Versuch, aus einem medialen Proleten einen kulturellen Parvenü zu machen. Und auch das Fernsehen, hätte es sich als Medium der Massen realisiert, hätte ganz unten anfangen müssen, von unten kommen müssen. Dazu gehört, daß es erst einmal einfach ganz technisch kommt.

297

So hat es zunächst auch die Menschen begeistert, den Techniker im Labor, den Radioamateur, den Besucher von Funkausstellungen oder den Zuschauer in Fernsehstuben. So hat es die Menschen in ihrer technischen Neugierde gereizt. Gewöhnlich fängt das Medium technisch an. Auch das Fernsehen hätte gegebenenfalls seinen ordinären Anfang genommen: als Medium des/der Ordinären. Demgegenüber das Medium der Vision mit Tradition. Der Film war längst literarisch geworden, lyrisch, episch, dramatisch, war theatralisch, musikalisch oder malerisch geworden. Filmisch zu sein, sein Geburtsfehler, davon wurde er kuriert. Dagegen das Fernsehen: unentwickelt, noch lange nicht kultiviert, roh, gefährlich. Da war noch nichts zur Kunst veredelt, hintergründig. Die Kunst der Technik (auch ein Sehtraining)

Ganz vordergründig war die Kunst der Technik, die faszinierte. Das Medium hätte gut und gerne das vermitteln können, was anfangs auch der/den Film in Bewegung brachte: Produktivität, Aktivität, Mobilität, die Realität des modernen Lebens. Die auch noch aus den frühen Fernsehjähren nach dem Zweiten Weltkrieg bekannten Gesichter an den Schaufenstern der Radiohändler sind ein Zeichen dafür. Neugierig war man. Nebensache, ob da eine heile Familie, eine königliche Krönung oder ein Ratespiel zu sehen war. Hauptsache, es war was zu sehen. Daß sich mit dem technischen Interesse eine kulturelle Wahrnehmung heranbildete, eine bleibende, unmerklich, stellte sich erst später heraus. Man hatte beim Sehen auch schauen gelernt. Ähnlich wie man schräg laufen, krumm sitzen, schief denken lernt. Oder mit der Fremdsprache eine falsche Aussprache, die man kaum mehr los wird. Man hat im Eifer des Lernens eben nicht nur auswendig gelernt, sondern auch verinnerlicht. Die Zeit, in der sich apparatives Sehen und natürliches Sehen, sozusagen Fernsehen und in die Ferne Sehen anein-

298

ander gewöhnen, ist ein langer Prozeß. Und dieser Prozeß ist nicht Technik,

nur eine Angewöhnung nicht

nur

Handhabung

der Technik des

Naturwerdung mit der Apparatur, Vereinnahmung und Aneignung

und an die

Instrumentellen

sondern vor allem

und auch

sowie Wiederveräußerung

be-

stimmter Sehweisen und somit Anschauungen. Aller Anfang ist materialistisch Das Fernsehen, das eben zur Welt der Massenmedien gekommene,

hätte

zunächst

prinzipiell

von

seiner

eigenen

technischen Novität leben können, hätte also Leben vermitteln

können:

für

diejenigen,

von

denen

Technisches

lebt, entdeckt und erfunden, erarbeitet und

hergestellt

wird. Kurzum: Es wären einmal mehr die Maschinisten und ihresgleichen gewesen, nunmehr diejenigen

(opto)elektro-

nischer Prozesse, im Unterschied zu ihren Kollegen von der (opto)mechanischen

Abteilung.

Das

Fernsehen

wäre

noch

lange nicht so verzogen gewesen wie der Film, der ja in und trotz seiner Serienfabrikation längst nicht mehr Wirklichkeit widerspiegelte, sondern Vorstellungen von Wirklichkeit

wiederspiegelte.

Fernsehen

wäre,

wäre

es

als

Massenmedium durchgekommen, ursprünglich vor allem auch als Rohstoff gekommen, Stoff, der das Gestalterische (vor) trägt, als Bewegung, die noch nicht zur Gebärde verkommen ist, als Ausdruck, der sich noch nicht in Gesichtszügen festgefahren hat. Materie noch ohne die bekannten höheren Werte. Das Fernsehen hätte einen materialistischen Anfang nehmen müssen. Eine solche Sinngebung wäre da jeglicher Gesinnung zuvorgekommen. Unvereinbar, unverträglich wäre sie mit heruntergekommenem und daher so extrem angeberischer

Idealismus

massenmedialer

gewesen.

Kulturfaktor

sein Temperament ausgelebt.

Das

Fernsehen,

zur Wirkung

wäre

gelangt,

es

als

hätte

299

Das liberale Prinzip und das System der Diktatur Fernsehen ist im Prinzip liberal, egalitär. Von Grund auf müßte dem Fernsehen jegliches Führerprinzip

zuwider

sein, erst recht eines mit totalitärem Anspruch wie das Nazi-Regime. Daß es von seinem Wesen her elitärer Verwendung widerspricht, zeigen gerade die diversen Bemühungen

um

seine

exklusive

Fernsehtelefonieren,

Indienstnahme

durch

Fernsehbombardieren,

die

also

Nazis:

Militär-

fernsehen, Geschäfts- und Verwaltungsfernsehen. Fernsehen zur Steuerung von Objekten statt zur Streuung von Subjekten. Und Exklusivdienste waren letztendlich auch die Einsätze des Fernsehens auf kulturellem Gebiet, als Sozialisationsfaktor: Veranstaltungsfernsehen aus der kleinen Abtastkabine

oder

Sendesaal,

der

ob

für

die Gäste

allemal,

dann

ob

aus dem

öffentlichen

erst

großen

Fernseh-

stuben, für die Besucher von Rundfunkausstellungen

oder

für die Bewohner von Heimen, von den Pfadfindern bis zu den Kriegsverwundeten. Heimfernsehen gab es schon, aber kein privates,

keines, das man

in

seinen

eigenen

vier

Wänden hätte haben können. Hätte man es für den privaten Empfang zugelassen, hätte man seinen Kräften freien Lauf gelassen. Die in dem Medium pulsierenden Kräfte sind aufgrund ihrer

ihrer

technischen

soziokulturellen

Eigenart

Wirkung

--

sowie spontan



hinsichtlich oder

labil,

anarchisch. Vorausgesetzt, man läßt diese Kräfte massenmedial gewähren. Der Stoff, aus dem das Fernsehen ist, ist an sich Konfliktstoff für jedes System, das sich seiner autoritär oder gar despotisch zu bemächtigen versucht.

Das Unstete Filmpraxis

des

Fernsehmediums

und

das

Beständige

der

Das Vage, das dem Fernsehen schon von seinem technischen Wesen her eigen ist, macht eine Bändigung des Mediums so schwierig, läßt es, in welcher Variante von

kulturellem

Dressurakt es denn auch immer vorgeführt wird, verstellt

300

wirken, unnatürlich erscheinen, der Natur seiner Technik zuwiderhandelnd. Fernsehen ist vage. Es ist unbeständig, zerfließend. Wie die Wellen, in denen es übertragen wird. Sicher,

(seine) Ströme

lassen

(seine) Wellen

bleiben

soweit

Nazis

es

die

auch

für

sich da

in Kanäle

noch

kulturelle

vage. Zwecke

zwingen,

Fernsehen, in

Dienst

nahmen, wurde zum Empfang in öffentliche Räume geschickt, unter dem Kino ähnlichen Umständen aufgeführt. Da ist man angehalten, einen festen Platz einzunehmen. Man wird seßhaft, ob sitzend oder stehend. Man verhält sich ruhig, ist unübersehbar

abgedunkelt.

Die

Kinoprojektionswand

koordiniert die vielen Augenpaare zu einem einzigen. Man ist gefesselt, wird in ein Bündnis einbezogen. Zumindest wird man gebündelt, von dem Projektionsstrahl. Man konzentriert sich, ob nun mehr oder weniger aufmerksam. Und man wird konzentriert:

durch den Projektionsstrahl

der

Kinoapparatur. Dirigiert werden die Zuschauer durch den technischen Vorgang

und

in ihrer Wahrnehmungshaltung.

