Die Entwicklung des deutschen Weinstrafrechts seit 1871 9783110682786, 9783110682816, 9783110682939

This book explores the development of German wine regulations beginning in 1871, with a focus on the criminal provisions

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German Pages 286 Year 2020

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Table of contents :
Vorwort
Inhaltsverzeichnis
Abkürzungsverzeichnis
Erstes Kapitel: Hinführung zum Thema
Zweites Kapitel: Weinrechtliche Strafbestimmungen vor 1870
Drittes Kapitel: Strafgesetzbuch für das Deutsche Reich
Viertes Kapitel: Gesetzgebung der 70er und 80er Jahre
Fünftes Kapitel: Gesetzgebung bis zum Ende des Kaiserreichs
Sechstes Kapitel: Gesetzgebung in der Weimarer Republik und in der Zeit der NS-Herrschaft
Siebentes Kapitel: Gesetzgebung nach 1945
Achtes Kapitel: Zusammenfassung und Würdigung
ANHANG
Ursprüngliche Fassung des § 67 Weingesetz 1971
Literaturverzeichnis
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Die Entwicklung des deutschen Weinstrafrechts seit 1871
 9783110682786, 9783110682816, 9783110682939

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Josef Roth Die Entwicklung des deutschen Weinstrafrechts seit 1871 Juristische Zeitgeschichte Abteilung 3, Band 51

Juristische Zeitgeschichte Hrsg. von Prof. Dr. Dr. Dr. h.c. Thomas Vormbaum (FernUniversität in Hagen, Institut für Juristische Zeitgeschichte)

Abteilung 3: Beiträge zur modernen deutschen Strafgesetzgebung Materialien zu einem historischen Kommentar Hrsg. von Prof. Dr. Dr. Dr. h.c. Thomas Vormbaum

Band 51 Redaktion: Christoph Hagemann

De Gruyter

Josef Roth

Die Entwicklung des deutschen Weinstrafrechts seit 1871

De Gruyter

Die Arbeit wurde von der Rechtswissenschaftlichen Fakultät der FernUniversität in Hagen als Dissertation angenommen.

ISBN 978-3-11-068278-6 e-ISBN (PDF) 978-3-11-068281-6 e-ISBN (EPUB) 978-3-11-068293-9

Library of Congress Control Number: 2020931101 Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.dnb.de abrufbar. © 2020 Walter de Gruyter GmbH, Berlin/Boston Druck und Bindung: CPI books GmbH, Leck www.degruyter.com

Vorwort Die vorliegende Arbeit wurde im Sommersemester 2019 an der Rechtswissenschaftlichen Fakultät der FernUniversität in Hagen als Dissertation eingereicht. Herrn Prof. Dr. Dr. Dr. h.c. Vormbaum gilt mein besonderer Dank für die Übernahme der Betreuung dieser Arbeit. Für die Abhaltung der Doktorandenseminare sowie die hervorragende Betreuung, mit der er den Fortgang der Arbeit begleitete, möchte ich mich herzlich bedanken. Herrn Prof. Dr. Stephan Stübinger gilt mein Dank für die Übernahme des Zweitgutachtens. Bedanken möchte ich mich ferner bei allen Mitarbeitern des Lehrstuhls und des Instituts für juristische Zeitgeschichte, hier vor allem Herrn Christoph Hagemann. Diese haben mir bei allen Problemen, die die redaktionelle Bearbeitung dieses Buches betrafen, stets freundlich und engagiert zur Seite gestanden. Für nützliche Hilfen bei der Recherche der zum Teil über 100 Jahre zurückliegenden Weinliteratur danke ich den Mitarbeitern der Landesbibliothek in Speyer, die mich auch bei meinen Aufenthalten vor Ort stets freundlich unterstützt haben. Widmen möchte ich dieses Buch schließlich meinen verstorbenen Eltern, meiner Frau, meinen Kindern und Enkelkindern. März 2019

https://doi.org/10.1515/9783110682816-001

Josef Roth

Inhaltsverzeichnis Vorwort .............................................................................................................V Abkürzungsverzeichnis ................................................................................. XIX Erstes Kapitel: Hinführung zum Thema ............................................................ 1 I.

Einführung und Fragestellungen ......................................................... 1

II.

Geschützte Rechtsgüter ....................................................................... 3

III. Weinbau, Weinbereitung .................................................................... 5 1. Begriffe ......................................................................................... 5 a) Wein ........................................................................................ 5 b) Rohstoff ................................................................................... 5 c) Rebsorten ................................................................................. 5 d) Rebe / Weinstock ..................................................................... 6 e) Gärung ..................................................................................... 7 f) Jahrgang ................................................................................... 7 g) Weinarten................................................................................. 8 2. Herkunft – geographische Angaben .............................................. 9 a) Weinbaugebiet ......................................................................... 9 b) Bereich ................................................................................... 10 c) Lagen ..................................................................................... 10 3. Geschmacksangaben – Zuckergehalt........................................... 11 4. Zuckergehalt / Restsüße .............................................................. 13 5. Mostgewicht; Grad Oechsle ........................................................ 14 6. Anreicherung ............................................................................... 15 7. Alkoholfreier Wein...................................................................... 15 8. Verschnitt .................................................................................... 15 9. Wein-Güteklassen ....................................................................... 16 a) Qualitätswein ......................................................................... 16 b) A.P.-Nummer......................................................................... 17 c) Prädikatswein......................................................................... 17

VIII

Inhaltsverzeichnis 10. Weinsteuer................................................................................... 18 11. Deklarationspflichten .................................................................. 18 a) Alkoholgehalt in % Volumen ................................................ 18 b) „Enthält Sulfite“..................................................................... 19 c) Kasein, Albumin, Lysozym ................................................... 20 d) Nennvolumen......................................................................... 20 e) Vorgaben für die Etikettierung .............................................. 21 f) Flaschenform ......................................................................... 21

IV. Weinrecht als spezielles Lebensmittelrecht ...................................... 21 V.

Weinbau in Deutschland ................................................................... 22 1. Historischer Abriss ...................................................................... 22 2. Etikettierung ................................................................................ 24 3. Aufstiegsphase des deutschen Weinbaus im 19. Jahrhundert...... 25

VI. Forschungsstand ................................................................................ 28 VII. Themenzuschnitt ............................................................................... 30 Zweites Kapitel: Weinrechtliche Strafbestimmungen vor 1870 ...................... 31 I.

Reichsweinordnungen ....................................................................... 31

II.

Landesrechtliche Verordnungen ....................................................... 31

III.

Partikular-Strafgesetzbücher ............................................................ 32

Drittes Kapitel: Strafgesetzbuch für das Deutsche Reich ............................... 33 I.

Herstellungsverstöße ......................................................................... 34 1. Körperverletzung ......................................................................... 34 2. Vergiftung und Beimischung von Stoffen – § 324 RStGB ......... 34 3. Schließung der Weinberge (§ 368 Nr. 1 RStGB) ........................ 35

II.

Vertriebsverstöße .............................................................................. 36 1. § 367 Nr. 7 RStGB ...................................................................... 36 2. § 263 RStGB: Betrug .................................................................. 40 3. §§ 267–268 – Urkundenfälschung............................................... 41 4. § 329 RStGB ............................................................................... 42

Viertes Kapitel: Gesetzgebung der 70er und 80er Jahre ................................ 43 I.

Gesetz über Markenschutz vom 30. November 1874 ....................... 43

Inhaltsverzeichnis

IX

1. Inhalt ........................................................................................... 43 2. § 14 Abs. 1, 1. Alt. ...................................................................... 44 3. § 14 Abs. 1, 2. Alt. ...................................................................... 44 4. § 15 (Geldbuße) ........................................................................... 46 5. Insbesondere: Ortsname – Weinbergslage .................................. 46 6. Zusammenfassung ....................................................................... 47 II.

NahrungsmittelG 1879 ...................................................................... 48 1. Gesetzgebungskompetenz des Reiches ....................................... 48 2. Rückschau ................................................................................... 48 3. Regelungsbereich ........................................................................ 49 4. Entstehungsgeschichte................................................................. 50 5. Allgemeiner Inhalt ....................................................................... 51 6. Strafvorschriften .......................................................................... 54 a) Zuwiderhandlung gegen Kaiserliche Verordnungen (§ 8) ..... 54 b) Verweigerung des Zutritts oder der Probenentnahme (§ 9) ... 55 c) Nachmachen oder Verfälschen von Nahrungs- und Genussmitteln und deren Verkauf (§ 10) ............................... 56 d) Fahrlässigkeit (§ 11) .............................................................. 60 e) Herstellung gesundheitsschädlicher Gegenstände (§ 12) ....... 62 f) Zerstörung der menschlichen Gesundheit (§ 13) ................... 63 g) Fahrlässigkeit (§ 14) .............................................................. 63 7. Zusammenfassung ....................................................................... 63 8. Ausblick ...................................................................................... 64

III. Reblausbekämpfungsgesetze von 1883 und 1904 ............................ 66 1. Die Reblaus – ein Einwanderer aus Nordamerika ....................... 66 2. Reblausbekämpfungsgesetz von 1883 ......................................... 67 3. Reblausbekämpfungsgesetz von 1904 ......................................... 69 a) § 9: Verbreitung der Reblaus ................................................. 69 b) § 10: Ein- und Ausfuhr von Reben ........................................ 70 c) § 11: Fahrlässige Begehung ................................................... 71 d) § 12: Verletzung der Anzeigepflicht ...................................... 71

X

Inhaltsverzeichnis

Fünftes Kapitel: Gesetzgebung bis zum Ende des Kaisereichs ....................... 73 I.

Vorläufer des Weingesetzes von 1892 .............................................. 73 1. Blei- und Zinkgesetz von 1888.................................................... 73 a) § 4 Nr. 1 ................................................................................. 74 b) § 4 Nr. 2 ................................................................................. 74 c) § 4 Nr. 3 ................................................................................. 74 2. Farbengesetz von 1888 ................................................................ 74

II.

Weingesetz von 1892 (WeinG 1892) ................................................ 76 1. Motive des Gesetzgebers ............................................................. 76 2. Überblick ..................................................................................... 77 3. Definition des Weins ................................................................... 77 4. Gesetzessystematik ...................................................................... 78 5. Strafvorschriften .......................................................................... 78 a) § 7 Nr. 1 ................................................................................. 78 b) § 7 Nr. 2 ................................................................................. 79 c) § 8 (Fahrlässige Begehung) ................................................... 80 d) § 9 (Einziehung) .................................................................... 80 e) § 10 (Geltung des NMG 1879) .............................................. 81 6. Rückblick .................................................................................... 81

III. Warenzeichengesetz 1894 ................................................................. 82 1. Gesetzesänderungen und Ausblick .............................................. 82 2. Geschichtlicher Überblick ........................................................... 82 3. Namens-, Firmen- und Markenschutz (§ 14)............................... 83 4. Missbräuchliche Aufmachung und Verpackung (§ 15) ............... 84 5. Falsche Ursprungsbezeichnung (§ 16) ........................................ 85 6. Konkurrenz mit 287 StGB ........................................................... 86 7. Rückblick .................................................................................... 87 IV. Süßstoffgesetze von 1898 und 1902 ................................................. 88 1. Zustandekommen und Ausblick .................................................. 88 2. Strafvorschriften im Gesetz von 1898 ......................................... 88

Inhaltsverzeichnis

XI

3. Strafvorschrift(en) im Gesetz vom 7. Juli 1902........................... 89 a) § 7 SüßstoffG 1902 ................................................................ 89 b) § 8 SüßstoffG 1902 ................................................................ 90 V.

Weingesetz 1901 ............................................................................... 90 1. Historische und systematische Einordnung ................................. 90 2. Begriff des Weins ........................................................................ 92 3. Strafvorschriften .......................................................................... 93 a) § 13 WeinG 1901 – Überblick ............................................... 94 b) Kunstwein .............................................................................. 95 c) Aufguss von Zuckerwasser auf Trauben................................ 96 d) Zuckerwasser auf Hefen ........................................................ 97 e) Verwendung getrockneter Früchte ......................................... 97 f) Verwendung künstlicher Süßstoffe ........................................ 97 g) Verwendung von Säuren........................................................ 98 h) Verwendung von Obstmost u.ä. ............................................. 98 i) Verbotenes Feilhalten und Verkaufen ................................... 98 j) Verstoß gegen §§ 7 und 8 ...................................................... 99 k) § 13 Abs. 1 Nr. 2 .................................................................... 99 l) § 13 Abs. 2 (Rückfall) ........................................................... 99 m) Verschwiegenheitsverletzung (§ 14).................................... 100 n) Verhinderung von Kontrollen (§ 15) ................................... 100 o) Unterlassen der Anzeige nach § 3 Abs. 1 Nr. 3 (§ 16 Nr. 1) .... 100 p) Aushang des Weingesetzes in den Geschäftsräumen (§ 17) .... 101 q) Einziehung (§ 18) ................................................................ 101 r) Anwendbarkeit des NMG 1879 (§ 19)................................. 101 4. Rückblick .................................................................................. 102

VI. Weingesetz 1909 ............................................................................. 103 1. Historischer und wirtschaftlicher Rahmen ................................ 103 2. Beweggründe für ein neues Weingesetz .................................... 103 3. Strafvorschriften – Allgemeines ................................................ 104

XII

Inhaltsverzeichnis 4. § 26 Abs. 1 Nr. 1 ....................................................................... 105 a) Verstoß gegen § 2 Satz 2 (Verschnitt mit Dessertwein) ...... 106 b) Verstoß gegen § 3 Abs. 1 Satz 1–3 und 5 (Zuckerungsregeln) .............................................................. 106 c) „Verstoß“ gegen § 3 Abs. 5 ................................................. 107 d) Verstoß gegen § 3 Abs. 6 (Verbotene Zuckerart) ................ 107 e) Verstoß gegen § 4 (Zuvielverwendung von Stoffen) ........... 107 f) Verstoß gegen § 9 (Nachmachen von Wein) ....................... 108 g) Verstoß gegen § 11 Abs. 4 (Haustrunk)............................... 108 h) Verstoß gegen § 13 (Verkehrsverbot) .................................. 108 i) Verstoß gegen § 15 (Verwendungsverbot) .......................... 108 5. Strafbarkeit nach § 26 Abs. 1 Nr. 2 (Eintragungen in Bücher) ...... 108 6. Strafbarkeit nach § 26 Abs. 1 Nr. 3 (Verwenden von Stoffen) .... 109 7. § 26 Abs. 2 (Schwere Fälle) ...................................................... 109 8. § 26 Abs. 3 (Rückfall) ............................................................... 110 9. § 27 (Verschwiegenheitspflicht)................................................ 110 10. § 28 (Bezeichnungsvorschriften) ............................................... 111 a) Verstoß gegen § 5 Abs. 1 (Zuckerung) ................................ 111 b) Verstoß gegen § 7 Abs. 2 ..................................................... 112 c) Verstoß § 8 (Mischung) ....................................................... 112 d) Verstoß gegen § 10 Abs. 3 (Weinähnliche Getränke).......... 112 e) Verstoß gegen § 18 Abs. 1 (Trinkbranntwein) .................... 112 f) Verstoß gegen §§ 6, 7 (Geographische Bezeichnung) ......... 112 g) Verstoß gegen § 18 Abs. 4, 5 (Schaumwein und Kognak) .... 112 h) Verstoß gegen § 19 (Buchführung)...................................... 112 11. § 29 Nr. 1 WeinG 1909 – Verstoß gegen § 5 Abs. 2 (Falsche Auskunfterteilung) ...................................................... 113 12. § 29 Nr. 2 (Anzeigepflichten) .................................................... 114 13. § 29 Nr. 3 (Kennzeichnungspflichten) ...................................... 114 14. § 29 Nr. 4 (Verstoß gegen Vollzugsbestimmungen) ................. 114 15. § 29 Nr. 5 (Behinderung von Kontrollen) ................................. 115

Inhaltsverzeichnis

XIII

16. §§ 31, 32 (Einziehung, Bekanntmachung) ................................ 115 17. Rückblick .................................................................................. 116 18. Täter und Motive ....................................................................... 118 Sechstes Kapitel: Gesetzgebung in der Weimarer Republik und in der Zeit der NS-Herrschaft ........................................................... 121 I.

Gesetz über den Verkehr mit Lebensmitteln und Bedarfsgegenständen von 1927................................................ 121 1. Entstehung des LMG 1927 ........................................................ 121 2. Definitionen ............................................................................... 122 a) Lebensmittel ........................................................................ 122 b) Verfälschung ........................................................................ 122 c) Gegenstand: Eß-, Trink- und Kochgeschirr ......................... 122 3. Strafvorschriften ........................................................................ 123 a) § 12 LMG 1927 ................................................................... 123 b) § 13 LMG 1927 ................................................................... 124 c) § 17 LMG 1927 ................................................................... 125 d) § 18 LMG 1927 ................................................................... 125 4. Rückschau ................................................................................. 125

II.

Weingesetz vom 25. Juli 1930 ........................................................ 126 1. Zustandekommen ...................................................................... 126 2. Gegenstand ................................................................................ 127 3. Neuerungen ............................................................................... 128 4. Räumlicher Geltungsbereich ..................................................... 129 5. Sachlicher Geltungsbereich ....................................................... 129 6. Zielrichtung des Gesetzes .......................................................... 129 7. Reichsnährstand ........................................................................ 130 8. Strafvorschriften – §§ 26–32 ..................................................... 130 a) § 26 Abs. 1 Nr. 1 .................................................................. 131 b) § 26 Abs. 1 Nr. 2 (Vertrieb verbotener Stoffe) .................... 136 c) § 26 Abs. 1 Nr. 3 (Bezeichnungsverstöße) .......................... 136

XIV

Inhaltsverzeichnis d) § 26 Abs. 1 Nr. 4 .................................................................. 138 e) § 27 ...................................................................................... 139 f) Einziehung und öffentliche Bekanntgabe ............................ 139 9. Resümee .................................................................................... 140 10. Straffreiheitsgesetz 1954 – StFG ............................................... 141

III. Maß- und Gewichtsgesetz 1935 ...................................................... 142 1. Historischer Überblick .............................................................. 142 2. Gegenstand ................................................................................ 143 3. Strafvorschriften nach § 60 MuGG 1935 .................................. 144 a) § 60 Abs. 1 Nr. 1 (Verstöße gegen die Eichvorschriften) .... 144 b) § 60 Nr. 7 MuGG (Unzulässige Schankgefäße) .................. 145 4. Rückschau ................................................................................. 145 Siebentes Kapitel: Gesetzgebung nach 1945................................................. 147 I.

Weingesetz 1969 ............................................................................. 147 1. Entgegenstehendes Recht der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft..................................... 147 a) Regelungsbereich – Neuerungen ......................................... 147 b) Strafvorschriften .................................................................. 148

II.

Weingesetz 1971 ............................................................................. 149 1. Entstehungsgeschichte............................................................... 149 a) Gesetzesänderungen / Verordnungen .................................. 150 b) Durchführungsverordnungen ............................................... 151 2. Inhalt und Änderungen .............................................................. 151

III. Strafvorschriften des Weingesetzes 1971 ....................................... 153 1. § 67 WeinG 1971 ...................................................................... 155 2. § 68 WeinG 1971 – Verletzung der Geheimhaltungspflicht ..... 157 3. § 70 Einziehung ......................................................................... 157 IV. Weinrechts-Änderungsgesetz 1982 (Fassung ab 1. September 1982) ..................................................... 158 1. Allgemeines ............................................................................... 158

Inhaltsverzeichnis

XV

2. Straftatbestände ......................................................................... 158 a) § 67 WeinG 1982 ................................................................. 158 b) § 68 WeinG 1982 ................................................................. 160 3. Bestrafung von Bagatellverstößen ............................................. 161 4. Abschöpfung des Mehrerlöses .................................................. 162 5. Rückschau ................................................................................. 163 6. Ausblick .................................................................................... 164 V.

Weinrechtsreformgesetz 1994......................................................... 164 1. Entstehung ................................................................................. 164 2. Änderungen der Verkehrsbezeichnungen .................................. 165 a) Weine ohne geografische Angabe ....................................... 165 b) Weine mit geschützter geografischer Angabe (g.g.A.) ........ 166 c) Weine mit geschützter Ursprungsbezeichnung (g.U.) ......... 167 3. Neuanpflanzung von Reben / Hektarhöchstertrag ..................... 168 4. Zielsetzung des Gesetzes ........................................................... 170 a) Absatzförderung .................................................................. 170 b) Steigerung der Qualität durch „Süßung“ ............................. 171 c) Entkriminalisierung ............................................................. 171 5. Straftatbestände ......................................................................... 172 a) Änderungen ......................................................................... 172 b) § 48 Abs. 1 Nr. 1 .................................................................. 172 c) § 48 Abs. 1 Nr. 2 .................................................................. 174 aa) § 52 Weinverordnung 1995 ......................................... 175 bb) § 39 Weinüberwachungsverordnung – WeinÜV......... 176 cc) Landesrechtliche Vorschriften .................................... 177 d) § 48 Abs. 1 Nr. 3 .................................................................. 178 e) § 6 Abs. 1 WeinSBV: Zuwiderhandlungen gegen Verordnung (EG) Nr. 606/2009 ........................................... 179 f) § 48 Abs. 1 Nr. 4 .................................................................. 180 g) § 4 WeinSBV – Zuwiderhandlungen gegen VO (EG) 1333/2008 ............................................................ 180

XVI

Inhaltsverzeichnis h) § 6 Abs. 2 WeinSBV – Zuwiderhandlungen gegen Verordnung (EG) Nr. 606/2009 ........................................... 181 i) § 9 WeinSBV – Zuwiderhandlungen gegen die Verordnung (EU) Nr. 1308/2013 ................................... 182 j) § 48 Abs. 2 – Fahrlässigkeit................................................. 183 k) § 48 Abs. 3 (besonders schwerer Fall) ................................. 184 l) § 49 Satz 1 Nr. 1–3 WeinG .................................................. 184 aa) § 52 Abs. 2 WeinV ...................................................... 186 bb) Baden-württembergische Strafvorschrift..................... 187 m) § 49 Satz 1 Nr. 3a–7 ............................................................ 188 n) § 49 Satz 2 WeinG ............................................................... 190 o) Konkurrenzen ...................................................................... 192 p) § 52 Einziehung ................................................................... 192

VI. Strafbestimmungen im Zusammenhang mit Obstweinen................ 194 Achtes Kapitel: Zusammenfassung und Würdigung ...................................... 197 I.

Reformvorschläge ........................................................................... 197 1. Weingesetze 1892–1971............................................................ 197 2. Herkunft des Weines – „Geburtsort“ ......................................... 198 a) Anbaugebiet .......................................................................... 198 b) Bereiche ............................................................................... 198 c) Großlagen ............................................................................ 199 d) Einzellagen .......................................................................... 201 3. Oechsle-Grad-Bestimmung ....................................................... 202 4. Erhöhung des natürlichen Alkoholgehaltes – Anreicherung ..... 202 a) Trockenzuckerung des Mostes............................................. 202 b) Zuckerungsfrist .................................................................... 203 5. Weinarten – „Blanc de Noir“ .................................................... 204 6. „Bezeichnungsunschädliche“ Verschnitte ................................. 205 a) Rebsorte ............................................................................... 205 b) Jahrgang ............................................................................... 206

Inhaltsverzeichnis

XVII

c) Ausbau in Holzbehältnissen................................................. 207 aa) „Im Eichenfass gereift“ ............................................... 207 bb) „Im Barrique gelagert“ ................................................ 207 7. Riesling Hochgewächs .............................................................. 208 8. Synonym Rivaner ...................................................................... 208 9. Etikettierung .............................................................................. 209 a) Obligatorische Angaben ...................................................... 209 aa) Alkoholgehalt in Volumenprozent .............................. 209 bb) Schwefel-Zusatz – „enthält Sulfite“ ............................ 210 b) Fakultative Angaben ............................................................ 211 aa) Geschmacksangaben – Restzucker .............................. 211 bb) Zuckergehalt – Toleranzwert....................................... 213 cc) Süßreserve ................................................................... 213 dd) Geschmacksangabe „feinherb“.................................... 214 ee) Säuregehalt .................................................................. 215 c) Wein-Güteklassen ................................................................ 216 aa) Qualitätswein / Prädikatswein ..................................... 216 bb) Qualitätsweinprüfung .................................................. 216 cc) Classic – Selection ...................................................... 218 dd) Prädikatsweine – Abgrenzung ..................................... 218 ee) Kabinett ....................................................................... 219 ff)

Spätlese ....................................................................... 220

gg) Auslese ........................................................................ 221 hh) Beerenauslese – Trockenbeerenauslese – Eiswein ...... 221 10. Lebensmittelrechtliche Vorschriften – Anwendung auf Wein .... 222 a) Nährwertdeklaration ............................................................ 222 b) Mindesthaltbarkeitsdatum (MHD) ....................................... 222 c) Federweißer ......................................................................... 223 d) Alkoholfreier / alkoholreduzierter Wein .............................. 224

XVIII II.

Inhaltsverzeichnis Bedarf es eigenständiger weinrechtlicher Regelungen und Strafbestimmungen? ....................................................................... 224 1. Historische Entwicklung ........................................................... 225 2. Allgemeines Weinrecht ............................................................. 225 a) Europäisches Recht .............................................................. 225 b) Nationales Recht .................................................................. 226 3. Weinstrafrecht ........................................................................... 227 a) Herstellungsverstöße............................................................ 228 b) Vertriebsverstöße ................................................................. 229 4. Schlussfolgerung ....................................................................... 233 ANHANG

Ursprüngliche Fassung des § 67 Weingesetz 1971 ....................................... 237 Literaturverzeichnis ...................................................................................... 243

Abkürzungsverzeichnis a.A.

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abgedruckt

Abl.

Amtsblatt

Abs.

Absatz

AEUV

Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union

a.F.

alte Fassung

AG

Amtsgericht

AGeV

Verordnung über bestimmte alkoholhaltige Getränke

Alt.

Alternative

Anl.

Anlage

Art.

Artikel

AVO

Ausführungsverordnung

Aufl.

Auflage

AWZ

Allgemeine Deutsche Weinfachzeitschrift

b.A.

bestimmtes Anbaugebiet – Wein

BasisVO

Basisverordnung (EG) 178/2002

Bd.

Band

Bearb.

Bearbeiter

Ber.

Bericht

betr.

betreffend

BGBl.

Bundesgesetzblatt

BGH

Bundesgerichtshof

BGHSt

Entscheidungssammlung des Bundesgerichtshofes in Strafsachen

BR-Drs.

Bundesrat Drucksache

https://doi.org/10.1515/9783110682816-002

XX

Abkürzungsverzeichnis

BT-Drs.

Bundestag Drucksachen

Buchst.

Buchstabe

BVerfG

Bundesverfassungsgericht

BVerfGE

Entscheidungssammlung des Bundesverfassungsgerichts

COS

Color-Odor-Sapor

DDW

Der Deutsche Weinbau

Ders.

Derselbe

d.h.

das heißt

Dies.

Dieselben

DLR

Dienstleistungszentrum Ländlicher Raum

DRiZ

Deutsche Richterzeitung

Drucks.

Drucksache

Dz

Doppelzentner

E 605

Parathion – Insektizid

Ebd.

Ebenda

EG

Europäische Gemeinschaft

Einl.

Einleitung

EL

Ergänzungslieferung

EMRK

Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten

endg.

endgültig

Entw.

Entwurf

Erg. Bd.

Ergänzungsband

etc.

et cetera – und so weiter

EU

Europäische Union

EuGH

Europäischer Gerichtshof

EWG

Europäische Wirtschaftsgemeinschaft

ff.

fortfolgende

Abkürzungsverzeichnis Fn.

Fußnote

FS

Festschrift

G

Gramm

GAP

Gemeinsame Agrarpolitik

gem.

gemäß

GetrG

Getränkegesetz

GG

Grundgesetz

g.g.A.

geschützte geografische Angabe

ggf.

gegebenenfalls

GMO

Gemeinsame Marktordnung

° Celsius

Grad Celsius

° Oechsle

Grad Oechsle

GRUR

Gewerblicher Rechtschutz und Urheberrecht

g.U.

geschützte Ursprungsbezeichnung

GVBl.

Gesetz- und Verordnungsblatt

GVG

Gerichtsverfassungsgesetz

ha

Hektar

Hrsg.

Herausgeber

HS.

Halbsatz

iSv.

im Sinne von

iVm.

in Verbindung mit

Jg.

Jahrgang

JuMoG

Justizmodernisierungsgesetz

JurBüro

Das juristische Büro

JuS

Juristische Schulung

JuSchG

Jugendschutzgesetz

JZ

Juristenzeitung

Kap.

Kapitel

XXI

XXII

Abkürzungsverzeichnis

KK

Karlsruher Kommentar zum Gesetz über Ordnungswidrigkeiten

Komm.Ber.

Kommissionsbericht

KMW

Klosterneuburger Mostwaage

l

Liter

L

Amtsblatt der Europäischen Union – Reihe L(Rechtsvorschriften)

Leg. Per.

Legislaturperiode

LFGB

Lebensmittel- und Futtermittelgesetzbuch

Lit.

Literatur

lit.

Litera

LMBG

Lebensmittel- und Bedarfsgegenständegesetz

LME

Landesamt für Mess- und Eichwesen Berlin-Brandenburg

LMG

Lebensmittelgesetz

LMHV

Lebensmittelhygieneverordnung

LMIV

Lebensmittelinformationsverordnung

LMKV

Lebensmittelkennzeichnungsverordnung

LMR

Lebensmittelrecht

LMRR

Lebensmittelrecht Rechtsprechung

LMuR

Lebensmittel & Recht

LRE

Sammlung Lebensmittelrechtlicher Entscheidungen

LMRStV

Lebensmittelrechtliche Straf- und Bußgeldverordnung

MarkenschutzG

Markenschutzgesetz

m.a.W.

mit anderen Worten

max.

Maximal

m.E.

meines Erachtens

mg

Milligramm

MHD

Mindesthaltbarkeitsdatum

MibliV

Verordnungsblatt des Reichsministers des Inneren

Abkürzungsverzeichnis

XXIII

Mill.

Millionen

m.w.N.

mit weiteren Nachweisen

MuGG

Maß- und Gewichtsgesetz

n.F.

neue Fassung

NJW

Neue Juristische Wochenzeitschrift

NMG

Gesetz betreffend den Verkehr mit Nahrungs- und Genussmitteln 1879

Nr.

Nummer

NStZ

Neue Zeitschrift für Strafrecht

NStZ-RR

Neue Zeitschrift für Strafrecht RechtsprechungsReport

NVwZ

Neue Zeitschrift für Verwaltungsrecht

OLG

Oberlandesgericht

OVG

Oberverwaltungsgericht

OWiG

Gesetz über Ordnungswidrigkeiten

PKS

Polizeiliche Kriminalstatistik

PreußStGB

Preußisches Strafgesetzbuch

Rd Erl.

Runderlass

RG

Reichsgericht

RGBl.

Reichsgesetzblatt

RGE

Entscheidung des Reichsgerichts

RGSt

Entscheidungssammlung des Reichsgerichts in Strafsachen

RHmV

Rückstands-Höchstmengenverordnung

RiStBV

Richtlinien für das Strafverfahren und das Bußgeldverfahren

RLP

Rheinland-Pfalz

RM

Reichsmark

RMdI

Reichsminister des Inneren

Rn.

Randnummer

XXIV

Abkürzungsverzeichnis

RNVbl.

Verordnungsblatt des Reichsnährstandes

RStGB

Reichsstrafgesetzbuch

RStPO

Reichsstrafprozessordnung

RT

Reichstag

RTK

Rektifiziertes Traubenmostkonzentrat

RZ

Restzucker

S.

Seite

s.

siehe

s.o.

siehe oben

sog.

sogenannte

Slg.

Sammlung der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes

Stenogr. Ber.

Stenografischer Bericht

StFG

Straffreiheitsgesetz

StGB

Strafgesetzbuch

StPO

Strafprozessordnung

str.

streitig

u.a.

unter anderem

usw.

und so weiter

UWG

Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb

v. Chr.

vor Christus

Verhandl.

Verhandlungen

VerpackV

Verpackungsverordnung

VwVfG

Verwaltungsverfahrensgesetz

VG

Verwaltungsgericht

VGH

Verwaltungsgerichtshof

vgl.

vergleiche

VO (EG)

Verordnung der Europäischen Gemeinschaft

VO (EU)

Verordnung der Europäischen Union

Abkürzungsverzeichnis

XXV

VO (EWG)

Verordnung der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft

Vol.

Volumen

Vorb.

Vorbemerkung

VwGO

Verwaltungsgerichtsordnung

WBG

Warenbezeichnungsgesetz

WeinG

Weingesetz

WeinRAV

Weinrechts-Ausführungsverordnung

WeinRDVO

Weinrechts-Durchführungsverordnung

WeinRV

Weinrechts-Durchsetzungsverordnung

WeinSBV

Weinrechtliche Straf- und Bußgeldverordnung

WeinÜV

Weinüberwachungsverordnung

WeinV

Weinverordnung

WZG

Warenzeichengesetz

z.B.

zum Beispiel

Ziff.

Ziffer

ZIS

Zeitschrift für Internationale Strafrechtsdogmatik

zit.

zitiert

ZNR

Zeitschrift für Neuere Rechtsgeschichte

ZLR

Zeitschrift für das gesamte Lebensmittelrecht

ZStW

Zeitschrift für die gesamte Strafrechtswissenschaft

Erstes Kapitel: Hinführung zum Thema I. Einführung und Fragestellungen Gegenstand dieser Arbeit ist die geschichtliche Entwicklung des Weinstrafrechts in Deutschland seit 1870 und die mit dieser Gesetzesentwicklung einhergehenden gesellschaftlichen Auswirkungen des aufstrebenden Weinbaus seit der Mitte des 19. Jahrhunderts. Die Intentionen des Gesetzgebers seit Erlass des Reichsstrafgesetzbuches 1870, des ersten Nahrungsmittelgesetzes 1879 und des ersten deutschen Weingesetzes 1892 sowie deren Auswirkungen auf Rechtsgüter- und Verbraucherschutz werden herausgearbeitet. Der Schwerpunkt der Arbeit liegt auf der Untersuchung der Strafvorschriften der sechs deutschen Weingesetze, die in den letzten 125 Jahren erlassen wurden. Es wird gefragt, ob die in ihnen angedrohten, teils empfindlichen Freiheitsstrafen in Relation zur Schwere der Tat stehen und ob die Strafvorschriften geeignet und erforderlich sind, Rechtsgüter und Verbraucherrechte zu schützen. Die Frage, die sich daran anschließt, lautet, ob der Schutz eines anerkannten Rechtsgutes nicht durch Maßnahmen wie Verwaltungsanordnungen, Bußgelder oder mit Mitteln der Gewerbeaufsicht, bis hin zur Gewerbeuntersagung wegen Unzuverlässigkeit, wahrgenommen werden kann. Darüber hinaus widmet sich die Arbeit der Frage, ob angesichts der schwer verständlichen Strafvorschriften aller bisherigen Weingesetze eine vorsätzliche Begehung überhaupt in Betracht kommen kann. Die gesetzliche Ausgestaltung der aktuellen Strafvorschriften in §§ 48, 49 WeinG 1994, wie schon diejenigen in den vorhergehenden Weingesetzen, erschweren angesichts unzähliger, teilweise mehrfacher Verweisungen eine laienhafte Wertung des rechtlich-sozialen Bedeutungsgehaltes dieser Vorschriften. So mussten im Weinbauland RheinlandPfalz1 schon 1965 Schwerpunktstaatsanwaltschaften gebildet werden2, um selbst Gerichten und der Verteidigung die Tatbestandsmerkmale und deren mutmaßliche Verstöße näher zu bringen. Im Mai 1968 wurden die Entscheidungen in Weinstrafsachen in Rheinland-Pfalz an ausgesuchte Amtsgerichten („Wein-

1 2

Zwei Drittel der deutschen Rebfläche liegen in Rheinland-Pfalz. Landeszentralstelle für Wein- und Lebensmittelstrafsachen in Bad Kreuznach.

https://doi.org/10.1515/9783110682816-003

2

Erstes Kapitel

gerichte“) übertragen – auch, um den in Verkehrs- und Körperverletzungsdelikten – nicht aber in weinrechtlichen Delikten – kundigen Amtsrichtern Peinlichkeiten zu ersparen. Die Untersuchung wird weingesetzliche Bestimmungen aufzeigen, die den Interessen der Verbraucher und auch der Weinwirtschaft entgegenstehen3. Andererseits sind Gesetzesänderungen im Hinblick auf die Weinbereitung und Etikettierung erforderlich und werden als Reformvorschläge formuliert werden. Eine genauere Untersuchung der Wein-Strafvorschriften ergibt, dass die „relative Bezeichnungswahrheit“, die sich im Weinrecht durchgesetzt und verfestigt hat, geeignet ist, als „normative Irreführung“ den redlichen Konsumenten hinters Licht zu führen. Klar und bestimmt gefasste gesetzliche Straftatbestände werden an anderer Stelle des Gesetzes ausgehöhlt oder geradezu ins Gegenteil verkehrt. Elementare Verbraucherrechte werden gesetzlich vom Schutz ausgenommen. Diese gesetzlichen Tatbestandsausschlüsse sind in allen bisherigen sechs Weingesetzen enthalten und haben auch Auswirkungen auf eine Strafbarkeit nach den allgemeinen Strafgesetzen4. So waren in den ersten Weingesetzen seit 1892 noch 20%, im WeinG 1930 schon 25% Zuckerwasserzusatz deklarationsfrei erlaubt. Dies wurde durch das WeinG 1971 zwar verboten, eine Trockenzuckerung in nicht unerheblichem Ausmaß ist aber bis heute zugelassen. Darüber hinaus wurde auch der deklarationsfreie Verschnitt verschiedener Weine durch sämtliche Weingesetze zugelassen. So gilt beispielsweise nach dem aktuellen Weinrecht für Rebsorte und Jahrgang die 75%-Regelung5: 25% des Weines dürfen deklarationsfrei einer anderen Lage oder einem anderen Jahrgang entstammen, und Weine können weitere Rebsorten enthalten, so dass die Verbraucher über den Inhalt der Flasche im Unklaren sind. Ähnliches gilt für die Herkunft des Weines: Zwar müssen Qualitäts- und Prädikatsweine zu 100 Prozent aus dem Anbaugebiet stammen, jedoch ist dies bei Landwein auf 85% begrenzt. Die restlichen 15% dürfen auch aus anderen Landweingebieten stammen. So kann mit Erlaubnis des Gesetzgebers beispielsweise ein „Badischer Landwein“ aus allen 26 Landweingebieten zusammengestellt werden.

Die Frage nach Rechtsgüter- und Verbraucherschutz durch das Weinstrafrecht ist daher aktueller denn je. Was muss – auch im Hinblick auf die strikten Vorgaben der Zutatenverordnung – auf dem Etikett deklariert werden, und was nicht? Was darf nach der sog. Verkehrsauffassung sowohl der vom BGH geprägte „flüchtige“ Verbraucher als auch der vom EuGH präferierte „verständige,

3 4

5

Sog. bezeichnungsunschädliche Zusätze. Eine „erlaubte“ Beimischung von 25% einer anderen, auf dem Etikett nicht vermerkten Rebsorte stellt keine Täuschung im Sinne des § 263 StGB dar, da dies gesetzlich (deklarationsfrei) erlaubt ist. Das WeinG 1930 begnügte sich noch mit zwei Dritteln.

Hinführung zum Thema

3

informierte“ Verbraucher unter Zugrundelegung der Angaben auf dem Weinetikett beim Kauf einer Flasche Wein erwarten? Abschließend wird der Frage nachgegangen, ob die Strafvorschriften der Weingesetze seit 1892 – und damit auch die aktuell gültigen – rückblickend als rechtsgüter- und verbraucherschützende Normen überhaupt erforderlich waren. Spezielle Gesetze gehen in der Regel allgemeinen Gesetzen vor – „lex specialis“, die speziellen Strafbestimmungen der Weingesetze werden eher durch die allgemeinen Gesetze verdrängt. Das erste Weingesetz 1892 enthielt noch keine eigenständigen Strafbestimmungen, auch die Weingesetze 1901, 1909 und 1930 verwiesen hinsichtlich der Strafbarkeit auch weiterhin, teilweise ergänzend, auf die Lebensmittelgesetze6, die meist eine höhere Strafandrohung enthielten, so dass die Strafen überdies entweder dem Strafgesetzbuch (Betrug, fahrlässige Körperverletzung etc.) oder dem Lebensmittelgesetz (Irreführung etc.) entnommen wurden7. Aus diesem Grund sind auch heute noch Weinvergehen nur in unbedeutendem Umfang in der Aburteilungsstatistik aufgeführt8.