Die Art des

Sehens produziert und reproduziert auch ständig eine Art der Anschauung. Und die Art der Anschauung wird dem Beschauer durch die Darstellungen im Kinofilm selbst vorgemacht. Das sind dem Film längst und eingehend antrainierte Darstellungen von Wirklichkeit, die zwar mit der Wirklichkeit noch etwas zu tun haben mögen, die aber nicht mehr die Wirklichkeit des Films sind. Trotzdem sind das Darstellungen,

die

nach

und

nach

eins

geworden

zu

sein

scheinen mit dem Medium. In ihnen ist die mediale Realität weggeblendet, bis auf einen Vorrat an konventionalisierten Zeichen, die mehr oder weniger interessant oder imposant ausgespielt werden. So wurde und wird schon das mechanische Kameraauge geblendet, als ob es nicht besser, mehr und vor allem ander(e)s sehen könnte als das von Natur gegebene menschliche Auge und die mit ihm ständig aufs neue identifizierte bürgerliche Sehweise.

301

Der konzentrierte Blick und das Nebenhersehen Spielend läßt sich im Zentrum des Projektionsstrahls der Mensch als Mittelpunkt der Welt zentrieren; das ist der bürgerliche

Mensch

als

der

Mensch

schlechthin.

In

ihm

läuft alles zusammen, aus ihm reflektiert alles. Wenn es von ihm etwas zu berichten gibt, wird von ihm eine Geschichte erzählt, die einen unschuldigen Anfang hat und ein entschuldigendes

Ende, mit Höhen und Tiefen

dazwi-

schen. Es ist pfleglich eine Geschichte mit Hand und Fuß. In der Regel, denn es ist immer eine Geschichte in der Regel, ob mit eingehaltenen oder übertretenen Regeln. Und so sehr auch die Geschichte aus der Luft gegriffen sein mag, aus der Luft gegriffen ist sie nicht. Da würde es ihr, bei all dem vergnüglichen und gefährlichen

Leicht-

sinn, mit dem sie ihren Lauf nehmen mag, an Standfestigkeit fehlen, an Zuverlässigkeit und Glaubwürdigkeit. Die Gravitation bestimmt die Gravität. Und die ist bestimmend, vor allem dann, wenn das Medium Öffentlichkeit zu (repräsentieren kulturpolitisch beauftragt

ist.

Schwankendes

läßt man dann nur als Abart des Beständigen gelten, Abwegiges als Spiel oder Übung des Zielstrebigen. Wo der Film in seiner progressiven Tendenz hindrängt, von da aus bricht das Fernsehen auf. Der Film (von seiner Apparatur her) setzt in Bewegung. Was dabei herauskommt, sind bewegte Bilder, Bilder, in denen sich etwas bewegt, indem sie bewegt werden. Das Fernsehen (von seiner Apparatur her) fängt Bewegung ein, macht sie (be)greifbar. Der filmische Vorgang

schlechthin

ist die

Zeitraffung,

ist

Bildbeschleunigung, Quick Step. Film ist so der Kontrahent des Stillstands. Das macht den Film zum extensiven Erlebnis. Das Ereignis des Fernsehens schlechthin ist die Zeitdehnung, die Bildverzögerung, Slow Motion. Fernsehen ist so der Kontrahent der Raserei. Das macht das Fernsehen zu einer intensiven Erfahrung.

302

Im Kino verbringt man seine Zeit, man gibt sie ab, wird sie los: Die paar schönen Stunden, die man sich damit machen soll, sind im wahrsten Sinne extra. Beim Fernsehen holt man Zeit auf, bringt sie ein. Da macht man sich auch nicht Stunden, sondern einen gemütlichen Abend oder Hausarbeiten oder Kinder nebenher. Beim Fernsehen ist alles inklusive. Film reißt den Besucher mit sich fort, entführt,

steckt

ihn

ein.

Fernsehen

überströmt

den

Teil-

nehmer, läuft an ihm ab oder läßt ihn aus sich schöpfen, kommt auf ihn zu, sprunghaft,

flüchtig. Was dem mecha-

nischen Kameraauge des Films ästhetisch möglich ist, ist dem

elektronischen

Kameraauge

des

Fernsehens

technisch

wesentlich: das Vage.

Der Vagabund und das Monument Der Vagant, der Vagabund im Film, der Urheber, Verursacher und Verfolger des Mediums, im Kinosessel blieb er zwar, aber von der Leinwand zuwiderlaufen,

was

Halt

Stationsvorstehern, Statthaltern,

verschwand gibt,

er. Er muß(te) zu

geben

Gefängniswärtern,

gebieterischen

Devoten

allem

vorgibt:

ob

Kulturwächtern, und

Despoten.

Die

Schöne und das Biest, das geht wunderbar zusammen, nicht aber der Tramp und die Nazis, nicht aber das Fernsehen und das Propagandaministerium. Das Vage eines solchen Massenmediums hatte keine Chance in einem System, in dem das Vagabundische unter Todesstrafe

stand, wie das Liberti-

näre, das Promiskuitive, das Kommunistische, alles, was sich

eben herumtrieb.

Elektronenstrahls

lief

Das Vagabundierende dem

zuwider,

dem

des

Fernseh-

davon

oder

daneben, was die Nazis von ihm hätten erstrahlen lassen wollen. Fernsehen: In der Lücke liegt die Tücke Das Fernsehen hätte sich schon von seinem techno-kulturellen Ursprung her nicht mit dem totalitären Auftritt, dem

303

monumentalen Anspruch des faschistischen Regimes vertragen. Und dem Trachten nach Tausendjährigkeit bekommt Sprunghaftigkeit durchaus nicht. Das Zeilensprungverfahren, also das genuine technische Prin2ip des Mediums, mit dem der Elektronenstrahl das Fernsehbild zur Darstellung bringt, ist in der Tat eigentlich auch ein Gestaltungsund Wahrnehmungsprinzip: Es ist ein Lesen zwischen den Zeilen, das schon immer als ein besonderer Akt des Denkens galt, als ein Aufspüren, als etwas Ungeheuerliches, durchaus Ungeheures. Ein suspekter Aspekt. Wer zwischen den Zeilen lesen kann, weiß mehr. Da Fernsehen schon von seinen technischen Bedingungen her in Lücken auf einen zukommt, bedarf es der Einfügungen und Zusammenfügungen: Fernsehen existiert als Massenmedium eigentlich erst dadurch, daß man sich selbst einfügt, daß es einem wahrlich zur Verfügung steht, letztlich jedem einzeln, allen privat. Vom interaktiven Ursprung des Mediums

Als das kalte Medium par excellence wird das Fernsehen bezeichnet. Es benötigt Energieaustausch, Strom gegen Nerven, audioviuelle Signale gegen sinnliche Impulse. Fernsehen macht nervös wie kein anderes Medium. Es bedarf einer Art der Interaktivität, die zwar auch in allen möglichen modernen dialogischen Varianten eines spielerischen oder geschäftlichen Umgangs mit dem Bildschirm zum Vorschein kommt, in diesen aber schon als Prinzip des Mediums beinhaltet ist. Dem Fernsehen ist das Zufällige eigen, auch das Anfällige, dies nicht erst durch Störungen in der Übertragungstechnik oder Unfälle bei Livesendungen. Es ist ein allemal (im)provisorisches Medium, lebt auch in seiner Wahrnehmung vom Momentanen, Assoziativen. So etwas — in Massen privat — kann der diktatorischen Politik eines totalitären Sozialisationskonzepts nur zuwiderlaufen: Das Vage des Fernsehens, sein

304 vagabundisches Prinzip. Das deutsche Volk als eine Masse von Herumtreibern? Kein Platz für Herrlichkeit in Ewigkeit Das

Dämonische

erloschen.

Das

der

Leinwand

wäre

Gebieterische

auf

hätte

der

den

Mattscheibe

Kindern

Platz

machen müssen. Wenn Kino Realität vortäuschen konnte, das Fernsehen hätte diese selbst sein müssen. Also ließen die Nazis das Fernsehen erst gar nicht so weit kommen, daß es in die Wohnungen gehen konnte, sondern schickten es ins Kino. Da jedenfalls ist der Zuschauer ganz woanders als bei sich (zuhause). Insignien scheinen da besser walten zu können, ob streng oder mild, ernst oder heiter. Am heimischen Bildschirm, mehr Vergnügungsapparat als Sozialisationsinstanz, käme Erhabenes leicht ins Purzeln, könnten aus Männlichkeiten jäh Männlein werden. Das Gigantische, Heroische käme da ganz klein raus. Sicherlich auch wegen der

Bildgröße,

aber

nicht

nur.

Auch

weil

es

einfach

passieren würde, so nebenbei, unter anderem. Im

Fernsehen

ist

schon

von

Anfang

an

alles

der

Kontrolle entraten, schon kraft des Mediums selbst, nicht erst

mittels

irgendwelcher

noch

zusätzlicher

manipula-

tiver Mächte. Fernsehen zerstreut nur, lenkt noch nicht einmal ab. Weil es den Menschen

in seiner

Sinnlichkeit

total kommutiert, ist mit dem Fernsehen kaum totalitär zu kommandieren.

Wer

lachen,

er

aber

zu Hause lacht

lacht, mag

bestimmt

nicht

zwar an

zu

der

Unrecht falschen

Stelle. Der Fernsehkasten ist eine Spielzeugkiste. Was da an Nazis in Erscheinung getreten wäre, hätte sich messen lassen müssen am Verhältnis zwischen Ausmaß und Anmaßung: am

(verbal) Monströsen

eines

(visuellen)

Krümels.

Der

Diminutiv hätte Monumentales ins rechte Licht zu setzen vermocht.

Der Elektronenstrahl

des Mediums

blitzt

über

jegliches System hinweg. Nur, denjenigen, die das ihre für in Herrlichkeit und Ewigkeit gültig halten, gefällt das

305 selbstverständlich nicht besonders. Fernsehen ist nicht an tausend Dauer,

Jahren sondern

interessiert. höchstens

Jedenfalls

an

deren

nicht

an

deren

Geschwindigkeit

in

Licht. Oer lichte Augenblick Die Rasanz des Mediums verzehrt seine Präsenz. Das Momentane,

das

ihm wesentlich

ist,

läßt

aufkommen, nicht aus freiem Antrieb.

Monumentales

nicht

"Verweile doch, du

bist so schön!", das zum Augenblick gesagt, das ist des Fernsehens eigenstes Zeitgefühl. Den Augenblick Augenblick sein zu lassen und ihn doch zum Verweilen zu bringen, das ist seine Kunst/Technik.

Die Nazis

ließen die

nische Beflügelung der Phantasie militärisch

elektro-

krepieren,

wie auch immer, ob für Bombervisiere oder für Kriegsversehrte. Es sollte mörderisch vom Himmel fallen; es mußte gemeinschaftlich empfangen werden. Man schickte das Fernsehen da hin, wo es finster war, machte aus ihm, was man mit dem Film schon lange durchexerzierte. Als Fernsehzuschauer hätte man eine neue Chance gehabt, kulturell anarchisch zu werden, Visionär und Vagabund.

Führerpositur und Fernsehnatur Wer

aber

damals

das

Fernsehen

verfolgen

wollte,

mußte

folgen. Zuschauer als Gefolgsleute, das läuft dem Prinzip des Fernsehens zuwider, nicht aber dem Führerprinzp: zwei Prinzipien, die sich nicht ausstehen können. Fernsehen ist zu grell an Licht, zu prall an Raum, zu dicht an Zeit. Also schickten die Nazis es an einen Platz, der wie U-Boot ist, Schützengraben, Panzerrumpf, auf ein Terrain, das wie Kino im Krieg ist. Das Abgedunkelte des Orts, das Zusammenge(d)rückte des Aufenthalts, die Geschlossenheit

des

öffentlichen Raums, die Konzentration der Wahrnehmung, so sollte das Fernsehen seinen kulturellen Dienst tun, einen wie das Kino. Im Kino, da kann man die äußerste Gefahr am

306

ungefährlichsten erfahren. Das ist Uberlebenserlebnis oder auch -training. Fernsehen ins Kino zu senden, da mutet vieles wie Vorgriff, Einübung auf den Bunker an, auf den Keller, über dem bald die Scheinwerfer die dröhnenden Sterne nach Bombern ableuchteten, während sie unten die tänzelnden Stars anstrahlten. Welche Rolle Fernsehen für die Nazis hätte spielen können, was sie mit ihm als Massenmedium gegebenenfalls aufs Spiel hätten setzen müssen, ist unter ihnen mit Sicherheit nicht unbedacht geblieben. Bedächtig sperrte man weg, was verdächtig erschien. Um Volk ohne Raum zu monieren, da kommt der Monitor zu spät und ist fehl am Platz. Platzlautsprecher, Saalordner, Bereitschaftspolizei, Kinoreihen oder Wettkampfstätten waren da sicherlich die geeigneteren Mittel. Zu denen gehört auch der massenmediale Einsatz des Funks, gehört Radio, das hysterische Medium par excellence, das unwiderstehlich ist, unentrinnbar, wenn es aufgeht in dem, der da tönt, ruft, spricht, Stimme ist oder Klang, in einer verkünderischen Allgegenwart, die an Übermenschliches grenzt, fast nur noch Wort ist, das am Anfang stand. Volk ohne Raum ist Fernsehen schon von sich aus; ein völkisches Hinzutun würde es nur implodieren lassen. Fernsehen löst Räume auf, besetzt sie nicht einfach. Volk ohne Raum wäre in gewissem Sinne schon das entwickeltste Fernsehvolk gewesen. Aber so hat die Nazi-Doktrin es bekanntlich nicht gemeint. Und es war auch kein Volk ohne Raum. Dann kam es doch zum Krieg: Eroberung, Besetzung, Unterwerfung, Zerstörung. Die Visualisierung des Krieges wird sich an Kompars(eri)en halten müssen, wird sich keine Individuen nehmen können, ist doch sein Verdienst, solche zunichte zu machen.

307 Krieg im Fernsehen - Fernsehen im Krieg

Wenn zumindest dem Geiste nach noch Schlachten als Tableaus und Krieger als Porträts existieren mochten, das Fernsehen hätte sie in ihre Realität aufgelöst. Es hätte weiter sehen müssen, alles näher bringen. Es verträgt keine Eingebildetheiten, sondern orientiert sich an seinem Vorbild. Das ist die Technik, auch die Kriegstechnik. Und letztendlich ist das nicht die des ehrenwerten Zweikampfs, sondern die der Entkörperlichung bei lebendigem Leibe, nicht einmal mehr die des siegreichen Angriffs, sondern die der puren Entmaterialisierung. Die televisuelle Elektronik hätte dem Zuschauer den Betrachter ausgetrieben, der Fernsehnation die Zivilbevölkerung — längst vor der Bombardierung deutscher Städte. Gerade daß einesteils mit Fernsehbombem experimentiert wurde, andernteils Fernsehen als tendenziell logistisches Instrument der Orientierung ausgeschlossen blieb vom massenmedialen Zugang zum privaten Empfänger, läßt die systembedingte Widersprüchlichkeit in der Entwicklung des Mediums erkennen. Und auch den explosiven Stoff, aus dem es ist. Das interaktive, sinnesmobilisierende Prinzip des Fernsehens hätte die Fronten des Krieges (und auch Antipathie, gar Opposition) in den eigenen vier Wänden aufscheinen lassen. Der Krieg, schon als er noch nicht der offiziell totale war, hätte den Fernseher zum Platzen gebracht. Der ideologische Krieg fand (da) nicht statt. Die mediale Universalisierung des Krieges hätte seine Schauplätze, Täter und all die Betroffenen privat gemacht, zum Reinsehen und Dreinreden, zum Mitfühlen. Der Krieg hatte dem Tod — ob erhaben oder erniedrigend, glanzvoll oder dreckig — längst seine Intimität ausgetrieben. Im Kino mochte er seine heroischen Rollen weiterspielen, ins Wohnzimmer ließ man ihn nicht, nicht als Fernsehen. Es hätte ihn erleben lassen müssen, hätte ihn nahe gebracht, seine Wirkung, bis zur Kenntlichkeit entstellt, erschreckend intim, gefährlich bürgernah.