II. Geschützte Rechtsgüter Die Ultima-ratio-Funktion des Strafrechts gebietet, dass nur solche Verstöße gegen das Weinrecht unter Strafe gestellt werden, die schutzwürdige Rechtsgüter tangieren, deren Schutz allein mit den Mitteln des Strafrechts erreicht werden kann9. Aus dem Weinstrafrecht lässt sich angesichts der Vielzahl von Straftatbeständen nicht ohne weiteres das zu schützende Rechtsgut erkennen und bestimmen. Dass der Schutz der menschlichen Gesundheit im Vordergrund steht, ist einhellige Auffassung in Rechtsprechung und Literatur seit 1871. Die zu schützenden Rechtsgüter haben sich aber im Lauf der Zeit geändert; und da das Weinstrafrecht keine juristische Exklave, sondern mit anderen Rechtsmaterien eng verzahnt ist, sind auch zivil- und wirtschaftsverwaltungsrechtliche Motive eingeflossen. Weinrecht und damit auch das Weinstrafrecht ist Lebensmittelrecht. Die grundsätzlichen Schutzbestrebungen der Lebensmittelgesetze seit 1879 (NMG) und des

6 7

8 9

§ 19 WeinG 1901; § 31 WeinG 1909. § 31 WeinG 1930 „Die Strafvorschriften dieses Gesetzes finden keine Anwendung, wenn die Tat nach anderen Vorschriften mit höherer Strafe bedroht ist“; für alle Straftaten: § 52 Abs. 2 StGB. Im PKS-Jahrbuch 2017 wurden lediglich 116 Straftaten gegen das Weingesetz polizeilich registriert, hingegen 1623 nach dem LFGB (PKS, Jahrbuch 2017, Bd. 4, S. 183). So auch Hütwohl, Weinstrafrecht und Verwaltungsakzessorietät, S. 39.

4

Erstes Kapitel

heutigen LFGB sind, wenn nicht identisch, so doch sehr ähnlich. Aus den Lebensmittelgesetzen ergeben sich damit auch die Ziele weinrechtlicher Strafvorschriften: Schutz der Gesundheit, Täuschungsschutz sowie Verbraucherinformation10. Es wird daher teilweise für erforderlich gehalten, einen „rechtsgutbezogenen Schwerpunkt“ zu setzen und den Strafbestimmungen „insgesamt eine ausgeprägte und besondere Verbraucherschutztendenz“ zu unterstellen11. Auch der Schutz der menschlichen Gesundheit ist „weinstrafrechtlich von hoher Bedeutung“, und diesem wird insbesondere durch weinrechtliche Bestimmungen Rechnung getragen, die die Zulassung oenologischer Behandlungsmethoden, Zusatzstoffe wie Schwefeldioxid oder die Festlegung eines bestimmten Mindest- oder Höchstalkoholgehaltes regeln12. Der weinstrafrechtliche Schutz betrifft auch die wirtschaftliche Dispositionsfreiheit des Weinkonsumenten13. Der Erwerber eines nicht verkehrsfähigen Weines ist nicht nur in seinem Vertrauen auf Gesetzeskonformität des gekauften Weines verletzt, sondern erhält darüber hinaus auch ein zivilrechtlich mangelhaftes Produkt14, was zu einer Beeinträchtigung der wirtschaftlichen Dispositionsfreiheit führt. Die Freiheit des Verbrauchers, zu entscheiden, welche Lebensmittel gekauft und verzehrt werden15 steht hier einem unzulässigen Inverkehrbringen sowohl aufgrund von Herstellungs- als auch Bezeichnungsverstößen entgegen16. Der Weinkonsument soll im Kontext der sog. Warenehrlichkeit vor dem Erwerb von Erzeugnissen bewahrt werden, welche hinsichtlich ihrer Beschaffenheit und Qualität nicht der Verkehrsauffassung entsprechen17. Ein Kundenfang durch irreführende Produktvermarktung geht regelmäßig zu Lasten konkurrierender Anbieter und tangiert das Allgemeininteresse an einem funktionsfähigen Wettbewerb. Im Sinne des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG) und des § 298 StGB (Wettbewerbsbeschränkende Absprachen bei Ausschreibungen)

10 11 12 13 14 15 16 17

So Hütwohl, a.a.O., S. 39; Heimermann, Der Verstoß gegen das Bezeichnungsrecht im Weinstrafrecht, 2008, S. 1. Hütwohl, a.a.O., S. 40. Ebd. Henssen, Weinkriminalität und Weinstrafrecht, S. 166. Zum Rechtsgüterschutz ausführlich: Dressler, Abgrenzung von Warenfälschung und Betrug, 1962, S. 22–28. Henssen, a.a.O., S. 166. Ders., a.a.O., S. 41. Ebd.

Hinführung zum Thema

5

sind daher die Lauterkeit des Handelsverkehrs und die Sicherung des Wettbewerbs als weitere geschützte Rechtsgüter des Weinstrafrechts als Institution anzuerkennen18.

III. Weinbau, Weinbereitung 1. Begriffe a) Wein Eine Legaldefinition für Wein war im ersten deutschen Weingesetz 1892 noch nicht enthalten, folglich bestand keine Übereinstimmung darüber, was überhaupt als „Wein“ anzusehen sei. Der Begriff Wein wurde erstmals im deutschen Weingesetz 1901 festgelegt, der bis heute mit geringen Abwandlungen beibehalten wurde: Wein ist das durch alkoholische Gärung aus dem Safte der Weintraube hergestellte Getränk.

Das WeinG 1909 sprach noch von „frischen“ Weintrauben, um Rosinen- und Korinthenweine auszuschließen. Wenn im Folgenden von „Wein“ die Rede ist, dann ist ausschließlich Traubenwein gemeint, keine Fruchtweine, wie Apfelwein, Holunderwein, Johannisbeerwein oder Kirschwein.

b) Rohstoff Der Rohstoff für das Produkt Wein ist die Weintraube (vitis vinifera). Oft wird die einzelne Beere als Traube bezeichnet, zur Traube gehören außer den Beeren noch das Stielgerüst mit Rappen etc. Die Beere ist mit Beerenhaut, Fruchtfleisch und Kernen nur ein Bestandteil der Traube.

c) Rebsorten Die Rebsorten, die zur Weinbereitung verwendet werden, müssen gesetzlich zugelassen sein: die beliebtesten 22 von ihnen nehmen über 90% der Weinbaufläche ein. Weltweit existieren etwa 12.000 Rebsorten und Wildarten, rund 1.400 davon sind eigentliche Keltertrauben. Tafeltrauben sind zur Weinbereitung nicht zugelassen. Die Weintraube ist eine sehr „dankbare“ Frucht, 100 kg Trauben ergeben etwa 75 Liter Wein; zum Vergleich: Aus 100 kg Äpfeln fließen nur 60 Liter Apfelsaft.

18

Heine / Eisele, in Schönke / Schröder, StGB, 30. Aufl. 2018, § 298 Vorbem. 3–5.

6

Erstes Kapitel

d) Rebe / Weinstock Die Traube wächst am Weinstock, der aus Wurzeln, Stamm, Ästen (Ruten) und Blättern besteht. Die Wurzeln verankern den Rebstock im Boden, nehmen Wasser und Nährstoffe auf und dienen als Reservestoffspeicher. Die „Fußwurzeln“ können einige Meter in die Tiefe gehen, wobei das Wurzelsystem der oberen Bodenschichten die Ernährung der Rebe sichert. Ein Rebstock mit etwa 200 Blättern gibt täglich etwa 1 bis 1,5 Liter Wasser ab, woraus sich ein Wasserverbrauch von etwa 430 Liter während der Wachstumsperiode ergibt19. Die Niederschläge während der Wachstumsperiode sind daher von großer Bedeutung, nur ausreichende Niederschläge können Trockenschäden und Wachstumsstörungen vermeiden. Der Ertrag und seine Qualität hängen vom richtigen Verhältnis der Nährstoffe zueinander ab. Kein Nährstoff kann durch einen anderen ersetzt werden20. Eine Düngung kann sowohl über das Blatt (Blattdüngung) als auch über die Wurzeln erfolgen. Die Hauptwurzelmasse befindet sich in einer Bodentiefe bis etwa 50 cm21. Die Fortsetzung der Wurzelstange nach oben stellt der Stamm dar, bei Pfropfreben ist das Edelreis Stammbildner: Obstbäume werden veredelt, um einen besseren Ertrag und gesunde Früchte zu erreichen. Genau so ist es bei der Rebe, diese wird ebenfalls veredelt22. Man spricht von der Unterlage und dem Edelreis, das auf diese Unterlage aufgepfropft wird. Bei Pfropfreben stammen die Unterlagen aus einer Kreuzung amerikanischer Wildarten. Die Unterlagen haben meist abgekürzte Bezeichnungen wie Kober 5 BB, Kober 125 AA, SO423 und dienen dem Ziel, die Wurzeln „reblausresistent“ zu machen. Auf die Unterlage wird dann das sog. Edelreis aufgepfropft, so entsteht die Kulturrebe. Die Rebe ist ein Lianengewächs und muss daher jährlich im Frühjahr zurückgeschnitten werden, um zum einen eine ungehinderte Ausbreitung zu verhindern und andererseits die Qualität des Weines zu verbessern. Bei einer ungeschnittenen Rebe beschatten sich die vielen Triebe gegenseitig, was nicht nur die Qualität der Trauben beeinträchtigt, sondern auch mangels Belüftung den Krankheitsbefall befördert. Die Winzer lassen daher nur einige „Augen“ zum Neuaustrieb zu und kürzen die Ruten stark ein. Etwa 90 Prozent der Triebe werden entfernt.

19 20 21 22 23

Ambrosi / Becker, Der deutsche Wein, 1978, S. 30. Dies., a.a.O., S. 31. Ausführlich Vogt / Götz, Weinbau, 1979, Die Organe des Weinstocks, S. 49 ff. 1890 wurde die erste deutsche Rebveredelungsstation in Geisenheim (Rheingau) gegründet. Selektion Oppenheim 4.

Hinführung zum Thema

7

e) Gärung Der Saft dieser Trauben, der als Most bezeichnet wird, muss eine alkoholische Gärung durchlaufen, damit der Traubenmost zu Wein wird. Bei der Gärung wird mit Hilfe von Hefen der im Most enthaltene Zucker in Alkohol und Kohlendioxid umgewandelt. Beinahe die Hälfte des im Most enthaltenen Zuckers geht als Kohlendioxid „verloren“. Dieser Zucker wird von den Gärhefen „ganz unökonomisch vergeudet“24. Der Gesamtzucker im Traubenmost setzt sich im Verhältnis 1:1 aus Fruchtzucker (Fructose) und Traubenzucker (Glucose) zusammen. Die Hefen sind „glucophil“ und nehmen sich zuerst die Glucose vor. Gärt ein Most nicht ganz durch, besteht der noch nicht vergorene Zuckerrest zum größten Teil aus Fructose, die gegenüber der Glucose etwa die doppelte Süßkraft aufweist. Seit dem beginnenden 20. Jahrhundert begnügt man sich nicht mehr mit der Hefe, die bereits in den Trauben enthalten ist und mit dem Most in die Gärbehälter gelangt und sodann zu einer „Spontangärung“ führt. Man setzt vielmehr ausgewählte Trockenhefen ein, deren Vermehrung dann im Most stattfindet. Solche „Reinzuchthefen“ werden inzwischen im Handel in vielen Varianten angeboten. Die Reinzuchthefen sollen auch gezielt zur Bildung von erwünschten Aromen beitragen und auch bei ungünstigen Bedingungen (Kaltgärung) über ein gutes Gärvermögen verfügen. Die Bierbrauer verwenden die nach der Gärung im Trub befindlichen Hefen mehrfach, während die Winzer die Hefe nur ein einziges Mal in der Gärung einsetzen. Der weinhaltige Hefetrub wird nach getaner Arbeit vom Wein abgezogen (Abstich) und überwiegend zu Hefebrand verarbeitet. Beim Bierbrauen wird die Hefe für weitere Brauvorgänge verwendet. In den letzten Jahren kommt bei manchen Winzern eine Rückbesinnung auf alte Traditionen wieder zur Geltung, man verzichtet auf die Zugabe von Reinzuchthefen und verlässt sich wieder ausschließlich auf die „Spontangärung“.

f) Jahrgang Die Jahrgangsangabe ist eine freiwillige Angabe, weingesetzlich ist der Jahrgang nicht zwingend anzugeben. In der Praxis werden meist nur die „guten“ Jahrgänge aufgeführt, Jahrgänge wie 2016 werden eher nicht erwähnt. Die Kometenweine 1811 und 1911 sind die Spitzenreiter unter den Jahrgangsweinen. Hier spielte aber auch der Glaube an die Zusammenhänge zwischen Kometen

24

Ambrosi / Becker, a.a.O., S. 103.

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Erstes Kapitel

und Weinqualität eine Rolle, der aber sicherlich nur von untergeordneter Bedeutung war. 1811 erschien ein Komet am Himmel und gleichzeitig reifte ein Jahrhundertwein. Eine solche Konstellation gab es nochmals 1858 und 1861, ungeachtet der Tatsache, dass in der Zwischenzeit Kometen mit schlechten Jahrgängen zusammentrafen, hielt sich dieser Aberglaube25. Der hervorragende Jahrgang 1911 wurde dann erneut mit einem Kometen, dem hellen Halleyʼschen Kometen in Verbindung gebracht. Dieser Komet, der sich alle 76 Jahre der Erde nähert, erreichte im April 1910 wieder einmal seine größte Erdnähe und Helligkeit und verschwand sodann schon vor 1911 wieder im Weltall, um sich erst 1986 wieder der Erde zu nähern26.

g) Weinarten Die Weine werden in vier Weinarten unterschieden: Weißwein, Rotwein, RoséWein und Rotling. Weißwein ist Wein, der aus weißen Trauben hergestellt wird. Rotwein wird aus roten oder richtigerweise blauen Trauben bereitet. Rosé ist ein Wein aus Rotweintrauben mit blass- bis hellroter Farbe, der in der Winzersprache „weißgekeltert“ wurde, d.h. sofort nach der Ernte ausgepresst und nicht zur Ausbringung der Farbstoffe aus den Beerenhäuten auf der Maische gelegen hat, wie Rotwein. In Österreich werden mit dieser Herstellungsmethode erzeugte Weine daher auch „Gleichgepresste“ genannt, in der Schweiz spricht man von einem „Süßdruck“. Ein spezieller Rosé-Wein ist der Weißherbst, der in der Pfalz sehr verbreitet ist, wie Portugieser-Weißherbst. Weißherbst darf nur aus einer einzigen Rebsorte hergestellt werden. Höchstens 5% Rotwein dürfen dem Wein zugesetzt werden, um die Farbe zu kräftigen. Allerdings ist bei Weißherbst im Gegensatz zum Rosé keine bestimmte Farbe vorgeschrieben, so dass auch weißweinfarbene Weißherbst-Weine möglich sind, die neuerdings mit „Blanc de Noir“ bezeichnet werden. Blanc de noir ist bisher nicht im Weinrecht definiert, wird aber von der Weinkontrolle geduldet.

Rotling ist ein Wein, der aus einem Verschnitt von roten und weißen Trauben hergestellt wird, in Württemberg „Schillerwein“, in Sachsen „Schieler“ und in Baden als „Badisch-Rotgold“ bezeichnet. In Baden sind zusätzlich noch die Rebsorten vorgeschrieben: Grauburgunder und Spätburgunder, wobei Grauburgunder mindestens die Hälfte ausmachen muss.

25 26

Ambrosi / Becker, a.a.O., S. 71. Ebd.

Hinführung zum Thema

9

Glühwein Wein ist zwar auch in Glühwein enthalten, Glühwein ist aber weinrechtlich ein sogenanntes „aromatisiertes weinhaltiges Getränk“. Glühwein kann sowohl aus Rot- als auch aus Weißwein hergestellt werden und darf – entgegen der landläufigen Meinung und den Gewohnheiten im Privathaushalt – nicht mit Wasser gestreckt werden. Glühwein muss mindestens 7% vol. und darf höchstens 14,5% Alkohol aufweisen27. Federweißer Auch den „Federweißer“ könnte man im weitesten Sinne als Wein bezeichnen; weinrechtlich handelt es sich jedoch um „teilweise gegorener Traubenmost“28, der regional unterschiedlich bezeichnet wird (Bitzler, Rauscher, Süßer, Neuer, Bremser). Er muss mindestens 1% vol. Alkohol haben, darf aber höchstens 3/5 des Gesamtalkohols aufweisen. Bei einem Wein mit maximal erzielbarem Gesamtalkoholgehalt von 10% vol. wären dies 6%. vol.

2. Herkunft – geographische Angaben a) Weinbaugebiet Das Anbaugebiet ist eine Pflichtangabe auf dem Weinetikett, der „Visitenkarte“ des Weines. Für die Erzeugung von Qualitäts- und Prädikatsweinen sind in Deutschland heute 13 Anbaugebiete festgelegt29: Ahr, Baden, Franken, Hessische Bergstraße, Mittelrhein, Mosel, Nahe, Pfalz, Rheingau, Rheinhessen, Saale-Unstrut, Sachsen, Württemberg. Von diesen Anbaugebieten liegen sechs im Land Rheinland-Pfalz30. Im Jahre 1936 wurden noch 16 Weinbaugebiete festgelegt31, außer den vorgenannten noch Lahn, Bodensee und Grünberg32. Rheinhessen ist heute mit 26.500 ha das größte deutsche Anbaugebiet, gefolgt von der Pfalz mit 23.600 ha. Beide zusammen machen etwa die Hälfte der deutschen Weinbaufläche (102.000 ha) aus.

27 28 29 30 31 32

„Aromatisierte weinhaltige Getränke“ sind in der Verordnung (EU) 251/2014, Art. 3 Abs. 3 i.V.m. Anhang II, B 8) ausführlich geregelt (Amtsblatt EU, 2014, L 84). Verordnung (EU) 1308/2013, Anhang VII, Teil II, Ziff. 11. Aktuell geregelt in § 3 Abs. 1 Nr. 1–13 WeinG 1994. Ahr, Mittelrhein, Mosel, Nahe, Pfalz und Rheinhessen. Bekanntmachung betr. die Kennzeichnung von Wein vom 7. Juni 1936 (RNVBl. S. 17). Bei Grünberg / „Zielona Góra“ befindet sich heute mit einer Größe von etwa 200 ha eines der größten Weinbaugebiete Polens.

10

Erstes Kapitel

Für Landweine wurden eigene Landweingebiete festgelegt33 und zwar in doppelter Anzahl. Die 26 Landweingebiete liegen aber zumeist innerhalb der Qualitätsweinbaugebiete. Ausnahmen sind Schleswig-Holstein und Brandenburg, die in keinem Qualitätsweinbaugebieten liegen. In Keitum auf der Insel Sylt wird Schleswig-Holsteinischer Landwein bereitet.

b) Bereich In absteigender Reihenfolge der geografischen Angaben folgt nach dem Anbaugebiet als fakultative Angabe der Bereich. Rheinhessen ist in drei Bereiche geteilt: Bingen, Nierstein und Wonnegau; die Pfalz in zwei: Südliche Weinstraße und Mittelhaardt/Deutsche Weinstraße. Das Anbaugebiet Ahr besteht aus einem einzigen Bereich „Walporzheim/Ahrtal“ und umfasst das gesamte Anbaugebiet. Im Rheingau existiert ebenfalls nur ein Bereich „Johannisberg“, so dass hier von einer Aufteilung in Bereiche nicht gesprochen werden kann.

c) Lagen Sodann sind im Weinbau sogenannte Lagen festgelegt, die in der Weinbergsrolle eingetragen sind. Diese sind in Groß- und Einzellagen unterteilt, wobei eine Einzellage mindestens 5 ha groß sein muss. Die Pfalz hat beispielsweise insgesamt 25 Großlagen und 326 Einzellagen. Die Lagenangabe ist freiwillig, und wer sie angibt, hält sie daher sicherlich für eine gute Lage. Eine gute Weinbergslage ist der wichtigste Wertindikator; ohne grobe handwerkliche Fehler ist ein guter Absatz garantiert. So, wie es bei Immobilien das „Haus in guter Lage“ gibt, gibt es auch Rebflächen in guter Lage; die Umgebung ist von großer Bedeutung. Eine gute Weinbergslage zeichnet sich durch Kleinklima und Boden aus, was auch als „Terroir“ bezeichnet wird. Für ein gutes Kleinklima wesentlich ist die Ausrichtung der Rebzeilen zur Sonne. Der größte Teil der Energie die mit der Sonnenstrahlung auf die Rebfläche auftrifft, wird an der Oberfläche des Bodens und der Rebblätter in Wärme umgewandelt. Ein kleinerer Teil wird reflektiert und wieder zurückgespiegelt. Helle Böden wie Sandböden spiegeln einen größeren Teil zurück als dunkle Böden. Dunkle Böden wie schwarzer Schiefer wandeln an ihrer Oberfläche empfangene Strahlung größtenteils in Wärme um. Die gespeicherte Wärme wird in der Nacht vom Boden abgegeben und verbessert

33

§ 2 Nr. 1–26 WeinV 1995.

Hinführung zum Thema

11

das nächtliche Wärmeklima der Rebzeilen. Die Wärmemenge, die eine Rebfläche aus der Sonnenstrahlung erhält, ist umso höher, je senkrechter die direkte Sonnenstrahlung auftritt34. Die Pfalz soll mit über 1800 Sonnenstunden pro Jahr der sonnenreichste Landstrich in Deutschland sein, was natürlich auch noch andere Urlaubsregionen wie der Kaiserstuhl in Baden oder die Insel Sylt von sich behaupten.

Die größte Menge an direkter Sonnenstrahlung und damit an Wärme empfängt in unseren Breitengraden der um 25–30 Winkelgrade geneigte Südhang. Ein um 30° geneigter Südhang empfängt fast doppelt so viel Strahlungswärme wie ein entsprechend steiler Nordhang. Schon bei den Römern galt: „Saat in die Ebene, Wein an die Hügel und Wald auf den Berg“35. Wie viel Strahlungswärme die einzelnen Hanglagen tatsächlich empfangen, hängt natürlich auch von der Anzahl der Sonnenstunden eines Jahres oder den Bewölkungsverhältnissen ab. In Gebieten mit häufiger Bewölkung in der ersten Tageshälfte oder mit herbstlichen Morgennebeln werden die Osthänge besonders benachteiligt36. Bei vorzugsweiser Bewölkung am Nachmittag wären dagegen die Westhänge besonders im Nachteil. Auch ist der Faktor Wind zu berücksichtigen. Die Temperatur der besonnten Blätter liegt bei Windstille bis zu 10° C über der Lufttemperatur. Das günstige Eigenklima der Rebgassen und der Blätter kann zum einen durch stärkere Windeinwirkung zerstört werden, die Blätter werden im Luftstrom abgekühlt. Andererseits lässt der Wind nach Regen oder Tau den Bestand rasch abtrocknen und mindert damit die Gefahr von Pilzinfektionen37. Große Gewässer in der Nähe der Rebfläche wirken sich positiv auf das Kleinklima aus, sie speichern am Tag die Sonnenstrahlung und geben sie in der Nacht wieder ab. Ferner spiegeln die Wasserflächen Sonnenlicht zurück, was den umliegenden Rebanlagen einen zusätzlichen Wärmeschub beschert, beispielsweise Reben am Genfer See, Bodensee oder Balatonsee38.

3. Geschmacksangaben – Zuckergehalt Die Angabe des Restzuckergehaltes bei (Still-)Wein ist im Gegensatz zu Schaumwein fakultativ. Wenn der Zuckergehalt des Weines angegeben wird, 34 35 36 37 38

So Vogt / Götz, Weinbau, 1979, Klimaeinflüsse aus der Umgebung, S. 69. Bassermann-Jordan, Geschichte des Weinbaus, Nachdruck 1975, Bd. I S. 195. Ambrosi / Becker, a.a.O., S. 68. Vogt / Götz, a.a.O., S. 70. Dies., S. 72, ausführlich zur Auswahl von Rebstandorten auch Kadisch / Müller, Weinbau, Der Winzer 1, S. 72–76.

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Erstes Kapitel

darf dies nicht in Zahlen, sondern muss zwingend in wörtlicher Form angegeben werden und zwar durch die genau festgelegten Begriffe „trocken“, „halbtrocken“, „lieblich“ und „süß“39. Die Bezeichnung „feinherb“ ist keine gesetzliche Geschmacksangabe, sondern eine nichtssagende Erfindung der Weinwirtschaft, die eher auf eine milde Säure als auf den Zuckergehalt hindeutet. Zunächst schien es, dass dieser Begriff als Ersatz für „halbtrocken“ verwendet und gedacht war, diese Bezeichnung kann aber für Weine aller Geschmacksrichtungen verwendet werden und wird derzeit von der Weinkontrolle geduldet. Der Zuckergehalt darf um maximal 1 Gramm pro Liter von der Angabe auf dem Etikett abweichen40. Kommt nach Berücksichtigung der 1 Gramm-Toleranz die Einstufung in zwei Stufen in Betracht, etwa bei 10 Gramm Restzucker trocken oder halbtrocken, darf nur eine von beiden Geschmacksangaben gewählt werden41. Es ist unzulässig einen Teil des Jahrgangs als trocken, den anderen als halbtrocken zu vermarkten. („Alles-odernichts“-Prinzip)

Trocken / Halbtrocken Trockene und halbtrockene Weine dürfen in Abhängigkeit zur Säure maximal 9 Gramm Restzucker pro Liter (trocken) und max. 18 Gramm/L Restzucker (halbtrocken) aufweisen. Die Formeln hierzu lauten: Trocken: max. 4 Gramm RZ (ohne Säurebezug) oder Säure + 2 = max. 9 Gramm RZ; Halbtrocken: Max. 12 Gramm RZ (ohne Säurebezug) oder Säure + 10 = max. 18 Gramm RZ Zwei Beispiele: Wein mit 6 Gramm Säure darf als trockener Wein maximal 8 Gramm Restzucker aufweisen, Wein mit 5 Gramm Säure darf als halbtrocken max. 15 Gramm Restzucker haben, so dass in beiden Fällen angesichts der niedrigen Säure der Maximalwert von 9 bzw. 18 Gramm Zucker nicht ausgeschöpft werden darf. – Ein bekannter halbtrockener Wein der 1990er Jahre war der „Amselfelder“, ein aus der damaligen serbischen Provinz Kosovo eingeführter Wein. Er wurde an der Grenze zu Albanien auf dem Amselfeld, einem Hochbecken (600 m) angebaut, Hauptabnehmer der leichten Weiß- und Rotweine war damals Deutschland.

39 40 41

Art. 120 Abs. 1 c VO (EG) 1308/2013 i.V.m. Art. 64 VO (EG) 607/2009 und Anhang XIV Teil B. Art. 58 Abs. 2, Art. 64 Abs. 3 VO (EG) 607/2009 und Anhang XII Teil B. Art. 58 Abs. 2, Art. 64 Abs. 2 VO (EG) 607/2009.

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Lieblich / Süß Die Geschmacksangaben „lieblich“ und „süß“ sind säureunabhängig. Ein lieblicher Wein liegt zwischen halbtrocken und einem Restzuckergehalt von 45 Gramm, Weine mit mehr als 45 Gramm Restzucker sind süße Weine. Liebliche und süße Weine führen heute ein Schattendasein unter den deutschen Weinen. Der wohl bekannteste liebliche Wein ist die „Liebfrauenmilch“. Ihren Ursprung hat diese in den Weinbergen der Liebfrauenkirche in Worms (Rheinhessen). Glühwein Bei Glühwein legt der Weingesetzgeber völlig andere Vorgaben fest: Extra trocken bis 30 Gramm Zucker/Liter, trocken bis 50 g/l, halbtrocken bis 90 g/l, lieblich bis 130 g/l und süßer Glühwein hat mindestens 130 g/l. Schaumwein / Perlwein Bei Schaumwein gelten sieben Geschmacksangaben: Brut nature, extra brut, brut, extra trocken, trocken, halbtrocken und mild. Bei Perlwein, auch als Secco bezeichnet, gelten drei Geschmacksangaben: trocken, halbtrocken und mild. Ein Getränk mit beispielsweise 48 Gramm Restzucker ist als Wein „süß“, als Glühwein „trocken“, als Perlwein „mild“ und als Schaumwein „halbtrocken“.

4. Zuckergehalt / Restsüße Woher kommt der Restzucker im Wein? Hier hat der Winzer drei Möglichkeiten. Er kann zum einen nach Beendigung der Gärung die sog. „Süßreserve“ hinzugeben, steriler Traubenmost, der keinen Alkohol enthält. Weinrechtlich darf er bis zu 25% Süßreserve hinzugeben, der auch nicht aus derselben Rebsorte oder demselben Jahrgang stammen muss, er muss allerdings die gleiche Ausgangsqualität haben42. Die zweite und dritte (bessere) Möglichkeit betreffen die Gärung: sie kann entweder natürlich beendet werden oder bewusst unterbrochen werden (durch Schwefel oder Kühlung). Auch ein nicht ganz durchgegorener Wein ist als Wein i.S. des Weinrechts anzusehen, was nicht zu allen Zeiten unproblemtisch war. Nach dem zweiten Weltkrieg waren nach vielen Jahren der Entbehrung wieder süße Weine vermehrt nachgefragt. Das Landgericht Trier erklärte 1952 die Gärungsunterbrechung bei mit Zucker angereichertem Wein stets, bei Naturwein mittels Schwefel für unzulässig43.

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Spätlesewein darf nur Süßreserve, die die Voraussetzungen einer Spätlese erfüllen würde, zugegeben werden: Mindestmostgewicht, späte Lese etc. So Koch, Weingesetz 1969, Zeittafel, S. 103.

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Die Süßung der Weine ist streng von der Anreicherung zu unterscheiden. Die Anreicherung (Chaptalisierung44), d.h. die Zugabe von Trockenzucker erfolgt vor Beginn der Gärung, um einen höheren Alkoholgehalt zu erzielen, die Zugabe von Restsüße nach der Gärung, um dem Wein geschmacklich – nach Kundenwunsch – zu verändern. Die Höchstgrenze der zugeführten Süßreserve darf max. 25% betragen, allerdings nur wenn keine Weine anderer Rebsorten zugegeben werden. Ein bezeichnungsunschädlicher Verschnitt mit anderen Weinen ist bis zu 15% zulässig. Mögliche Konstellationen: Riesling Wein – max. Zugabe von 15% Silvaner/10% Restsüße Riesling Wein – Zugabe von 10% Silvaner/15% Restsüße Riesling Wein – Zugabe von 0% andere Rebsorte/dann bis zu 25% Restsüße

5. Mostgewicht; Grad Oechsle Trauben werden nicht geerntet, sondern „gelesen“. Je nach Witterung und Sonnenscheinstunden enthalten diese im Herbst bei der Lese mehr oder weniger Zucker. Der Zuckergehalt der Trauben wird in Grad-Oechsle gemessen. Die Bezeichnung geht auf den Heilbronner Goldschmied Ferdinand Oechsle zurück, der die Mostwaage Mitte des 19. Jahrhunderts erfunden hat. In Österreich misst man den Zuckergehalt nicht in Oechsle, sondern nach der Klosterneuburger Mostwaage in KMW45. Die Fruchtsaftindustrie arbeitet mit Brix-Graden46. Beispiel: Ein Mostgewicht von 90 Grad Oechsle bedeutet, dass 1 Liter Most 90 Gramm schwerer ist als 1 Liter Wasser, somit 1.090 Gramm wiegt. Für Diabetiker von Bedeutung: 1° Oechsle entspricht 2,34 Gramm Zucker. Ein durchschnittlicher Traubenmost mit 80° enthält somit beinahe 200 Gramm Zucker (Glucose und Fructose), bei einem Most mit 100° Oechsle ist es beinahe ein halbes Pfund Zucker. Rückblickend gesehen war die Oechsle-Waage ein immenser Fortschrift für die Winzerschaft Mitte des 19. Jahrhunderts. Bis zu dieser Erfindung hat man den Zuckergehalt und Reifegrad anhand der Beeren- und Samenfarbe oder der Klebrigkeit des Saftes geschätzt, an der Mosel wurde nach bestimmtem Rezept eine

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Benannt nach dem französischen Landwirtschaftsminister Jean-Antoine Chaptal (1756–1832). 1° KMW = 4,86° Oechsle. 1° Brix = etwa 4° Oechsle.

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Weinsuppe gekocht, schmeckte sie süß, war guter Wein zu erwarten47. Die Unsicherheit und damit die vage Bestimmung des günstigsten Lesezeitpunktes wurde durch die Oechsle-Waage beseitigt.

6. Anreicherung Deutscher Wein, Landwein und Qualitätswein dürfen angereichert werden, d.h. ihnen darf bei einem Mangel an natürlichem Zuckergehalt in gewissem Rahmen Trockenzucker zugesetzt werden; durch dessen Vergärung wird im Endeffekt ein höherer Alkoholgehalt des fertigen Weines erreicht. Deutscher Wein und Landwein (weiß und rosé) dürfen bis zu 11,5% vol., Rotwein bis zu 12% angereichert werden, Qualitätswein bis zu 15%, wobei aber ein natürlicher Mindestzuckergehalt vorausgesetzt wird. Bei Prädikatswein ist die Anreicherung unzulässig. Eine Nasszuckerung mittels Zuckerwasser ist in Deutschland seit 1971 verboten, die Ausnahmen für die Mosel hinsichtlich Riesling und anderer säurereicher Trauben wurden Mitte der achtziger Jahre ebenfalls abgeschafft.

7. Alkoholfreier Wein Dem Wein darf auch der Alkohol teilweise oder ganz entzogen werden. Ein alkoholfreier Wein darf maximal 0,5% Vol. Alkohol enthalten, ein alkoholreduzierter Wein max. 4% vol.48.

8. Verschnitt Ein sogenannter „bezeichnungsunschädlicher“ Verschnitt von 15%, bei Zugabe Restsüße von 10%, muss auch nicht auf dem Etikett angeben werden, auch wenn der Wein nur zu 75% aus der angegebenen Rebsorte besteht. Nur ein RieslingHochgewächs49 muss zu 100% aus Riesling bestehen. Bei höherem Verschnitt (bspw. 60/40) dürfen mehrere Rebsorten auf dem Etikett angegeben werden und zwar in absteigender Reihenfolge ihrer Anteile50.

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Goethe / Goethe, Atlas der Weintrauben, 1874/76, Nachdruck 2001, S. 5. § 47 Abs. 1 Nr. 2 und Abs. 2 Nr. 2 WeinV. § 34 Abs. 1 Nr. 1 WeinV. Art. 62 Abs. 1 c) ii) Verordnung (EG) 607/2009.

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9. Wein-Güteklassen Auf der untersten Stufe steht Deutscher Wein, vormals Tafelwein (bis 1971 Tischwein), gefolgt von Landwein aus den Landweingebieten (Pfälzer Landwein, Landwein der Mosel, Landwein der Saar etc.), Qualitätswein und Prädikatswein. Auf EU-Ebene wurden die Bezeichnungen zwar geändert, sie dürfen aber als „traditionelle Begriffe“ in Deutschland weiterhin verwendet werden, und dies geschieht auch. Die Bezeichnung Qualitätswein ziehen die Winzer der Angabe „geschützter geografische Angabe (g.g.A.)“ für Landwein oder der Angabe „garantierter Ursprung (g.U.)“ für Qualitäts- und Prädikatswein vor.

a) Qualitätswein Es klingt durchaus vermessen, wenn ein Winzer seine Erzeugnisse als Qualitätswein oder Prädikatswein bezeichnet. In anderen Sparten des Wirtschaftslebens wäre dies undenkbar. Ein Schreiner, der einen Teil seiner Produktion als Schränke, andere als Qualitätsschränke und einen kleinen Teil als Prädikatsschränke bezeichnete, wäre sicherlich wettbewerbsrechtlichen Interventionen der Mitbewerber ausgesetzt. Nicht nur unerlaubte Werbung stünde hier im Raum, sondern auch der Gesundheitszustand des Schreiners würde ernsthaft angezweifelt werden. Qualität und Schönheit sind ständig verwendete Begriffe, beide entziehen sich einer verbindlichen Definition. Dippel51 behauptet allerdings, dass man Geschmack „lernen könne“, was erst Recht für das Degustieren von Weinen gelte. Schönheit liegt nach dem Volksmund im Auge des Betrachters, Weinqualität in der Nase und auf der Zunge. Beide sind extrem subjektive Kriterien52. Die lateinische Wurzel des Wortes Qualität – qualitas – bedeutet lediglich Beschaffenheit und enthält mithin keine Wertung. Auch die DIN-Normen helfen nicht viel weiter. DIN 55350 Teil 1: „Qualität ist die Beschaffenheit einer Ware bezüglich ihrer Eignung, festgelegte, vorausgesetzte Erwartungen zu erfüllen“. Demnach wäre Qualität gegeben, wenn die Beschaffenheit des Weines die Erwartungshaltung der Konsumenten erfüllt53. Die Erwartungshaltung des Konsumenten ist aber nur eine Ebene, die zweite Ebene ist die formale, die amtliche Prüfnummer, zu der ich noch kommen werde, als formaler Nachweis der Qualität im Glase54.

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Dippel, Horst, Das Weinlexikon, S. 570. De gustibus non est disputandum – über Geschmack kann man nicht streiten. Hamatscheck, Technologie des Weines, S. 17/18. Ders., S. 17.

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Ein Qualitätswein muss daher auch und vor allem analytischen und sensorischen Kriterien genügen, und die Herstellung muss nach klar vorgegebenen weinrechtlichen Regeln erfolgt sein55. Nur die „gute fachliche (weinbauliche) Praxis“ genügt daher nicht. Da nur 1–2% der Weine in Deutschland die QbA-Prüfung nicht durchlaufen (Deutscher Wein, Landwein) kann der Verbraucher bei Erteilung einer APNummer sich darauf verlassen, nach dieser analytischen und sensorischen Prüfung einen Qualitätswein vor sich zu haben. Ob das so auf dem Etikett stehen muss, ist eine andere Sache, andere Berufszweige kommen auch ohne diese doch vermessene Bezeichnung aus, zudem wird Tafel- und Landwein hierdurch, teilweise unberechtigt, als minderwertiger Wein abqualifiziert.

b) A.P.-Nummer Eine etwas seltsam anmutende Zahlenreihe auf dem Weinetikett ist die vorerwähnte Amtliche Prüfungsnummer, kurz AP-Nr. Diese ist für Qualitätswein und Prädikatswein zwingend vorgeschrieben, bei Landwein genügt eine bloße Loskennzeichnung (Los-Nr.). Die AP-Nr. ähnelt nicht nur der IBAN- Nummer eines Bankkontos, auch der Aufbau ist ähnlich. Was bei der IBAN die Bankleitzahl gefolgt von Kontonummer ist, ist bei der AP Nr. die Codierung des Weinbauamtes, die Ortsnummer, die Betriebsnummer sowie die angestellte Charge des jeweiligen Winzers. Die „Entschlüsselung“ der AP-Nr. 5 022 999 2517 lautet wie folgt: 5=Weinbauamt Neustadt 022 – Ortsnummer Edenkoben 999 – Betriebsnummer des Weinbaubetriebes 2517 – die 25. Weinanstellung56 im Jahr 2017

Die letztgenannte Zahl ist datenschutzrechtlich nicht unbedenklich, denn hieraus können die Mitbewerber und jeder Weinkunde ersehen, wie viele Weine der Winzer im Jahr 2017 schon zur Prüfung präsentiert („angestellt“) hat, der Wein im Beispiel wäre mithin schon der 25. Wein im Jahr 2017, was Rückschlüsse auf die Größe und wirtschaftliche Bedeutung des Weingutes zulässt.

c) Prädikatswein Die Prädikatsweine müssen ebenfalls das vorgenannte Prüfungsverfahren durchlaufen – mit dem Unterschied, dass hier nicht nur das Prädikat zugeteilt 55 56

Ders., S. 18. Wein wird zu Qualitätsweinprüfungen und Wettbewerben „angestellt“, was in der Weinsprache für präsentieren, abgeben oder einreichen verwendet wird.

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wird, sondern auch festgelegt wird, ob es sich Kabinett, gefolgt von Spätlese, Auslese, Beerenauslese, Trockenbeerenauslese und Eiswein handelt. Grob lässt sich sagen, dass diese Einteilung vom ursprünglichen sogenannten Mostgewicht, das in Grad-Oechsle gemessen wird, abhängig ist. Hinzu kommen bei Spätlese, Auslese, Beerenauslese und Trockenbeerenauslese noch weitere Kriterien, vollreife Trauben etc. Eiswein muss ein Mindestmostgewicht57 aufweisen und zusätzlich noch bei mindestens minus sieben Grad gelesen und abgepresst worden sein.