308

Sehschlitz und Fernsehauge Der Krieg sollte kein mediales Stück Interieur werden. Er blieb im Bunker, in der Wochenschau, auch in der Operette oder

der

Revue:

in der

bombensicheren

Filmbüchse,

als

Konserve, Notration. Im dunklen öffentlichen Raum ist die Projektion



ob

sie

als

Kußmund

oder

Gewehrmündung

reflektiert -- immer wie ein Blick durch den Sehschlitz. Das ist Beobachtung, ob durch das Schlüsselloch oder durch die Schießscharte, visuelle Berührung zwar, aber Observation auf Distanz. Man

ist

allemal

irgendwie

gut

abge-

schirmt. Am Bildschirm

ist das anders, am massenmedial

praktizierten. Das Fernsehauge ist immer auch das Auge des Bildschirms.

Privates

Fernsehen

ereignet, bei den einzelnen

hätte

Zuschauern

sich

heimlich

daheim und

auch

ohne Kontrolle über sie. Es wäre somit ein Medium, das nicht öffentlich Gemeinschaften herstellt, sondern -- der Potenz nach -- heimlich Solidarität bewirkt. Und das bei der

dem

Medium

eigenen

Agilität,

Vitalität,

die

den

Zuschauer ergreift, so träge auch immer er vor dem Bildschirm

hängen mag. Das Kameraauge

(oder sein

entäugter

technischer Blick, seine letztlich rein digitale Aufmerksamkeit) geht auf im Auge des Bildschirms. Das Auge der Fernsehkamera

repräsentiert

nicht

einfach

das Auge des

Zuschauers, sondern vor allem auch die anderen.

Kein Fernsehen ohne Anschluß Auch die anderen sehen

fern, aber eben

fern.

Zu Hause

sitzt man für gewöhnlich nicht wie im Kino, die Fernsehzuschauer sitzen nicht im selben Raum und sind im Prinzip doch beieinander. Man ist miteinander in Verbindung. Man ist

vernetzt:

Sendenetz

und

Empfangsnetz

--

Netzhaut.

Fernsehen ist intervenierendes Sehen, trotz aller Anschuldigungen, daß es passiv mache. Es ist das Interview-Medium par excellence. Und der Bildschirm schafft es schließlich —

gleichgültig, ob er massenmedial oder

interpersonell

309

unter Strom steht -- bis zum Interface. Das totale Vonangesichtzuangesicht, das Zwischengesicht. Da steckt zuviel Aufrührerisches drin. Es wäre den Anführern des Nazi-Regimes nicht gut zu Gesicht gestanden. 1939, als der Führer die Rundfunkausstellung in Berlin besuchte, explodierte in seiner Nähe ein Fernseher, sicher zufällig. Er nicht. Aber auch die Freigabe des Fernsehens als Massenmedium hätte nicht automatisch zum Führer-Attentat geführt. Eigentlich bevorzugt das Fernsehen Attentate auf demokratische Präsidenten. Diktatoren bringen sich in der Camera obscura um, gegebenenfalls im Führerbunker.

310 Buchzeichen zur historischen Ortung des Mediums

Walter Bruch: Kleine Geschichte des deutschen Fernsehens, (hrsg. v. SFB) Berlin 1967 Walter Bruch: Die Fernseh-Story, Stuttgart 1969 Walter Bruch: Berlin war immer dabei - Eine Plauderei über Erfindung und Entwicklung des Fernsehens, (Schriftenreihe Berliner Forum 3/77) Berlin 1977 Gerhard Eckert: Von Nipkow bis Telstar, Frankfurt/M. o.J. (1963) Gerhart Goebel: "Das Fernsehen in Deutschland bis zum Jahre 1945", Archiv für das Post- und Fernmeldewesen (5/53) Frankfurt/M. 1953 Manfred Hempel: "Fernsehen unterm Hakenkreuz - Die Entstehung und Entwicklung der Television in Deutschland bis zur Zerschlagung des Hitlerregimes", Mitteilungen des Postmuseums Berlin (Band 3/4) Berlin 1970 Erwin Reiss: "Wir senden Frohsinn" - Fernsehen unterm Faschismus, Berlin 1979 Eduard Rhein: Wunder der Wellen - Rundfunk und Fernsehen dargestellt für Jedermann, Berlin 1935 Heide Riedel: Fernsehen - Von der Vision zum Programm, (hrsg. v. Deutsches Rundfunk-Museum Berlin) Berlin 1985 Buchzeichen zur theoretischen Erörterung des Mediums

Theodor W. Adorno: "Prolog zum Fernsehen" (1953), in: Eingriffe - Neun kritische Modelle, Frankfurt/M. 1964 Theodor W. Adorno: "Fernsehen als Ideologie" (1953) ebenda Theodor W. Adorno: "Resümee über Kulturindustrie" (1963), in: Ohne Leitbild - Parva Aesthetica, Frankfurt/M. 1967 Jean Baudrillard: Agonie des Realen, Berlin 1978 Walter Benjamin: Das Kunstwerk im Zeitalter seiner technischen Reproduzierbarkeit, Frankfurt/M. 1967

311

Bert Brecht: Radiotheorie: "Der Rundfunk als Kommunikationsapparat" (1932), in: Schriften zur Literatur und Kunst I (Werke Bd. 18), Frankfurt/M. 1967 Bert Brecht: "Über Film" (1922-33), ebenda H. Magnus Enzensberger: "Baukasten zu einer Theorie der Medien", in: Kursbuch 20, Frankfurt/M. 1970 Siegfried Kracauer: Theorie des Films - Zur Errettung der äußeren Wirklichkeit, Frankfurt/M. 1975 Marshall McLuhan: Die magischen Kanäle - Understanding Media, Düsseldorf 1968 Dziga Vertov: Schriften zum Film (Wir 1922, Kinoki 1923), München 1973 Paul Virilio: Ästhetik des Verschwindens, Berlin 1986 Paul Virilio: Krieg und Kino - Logistik der Wahrnehmung, München 1986 Peter Weibel: Die Beschleunigung der Bilder in der Chronokratie, Bern 1986

Kurt Wagenführ (Berlin) Entwicklungsmöglichkeiten des Fernsehens [Oktober 1939j1

Die 16. Große Deutsche Rundfunk-Ausstellung, die Anfang August ihre Pforten geschlossen hat, trug zum ersten Male in ihrem Titel die Bezeichnung " . . . und Fernseh-Rundfunk-Ausstellung". Wir haben seit fast einem Jahrzehnt auf den Rundfunkausstellungen Fernsehdemonstrationen gesehen. Das waren Bilder von 90 Zeilen und weniger, auf denen die Umrisse der Gegenstände und Personen uns zunächst noch schattenhaft erschienen. Wir ahnten damals bereits einige von den Möglichkeiten, die das Fernsehen in sich bergen könnte, aber wir wußten mit den Bildern noch nichts anzufangen. Sie überzeugten uns nicht, und wir glaubten, daß die Entwicklung einen so langen Weg vor sich haben würde, daß wir ihn nicht bis zu einer gewissen Vollendung verfolgen könnten. Die Techniker und Wissenschaftler verwirklichten den Märchentraum, in die Ferne sehen zu können, schneller als wir annahmen. Mit der Einführung der 180-Zeilen-Norm (1935) wurden uns Bilder geboten, die bereits unseren Ansprüchen genügen konnten. Die Güte steigerte sich mit den 441-Zeilen-Bildern (im Zeilensprungverfahren), die seit Herbst 1938 gesendet werden. In diesem Jahre ist nun mit der Rundfunkausstellung der Fernseheinheitsempfänger der Öffentlichkeit vorgestellt worden, der gegen Ende dieses Jahres auf den Markt kommen wird, und damit ist ein wesentlicher Schritt zur Fernseherschließung, zum Einzel-

Zuerst erschienen in der Deutschen Rundschau 65. Jg. (1939) Nr. 10, S. 184-191; neu gedruckt mit freundlicher Genehmigung von Frau Andrea Brunnen Wagenführ.