10. Weinsteuer In Deutschland sind (Still-)Wein und Perlwein alkoholische Getränke, die von einer Besteuerung ausgenommen sind. Zwar wurden die EU-Mitgliedstaaten verpflichtet, eine Weinsteuer festzusetzen, der Satz kann aber im Ermessen der Länder auch auf „Null“ festgesetzt werden, wovon Deutschland Gebrauch gemacht hat. Die Schaumweinsteuer (auch Sektsteuer genannt) beträgt in Deutschland derzeit 136 Euro je Hektoliter Schaumwein (1 Liter = 1,36 Euro, 0,75 Liter = 1,02 Euro). Perlwein (auch Secco genannt) ist von dieser Steuer befreit, soweit sich dieser an die gesetzlichen Vorgaben (1–2,5 bar Druck und kein Drahtverschluss) hält. Die Schaumweinsteuer geht auf Kaiser Wilhelm II. zurück, der diese vor über 100 Jahren („vorübergehend“) zur Finanzierung der deutschen Flottenpolitik eingeführt hatte. Mittlerweile wurden zwei Kriege beendet, aber die Schaumweinsteuer existiert immer noch.

Darüber hinaus wird die Schaumweinsteuer in die Festsetzung der Umsatzsteuer einbezogen. Hieraus wird dann aus einem Euro eine Besteuerung von 1,19 Euro Steuer, was gerade in den Grenzregionen zu Frankreich und Luxemburg Wettbewerbsnachteile für deutschen Schaumwein nach sich zieht.

11. Deklarationspflichten a) Alkoholgehalt in % Volumen Alkohol kann entweder in Gramm pro Liter angegeben werden, oder in Volumenprozent. Letzteres hat zwingend auf dem Weinetikett zu erfolgen. Der Gehalt eines Weines an Äthylalkohol58 schwankt je nach Weinart bei leichten Weinen zwischen 75 und 90 Gramm pro Liter. In einem Liter Rotwein mit 12% vol. sind 95 Gramm Alkohol enthalten. Abgebaut wird der Alkohol zu 90 Prozent über die Leber, die pro Stunde etwa 8 bis 10 Gramm Alkohol abbauen kann. 57 58

Das in den Anbaugebieten variieren kann: Pfalz und Rheinhessen 120° Oechsle – Mosel, Ahr und Mittelrhein „nur“ 110° Oechsle. Auch „Weingeist“ genannt.

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Das bedeutet, dass der Blutalkohol bei Männern um etwa 0,12 bis 0,15 Promille pro Stunde abnimmt, bei Frauen liegt der Abbauwert niedriger. Etwa sieben Prozent des Alkohols werden beim Ausatmen vom Blut in die Luft abgegeben, drei Prozent des Alkohols werden durch den Urin ausgeschieden, wobei sich dieser Wert bei großen Alkoholmengen verdoppeln kann59. Die für Autofahrer wichtige 0,5 Promille-Grenze bedeutet, dass 0,5 Gramm Alkohol in einem Liter Blut enthalten sind. Die Grenze der angenommenen absoluten Fahruntüchtigkeit liegt derzeit bei 1,1 Promille, bei 3 Promille treten erhebliche Gesundheitsschäden auf, die tödliche Dosis liegt bei etwa sechs bis acht Gramm Alkohol pro Kilogramm Körpergewicht, was bei einem 70 kg schweren Mann einer kurzzeitig aufgenommenen Menge von etwa 6 Litern Wein entspricht60. Die Lebensmittel-Informationsverordnung LMIV schreibt vor, dass bei Getränken mit einem Alkoholgehalt von mehr als 1,2% der vorhandene Alkoholgehalt in Volumenprozent anzugeben ist, und zwar durch eine Zahl mit nicht mehr als einer Dezimalstelle, der das Symbol „% vol“ anzufügen ist. Dieser Angabe darf das Wort „Alkohol“ oder die Abkürzung „Alk.“ oder „alc.“ vorangestellt werden61.

b) „Enthält Sulfite“62 Diese auf beinahe jedem Weinetikett zu findende Angabe dient dazu, Allergiker darauf hinzuweisen, dass der Wein schweflige Säure enthält, die genaue Menge darf aber nicht angegeben werden. Möglicherweise deshalb, damit der Weinkonsument seine Kaufentscheidung nicht allein nach der Höhe des Schwefelgehaltes ausrichtet. Ab 10 mg/l insgesamt vorhandenem SO2 ist die Schwefelangabe obligatorisch63, was bei nahezu allen Weinen zutrifft. Um bei der Schwefelung Auswüchse zu vermeiden, sind die zulässigen Gehalte an Sulfite im Milligrammbereich begrenzt und strengstens überwacht. Jeder deutsche Qualitäts- und Prädikatswein durchläuft eine Analyse in einem staatlichen zugelassenen Labor einschließlich einer genauen Feststellung des Schwefelgehaltes. Schon Paracelsus64 stellte fest: „Alle Dinge sind Gift und nichts ist

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Prokop, Lebenselixier Wein, 2. Auflage 1999, S. 28/29. Ders., S. 30. Art. 54 Abs. 2 VO (EG) 607/2009; LMIV-Verordnung (EU) 1169/2011, Art. 9 Abs. 1 k) i.V.m. Anlage XII Abs. 1, Nr. 4. Die Durchführungsverordnung (EU) Nr. 579/2012 regelt die Kennzeichnung von Allergenen in Wein, Perlwein und Sekt und ist seit Juli 2012 in Kraft. LMIV, a.a.O., Anhang II Nr. 12. 1493–1541 (Theophrastus von Hohenheim).

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ohne Gift. Allein die Dosis macht, dass ein Ding kein Gift ist“. Der Maximalwert liegt bei Weißwein und Rosé mit bis zu 5 Gramm RZ bei 200 mg/l, bei Rotwein unter 5 g/RZ bei 150 mg/l. Grob kann man sagen, je höher der Restzuckergehalt, je höher der Schwefelanteil, bei Trockenbeeren-Auslesen allerdings bis zu 400 mg/l.

c) Kasein, Albumin, Lysozym Eine Deklarationspflicht gilt seit Juli 2012 auch für Behandlungsmittel, die aus Eiern oder Milch gewonnen wurden (Kasein, Albumin, Lysozym). Eine Kennzeichnung muss jedoch nur dann erfolgen, wenn Rückstände auch tatsächlich im Wein vorhanden sind bzw. nachgewiesen werden können.

d) Nennvolumen In Flaschen abgefüllter Wein darf nach der Fertigpackungsverordnung (FertigPackV)65 gewerbsmäßig nur in den Verkehr gebracht werden, wenn die Füllmenge nach Volumen angegeben ist. Nennvolumen bei Wein sind 0,1, 0,1875, 0,25, 0,375, 0,5, 0,75, 1 und 1,5 Liter. Die Füllmenge muss leicht erkennbar, deutlich lesbar und unverwischbar angegeben sein. Zum Zeitpunkt der Abfüllung darf zum einen die Füllmenge eines Loses66 im Mittel die Nennfüllmenge nicht unterschreiten sowie andererseits im Einzelfall bestimmte Minus-Grenzwerte nicht überschreiten: „Füllmenge im Mittel“ besagt, dass Flaschen mit Minusabweichungen durch solche mit „überfüllten“ Flaschen ausgeglichen werden müssen. Fehlen mithin in einer 1 Liter-Flasche zulässigerweise 15 ml so kann diese durch andere Flaschen ausgeglichen werden, soweit sich die Minusabweichungen in dem vorgegebenen gesetzlichen Toleranzrahmen bewegen. Die Minusgrenzwerte dürfen jedoch bei zwei Prozent der abgefüllten Flaschen um das Doppelte überschritten werden. Bei einer Abfüllung von 10.000 Flaschen à 0,75 Liter sind dies immerhin 200 Flaschen die die erlaubte Mindermenge von 15 ml um das Doppelte überschreiten. Hier fehlen dann 30 ml je Flasche und wer Pech hat und gerade 24 dieser Flaschen erwirbt, hat theoretisch beinahe eine Flasche Wein weniger erworben67.

Da die Abfüllanlagen der Kleinwinzer nicht exakt die Füllmenge bis auf wenige Hundertstel erkennen lassen, gehen die Winzer schon vereinzelt dazu über, dem Nennvolumen das Zeichen „~“ voranzustellen. 65

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Verordnung über die Vermeidung und Verwertung von Verpackungsabfällen (Verpackungsverordnung – VerpackV) – vom 21. August 1998 (BGBl. I S. 2379). Diese soll 2019 durch ein neues Verpackungsgesetz abgelöst werden. Ein Los ist die Gesamtheit von Verkaufseinheiten eines Erzeugnisses, das unter praktisch gleichen Bedingungen erzeugt, hergestellt, abgefüllt oder verpackt wurde, § 50 Abs. 2 WeinV. 24 X 30 ml.

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e) Vorgaben für die Etikettierung Die Etikettierung ist in Artikel 50 der Verordnung (EG) 607/2009 präzise geregelt: „Die obligatorischen Angaben […] sind zusammen im gleichen Sichtbereich auf dem Behältnis so anzubringen, dass sie gleichzeitig gelesen werden können, ohne dass es erforderlich ist, das Behältnis umzudrehen“.

f) Flaschenform Auch die Verwendung bestimmter Flaschen steht nicht ganz im Belieben des Winzers. Vielmehr sind einige Flaschen „geschützt“, der Bocksbeutel68 beispielsweise ist nur für Frankenwein „reserviert“ sowie für einige Weinlagen im badischen Anbaugebiet69.

IV. Weinrecht als spezielles Lebensmittelrecht Die Weintraube und ihre Erzeugnisse sind Lebensmittel70 im Sinne von § 2 Abs. 2 LFGB71, der hinsichtlich der Begriffsbestimmung auf Art. 2 Abs. 1 der sogenannten Basis-Verordnung72 verweist. Die Weintraube ist dazu bestimmt, von Menschen gegessen und in verändertem, zubereitetem oder verarbeiteten Zustand von Menschen getrunken zu werden73. Das Weingesetz als Lebensmittelrecht „sui generis“ enthält für diese Lebensmittel Sonderregelungen, deren Besonderheiten hinsichtlich des Lebensmittels Wein als nicht industriell bear-

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Die Legaldefinition in Anhang XVII Anhang 2a der VO (EG) 607/2009 lautet wie folgt: „Ein kurzhalsige, bauchig-runde, etwas abgeflachte Glasflasche mit ellipsoider Standfläche und mit ellipsoidem Querschnitt an der größten Wölbung des Flaschenkörpers: Das Verhältnis Hauptachse/Nebenachse des ellipsoiden Querschnitts ist annähernd 2:1; das Verhältnis Höhe des gewölbten Flaschenkörpers/zylindrischer Flaschenhals ist annähernd 2,5:1“. Badisches Taubertal, Schüpfergrund sowie vier Teilgemeinden der Gemeinde BadenBaden, § 33a WeinV i.V.m. Art. 68 VO (EG) 607/2009, Anhang XVII, Buchstabe 2b Ziffer 1. Art. 2 Abs. 1 VO (EG) 178/2002: „Lebensmittel (sind) alle Stoffe oder Erzeugnisse, die dazu bestimmt sind oder von denen nach vernünftigem Ermessen erwartet werden kann, dass sie in verarbeitetem, teilweise verarbeitetem oder unverarbeitetem Zustand von Menschen aufgenommen werden“. Lebensmittel-, Bedarfsgegenstände- und Futtermittelgesetzbuch (Lebensmittel- und Futtermittelgesetzbuch – LFGB) in der Fassung der Bekanntmachung vom 3. Juni 2013 (BGBl. I S. 1426), zuletzt geändert durch Artikel 1 der Verordnung vom 24. November 2016 (BGBl. I S. 2656). Verordnung (EG) Nr. 178/2002, Amtsblatt der EU, L 31 vom 1. Februar 2002, S. 1–24. So bereits Hieronimi, Getränkegesetze – WeinG, Vorbem. S. 291 zum LMG 1927.

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beitetem Produkt sich in den Sondervorschriften des Weingesetzes widerspiegeln74. Nach § 4 Abs. 1 Nr. 4 LFGB gelten die Vorschriften des LFGB sowie diejenigen der aufgrund des LFGB erlassenen Rechtsverordnungen nicht für Erzeugnisse im Sinne des Weingesetzes – ausgenommen die in § 1 Absatz 2 des Weingesetzes genannten Erzeugnisse. Zu Weintrauben, die nicht zur Herstellung von Erzeugnissen bestimmt sind, gehören auch Keltertrauben, die zwar zur Herstellung von Wein zugelassen sind, deren konkrete Zweckbestimmung aber außerhalb des Weinsektors liegt, beispielsweise unmittelbarer Verzehr oder Herstellung von Weingelee. Ausgenommen sind auch Tafeltrauben, da es sich bei ihnen nicht um Weinerzeugnisse, sondern um Erzeugnisse des Obstbaus handelt75. Ferner sind hier Traubensaft und Weinessig erfasst. Das LFGB findet Anwendung, soweit das Weingesetz oder die aufgrund des Weingesetzes erlassenen Rechtsverordnungen auf Vorschriften dieses Gesetzes oder der aufgrund dieses Gesetzes erlassenen Rechtsverordnungen verweisen, beispielsweise § 49 Satz 2 WeinG76. Das Weinrecht ist nicht nur Lebensmittelrecht, sondern zugleich auch ein sehr heterogenes Rechtsgebiet des öffentlichen Rechts mit erheblichen Auswirkungen auf das Strafrecht wie auch das Wirtschaftsrecht, insbesondere des Markenund Wettbewerbsrechts77. Dabei ist selbst dem sachkundigen Weintrinker selten bekannt, welch ein „hochverwickeltes Regelwerk sich um die Reben rankt“. Es ist kein anderes Lebensmittel ersichtlich, das hierzulande derart umfassend reguliert ist78.

V. Weinbau in Deutschland 1. Historischer Abriss Wein ist aus der Kulturgeschichte der Menschen nicht wegzudenken. In der Bibel wird Wein in mehr als 500 Textstellen erwähnt, Noah wird in der Genesis (9, 20–21) als erster Winzer genannt79 und Jesus spricht beim letzten Abendmahl „von der Frucht des Weinstocks“80. In der griechischen Kultur wird Wein als

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Vorläufer des WeinG 1994 waren die Weingesetze 1892, 1901, 1909, 1930 und 1971. Boch, Thomas, Weingesetz, 4. Auflage 2015, § 1 Rn. 2. Siehe unten Siebtes Kapitel, VI, 5. So auch Gerhard, NVwZ 2010, S. 94. Kretschmer, Bernhard, Rätselraten im Nebenstrafrecht, ZIS, 11/2016, S. 765. „Noah wurde der erste Ackerbauer und pflanzte einen Weinberg“ (Genesis 9, 20). Lukas 22, 18.

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Getränk der Götter angesehen und diesen geopfert. Hippokrates81, der Vater der Medizin, sieht im Wein ein nahezu universelles Heilmittel und soll ihn bei den verschiedensten Krankheiten mit Erfolg eingesetzt haben. Zahllose Zeugnisse über Wein und Weinbau stammen von den alten Römern. Sie betrieben kommerziellen Weinbau und konnten verschiedene Rebsorten unterscheiden. Im römischen Reich hatten alle gesellschaftlichen Schichten Zugang zum Wein. Aus den Ruinen von Pompeji lassen sich heute noch etwa 200 Weinschenken rekonstruieren. Im letzten Jahrhundert vor Christus wurde „für eine Amphore Wein ein Sklave gegeben“82. Das große Verdienst der Römer um den deutschen Weinbau wird an der Mosel noch heute mit Lagenamen wie Römerlay, Römerberg oder Römerpfad (Maring-Noviand) gewürdigt83. Auch zeugen die Lagennamen Kupp (von cuppa – Kuppe) in Wiltingen sowie Calmont (von calvus mons) in Bremm sowie Piesporter Goldkuppe (von aurea cuppa) von lateinischer Abstammung84.

Aber auch die Verfälschung von Nahrungs- und Genussmitteln ist eine uralte Unsitte, der man schon in Rom zu steuern suchte, indem man „besondere Ädilen mit der Überwachung des Verkehrs mit Lebensmitteln behufs Verhütung einer gesundheitswidrigen Beschaffenheit derselben betraute“85. Im Mittelalter waren Jahrgangs- und Lagebezeichnungen als Weinbezeichnung noch nicht gebräuchlich, vielmehr wurde nur zwischen „huntsch“ und „frentsch“ unterschieden, wobei der „frentsch“-Wein über eine bessere Qualität verfügte, die der heutigen aber keineswegs entsprach. Der Wein erlebte im Mittelalter infolge der damaligen klimatischen Erwärmung („mittelalterliches Klimaoptimum“) eine neue Hochphase86. Ende des 15. Jahrhunderts war Wein ein sehr stark verbreitetes Lebens- und Genussmittel87. Die deutsche Rebfläche war damals dreimal so groß wie heute. Wein wurde als Durstlöscher gesehen und der Weinkonsum lag um ein Vielfaches höher, nach Schätzungen zwischen 150 und 300 Liter pro Kopf88. Gemessen an den etwa 23 Litern, die heute in Deutschland je Bewohner konsumiert 81 82 83 84 85 86 87 88

Geboren um 460 v. Chr. auf Kos. Fuchss / Müller, Rheinpfalz 1982, S. 35 – 1 Amphore = 26,26 Liter. Christoffel, Karl, Die Weinlagen der Mosel und ihre Namensherkunft, Trier, 1979, S. 20. Ders., S. 50. Otto, Walter Die strafrechtlichen Bestimmungen des Nahrungsmittelgesetzes vom 14. Mai 1879, Stuttgart 1909, S. 1. Härtel, Handbuch Weinrecht, Weinrecht und moderne Welt, S. 2. Jung, a.a.O., S. 13. Schumann in: Kulturgut Rebe und Wein, 2013, S. 40.

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werden, eine gigantische Menge, wenngleich der Alkoholgehalt seinerzeit deutlich niedriger war. Kriege89, Schädlinge (Rebstecher, Traubenwickler, Reblaus) und Rebkrankheiten (Peronospora, Oidium), kühleres Klima und sich wandelnde Kosumgewohnheiten90 sorgten in Deutschland für eine Verringerung der Rebflächen auf das heutige Niveau91. Was die Weinpreise anbelangt, so erhielten die Römer, wie bereits erwähnt, für eine Amphore Wein (26,26 l) einen Sklaven, zur Karolingerzeit wurden für 1 Sitel Wein (30 l) ein Malter Korn (120–150 kg) gezahlt, um 1630 erhielt man für 1 Maß Wein (2 Liter) ein Ei oder einen Kreuzer. Vom 18. – 20. Jahrhundert betrug der Tagelohn eines Weinbergsarbeiters 2–3 Liter Wein92.

Die Bezeichnung nach den genauen Weinbauorten wurde als Weinsortenbezeichnung erst ab dem 16./17. Jahrhundert häufiger verwendet93. Als Paradebeispiel sei die bis 1720 berühmteste gesamtdeutsche Weinbezeichnung „Bacharacher“ genannt, welche ursprünglich für die Herkunft des Weines aus dem Weinort Bacharach am Mittelrhein stand94. Obwohl diese Bezeichnung anfänglich ein Hinweis auf die örtliche Herkunft war, sah man den „Bacharacher“ bald als Weinsortenbezeichnung, da die auswärtigen Weine in Bacharach gesammelt und unter dieser Ortsangabe weiter vertrieben wurden95. Eine Jahrgangsbezeichnung erfolgte erst Anfang des 17. Jahrhunderts, jedoch wurde dann die Ortsbezeichnung weggelassen96.

2. Etikettierung Zur Geschichte des Weines gehört auch die Weinetikettierung, die schon bei den Sumerern vor 4000 v. Chr. praktiziert wurde. Es wurden Stempel und Rollsiegel auf den Weinverschlüssen angebracht, diese dienten als eine Art Gütezeichen. Die Römer kennzeichneten ihre Amphoren mit Papier- und Markenanhängern und den sogenannten „tesserae“ an den Weingefäßen. Mittels Farbe oder Einritzen am Gefäßhenkel war der Inhalt, der Jahrgang und auch die Weinlage erkennbar97. 89 90 91 92 93 94 95 96 97

Bauernkrieg 1525, 30jähriger Krieg 1618–1648, pfälzische Erbfolgekriege 1694 mit Verwüstungen und Inbrandsetzung der pfälzischen Weinberge. Der Bierkonsum stieg im 16. Jh. angesichts der Besteuerung des Weines, im 17. Jh. kam Tee und ab dem 18. Jh. Kaffee und Kakao hinzu. Aktuell: 102.000 ha bestockte Rebfläche. Adams / Jakob / Schumann, Weinkompendium, Weinpreise, Geschichte 1/23. Bassermann-Jordan, Geschichte des Weinbaus Band II, S. 868. Ders., Bd. I, S. 126. Ders., Bd. I, S. 126/127; Ders. Bd. II S. 864. Ders., Bd. II, S. 869/870. So Thielen, Zur Geschichte des Deutschen Weinetiketts, 1975, S. 5.

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Im Mittelalter wurden an Flaschen und Weingefäßen handschriftliche Papieranhängsel angebracht. Die Flaschen bestanden zumeist aus Steingut, Zinn oder Blech. Erst später, als die Glasflasche aufkam, klebte man dann die handgeschriebenen Zettel auf den Flaschenbauch. Diese Beschreibungen des Inhalts der Flasche nannte man „Etiquettes“ und später dann „Etikett“98. Seit mehr als 200 Jahren gibt es gedruckte Weinetiketten99. Dennoch war das Etikett vor 200 Jahren noch von untergeordneter Bedeutung. Zum einen war eine Etikettierung seinerzeit noch nicht vorgeschrieben, gesetzliche Vorschriften, die die „Auskunftspflicht“ des Weinlieferanten festlegten100 existierten nicht und andererseits erfolgte, zumindest im Anbaugebiet Pfalz, der Weinverkauf nahezu ausschließlich in Fässern, Flaschenwein war noch gänzlich unüblich. 1873 kam erstmals Flaschenwein in Neustadt zum Verkauf, 1894 wurden Flaschenweine in der Pfalz zum ersten Mal auf einer Versteigerung angeboten101. Mit den Flaschenfüllungen wuchs auch die Bedeutung des Etiketts. Während des Zweiten Weltkriegs erreichten infolge der steigenden Papierknappheit die Papierkontingente für die Etiketten-Industrie einen Tiefstand, der dazu zwang, das Weinetikett auf Briefmarkengröße zusammenschrumpfen zu lassen102. Das Etikett nach 1945 kann als „Konsumetikett“ bezeichnet werden, groß herausgestellt in der Firmierung sowie Deklarierung und somit zugeschnitten auf den Blickfang in den heutigen Supermärkten103. Heute ist die Etikettierungspflicht EU-weit geregelt, die obligatorischen Angaben in Artikel 59 der Verordnung (EG) Nr. 479/2008. Diese sind zusammen im gleichen Sichtbereich auf dem Behältnis so anzubringen, dass sie gleichzeitig gelesen werden können, ohne dass es erforderlich ist, das Behältnis umzudrehen, Art. 50 Verordnung (EG) 607/2009. Die fakultativen, freiwilligen Angaben sind von Art. 60 der Verordnung (EG) 479/2008 erfasst.

3. Aufstiegsphase des deutschen Weinbaus im 19. Jahrhundert Das 19. Jahrhundert gilt als die Aufstiegsphase des modernen Weinbaus. In Deutschland änderten sich die Gegebenheiten für den Weinbau grundlegend.

98 99 100 101 102 103

Ders., S. 6. Thielen, a.a.O., S. 5. Ders., S. 6. Malsburg, 150 Jahre pfälzische Weingeschichte, S. 26. Thielen, a.a.O., S. 16. Ebd.

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Erstes Kapitel

Konstituierend hierfür waren vor allem die günstigeren politisch-wirtschaftlichen Rahmenbedingungen sowie eine Reihe organisatorischer Maßnahmen von weitreichendem Einfluss auf die Qualität des Weinbaus und Vermarktung des Weines104. Im Gefolge der französischen Revolution und der Napoleonischen Kriege kam es in den deutschsprachigen Territorien zum einen zu tiefgreifenden politischgeographischen Veränderungen, die die wirtschaftlichen Bedingungen für den Weinbau grundlegend verbesserten. Auf dem Friedenskongress von Rastatt 1797, dessen Beschlüsse im Friedensvertrag von Lunéville 1801 bestätigt wurden, musste das gesamte linksrheinische Gebiet an Frankreich abgetreten werden. Mit einem Schlag war damit dort – wie auch im übrigen Deutschland – das Gewirr der vielen „Duodezfürstentümer“ beseitigt. Bedenkt man, dass es 1792 allein in der Pfalz noch 44 Kleinherrschaften105 gab, so wird der wirtschaftliche Fortschritt augenscheinlich. Veränderungen in den Eigentumsverhältnissen führten zur Herausbildung einer neuen Schicht bäuerlicher und bürgerlicher, aber auch adliger Weingutsbesitzer, die die Entwicklung in den folgenden Jahrzehnten mitprägten. Immerhin war an der Mosel ein Fünftel der Rebfläche – meist aus Kirchenbesitz – in andere Hände übergegangen denn mit der Auflösung aller geistlichen Fürstentümer 1803 fielen viele Rebflächen an neue Eigentümer, wenn auch nach dem Sturz Napoleons ein Teil der Besitzungen an die Kirche zurückfiel106. Eine Erfindung, deren Bedeutung für den Weinbau nicht hoch genug bewertet werden kann, war – wie bereits berichtet – die von dem Pforzheimer Goldschmied und Mechaniker Christian Ferdinand Oechsle (1774–1852) 1830 entwickelte und nach ihm benannte Mostwaage. Das damit gewonnene Qualitäts-Kriterium bildet noch heute die Grundlage für die Einteilung der deutschen Weine in Güteklassen. Es unterscheidet sich grundlegend von Qualitätssystemen, bei denen wie etwa in Frankreich, unabhängig von der Ausprägung eines bestimmten Jahrgangs der Wein seine Zuordnung zu einer bestimmten Güteklasse ausschließlich durch seinen Standort erhält.

Es blieb nicht aus, dass man die Oechslegrade – und damit den Zuckergehalt – auch nutzte, um bei geringem Mostgewicht mit Zucker107 nachzuhelfen, durch

104 Goethe / Goethe, Atlas der Rebsorten, Das 19. Jahrhundert: Aufbruch im Weinbau, S. 3. 105 Für eine Weinlieferung von Neustadt nach Bad Dürkheim (keine 20 km) musste bis zu dreimal Zoll entrichtet werden: Speyerischer Eingangszoll, Kurpfalzzoll und Leininger Zoll: Bassermann-Jordan, Bd. I, S. 564; ein Weintransport von Köln nach Königsberg hatte 80 Zollkontrollen hinter sich zu bringen, so Härtel, a.a.O., S. 7. 106 Goethe / Goethe, a.a.O., S. 3. 107 Im Gegensatz zur Zufügung von Zuckerwasser, was auf den Trierer Ludwig Gall im Jahr 1851 zurückgeht („Praktische Anleitung sehr gute Mittelweine selbst aus unreifen Trau-

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dessen Vergärung der geringe natürliche Alkoholgehalt erhöht werden konnte, zumal Zucker erstmals kostengünstig aus Zuckerrüben gewonnen werden konnte. Dieses „chaptalisieren“, benannt nach Jean-Antoine Chaptal wird auch heute noch in Deutschland angewandt, um die Mostqualität eines guten Jahrgangs zu erreichen, wenn es die Natur in diesem Jahr versäumt hat108. Die Neuzeichnung der politischen Landkarte Deutschlands auf dem Wiener Kongress 1815 betraf in hohem Maße auch die Weinbaugebiete. Die Mosel gehörte nun zur preußischen Rheinprovinz, Rheinhessen kam an das Großherzogtum Hessen-Darmstadt, der Rheingau an das Herzogtum Nassau, die Pfalz kam zu Bayern, Sachsen und Württemberg waren seit 1805/1806 Königreiche, Baden wurde Großherzogtum. Sämtliche Weinbaugebiete waren mithin von Zollschranken umgeben, bis sich 1834 die meisten deutschen Staaten zum Deutschen Zollverein109 zusammenschlossen. Durch den Wegfall der Zollschranken sowie das Aufkommen der Eisenbahn um 1850 konnten neue Weinabsatzmärkte erschlossen werden. Auch Zusammenschlüsse trugen zur weiteren Stärkung des Weinbaus bei; so wurde 1868 in Mayschoß an der Ahr die erste Winzergenossenschaft110 gegründet, Bildungseinrichtungen wurden geschaffen111, und nahezu zeitgleich nahmen staatliche Weinbaudomänen112 ihre Arbeit auf, die als Musterbetriebe hohen Qualitätsstandards verpflichtet waren und bei der Anwendung neuer wissenschaftlicher Erkenntnisse die Pionierrolle übernahmen113. Im Weinberg gab es Fortschritte in der Düngung und in den Erziehungsformen der Rebstöcke, die den Arbeitsabläufen besser angepasst wurden und Durchlüftung und Lichtzutritt förderten. Das entscheidende Moment war aber der umfassende Übergang vom gemischten zum reinen Rebsatz. Der Rebsatz war bisher außerordentlich gemischt, man hat in einzelnen Weingärten schon über 40 verschiedene Traubensorten gefunden, aus denen freilich nur „Kutscher“ gewonnen werden kann114.

108 109 110 111 112 113 114

ben zu gewinnen“) und daher „Gallisierung“ genannt wird und noch bis 1984 bei säurereichen Weinen der Mosel praktiziert werden durfte, Art. 1, 3 Verordnung (EWG) Nr. 459/80, Amtsblatt der EG L 57 vom 29.2.1980, S. 33 ff. Arntz, Helmut, Vom „Chaptalisieren“, Schriften zur Weingeschichte, Nr. 57, 1981, S. 25. Dem ein Jahr später Baden und Hessen-Darmstadt beitraten, Goethe / Goethe, a.a.O., S. 3. Im Sinne des preußischen Genossenschaftsgesetzes. 1860 in Weinsberg, 1872 in Geisenheim, 1885 Oppenheim, 1899 Neustadt an der Weinstraße. 1802 in Meersburg, darauf folgten die Bayerische Staatsdomäne in Würzburg und die heute bedeutendste und größte staatliche Weinbaudomäne Kloster Eberbach. Goethe / Goethe, a.a.O., S. 4. Hamm, Wilhelm, Das Weinbuch, 1865, S. 160.

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Erstes Kapitel

Von Beginn der Weinkultur an war der Mensch das wichtigste „Arbeitstier“ im Weinberg. Erst der Übergang von den alten Kammererziehungsmethoden115 zum Drahtrahmen116 um 1900 ermöglichte den Einsatz von Zugtieren bei der Bodenbearbeitung. Dennoch geschahen alle Transporte im Weinberg weiterhin auf dem Rücken der Menschen, vom Dünger bis zu den Pflanzenschutzmitteln oder den Trauben bei der Lese117. Das 19. Jahrhundert brachte u.a. mit dem 1811er Jahrgang Jahrhundertweine hervor. Es folgte 1874 in Deutschland der Reblausbefall118, doch erfuhr der Weinbau erneut eine Blütezeit, nachdem fast der gesamte Bestand neu angelegt worden war. Nicht alle Winzer waren von diesem Aufschwung erfasst, so dass auf dem Weinmarkt Kunstweine, Weinfälschungen und verdorbene Getränke angeboten wurden. Der Gesetzgeber reagierte hierauf im Reichsstrafgesetzbuch 1871 sowie mit bisher insgesamt sechs Weingesetzen 1892, 1901, 1909, 1930, 1971119 und 1994 und weiteren Strafvorschriften120.

VI. Forschungsstand Das Weinstrafrecht war teilweise Inhalt verschiedener wissenschaftlicher Abhandlungen121 oder fand zumindest im Rahmen des allgemeinen Weinrechts Erwähnung. Eine neuere Arbeit befasst sich mit dem Verbraucherschutz in den bisherigen deutschen Weingesetzen122 sowie dem Maßstab der Verbrauchererwartung im „Verbraucherschutzstrafrecht“123.

115 Konstruktion aus Längs- und Querlatten, Ähnlichkeit mit einem Raum – daher „Kammertbau“ genannt – die Querbalken wirkten wie Hürden beim Durchgang durch die Weinbergszeile. 116 Um 1865 kam der Metalldraht auf, so dass die Holzlatten durch Draht, der zeilenweise gespannt wurde, ersetzt werden konnte. Die Querbalken fielen ebenfalls weg, so dass die Rebgasse durch diese nicht mehr versperrt wurde und mit Pferden gepflügt werden konnte. 117 Fuchss / Müller, a.a.O., S. 42. 118 Siehe hierzu unten Viertes Kapitel, III, Reblausbekämpfung. 119 Mit bedeutenden Änderungen der Strafbestimmungen 1982. 120 U.a.Verordnung über Wein 1917, WeinVO 1932, WeinVO 1995, Weinüberwachungsverordnung, Weinrechtliche Straf- und Bußgeldverordnung (WeinSBV). 121 Eggebrecht, 1919; Rieger 1949; Meyer 1967, Henssen 1976, Nauth 1977, Jung 1985, Karfeld 2006, Heimermann 2008, Hütwohl 2010, Bernhardt 2011. 122 Maringer, Alexander, Weinrecht und Verbraucherschutz, 2014. 123 Vergho, Raphael, Der Maßstab der Verbraucherwartung im Verbraucherschutzstrafrecht, 2008.

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Die weinrechtlichen Strafbestimmungen waren im Hinblick auf gesetzliche Tatbestandsausschlüsse, „normative Irreführungen“ und deren Auswirkungen auf Rechtsgüter- und Verbraucherschutz bisher noch nicht Gegenstand wissenschaftlicher Untersuchungen. Die Intention dieser Arbeit ist es daher, die wissenschaftliche Forschung auf dem Gebiet des Weinstrafrechts zu fördern und zu vervollständigen. Schon seit 1983124 mehren sich die Stimmen, dass das „Weinstrafrecht einer grundlegenden Überarbeitung bedarf“. Überwiegend wird im Wein-Strafrecht „noch Untersuchungsbedarf“ gesehen125. Außer wenigen Experten überblicke kaum jemand die Regelungszusammenhänge im geltenden Weinrecht. Schon deshalb bewege sich die Strafverfolgung auf schwankendem Boden, konstatiert Jung126 in einer Abhandlung aus dem Jahr 1985. Heimermann127 wirft 2008 erneut die Frage auf, ob Verstöße gegen das Bezeichnungsrecht strafrechtliches Unrecht oder Verwaltungsunrecht darstellen. Der Schutzbereich der Bezeichnungsvorschriften beziehe sich oft auf die Durchsetzung von Verwaltungsinteressen. In Fällen, in denen das Vermögen durch falsche Bezeichnungen geschädigt wird, könne § 263 StGB Anwendung finden. Weitergehender war 12 Jahre zuvor Kühne128, der (bloße) Verstöße gegen das Bezeichnungsrecht aus dem Strafrecht herausnehmen möchte; das Kernstrafrecht sei ultima ratio und schließe daher die strafrechtliche Durchsetzung beliebiger Ordnungsinteressen aus: „Geht es um die theoretische Unterscheidung beider Deliktsformen, so drückt die Straftat einen sittlichen Unwert aus, wohingegen mit der Ordnungswidrigkeit lediglich der dargebrachte Verwaltungsgehorsam missbilligt wird129. […] Die Grenzziehung zwischen beiden Kategorien obliegt dem Gesetzgeber und seiner – zumal im Weinstafrecht – recht willkürlichen Einschätzung“130.

124 Fischer, Gernot / Schomburg, Wolfgang, Das neue Weinstrafrecht, NStZ 1983, S. 13. 125 So Bernhardt, Ulrike, Geschichte des Weinrechts im Deutschen Kaiserreich (1871–1918), 2011, S. 234. 126 So Jung, Bernd, Weinfälschungen, 1985, S. 3. 127 Heimermann, Markus, Der Verstoß gegen das Bezeichnungsrecht im Weinstrafrecht, 2008, S. 39. 128 Kühne, Verstoß gegen das Bezeichnungsrecht – Kriminelles Unrecht oder Ordnungsunrecht, ZLR 1996, 369, 370. 129 Kretschmer, in Handbuch Weinrecht, S. 406 mit Hinweis auf Bohnert, OWiG Kommentar, 3. Auflage 2010, § 1 Rn. 3 ff; Bohnert, in Bohnert / Graf, KK OWiG, 3. Aufl. 2006, Einl. Rn. 82 ff.). 130 So Kretschmer in Handbuch Weinrecht, S. 406 mit Hinweis auf Kühne, a.a.O., S, 369 ff.

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Erstes Kapitel

Seit 1971 bewegt sich der Rechtsanwender zudem nicht nur im nationalen Weinrecht, denn Gesetzesbestimmungen, die auf europäischer Ebene erlassen werden, überlagern immer mehr das deutsche Weinrecht und damit auch das deutsche Weinstrafrecht und gehen diesen bei entgegenstehenden nationalen Vorschriften vor.

VII. Themenzuschnitt Spezielle weinrechtliche Strafbestimmungen schützen teilweise auch Rechtsgüter, für die auch die Anwendung allgemeiner strafrechtlicher Vorschriften, etwa derjenigen über Körperverletzung, Betrug oder Urkundenfälschung in Betracht kommen. Der Schwerpunkt der nachfolgenden Ausführungen wird bei der Betrachtung der speziellen Normen liegen. Um nicht in dogmatische Grundfragen von Normen des allgemeinen Strafrechts abzugleiten, werden diese nur insoweit in die Betrachtung einbezogen, wie dies erforderlich ist, um nicht wesentliche Aspekte der Gesamtproblematik auszuklammern.

Zweites Kapitel: Weinrechtliche Strafbestimmungen vor 1870 I. Reichsweinordnungen Das Problem der Weinfälschung wurde schon im 15. Jahrhundert von König Albrecht II. gesehen, der 1438 durch Erlass anordnete, „kein unziemlich Gemäch mehr in den Wein zu thun“1. Der Begriff „unziemlich Gemäch“ war als „auslegungsbedürftige Generalklausel“ nicht geeignet, die erlaubte Weinbereitung von der unerlaubten abzugrenzen und lief folglich ins Leere2. 1475 folgte durch kaiserliche Verordnung ein Verbot, „den Wein anders zu machen, als er gewachsen ist“3 und richtete sich primär gegen die Zumischung von schädlichen Stoffen bei der Weinbereitung und diente damit dem Schutz der Gesundheit der Konsumenten und damit dem Verbraucherschutz im Weinrecht. Am 4. Oktober 1487 wurde die umfassende „Ordnung und Satzung über Wein“ auf dem Reichstag zu Rothenburg durch Kaiser Friedrich III. erlassen. Diese stellte den ersten Gesetzgebungsakt des Reiches hinsichtlich der Warenfälschung überhaupt dar. Schutzgut der Weinordnung 1487 war die Reinheit des Weines4. Ein „Reinheitsgebot“ für Wein wurde mithin schon 1475 und 1487 reichsweit erlassen, einige Jahre vor dem zunächst nur für bayerisches Bier geltenden Reinheitsgebot aus dem Jahr 1516.