313 empfang getan. Bisher verfolgten wir die Programme, die allabendlich von 20 bis 22 Uhr gesendet wurden, in Fernsehstuben; bald wird der Erwerb eines nicht teueren Gerätes vielen möglich sein. Der neue Empfänger stellt eine Gemeinschaftsarbeit dar, die unter Führung der Deutschen Reichspost von fünf Firmen (Telefunken, Fernseh AG., Lorenz, Löwe und TeKaDe) ausgeführt wurde. Das Gerät kostet RM 650 - es ist nicht größer als ein Rundfunksuperhet und stellt das Modernste dar, das zur Zeit geboten werden kann. In den Stunden, in denen der Bildsender nicht arbeitet, wird auf Ultrakurzwellen das Programm des Deutschlandsenders verbreitet werden, so daß im begrenzten Umgange auch ein Rundfunkempfang möglich ist. Der Bildschirm zeigt eine bemerkenswerte Neuerung. Die Röhre, auf der das Bild erscheint, ist nicht mehr gewölbt, sondern flach. Durch diese Konstruktion, die bei dem hohen Vakuumdruck (über 3000 kg!) nicht leicht zu lösen war, ist das Bild nicht mehr "über die Walze gezogen", es bringt also keine Verzerrungen. Die Braunsche Röhre, die früher etwa die halbe Mannshöhe hatte, ist auf rund 40 Zentimeter Länge heruntergedrückt worden, so daß sie bequem waagerecht (bisher stand sie senkrecht, das Bild wurde im Schrägspiegel gesehen) im Empfänger untergebracht werden konnte. Die Bedienung des Gerätes ist sehr einfach, wenige Handgriffe genügen, um Tonstärke, Bildhelligkeit und Kontraststärke einzustellen. Mit der Rundfunk- und Fernsehrundfunk-Ausstellung hat auch ein neuer Programmabschnitt begonnen. Rein äußerlich zeichnete er sich bereits seit einigen Wochen in der Erweiterung des täglichen Programms um 20 Minuten ab, die in erster Linie einem gesprochenen Nachrichtendienst vorbehalten blieben. Das ist aber nur ein Anfang. Ein solcher Dienst muß naturgemäß einmal dazuführen, daß die vorgelesenen Nachrichten durch aktuelle oder historische Filmstreifen, durch Photos oder Diapositive "illustriert"

314 werden.

Hier liegt eine große und gewiß nicht leichte

Aufgabe für den Fernsehprogrammdienst, der seinem ganzen Wesen nach immer nach dem Bilde drängt. auch leichter ermüdend als das Ohr —

Das Auge —

wenn

fordert das Bild zum

Wort, es will Formen sehen, Bewegung und Geschehen, wobei wir sogleich bedenken müssen, daß sie so stark wirken, daß das Wort sparsamer, aber inhaltsschwerer eingesetzt werden muß.

Dieser Nachrichtendienst wird beispielsweise all-

abendlich

die

Wetterkarte

umfassen

und

bis

zum

Film-

streifen gehen, der von der Ankunft eines berühmten Gastes in der Reichshauptstadt wenige Stunden vor der Sendung aufgenommen worden ist.

Voraussetzung ist naturgemäß ein

reiches Bildarchiv und ein sehr schnell arbeitender Filmtrupp.

Das Archiv

wird

zur

Zeit

angelegt,

in

naher

Zukunft wird ein Filmtrupp allein für Berlin eingesetzt werden,

den

zwei

weitere,

die

für

größere

vorgesehen sind, noch unterstützen können.

Aufgaben

So einfach

diese Worte klingen mögen: es bedarf einer höchst sorgsam aufgebauten und komplizierten Organisation, um wirklich den "illustrierten Tagesdienst" einzurichten. Auf der Ausstellung aber hat der Programmdienst einen Sendeplan durchgeführt (von 28. 7. bis 6. 8.), der rein zeitlich

alles

in

den

Schatten

stellte.

Der

Sender

arbeitet mit ganz geringen Sendepausen von morgens 10 22,20 Uhr nachts! Rundfunkprogramms

Zeitlich

ist also der Umfang eines

durchschnittlicher

Länge

erreicht.

Allgemein wird man sagen können, daß dieser Tagesdienst wahrscheinlich später nicht die Norm bleiben wird.

Kein

Mensch kann so lange den Sendungen folgen, außerdem werden die meisten Zuschauer nur während eines Bruchteiles der Sendezeit Ferner bereits

zu Haus vor dem Empfänger

ist

es

eine

Darbietungen

durchaus Reihe

auch

nicht

von

im Bilde

nötig

anzutreffen —

Beispielen zu

zeigen.

dafür —

sein.

spricht

musikalische Hier kann der

Rundfunk einsetzen und sich mit dem Fernsehdienst zu einer

315

zweckmäßigen Gemeinschaft zusammenfinden. Man wird annehmen können, daß ein kommendes Tagesprogramm morgens zwischen 7 und 8 Uhr mit der Frühgymnastik beginnt. Diese Übungen kommen im Bilde ausgezeichnet zur Geltung, und es wird sich als höchst vorteilhaft erweisen, Bewegungen im Bild zu zeigen, damit sie jeder auch wirklich richtig macht. Ein Beispiel kann weit besser erläutern als die schönsten und klarsten gesprochenen Erklärungen; selbst bei großen Turnfesten, bei denen ja die Mitwirkenden bereits regelrecht trainiert sind und viele Proben hinter sich haben, wird eine Übung immer noch einmal optisch vorgeführt. Sicher ist der helle Morgen keine gute und richtige Fernsehzeit, aber die Sendung soll ja auch nicht während der ganzen Dauer mit größter Aufmerksamkeit verfolgt werden, sondern man soll einmal hinsehen, sich nach ihr gewissermaßen nur orientieren, sie als Kontrolle für die eigene Übung benutzen. Der zweite Abschnitt wird später sicher in den Vormittagsstunden liegen und durch Schulfernsehsendungen ausgefüllt sein. Über ihren Wert brauchen wir hier kein Wort zu verlieren. Diese Programme werden wegen der bildhaften Einprägsamkeit eine ausgezeichnete, fast ideale Ergänzung zum Lehrplan bilden. Inwieweit einmal die Mittagsstunden schon einen ersten Tagesdienst bringen werden, soll hier nicht diskutiert werden; die Fernsehentwicklung hat oft schon Bahnen eingeschlagen, die man nicht erwartet hat, lassen wir also Voraussagen, wo sie nicht notwendig sind. Dagegen wird der Nachmittag bereits wieder Programme bringen, die sich in erster Linie an Kinder und Frauen wenden werden. Die Hauptprogramme liegen dann naturgemäß in den Abendstunden. Eine Anzahl von diesen Betrachtungen fand bereits in dem täglichen Programm ihren Niederschlag, das ab 7. August gesendet wurde. Von diesem Termin ab verbreitet unser Fernsehsender ein Nachmittagsprogramm, das neben

316

Zeitdienstsendungen (die Beleuchtung ist günstig!) von der Straße, von Sportplätzen oder sonstigen Stellen Berlins auch Kinder- und Frauenstunden vorsieht. Es ist dabei unseres Erachtens durchaus richtig, daß sich diese Stunden aus kleinen Einzeldarbietungen zusammensetzen; das "schwere", wichtige und umfangreiche Sendegut muß den abendlichen Zeiten vorbehalten bleiben. Es bleibt sicher noch ein Problem, wie die Sommer- und die Wintersaison gegliedert werden muß. Wir haben gerade erst eine Erfahrung mit Vormittags- und Nachmittagssendungen von kaum 14 Tagen hinter uns. Zunächst scheint es, als ob das Fernsehen eine "winterliche" Kunst ist, als ob es den Stunden vorbehalten bleiben müßte, in denen die Dunkelheit oder mindestens die Dämmerung regiert. Das hat einmal technisch-praktische Gründe. In der Dunkelheit erst ist das Fernsehbild gut, im Herbst oder Winter sucht man das Zimmer auf, und "am Abend schätzt man erst das Haus". An einem schönen Sommernachmittag hört man sich zwar Rundfunkmusik auf dem Balkon gern an, aber man geht nur ungern aus der Wärme und dem Licht ins Zimmer, um sich in der bedrückenden Schwüle des geschlossenen Raumes Bilder zu betrachten. Nun zum Abendprogramm, und zwar zum ersten Teil von 20 bis 21 Uhr. Es ist in sorgsamen Beobachtungen in Fernsehstuben festgestellt worden, daß vor allen Dingen die Wochenschau und der Zeitdienst gefallen. Wir ziehen schnell einen Vergleich mit dem Rundfunk, der uns ja noch gewohnter ist als das Fernsehen. Ich zweifle nicht, daß — von Sonderfällen abgesehen — der Nachrichtendienst die Sendung ist, die am meisten, aufmerksamsten und mit dem größten Bewußtsein im Rundfunktagesprogramm abgehört wird. Wir betonten dies früher bereits einmal. Man schaltet sich bewußt auf ihn ein, man unterbricht gewohnte Beschäftigungen, um das Neueste zu hören. Hier liegt auch die Erklärung: diese Sendungen versprechen ihrem Wesen