II. Landesrechtliche Verordnungen In neuerer Zeit ergingen eine Reihe landesrechtlicher Verordnungen gegen Weinfälschungen5. Das Preußische Edikt „wider das Wein- und Bierfälschen“ von 1722 verbot falsche Bezeichnungen und war damit die erste gesetzliche Weinbezeichnungsregelung6. 1752 erließ Markgraf Karl Friedrich von Baden eine Verordnung für Rhodt (heute Pfalz), wonach die Verfälschung des Weines mit Mineralien mit dem Tod 1 2 3 4 5 6

Dornfeld, Geschichte des Weinbaus in Schwaben 1868, S. 163; Bassermann-Jordan, Geschichte des Weinbaus, Bd. I 1923, Nachdruck 1975, S. 626. Maringer, a.a.O., S. 138. Bassermann-Jordan, Geschichte des Weinbaus, a.a.O., Band I, S. 626. Ausführlich zu den Weinordnungen 1475, 1487: Bassermann-Jordan, Bd. I, S. 626–630. Bassermann-Jordan, a.a.O., Bd. I S. 629. Koch, WeinG 1969, Zeittafel, S. 98.

https://doi.org/10.1515/9783110682816-004

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Zweites Kapitel

durch den Strang bestraft wurde. Gleichzeitig untersagte er die Verfälschung mit Zucker und Rosinen, was mit Zuchthaus von drei Jahren bestraft werde. Das Schönen des Weines mit Hausenblase7 wurde verboten, ein Verschnitt von Weinen zweier Jahrgänge war erlaubt, die Cuvée durfte allerdings nicht unter dem Jahrgang des besseren Weines verkauft werden8. Auch in das Allgemeine Landrecht für die Preußischen Staaten von 17949 wurde eine Regelung über die Verfälschung von Getränken aufgenommen. In § 722 II 20 wurde der Verkauf und die Weitergabe gesundheitlich nachteiliger Getränke unter Strafe gestellt. § 723 ALR II 20 enthielt eine Spezialvorschrift zur Verfälschung mit gesundheitsschädlichen Mitteln und führte Blei gesondert auf. In solchen Fällen wurde eine Zuchthausstrafe von ein bis drei Jahren angedroht, so dass den gesundheitsgefährdenden Verfälschungen deutlich entgegen getreten wurde10. Die Täter wurden nach § 724 ALR II 20 lebenslang von ihrem Gewerbe ausgeschlossen, die Getränke wurden, wenn sie nicht „wieder hergestellt“ werden konnten, vernichtet, § 725 ALR II 20. Ansonsten sollten sie eingezogen, auf Kosten des Täters in tauglichen Zustand versetzt und „zum Besten der Armen“ verwendet werden11.

III. Partikular-Strafgesetzbücher Das Strafgesetzbuch für die Preußischen Staaten von 1851 enthielt zwei Strafbestimmungen über gesundheitsschädigende Vergiftungen und Beimischungen sowie über verfälschte oder verdorbene Lebensmittel in § 30412 und § 345 Ziffer 513. Eine tatbestandliche Handlung lag aber nur vor, wenn der Wein für andere oder zum öffentlichen oder Verkauf bestimmt war, was im Bestreitensfall zu Beweisproblemen führen konnte. Auch das Strafgesetzbuch des Königreiches Bayern – in Kraft seit 1. Juli 1862 – enthielt Strafbestimmungen über verfälschte Lebensmittel14.

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Fischblase zur Klärung des Weines (Schönung) – wird auch heute noch teilweise angewandt. Bassermann-Jordan, Weinbau, Bd I, S. 632. Das insgesamt 19.194 Paragraphen umfassende Gesetzeswerk, davon 1577 Paragraphen im II. Teil, 20. Titel, die das Strafrecht regelten, traten am 1. Juni 1794 in Kraft. Ausführlich Maringer, Weinrecht und Verbraucherschutz, S. 132/133. Ders., S. 133. Später ins RStGB in § 324 übernommen. Feilhalten von verfälschten oder verdorbenen Getränken, später § 367 Nr. 7 RStGB. Artikel 316 Nr. 8 und Artikel 325.

Drittes Kapitel: Strafgesetzbuch für das Deutsche Reich1 Vorläufer des Reichsstrafgesetzbuches waren im 19. Jahrhundert die Strafgesetzbücher der Länder, insbesondere das Preußische Strafgesetzbuch von 18512. Hieraus entwickelte sich 1870 das Strafgesetzbuch für den Norddeutschen Bund3, welches ein Jahr später in das Strafgesetzbuch für das Deutsche Reich (RStGB) einmündete. Das RStGB wurde am 15. Mai 1871 verkündet4 und trat am 1. Januar 1872 in Kraft. Mit der Reichsgründung entstand aufgrund Artikel 4 der neuen Reichsverfassung5 eine Gesetzgebungskompetenz des Reiches, für das Strafrecht ergab sich diese aus Artikel 4 Nr. 13 der Reichsverfassung. Mit dem RStGB wurde ein Strafgesetz geschaffen, das in allen Gebieten des Deutschen Reiches galt, denn bis zu diesem Zeitpunkt galten die Strafgesetzbücher der einzelnen deutschen Staaten6. Bei Erlass des Reichsstrafgesetzbuches7 existierten noch keine speziellen Vorschriften über Lebensmittel im Allgemeinen und Wein im Besonderen, auch die Reform des RStGB 1876 ließ diese Gelegenheit verstreichen8. Das erste Lebensmittelgesetz mit Strafvorschriften wurde 1879 erlassen, das erste Weingesetz 1892, gefolgt von den Weingesetzen 1901, 1909, 1930, 1971 und dem heutigen Weingesetz aus dem Jahr 1994. Mögliche Verstöße bei der Herstellung und dem Vertrieb von Wein richteten sich folglich von 1872 bis 1879 nach den Bestimmungen des Strafgesetzbuches. Strafrechtliche Vorschriften, die bei Weinrechtsverstößen in Betracht kommen, können Herstellungsverstöße und Vertriebsverstöße betreffen.

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Gesetz, betreffend die Redaktion des Strafgesetzbuches für den Norddeutschen Bund als Strafgesetzbuch für das Deutsche Reich, vom 15. Mai 1871 (RGBl. 1871, S. 127). Ein Vergleich mit § 269 PreußStGB zeigt, dass § 287 RStGB zum Teil inhaltlich mit § 269 PreußStGB übereinstimmt. BGBl. des Norddeutschen Bundes 1870, 197. RGBl. 1871, 127. Gesetz betreffend die Verfassung des Deutschen Reiches vom 16. April 1871, BGBl. des Deutschen Bundes 1871, 63 ff. Zur Vertiefung: Vormbaum, Thomas, Einführung in die moderne Strafrechtsgeschichte, 3. Auflage, 2015, Seite 67 ff. In Kraft seit 1. Januar 1872. Zur Reform des RStGB 1876, siehe Bargon, Vanessa, Die Strafrechtsnovelle von 1876, 2014.

https://doi.org/10.1515/9783110682816-005

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Drittes Kapitel

I. Herstellungsverstöße 1. Körperverletzung Ankündigungsgemäß sind die allgemeinen Tatbestände der vorsätzlichen Körperverletzung im Rahmen dieser Abhandlung nicht Gegenstand ausführlicher Erörterung9. Auch die fahrlässige Körperverletzung nach § 230 RStGB (heute § 229 StGB) ist kein spezifisch weinrechtliches Delikt, erfasste jedoch Weindelikte, die überwiegend im Herstellungsbereich angesiedelt sind. Es sind aber auch Fälle denkbar, die den Vertrieb von anfangs unschädlichem Wein erfassen können, beispielsweise wenn der Weinhändler hätte erkennen können, dass der Wein mittlerweile „umgeschlagen“ und ungenießbar geworden ist. Das Merkmal der Gesundheitsbeschädigung ist beim Verzehr verdorbenen Weines nicht von der Hand zu weisen. Gem. § 232 RStGB waren leichte vorsätzliche Körperverletzungen sowie fahrlässige Körperverletzungen Antragsdelikte – was in der Praxis dazu führte, dass viele Strafanträge nicht gestellt wurden, da die Weinfälscher den Geschädigten außergerichtlich häufig eine Entschädigungssumme zahlten10. Dies sicherlich auch im Hinblick auf die Erhaltung von Geschäftsbeziehungen und der Reputation des Weingutes bzw. des Weinhändlers.

2. Vergiftung und Beimischung von Stoffen – § 324 RStGB11 § 324 stand im 27. Abschnitt über „Gemeingefährliche Verbrechen und Vergehen“ und enthielt zwei Straftatbestände. In beiden Fällen genügte eine abstrakte Gefährdung, ohne dass eine konkrete Gefährdung von Einzelpersonen vorliegen muss12. Im ersten Fall sind Tatobjekt Brunnen oder Wasserbehälter, worauf hier nicht näher einzugehen ist. Vom der zweiten Variante werden „Gegenstände, welche zum öffentlichen Verkauf oder Gebrauch bestimmt sind“, erfasst. Hierzu 9 10 11

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Zur vorsätzlichen Herstellung gesundheitsschädigenden Weines, §§ 12 Abs. 1, 13 NMG, unten Viertes Kapitel, II, 6., e) und f). Hausburg, Die Verfälschung der Nahrungsmittel und das RStGB, 1877, S. 46. § 324: „Wer vorsätzlich {…] Gegenstände, welche zum öffentlichen Verkaufe oder Verbrauche bestimmt sind, vergiftet oder denselben Stoffe beimischt, von denen ihm bekannt ist, daß sie die menschliche Gesundheit zu zerstören geeignet sind, ingleichen wer solche vergiftete oder mit gefährlichen Stoffen vermischte Sachen wissentlich und mit Verschweigung dieser Eigenschaft verkauft, feilhält oder sonst in Verkehr bringt, wird mit Zuchthaus bis zu zehn Jahren und, wenn durch die Handlung der Tod eines Menschen verursacht worden ist, mit Zuchthaus nicht unter zehn Jahren oder mit lebenslänglichem Zuchthaus bestraft“. Schwartz, Strafgesetzbuch, 1914, § 324, S. 722.

Reichsstrafgesetzbuch

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gehören Gegenstände, sobald sie dem Erwerb einer nicht bestimmten Käuferzahl zugänglich gemacht werden, gleichgültig, ob die Sache in dieser Form zur Zeit der Vergiftung in den Verkehr gebracht werden soll13. Es muss eine Vergiftung durch menschliche Tätigkeit hervorgerufen sein, also beispielsweise nicht durch inneren Verderb. Hinzukommen muss ein Verkaufen, Feilhalten oder Inverkehrbringen, letzteres kann auch unentgeltlich erfolgen. Die Handlung muss nicht nur wissentlich geschehen, sondern auch unter Verschweigen der gefährlichen Eigenschaft, so dass die Mitteilung hierüber an den Zwischenhändler straffrei macht. Ein erschwerter Fall liegt vor, wenn durch die Handlung der Tod eines Menschen verursacht wurde, ein Verschulden des Täters ist insoweit nicht erforderlich14. Neben der Zuchthausstrafe kann gem. § 325 auf Polizeiaufsicht erkannt werden. Die §§ 324–326 gehören zu denjenigen Paragraphen des RStGB, „welche am seltensten zur Anwendung gebracht werden, in Bezug auf sie existiert eine Spruchpraxis faktisch nicht“15. Hermann Bresgen, Landgerichts-Assessor in Trier, konstatiert 1876 in seiner kriminalpolitischen Studie16: Nicht allein ich, sondern weit ältere Kollegen von mir entsinnen sich nicht, jemals die §§ 324–326 des deutschen StGB oder die entsprechenden Paragraphen des preußischen StGB am Strafgerichte zur Anwendung in fraglicher Materie gebracht zu haben. Solche Anklagen kennt man bis heute noch vor den rheinischen Gerichten dem Namen nach nicht einmal. Es ist aber auch keineswegs anders im übrigen Theile des preußischen Staates.

3. Schließung der Weinberge (§ 368 Nr. 1 RStGB)17 § 368 Nr. 1 RStGB war als Übertretung ausgestaltet und schützte die Rechtsgüter Eigentum und Vermögen der Weinbergsbewirtschafter. Die „Schließung der Weinberge“ wurde in den einzelnen Ländern oder Regierungsbezirken durch

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Schwartz, a.a.O., § 324, S. 722. Ders., S. 723. Löbner, Arthur, Die Gesetzgebung des alten und des neuen Deutschen Reichs wider Verfälschung der Nahrungsmittel, 1878, S. 45. Bresgen, Hermann, Der Handel mit verfälschten und verdorbenen Getränken, Eßwaren, Medicamenten als gemeingefährliches Attentat auf die Gesundheit, die usuellen Handelsactionen mit verfälschten oder verdorbenen Waaren aller Art als Raub des öffentlichen Vertrauens aus strafbarem Eigennutz“. 2. Aufl. Berlin 1876, S. 113. § 368 Nr. 1: „Mit Geldstrafe bis zu zwanzig Thalern oder mit Haft bis zu vierzehn Tagen wird bestraft: 1. wer den polizeilichen Anordnungen über die Schließung der Weinberge zuwiderhandelt […]“.

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Drittes Kapitel

Herbstordnungen18 reglementiert, die eine frühe Traubenlese verboten und den Weinbergschluss regelten19. Beides waren Überreste aus der Feudalzeit und ursprünglich nur zur Sicherung und Vermehrung der Zehnteinkünfte bestimmt, hatten aber auch den Zweck, Traubendiebstähle20 zu verhüten und die Qualität durch Festsetzung des Lesebeginns zu sichern. Als Schutzgut wurde die Qualitätssteigerung der deutschen Weine und damit auch Schutz der Verbraucher vor Täuschungen und Irreführungen angeführt. Als wirtschaftliche Zielsetzung sollten die Herbstordnungen auch dem Schutz der redlichen Erzeuger dienen, die vorab geernteten Trauben durften nicht in den Verkehr gebracht werden21. Teilweise wurden Zäune um die Weinberge errichtet oder Schranken auf Feldwegen angebracht. Zum Betreten der Weinberge war zumeist ein Erlaubnisschein erforderlich22. Über den rechten Zeitpunkt der Lese machte man sich auch literarisch Gedanken23.

Strafbar konnten sich sowohl die Winzer machen, die entgegen der Herbstordnung die Trauben schon vor Öffnung der Weinberge lesen wollten, Spaziergänger, die Weinberge betraten oder Traubendiebe, die sich zudem wegen Diebstahls strafbar machten. Die Herbstordnungen wurden im Land Rheinland-Pfalz 1993 endgültig abgeschafft und damit die Entscheidung, wann die Trauben lesereif sind, dem Winzer eigenverantwortlich überlassen.

II. Vertriebsverstöße 1. § 367 Nr. 7 RStGB24 Geschütztes Rechtsgut war, soweit Feilhalten und Verkauf von verdorbenen Getränken und Esswaren unter Strafe gestellt war, der Schutz der menschlichen 18 19 20 21 22 23

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Rheinland-Pfalz – Landesverordnung zur Schließung der Weinberge und die Lese der Trauben (Herbstordnung) vom 27.8.1965 (GVBl. RLP, S. 207). 100 Jahre später wurde dann im WeinG 1971 (§ 4) festgelegt, dass Trauben erst dann gelesen werden dürfen, wenn sie die „erreichbare Reife“ erlangt haben. Die Entwendung von Trauben von unbedeutendem Wert oder in geringer Menge zum alsbaldigen Verzehr konnte als „Mundraub“ straffrei bleiben, § 370 Nr. 5 RStGB. So die amtliche Begründung zum 1965 eingefügten § 2a WeinG 1930, abgedruckt bei Hieronimi, WeinG, Erg. Bd., 1967, § 2a Abs. 2, S. 29. Koch, Spätlese, S. 16. Karl Simrock, Der weinende Trinker, zitiert in Goethe / Goethe, a.a.O., S. 4: „Wie würdʼ erst dieser Wein so gut, / wenn er noch hingʼ in solcher Glut! / Daß wir zu früh gelesen han, darüber weinʼ ich alter Mann!“. § 367 Nr. 7: „Mit Geldstrafe bis zu fünfzig Thalern oder mit Haft wird bestraft: 7. wer verfälschte oder verdorbene Getränke oder Eßwaren, insbesondere trichinenhaltiges Fleisch feilhält oder verkauft“.

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Gesundheit, hinsichtlich der Verfälschung standen Verbraucherschutzgesichtspunkte im Vordergrund. § 367 Nr. 7 RStGB war zwar im Verhältnis zu § 324 RStGB die speziellere Norm, da sie speziell den Verkauf verfälschter Getränke und Esswaren, und damit auch von Wein, unter Strafe stellte. Andererseits war Nr. 7 lediglich als Übertretung25 ausgestaltet, die mit Geldstrafe bis zu fünfzig Thalern oder Haft bedroht war. Auch kommt in den Fällen der §§ 324 ff. RStGB das für Verbrechen und Vergehen vorgeschriebene öffentliche Verfahren zur Anwendung. Diese Öffentlichkeit ist es vor allen Dingen, welche „den Verfälschern einen heilsamen Schreck einflößt“26. Anders in den Fällen des § 367 Nr. 7 RStGB: Sobald der Angeschuldigte die an ihn ergangene Strafverfügung rechtskräftig werden lässt, ist jede Öffentlichkeit ausgeschlossen, erst nach erhobenem Einspruch kommt es zur öffentlichen Verhandlung. In der Hand des Täters liegt es demnach, ob das „Publicum Kenntniß von dem Vorkommnisse erhalten soll oder nicht“27. Aufgrund der Strafe für die Übertretung, welche oft in keinem Verhältnis zu den Vorteilen stand, welche die Verfälschungen einbringen, war es nicht verwunderlich, „wenn Niemand dieses Strafgesetz fürchtet!“. „Die Konsumenten haben keine Kunde von dem Vorgange, sie sind und bleiben unachtsam, vertrauensselig“28.

§ 367 Nr. 7 RStGB erfasst29 nur das Feilhalten und den Verkauf „verfälschter“ oder „verdorbener“ Getränke, daher lediglich Vertriebsverstöße. Manipulationen im Herstellungsstadium wurden erst einige Jahre später durch Erlass des Nahrungsmittelgesetzes 1879 erfasst30. Feilhalten ist das erkennbare Bereitstellen zum Zwecke des Verkaufs. Dies ist offensichtlich, wenn das Produkt im Verkaufsraum ausgestellt oder wenn es im Ladenregal gelagert ist. Auch das Lagern von Wein an weniger zugänglichen Orten, z.B. im Keller, kann Feilhalten sein, wenn die Verkaufsabsicht äußerlich hervortritt und für den Kunden erkennbar ist. Feilhalten stellt lediglich eine spezielle Art des Vorrätighaltens zum Verkauf dar und erfordert, den Wein in äußerlich erkennbarer Weise dem Publikum zum Ankauf zugänglich zu machen. Um verdorben zu sein, musste das Lebensmittel zum Tatzeitpunkt des Feilhaltens oder Anbietens nicht (mehr) geeignet sein zum menschlichen Verzehr, mithin ungenießbar gewesen sein, was bei einer späteren Aburteilung sicherlich Beweisprobleme nach sich gezogen hat. 25 26 27 28 29 30

„Eine mit Haft oder mit Geldstrafe bis zu funfzig Thalern bedrohte Handlung ist eine Uebertretung“, § 1 RStGB. Löbner, Gesetzgebung, a.a.O., S. 46/47. Ders., S. 47. Ebd. Wie schon das Preußische Strafgesetzbuch in § 345 Ziff. 5. Ausführungen zu § 10 Nr. 1 NMG, siehe unten Viertes Kapitel, II., 6., c).

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Drittes Kapitel

Eine andere Frage ist, ob verdorbener Wein überhaupt noch als Getränk anzusehen ist, denn ein Getränk muss nicht nur dazu bestimmt, sondern auch geeignet sein, getrunken zu werden. Der BGH hat, wenn auch viele Jahre später, entschieden, dass, solange eine Flüssigkeit zumindest noch in genießbaren Zustand zurückversetzt werden kann, dies ein Getränk darstellt. Wein verliert seine Eigenschaft als Getränk i.S. des Weingesetzes demnach erst dann, wenn er endgültig für den menschlichen Genuss ungeeignet ist31. Es muss hier auf den Endzustand des wiederhergestellten Produktes ankommen, so dass eine erlaubte Behandlung, die geeignet ist, die Verdorbenheit zu beseitigen, ohne dass darin, wie bei verbotener Rückverbesserung gesetzwidrigen Weines eine „Verfälschung“ zu sehen wäre. Wein mit einem sogenannten „Mäuselton“ oder einem „Säurestich“ ist zwar ungenießbar, jedoch kann durch entsprechende, erlaubte Kellerbehandlungen die Genießbarkeit wieder hergestellt werden. Verdorben kann auch ein Wein sein, der zwar an keinem Fehler leidet, aber Ekel hervorrufen kann32. Ungenießbarkeit ist zum Verdorbensein nicht erforderlich33, so beispielsweise, wie es in den Schankwirtschaften oft der Fall gewesen sein soll, dass Weinreste aus Gläsern und Flaschen am nächsten Tag wieder ausgeschenkt werden34. Nach Zinn soll es allerdings hinsichtlich des Ekels nicht auf den individuellen Geschmack Einzelner ankommen, sondern auf die „gemeine Anschauung“35. Das RStGB legte keine allgemeine Definition des (auch in anderen Tatbeständen enthaltenen) Tatbestandsmerkmals Verfälschen fest, dem auch die Weinfälschung hätte zugeordnet werden können. Lag eine Verfälschung i.S.d. Strafgesetzbuches schon dann vor, wenn der Wein durch Chaptalisieren36 oder Gallisieren37 „verbessert“ wurde? „Das Reichsgericht sah sich nicht in der Lage, den Übelstand zu beseitigen“38.

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So BGH, Urteil vom 17.12.1965 – 1 StR 300/65 in NJW 1966, 676 im Anschluss an RGSt 49, 375, 376. Stenglein, Bd. I, 4. Auflage 1911, NMG 1879, S. 631 Nr. 9. Zinn, NMG 1879, S. 227. Stenglein, Bd. I, 4. Auflage 1911, NMG, S. 631 Nr. 9. Zinn, a.a.O., S. 227. Zugabe von Trockenzucker. Zugabe von Zucker in Wasser gelöst. So Jung, S. 21 mit Hinweis auf RGSt 8, 65 ff.

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Andererseits wurden diejenigen Stoffe, die einem Wein nicht zugesetzt werden durften, erst im WeinG 189239 aufgeführt. Verfälschungen im Sinne des § 10 NMG 1879 konnten auf zweierlei Weise vorgenommen werden: Einmal durch Verschlechterung mittels „Entnehmens oder Zusetzens von Stoffen“ oder durch „Versehen der Ware mit dem ihrem Wesen nicht entsprechenden Schein einer besseren Beschaffenheit“40. Zu ersterem zählte insbesondere die Verwendung eines der in § 4 Nr. 1–5 aufgezählten Stoffe. Die Verwendung künstlicher Süßstoffe bei der Herstellung von Nahrungsmitteln wurde erst 189841 als Verfälschung angesehen42. Die unter Verwendung von künstlichen Süßstoffen hergestellten Nahrungs- und Genussmittel durften nur unter einer diese Verwendung erkennbar machenden Bezeichnung verkauft oder feilgehalten werden, § 2 Abs. 2. Auch das WeinG 1901 (§ 3) sowie das WeinG 1909 legten erst Jahre später fest, was unter einer Nachahmung von Wein zu verstehen sei. Die Verwendung künstlicher Süßstoffe bei der Herstellung von Bier und Wein wurde durch das Süßstoffgesetz 189843 unter Strafe gestellt. Bei der Weinherstellung wurde die Zugabe von Süßstoffen erst 30 Jahre nach Inkrafttreten des RStGB durch das WeinG 190144 spezialgesetzlich verboten. In einer späteren, zum NahrungsmittelG von 1879 ergangenen Entscheidung sah das Reichsgericht die Gallisierung („Nasszuckerung“)45 als „Verfälschung“ des Weines an46. Löbner konstatierte 1878, dass im Weinhandel, wie in sonst keinem Handelszweig, die Surrogate eine große Rolle spielten. „Des Weines Verfälschungen, des Weines Nachahmungen, sie haben von jeher einen wahren Industriezweig ausgemacht! Eine Anzahl Bücher sind erschienen, darin man gelehrt hat, ʻWeinʼ zu fabrizieren ohne einen Tropfen Traubensaft, Wein zu ʻverbessernʼ auf jedem anderen, als dem natürlichen Wege“47. 39

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Nach § 1 WeinG 1892 sind dies: Aluminiumsalze, Baryumverbindungen, Borsäure, Glycerin, Kermesbeeren, Magnesiumverbindungen, Salycinsäure, unreiner Sprit, unreiner Stärkezucker, Strontiumverbindungen und Theerfarbstoffe. Zinn, NMG 1879, 1885, S. 218. Gesetz, betreffend den Verkehr mit künstlichen Süßstoffen (RGBl. 1898, 919). § 2: „…ist als Verfälschung im Sinne des § 10 NMG 1879 anzusehen“. Süßstoffgesetz 1898 (§ 3). § 3 Abs. 1 Nr. 4 WeinG1901. Benannt nach Ludwig Gall, der dieses Verfahren 1828–51 entwickelte und durch den Zusatz von Zuckerwasser den Alkoholgehalt erhöhen und den Säuregehalt des Weines reduzieren wollte. RG, Urteil vom 17.1.1881, RGSt 3, 270–273. So Löbner, Gesetzgebung, a.a.O., S. 80.

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Drittes Kapitel

Es war der Pfälzer Friedrich Jakob Dochnahl, der 1895 eine Anleitung zur Kunstweinherstellung48 herausgab. Zuständig für Übertretungen nach § 367 Nr. 7 waren die Amtsgerichte. Das amtsrichterliche Strafbefehlsverfahren war nach § 407 StPO zulässig bei Übertretungen und Vergehen, mit der Einschränkung, dass im Strafbefehl keine andere Strafe als Geldstrafe oder Freiheitsstrafe von höchstens drei Monaten festgelegt werden darf. Wo die Landesgesetze dies zuließen, so in Preußen49, waren die Polizeibehörden befugt, wegen Übertretungen Geldstrafen bis zu 150 Reichsmark und die an ihre Stelle tretende Haft von einem Tag bis zu sechs Wochen (§ 29 RStGB) sowie eine etwa verwirkte Einziehung durch Verfügung festzusetzen. Wurde Antrag auf richterliche Entscheidung gestellt (§ 414 StPO) so entschied der Amtsrichter allein50.

2. § 263 RStGB51: Betrug Als allgemeiner Straftatbestand weist der Betrugstatbestand keine weinstrafrechtlichen Besonderheiten auf; im Einzelfall konnten aber Spezialprobleme auftreten, die ankündigungsgemäß nur knapp zu behandeln sind.

Während die speziellen weinstrafrechtlichen Bestimmungen [auch] die wirtschaftliche Dispositionsfreiheit vor unlauterer Beeinflussung schützen, gleichgültig, ob diese Beeinflussung wirtschaftlich gesehen zu einer Verbesserung oder Verschlechterung des Vermögens führt52, ist geschütztes Rechtsgut des Betrugstatbestandes das Vermögen. Die von diesem Tatbestand verlangte Vorspiegelung falscher Tatsachen konnte u.a. in Handlungen wie der täuschenden Herrichtung einer verkäuflichen oder zu lieferenden Ware bestehen, beispielsweise in der Lieferung einer

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Dochnahl, Die künstliche Weinbereitung und die naturgemäße Verbesserung und Vermehrung des Obst- und Traubenweines nach den neuesten, einfachsten und zuverlässigsten Methoden, 4. Auflage, 1895. Holthöfer-Juckenack. LMG, 1927 S. 183 mit Hinweis auf das Preußische Gesetz vom 23. April 1883. Ebd. § 263: „Wer in der Absicht, sich oder einem Dritten einen rechtswidrigen Vermögensvortheil zu verschaffen, das Vermögen eines Anderen dadurch beschädigt, daß er durch Vorspiegelung falscher oder durch Entstellung oder Unterdrückung wahrer Thatsachen einen Irrthum erregt oder unterhält, wird wegen Betruges mit Gefängniß bestraft, neben welchem auf Geldstrafe bis zu Eintausend Thalern, sowie auf Verlust der bürgerlichen Ehrenrechte erkannt werden kann. Sind mildernde Umstände vorhanden, so kann ausschließlich auf die Geldstrafe erkannt werden. Der Versuch ist strafbar…“. Henssen, a.a.O., S. 132.

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anderen Ware als der bestellten, z.B. von Kunstwein anstatt Naturwein53. Auch der günstige Preis des gefälschten oder verdorbenen Weines war es, der häufig einer Täuschung entgegen stand. Bei Schleuderpreisen wurde angenommen, dass es sich hier jedenfalls nicht um Naturwein handeln könne, was Irrtum und Schaden des Käufers ausschloss. Das WeinG 1909 stellte sich auf die Seite der Weinhändler, indem es in § 5 Abs. 2 festlegte, dass der Verkäufer nur verpflichtet sei „auf Verlangen“ und vor der „Übergabe“ mitzuteilen, ob der Wein gezuckert ist. Im Umkehrschluss konnte dies nur bedeuten, dass beim Verpflichtungsgeschäft noch keine Offenbarungspflicht bestand, lediglich vor Übergabe und damit sozusagen in letzter Minute vor der Eigentumsübertragung und zwar nur „auf Verlangen“, so dass nur der misstrauische, jedoch nicht arglose Käufer, geschützt wurde. Insgesamt erfolgten daher nur wenige Bestrafungen von Weinfälschungen wegen Betruges. „Zu dessen Tatbestand gehört so vielerlei, das meist nur Anfänger und Pfuscher im Gebiete des Betruges belangt werden“54.

3. §§ 267–26855 – Urkundenfälschung Unter dem Gesichtspunkt der Urkundenfälschung konnte gefragt werden, inwieweit §§ 267, 268 RStGB im Zusammenhang mit Weinetiketten relevant werden könnten56.

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Daude, RStGB, 16. Auflage, 1926, § 263 S. 331. Löbner, Gesetzgebung, S. 46. § 267 RStGB: „Wer in rechtswidriger Absicht eine inländische oder ausländische öffentliche Urkunde oder eine solche Privaturkunde, welche zum Beweise von Rechten oder Rechtsverhältnissen von Erheblichkeit ist, verfälscht oder fälschlich anfertigt und von derselben zum Zwecke einer Täuschung Gebrauch macht, wird wegen Urkundenfälschung mit Gefängniß bestraft“. § 268 RStGB: „Eine Urkundenfälschung, welche in der Absicht begangen wird, sich oder einem Anderen einen Vermögensvortheil zu verschaffen oder einem Anderen Schaden zuzufügen, wird bestraft, wenn 1. die Urkunde eine Privaturkunde ist, mit Zuchthaus bis zu fünf Jahren, neben welchem auf Geldstrafe bis zu Eintausend Thalern erkannt werden kann; 2. die Urkunde eine öffentliche ist, mit Zuchthaus bis zu zehn Jahren, neben welchem auf Geldstrafe von funfzig bis zu zweitausend Thalern erkannt werden kann. Sind mildernde Umstände vorhanden, so tritt Gefängnißstrafe ein, welche bei der Fälschung einer Privaturkunde nicht unter Einer Woche, bei der Fälschung einer öffentlichen Urkunde nicht unter drei Monaten betragen soll. Neben der Gefängnißstrafe kann zugleich auf Geldstrafe bis zu Eintausend Thalern erkannt werden. Kellerbücher waren bei Inkrafttreten des RStGB 1872 noch nicht zu führen, und es waren auch noch keine Begleitpapiere o.ä. mitzuführen, weshalb sie hier nicht relevant sind –

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Drittes Kapitel

Gedruckte Weinetiketten existierten schon bei Erlass des RStGB 187157. Seit der Erfindung des lithografischen Flachdruckverfahrens58 im Jahr 1798 erlangte das gedruckte Etikett wirtschaftliche Bedeutung, insbesondere durch den Einzug des Mehrfarbendruckes 1826.

Das Etikett enthält verkörperte Gedankenerklärungen, die als Beweis eines Rechtsverhältnisses dienen; das Etikett ist daher als Urkunde anzusehen. Zweifelhaft ist, ob sie, wie § 267 RStGB verlangt, fälschlich angefertigt ist. Dies ist nur dann der Fall, wenn das Etikett nicht von jenem Hersteller, also dem Abfüller, stammt, der auf ihm angegeben ist. Unwahre Angaben über den Inhalt der Flasche sind hingegen „schriftliche Lügen“59, die in der Literatur zumeist ohne nähere Begründung als straflos angesehen werden60.

4. § 329 RStGB Abschließend ist noch § 329 RStGB zu erwähnen, der das vorsätzliche oder fahrlässige Nichtliefern von Lebensmitteln zur Befriedigung der Bedürfnisse des Heeres oder der Marine zur Zeit eines Krieges oder zur Beseitigung eines Notstandes bestrafte. Hier wurde der Bruch von Lieferverträgen mit einer Behörde unter Strafe gestellt. Auch Wein und weinähnliche Getränke konnten Inhalt dieser nach bürgerlichem Recht zu beurteilenden Verträge sein. Die Bestimmung entstammte dem Code penal61 (Art. 430–433), welcher aber nur den Schutz für Lieferungen an die Militärverwaltung vorsah. Preußen schloss sich 1851 an (§ 308 PrStGB), obwohl die meisten übrigen Strafgesetzbücher dies nicht aufnahmen. § 308 bezog auch Lieferungen anlässlich eines Notstandes ein und wurde so 1871 ins Reichsrecht übernommen. Für die Nichterfüllung war nicht der Vertragsschluss oder der Liefertermin maßgeblich, sondern der Zeitpunkt, in dem die Weine benötigt wurden62.

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Fälschungenn von Lieferscheinen etc. unterfallen möglicherweise § 267 RStGB, sind aber keine spezifischen Straftaten im Umfeld des Weines oder des Weinhandels. Thielen, a.a.O., S. 5. Durch Alois Senefelder. Samson, Erich, Grundprobleme der Urkundenfälschung, JUS 1970, S. 369 (374). Ausführlich zur Geschichte der Urkundenfälschung Prechtel, Dietmar, Geschichte der Urkundendelikte, 2005. Französisches Strafgesetzbuch, das Anfang des 19. Jh. auch in den linksrheinischen deutschen Gebieten galt, insbesondere in der Pfalz. von Liszt, Franz, Lehrbuch des Strafrechts, 5. Auflage, 1892, § 155, S. 526–527.

Viertes Kapitel: Gesetzgebung der 70er und 80er Jahre I. Gesetz über Markenschutz vom 30. November 18741 Das Gesetz über Markenschutz vom 30. November 1874 trat am 1. Mai 1875 in Kraft (§ 21). 1894 wurde es durch Gesetz zum Schutz der Warenbezeichnungen abgelöst2, § 26 WBG 1894.

1. Inhalt Während § 2873 RStGB bis dahin lediglich den Namen und die Firma mit der Androhung von Geldstrafe oder Gefängnis bis zu sechs Monaten schützte, gewährte das Markenschutzgesetz 1874 ab 1. Mai 1875 darüber hinaus auch Markenschutz. § 13 ermöglichte die Durchsetzung zivilrechtlicher Ansprüche, eine Strafvorschrift enthielt § 144: Dessen Absatz 1 bestrafte denjenigen, der Waren oder deren Verpackung wissentlich mit einem Warenzeichen oder mit

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RGBl. S. 143. RGBl. 1894, S. 441. § 287 RStGB: Wer Waaren oder deren Verpackung fälschlich mit dem Namen oder der Firma eines inländischen Fabrikunternehmers, Produzenten oder Kaufmanns bezeichnet oder wissentlich dergleichen fälschlich bezeichnete Waaren in Verkehr bringt, wird mit Geldstrafe von funfzig bis zu Eintausend Thalern oder mit Gefängniß bis zu sechs Monaten bestraft. Dieselbe Strafe tritt ein, wenn die Handlung gegen Angehörige eines fremden Staats gerichtet ist, in welchem nach veröffentlichten Staatsverträgen oder nach Gesetzen die Gegenseitigkeit verbürgt ist. Die Strafe wird dadurch nicht ausgeschlossen, daß bei der Waarenbezeichnung der Name oder die Firma mit so geringen Abänderungen wiedergegeben wird, daß die letzteren nur durch Anwendung besonderer Aufmerksamkeit wahrgenommen werden können. § 14: Wer Waren oder deren Verpackung wissentlich mit einem nach Maßgabe dieses Gesetzes zu schützenden Warenzeichen oder mit dem Namen oder der Firma eines inländischen Produzenten oder Handeltreibenden widerrechtlich bezeichnet, oder wissentlich dergleichen widerrechtlich bezeichnete Waren in Verkehr bringt oder feilhält, wird mit Geldstrafe von einhundertfünfzig bis dreitausend Mark oder mit Gefängnis bis zu sechs Monaten bestraft und ist dem Verletzten zur Entschädigung verpflichtet. Die Strafverfolgung tritt nur auf Antrag ein“.

https://doi.org/10.1515/9783110682816-006

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Viertes Kapitel

dem Namen oder der Firma eines inländischen Produzenten widerrechtlich bezeichnete (1. Alt.) oder widerrechtlich bezeichnete Waren in Verkehr brachte oder feilhielt (2. Alt.).

2. § 14 Abs. 1, 1. Alt. Täter einer widerrechtlichen Bezeichnung konnte jeder sein, somit auch der weinerzeugende Winzer, dessen Name und Erzeugnisse wiederum durch § 14 geschützt waren. Strafantrag konnte gegen den Inhaber einer Firma oder gegen die Teilhaber gestellt werden5. Geschützt waren die Waren und der Name inländischer Produzenten oder Handeltreibender6. Nicht gefordert wurde von § 14, dass der Berechtigte im Handelsregister eingetragen war, mithin Kaufmann im Sinne des Handelsgesetzbuches war, denn der Schutz des Namens und der Firma war jedem, auch dem Minderkaufmann (Handwerker etc.) gewährleistet7. Dieser musste aber eine inländische Hauptniederlassung haben ohne Deutscher sein zu müssen, auch Handelsgesellschaften waren so geschützt. Die Bezeichnung, d.h. das Anbringen einer Marke oder eines Namens des Berechtigten an der Ware oder der Verpackung musste widerrechtlich erfolgen8. Der Täter musste ferner wissentlich handeln, also im Bewusstsein, dass ihm zum einen kein Recht auf das Warenzeichen, den Namen oder die Firma zusteht , und zum anderen, dass er durch diese Handlung das Recht eines anderen verletzt; eine vorherige zivilrechtliche Verurteilung aufgrund der §§ 11 und 13 genügte zum Nachweis des Vorsatzes9.

3. § 14 Abs. 1, 2. Alt. Das Tatbestandsmerkmal des Inverkehrbringens oder Feilhaltens setzte gewerbsmäßiges Handeln voraus, ohne Rücksicht darauf, ob der Täter an der widerrechtlichen Bezeichnung selbst teilgenommen hatte oder von wem sie ausgegangen war. Durch die Einbeziehung des Feilhaltens sollten ausdrücklich

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Davidsohn, Die Reichsgesetze zum Schutze des gewerblichen geistigen Eigentums, 1891, § 14, S. 69. §§ 1, 4 MarkenschutzG. Bresgen, a.a.O., S. 141; Davidsohn, a.a.O., § 14, S. 69 Nr. 2, S. 64 Nr. 1 (zu § 13). Davidsohn, a.a.O., § 14, S. 69 Nr. 3, S. 65 Nr. 4 (zu § 13). Ders, § 14, S. 69 Nr. 1.

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nicht nur das erste Inverkehrbringen, sondern auch der Zwischenhandel einbezogen werden10. Die Rechtsfolge in § 14 Absatz 1 weist eine Besonderheit auf: Es wird eine Geldstrafe von 150 bis 3000 Mark oder Gefängnis bis zu sechs Monaten angedroht, und zudem war der Täter zur zivilrechtlichen „Entschädigung des Verletzten verpflichtet“. Der Strafausspruch war somit auch maßgeblich für den zivilrechtlichen Entschädigungsanspruch, der Anspruch dem Grunde nach ohne einen weiteren Nachweis festgestellt. Man könnte diese Rechtsfolge als „Vorbote“ des heutigen Adhäsionsverfahrens11 bezeichnen, auch wenn die Höhe der Entschädigung nicht im Strafurteil ausgesprochen wurde. Die Verpflichtung zur Entschädigung setzt neben der Widerrechtlichkeit und dem Vorsatz12 keine vermögensschädigende Absicht voraus13. Die Strafverfolgung erfolgte gem. § 14 Abs. 2 nur auf Antrag. Antragsberechtigt war nur der Verletzte, d.h. der Inhaber des widerrechtlich benutzten Zeichens. Bei Handelsgesellschaften jedes zur Vertretung berechtigte Mitglied aus eigenem Recht. Ein getäuschter Käufer war nicht antragsberechtigt14.

Der zivilrechtliche Schutz in § 13 sowie der strafrechtliche Schutz in § 14 wurden nicht dadurch ausgeschlossen, „dass das Warenzeichen, der Name oder die Firma mit Abänderungen wiedergegeben sind, welche nur durch Anwendung besonderer Aufmerksamkeit wahrgenommen werden können“, § 18 MarkenschutzG. Abänderungen konnten in Zusätzen, Weglassungen oder Veränderungen des betreffenden Zeichens bestehen, es kam nur darauf an, ob die veränderte Form geeignet war, eine Täuschung anderer zu bewirken15. Es musste eine „besondere Aufmerksamkeit“ erforderlich sein, um die Abänderungen der ähnlichen Warenzeichen zu erkennen, diese mithin nicht sofort ins Auge fallen. Als Maßstab war die übliche Anschauungsweise des Kleinhändlers sowie der Konsumenten anzulegen16.

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Ders., § 14, S. 69 Nr. 3, S. 65 Nr. 5 (zu § 13). Erst 1943 in die StPO aufgenommen, heute geregelt in §§ 403–406c StPO. Zu Vorsatz tendierend RGE XIV, 16. Davidsohn, a.a.O, § 14, S. 70/71. Ders., § 14, S. 69 Nr. 4. Davidsohn, a.a.O., § 18, S. 77 Nr. 2. Ders., § 18, S. 77 Nr. 1 und 2.

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Viertes Kapitel

4. § 15 (Geldbuße) Eine weitere Besonderheit enthielt § 15 MarkenschutzG17: Nach dessen Absatz 1 konnte, statt jeder Entschädigung, auf Verlangen des Geschädigten neben der Strafe auf Buße bis zu einem Betrag von 5000 Mark erkannt werden, die gem. Absatz 2 die Geltendmachung eines weiteren Entschädigungsanspruches ausschloss. Der Antrag auf Zuerkennung einer an den Verletzten zu zahlenden Buße konnte schon im Strafantrag gestellt werden, er musste begründet werden, und der Verletzte musste in dem Verfahren als Nebenkläger auftreten, §§ 443–445 RStPO. Der Antrag konnte noch bis zur Urteilsverkündung zurückgenommen werden, § 444 RStPO und der Entschädigungsanspruch sodann im Zivilverfahren geltend gemacht werden. Die Rücknahme des Strafantrages enthielt konkludent auch die Rücknahme des Antrages auf Bußzahlung. Mit Zurückweisung des Bußantrages waren sämtliche zivilrechtlichen Ansprüche des Verletzten erloschen18. Der Strafrichter musste dem Antrag des Verletzten auf Buße nicht entsprechen, er „konnte“ ihn auch ohne Angabe von Gründen zurückweisen und den Verletzten auf den Zivilrechtsweg verweisen. Die Höhe der Buße bedurfte einer konkreten Darlegung des Schadens und der Nachteile, wie dies auch im Zivilverfahren vorgeschrieben ist19.

5. Insbesondere: Ortsname – Weinbergslage Der Name des Weingutes war durch § 287 RStGB (s.o.), § 14 Abs. 2 MarkenschutzG strafrechtlich geschützt. Von erheblicher Bedeutung sind im Weinbau jedoch Lagenbezeichnungen. Grundsätzlich schien die Eintragung einer Weinbergslage als Warenzeichen, beispielsweise „Venninger Doktor“, nach diesem Gesetz möglich. Allerdings konnte Inhaber eines Warenzeichens nach § 1 des Gesetzes nur werden, wer als Gewerbetreibender ein Warenzeichen angemeldet hatte20. Da aber die damaligen Winzer und Weinbaubetriebe – ausgenommen 17

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§ 15: Statt jeder aus diesem Gesetz entspringenden Entschädigung kann auf Verlangen des Geschädigten neben der Strafe auf eine an ihn zu erlegende Buße bis zum Betrage von 5000 Mark erkannt werden. Für die Buße haften die zu derselben Verurteilten als Gesamtschuldner. Die erkannte Buße schließt die Geltendmachung eines weiteren Entschädigungsanspruchs aus. Davidsohn, a.a.O., § 15, S. 73 Nr. 2. Ders., § 15, S. 73 Nr. 3 und 4. Nach § 7 Nr. 1 MarkenG 1994 (BGBl. I S. 3082) können auch natürliche Personen Inhaber von Marken sein.

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die eingetragenen Winzergenossenschaften – keine Gewerbetreibenden waren (landwirtschaftliche Urproduktion) konnten sie auch keine Warenzeichen anmelden, was auch für die Eintragung von Lagenbezeichnungen galt21. Als weiteren strafrechtlichen Schutz sah § 14 Abs. 1 2. Alt zwar auch einen Schutz des Namens oder der Firma des Produzenten vor. Das nutzte dem Winzer aber wenig, da nicht der Name des Weingutes, sondern die Weinlagenbezeichnung einen gewichtigen Preis bildenden Faktor darstellte22. Die Bezeichnung einer Lage war aber isoliert, d.h. ohne zusätzliche Namens- oder Firmenangabe, nicht geschützt. Auf dem Etikett konnte daher „Venninger Doktor“ als bekannte Lage erscheinen, ohne dass der Wein in dieser Weinlage angebaut wurde; ein Verstoß gegen § 14 lag nicht vor23. Hausburg24 kritisiert, dieser Punkt, der schon § 287 RStGB berührt habe, sei bei der Beratung und Redaktion des MarkenschutzG nicht gebührend berücksichtigt worden. Das „Hauptgravamen“ derjenigen Winzer, welche bei der Weinproduktion ehrlich verführen und deren Orte als Weinorte einen unter den Konsumenten geachteten Namen hätten, bestehe nämlich darin, dass irgendwo domizilierte Weinfabrikanten ihr „geschmiertes Produkt“ unter dem Namen solcher Weinorte verkaufen würden. § 13 ermächige zwar dazu, gegen denjenigen, der Waren oder deren Verpackungen, die mit einem für den Produzenten eingetragenen Warenzeichen oder mit dem Namen der Firma des Produzenten versehen sind, widerrechtlich bezeichne, zivilrechtliche Klage zu erheben. „Es ist aber kein Paragraph da, welcher beispielsweise dem Weinproducenten eines Ortes ein Collectivrecht zur Klage gewährt“, so die Kritik von Hausburg. Es könne jedermann seinen Wein als Johannisberger Schloß, Schwarzhofberger oder Walporzheimer Domlay etikettieren, vorausgesetzt, dass solch eine Weinbergslage nicht einem einzigen Eigentümer gehöre, ohne dass das Gesetz ihm „etwas anhaben“ könne. Hier müsse Abhilfe geschaffen werden25.

6. Zusammenfassung Ein Weingut war zur damaligen Zeit kein Gewerbebetrieb und auch nicht in das Handelsregister eingetragen, so dass die Eintragung einer Marke nach dem MarkenschutzG 1875 ausgeschlossen war. Selbst wenn der Winzer eintragungsfähig gewesen wäre, hätte dies Probleme hinsichtlich des Markenschutzes gebracht. Die Weinanbaugebiete sind heute in Groß- und Einzellagen eingeteilt. Das Anbaugebiet Pfalz ist beispielsweise in 25 Groß- und 326 Einzellagen eingeteilt, die in die Weinbergsrolle eingetragen sind, wobei eine Einzellage mindestens 21 22 23 24 25

So Bernhardt, a.a.O., S. 80. Bresgen, S. 141/142. Zu Weinbau und Markenschutz, siehe Bernhardt, a.a.O., S. 78–80. Hausburg, Die Verfälschung der Nahrungsmittel und das Reichsstrafgesetzbuch, Bericht an den Deutschen Landwirthschaftsrath, 1877, S. 49. So zutreffend Hausburg, a.a.O., S. 49.

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5 ha groß sein soll. In den seltensten Fällen war und ist eine Einzellage, noch weniger eine Großlage, in einer Hand, so dass die Eintragungsfähigkeit einer Weinbergslage ohne den Namen des Winzers praktische Probleme aufgeworfen hätte. Mit dem Markenschutzgesetz 1874 war – so hieß es – „der erste Schlag wider die Verfälschungen in der Industrie“ geführt worden. Mit diesem ersten Schlag dürfe es aber nicht sein Bewenden haben, gegen die Verfälschung von Lebensmitteln seien „energische Schritte“ erforderlich26. Allerdings sei die Landwirtschaft im Gegensatz zu den Fabrikanten und Kaufleuten „schlecht weggekommen“. Der Schutz eines Warenzeichens sollte den Winzern nicht zukommen, lediglich der Schutz des Namens sei auch ihnen zugesichert worden, aber dies sei „ein Messer ohne Klinge“27.

II. NahrungsmittelG 187928 1. Gesetzgebungskompetenz des Reiches Mit der Reichsgründung entstand aufgrund Art. 4 der neuen Reichsverfassung eine Gesetzgebungskompetenz des Reiches29. Die Gesetzgebungskompetenz des Reiches für die Rechtsmaterie das Weinrechts ergibt sich Art. 4 Nr. 13 und 15 der Reichsverfassung. Art. 4 Nr. 13 erfasste die Zuständigkeit des Reiches für das Strafrecht, also auch das Weinstrafrecht. Nr. 15 regelte die Reichsgesetzgebungskompetenz für die Medizinalpolizei, d.h. für öffentlich-rechtliche präventive Normen zum Schutz der Bevölkerung vor Gesundheitsgefahren. Diese Kompetenz umfasste folglich den präventiven Teil des deutschen Lebensmittelrechts30.

2. Rückschau Lebensmittel sind schon seit ewigen Zeiten verfälscht, nachgemacht oder in verdorbenem bzw. gesundheitsschädlichem Zustand in den Verkehr gebracht worden. Aus Gründen des Gesundheitsschutzes und gegen Übervorteilungen mussten die Gemeinwesen bereits im Altertum und frühen Mittelalter die erfor-

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Löbner, Arthur, Die Gesetzgebung des alten und des neuen Reichs wider Verfälschung der Nahrungsmittel, 1878, S. 7. Bresgen, a.a.O., S. 141. Gesetz betreffend den Verkehr mit Nahrungsmitteln, Genußmitteln und Gebrauchsgegenständen vom 14. Mai 1879 (RGBl. S. 145). Gesetz betreffend die Verfassung des Deutschen Reiches v. 16. April 1871, BGBl. des Deutschen Bundes 1871, S. 63–85. Hieran hat später auch die Reichsverfassung vom 11. August 1919 nichts geändert: Holthöfer-Juckenack, Lebensmittelgesetz 1927, Einleitung, S. 5.

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derlichen Gegenmaßnahmen ergreifen. Im Mittelalter enthalten auch die verschiedensten Stadt- und Landesrechte die strengsten Strafbestimmungen gegen Lebensmittelfälscher31. Eine reichsweit abgestimmte Verfolgung von Weindelikten erschwerte auch der Umstand, dass die mit der Überwachung der Lebensmittel betraute Lebensmittelkontrolle den Landesbehörden, den Kürfürsten, Herzögen, Grafen und insbesondere den Städten anvertraut war. Hierbei blieb es bis zur Schaffung des Kaiserreichs im Jahr 187132. Allerdings ist hervorzuheben, dass schon im Mittelalter eine Weinkontrolle bestand33, die in neuerer Zeit erst durch das 3. WeinG 1909 wieder (neu) entdeckt wurde.

3. Regelungsbereich Das Reichsstrafgesetzbuch 1871 hat die Lebensmittel „stiefmütterlich behandelt“ – wohl ein Beweis dafür, dass seinerzeit in diesem Sektor grobe Missstände offenbar keine Rolle spielten34. Angesichts der Unzulänglichkeit des § 367 Nr. 7 RStGB wurde immer lauter eine Kodifizierung des Lebensmittelrechts gefordert. Diese erfolgte mit dem NahrungsmittelG 1879, das präventiv die polizeilichen Befugnisse der Lebensmittelkontrolle regelte und den Bundesrat zu weitergehenden Verordnungen zum Schutz der Volksgesundheit und Vorschriften für den Verkehr mit verdorbenen und gefälschten Lebensmitteln ermächtigte. Ein allgemeines Verbot der irreführenden Bezeichnung von Nahrungs- und Genussmitteln wurde erst durch die Verordnung gegen irreführende Bezeichnungen am 26. Juni 1916 eingeführt35. Hinzu kamen Spezialgesetze, wie das erste deutsche Weingesetz 189236. Durch das NahrungsmittelG von 1879 entstand eine umfassende Kodifikation des Lebensmittelrechts. Neben der Einführung einer Lebensmittelüberwachung („Beaufsichtigung“) stellte das Gesetz das Nachmachen oder Verfälschen von Lebensmitteln unter (Geld-)Strafe. Ergänzt wurde das Gesetz, das 48 Jahre – bis 1927 –

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Hieronimi, Getränkegesetze, 1952, LMG, S. 69. Ebd. Von Friedrich III. wurde 1488 einem gewissen Johannes Schühlen die Revision der Weine in Franken, Schwaben und Elsaß übertragen: Holthofer / Juckenack / Nüse, Lebensmittelrecht, 1961, Bd. I, S. 5. Holthöfer / Juckenack, LMG 1927, S. 4. Siehe unten Sechstes Kapitel, LMG 1927, I. Entstehung. Siehe unten Fünftes Kapitel, II.

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in Kraft blieb, durch das Gesetz über den Verkehr mit blei- und zinkhaltigen Gegenständen vom 25. Juni 188737 und das Farbengesetz vom 5. Juli 188738.

4. Entstehungsgeschichte Die Klagen über die Verfälschung von Lebensmitteln, die zum Verkauf angeboten wurden, waren von Jahr zu Jahr lauter geworden39. Man beschwerte sich nicht nur darüber, dass der Nahrungs- und Kaufwert durch Verfälschung immer geringer werde, sondern auch darüber, dass die Nahrungsmittel in einer die Gesundheit schädigenden Weise verfälscht würden40. Es bestanden keine Zweifel, dass Abhilfe nicht durch die bestehenden Gesetze geschaffen werden könne, sondern die Missstände nur durch ein reichsweites Gesetz zu beheben seien. Die Bestimmungen der bestehenden Gesetzgebung seien zu wenig umfassend, den Betrügern sei ein weiter Spielraum überlassen und die Behörden in ihrem Vorgehen zu sehr eingeengt41. Es sei eine Gesetzgebung erforderlich, die keine Rücksichten kenne als die Interessen der Verbraucher (des Publikums) und unnachsichtig die Fälscher verfolge „bis in die geheimsten Schlupfwinkel“, wo sie ihre „Mixturen“ bereiten42. Zur Vorbereitung eines solchen Gesetzes wurde im November 1877 vom Kaiserlichen Gesundheitsamt eine „Anzahl von medizinischen, technischen und landwirtschaftlichen Autoritäten“ berufen. Das Ergebnis dieser Kommission war, dass der Stand der Dinge „vom Standpunkt der Gesundheitspflege ein geradezu unerträglicher geworden“ sei und die Ausarbeitung eines neuen Reichsgesetzes befürwortet werde43. „Aufgrund der Missernten waren die Jahre 1806–1807, 1816–1817, 1844–1847 wahre Hungerjahre44. Andererseits wurde das Betteln oder das Anhalten der Kinder zum Betteln gem. § 361 Nr. 4 RStGB mit Haft bestraft. Auch wer seine Kinder nicht davon abhielt, Früchte des Waldes oder Feldfrüchte zu sammeln, machte sich strafbar, § 361 Nr. 9. Im Falle des Nr. 9 konnte auch auf Geldstrafe erkannt werden. 37 38

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RGBl. 1887, 273. Gesetz, betreffend die Verwendung gesundheitsschädlicher Farben bei der Herstellung von Nahrungsmitteln, Genußmitteln und Verbrauchsgegenständen vom 5.7.1887 (RGBl. 1887, 277). Menzen, NMG, 2. Auflage, 1892, Einleitung S. 1. Ebd. So Löbner, Arthur, Die Gesetzgebung des alten und des neuen Reichs wider Verfälschung der Nahrungsmittel, 1878, S. 5. So Löbner weiter, a.a.O., S. 5. Menzen, a.a.O., S. 2. Mettke, GRUR 1979, S. 817 (821).

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Hunger und Abmagerungen sollten sich dabei wenigstens strafmildernd ausgewirkt haben. Die Behörden bemühten sich vergeblich um Ersatznahrung für das knappe Mehl und Brot. Die Lebensmittelindustrie war längst noch nicht soweit, Nahrungsmittel in ausreichender Menge zu produzieren oder mit neuartiger Technologie neue Produkte zu entwickeln“45.

1852 wurde in Preußen mit § 345 Nr. 5 PreußStGB46 eine Vorschrift erlassen, die der Lebensmittelfälschung entgegenwirken sollte. Als 1877, 25 Jahre nach Erlass dieser Vorschrift47 der Etat für ein zu errichtendes Kaiserliches Gesundheitsamt zur Beratung stand, führte ein Mitglied des Reichstags aus, „dass das Verfälschen von Nahrungsmitteln bereits einen erschreckenden Umfang annehme. Geradezu kriminelle Verfälschungen von Mehl durch Gips, Schwerspat und Kreide, durch Pikrinsäure anstelle von Eigelb in Teigwaren, durch Arsen in Stärkezucker, durch Kleister, Kreide, Gips und sogar Seifenlösung in Milch, Alaun und Kupfersulfat in Brot und durch arsenhaltiges Fuchsin in Wein seien von der Lebensmittelüberwachung festgestellt worden“48. Das neu geschaffene NahrungsmittelG 1879 schuf ein „polizeiliches Aufsichtsrecht und gesonderte Strafvorschriften“49, ähnlich denen der §§ 367 Nr. 7 und § 324 RStGB, aber immerhin war der Grundstein Lebensmittelgesetz mit dauerhaftem Bestand gelegt.

5. Allgemeiner Inhalt Der „Verkehr mit Nahrungs- und Genussmitteln“ sollte „geregelt“ werden, ohne vorzugeben, was konkret gemeint sei. § 1 zählt diejenigen Gegenstände auf, bei denen der Verkehr der Beaufsichtigung nach Maßgabe des Gesetzes nach §§ 2–4 und den aufgrund des § 4 Abs. 2 erlassenen landesrechtlichen Bestimmungen unterliegt. Unter Verkehr ist jede Tätigkeit zu verstehen, welche den Übergang eines Gegenstandes in den Besitz anderer bewirken soll, nicht bloß der Handel, zu welchem auch das Feilhalten gehört, auch nicht bloß die gewerbsmäßige Tätigkeit, welche auch die Herstellung zum Zweck der Veräußerung umfasst, sondern auch der Verkehr einzelner zum Zweck des Austausches von Sachen50.

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Mettke, a.a.O., S. 821. Vorläufer von § 367 Nr. 7 RStGB 1871. Fünf Jahre nach Inkrafttreten des § 367 Nr. 7 RStGB am 1.1.1872. Bames, Lebensmittelrecht, Handbücherei für Staatsmedizin, 11. Bd. 1929, S. 1/2; so auch Mettke, a.a.O, S. 821. von der Pfordten, NMG 1879, S. 1. Stenglein, Band I, 2. Auflage, 1895, S. 227.

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Die in § 1 genannten Gegenstände sind allerdings nicht die einzigen, auf die das Gesetz Anwendung findet. In den §§ 5 und 6 und 12 Nr. 2 nennt das Gesetz noch eine Anzahl weiterer Gegenstände, für deren Herstellung oder Verkehr es Vorschriften enthält. Auf diese, in § 1 nicht aufgezählten Gegenstände erstreckt sich das Recht der Beaufsichtigung nach §§ 2–4 des Gesetzes nicht51. Nahrungsmittel sind Waren, die entweder unzubereitet oder nach Vornahme einer Bearbeitung, Zubereitung, Vermischung oder Zusammensetzung mit anderen Stoffen dem menschlichen Körper zugeführt werden, um ihm zur Ernährung zu dienen52. Es ist nicht erforderlich, dass die Stoffe dem Körper durch den Mund zugeführt werden. Auch diejenigen Stoffe, die dem Körper durch den Darm oder unmittelbar in die Blutbahn zugeführt werden, sind Nahrungsmittel und unterliegen den Vorschriften dieses Gesetzes. Auch für sie trifft der Zweck des Gesetzes, zum Teil sogar in erhöhtem Maß zu, wie bei den durch den Mund eingeführten Stoffen. Stoffe, die ausschließlich zu heil- oder sonstigen Zwecken und nicht gleichzeitig auch zwecks Ernährung zugeführt werden (z.B. Brechmittel) sind keine Nahrungsmittel53. Genussmittel sind Stoffe, die dem menschlichen Körper durch den Mund zugeführt, d.h. „genossen“ zu werden pflegen und zwar zu Genusszwecken, ohne dass sie der Ernährung des Körpers dienen54. Nicht erforderlich ist, dass sie auch im Körper verbleiben. Tabak ist daher auch als Genussmittel zu erachten, auch wenn der eingeatmete Rauch in der Regel schon nach kurzer Zeit wieder aus dem Körper ausgeatmet wird55.

Im Rahmen dieser Arbeit relevant könnten die in § 1 genannten Trinkgefäße sein56, aus denen von Menschen unmittelbar Getränke genossen werden, nicht aber solche, die nur der Aufbewahrung von Getränken dienen, diese auch dann nicht, wenn aus ihnen hin und wieder, nicht aber regelmäßig unmittelbar getrunken wird. So sind Weinflaschen keine Trinkgeschirre i.S.v. § 1, wohl aber Feldflaschen57. Das NahrungsmittelG 1879 enthielt aber auch keine Definition von Wein, immerhin bemühte sich der Gesetzentwurf aber in der Begründung um eine erste Definition des Begriffs Wein58. Der Name „Wein“ schlechthin darf nur einem Getränk 51 52 53 54 55 56 57 58

Bretzfeld, Friedrich, NMG 1879, S. 1. Ebd. Ders., § 1 S. 3. Ebd. Stenglein, Bd. I, 2. Aufl. 1895, S. 227. Nicht hingegen die weiteren Aufzählungen in § 1 (Spielwaren, Kochgefäße, Tapeten und Farben). Bretzfeld, NMG § 1, S. 5. „Materialien zur technischen Begründung“ des Gesetzentwurfs (Stenogr. Ber. 1879, 4. Leg. Per., 2. Session, Akte Nr 7, Anlagenbd. 4, S. 207) – abgedruckt bei Günther / Marschner, WeinG 1909, S. XIII–XV.

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gegeben werden, welches ohne jeden Zusatz aus Traubensaft durch alkoholische Gärung bereitet worden ist, was in ähnlicher Form zwar noch nicht vom folgenden WeinG 1892, aber doch vom WeinG 1901 in seinem § 1 ausdrücklich festgelegt wurde. Der vom Gesetzentwurf zugrundegelegte Wein durfte jedoch, wie heute auch noch, durch entsprechende Kellerbehandlung59 verändert werden. Den erlaubten „Feinschliff“ des Weines durch eine Kellerbehandlung machten sich aber nicht nur die Winzer, sondern auch die fortschrittliche Chemie und damit auch die Fälscher zunehmend zunutze. Daher wurden zu Beginn der 70er Jahre – wie erwähnt – die Klagen immer lauter, dass durch die Verfälschungen nicht nur der Nährwert und der dadurch bedingte Kaufwert, sondern auch die Gesundheit gefährdet werde60. Diese zu schützen, reiche aber die Kraft des Einzelnen nicht aus und so müsse sich der Staat dieser Aufgabe annehmen61. In § 1 bestimmt das Gesetz die Gegenstände, die seiner „Beaufsichtigung“ unterliegen. Von Anfang an war man darüber klar, dass eine wirksame Bekämpfung der Lebensmittelverfälschung durch Strafbestimmungen allein nicht erreicht werden könne. Wollte man das Übel mit der Wurzel ausrotten, so musste man Präventionsregeln einführen, insbesondere eine strenge Kontrolle über den ganzen Nahrungsmittelverkehr, §§ 2 und 3 trugen diesem Ansinnen Rechnung62. […] Es ist davon auszugehen, dass durch das NMG die gemeingefährlichen Delikte in §§ 324–326 RStGB erweitert werden sollten und die Gesichtspunkte, von denen aus dies geschah, waren – wie die Motive selbst sagen – vorzugsweise sanitärer Natur63,

denn der gegenwärtige Stand der Dinge sei, vom Standpunkt der Gesundheitspflege aus, ein geradezu unerträglicher geworden64. Andererseits sollten auch die Bestimmungen über den Betrug – § 263, 264 RStGB – ergänzt werden, die nicht als ausreichend angesehen wurden, und es sollte Abhilfe geschaffen werden gegen „die im Kleinverkehr mit Lebensmitteln täglich vorkommenden Unredlichkeiten, welche sich dem Betrug sehr nähern, jedenfalls moralisch ihm gleichzustellen sind“65. Nicht zuletzt erwähnten die Motive als weiteren Gesichtspunkt „die Pflicht des Verkäufers, die Wahrheit zu sagen“ und damit

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Nach Würzburg, a.a.O., S. 251: Eine Reihe von „Hantierungen“, welche die Bereitung und Pflege des Weines erfordert. Menzen, NMG, 2. Auflage 1892, S. 1. Otto, a.a.O., S. 5/6. Ders., S. 9. Ders., S. 13. So die Forderung von Otto, S. 14. Ebd.

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alles zu tun, „um den Kauflustigen über die wirkliche Beschaffenheit der Waren ins Klare zu setzen“66. Der Verkäufer sollte gezwungen werden, die Waren die er verkauft, nur unter der Bezeichnung zu verkaufen, die ihrer Beschaffenheit entspricht67.

6. Strafvorschriften Der Kernpunkt des Gesetzes liegt in den Strafbestimmungen. „Sie suchen eine Täuschung des Publikums durch Nachahmungen oder Verfälschungen zu verhüten und bedrohen ferner die Gefährdung der menschlichen Gesundheit mit Strafe“68. Das Nahrungsmittelgesetz 1879 enthielt insgesamt sieben Strafvorschriften, wobei bereits Blankettvorschriften auftauchten, in denen auf andere Vorschriften des NahrungsmittelG (Binnenverweise) sowie auf kaiserliche Verordnungen zur Ausfüllung der einzelnen Tatbestände verwiesen wurde (Außenverweise). Die Strafvorschriften waren in §§ 8–14 NMG enthalten.

a) Zuwiderhandlung gegen Kaiserliche Verordnungen (§ 8)69 § 8 bestraft diejenigen, die einer aufgrund der §§ 5 und 6 erlassenen Verordnungen zuwiderhandelt. Es handelt sich um eine als Blankettvorschrift ausgestaltete bloße „Gesetzeshülse“. Für die vorliegende Untersuchung von Bedeutung ist die zu § 5 Nr. 1 erlassene Kaiserliche Verordnung betreffend die Verwendung giftiger Farben vom 1. Mai 188270, die am 1. April 1883 in Kraft treten sollte. Am 5. März 1883 erging aufgrund § 7 NMG eine Verordnung (RGBl. S. 3), wonach die §§ 2 und 3 der Verordnung vom 1. Mai 1882 nicht in Kraft getreten sind. Die Kaiserliche Verordnung vom 1. Mai 1882 diente dem Gesundheitsschutz der Konsumenten. Nach § 1 Abs. 1 war es verboten, giftige Farben zur Herstellung von Nahrungs- und Genussmitteln, die zum Verkauf bestimmt waren, zu verwenden. 66 67

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Zur Wahrheitspflicht des Verkäufers, Otto, S. 14. Nach von Liszt bildet die Warenfälschung „die Brücke von den gemeingefährlichen Verbrechen zu den Fälschungen“ in, Lehrbuch des Deutschen Strafrechts, 5. Auflage, 1892, § 158, S. 532. von der Pfordten, NMG, a.a.O., S. 1. §8 Wer den auf Grund der §§ 5, 6 erlassenen Verordnungen zuwiderhandelt, wird mit Geldstrafe bis zu einhundertfünfzig Mark oder mit Haft bestraft. Landesrechtliche Vorschriften dürfen eine höhere Strafe nicht androhen. RGBl. 1882, 55.

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§ 1 Abs. 2 zählte diejenigen Stoffe auf, die nicht in den Farben enthalten sein durften, u.a. Blei, Quecksilber und Cadmium. Wie oben erwähnt, traten die §§ 2 und 3 der Verordnung nicht in Kraft. § 2 erfasste Verpackungen und Umhüllungen von Getränken, § 3 betraf Spielsachen. § 5 enthielt ein Verkaufsverbot für Nahrungs- und Genussmittel, die verbotswidrig nach § 1 hergestellt wurden. Eine Zuwiderhandlung konnte vorsätzlich und fahrlässig begangen werden. Die Tat war auch strafbar, wenn die Zuwiderhandlung zum Zwecke des Exports ins Ausland geschah71. Die Kaiserliche Verordnung über die Verwendung giftiger Farben wurde durch § 15 des Reichsgesetzes72 vom 5. Juli 1887 zum 1. Mai 1888 dann vollumfänglich außer Kraft gesetzt und neu geregelt73.

b) Verweigerung des Zutritts oder der Probenentnahme (§ 9)74 § 9 stellt denjenigen unter Strafe, der den Eintritt in die in § 2 genannten Räumlichkeiten verweigert. § 2 gewährt grundsätzlich nur Zugang zu den Räumen, in denen Wein „feilgehalten“ wurde, nicht jedoch zu Räumen, die zur Herstellung, Aufbewahrung und Verpackung dienten, Abs. 1. Auch mussten sich die Kontrollbeamten auf die Entnahme von Proben beschränken, § 2 Abs. 2. Eingehendere Visiten sämtlicher Geschäftsräume waren nur bei Personen erlaubt, die schon einmal und zwar in den letzten drei Jahren, aufgrund der Strafbestimmungen des NMG zu einer Freiheitsstrafe verurteilt wurden, aber auch dann nur zu bestimmten Zeiten, §§ 3, 4. § 9 erweist sich damit als ein stumpfes Schwert im Kampf gegen die Nachahmung und Verfälschung von Lebensmitteln und nur als bloße Übertretung75 ausgestaltet, die nur vorliegen konnte, wenn „der Wille besteht, die Amtsausübung zu verhindern“76. Der Täter muss wissen, dass ein Kontrolleur bei ihm eintreten oder Proben entnehmen will, und er muss auch über Art und Inhalt des an ihn gerichteten Verlangens klar sein. Die Weigerung bleibt somit straflos, solange 71 72

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Stenglein, Bd. I, 1895, § 8, S. 230. Reichsgesetz über die Verwendung gesundheitsschädlicher Farben bei der Herstellung von Nahrungsmitteln, Genußmitteln und Gebrauchsgegenständen vom 5. Juli 1887 (RGBl. 277–280). Ausführungen zum Farbengesetz vom 5. Juli 1887, siehe unten Fünftes Kapitel, I., 2. § 9: „Wer den Vorschriften der §§ 2 bis 4 zuwider den Eintritt in die Räumlichkeiten, die Entnahme einer Probe oder die Revision verweigert, wird mit Geldstrafe von fünfzig bis zu einhundertfünftzig Mark oder mit Haft bestraft“. § 1 Abs. 3 RStGB. Stenglein, Bd. I, 4. Auflage 1911, S. 629; Bretzfeld, a.a.O., S. 18.

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der Beamte nicht als solcher erkannt wird. Ein Irrtum über die Befugnisse des Beamten und über die Rechtmäßigkeit der Amtsausübung führen dagegen nicht zur Straffreiheit77. Auch ein Hausgenosse oder sogar ein unbeteiligter Dritter kann sich nach § 9 strafbar machen78. Der Eintritt kann mündlich verweigert werden oder durch Zuhalten oder Absperren der Tür oder durch Wegschaffen von Waren, dagegen dürfte keine „Weigerung“, die, wenn auch unwahre Behauptung sein, eine bestimmte Ware sei nicht vorhanden. Denn es besteht insoweit keine Wahrheitspflicht79. Strafbar war die „Weigerung“ nur bei gesetzmäßiger Amtsausübung, gegenüber einer unberechtigten Amtshandlung wie das Betreten der in § 2 nicht genannten Räume oder einer Revision zur Nachtzeit, war eine Weigerung statthaft80. Die Verweigerung war strafbar, auch wenn sie nicht zum Erfolg führte; Versuch und Beihilfe waren nicht strafbar. Ein mit Gewalt oder Drohung gegen die Person des Beamten verknüpfter Widerstand ist war zudem nach §§ 113, 114 RStGB strafbar.

c) Nachmachen oder Verfälschen von Nahrungsund Genussmitteln und deren Verkauf (§ 10)81 § 10 stellt in Nr. 1 das Nachmachen und Verfälschen von Nahrungs- oder Genussmitteln zum Zwecke der Täuschung im Handelsverkehr unter Strafe, während Nr. 2 auch die verdorbenen miterfasst. Gegenstand ist danach nur die Nahrungsmittelfälschung, nicht die Warenfälschung an sich82, und dies nur die Nahrungsmittelfälschung außerhalb der tatbestandmäßig gesundheitsschädlichen oder gesundheitsgefährlichen, die in §§ 12 ff. behandelt werden. Seinem Wesen nach handelt es sich nicht um ein Vermögensdelikt. Beschädigung oder Gefährdung des Vermögens eines einzelnen oder die Absicht hierzu, oder die 77 78 79 80 81

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von der Pfordten, NMG 1879, 2. Auflage, 1913, S. 16/17. Bretzfeld, a.a.O., S. 18. von der Pfordten, S. 17; Bretzfeld, a.a.O., S. 17. von der Pfordten, NMG 1879, S. 17. § 10: „Mit Gefängniß bis zu sechs Monaten und mit Geldstrafe bis zu eintausendfünfhundert Mark oder mit einer dieser Strafen wird bestraft: 1. wer zum Zwecke der Täuschung im Handel und Verkehr Nahrungs- oder Genußmittel nachmacht oder verfälscht; 2. wer wissentlich Nahrungs- und Genußmittel, welche verdorben oder nachgemacht oder verfälscht sind, unter Verschweigung dieses Umstandes verkauft oder unter einer zur Täuschung geeigneten Bezeichnung feilhält“. Hegler, August, Nahrungsmittelfälschung, §§ 10, 11 NMG 1879 S. 535.

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Absicht, sich einen Vermögensvorteil zu verschaffen, wird nicht verlangt, auch nicht Vermögensgefährdung Unbestimmter, des Publikums etwa durch zu hohen Preisansatz83. Ebensowenig ist es ein gemeingefährliches Delikt hinsichtlich der Gesundheit. Auch Gesundheitsschädlichkeit oder -gefährlichkeit gehört nicht zum Tatbestand des § 10. Es ist vielmehr als ein Delikt gegen soziales staatliches Interesse, das staatliche Interesse an der Sicherheit des Nahrungsmittelverkehrs, aufzufassen84, verübt durch das Mittel eines auf Täuschung gerichteten Verhaltens. Der Nahrungsmittelverkehr wird verunsichert, das Vertrauen des kaufenden Publikums erschüttert85. Wein ist sowohl ein Nahrungsmittel als auch ein Genussmittel und kann somit § 10 unterfallen. § 10 setzt im Gegensatz zu § 263 RStGB keine Irrtumserregung und auch keinen Schaden voraus. § 10 Nr. 1: Tathandlung ist zum einen das Nachmachen d.h. „Herstellung einer Sache unter Erzeugung des Scheins, aber nicht des Wesens und Gehalts einer anderen (echten) Sache“. „Nachmachung ist die Herstellung von Surrogaten“86, der Erwerber erhält nicht den Wein, den er sich verschaffen wollte. Der gezahlte Preis wird in der Regel höher sein, als der Wert des Weines, „obschon dieses Missverhältnis kein gesetzliches Tatbestandsmerkmal darstellt“87. Verfälschung ist jede Handlung, durch welche einer Sache der Anschein besserer Beschaffenheit gegeben wird88. Keine Verfälschung stellt die bloß unrichtige Bezeichnung (Etikettierung) des Weines dar89. Eine falsche Etikettierung lässt den tatsächlichen Inhalt unberührt. Tatfrage ist, ob ein Wein als „nachgemacht“ oder „verfälscht“ anzusehen war, dem im Rahmen der Kellerbehandlung die erlaubten Zusätze zugegeben wurden. Die erlaubten Zusätze bei der Weinbehandlung wurden aber erst 13 Jahre später durch das WeinG 1892 (§ 4 Abs. 1 Nr. 1–5) aufgelistet, allerdings waren diese dennoch verkehrsfähig, wenn die Zusätze ordnungsgemäß deklariert wurden, § 4 Abs. 2 und 3 WeinG1892. § 3 WeinG 1892 legte fest, dass die anerkannte Kellerbehandlung, ein Verschnitt von Wein mit Wein, die Entsäuerung

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Ders., S. 536. Ebd. Hegler, a.a.O., S. 536. Zinn, NMG 1879, § 10, S. 38. von Schwarze, NMG 1879, Der Gerichtssaal 31, 1879, S. 88. Zinn, NMG 1879, S. 38. Zinn, a.a.O., S. 38.

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sowie der Zusatz von Zucker und Zuckerwasser in Grenzen weder eine Verfälschung, noch eine Nachmachung von Wein darstellten. Dem Wein wird durch eine hergebrachte Kellerbehandlung keinesfalls bloß der „Schein“ einer besseren Beschaffenheit verliehen, sondern es wird durch Zugabe von Zucker eine Erhöhung des Alkoholgehaltes und durch Entsäuerung mittels kohlensaurem Kalk gleichzeitig übermäßige Säure reduziert und somit tatsächlich eine Verbesserung des Weines erzielt90. Die Verbesserung eines Lebensmittels mit gesundheitlich unbedenklichen Zusätzen kann nicht als Nachahmung oder Verfälschen angesehen werden. Eine (positive) Bestimmung der Verfälschung enthielt auch das Süßstoffgesetz: „Die Verwendung künstlicher Süßstoffe bei der Herstellung von Nahrungs- und Genussmitteln ist nach § 2 des Gesetzes, betreffend den Verkehr mit künstlichen Süßstoffen vom 6. Juli 189891 als Verfälschung im Sinne von § 10 NMG 1879 anzusehen.“ Die unter Verwendung von künstlichen Süßstoffen hergestellten Nahrungs- und Genussmittel dürfen nach § 2 Abs. 2 nur unter einer diese Verwendung erkennbar machende Bezeichnung verkauft oder feilgehalten werden. In anderen Fällen schwankte die Rechtsprechung bei der Interpretation des Begriffs „Verfälschung“: Das Reichsgericht sah in einem Urteil vom 17. Januar 1881 die Nasszuckerung als Verfälschung an92. Dieser Auffassung ist angesichts der Festlegungen in den darauf folgenden Weingesetzen der Boden entzogen worden. Die Nasszuckerung war bis 1971 gesetzlich erlaubt und wurde durch Ausnahmeregelungen im Weinbaugebiet Mosel93 noch bis in die achtziger Jahre bei säurehaltigen Weinen praktiziert. Der Täter muss zum „Zwecke der Täuschung“ gehandelt haben. Aus der Herstellung verfälschter Gegenstände, d.h. aus der objektiven Fälschung an sich, ergibt sich noch nicht die Absicht einer Täuschung, sondern dieses subjektive Moment muss durch andere Umstände dargetan werden. „Doch kann der Zweck der Täuschung häufig schon aus den Umständen deutlich erkennbar sein“94. „Wer ein verfälschtes oder mit dem falschen Anschein einer besseren Beschaffenheit versehenes Getränk bereits mit einem die Fälschung verdeckenden und

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Die Chaptalisierung wird in den neueren Weingesetzen und -literatur als „Anreicherung“ und „Verbesserung“ bezeichnet. RGBl. 1898, 919–920. RGSt 3, 270–273. Damals noch Mosel-Saar-Ruwer (bis 2006). Zinn, a.a.O., § 10, S. 36/37.

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darüber zu täuschen geeigneten Etikett versehen hat, „hat die Absicht zu täuschen deutlich an den Tag gelegt“. Auch in anderen Fällen wird die Täuschungsabsicht an der Art der Verfälschung erkennbar sein95. Eine Täuschungsabsicht entfällt möglicherweise durch Handelsbräuche zur damaligen Zeit. In den Fällen, in denen jedermann weiß, dass die Bezeichnung der Ware herkömmlich nicht allenthalben dem strengen Wortlaut entspricht, wird aus dem Gebrauch der Bezeichnung die Absicht der Täuschung nicht gefolgert werden können96. So werden Weine oft mit dem Namen einer Ortschaft bezeichnet, zu nennen ist hier der „Bacharacher“ oder „Hochheimer“, obwohl teilweise nicht eine einzige Traube aus der Gemarkung Bacharach in der Flasche enthalten ist, sondern von den (unbekannteren) Nachbargemeinden mitbenutzt wird, die Qualität aber möglicherweise die gleiche ist. § 10 Nr. 2 bestraft das Feilhalten und den Verkauf verdorbener, nachgemachter oder verfälschter Lebensmittel, wenn dies dem Käufer verschwiegen wird. Hinsichtlich des Nachmachens und Verfälschens von Wein kann auf die zu Nr. 1 gemachten Ausführungen verwiesen werden. Verdorben sind Nahrungsmittel, die in Folge von Veränderungen des normalen Zustandes nach allgemeiner Ansicht zum Genuss durch Menschen ungeeignet sind, Gesundheitsschädlichkeit ist bei Verdorbenheit nicht erforderlich97. Es stellt sich die Frage, ob ein Lebensmittel auch dann im Sinne des Gesetzes98 „verdorben“ ist, wenn es sich noch im ursprünglichen Zustand befindet. Schwartz99 bejaht dies und geht noch einen Schritt zurück: verdorben seien schon Nahrungsmittel, die in ihrem Entwicklungsstadium und damit vor ihrer Fertigstellung nachteilige Veränderungen erfahren hätten. Ein Verdorbensein könne auch angenommen werden, wenn die Entwicklung zur normalen Beschaffenheit „gehemmt“ sei. Hier sind Weine denkbar, deren Gärung mittels sogenannter wilder Hefen Fuselalkohole entstehen ließen oder etwa Bakterien während der Maischestandzeit in den Most eingedrungen sind. Ungenießbarkeit hält auch er für das Verdorbensein für nicht erforderlich. Löbner100 führt in diesem Zusammenhang den Verkauf von „halbgebackenem Brot“ an und dass in diesen Fällen schon „Strafverfügungen“ ergangen seien. 95 96 97 98 99 100

Ders., S. 37. von Schwarze, NMG 1879, Der Gerichtssaal 31, 1879, S. 94. Zinn, a.a.O., S. 45. Hier § 345 Nr. 5 PreußStGB 1852, gleichlautend mit § 367 Nr. 7 RStGB. Schwartz, Ernst, RStGB, 1914, § 367 Nr. 7, S. 795. Löbner, Gesetzgebung, a.a.O., S. 52.