317 nach und erfahrungsgemäß, daß sie täglich etwas Neues bringen. Sie sind ihrer ganzen Natur nach rundfunkgemäß: sie verraten im Titel nichts vom Inhalt, nur daß er etwas noch nicht Bekanntes bringt. Die göttliche Neugier, die Triebkraft für vieles Geschehen, wird befriedigt werden— was braucht es mehr an Anreiz? Der Fernsehprogrammbetrieb muß aus diesen Erfahrungen lernen und viel Kraft, Zeit und Ideen auf diese Sendungsgruppe konzentrieren. Er kann dabei andere Wege einschlagen als die Wochenschau, er kann breiter sein, tiefer, im guten Sinne pädagogischer und belehrender, er kann Elemente des Kulturfilms in den Zeitdienst übernehmen, aber er muß stets das Leben da packen, wo es sich abspielt. Das ist nicht leicht. Es sind Kabelnetze notwendig (sie werden zur Zeit in Berlin gelegt), um an die Stellen heranzukommen, an denen sich erfahrungsemäß die wichtigsten Ereignisse abspielen. Manches muß zunächst auf Filmstreifen aufgenommen werden, um erst abends, wenn die größte Hörerschaft versammelt ist, zur Sendung zu kommen. Aber das sind technische Fragen, die gelöst werden können und zum Teil bereits gelöst worden sind. Nach Fertigstellung unserer großen Kabellinien, die durch ganz Deutschland verlaufen, wird der Zubringerdienst außerordentlich erweitert werden. Wir werden ja einmal ein einheitliches Reichsprogramm erhalten, das in allen wesentlichen Städten und Gebieten Deutschlands gleichzeitig empfangen wird. Von München, Nürnberg (Reichsparteitag), Köln, Hamburg werden die aktuellen Ereignisse über Kabel nach Berlin und die anderen Städte übertragen werden, ausgestrahlt; in diesen Programmen spricht Deutschland! Es ist eine wunderbare Aufgabe, die unseren Fernsehleuten erwächst. Wir wollen heute nicht die bisher am meisten umstrittene "zweite Stunde" — von 21 bis 22 Uhr nämlich — eingehend behandeln. Ob sie durch Bunte Abende ausgefüllt wird, oder durch Theaterstücke oder sonstiges

318

Sendegut, das mag diesmal unerörtert bleiben. Sicher ist nur, daß jede Sendung von höchster Qualität sein muß. Das Auge ist anspruchsvoller als das Ohr: das Auge wird voll beansprucht, es verlangt daher das Beste. Ein bereits geplantes Fernsehhaus von mächtigem Ausmaße, das in Berlin-Spandau gebaut werden soll, wird die technischen Voraussetzungen für die Sendung bringen. Die Beleuchtung hat noch viele Probleme zu lösen, desgleichen die Kameraführung, die Regie und auch die Tonbehandlung. Wir alle sind vom Rundfunk im Ton und vom Film im Bild verwöhnt und ziehen immer wieder -- so falsch es auch ist -- unbewußt Vergleiche. Ungeklärt sind auch die psychologischen Fragen, die mit dem Ausbau des Abendprogramms zusammenhängen . Wir wollen noch einmal zum Programm zurückkehren, das während der Ausstellungstage gesendet wurde. Bekanntlich standen die Nachmittage unter dem Motto "Sport und Mikrophon". Die Fernsehkamera fing alle Ereignisse, die sich im großen Rund des Terrassengartens abspielten, ein. Hier wurden erstmalig grundlegende Erfahrungen gesammelt, und an die Kameramänner, an die Techniker, besonders aber an die Sprecher wurden außerordentliche Anforderungen gestellt. Wir sahen Boxkämpfe, Rhönradvorführungen, Motorradwettbewerbe, Basketballspiele, Radrennen, turnerische Vorführungen, ferner Übungen des Luftschutzes, des Roten Kreuzes, einer Luftnachrichtentruppe, Flugzeugangriffe, den Start eines Freiballons, auch Kinderspiele usw. usw. Zwischendurch schaltete sich die Kamera auch einmal auf das Olympia-Stadion ein und Übertrug den Weltrekordlauf von Harbig. Alle diese Sendungen waren interessant, es braucht also über den Wert und die Wichtigkeit von sportlichen Darbietungen als Programmstoff kein Wort verloren zu werden. Die Sprecher, die beim Rundfunk schildern müssen, brauchen hier "nur" zu erläutern, aber das ist weit

319

schwerer, weil dieses Wort substantieller sein muß. Es konnten zahlreiche Erfahrungen über den Ausbau und den Einsatz von Kameras gesammelt werden, über Zeiten, die zur Vorbereitung solcher Sendungen notwendig sind usw. Entscheidend war, daß die Sonne die beste Beleuchtung darstellt, die sich Fernsehleute nur wünschen können. Und es erwies sich, daß die Fernsehkameras selbst bei bedecktem Himmel noch ganz ausgezeichnete, klare und tiefenscharfe Bilder brachten, als die Filmleute bereits einpackten. Wir alle, die wir neben der Kamera, in den Ausstellungshallen oder daheim am Empfänger an diesen Sendungen beobachtend teilnahmen, waren in der gleichen Erregung wie die Fernsehleute selbst. In den genannten acht Tagen zeigte es sich augenfällig, was Fernsehen einmal bedeuten kann. Die Feuerprobe war bestanden, jetzt geht es nur weiter auf dem Weg zum Ereignis, zum Geschehen, zum Leben. Das Fernsehen ist stets am überzeugendsten, wenn es im Gleichschritt mit den Ereignissen marschiert. Wer diese Tage miterlebt hat, merkte plötzlich, daß das Wort des Rundfunksprechers den Ereignissen nachhinkt, weil es das Geschehen erst dolmetschen muß. So winzig gering diese Spanne auch ist — sie wurde uns plötzlich bewußt, nicht zuletzt, weil wir sahen und hörten, wie die Worte des Fernsehberichters selbst bei sparsamster und schnellster Anwendung "nachklappten". Hierin zeichnet sich vielleicht am deutlichsten das Wesen des aktuellen Fernsehdienstes ab und damit auch der Weg für die zukünftige Entwicklung.

British Intelligence Objectives

Sub-Committee

Final Report No. 867: Television Development and Application in Germany

Das folgende Exzerpt stellt ein Beispiel der Geheimdienstberichte

der unmittelbaren Nachkriegszeit

Es betrifft,

unter anderem,

Intelligence

Agency,

Unternehemen)

und CIOS

Sub-Committee

-- ein gemeinsames

um

Vernehmungen

das

Technical

von BIOS, Division

FIAT —

dar.

(Field

ein

(Combined Intelligence

entwickelte Fernsehen. häufig

technischen

U.S.—U.K.

U.S.

Objectives Unternehmen)

Bei den Berichten handelt es sich

äußerst

technisches

vor Ort

und

Material,

Inspektionen

das

beruht,

unmittelbar nach dem deutschen Truppenrückzug

auf

die

oft

stattfanden.