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Nach anderer Auffassung ist sprachlich unter „verdorben“ nur der Zustand zu verstehen, welcher eintritt, wenn das Nahrungsmittel erst infolge hinzutretender Umstände, wozu auch Zeitablauf gehören könne, aus dem normalen in den Zustand der Ungenießbarkeit gelangt sei101 Ersterer Auffassung ist zuzustimmen, es macht hinsichtlich des geschützten Rechtsgut Gesundheit keinen Unterschied, ob das Lebensmittel von Anfang an verdorben war oder der Verderb erst später eingetreten ist, sei es durch falsche Lagerung oder sonstige – auch vom Verkäufer nicht zu vertretenden – Umstände. Unreife Äpfel oder Trauben sind allerdings nicht schon bei der Lese verdorben, allenfalls nach Fäulnisbildung durch unsachgemäße Lagerung. Gleiches muss gelten für das von Löbner angeführte „unausgebackene“ Brot, das ebenfalls nicht verdorben ist i.S. des Gesetzes, sich jedoch durchaus in Folge schlechter Zubereitung in einem ungenießbaren Zustand befinden kann. „Ist es zum Verkauf gekommen, so genügt es, dass der Verkäufer den entscheidenden Umstand dem Käufer verschwiegen hat. Liegt ein bloßes Feilhalten vor, ohne dass der Verkäufer zu einem Kaufinteressenten in Beziehung getreten ist, so wird durch das bloße Verschweigen der Tatbestand noch nicht erfüllt sein, da die Möglichkeit nicht ausgeschlossen ist, dass der Verkäufer einem späteren Kaufinteressenten gegenüber seiner Pflicht zur Angabe der Wahrheitsoffenbarung nachgekommen wäre“102.

Eine auf Gewinn gezielte Absicht ist nicht erforderlich, wenn auch eine solche Gewinnabsicht bei einem wissentlichen Verkauf oder Feilhalten in der Regel ausgesetzt werden kann, so sind doch Fälle denkbar, wo ein Gewinn nicht beabsichtigt wird, ohne dass damit die Handlung ihres „wesentlich durch die fälschliche Beschaffenheit der Ware begründeten, strafwürdigen Charakters entkleidet wird“103. Nach § 15 Abs. 1 2. Halbsatz kann auf Einziehung der Gegenstände erkannt werden.

d) Fahrlässigkeit (§ 11)104 Lediglich der Verstoß gegen § 10 Nr. 2 war mit Strafe bedroht, wenn die Tat auf Fahrlässigkeit zurückzuführen war. § 11 NMG legt als Strafmaß genau jenes fest, welches auch § 367 Nr. 7 StGB als Übertretung androht. 101 102 103 104

von Schwarze, a.a.O., S. 113. Motive des Entwurfs II, S. 21 zitiert bei von Schwarze, S. 112; so auch, Zinn, a.a.0., S. 44. Zinn, a.a.O., S. 44. § 11: „Ist die im § 10 Nr. 2 bezeichnete Handlung aus Fahrlässigkeit begangen worden, so tritt Geldstrafe bis zu einhundertfünfzig Mark oder Haft ein“.

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Zur Fahrlässigkeit im Sinne von § 11 bürden die Motive105 dem Verkäufer eines Lebensmittels106 höhere Sorgfaltspflichten auf, als demjenigen, der einen gesundheitsschädlichen Verbrauchsgegenstand verkauft. Letzerer muss nur „thunlichst bemüht“ gewesen sein, sich über die Beschaffenheit der von ihm vertriebenen Ware „zu unterrichten“ und falls ihm dies nicht möglich war oder die eingeholte Auskunft ihm keine Veranlassung zu Bedenken gegeben hat, nicht bestraft werden, wenn sich später herausstellen sollte, dass die Ware dennoch verfälscht oder verdorben war. Dagegen hat derjenige, der Lebensmittel feilhält oder verkauft, die Pflicht, „sich über deren Beschaffenheit zu unterrichten und unterrichtet zu halten“. Hat er dies nicht selbst getan oder hat er die ihm gebotene Gelegenheit, sich durch Einziehung von Belehrung bei Sachverständigen Auskunft zu verschaffen, unterlassen, so wird er den Vorwurf der Fahrlässigkeit von sich nicht abwenden können. Unkenntnis aus Fahrlässigkeit schützt ihn nicht, und ganz unzweifelhaft wird eine solche immer da anzunehmen sein, wo der Beteiligte die ausdrücklichen Vorschriften einschlägiger polizeilicher Verordnungen oder Anordnungen unbeachtet gelassen hat107. Geschütztes Rechtsgut ist in § 13 die Gesundheit. Unstreitig handelt derjenige Lebensmittelhändler fahrlässig, der gegen berufsspezifische Vorschriften (Zubereitung, Kühlung, Lagervorschriften etc.) verstößt. Der Ansicht, dass die Gesundheitsgefahr dieselbe sei, wenn sie durch ein Lebensmittel, oder wenn sie durch einen Gegenstand erzeugt wird108, kann nicht gefolgt werden. Der Weinhändler hat die Möglichkeit, den Wein zu probieren und auf Geschmacksveränderungen, Trubbildung und damit Verdorbenheit hin zu überprüfen, was bei Gegenständen Schwierigkeiten bereitet, ohne diese möglicherweise unbrauchbar und damit nicht mehr verkaufsfähig zu machen. Auch ist ein Weinhändler eher in der Lage, durch Proben oder Laboranalysen sowohl Verdorbenheit als auch Nachahmung und Verfälschung eines Weines festzustellen. Insgesamt ist wohl bei beiden, als Gewerbetreibenden, ein erhöhter Sorgfaltsmaßstab zugrunde zu legen. Nach § 15 Abs. 1, 2. Halbsatz kann auf Einziehung der Gegenstände erkannt werden.

105 106 107 108

Motive des Entwurfs II, S. 22, abgedruckt bei von Schwarze, a.a.O., S. 114/115. Winzer, Weinhändler, Weinkommissionäre etc. Motive, a.a.O., S. 114/115. von Schwarze, a.a.O., S. 115.

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e) Herstellung gesundheitsschädlicher Gegenstände (§ 12)109 Vorliegend ist die Tatvariante Nr. 1 von Bedeutung, Ausführungen zu Nr. 2 können mangels Themenbezug unterbleiben. Nach § 12 Nr. 1 wird bestraft, wer vorsätzlich Wein in der Weise herstellt, dass der Genuss eine Gesundheitsschädigung herbeiführen kann sowie derjenige der wissentlich gesundheitsgefährdende Weine feilhält, verkauft oder sonst in den Verkehr bringt. „Inverkehrbringen i.S.v. § 12 ist jedes, gleichviel wie geartete Überlassen gesundheitsschädlicher Nahungs- und Genussmittel an andere zum Genusse oder zur Weiterveräußerung ohne Beschränkung auf den Handels- oder den öffentlichen Verkehr. Als Inverkehrbringen ist daher auch die Abgabe an Ehegatten, Kinder und sonstige Familienmitglieder sowie an das Gesinde erachtet worden110. Die Ausdehnung des Begriffes Inverkehrbringen in § 12 NMG auf die Abgabe und Verwendung auch im häuslichen Bereich liegen „gesundheitliche Rücksichten“ zugrunde111. Zweifelhaft war, ob ein Inverkehrbringen i.S.v. § 12 NMG 1879 auch dann angenommen werden konnte, wenn der gekaufte und demnächst im Rahmen der bürgerlichen Vorschriften über die Wandlung dem Verkäufer aufgrund eines Mangels zurückgegeben wird. Das Reichsgericht hat ein Inverkehrbringen in einigen Fällen bejaht112.

109 § 12: „Mit Gefängniß, neben welchem auf Verlust der bürgerlichen Ehrenrechte erkannt werden kann, wird bestraft: 1. wer vorsätzlich Gegenstände, welche bestimmt sind, Anderen als Nahrungs- oder Genußmittel zu dienen, derart herstellt, daß der Genuß derselben die menschliche Gesundheit zu beschädigen geeignet ist, ingleichen wer wissentlich Gegenstände, deren Genuß die menschliche Gesundheit zu beschädigen geeignet ist, als Nahrungs- oder Genußmittel verkauft, feilhält oder sonst in Verkehr bringt; 2. wer vorsätzlich Bekleidungsgegenstände, Spielwaren, Tapeten, Eß-, Trink- oder Kochgeschirr oder Petroleum derart herstellt, daß der bestimmungsgemäße oder vorauszusehende Gebrauch dieser Gegenstände die menschliche Gesundheit zu beschädigen geeignet ist, ingleichen wer wissentlich solche Gegenstände verkauft, feilhält oder sonst in Verkehr bringt. Der Versuch ist strafbar. Ist durch die Handlung eine schwere Körperverletzung oder der Tod eines Menschen verursacht worden, so tritt Zuchthausstrafe bis zu fünf Jahren ein“. 110 Günther / Marschner, WeinG 1909, S. 209; RGSt 3, S. 119–123; RGSt 4, S. 92–95. 111 Günther / Marschner, a.a.O., § 13 S. 201. 112 RGSt 16, S. 191–193.

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f) Zerstörung der menschlichen Gesundheit (§ 13) Der Tatbestand des § 13113 ist der gleiche wie § 12, es tritt lediglich an Stelle des Geeignetseins zur Schädigung der menschlichen Gesundheit die Geeignetheit zur Zerstörung der menschlichen Gesundheit, sowie der besonders qualifizierte Vorsatz, dass dem Täter diese Eigenschaft bekannt war114. In dem Zerstören der Gesundheit kann nur ein bleibender Nachteil für die geistige oder körperliche Gesundheit gesehen werden. Dass dieser Nachteil wirklich eintritt, ist nicht erforderlich. War der Erfolg aber gewollt und tritt derselbe wirklich ein, liegt ideales Zusammentreffen einer schweren Körperverletzung oder Tötung mit dem Verbrechen des § 13 vor. Der Tatbestand des § 13 ist dann erfüllt, wenn der Erfolg nicht gewollt war, der Täter sich aber im „frevelhaften Leichtsinn über die möglichen Folgen hinwegsetzte, mithin eine Kombination von vorsätzlichem und fahrlässigem Tatbestand“115. Der Versuch dieses Verbrechens ist strafbar.

g) Fahrlässigkeit (§ 14) Bei den in §§ 12, 13 genannten Handlungen war auch die fahrlässige Begehung strafbar (§ 14)116.

7. Zusammenfassung Das Nahrungsmittelgesetz von 1879 war ein erster Anfang, spezialgesetzlich gegen die Verfälschung von Nahrungsmitteln und das Inverkehrbringen von verdorbenen Speisen und Getränken vorzugehen.

113 § 13: „War in den Fällen des § 12 der Genuß oder Gebrauch des Gegenstandes die menschliche Gesundheit zu zerstören geeignet und war diese Eigenschaft dem Thäter bekannt, so tritt Zuchthausstrafe bis zu zehn Jahren, und wenn durch die Handlung der Tod eines Menschen verursacht worden ist, Zuchthausstrafe nicht unter zehn Jahren oder lebenslängliche Zuchthausstrafe ein. Neben der Strafe kann auf Zulässigkeit von Polizeiaufsicht erkannt werden“. 114 Stenglein, Band I, 2. Auflage, 1895, § 14 S. 238. 115 Ebd. 116 § 14: „Ist eine der in den §§ 12, 13 bezeichneten Handlungen aus Fahrlässigkeit begangen worden, so ist auf Geldstrafe bis zu eintausend Mark oder Gefängnisstrafe bis zu sechs Monaten und, wenn durch die Handlung ein Schaden an der Gesundheit eines Menschen verursacht worden ist, auf Gefängnißsstrafe von einem Monat bis zu drei Jahren zu erkennen“.

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Das Gesetz habe seinen Zweck, die Konsumenten gegen gesundheitliche und wirtschaftliche Schädigung durch ungeeignete Nahrungsmittel erfüllt und in kurzer Zeit „die gröbsten Falsifikate aus dem Handel verdrängt“117. Andererseits sei der Boden, auf dem das NMG 1879 beruhe, „ein unsicherer und schwankender“118. So wie man die polizeilichen Vorschriften in ihrer Allgemeinheit als eine „gefährliche Berechtigung der Behörden zu Schikanen und peinlichen Einmischungen“ in den Gewerbebetrieb und die Fabrikation der vom Gesetz erfassten Gegenstände getadelt habe, so sind auch die strafrechtlichen Vorschriften viel zu allgemein und die Tatbestände nicht klar genug umrissen119. Der Weinsektor konnte allerdings durch dieses Gesetz nicht sonderlich beeindruckt werden, da es insoweit an der Konkretheit mangelte, Weinvergehen erfassen und aburteilen zu können. Das unlautere Geschäft mit Billigweinen, in dem kein Naturwein enthalten war, die jedoch dem Geschmack der Konsumenten entsprachen, lastete wie ein „schweres Gewicht“ auf den ehrlichen Händlern und Produzenten120. Schon bald nach Erlass des NMG 1879 wurden Rufe laut, ein eigenes, selbständiges Weingesetz zu erlassen, dass sich ausschließlich der Weinbereitung und dessen Inverkehrbringen widmen sollte, was dann 13 Jahre später, im April 1892 erfolgte.

8. Ausblick Das NMG 1879 wurde durch das Lebensmittelgesetz vom 5. Juli 1927121 abgelöst, ebenso § 367 Nr. 7 und die vorgenannte Verordnung gegen irreführende Bezeichnungen. Nach wie vor stand der Schutz des Verbrauchers vor Verfälschungen und Irreführung im Mittelpunkt der Regelungen; die ohnehin kaum praktikable Unterscheidung zwischen Lebens- und Genussmitteln wurde aufgegeben und stattdessen der nun gesetzlich definierte Begriff des „Lebensmittels“ eingeführt122.

117 So die positive Bilanz von Beythien, Adolf, Zeitschrift für Untersuchung der Nahrungsund Genußmittel, sowie der Gebrauchsgegenstände, Jahrgang 1914, S. 575. 118 von Schwarze, a.a.O., S. 81. 119 So kritisch von Schwarze, a.a.O., S. 81/82 schon bei Inkrafttreten des NMG 1879. 120 Wichmann, Fritz, Der Kampf um die Weinverbesserung im deutschen Reich, 1902, S. 18. 121 RGBl. I 1927, 134. 122 § 1 LMG 1927.

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Im Laufe der Jahre notwendig gewordene Neuerungen sind in das Gesetz zur Änderung des LebensmittelG vom 11. Dezember 1935123 aufgenommen worden. Die amtliche Begründung wurde im Reichsanzeiger Nr. 298 vom 21. Dezember 1935 bekannt gemacht. Die wesentlichsten Änderungen bestanden in einer Ergänzung des § 4 Nr. 3 LebensmittelG und in einer Erweiterung des § 5 LebensmittelG124. Durch Bekanntmachung des Reichsministers des Innern vom 17. Januar 1936125 wurde das Lebensmittelgesetz neu gefasst. Eine weitere Änderung erfolgt durch Verordnung vom 14. August 1943126, nach der die Strafvorschriften der §§ 11, 12 LMG 1927 wesentlich verschärft wurden127 Nach dem Zusammenbruch des Deutschen Reiches im Mai 1945 galten in den Westzonen die bis dahin in Kraft befindlichen Vorschriften des Lebensmittelrechts weiter128. Die Diskussion um die Verwendung von Farb- und Konservierungsstoffen129 in Lebensmitteln führte zum Erlass des Änderungsgesetzes vom 21. Dezember 1958, mit dem das LMG durch das sog. „Fremdstoffverbot“ ergänzt wurde130. Mit dem Gesetz zur Neuordnung und Bereinigung des Rechts im Verkehr mit Lebensmitteln, Tabakerzeugnissen, kosmetischen Mitteln und sonstigen Bedarfsgegenständen vom 15. August 1974 wurde ein neues Lebensmittel- und Bedarfsgegenständegesetz (LMBG) erlassen, das künftig das „Kernstück des gesamten Lebensmittelrechts“ bilden sollte131. Das LMBG selbst wurde am 7. September 2005 durch das Lebensmittel- und Futtermittelgesetzbuch (LFGB)132 ersetzt und als Verbraucherschutzgesetz konzipiert. Lebens- und Futtermittel sind seither in einem Gesetz geregelt133 und somit die gesamte Nahrungskette erfasst.

123 124 125 126 127 128 129 130 131 132 133

RGBl. 1935 I, 1430. Hieronimi, Getränkegesetze, LMG, Vorbem., S. 70. RGBl. 1936 I, 17. Haase, Jörg Walter, Die Entwicklung des Lebensmittelrechts in Deutschland, S. 46; RGBl. I 1943, S. 488. Hieronimi, a.a.O., Getränkegesetze, LMG, Vorbem., S. 71. Haase, a.a.O., S. 48. Die als krebserregend angesehen wurden und dies teilweise auch waren. Bis zu diesem Zeitpunkt, mithin neun Jahre nach Gründung der Bundesrepublik, war das LMG 1943 aktuell geltendes Recht, so Haase, a.a.O., S. 48. Mettke, Die Entwicklung des Lebensmittelrechts, GRUR 1979, S. 817 (821). Neu gefasst durch Bekanntmachung v. 24. Juli 2009, (BGBl I 2205). Zur geschichtlichen Entwicklung des deutschen Lebensmittelrechts: Zipfel / Rathke / Sosnitza, Lebensmittelrecht, Bd. II, Stand März 2018, 170. EL.2014, Rn. 7–28.

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III. Reblausbekämpfungsgesetze von 1883 und 1904134 1. Die Reblaus – ein Einwanderer aus Nordamerika Die Reblaus (Phylloxera vitifolea) wurde um 1860 zusammen mit zwei weiteren Rebkrankheiten, der Peronospora und dem Oidium, auch echter Mehltau genannt, aus Amerika nach Europa eingeschleppt. In Frankreich wurde die Reblaus zum ersten Mal 1863 festgestellt, als man im Zuge der Bekämpfung des Oidiums, das etwa um 1850 aufgetreten war, bewurzelte, hiergegen resistente Rebstöcke aus Amerika einführte. Schnell und unaufhaltsam drang die Reblaus dann in alle Weinbaugebiete Europas vor. 1874 wurde sie in Deutschland zum ersten Mal festgestellt, in der königlichen Domäne auf dem Annaberg bei Bonn. 1881 stellte man fortgeschrittene Ansteckungen in den Weinbergen im Ahrtal fest. Es wurden dort 4500 kranke Stöcke gefunden. Ende September 1884 kam die besorgniserregende Nachricht, dass der Schädling auf dem rechten Rheinufer bei Linz und dem Ockenfels ausgemacht wurde135 Schon 1872 hatte die Reblaus Österreich erreicht und 1874 die Schweiz136. Der europäische Weinbau war in seiner Existenz bedroht. Die Wurzellaus saugt an den Wurzeln der Rebe, um Nahrung aufzunehmen und scheidet dabei ein giftiges Ferment ab, das zu Wurzelanschwellungen, Nodositäten (an jungen Wurzen) und Tuberositäten (an älteren Wurzeln) führt137. Die Rückgangserscheinungen und damit die Infektion wird oft erst im zweiten oder dritten Jahr nach dem Befall bemerkt, und fünf bis sechs Jahre vergehen in der Regel, bis die von der Krankheit ergriffenen Stöcke absterben138. In der Zwischenzeit ist die Reblaus oftmals schon durch Schuhe und Gerätschaften des Winzers weiterverbreitet worden. In Deutschland wurde nach Bekämpfungsversuchen mit Schwefelkohlenstoff das sogenannte Honnefer Verfahren angewandt: Verbrennung der befallenen Reben und Pfähle, Füllung der Erdlöcher im Umkreis mit Schwefelkohlenstoff und Übergießen der Erdoberfläche mit Petroleum139. Von 1894 bis 1890 wurden 134 Reichsgesetz vom 3. Juli 1883, betr. die Abwehr und Unterdrückung der Reblauskrankheit (RGBl. 1883, S. 149); Gesetz zur Bekämpfung der Reblaus vom 6. Juli 1904 (RGBl. 1904, S. 261). 135 Dufour, J., Führer des Winzers im Kampf gegen die Reblaus. Aarau 1895, S. 12. 136 Müller, Karl, Weinbaulexikon, 1930, S. 671–677 (674). 137 Dufour, a.a.O., S. 42. 138 Dufour, a.a.O., S. 25. 139 Schwemmer, Die Reblausbekämpfung im Wandel der Zeiten, Neustadt 1961, S. 17; ausführlich zu den Bekämpfungsmitteln, Müller, Karl, a.a.O., S. 666–670.

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in Deutschland über 830.000 Rebstöcke verbrannt, darunter 680.000 gesunde140. Dieses vermeintliche Vernichtungsverfahren wurde bis nach dem zweiten Weltkrieg beibehalten. Alle Bekämpfungsmaßnahmen waren letztlich vergebens. Die Ertragsrebfläche in Deutschland hatte 1900 noch etwa 90.000 ha umfasst, bis zum Jahr 1914 war sie durch Reblausbefall auf 72.000 ha und bis zum Jahr 1959 auf nur noch 60.000 ha141 dezimiert worden. Über 70% der Rebfläche des Bundesgebietes waren im Jahr 1958 reblausverseucht.

2. Reblausbekämpfungsgesetz von 1883 Schon bevor die Reblaus in Deutschland 1874 entdeckt wurde, hatte die Reichsregierung am 11. Februar 1873 vorbeugend ein Verbot der Einfuhr von Wurzelund Blindreben in das deutsche Zollgebiet erlassen142. Durch Verordnung vom 31. Oktober 1879143 erfolgten Verschärfungen und Ausdehnung des Einfuhrverbotes u.a. auf Rebenblätter. Die Verordnung vom 4. Juli 1883144, die als Ausführungsbestimmung zur internationalen Reblauskonvention vom 3. November 1881145 erlassen wurde, enthielt weitere Einfuhrbeschränkungen, wie Verbot der Einfuhr von ausgerissenen Weinstöcken, trockenem Rebholz, gebrauchten Weinpfählen, selbst Kompost und Düngererde war hiervon erfasst, § 1. Um seinen Verpflichtungen aus der internationalen Reblauskonvention nachzukommen, erließ das Deutsche Reich am 3. Juli 1883 das hier zu betrachtende Gesetz146, das auch als „Lex Buhl“ bezeichnet wurde. Es wurde durch das Gesetz zur Bekämpfung der Reblaus vom 6. Juli 1904147 ersetzt148 und später in das Recht der Bundesrepublik Deutschland übernommen149. Das erste Reichsgesetz vom 3. Juli 1883 zur Abwehr der Reblaus beschäftigt sich fast ausschließlich mit den polizeilichen Maßregeln zur Unterdrückung der Reblauskrankheit und enthält nur in § 12 in Verbindung mit den §§ 4 und

140 141 142 143 144 145 146 147 148 149

Schwemmer, a.a.O., S. 19. Rebfläche im Jahr 2018: 102.000 ha. Kaiserliche Verordnung, RGBl. 1873, S. 43. Kaiserliche Verordnung, RGBl. 1879, S. 303. RGBl. 1883, S. 153. RGBl. 1882, S. 125 nebst Deklaration vom 15. April 1889, RGBl. 1889, S. 203 (Berner Zusatzabkommen) – Bern 15.4.1889. RGBl. 1883, S. 149. RGBl. 1904, S. 261. In Kraft seit 1. April 1905. Das Reblausgesetz wurde durch § 44 Abs. 2 des Pflanzenschutzgesetzes vom 15.9.1986 zum 30. Juni 1987 aufgehoben (BGBl. I 1986, Nr. 49 S. 1505).

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8 eine Strafbestimmung und mittelbar in der hierzu erlassenen Verordnung vom 4. Juli 1883150. Nach § 12 machte sich strafbar, wer den Bestimmungen der §§ 4 und 8 zuwider handelte151. Nach § 4 wurden in den Weinbaugebieten des Reiches alle Gemarkungen (Ortsfluren), in welchen Weinbau betrieben wird, bestimmten Weinbaubezirken zugeteilt. Die Grenzen dieser Bezirke werden von den beteiligten Landesregierungen festgesetzt und durch den Reichskanzler im Zentralblatt für das Deutsche Reich bekannt gemacht. Die Versendung und die Einführung bewurzelter Reben in einen Weinbaubezirk wurde untersagt (§ 4 Abs. 2). Für den Verkehr zwischen den einzelnen Weinbaubezirken konnten mit Zustimmung des Reichskanzlers Ausnahmen von diesem Verbote von den LandesZentralbehörden zugelassen werden; auch konnten die höheren Verwaltungsbehörden der einzelnen Bundesstaaten Ausnahmen zu Gunsten desjenigen gestatten, welcher Rebpflanzungen in benachbarten Weinbaubezirken besaß. Innerhalb des einzelnen Weinbaubezirks war der Verkehr mit bewurzelten Reben aus Rebschulen verboten, in welchen andere als in diesem Bezirke übliche Rebsorten gezogen wurden oder innerhalb der letzten drei Jahre gezogen worden waren (§ 4 Abs. 4). § 4 Nr. 5 enthielt eine Legaldefinition für Weinbau: „Weinbau im Sinne dieses Gesetzes ist die Pflanzung und Pflege der Rebe zum Zweck der Weinbereitung“. Das Gesetz fand daher nur Anwendung auf Keltertrauben. Grundsätzlich waren Tafeloder Esstrauben und deren gartenmäßiger Anbau ausgenommen. Allerdings bezogen sich das Verbot der Versendung oder Einführung sowie die Verkehrsbeschränkungen, welche aufgrund des Gesetzes eingeführt wurden, auch auf Rebanlagen dieser Art, wenn diese in einem Weinbaubezirk lagen, d.h. in einer Gemarkung, in welcher Weinbau im Sinne des Absatz 5 betrieben wurde und welche deshalb einem Weinbaubezirk zugeteilt waren. Auf Rebanlagen, die in keinem Weinbaubezirk lagen, bezogen sich die Verkehrsverbote und –beschränkungen nicht152.

150 RGBl. 1883, S. 153. 151 § 12: „Zuwiderhandlungen gegen die Vorschriften der §§ 4 und 8 dieses Gesetzes, gegen die auf Grund derselben erlassenen Verordnungen oder gegen die zur Verhütung der Verbreitung der Reblauskrankheit erlassenen Einfuhr- und Ausfuhrverbote werden mit Geldstrafe bis zu 150 Mark oder mit Haft bestraft“. 152 Stenglein, Bd. I, 2. Auflage, 1895, § 12, S. 461.

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Nach § 8 war der Eigentümer oder Nutzungsberechtigte verpflichtet, der Ortspolizeibehörde unverzüglich Anzeige zu erstatten, wenn auf seinem Grundstück die Reblaus auftrat oder sich Anzeichen für das Vorhandensein des Insekts fanden. Der Tatbestand nach § 12 konnte sowohl durch vorsätzliches als auch durch fahrlässiges Handeln verwirklicht werden. Strafbar war sowohl der Absender als auch der Einführer, dies konnte auch der Empfänger sein, der die Reben bestellt hatte. Vollendet war die Tat mit Aufgabe der Sendung bei dem Verkehrsunternehmen, Eisenbahn, Schiff oder Fuhrwerk, denn mit der Hingabe zum Transport erschien der Transportgegenstand als in der Versendung begriffen153. Erfolgte die Versendung im einverständlichen Zusammenwirken des Absenders mit dem Empfänger, so waren sie Mittäter. Auch insoweit tritt Vollendung mit der Absendung ein. Ist dagegen der Adressat ohne Verschulden, z.B. durch Zusendung ohne Bestellung oder zum Verkauf in Kommission, so kann er sich durch die Annahme strafbar machen, da er dann der Einführer der Reben ist. Die Strafbarkeit tritt mit der Annahme ein154. § 12 ist angesichts seiner Strafdrohung Übertretung, so dass weder Versuch noch Beihilfe strafbar sind. Anstiftung und Mittäterschaft sind bei vorsätzlicher Begehung möglich.

3. Reblausbekämpfungsgesetz von 1904 Durch dieses Gesetz wurde das Gesetz vom 4. Juli 1883 aufgehoben. Es enthielt vier Strafbestimmungen in den §§ 9–12.

a) § 9: Verbreitung der Reblaus Nach § 9 machte sich strafbar, wer vorsätzlich die Reblaus auf einem Grundstück verbreitete155. Vollendet war die Tat mit dem Beginn der auf dem Grundstück erfolgten Verbreitung, dazu genügt eine einzige, sich partenogenetisch vermehrende Reblaus156.

153 Ders., S. 461/462. 154 Stenglein, Bd. I, 1895, S. 462. 155 § 9: „Mit Gefängnis nicht unter einem Monat und mit Geldstrafe bis zu eintausend Mark wird bestraft, wer vorsätzlich die Reblaus auf einem Grundstücke verbreitet. Der Versuch ist strafbar“. 156 Stenglein, Bd. I, 4. Aufl., 2011, S. 360.

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b) § 10: Ein- und Ausfuhr von Reben157 Nach Nr. 1 war die Ein- und Ausfuhr von Reben über die Grenzen eines Weinbaubezirks mit Strafe bedroht. Nach Nr. 2 machte sich strafbar, wer den Anordnungen zum Schutze gegen die Reblaus bei der Ein- und Ausfuhr über die Grenzen des Reichs zuwiderhandelte. Die Ein- und Ausfuhrverbote waren zum einen in der Kaiserlichen Verordnung vom 11. Februar 1873158 enthalten: Verbot der Einfuhr von Reben zum Verpflanzen über sämtliche Grenzen des Zollgebietes; Verordnung vom 31. Oktober 1879159: Verbot fortan für alle Reben, gleichgültig ob zum Verpflanzen bestimmt oder geeignet sowie auf alle sonstigen Teile des Rebstocks wie Rebenblätter; Einfuhr von Trauben nur gestattet, wenn zu deren Verpackung keine Rebenblätter verwendet worden sind; Verordnung betreffend das Verbot der Ein- und Ausfuhr von Pflanzen und sonstigen Gegenständen des Weinund Gartenbaus vom 4. Juli 1883160, wonach auch die Einfuhr von ausgerissenen Rebstöcken, trockenem Rebholz, gebrauchten Weinpfählen und auch Kompost und Düngererde verboten war, § 1. Die Infektion konnte auch durch junge Obstbäume, Sträucher, Hecken, überhaupt durch jede beliebige, sich in unmittelbarer Nachbarschaft von phylloxerakranken Reben befindliche Pflanze weiter getragen werden161. Weitere Ein- und Ausfuhrbeschränkungen enthielten die Bekanntmachungen vom 24. Mai 1884162, vom 24. August 1884163, die Verordnungen vom 16. Juni 1886164 und vom 7. April 1887165.

157 § 10: „Mit Gefängnis bis zu einem Jahre und mit Geldstrafe bis zu eintausend Mark oder mit einer dieser Strafen wird bestraft: 1. Wer vorsätzlich dem Verbote des § zuwider Reben über die Grenzen eines Weinbaubezirks versendet, einführt oder ausführt; 2. Wer vorsätzlich den nach Maßgabe des § 2 oder des § 3 Abs. 4 erlassenen Anordnungen oder den zum Schutze gegen die Reblaus für die Ein- und Ausfuhr über die Grenzen des Reichs erlassenen Vorschriften zuwiderhandelt; 3. Wer wissentlich unrichtige Eintragungen in die nach § 5 zu führenden Bücher macht oder die nach Maßgabe des § 5 von ihm geforderte Auskunft wissentlich unrichtig erteilt. 158 Kaiserliche Verordnung, RGBl. 1873, S. 43. 159 Kaiserliche Verordnung, RGBl. 1879, S. 303. 160 Kaiserliche Verordnung, RGBl. 1883, S. 153–155. 161 Dufour, a.a.O., 1895, S. 19. 162 Bekanntmachung betr. den Verkehr mit Erzeugnissen und Gerätschaften des Weinbaus in den deutsch-französischen Grenzbezirken vom 24. Mai 1884 (RGBl. S. 51). 163 Bekanntmachung betr. den Verkehr mit Erzeugnissen und Gerätschaften des Weinbaus in den deutsch-schweizerischen Grenzbezirken vom 24. August 1884 (RGBl. S. 191). 164 Verordnung betr. die Einfuhr und die Ausfuhr von Gewächsen sowie von sonstigen Gegenständen des Wein- und Gartenbaus vom 16.6.1886 (RGBl. S. 191). 165 Verordnung betr. die Einfuhr bewurzelter Gewächse aus den bei der internationalen Reblauskonvention nicht beteiligten Staaten vom 7. April 1887 (RGBl. S. 155).

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Nr. 3 stellte die wissentlich unrichtige Führung von Büchern und wissentlich erteilte falsche Auskünfte unter Strafe166.

c) § 11: Fahrlässige Begehung § 11 stellte die fahrlässige Begehung der nach §§ 9, 10 begangenen Straftaten unter Strafe167. Ergänzend führte § 11 Nr. 3 die Verweigerung der Auskunft an, die im vorsätzlichen Delikt in § 10 Nr. 3 nicht aufgeführt war. Eine Verweigerung ist die bewusste Ablehnung der geforderten Auskunft, diese kann ausdrücklich oder konkludent erfolgen. Die Tat ist Vergehen, verjährt in drei Jahren (§ 67 RStGB) und fällt in die Zuständigkeit der Schöffengerichte, § 27 Ziff. 2 GVG.

d) § 12: Verletzung der Anzeigepflicht Nach § 4 ist der Nutzungsberechtige eines Rebgeländes verpflichtet „verdächtige Erscheinungen“, welche auf das Auftreten der Reblaus auf seinem oder dem benachbarten Grundstück schließen lassen, der Ortspolizeibehörde anzuzeigen168. Unterlässt er dies, so ist er nach § 12 strafbar169, es sei denn, dass der Verdacht schon von anderer Seite angezeigt worden ist. § 12 setzt als Unterlassungsdelikt Verschulden voraus, Fahrlässigkeit genügt. Die Tat ist Übertretung und verjährt in drei Monaten, zuständig für die Aburteilung waren die Schöffengerichte170.

166 Nach § 5 hatte jeder, der mit Reben oder Rebteilen Handelt treibt, Bücher zu führen, aus welchen die Herkunft, die Abgabe und der Versand der Reben oder Rebteile zu ersehen ist und der Gemeinde auf Verlangen unter Vorlage dieser Bücher Auskunft zu geben. 167 § 11: „Mit Geldstrafe bis zu dreihundert Mark oder mit Haft wird bestraft: 1. Wer eine der im § 9 oder im § 10 Nr. 1, 2 bezeichneten Handlungen fahrlässig begeht; 2. Wer außer dem Falle des § 10 Nr. 3 den Vorschriften über die nach § 5 zu führenden Bücher zuwiderhandelt; 3. Wer die nach Maßgabe des § 5 von ihm geforderte Auskunft verweigert oder aus Fahrlässigkeit unrichtig erteilt“. 168 § 8 des Reblausgesetzes vom 3. Juli 1883 forderte eine Anzeige bei „Anzeichen für das Vorhandensein des Insekts“. 169 § 12: „Mit Geldstrafe bis zu einhundertfünfzig Mark oder mit Haft wird bestraft, wer der ihm nach § 4 obliegenden Anzeigepflicht nicht genügt“. 170 Stenglein, Bd. I, 4. Auflage 1911, § 12, S. 362.

Fünftes Kapitel: Gesetzgebung bis zum Ende des Kaiserreichs Bis zum Jahr 1879 waren für die Herstellung und den Vertrieb von Wein die allgemeinen Bestimmungen des Reichstrafgesetzbuches maßgeblich. Diese wurden ergänzt und präzisiert durch verschiedene Gesetze, die vor Erlass des WeinG 1892 den Weinsektor betreffende Strafvorschriften enthielten:

I. Vorläufer des Weingesetzes von 1892 1. Blei- und Zinkgesetz von 18881 Dieses Gesetz trat am 1. Oktober 1888 in Kraft (§ 8). Auf den Verkehr mit Wein anwendbare Vorschriften enthält das Gesetz in den §§ 2 Abs. 3 und 3 Satz 1. Diese Vorschriften hatten nicht den Zweck, die Verfälschung des Weines zu verhindern, sondern sollten einer Gefährdung der menschlichen Gesundheit durch Verwendung schädlicher Stoffe vorbeugen2. Nach § 2 Abs. 2 durften bleihaltige Kautschukschläuche nicht als Weinleitungen verwendet werden, nach § 3 Abs. 3 durften zur Aufbewahrung von Wein keine Gefäße verwendet werden, in welchen sich Rückstände von bleihaltigem Schrot befanden. Die zugehörigen Strafvorschriften finden sich in § 43. Die Straftat war Übertretung und konnte nur vorsätzlich begangen werden. Einer fahrlässigen Begehungsweise stand entgegen, dass Gewerbsmäßigkeit vorausgesetzt wurde, der Täter also mit dem Bewusstsein handeln musste, der Gegenstand sei zur gewerblichen Verwendung bestimmt4.

1 2 3

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Reichsgesetz über den Verkehr mit blei- und zinkhaltigen Gegenständen vom 25. Juni 1887 (RGBl. S. 273). So von der Pfordten, WeinG 1901, Einleitung, S. 2. § 4: Mit Geldstrafe bis zu einhundertfünfzig Mark oder mit Haft wird bestraft: 1. wer Gegenstände der in §§ 1, 2 Abs. 1 und 2, § 3 Absatz 1 und 2 bezeichneten Art, den daselbst getroffenen Bestimmungen zuwider gewerbsmäßig herstellt, 2. wer Gegenstände, welche den Bestimmungen im § 1, § 2 Absatz 1 und 2, § 3 Absatz 1 und 2 bezeichneten Art zuwider herstellt, aufbewahrt oder verpackt sind, gewerbsmäßig verkauft oder feilhält, 3. wer Druckvorrichtungen, welche den Vorschriften in § 1 Absatz 3 nicht entsprechen, zum Ausschank von Bier oder bleihaltige Schläuche zur Leitung von Bier, Wein oder Essig gewerbsmäßig verwendet. Stenglein, Bd. I, 4. Aufl., 1911, Anm. 8 S. 642.

https://doi.org/10.1515/9783110682816-007

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a) § 4 Nr. 1 § 4 Nr. 1 betraf die gewerbsmäßige Herstellung der in § 1, § 2 Abs. 1 und 2 sowie der in § Abs. 1, 2 genannten Gegenständen wie Ess-, Trink und Kochgeschirre, worauf hier nicht näher eingegangen werden soll.

b) § 4 Nr. 2 Den Tatbestand des § 4 Nr. 2 erfüllte, wer Gefäße die Rückstände von bleihaltigem Schrot enthielten (§ 3 Abs. 3 S. 1) und zur Aufbewahrung von Getränken dienten, gewerbsmäßig verkaufte oder feilhielt. Zur Tatbestandsverwirklichung genügte das bloße Aufbewahren der Gefäße, wie etwa Weinflaschen, die zum Verkauf anstanden5, dagegen nicht die im Keller befindlichen Fässer zur Weinlagerung, die in keinem Bezug zu Verkauf oder Feilhalten standen. § 4 Nr. 2 stellte nur Verkauf und Feilhalten dieser Behältnisse unter Strafe, so dass die Verbotsvorschrift (§ 3 Abs. 3) und die Strafvorschrift nicht völlig übereinstimmten6.

c) § 4 Nr. 3 Nach Nr. 3 machte sich strafbar, wer bleihaltige Schläuche zur Leitung von Wein gewerbsmäßig verwendete. „Verwendet“ wurden die Schläuche, sobald Wein zu gewerblichen Zwecken durch sie geleitet wurde7. Die Tathandlung nach Ziffer 3 setzte gewerbsmäßiges Verwenden in einem Weinbaubetrieb voraus; Anschaffung oder probeweise Handhabung war nicht ausreichend.

2. Farbengesetz von 18888 Das Farbengesetz trat am 1. Mai 1888 in Kraft (§ 15). Es setzte die zu § 5 Nr. 1 NMG 1879 erlassene Kaiserliche Verordnung betreffend die Verwendung giftiger Farben vom 1. Mai 18829 außer Kraft. Das Farbengesetz zählte die Farben, die als gesundheitsschädlich bei der Herstellung von Nahrungs- und Genussmitteln zu gelten hatten, erschöpfend auf. Auf den Verkehr mit Wein anwendbare Vorschriften enthält das Gesetz in den §§ 1 und 2, deren Schutz einer Gefährdung 5 6 7 8

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Stenglein, Bd. I, 1895, S. 246. von der Pfordten, NMG, II. Blei- und Zinkgesetz, S. 63. Stenglein, Bd. I 1895, S. 246. Reichsgesetz vom 5. Juli 1887, betr. die Verwendung gesundheitsschädlicher Farben bei der Herstellung von Nahrungsmitteln, Genußmitteln und Gebrauchsgegenständen (RGBl. S. 277–278). RGBl. 1882, 55–56.

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der menschlichen Gesundheit vorbeugen sollte10. Nach § 1–5, 7, 8 und 10 des Gesetzes durften zur Herstellung von Nahrungs- und Genussmitteln, welche zum Verkauf bestimmt waren, gesundheitsschädliche Farben nicht verwendet werden. In § 1 Abs. 2 war legaldefiniert, was unter gesundheitsschädlichen Farben zu verstehen sei: solche nämlich, die Antimon, Arsen, Baryum, Blei, Cadmium, Chrom, Kupfer, Quecksilber, Uran, Zink, Zinn, Gummigutti, Korallin, Pitrinsäure enthielten. Die Aufzählung in § 1 S. 2 war erschöpfend, unzulässig war eine Ausdehnung des § 1 auf Farben, die ähnliche Stoffe enthielten11. Das Gesetz verbot nicht die Verwendung gesundheitsschädlicher Farben schlechthin, sondern erklärte diejenigen Chemikalien für gesundheitsschädlich, welche in Absatz 2 aufgeführt waren, und stellte die Verwendung von Farbstoffen unter Strafe, welche die betreffenden chemischen Bestandteile enthielten, gleichgültig ob diese aus jenen chemischen Stoffen hergestellt, damit präpariert waren oder ob andere Stoffe, welche Verwendung fanden, damit chemisch verunreinigt waren. Das Vorhandensein von Spuren jener Stoffe war ohne Belang, da absolute chemische Reinheit nicht zu erzielen sei12.

Als verwendet zur Herstellung galt ein Farbstoff, wenn er mit dem Nahrungsoder Genussmittel so verbunden war, dass er mit demselben genossen wurde13. § 1 setzte ferner voraus, dass der Gegenstand zum Verkauf bestimmt war, er galt also nicht bei der Herstellung zum Hausgebrauch, zum Verschenken usw. Verkauf war nicht streng im Sinne des bürgerlichen Rechts zu verstehen, vielmehr auch „Abgeben gegen Entgelt“, so dass auch der Tausch unter diesen Begriff fiel. Dagegen sollte „Verkauf“ nicht gleichbedeutend sein mit „Inverkehrbringen“14. Nach § 2 durften zur Aufbewahrung oder Verpackung von Nahrungs- und Genussmitteln, welche zum Verkauf bestimmt waren, Gefäße, Umhüllungen oder Schutzbedeckungen, zu deren Herstellung Farben der im § 1 Absatz 2 bezeichneten Art verwendet wurden, nicht benutzt werden. Die hier interessierende zugehörige Strafvorschrift15 fand sich in § 12 Nr. 116. Danach wurde bestraft, wer der Vorschrift der § 1–5, 7, 8 und 10 zuwiderhandelte. Damit waren sowohl § 1 als auch § 2 strafbewehrt.

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So von der Pfordten, WeinG 1901, Einleitung, S. 2. Ders., NMG 1879, III. Farbengesetz, S. 71. Stenglein, Bd. I, 2. Auflage 1895, S. 249. Ebd. von der Pfordten, NMG, aaO, S. 71. Die Ziffern 2 und 3 des § 12 sind für die vorliegende Untersuchung nicht themenrelevant. § 12: Mit Gefängnis bis zu einhundertundfünfzig Mark oder mit Haft wird bestraft: 1. wer den Vorschriften der §§ 1 bis 5, 7, 8 und 10 zuwider Nahrungsmittel, Genußmittel oder Gebrauchsgegenstände herstellt, aufbewahrt oder verpackt, oder derartig hergestellte, aufbewahrte und verpackte Gegenstände gewerbsmäßig verkauft oder feilhält… .

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Die Zuwiderhandlungen gegen das Gesetz konnten vorsätzlich oder fahrlässig begangen werden. Das Merkmal der „Gewerbsmäßigkeit“ schloss die fahrlässige Begehung nicht aus17. In subjektiver Hinsicht war nicht erforderlich, dass der Täter das Bewusstsein hatte, dass der von ihm hergestellte und verkaufte Gegenstand die menschliche Gesundheit zu beschädigen oder zu gefährden geeignet war. Es kam mithin nicht darauf an, ob der Täter die Eigenschaften der zugesetzten Farben kannte, sondern nur darauf, ob er wusste, dass sie die vom Gesetze verbotenen Stoffe enthielten18.

II. Weingesetz von 1892 (WeinG 1892)19 1. Motive des Gesetzgebers Die „schweren Mißstände“ auf dem Gebiet des Lebensmittelwesens sollten durch spezialgesetzliche Bestimmungen bekämpft werden, denn das Nahrungsmittelgesetz 1879 erwies sich hinsichtlich des Verkehrs mit Wein „dieser Aufgabe nicht gewachsen“20. „Abgesehen von dem unbedingten Verbot der Herstellung und des Vertriebs gesundheitsschädlicher Nahrungs- und Genussmittel überließ es die Frage, ob die Verwendung eines Stoffes oder eines Verfahrens bei der Herstellung der Ware als ordnungsmäßig zu betrachten oder ob darin eine verbotene Nachahmung oder Verfälschung zu erblicken sei, der Entscheidung von Fall zu Fall“; gerade bei der Herstellung von Wein gingen die Ansichten jedoch weit auseinander21. Die Rechtsprechung schwankte. Der 1. Strafsenat des Reichsgerichts22 sah jede „Verbesserung“ von Wein durch Zusatz fremder Stoffe, insbesondere auch durch Zuckerwasser23, wenn dies nicht ausdrücklich deklariert wurde, als eine Verfälschung an. Andererseits sah der 2. Strafsenat24 keine Gründe, den Begriff „Wein“ auf diejenigen Produkte der alkoholischen Getränke zu beschränken, bei denen ausschließlich Traubensaft benutzt worden war und den Zusatz jedes weiteren Stoffes als Verfälschung anzusehen. Eine „Mouillage“ saurer Weine durch Zugabe von Sprit, Zucker oder Wasser war danach zu-

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von der Pfordten, NMG, III. Farbengesetz, S. 87. Ders., S. 87/88. Reichsgesetz vom 20. April 1892, betr. den Verkehr mit Wein, weinhaltigen und weinähnlichen Getränken (RGBl. S. 597–600). Günther / Marschner, a.a.O., S. XIII. Ebd. Urteil vom 20.1.1887, RGSt 15, S. 191–193. Sog. „Gallisierung“ nach Ludwig Gall: Zugabe von Zucker in wässriger Lösung. Urteil vom 2. November 1886, RGSt 14, 428.

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lässig, „soweit sie dazu diente, dem behandelten Traubenmost den Charakter eines Genussmittels zu geben oder zu erhalten, oder den Genusswert zu erhöhen“. Es galt mithin, die bestehende Rechtsunsicherheit durch ein Spezialgesetz zu beseitigen.

2. Überblick Durch das erste deutsche Weingesetz vom 20. April 1892 wurde eine Reihe von Stoffen, hauptsächlich solche gesundheitsschädlicher oder verdächtiger Art, von der Weinbereitung ausgeschlossen; der Vertrieb des mit ihrer Hilfe hergestellten Weines wurde verboten, §§ 1, 2 WeinG 1892. „Im Übrigen lehnte sich das Gesetz eng an das Nahrungsmittelgesetz an, besonders an § 10, als dessen authentische Interpretation es sich im wesentlichen darstellte, indem es einerseits die Anwendung bestimmter Stoffe und Verfahren bei der Weinbereitung als Verfälschung bezeichnete“, andererseits unschädliche und für die Kellerbehandlung des Weines als unentbehrlich betrachteter Stoffe ausdrücklich von den Strafbestimmungen des Nahrungsmittelgesetzes ausnahm25,26. Den Zusatz von Zucker oder Zuckerwasser gestattete das Gesetz unter der Bedingung, dass der Gehalt des Weines an Extraktstoffen und Mineralbestandteilen dadurch nicht unter die Grenzen herabgesetzt wurden, die bei ungezuckertem Wein des Weinbaugebiets in der Regel beachtet werden. Die Festsetzung dieser Grenzen wurde dem Bundesrat überlassen27. Die Herstellung und der Vertrieb von Kunstwein wurde nicht verboten, sondern ausdrücklich gestattet, sofern dieser als solcher bezeichnet wurde, § 4 Abs. 2.

3. Definition des Weins Das WeinG 1892 enthielt lediglich 13 Paragraphen. Eine Definition von Wein war nicht enthalten. Als Wein galt das durch alkoholische Gärung des reinen Traubenmostes hergestellte Getränk28; weinhaltige Getränke waren solche, die zum Teil aus Wein, zum Teil aus anderen Stoffen bestanden (Weinschorle – heute legaldefiniert in § 2 Nr. 2 WeinG 1994). Weinähnliche Getränke waren diejenigen, die aus anderen Stoffen als Traubenmost bereitet waren und auch als Ersatzmittel für Wein dienten. Obstweine, wie Apfel-, Heidelbeer- oder Johannisbeerweine (aktuell geregelt in § 10 Abs. 1 AGeV), Tresterwein, welcher durch Aufgießen von Zuckerwasser auf schon ausgepresste Traubenbeeren gewonnen wird sowie der Hefenwein, ein Gemisch aus Zuckerwasser, Weinhefe, 25 26 27 28

Günther / Marschner, a.a.O., S. XVI. Beispielsweise Schönung, Entsäuerung und Verschnitt. Bekanntmachung vom 29. April 1892 (RGBl. S. 600). Bujard, WeinG 1892, Einleitung, S. 1; Stenglein, Bd. I, 1895, S. 260; erst neun Jahre später in § 1 WeinG 1901 gesetzlich definiert.

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Weinsäure und Tannin29. Alle diese Getränke unterlagen dem Verbot des § 1, dem Getränk bestimmte gesundheitsschädliche Stoffe30 zuzusetzen und es feilzuhalten oder zu verkaufen (§§ 1, 2 Abs. 1)31.

4. Gesetzessystematik Die Vorschriften des WeinG 1892 gliederten sich in gesundheitspolizeiliche (§§ 1 und 2), verkehrspolizeiliche (§§ 3–6) und allgemeine (§§ 7–13), in Letzteren waren die Strafbestimmungen enthalten und Ausführungsverordnungen vorgesehen32.

5. Strafvorschriften Die Strafvorschriften waren in den §§ 7 und 8 enthalten, § 9 regelte die Einziehung der Getränke, welche vorschriftswidrig hergestellt waren. Hier zeigte sich die für das Nebenstrafrecht typische Tendenz, wie schon die §§ 8 und 9 NMG 1879, Blankettvorschriften zu normieren, also solche Straftatbestände, die nicht selbst das Verbot enthielten, sondern auf Verbotsvorschriften verwiesen. In § 7 waren Binnenverweisungen enthalten, zudem galten nach § 10 WeinG 1892 subsidiär die (Straf-)Bestimmungen des NMG 1879.

a) § 733 Nr. 1 Nach § 7 Nr. 1 WeinG 1892 machte sich strafbar, wer dem Wein die unter § 1 aufgezählten gesundheitsschädlichen Stoffe34 zusetzte und diese Weine feilhielt oder verkaufte (§§ 1, 2 Abs. 1). Geschützes Rechtsgut war also die menschliche Gesundheit. Ausnahmsweise lag bei Zusetzung eines der in § 1 genannten Stoffe 29

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Cognac, Rum und andere Spirituosen waren weder weinhaltige noch weinähnliche Getränke; auf sie bezog sich das Gesetz nicht: Stenglein, Bd. I, 1895, S. 260/261; Bujard, WeinG 1892, S. 60. Lösliche Aluminiumsalze, Baryumverbindungen, Borsäure, Glycerin, Kermesbeeren, Magnesiumverbindungen, Salicylsäure, unreiner Sprit, unreiner Stärkezucker, Strontiumverbindungen, Theerfarbstoffe, oder Gemische, welche einen dieser Stoffe enthalten. Näher zu diesen Stoffen und zu ihren Risiken Würzburg, Nahrungsmittelgesetzgebung, S. 245–246. Stenglein, Bd. I., 2. Auflage 1895, S. 260; Würzburg, a.a.O., S. 245. Würzburg, a.a.O., S. 244. § 7: Mit Gefängniß bis zu sechs Monaten und mit Geldstrafe bis zu eintausendfünfhundert Mark oder mit einer dieser Strafen wird bestraft: 1. wer den Vorschriften der §§ 1 oder 2 vorsätzlich zuwiderhandelt; 2. wer wissentlich Wein, welcher einen Zusatz der im § 3 Nr. 4 bezeichneten Art erhalten hat, unter Bezeichnungen feilhält oder verkauft, welche die Annahme hervorzurufen geeignet sind, daß ein derartiger Zusatz nicht gemacht ist“. Erläuterungen und Risiken bei: Würzburg, a.a.O., S. 245–246.

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eine Verletzung des Verbots nicht vor bei Weinen, die für den eigenen Gebrauch des Winzers hergestellt wurden (sog. Haustrunk). Der Winzer selbst war mithin nicht schutzwürdig. Familienmitglieder und Bedienstete des Winzers waren jedoch durch das Verbot geschützt. Deshalb sollte das Verbot bereits dann gelten, wenn der Zusatz „in einem größeren Vorrat gemacht wurde, ohne Kautelen für den eigenen Verbrauch“35. Nach § 7 Nr. 1 konnte ferner bestraft werden, wer Rotwein feilhielt oder verkaufte, dessen Gehalt an Schwefelsäure die in § 2 Abs. 2 genannten Werte überstieg, mithin der Gehalt an Schwefelsäure in einem Liter Flüssigkeit höher lag als sich in 2 Gramm neutralem schwefelsauren Kaliums befindet. Geschütztes Rechtsgut war auch hier die menschliche Gesundheit, ein zu starkes Schwefeln des Weines sollte verhindert werden.

b) § 7 Nr. 2 Nach § 7 Nr. 2 WeinG 1892 wurde bestraft, wer wissentlich Wein, welcher einen Zusatz der in § 3 Nr. 4 bezeichneten Art36 enthielt, unter Bezeichnungen feilhielt oder verkaufte, welche die Annahme hervorzurufen geeignet war, dass ein derartiger Zusatz nicht gemacht sei. Nach § 4 Abs. 1 waren die unter Nr. 1–5 genannten Handlungen zwar als Verfälschung i.S.v. § 10 NMG 1879 anzusehen. § 4 Abs. 2 gestattete jedoch ausdrücklich die Herstellung und den Vertrieb von Kunstwein und Rosinenwein „unter einer ihrer Beschaffenheit erkennbar machenden oder anderen sie von Kunstwein unterscheidenden Bezeichnung Tresterwein, Hefenwein, Rosinenwein, Kunstwein oder dergleichen“, wenn die Annahme hervorgerufen werden konnte, dass ein derartiger Zuckerzusatz nicht gemacht wurde.

Der Zusatz von reinem Zucker in Wasser gelöst, war zwar erlaubt, jedoch durfte durch den Zusatz von Zuckerwasser der Gehalt des Weines an Extraktstoffen und Mineralbestandteilen nicht unter eine bestimmte Grenze herabgesetzt werden. Folge dieser Zuckerungsbestimmungen war, dass eine übermäßige Streckung des Weines durch Wasserzusatz bei Einhaltung der Grenzzahlen erfolgte. Zudem war die Herstellung von Kunstwein nach § 4 Abs. 2 WeinG 1892 aus-

35 36

Stenglein, Bd. I, 1895, S. 261. Rohr-, Rüben- oder Invertzucker, Stärkezucker, auch in wässriger Lösung, ohne hierdurch die geforderte Mindestgrenze an Extraktstoffen und Mineralbestandteilen zu unterschreiten.

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drücklich zulässig, sofern dieser als solcher gegenüber dem Verbraucher gekennzeichnet war. Die zulässige Kunstweinherstellung führte dazu dass die Weinpreise sanken und die redlichen Winzer dem Ruin nahe waren37. Die Deklarationspflicht für Kunstwein wurde kaum beachtet und die Weinfälschung und Kunstweinfabriken nahmen in dieser Zeit nie gekannte Ausmaße an38.

Die bei der Weinverbesserung durch Zuckerwasserzusatz zu beobachtenden chemischen Grenzbestimmungen wurden kurz nach der Annahme des Gesetzes durch Verordnung des Bundesrates vom 29. April 189239 festgelegt. Danach sollte der Gesamtgehalt an Extraktstoffen nicht unter 1,5 Gramm, der nach Abzug der nichtflüchtigen Säuren verbleibende Extrakt nicht unter 1,1 Gramm, der nach Abzug der freien Säuren verbleibende Extrakt nicht unter 1 Gramm, der Gehalt an Mineralbestandteilen nicht unter 0,14 Gramm in einer Menge von 100 Kubikcentimeter Wein herabgesetzt werden dürfen.

c) § 840 (Fahrlässige Begehung) Wurde die in § 7 Nr. 1 bezeichnete Handlung fahrlässig begangen, so konnte Geldstrafe bis zu einhundertfünfzig Mark oder Haft verhängt werden. Die Weinverbesserung setzte eine Reihe von chemischen Kenntnissen voraus, die bei den Winzern überwiegend nicht vorhanden waren. Zur Einhaltung der Grenzwerte waren – wie heute bei der Qualitätsweinprüfung – umfangreiche chemische Analysen erforderlich. Und vor allem, wen hätten die Winzer in abgelegenen ländlichen Weinbaugebieten Ende des 19. Jahrhunderts um Rat fragen können? Allgemeinverständliche gesetzliche Vorschriften wären sowohl dem Winzerstand als auch den Weinkonsumenten zugute gekommen.

d) § 9 (Einziehung) In den Fällen des § 7 Nr. 1 und § 8 konnte auf Einziehung der Getränke erkannt werden ohne Unterschied, ob Sie dem Verurteilten gehörten oder nicht. War die Verfolgung oder Verurteilung einer bestimmten Person nicht ausführbar, so konnte auf die Einziehung selbständig erkannt werden.

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Heimermann, a.a.O., S. 4; Günther / Marschner, a.a.O., S. XVII; Rieger, Die Weinfälschung im Strafrecht, S. 8, der seine Abhandlung einleitend noch optimistisch beginnt: „Wein ist eingefangener Sonnenschein“, S. 4. So Heimermann weiter, a.a.O., S. 4. Bekanntmachung, betreffend die Ausführung des Gesetzes über den Verkehr mit Wein, weinhaltigen und weinähnlichen Getränken vom 29. April 1892 (RGBl. S. 600). § 8: „Ist die im § 7 Nr. 1 bezeichnete Handlung aus Fahrlässigkeit begangen worden, so tritt Geldstrafe bis zu einhundertfünfzig Mark oder Haft ein“.

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e) § 1041 (Geltung des NMG 1879) Die Vorschriften des Gesetzes vom 14. Mai 1879 blieben unberührt, soweit die §§ 3 bis 6 des gegenwärtigen Gesetzes nicht entgegenstehende Bestimmungen enthielten. Die Vorschriften in den §§ 16, 17 des Gesetzes vom 14. Mai 1879 fanden auch bei Zuwiderhandlungen gegen die Vorschriften des gegenwärtigen Gesetzes Anwendung. § 10 WeinG 1892 verwiest auf die Strafbestimmungen des Nahrungsmittelgesetzes 1879, die nicht greifen sollten, wenn die §§ 3–6 WeinG 1892 einer Bestrafung entgegenstünden. Wie geschildert42, machte sich nach § 10 Nr. 1 NMG 1879 strafbar, wer zum Zweck der Täuschung im Handel und Verkehr Nahrungsmittel oder Genussmittel nachmachte oder verfälschte. Durch Hinweis in § 10 WeinG 1892 waren die §§ 16, 17 NMG 1879 hinsichtlich einer öffentlichen Bekanntmachung der Verurteilung sowie über die Verwendung der Geldstrafen anwendbar43.

6. Rückblick Von einer Legaldefinition von Wein hat der Weingesetzgeber im ersten deutschen Weingesetz abgesehen, Wein wurde erst durch das spätere WeinG 1901 gesetzlich definiert. Statt dessen hat der Gesetzgeber in § 1 etliche Stoffe, die dem Wein nicht zugesetzt werden durften, in einer Selbstverständlichkeit aufgeführt, die beim Konsumenten berechtigterweise den Eindruck erwecken konnte, dass diese Zugaben giftiger Stoffe (bisher) zum Tagesgeschäft der Winzer gehört haben müssten. Neben dieser handwerklich nicht geglückten Gliederung des Gesetzes wurde Kunstwein salonfähig gemacht und teilweise besteuert44. Die Folge seiner ausdrücklichen Zulassung in § 4 Abs. 2 war eine außergewöhnliche Steigerung der Fabrikation der Kunstweine. Auch der übermäßigen Streckung von Wein war bei Einhaltung der Grenzzahlen keine Schranke gesetzt, weil es leicht möglich war, derartige Weine durch geeignete Behandlung „analysenfest“ zu gestalten. Kunstweine aller Art überschwemmten den Markt – häufig unter hochtrabenden Bezeichnungen und ohne Hinweis auf die Herstellungsweise, so dass der redliche Weinbau und Weinhandel nicht mehr wettbewerbsfähig erschien. Um diese Missstände durch eine Änderung des Weingesetzes abzustellen, setzte die

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§ 10: „Die Vorschriften des Gesetzes vom 14. Mai 1879 bleiben unberührt, soweit die §§ 3 bis 6 des gegenwärtigen Gesetzes nicht entgegenstehende Bestimmungen enthalten. Die Vorschriften in den §§ 16, 17 des Gesetzes vom 14. Mai 1879 finden auch bei Zuwiderhandlungen gegen die Vorschriften des gegenwärtigen Gesetzes Anwendung“. Zu Tatbestand und Rechtsfolge des § 10 NMG, s.o. Viertes Kapitel, II., 6., c). Nähere Ausführungen zum NMG 1879, s.o. Viertes Kapitel, II.). Koch, Weintrinker und Weingesetz, S. 8.

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Reichsregierung eine Kommission von Sachverständigen des Weinbaus, Weinhandels und der Nahrungsmittelchemie, sogenanntes „Weinparlament“ von 1899, ein45.

Nach § 10 WeinG 1892 galten die Strafbestimmungen des NMG 1879, insbesondere § 10, weiterhin subsidiär neben den Strafbestimmungen in §§ 7 und 8 WeinG 1892. Erst 1909 wurden die weingesetzlichen Strafbestimmungen vom NMG 1879 abgekoppelt.

III. Warenzeichengesetz 189446 1. Gesetzesänderungen und Ausblick Das Warenbezeichnungsgesetz (WBG) trat am 1. Oktober 1894 in Kraft. Vom gleichen Zeitpunkt an wurden Anmeldungen von Warenzeichen auf Grund des Gesetzes über Markenschutz vom 30. November 1874 nicht mehr angenommen (§ 26 WBG 1894). Eine Neubekanntmachung des WBG erfolgte am 7. Dezember 192347 sowie durch Gesetz vom 21. März 192548. Das deutsche Warenzeichengesetz (WZG) vom 5. Mai 193649 löste das Warenbezeichnungsgesetz von 1894 ab. Es bewirkte keine grundlegende Änderung des bis dahin geltenden Warenzeichenrechts. Das WZG wurde 1968 neu gefasst50, die Eintragungsfähigkeit blieb allerdings nach § 1 weiterhin den „Gewerbetreibenden“ vorbehalten. Erst das Markenrechtsreformgesetz vom 25. Oktober 199451 brachte mit dem neuen Markengesetz, das das Warenzeichengesetz am 1. Januar 1995 ablöste, eine Änderung des Warenzeichenrechts. Der Begriff „Warenzeichen“ ging im neuen Begriff „Marke“ auf.

2. Geschichtlicher Überblick Während nach dem Markengesetz 1874 nur Gewerbetreibende, deren Firma in das Handelsregister eingetragen war, Warenzeichen eintragen lassen konnten, hatte von 1894 an „jeder Geschäftsmann“ dieses Recht52. Auch solche Personen, 45 46 47 48 49 50 51

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Günther / Marschner, WeinG 1909, S. XVII; von der Pfordten, WeinG 1901, Einleitung S. 3/4. Reichsgesetz vom 12. Mai 1894 zum Schutze der Warenbezeichnungen (RGBl. 1894, S. 441). RGBl. II S. 445. RGBl. II S. 115; Holthöfer / Juckenack, LMG 1927, S. 395. RGBl. II S. 134. Warenzeichengesetz in der Fassung vom 2. Januar 1968 (BGBl. 168 I, S. 29). Gesetz zur Reform des Markenrechts und zur Umsetzung der Ersten Richtlinie 89/104/EWG des Rates vom 21. Dezember 1988 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Marken (Markenrechtsreformgesetz), (BGBl. I S. 3082). Stenglein, Gesetz zum Schutz der Warenbezeichnungen, 1902, Kap. 7, S. 105.

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die dem Firmenzwang nicht unterliegen, wie z.B. Produzenten auf dem Gebiete des Land- und Gartenbaus, können ein erhebliches Interesse daran haben, in dem ausschließlichen Gebrauch derjenigen Bezeichnung geschützt zu sein, mit welchem sie neben dem Namen oder an dessen Stelle ihre Waren besonders kenntlich zu machen suchen. Der Entwurf wollte aber jedem, der rechtsfähig war, den Schutz dieses Gesetzes gewähren53, sodass auch Landwirte und Handwerker Zeichen erlangen könnten54. Der Schutz des Warenzeichens war vom Eintrag ins Zeichenregister abhängig. Dies war hinsichtlich des Namens und der Firma nicht der Fall.

3. Namens-, Firmen- und Markenschutz (§ 14)55 § 14 Abs. 1 gewährte demjenigen eine Entschädigung, dessen Name, Firma oder Marke durch einen anderen widerrechtlich, vorsätzlich oder in grob fahrlässiger Weise, benutzt wurde. Wurde die Handlung wissentlich begangen, so sah § 14 Abs. 2 Geldstrafe oder Gefängnis bis zu sechs Monaten vor. Weinproduzenten konnten nach dieser Vorschrift sowohl Täter als auch Geschädigter sein. Zum strafrechtlichen Tatbestand gehörte, dass es sich um Wein handelte, der sich im Handelsverkehr befand. Wer eine beliebige Flasche Wein mit dem Namen eines renommierten Weingutes versah und diese aus Eitelkeit oder Renommiersucht in einer Wohnzimmervitrine „ausstellte“, war nicht strafbar nach § 14. Das Warenzeichen musste auf der Flasche oder Verpackung angebracht worden sein, ein beigefügtes „Attest“ reichte hierzu nicht aus56.

Wissentlich musste die Zuwiderhandlung begangen worden sein. Grobe Fahrlässigkeit reichte zwar für die zivilrechtliche Entschädigungspflicht aus, für die Strafbarkeit nach Absatz 2 jedoch nicht57.

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Motive S. 9, abgedruckt bei Stenglein, 1902, Kap. 7, S. 105. Stenglein, 1902, a.a.O., S. 105. § 14: (1) Wer wissentlich oder aus grober Fahrlässigkeit Waren oder deren Verpackung oder Umhüllung, oder Ankündigungen, Preislisten, Geschäftsbriefe, Empfehlungen, Rechnungen oder dergleichen mit dem Namen oder der Firma eines anderen oder mit einem nach Maßgabe dieses Gesetzes geschützten Warenzeichen widerrechtlich versieht oder dergleichen widerrechtlich gekennzeichnete Waren in Verkehr bringt oder feilhält, ist dem Verletzten zur Entschädigung verpflichtet. (2) Hat er die Handlung wissentlich begangen, so wird er außerdem mit Geldstrafe von einhundertfünfzig bis fünftausend Mark oder mit Gefängnis bis zu sechs Monaten bestraft. Die Strafverfolgung tritt nur auf Antrag ein. Die Zurücknahme des Antrages ist zulässig“. Stenglein, Warenbezeichnung, 1902, S. 117. Ders., S. 119.

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Fünftes Kapitel

Die Strafverfolgung trat nur auf Antrag des Verletzten ein, in dessen Rechtssphäre durch die Handlung eingegriffen wurde und dessen Name, Firma oder Warenzeichen widerrechtlich verwendet wurde58.

4. Missbräuchliche Aufmachung und Verpackung (§ 15)59 § 15 gewährte sowohl zivil- als auch strafrechtlichen Schutz bei Verwendung einer Verpackungs- oder Aufmachungsidee oder Eigentümlichkeiten eines anderen für dessen Waren, ohne dass der Name oder die Firma eines anderen angegeben wurde; während die zivilrechtliche Entschädigungspflicht hier nicht weiter zu thematisieren ist, verdient § 15 als Strafbestimmung näher beleuchtet zu werden, denn strafrechtlich bewegte sich diese Bestimmung auf sehr dünnem Eis, da sie die Nachahmung von banalen Eigentümlichkeiten eines anderen unter Strafe stellte. Das Gesetz hatte den allgemeinen Titel „zum Schutz von Warenbezeichnungen“ erhalten, weil sein Schutz weit über den Warenzeichenschutz hinausging. Noch weiter gingen die §§ 15 und 16, welche das ins Gesetz „hereinziehen, was in Frankreich als illoyale Konkurrenz“ bezeichnet wurde60. Es handelte sich dabei nicht um Materien, denen etwa durch Eintragung in Register ein gewisses Recht oder Schutz gewährt wurde, sondern nur um durch den Gebrauch feststehende „Eigentümlichkeiten“ in der Aufmachung und Verpackung bestimmter Waren und Getränke, welche allmählich zum Kennzeichen gewisser Ursprungsstätten und besonderer Qualität geworden waren und deshalb nicht von einer skrupellosen Konkurrenz zum Nachteil des Publikums nachgeahmt werden durften61. Es sollte mithin der Verbraucher („das Publikum“) geschützt werden und in zweiter Linie auch der „Rechte“-Inhaber, der über keine eingetragenen Rechte an seinen Kreationen erlangt hatte.

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60 61

Stenglein, Bd. I, 4. Aufl., 1911, § 14 Nr. 21, S. 920. § 15: Wer zum Zwecke der Täuschung in Handel und Verkehr Waren oder deren Verpackung oder Umhüllung, oder Ankündigungen, Preislisten, Geschäftsbriefe, Empfehlungen, Rechnungen oder dergleichen mit einer Ausstattung, welche innerhalb beteiligter Verkehrskreise als Kennzeichen gleichartiger Waren eines anderen gilt, ohne dessen Genehmigung versieht, oder wer zu dem gleichen Zweck derartig gekennzeichnete Waren in Verkehr bringt oder feilhält, ist dem Verletzten zur Entschädigung verpflichtet und wird mit Geldstrafe von einhundert bis dreitausend Mark oder mit Gefängnis bis zu drei Monaten bestraft. Die Strafverfolgung tritt nur auf Antrag ein. Die Zurücknahme des Antrags ist zulässig. Stenglein, Bd. I, 1895, § 15, S. 136. Stenglein, Bd. I, 1895, § 15, S. 136.

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Nach den Gesetzesmotiven62 und dem Entwurf 63 sollte nur geschützt sein, was im redlichen Verkehr als eigentümlicher Hinweis auf eine bestimmte Warenquelle schon zweifellose Anerkennung errungen hatte. Erst dann verletzte die Verwertung einer solchen Bezeichnung zugunsten von Waren, die aus einer anderen Quelle stammten, das Interesse der ehrlichen Produktion und des Publikums, selbst wenn sie nicht mit einer nachweisbaren Schädigung des einzelnen Käufers verbunden war64. Tathandlung war das Versehen von Waren und Getränken mit charakteristischen Verpackungen, Umhüllungen oder Kennzeichen, auch wenn dieselbe noch nicht in den Verkehr gebracht wurde. Das Nachgeahmte musste „innerhalb beteiligter Verkehrskreise als Kennzeichen gleichartiger Waren eines anderen gelten“. Unter Verkehrskreisen waren nicht nur Produzenten oder Handelsleute zu verstehen, sondern ebenso die Käufer. Es bedurfte also des Nachweises, dass die bezeichnete Ware oder das bezeichnete Getränk, wenn jene Bezeichnung verwendet wurde, als das Produkt eines anderen verkauft und gekauft zu werden pflegte. Erbracht werden konnte dieser Beweis wohl nur durch Sachverständige und Zeugen aus den beteiligten Verkehrskreisen65.

5. Falsche Ursprungsbezeichnung (§ 16)66 Diese Bestimmung bekämpft, wie § 15, den unlauteren Wettbewerb, nur der Personenkreis und die Mittel der Täuschung sind verschieden. Während die §§ 14 und 15, wie beschrieben, die einzelnen Produzenten in ihrem Zeichenrecht und seiner Ausstattung schützen, wirkt § 16 einer Irreführung der Konsumenten über den Produktions- und Handelsort der Ware entgegen67. 62 63 64 65 66

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S. 16/17, abgedruckt bei Stenglein, Warenbezeichnung, 1902, S. 122. Entwurf zitiert bei Stenglein, Bd. I, 1895, S. 136. Motive, ebd. Stenglein, Bd. I, 1895, § 15, S. 136/137; Ders., Warenbezeichnung, 1902, S. 123. § 16: (1) Wer Waren oder deren Verpackung oder Umhüllung oder Ankündigungen, Preislisten, Geschäftsbriefe, Empfehlungen, Rechnungen oder dergleichen fälschlich mit einem Staatswappen oder mit dem Namen oder Wappen eines Ortes, eines Gemeinde- oder eines weiteren Kommunalverbandes zu dem Zwecke versieht, über Beschaffenheit und Wert der Waren einen Irrtum zu erregen, oder wer zu dem gleichen Zwecke derartig bezeichnete Waren in Verkehr bringt oder feilhält, wird mit Geldstrafe von einhundertfünfzig bis fünfhundert Mark oder mit Gefängnis bis zu sechs Monaten bestraft. (2) Die Verwendung von Namen, welche nach Handelsgebrauch zur Benennung gewisser Waren dienen, ohne deren Herkunft bezeichnen zu sollen, fällt unter diese Bestimmung nicht“. Stenglein, Bd. I, 1911, § 16, S. 923.

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Fünftes Kapitel

Wer Weine oder deren Verpackung mit dem Namen oder Wappen eines Ortes oder einer Gemeinde versah zu dem Zweck, „über Beschaffenheit und Wert der Waren einen Irrtum zu erregen“ machte sich nach § 16 strafbar. Damit wurde ausdrücklich ein strafrechtlicher Schutz der geographischen Warenbezeichnung festgelegt. Durch § 16 wollte das Deutsche Reich der Forderung der Internationalen Union zum Schutz des gewerblichen Eigentums auf der Madrider Konferenz von 1890 zur Einführung eines Schutzes gegen falsche Ursprungsbezeichnungen nachkommen68. Die nach § 16 in Frage kommenden Waren mussten „in den Handel und Verkehr“ gebracht worden sein. Der im Gegensatz zum Warenverkehr stehende Privatverkehr war „zeichenrechtlich frei“69. Die Motive zum Gesetz stellten klar, dass § 16 nicht Herkunftsnamen von Waren verbieten wolle, welche längst die Bedeutung von Herkunftsbezeichnungen verloren hatten und nur Qualität und Produktionsweise der Ware angeben sollten. Dies wurde ausdrücklich in Absatz 2 aufgenommen. Die Motive70 heben hier besonders die Weinverschnitte wie Rüdesheimer, Niersteiner, Trabener hervorgehoben, bei denen schon längst die Namen die geographische Bedeutung verloren hätten und man nur noch an eine Sorte von gewisser Beschaffenheit, Güte und Preisklasse denke71 – was freilich nicht ohne weiteres angenommen werden konnte. Gemeint war vielmehr, dass die bloße unwahre Benennung der Ware in den meisten Fällen nicht strafbar sein sollte, auch wenn der von einem Ort hergenommene Name nicht bloß eine bestimmte Beschaffenheit anzeigte, wie bei den vorgenannten Beispielen, es sei denn, dass die Richtigkeit des Ursprungsortes Bedingung des Geschäftes war, in welchem Fall indes eine Täuschung die Tat als Betrug erscheinen lässt72. Es musste vielmehr eine Garantie für die Richtigkeit des Ursprungsortes oder der Qualität der Ware hinzutreten, um den Tatbestand des § 16 zu begründen.

§ 19 erlaubte im Falle einer Verurteilung nach den §§ 15, 16, die Beseitigung der widerrechtlichen Verwendung und, sollte dies nicht möglich sein, die Vernichtung der damit versehenen Gegenstände.

6. Konkurrenz mit 287 StGB73 Wer Waren oder deren Verpackung fälschlich mit falschem Namen bezeichnete und diese unter fremdem Namen in Verkehr brachte, konnte sich auch nach

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von der Lippe, a.a.O., S. 273. Für das Warenzeichenrecht: Günter / Marschner, WeinG 1909, S. 200 mit Hinweis auf RG, Plenarentscheidung vom 24. November 1909, RGSt Bd. 43, S. 87 (111). Motive, a.a.O., S. 17 f. Stenglein, Bd. I, 2. Auflage, 1895, § 16, S. 137/138. Ebd. § 287 RStGB:

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§ 287 RStGB strafbar machen und dies schon bei geringen Änderungen, die nur bei Anwendung besonderer Sorgfalt wahrgenommen werden konnten. Allerdings waren – wie ausgeführt – hier die landwirtschaftliche Urproduktion und speziell die Weinlagen der Winzer nicht geschützt74.

7. Rückblick § 14 Abs. 2 war bestimmt und klar gefasst und stellte denjenigen unter Strafe, der den Namen, die Firma oder das Warenzeichen eines anderen widerrechtlich benutzte. Dass die Strafvorschrift aber erst in Absatz 2 der Entschädigungspflicht in Absatz 1 folgte, ist umso erstaunlicher, als das Strafmaß immerhin bei bis zu 5000 Mark oder Gefängnis bis zu sechs Monaten lag. § 15 fehlte es an Bestimmtheit (§ 1 RStGB), da es den Verkehrskreisen überlassen blieb, ob eine Strafbarkeit vorlag oder nicht. § 16 Abs. 2 ist als eine der ersten Strafbestimmungen des Weinrechts als „normative Irreführung“ zu qualifizieren, indem es den Tatbestand der fälschlichen Bezeichnung von Wein ausschloss, auch wenn der Wein erwiesenermaßen nicht aus den angegebenen Orten wie beispielsweise Rüdesheim oder Bacharach stammte, was ein Weinkonsument auch nicht erkennen konnte. Was in § 287 RStGB stillschweigend geduldet war, wird in § 16 Abs. 2 als tatbestandsausschließende Verbrauchertäuschung in das Gesetz aufgenommen. Strafrecht als Ultima ratio ist zwar nicht geeignet, jedes sozialschädliche Verhalten unter Strafe zu stellen. Hinsichtlich des Schutzes der Weinlagen hätte aber nicht unberücksichtigt bleiben dürfen, dass diese nicht naturgegeben waren, sondern erst durch die gebietsansässigen Winzer geschaffen wurden und sich der strafrechtliche Schutz dieser Winzer auch auf eine Lagenbezeichnung hätte erstrecken müssen.