Das Bild, das sich aus den vielen Interviews mit Wissenschaftlern

und

Inspektionen

im

Fabriken,

Labors

der

Ausrüstung

zusammensetzt,

zugänglichen nach

Technikern,

und

stellt

der

mit

den

technischen

eine

überblicke der deutschen

der Einstellung

1941 dar.

Zusammenhang der

besten

Fernsehentwicklung

der Handelspublikationen

im

Jahre

Die folgenden Berichte liefern nicht nur einige

Hinweise auf den Umfang der Unternehmungen

im technischen

Bereich

zwischen

und

Institutionen

der

Unabhängigkeit,

herrschte

die

(Telefunken,

Blaupunkt,

den

Fernseh,

Siemens), sondern sie spielen auch auf den Druck und die Zwänge

an,

unter

denen

deutsches

Fernsehen

wurde, was ihm seinen eigenen Charakter

entwickelt

verlieh.

Der folgende Ausschnitt eines Berichts über ein Labor der

Deutschen

technischen

Reichspost

Entwicklung

(die

Abteilung,

und Koordination

vertraut war) bringt eine Reihe ihrer

die des

mit

der

Fernsehens

fernsehspezifischen

Interessen vor: vom Projektionsfernsehen

zur

Unterhaltung

der Truppen in Lazeretten und Theatern, zum Fernsehen als

321 ein Projektil mit Raketensteuerungssystem; oder vom 'HighDefinition' 1029-Zeilen Fernsehen zur 'Low Definition' Kleinbildkamera mit Super-Ikonoskop für Waffensysteme. Außerdem läßt sich oft ein kaum greifbares, aber um so unterschiedliches Mentalitätsbewußtsein feststellen, wenn amerikanische, britische und deutsche Experten, oft Vorkriegsverbänden zugehörig, sich in Bezug auf technischen Fortschritt und Lösungen gemeinsamer Probleme gegenseitig auf dem Laufenden halten. Diese 'Atmosphäre' taucht gleichermassen in der Frageführung und Fragestellung auf, wie auch in Demonstrationen vor Ort, wie zum Beispiel beim Zeilen des Raketensteuerungssystems "Tonne" auf ein Bild von einem Mädchengesicht, das folgt. Es beruht auf den Berichten von E. Redpath (Assistant Director of Radio Production, M.A.P.), J. Dyson, Τ. Μ. C. Lance, G. W. Edwards, D. Weighton und P. H. Spagnoletti, während der BIOS Reise No. 1892, die zwischen dem 16. Februar und dem 20. März stattfand. Der folgende Bericht basiert auf einer Untersuchung der Deutschen Reichspost Labore in Aach bei Singen vom 4.3.1946, und stellt einen Auszug der Seiten 10 bis 15 des Schlußberichts dar.

Deutsche Reichspost, Aach

This laboratory was established at Aach in 1943, having been dispersed from Berlin, and there was originally employed a staff of 70 to 75, only about 30 of whom remained. Work is now confined to the manufacture of school laboratory apparatus and studio equipment for the radio broadcasting station at Baden-Baden. The organization is shortly to be moved to Rastatt, and the staff will probably be increased to about 50, depending upon policy in regard to German reconstruction. The laboratory appeared to be fairly well equipped. During the war the group — under Dr. Weiss — has worked on the following projects:

322 1.

Television, including wide-band amplifiers, secondary-emission multipliers, and the establishment and maintenance of the hospital service in Berlin. 2. "Naxos", a search receiver for use on submarines to detect enemy radar transmission. 3. Radar, including aerials and feeders, also'copies of American 9 c.m. and 3 c.m. magnetrons and klystrons. 4. Testing and trial of "Tonne", [television guided missle, WU] The following persons were interviewed, Dr. Georg Weiss — Chief of the Laboratory Dr. Gossel — Deputy to Dr. Weiss Dr. Herman Weber. Capt. Munsch of the French Marine Nationale was present throughout the discussion. Berlin Hospital Television Service

(Transmitter)

The Berlin transmitter at Witzleben was operated until it was destroyed by bombing in 1943 and supplied a six-hour programme daily — one and one-half hours of which was "live" programme — for entertainment of troops in hospital. A total of 25 cameras (including one supericonoscope) and 3 pairs of film scanners were available, together with 2 vans for outside (O.B.) televising. Studio illumination was normally between 1500 to 2000 lux with a maximum of 4000. The super-iconoscope has been found to be five times more sensitive than the normal iconoscope, and on outside broadcasts had been operated on 180 lux with 10 percent noise level. Of the film scanners, one pair were Mechau projectors using iconoscopes. Additional constant illumination was used to reduce "tilt" and "bend". This combination gave best results when specially printed light-density films were available. The other film scanners were two of the Ernmann system (presumably the double-prism apparatus

323 previously described in "Fernsehhausmitteilungen", April 1939) supplied by Fernseh A.G., and two Mechau projectors with cathode-ray tube scanning. The scanning tubes were made by Telefunken with calcium silicate screens, the after-glow being corrected by a three-section electrical filter. The maximum attainable frequency with CRT scanning was 2.4Mc/s. The larger O.B. van and the installation at the Deutschlandhaus were provided with synchronising pulse generators, the synchronising signal being carried on separate cables. Tests had been made on O.B. using a system in which the synchronising pulses for camera scanning were picked up by radio from the main transmitter by means of a receiver in the van. A variable delay for the synchronising pulses was included in the van equipment to allow for propogation time. This was effected by means of a sine waveform. Owing to lack of facilities the programme was, on occasion, transmitted back to Witzleben via a 76cm. radio link over distances up to 3 Km. thence by cable on 4.2 Mc/s. carrier using the lower sideband for a further distance of up to 4 Km. to the main transmitter. When these arrangements were in use the modulation was restricted to between 10 and 90 percent, but quality was stated to have been very good. The band-width of all the video apparatus extended to 3 Mc/s., but this was limited for carrier working with vision and sound to a vision band-width of 2.2 Mc/s. In addition to the normal broadcast transmitter, coaxial cables were provided for connection to certain centres. The programme was transmitted on a standard carrier frequency of 4.2 Mc/s. (lower side-band only). This was the standard I.F. for receivers and could be fed direct to their I.F. amplifiers. Repeaters built by Siemens were used where necessary with compensation for

324

cable characteristics. From these centres connection was sometimes provided to other groups of receivers over normal 600 ohm telephone circuits, provision being made for compensation every 1.7 Km. of approximately 30/1 over the band. In one particular case, a large cinema equipped with projection apparatus, the signal was supplied by coaxial cable at a carrier frequency of 8.4 Mc/s. Berlin Hospital Television Service Receivers When production of receivers was stopped in 1940, approximately 600 Einheits-emfanger (sic) were in service and about 1000 other sets of earlier proprietary designs. Details of the Einheits-empfanger and manufacturing arrangements have been described in "Telegraphen Fernsprech - Funk - und Fernseh Technik" Vol. 28 July 1939 Berlin Hospital Service Projection Apparatus In order to provide entertainment for the maximum number of troops, several centres in Berlin were fitted with projection equipment. The following information was obtained relative to four types of projectors employed. 1. The largest cinema (in Turmstrasse) with 800 seats was equipped with the Fernseh apparatus first shown at the Funkaustellung in 1938. The special Fernseh directional lenticular screen measuring 5 metres by 4 metres was installed here. The projection tube had a water-cooled metal-based screen, approximately 10 cms by 10 cms, with a final anode potential of 80 KV.... 2. A smaller cinema with seating capacity for 300, was provided with a 2.5 by 2 metre screen (probably Telefunken) formed by bending a glass sheet 8 m.m. thick to a spherical surface of about 10 metres radius. The glass was silvered on the back and no

325 treatment other than slight grinding of the front surface seems to have been attempted, but this apparently gave no improvement in results. Approximately 10 to 12 lux was measured incident on the screen and the image as seen by the spectators was stated to be about l/10th of the brightness of a normal cinema picture. These spectators were accomodated in a particular section of the cinema where the image was satisfactory.

3.

4.

As the picture was not visible from the projector, remote control was provided for the operator who occupied a position amongst the spectators.... The next smaller size of projector was made by Fernseh and employed a directional reflecting screen 1 metre square with a horizonal angle of 50 degrees and vertical angle of 20 degrees. The screen consisted of a flexible sheet of transparent material, 1.5 m.m. thick backed by white linen and embossed on the front surface with horizontal cylindrical lenticules, three per picture line. Small glass "pearls" were embedded in the screen material, several of them in the height of each lenticule. The cost of this screen was estimated by Dr. Weiss to be about 800RM (L25 sterling). When not in use the screen could be rolled up.... Another small type of projection set was used in Berlin. This employed a ground-glass translucent screen but results were not completely satisfactory, owing to "flare spot"....

1029-Line Television System

Some experimental work was carried out early in the war on a 1029-line system, but was stopped at an early stage, as it had no direct military application of sufficient importance. Dr. Weiss was of the opinion that directly-

326

viewed cathode-ray tubes were, in general, good enough to deal satisfactorily with 1000-line definition but that better focus was required on the associated iconoscopes than that normally obtained. The raain problem, however, was the loss in sensitivity in the camera. Because of this, 10,000 lux was required in the studio to produce results similar to those obtained on a 441-line system with only 2,000 lux in the studio, a normal type of iconoscope being used in both cases. Little work has been done in Germany on orthicon development but the Compagnie des Compteurs in Paris had done some work on these tubes under the direction of D.R.P. [Deutsche Reichspost].... Demonstration of "Tonne" According to Dr. Weiss, the 441-line system was never employed for Tonne owing to the difficulties of interlaced scanning. The diagonal scanning system never got beyond the laboratory stage at Fernseh and many difficulties were anticipated by Dr. Weiss. The alignment of the missle equipment with the parent receiver in Tonne I was effected, before the release of the missle, by means of a small circle on the iconoscope mosaic which was centred on the receiver cathode-ray tube by controls which operated, in the case of the line scan, by phase shift of the synchronizing signal and in the frame scan by interruption at some point in the divider chain, until the frame attained the correct position. The operation of a complete Tonne I equipment was demonstrated, the video connection only being employed, but including the Tonne synchronizing system. The subject was a picture of a girl's head, about 9 inches square, at a distance of about 6 ft. from the head of the projectile, (i.e. the front lens of the camera), the illumination being provided by a 500-watt lamp with reflector placed about 8 ft away from the subject. The

327 Standard Tonne lens used The

picture

was

(f/3.5)

very

appeared to be easy.

(sic).

steady

Contrast

and

phase

adjustment

on the receiver

tube

was

good, and the focus capable of dealing with at least twice the number of lines used.

Definition along the line was

estimated to be equivalent to 300-line quality. It was explained that vertical scanning was preferred since

the

subject

usually

consisted

of

a

horizontally

divided field, half white and half dark (i.e. the sky and sea

divided

by

the

line

of

the

vertically, the low-frequency

horizon).

content

By

of the

waveform was kept low with consequent

scanning

transmitted

avoidance of

large

components in the amplifier.

Obwohl

das

Tonne

urteilen,

nie

Berichte 800

zu

nach

Leute

beschäftigen Hinweise

als diejenigen, Tat

die

von Dr. die

Berichten

gebraucht

No.

weitaus

wurde,

Laboren,

867:

mehr

Weiss

für die

auf

zu gaben

die bis zu

Taufkirchen,

positive

besprochen

Tonne-Entwichlungen

Massenproduktion

bildkameraröhren

meisten

und Blaupunkt (BIOS

auf

erreichten

begrenzter

den

Feldeinsätzen

von den Fernseh

München),

der

System,

bei

Ergebnisse wurden. den

'Super-Ikonoskop'

In

Moment Klein-

Rakete:

During the final months of production 300 tubes per month

were

(women)

being

with

a

manufactured

yield

satisfactory tubes — and

contrast,

initial percent

no

of

semi-skilled

approximately

200

i.e., tubes having good

spots,

manufacturing

by

and

stages

(BIOS No. 867, p.7).

completely definition

non-microphonic. the

labour

"shrinkage"

In was

the 90

329 Autoren

Monika Eisner, Bildschirnipro jekt, Universität Gesamthochschule Siegen. Seit 1986 am Medienforschungsprojekt, 'Die Frühgeschichte des deutschen Fernsehens und seine Vorgänger', des DFG Sonderforschungsbereich 240 'Ästhetik, Pragmatik und Geschichte des Fernsehens', beteiligt. Manfred Hempel, Vorsitzender der Geschichtskommission des Fernsehens der DDR vor der deutschen Wiedervereinigung. Herr Hempel hat sich an der Diskussion dieses Themas in Vorlesungen, Veröffentlichungen in Fachzeitschriften und Monographien beteiligt und arbeitet als wissenschaftlicher Berater und Redakteur von Fernsehsendungen und Ausstellungen. Dr. Knut Hickethier, Philipps-Universität Marburg, Institut für Neuere Deutsche Literatur (Medienwissenschaft) und Freie Universität Berlin, Theaterwissenschaft. Seit 1982 Fernseh- und Radiokritiker für Kirche und Rundfunk, Direktor bei der Gesellschaft für Film- und Fernsehwissenschaft (GEF). Dr. Hickethier hat zahlreiche Bücher und Artikel über die ästhetischen Probleme und die Geschichte der Medien, sowie Aspekte der Produktion und Rezeption in der Dramaturgie geschrieben und herausgegeben. Dr. Peter Hoff, Hochschule für Wolf' in Potsdam-Babelsberg. und Theorie des Fernsehens und kritiker für Neues Deutschland und hat zahlreiche Artikel veröffentlicht.

Film und Fernsehen 'Konrad Dr. Hoff lehrt Geschichte ist regelmäßiger Fernsehund andere Zeitschriften, über Film und Fernsehen

Professor Dr. Friedrich P. Kahlenberg, Leiter des Bundesarchivs, Vorsitzender der Studienkreis Rundfunk und Geschichte e.V., und Professor an der Universität Mannheim. Professor Kahlenberg ist der Autor vieler wissenschaftlicher Veröffentlichungen über Film und Fernsehen und hat eine zentrale Rolle in der kritischen Untersuchung der deutschen Mediengeschichte gespielt. Thomas Müller, Bildschirmprojekt, Universität Gesamthochschule Siegen. Seit 1986 am Medienforschungsprojekt, 'Die Frühgeschichte des deutschen Fernsehens und seine Vorgänger', des DFG Sonderforschungsbereich 240 'Ästhetik, Pragmatik und Geschichte des Fernsehens', beteiligt.

330

Erwin Reiss, freier Medienpublizist, wissenschaftlicher Mitarbeiter am deutschen Rundfunk-Museum Berlin und Dozent an der Freien Universität Berlin. Autor zahlreicher Artikel und Bücher über die Geschichte und Theorie der Medien, sein am besten bekanntes Werk: Das Fernsehen unterm Faschismus. Dr. Peter M. Spangenberg, Bildschirmprojekt, Universität Gesamthochschule Siegen. Seit 1986 am Medienforschungsprojekt, 'Die Frühgeschichte des deutschen Fernsehens und seine Vorgänger', des DFG Sonderforschungsbereich 240 'Ästhetik, Pragmatik und Geschichte des Fernsehens', beteiligt. Dr. William Uricchio, Pennsylvania State University (USA) School of Communications und ehemaliger Gast-Professor an der Freien Universität Berlin. Dr. Uricchio hat Bücher und Artikel über Themen der Kultur, Medien und Gesellschaft veröffentlicht, einschließlich frühe amerikanische Filmproduktion und Publikumsrezeption, Kulturfilm, und frühes deutsches Fernsehen. Dr. Kurt Wagenführ, anerkannter Fernsehkritiker vom Beginn der deutschen Fernsehausstrahlung bis zu seinem kürzlichen Tod. Vor 1945 war er mit dem Deutschen Institut für Zeitungskunde und den Universitäten Leipzig und Berlin verbunden. Nach dem Krieg war er an der Gründung des Hans Bredow Instituts beteiligt, und dozierte an den Universitäten Hamburg und Münster. Sein Frau und er waren die Herausgeber der Fernsehen (1953-1963) und seit 1974 von Fernsehen-Informationen.