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(1) Wer Waaren oder deren Verpackung fälschlich mit dem Namen oder der Firma eines inländischen Fabrikunternehmers, Produzenten oder Kaufmannes bezeichnet oder wissentlich dergleichen fälschlich bezeichnete Waaren in Verkehr bringt, wird mit Geldstrafe von 150 bis zu 3000 Mark oder mit Gefängnis bis zu sechs Monaten bestraft. Dieselbe Strafe tritt ein, wenn die Handlung gegen Angehörige eines fremden Staates gerichtet ist, in welchem nach veröffentlichten Staatsverträgen oder nach Gesetzen die Gegenseitigkeit verbürgt ist. (2) Die Strafe wird dadurch nicht ausgeschlossen, dass bei der Waarenbezeichnung der Name oder die Firma mit so geringen Änderungen wiedergegeben wird, daß die letzteren nur durch Anwendung besonderer Sorgfalt wahrgenommen werden können. § 287 RStGB war lediglich drei Jahre in Kraft und wurde dann ersetzt durch § 14 des Gesetzes über den Markenschutz vom 30.11.1874 (RGBl. S. 143).

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Fünftes Kapitel

§§ 15 und 16 hätten nach alledem so nicht erlassen werden dürfen, § 15 wegen Unbestimmtheit und § 16 wegen gravierender Tatbestandsausschlüsse, insbesondere der Straffreiheit der falschen Lagebezeichnung. Auch § 287 RStGB ließ die Urproduktion insoweit ungeschützt, soweit nicht der Name eines Winzerbetriebes verwendet wurde. § 263 RStGB ging mangels Vermögensverfügung und Schaden bei falscher Lagenangabe ebenfalls ins Leere. Der fehlende Schutz der Lagenbezeichnung erscheint um so unverständlicher als durch § 15 schon bloße Ideen und Verpackungsmodalitäten zivil- und strafrechtlichen Schutz erfuhren, und es hier den Verkehrskreisen überlassen blieb, festzustellen, ob Modalitäten eines einzelnen Winzerbetriebes eine Sperrwirkung für andere und damit auch strafrechtliche Konsequenzen für Mitbewerber auslösen konnten.

IV. Süßstoffgesetze von 1898 und 1902 1. Zustandekommen und Ausblick 75

Das Süßstoffgesetz trat am 1. Oktober 1898 in Kraft und war das erste Süßstoffgesetz im Deutschen Reich. Es wurde allerdings schon nach drei Jahren durch das am 1. April. 1903 in Kraft getretene Süßstoffgesetz vom 7. Juli 190276 ersetzt. Diesem folgte das Süßstoffgesetze vom 8. April 192277, das wiederum ersetzt wurde durch das am 1. September 1926 in Kraft getretene Süßstoffgesetz vom 14. Juli 192678. Durchführungsbestimmungen zu diesem Gesetz wurden am 24. Juli 1926 erlassen79, die am 1. September 1926 in Kraft traten80. Hinzu trat die Verordnung über den Verkehr mit Süßstoff vom 4. August 192681, die ebenfalls am 1. September 1926 in Kraft trat.

2. Strafvorschriften im Gesetz von 1898 Nach § 482 Abs. 1 wurde bestraft, wer vorsätzlich § 3 zuwiderhandelte.

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Gesetz, betreffend den Verkehr mit künstlichen Süßstoffen vom 6. Juli 1898 (RGBl. 1898, S. 919–920). RGBl. 1902, S. 253–256. RGBl. I S. 390. RGBl. I S. 409. RGBl. I 825. Auszugsweise bei Holthöfer / Juckenack, LMG 1927, S. 327. RGBl. I S. 467. § 4: (1) Wer den Vorschriften des § 3 vorsätzlich zuwiderhandelt, wird mit Gefängniß bis zu sechs Monaten und mit Geldstrafe bis zu eintausendfünfhundert Mark oder mit einer dieser Strafen bestraft. (2) Ist die Handlung aus Fahrlässigkeit begangen worden, so tritt Geldstrafe bis zu einhundertundfünfzig Mark oder Haft ein.

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Nach § 3 Abs. 1 war es verboten, künstliche Süßstoffe bei der gewerbsmäßigen Herstellung u.a. von Wein oder weinähnlichen Getränken zu verwenden. Die Verwendung von Süßstoff war hingegen zur Bereitung obergärigen Bieres gestattet83. Nach § 3 Abs. 2 war es verboten, u.a. Wein und weinähnliche Getränke, denen künstliche Süßstoffe zugesetzt waren, zu verkaufen oder feilzuhalten. Künstliche Süßstoffe waren in § 1 legaldefiniert als „alle auf künstlichem Wege gewonnenen Stoffe, welche als Süßmittel dienen können und eine höhere Süßkraft als raffinierter Rohr- und Rübenzucker, aber nicht entsprechenden Nährwerth besitzen“. Herstellung und Vertrieb eines Weines, dem künstliche Süßstoffe zugesetzt wurden, waren mithin umfassend unter Strafe gestellt. Voraussetzung der Strafbarkeit war eine höhere Süßkraft und ein niedrigerer Nährwert des Süßmittels gegenüber des zur Zuckerung von Wein üblicherweise verwendeten Rohr- bzw. Rübenzuckers. Daneben fanden die Vorschriften der §§ 16 und 17 des NMG 1879 Anwendung (§ 4 Abs. 4). Nach § 16 NMG 1879 konnte im Urteil oder Strafbefehl angeordnet werden, „dass die Verurtheilung auf Kosten des Schuldigen öffentlich bekannt zu machen ist“. Wurde der Angeklagte freigesprochen, so konnte er beantragen, dass der Freispruch ebenfalls öffentlich bekannt gemacht wird. Die Kosten hatte in diesem Fall die Staatskasse zu tragen, sofern sie nicht dem Anzeigenden auferlegt wurden (§ 16 Abs. 2 NMG 1879). Anzeigen „ins Blaue hinein“ konnten mithin für den Anzeigenden finanzielle Nachteile nach sich ziehen.

3. Strafvorschrift(en) im Gesetz vom 7. Juli 1902 a) § 7 SüßstoffG 1902 84

Nach § 7 SüßstoffG 1902 , der das Strafmaß des § 4 des 1898er-Gesetzes übernommen hatte, wurde ebenfalls bestraft, wer Nahrungs- und Genussmitteln bei

83 84

(3) Neben der Strafe kann auf Einziehung der verbotswidrig hergestellten, verkauften oder feilgehaltenen Gegenstände erkannt werden. Ist die Verfolgung oder Verurtheilung einer bestimmten Person nicht ausführbar, so kann auf die Einziehung selbständig erkannt werden. (4) Die Vorschriften in den §§ 16, 17 des Gesetzes vom 14. Mai 1879 finden Anwendung. Verordnung über die Verwendung von Süßstoff zur Bierbereitung vom 26.1.1926 (RGBl. I S. 95). § 7: (1) Wer der Vorschrift des § 2 vorsätzlich zuwiderhandelt, wird, soweit nicht die Bestimmungen des Vereinszollgesetzes Platz greifen, mit Gefängniß bis zu sechs Monaten und mit Geldstrafe bis zu eintausendfünfhundert Mark oder mit einer dieser Strafen bestraft. (2) Ist die Handlung aus Fahrlässigkeit begangen worden, so tritt Geldstrafe bis zu einhundertfünfzig Mark oder Haft ein.

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Fünftes Kapitel

deren gewerblicher Herstellung Süßstoff zusetzte (§ 2). Die Einfuhr von Süßstoff sowie die Einfuhr süßstoffhaltiger Nahrungs- und Genussmitteln aus dem (benachbarten) Ausland wurde ebenfalls unter Strafe gestellt (§ 2) auch wenn zu diesem Zeitpunkt noch keine Absicht bestand, diesen dem Wein zuzusetzen. Die Strafandrohung für die fahrlässige Begehung wurde beibehalten (§ 7 Abs. 2).

b) § 8 SüßstoffG 1902 Neu eingeführt wurde § 8. Hiernach machten sich auch diejenigen strafbar, in deren Besitz oder Gewahrsam Süßstoff in Mengen von mehr als 50 Gramm vorgefunden wurde, sofern sie nicht den Nachweis erbringen konnten, dass sie den Süßstoff nach Inkrafttreten des SüßstoffG 1902 von einer zur Abgabe befugten Person bezogen hatten. Zur Abgabe waren u.a. die Apotheken berechtigt (§ 4). Die Bestimmungen hinsichtlich der Einziehung wurden in § 9 SüßstoffG 1902 aufgenommen, der Hinweis in § 4 Abs. 4 SüßstoffG 1898 auf die Anwendung der Vorschriften des NMG 1879 über die öffentliche Bekanntmachung der Verurteilung und die Verwendung der Geldstrafe (§§ 16, 17 NMG 1879) fand sich im neuen SüßstoffG 1902 nicht mehr.

V. Weingesetz 190185 Das zweite deutsche Weingesetz trat am 1. Oktober 1901 in Kraft, gleichzeitig wurde das WeinG 1892 außer Kraft gesetzt (§ 22).

1. Historische und systematische Einordnung Das erste Weingesetz 1892 vermochte die in dieses gesetzten Hoffnungen nicht zu erfüllen. Die übermäßige Streckung der Weine und die betrügerische Fabrikation von Kunstweinen hatte weiter zugenommen86. Durch die Einführung der Grenzzahlen im WeinG 1892 und deren vielfach zu Tage getretene missverständliche Anwendung, hatte die übermäßige Streckung überwiegend kleinerer Weine überhand genommen. Durch die Grenzzahlen war der deutsche Weinbau der Chemie auf Gedeih und Verderb ausgeliefert, „analysefeste“ Weine breiteten sich aus und Kunstwein wurde zum einträglichen Geschäft87. Die durch das WeinG 1892 zugelassenen Kunstweine wurden dem Verbraucher gegenüber

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Gesetz, betreffend den Verkehr mit Wein, weinhaltigen und weinähnlichen Getränken vom 24. Mai 1901 (RGBl. 175–181). Günther / Marschner, a.a.O., S. XVII. So das Fazit von Pfaff, WeinG 1909, S. 3.

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kaum jemals als solche gekennzeichnet, vielmehr nach entsprechender „Zurichtung“, insbesondere mit Hilfe des Verschnitts, oft unter hochtrabenden Namen in den Verkehr gebracht, eine Kellerkontrolle war nicht gegeben. So kam es, dass die Weinpreise immer mehr sanken und der Weinbau fast gänzlich unrentabel wurde88. Der Markt wurde mit einer solchen Menge an unlauterem Wein überschwemmt, dass viele kleine Weine, die naturrein oder fachgerecht verbessert waren und infolge ihres höheren Herstellungswertes auch im Preise höher gestellt werden mussten, geradezu unverkäuflich blieben und viele Winzer vor dem Ruin standen89. Um die vielfach beklagten Missstände zu beheben, berief die Reichsverwaltung eine Reihe von Sachverständigen des Weinbaus, Weinhandels und der Nahrungsmittelchemie zu einer Beratung über die Abänderung des WeinG 1892 ein, das sogenannte „Weinparlament 1899“90. Zu den Forderungen gehörte das Verbot der gewerbsmäßigen Herstellung von Kunstweinen. Bezüglich der Strafbestimmungen wurde allgemein eine Verschärfung der angedrohten Strafen befürwortet, ferner die Möglichkeit der Einziehung und Vernichtung vorschriftswidrig hergestellter Getränke vorgeschlagen91. Das Weingesetz vom 24. Mai 190192 brachte eine Reihe bedeutender Neuerungen. Die Vorschriften einschließlich der Strafvorschriften des Nahrungsmittelgesetzes von 1879 blieben allerdings unberührt, soweit die §§ 2 bis 11 WeinG 1901 keine gegenteiligen Bestimmungen enthielten (§ 19). Die §§ 16 und 17 NMG 1879 waren auch weiterhin anwendbar, d.h. öffentliche Bekanntmachung der Verurteilung und die verhängten Geldstrafen flossen weiterhin an die Untersuchungsämter. Die knappen gesetzlichen Bestimmungen (22 Paragraphen) waren ohne Kenntnis ihrer Entstehung nur schwer verständlich93. Die Ausführungsbestimmungen des Bundesrates vom 2. Juli 190194, insbesondere hinsichtlich der erlaubten Zuckerung verwirrten noch mehr.

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Günther / Marschner, a.a.O., S. XVII. Windisch, WeinG 1901, Einleitung, S. 5. Zu den Empfehlungen dieses Weinparlamentes, s. Komm.-Ber. 1901, S. 83 (Drucksachen des Reichstags Nr. 303 von 1900/01), abgedruckt bei Günther / Marschner, a.a.O., S. XVIII–XIX. Günther / Marschner, a.a.O., S. XIX. In Kraft getreten am 1. Oktober 1901. So Coermann, WeinG 1901, Vorwort. RGBl. 1901, 30.

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Fünftes Kapitel

Das WeinG 1901 berücksichtigte neben den gesundheitspolitischen Aspekten95 auch die wirtschaftlichen Belange der Winzer96: So wurde von der Reichstagskommission der Antrag gestellt, dass Naturweine auch die genaue Bezeichnung der Lage, des Jahrgangs und des Produzenten aufführen müssten97. Hierbei war nach Windisch98 von der Regierung zu Recht ins Feld geführt worden, dass in manchen Jahren das Gesamtergebnis einzelner Lagen gar nicht ausreiche, um ein Fass spundvoll zu füllen, so dass die Ernte aus mehreren Lagen und selbst mehrerer Jahrgänge zusammengelegt werden müssten. Viele Winzer hätten nur kleine Weinberge, oftmals auch in verschiedenen Gemarkungen, Winzervereine produzierten vielfach gar nicht nach Lagen, sondern vereinigten die Moste nach dem Mostgewicht99. Es verwundert, so Windisch,, dass die Kommission einen solchen Antrag stellte, denn wenn ein Wein von bestimmtem Jahrgang und aus einer bestimmten Lage verlangt werde, so dürfe der Verkäufer keinen anderen Wein liefern, andernfalls mache er sich strafbar; die Vorschriften des RStGB seien dann völlig ausreichend100.

Das WeinG 1901 zählte die erlaubten Arten der Kellerbehandlung und die erlaubten Zutaten positiv auf, verbot die Herstellung sowie den Vertrieb des Kunstweins und führte die Kellerkontrolle ein.

2. Begriff des Weins Der Begriff „Wein“ wurde durch § 1 WeinG 1901 erstmals legaldefiniert: Wein ist das durch alkoholische Gährung aus dem Safte der Weintraube101 hergestellte Getränk102. § 1 ist mit der in dem Regierungsentwurf enthaltenen Begriffsbestimmung inhaltlich identisch. Eine von der Kommission vorgeschlagene gesonderte Begriffsbestimmung für „Naturwein“ wurde abgelehnt, weil sich dann mit dem Begriff „Wein“ ein regelmäßiger Zusatz von Zuckerwasser verbinden würde, womit die Wertschätzung der unter der Bezeichnung „Wein“ in Verkehr gebrachten Getränke sinken und eine bedenkliche Schädigung zahlreicher Weinbaugegenden, die auf die Zuckerung mehr oder weniger

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U.a. durch Festlegung der verbotenen, gesundheitsschädlichen Zusätze in § 7. Zoeller, WeinG 1909, Einleitung, S. 12. Windisch, WeinG 1901, § 4, S. 82. Ebd. Windisch, a.a.O., S. 82. Windisch, a.a.O., S. 82/83. Eine Weintraube besteht aus vielen Beeren und einem verzweigten Stielgerüst, den Kämmen oder Rappen. 102 Die stilistisch unglückliche Wein-Begriffsbestimmung im Regierungsentwurf wurde nicht in das Gesetz übernommen: „als das durch alkoholische Gährung aus dem Safte der Weintraube mittels solcher Verfahren oder Zusätze, welche als eine Verfälschung oder Nachahmung nicht anzusehen sind, hergestellte Getränk“, siehe von der Pfordten, WeinG 1901, § 1 S. 16/17.

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angewiesen seien103, eintreten würde104. Gallisierter Wein durfte auch weiterhin unter der Bezeichnung „Wein“ verkauft werden, eine besondere Kennzeichnung des Zuckeroder Zuckerwasserzusatzes war nicht erforderlich. Zum Schutz des Naturweines war es daher erforderlich, ihm die die Naturreinheit kennzeichnende Benennung vorzubehalten, wie dies schon in § 7 Nr. 2 des WeinG 1892 geschah. Der inhaltlich übereinstimmende § 4 WeinG 1901 verbietet den Verkauf von trocken- als auch nassgezuckertem Wein als Naturwein oder unter anderen Bezeichnungen, die die Annahme hervorrufen können, dass der Wein nicht gezuckert sei105. Gegen diese schon im WeinG 1892 enthaltene Vorschrift war häufig verstoßen worden. In manchen Kreisen, so Windisch106, „scheine das Verständnis für den Unterschied zwischen naturreinen und gezuckerten Weinen ganz abhanden gekommen zu sein“.

Auch das aus „nicht mehr ganz frischen“ Weintrauben hergestellte Getränk hatte als Wein zu gelten107, insbesondere der sogenannte Strohwein108. Von der Bestimmung, dass Wein nur aus dem Safte der Weintraube durch Gärung hergestellte Getränk sei, schaffte das Gesetz in § 2 und § 3 Abs. 1 Nr. 1 sogleich eine Reihe wichtiger Ausnahmen, indem es gewisse Verfahren und Zusätze ausdrücklich zuließ. Allerdings verbot das Gesetz in §§ 7, 8 bestimmte Zusätze schlechthin.

3. Strafvorschriften Das WeinG 1901 enthielt fünf Straftatbestände (§§ 13–17) in Form von Blankettvorschriften. Sie verwiesen zu ihrer Ausfüllung auf insgesamt dreizehn weitere Vorschriften innerhalb des Weingesetzes (Binnenverweise). Die Strafen wurden im Gegensatz zum WeinG 1892 nicht unerheblich verschärft. Auch die Vermögensvorteile, welche die Verfälschung von Weinen und der Handel mit Wein abwerfen, sollten die Verhängung empfindlicher Geldstrafen und im Falle der wiederholten Zuwiderhandlungen auch höherer Geld- und Freiheitsstrafen ermöglichen109.

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Insbesondere an Mosel, Saar und Ruwer. Windisch, WeinG 1901, § 1, S. 10. Ders., § 4, S. 81. Ebd. von der Pfordten, WeinG 1901, § 1, S. 18. Auf Stroh getrocknete Trauben, um den Wasseranteil zu reduzieren. Windisch, a.a.O., S. 112/113.

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a) § 13110 WeinG 1901 – Überblick Nach § 13 Abs. 1 Nr. 1 war mit Strafe bedroht, wer gegen die Vorgaben der §§ 3, 5, 7, 8 verstieß. § 13Abs. 1 Nr. 2 enthielt eine Strafdrohung für Verstöße gegen die Vorschriften des § 4. Schon im WeinG 1892 war in § 4 bestimmt worden, dass gewisse Herstellungsweisen von Wein sowie einige Zusätze als Verfälschungen anzusehen seien. Danach durften viele Getränke zwar hergestellt werden, sie mussten aber unter einer ihre Beschaffenheit erkennbar machenden oder sonst eine Verwechslung mit Wein ausschließenden Bezeichnung in den Handel gebracht werden. Zu diesen Getränken gehörten schon nach dem WeinG 1892 Trester-, Hefen- und Rosinenweine sowie einige mit gewissen Zusätzen versehene Weine. Allerdings wurde verabsäumt, bestimmte Bezeichnungen für diese Getränke vorzuschreiben, sondern die Namensgebung wurde dem Handel überlassen111. Durch diese Kunstweine entstand für den Naturwein eine „drückende Konkurrenz“. Die Reichsregierung ging im WeinG 1892 noch davon aus, dass es ausreiche, für diese weinähnlichen Getränke eine Deklarationspflicht vorzuschreiben, zudem bei Verschnitten solcher Getränke mit Wein auch die Beschaffenheit der Mischung zu kennzeichnen war112. Diese Bestimmungen reichten, im Nachhinein gesehen, nicht aus, vielmehr wurden große Mengen an Kunstweinen hergestellt, aber nur äußerst selten unter ihrem richtigen Namen in den Handel gebracht. Sie „verschwanden“ in der Regel in Verschnitten mit Weinen oft sehr zweifelhafter Art, die dadurch „analysenfest“ gemacht wurden113. Es lag auf der Hand, dass mit der Herstellung dieser weinähnlichen Getränke unlautere Absichten verfolgt wurden und sich Abnehmer dieser Produkte auch nicht finden würden, wenn diese unter ihrer richtigen Bezeichnung in den Handel gelangten. 110 § 13: (1) Mit Gefängniß bis zu sechs Monaten und mit Geldstrafe bis zu dreitausend Mark oder mit einer dieser Strafen wird bestraft, wer vorsätzlich 1. den Vorschriften des § 3, abgesehen von der Bestimmung über die Anzeige gewisser Betriebe in der Nr. 3 des Abs. 1, oder den Vorschriften der §§ 5, 7, 8 oder 2. den Vorschriften des § 4 zuwiderhandelt. (2) Ist der Thäter bereits einmal wegen einer der im Abs. 1 bezeichneten Zuwiderhandlungen bestraft, so tritt Gefängnißstrafe bis zu einem Jahre ein, neben welcher auf Geldstrafe bis zu fünfzehntausend Mark erkannt werden kann. Diese Bestimmung findet Anwendung, auch wenn die frühere Strafe nur theilweise verbüßt oder ganz oder theilweise erlassen ist, bleibt jedoch ausgeschlossen, wenn seit der Verbüßung oder dem Erlasse der letzten Strafe bis zur Begehung der neuen Strafthat drei Jahre verflossen sind. 111 Windisch, WeinG 1901, § 3, S. 63. 112 Ebd. 113 Ders., S. 63.

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Die Reichsregierung sprach sich daher für ein gänzliches Verbot der gewerbsmäßigen Herstellung und des Vertriebs dieser Getränke aus, der Reichstag stimmte dem zu, sodass das Verbot Aufnahme in das neue WeinG 1901 fand114. Die durch § 7 WeinG 1892 neun Jahre zuvor angedrohten Strafen wurden durch § 13 Abs. 1 WeinG 1901 erweitert und verschärft. So konnte nunmehr einer Zuwiderhandlung neben einer Gefängnisstrafe von bis zu sechs Monaten auch auf eine Geldstrafe bis zu 3.000 Mark erkannt werden. Die Strafe für den für den Ersttäter wurde von 1.500 auf 3.000 Mark verdoppelt. Das erscheint für die Verhältnisse zu Beginn des 20. Jahrhunderts ausreichend, denn die Preise für ausgeführte Fassweine betrugen im Jahr 1911 durchschnittlich 1,07 Mark pro Liter115 und bei Flaschenweinen lag der Preis bei 1,50 Mark pro Liter116. Die Herstellungskosten beliefen sich demgegenüber auf 0,61 Mark pro Liter Fasswein117 und in schlechten Jahren lag der Ertrag nur bei 1000 bis 2000 Liter pro Hektar118. Der Arbeitsaufwand für die Bestellung eines Hektar Weinberg belief sich um die Jahrhundertwende noch auf ca. 2000 Arbeitsstunden, 1978 waren es in Flachlagen gerade noch 600 Stunden. Für die Begleichung einer Strafe von 3.000 Mark musste ein Winzer im Jahr 1909 daher bis zu 3.000 Stunden arbeiten, wollte er die Strafe vom Ertrag seiner Arbeit zahlen119.

b) Kunstwein Nach § 13 Abs. 1 Nr. 1 wurde bestraft, wer einen der in § 3 genannten „Kunstweine“ (Tresterweine, Hefenweine, Rosinenweine, Wein aus eingedicktem Most etc.) gewerbsmäßig herstellte, oder einen solchen Kunstwein feilhielt oder verkaufte120. Die Bezeichnung „Kunstwein“ für die genannten Getränke im Regierungsentwurf zu § 3 entsprach nicht dem bisherigen Sprachgebrauch. Unter Kunstwein verstand man bisher nur solche Getränke, die entweder ganz aus künstlichen Bestandteilen und gewissen Extrakt liefernden Pflanzenstoffen hergestellt waren oder nur sehr geringe Mengen von Traubenbestandteilen enthielten121. Das Verbot der Kunstweine erfolgte aus wirtschaftlichen Gründen. Andererseits ließen sich aus Trestern, Rosinen und eingedicktem Most „recht gute“ Getränke herstellen, die 114 Ebd. 115 Was heute bei Fasswein nur für Riesling erzielt wird; andere Weine liegen teilweise unter 60 Cent/L (Portugieser, Müller-Thurgau). 116 Statistik bei Graff, Die Deutsche Weinwirtschaft nach dem 1. Weltkrieg bis 1930, S. 13. 117 Graff, a.a.O., S. 11. 118 Die Erntemengen schwankten enorm: 1923 war mit 10,6 hl/ha eines der kleinsten Mengenergebnisse im deutschen Weinbau – dagegen wurden 1922 im Reichsdurchschnitt 45,8 hl/ha geerntet, so Graff, a.a.O., S. 28. Zum Vergleich 2018: 10.500 Liter Qualitätswein erlaubt nach der Hektarertragsregelung – s. unten Siebtes Kapitel, VI., 3. 119 Bei einem Achtstundentag somit über 1 Jahr. 120 Windisch, WeinG 1901, § 13 S. 113/114. 121 Ders., S. 63/64.

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zu einem niedrigen Preis als „empfehlenswerte Volksgetränke“ verkauft werden konnten. Das Verbot war gerechtfertigt, wenn man auch andererseits das Verschwinden der Kunstweine aus dem Handel „bedauerlich“ finden kann, da „sie wohl im Stande gewesen wären, dem Genusse des Branntweins in weiteren Volkskreisen entgegenzuwirken“122.

§ 3 bezog sich lediglich auf die Herstellung und Nachmachung von Traubenwein, nicht aber auf Getränke, die nach ihrem Aussehen und Geschmack eine Verwechslung mit Traubenwein ausschließen. Dies waren vor allem Obst- und Beerenweine123. Deren Herstellung war auch weiterhin zulässig, worüber in der Begründung des Regierungsentwurfs als auch in den Verhandlungen der Kommission „völlige Einstimmigkeit“ herrschte124. Auch nach Erlass des WeinG 1901 behielt das NMG 1879 für Obst- und Beerenweine seine Gültigkeit125. § 13 stellte nur die „gewerbsmäßige“ Herstellung der in § 3 genannten Getränke unter Strafe. Diese Beschränkung wurde aufgenommen, weil man den Winzern nach wie vor „die Bereitung eines billigen Haustrunks gestatten wollte“126. Es wurde einstimmig und richtigerweise in den Kommissionsbericht aufgenommen: Die Kommission ist der Ansicht, dass das vorliegende Gesetz vor der Familie Halt machen, d.h. die Bereitung aller Arten von Haustrunk für die eigene Haushaltung (Familienmitglieder, Gesinde, Tagelöhner, Arbeiter usw.) freigeben soll127.

c) Aufguss von Zuckerwasser auf Trauben 1) § 13 Abs. 1 Nr. 1 stellte auch die Verwendung eines Aufgusses von Zuckerwasser oder Wasser auf Trauben und Traubenmaische, mit Ausnahme der Zuckerung der Rotweintraubenmaische nach § 2 Abs. 4 unter Strafe, § 3 Abs. Nr. 1. Zweck der Bestimmung war nach dem Kommissionsbericht die Verhütung einer übermäßigen Vermehrung des Weines und insbesondere einer Umgehung des Verbotes der Herstellung von Tresterweinen128. Ein Aufguss von Wasser und Zuckerwasser war bei ganzen Trauben und auch Traubenmaische, mit Ausnahme der Rotweintraubenmaische, verboten. Damit wurde die Maischezuckerung für Weißweine gänzlich untersagt. Verboten war im Gegensatz zum WeinG 1892 nicht nur ein Aufguss von Zuckerwasser, sondern auch von Wasser (ohne Zucker). Diese Ergänzung trug dem Umstand 122 123 124 125 126 127 128

Ders., S. 64. Ders., S. 65. Ebd. Ebd. Windisch, a.a.O., S. 66. Ebd. Kommissionsbericht 1901, zitiert bei Windisch, a.a.O., S. 69.

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Rechnung, dass den Trestern nach dem Umstechen Wasser zugegeben wird, um die Trester besser „auszulaugen“129. Wenn der Trester mit Wasser übergossen durch Zucker zur Gärung gebracht wurde, erhielt man eine Flüssigkeit, die zumindest zum Verschnitt brauchbaren Tresterwein erhält. Wollte man die weitere Ausnutzung der Trester für die Weinbereitung verhindern, so musste der Aufguss von Wasser ins Gesetz aufgenommen werden. Bei der Verarbeitung weißer Trauben durfte somit nur noch der abgepresste Most, nicht aber schon im Maischestadium gezuckert werden130.

d) Zuckerwasser auf Hefen Nach § 13 Abs. 1 Nr. 1 wurde ferner bestraft, wer bei der Weinherstellung einen Aufguss von Zuckerwasser auf Hefen verwendete (§ 3 Abs. 1 Nr. 2).

e) Verwendung getrockneter Früchte § 13 Abs. 1 Nr. 1 stellte weiterhin denjenigen unter Strafe, der getrocknete Früchte oder eingedickte Moststoffe verwendete (§ 3 Abs. 1 Nr. 3). Noch im WeinG 1892 war hier nur auf Rosinen und Korinthen, also getrocknete Weinbeeren, Bezug genommen. Da aber auch andere getrocknete Früchte, wie Feigen und Datteln, zur Weinbereitung verwendet wurden, wurde jetzt ganz allgemein die Verwendung von getrockneten Früchten ebenso der eingedickte Most, der in gleicher Weise zu beurteilen ist, verboten. Mit Wasser verdünnt ergaben die Früchte nach der Gärung ein Getränk, das chemisch von Traubenweinen kaum zu unterscheiden war, und ermöglichten so eine beinahe unbegrenzte Streckung des Weines, da sie selbst alle charakteristischen Bestandteile des Weines enthielten, insbesondere auch die nötigen Extrakt- und Mineralstoffe „in mehr als genügender Menge“131.

Bei § 3 Abs. 1 Nr. 3 ist auffallend, dass alle genannten Stoffe ausländischen Ursprungs sind, so dass hier auch ein Schutz des inländischen Weinbaus maßgeblich war.

f) Verwendung künstlicher Süßstoffe Nach § 13 Abs. 1 Nr. 1 machte sich auch strafbar, wer bei der Weinbereitung Süßstoffe wie Sacharin, Dulcin und sonstige künstliche Süßstoffe verwendete (§ 3 Abs. 1 Nr. 4).

129 Ebd. 130 Nach dem aktuellen WeinG 1994 dürfen sowohl Rotwein- als auch Weißweintraubenmaische gezuckert werden (Trockenzuckerung – keine Nasszuckerung). 131 Windisch, a.a.O., S. 74.

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§ 4 Nr. 3 WeinG 1892 hatte noch pauschal „Sacharin und andere künstliche Süßstoffe“ aufgeführt. Dies wurde in das WeinG 1901 nicht aufgenommen, da ihre Verwendung schon bei der Weinbereitung durch das Süßstoffgesetz 1898132 untersagt wurde. Was als „künstlicher Süßstoff“ anzusehen war, ergab sich aus § 1 des Süßstoffgesetzes. Dies waren alle im künstlichen Wege gewonnenen Stoffe, welche als Süßmittel dienen konnten und eine höhere Süßkraft als raffinierter Rohr- oder Rübenzucker, aber nicht den entsprechenden Nährwert hatten133. Es wurde aber nicht nur der Zusatz von künstlichen Süßstoffen verboten, sondern alle Süßstoffe mit Ausnahme der in § 2 Nr. 4 genannten Rohr-, Rüben, Invert- und Stärkezucker in technisch reinem Zustand.

g) Verwendung von Säuren Nach § 13 Abs. 1 Nr. 1 war die Verwendung von Säuren und säurehaltigen Stoffen insbesondere der hier aufgezählten Stoffe (Weinstein, Weinsäure etc.) verboten und mit Strafe bedroht (§ 3 Abs. 1 Nr. 5). Das Verbot der Säuren und säurehaltigen Stoffe hatte den Zweck, eine weitgehende Verdünnung der Moste und Weine zu verhindern134.

h) Verwendung von Obstmost u.ä. § 13 Abs. 1 Nr. 1 stellte die Verwendung von Obstmost und Obstwein, Gummi oder anderen Stoffen unter Strafe, durch welche der Extraktgehalt des Weines erhöht werden konnte, ausgenommen die erlaubten Zusätze, die in § 2 aufgeführt waren (§ 3 Nr. 6).

i) Verbotenes Feilhalten und Verkaufen Nach § 13 I Nr. 1wurde ferner bestraft, wer entgegen § 3 Abs. 2 S. 1 den Vorschriften des § 3 Abs. 1 zuwider hergestellte Getränke oder unter Verwendung eines nach § 2 Nr. 4 nicht gestatteten Zusatzes hergestellt wurden, diese feilhielt oder verkaufte. Diese Vorschrift kam vor allem zum Tragen, wenn ein entgegen § 3 hergestellter Wein aus dem Ausland eingeführt worden war, so dass ein Herstellungsverstoß im Inland nicht vorlag, jedoch das Feilhalten und der Verkauf dieses Weines unter Strafe gestellt war. Aber auch Kunstweine, die „nicht gewerbsmäßig“ und damit legal hergestellt wurden, durften nicht in den Handel

132 Näheres in diesem Kapitel, IV. – Süßstoffgesetze 1898 und 1902. 133 Windisch, a.a.O., S. 77. 134 Ders., S. 78.

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gebracht werden, ein Winzer durfte beispielsweise von einer erlaubten Hausweinbereitung in keinem Fall etwas feilhalten oder verkaufen. In der Reichstagskommission war beantragt worden, das erheblich weiter gehende „Inverkehrbringen“ der Kunstweine zu verbieten. Hiernach hätte ein Winzer diesen auch nicht verschenken oder ihn möglicherweise nicht einmal einem Besucher vorsetzen dürfen, was von der Regierung abgelehnt wurde. Diese hielt nur bei gesundheitsschädlichen Nahrungs- und Genussmitteln eine schärfere Bestimmung für angebracht135.

j) Verstoß gegen §§ 7 und 8 § 13 I S. 1 Nr. 1 konnte ferner bestraft werden, wer entgegen § 7 die dort genannten Stoffe136 oder Gemische, welche einen dieser Stoffe enthielten, bei oder nach der Herstellung von Wein, der für andere bestimmt war, zusetzte. Auch das Feilhalten und der Verkauf von Wein, dem die unter § 7 genannten Zusätze beigegeben wurden, stand unter Strafe, § 8. Die dem Gesundheitsschutz dienenden §§ 7 und 8 WeinG 1901 entsprachen den §§ 1, 2 WeinG 1892. Hinsichtlich der Stoffe und deren Gesundheitsgefahr kann daher auf die Ausführungen zu § 1 WeinG 1892 verwiesen werden137.

k) § 13 Abs. 1 Nr. 2 Nach § 13 Abs. 1 Nr. 2 machte sich strafbar, wer vorsätzlich Wein, dem ein verbotener Zusatz beigegeben wurde, als Naturwein oder unter einer Bezeichnung, welche die Annahme hervorzurufen geeignet ist, dass ein derartiger Zusatz nicht erfolgt war, feilhielt oder verkaufte (§ 4).

l) § 13 Abs. 2 (Rückfall) § 13 Abs. 2 erhöhte für denjenigen Strafe, der bereits einmal wegen einer Straftat nach Abs. 1 bestraft worden war. Gegen ihn konnte Gefängnisstrafe bis zu einem Jahr und Geldstrafe von bis zu 15.000 Mark verhängt werden konnte. Trotz dieser Strafverschärfungen hielten die Klagen über Missstände in der Weinwirtschaft an. Es wurde wiederholt eine erneute Verschärfung der Strafvorschriften, vor allem aber eine verstärkte einheitliche Durchführung der Weinkontrolle mit Hilfe 135 Windisch, S. 68. – Auf eine Erörterung der Strafbarkeit gem. § 13 Abs. 1 Nr. 1 i.V.m. § 5 WeinG 1901 wird nicht näher eingegangen, da diese Bestimmung Schaumwein betrifft, der nicht Gegenstand dieser Arbeit ist. 136 Lösliche Aluminiumsalze (Alaun und dergleichen), Baryumverbindungen, Borsäure, Glycerin, Kermesbeeren, Magnesiumverbindungen, Salicylsäure, Oxalsäure, unreiner (freien Amylalkohol enthaltener) Sprit, unreiner (nicht technisch reiner) Stärkezucker, Strontiumverbindungen, Teerfarbstoffe). 137 Dazu oben in diesem Kapitel, II. – WeinG 1892.

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sachverständiger Beamter gefordert138. 1903 wurde auf entsprechende Forderungen hin der erste hauptamtliche Weinkontrolleur bestellt“139.

m) Verschwiegenheitsverletzung (§ 14)140 Mit der zweithöchsten Strafe bedroht § 14 als Lebensmittelgesetz die vereidigten Weinsachverständigen, wenn diese ihre Verschwiegenheitspflicht verletzen und Betriebsgeheimnisse an Dritte weitergaben oder selbst „nachahmten“, § 12 WeinG.

n) Verhinderung von Kontrollen (§ 15)141 Nach § 15 machte sich strafbar, wer den Eintritt, die Besichtigung, die Aufzeichnungen oder die Entnahme von Proben verweigerte. § 15 wurde wortgleich dem sogenannten Margarine-Gesetz vom 15. Juni 1897142 entnommen, §§ 16 und 17.

o) Unterlassen der Anzeige nach § 3 Abs. 1 Nr. 3 (§ 16 Nr. 1)143 § 3 Abs. 1 Nr. 3 verbot die Verwendung von getrockneten Früchten, insbesondere Feigen, Korinthen und Rosinen bei der Herstellung von Wein. Bei der Bereitung von Dessertweinen wurden die genannten Früchte zugelassen. Es wurde

138 Zoeller, WeinG 1909, 2. Aufl. 1921, S. 13. 139 Heimermann, a.a.O., S. 5. 140 § 14: (1) Mit Geldstrafe bis zu eintausendfünfhundert Mark oder mit Gefängniß bis zu drei Monaten wird bestraft, wer den Vorschriften des § 12 zuwider Verschwiegenheit nicht beobachtet, oder der Mittheilung oder Nachahmung von Betriebsgeheimnissen sich nicht enthält. (2) Die Verfolgung tritt nur auf Antrag des Betriebsunternehmers ein“. 141 § 15: Mit Geldstrafe von fünfzig bis zu einhundertfünfzig Mark oder mit Haft wird bestraft, wer den Vorschriften der §§ 10, 11 zuwider 1. den Eintritt in die Räume, die Besichtigung, die Einsicht in Aufzeichnungen, Frachtbriefe und Bücher oder die Entnahme von Proben verweigert, 2. die von ihm erforderte Auskunft nicht ertheilt oder bei der Auskunftsertheilung wissentlich unwahre Angaben macht oder die Vorlegung der Aufzeichnungen, Frachtbriefe und Bücher verweigert“. 142 Gesetz, betreffend den Verkehr mit Butter, Käse, Schmalz und deren Ersatzmitteln vom 15. Juni 1897 (RGBl. S. 475–480). 143 § 16: Mit Geldstrafe bis zu einhundertfünfzig Mark oder mit Haft wird bestraft: 1. wer die im § 3 Abs. 1 Nr. 3 vorgeschriebene Anzeige unterläßt;

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jedoch eine Anzeigepflicht für inländische Betriebe festgelegt. Diese galt nicht für jedes einzelne Los, es genügte vielmehr eine einmalige Anzeige, dass der Betrieb die Tätigkeit der Dessertweinbereitung aufgenommen hat.

p) Aushang des Weingesetzes in den Geschäftsräumen (§ 17)144 § 17 bedrohte mit Strafe die Inhaber von Kellern und sonstigen Räumen, in denen Wein gewerbsmäßig hergestellt wurde, wenn in diesen Räumen „an einer in die Augen fallenden Stelle“ kein deutlicher Abdruck der §§ 2 bis 8 des WeinG 1901 angebracht war (§ 9).

q) Einziehung (§ 18) In den Fällen des § 13 Abs. 1 Nr. 1 musste neben der Strafe auf Einziehung der Getränke erkannt werden, unabhängig davon, ob sie dem Täter gehörten oder nicht. Als Nebenstrafe sah § 18 Abs. 1 in den Fällen des § 13 Abs. 1 Nr. 1 die Einziehung der entgegen diesen Vorschriften hergestellten Getränke vor. Im Gegensatz zu der vorherigen Regelung in § 9 WeinG 1892 war hier kein Ermessensspielraum eingeräumt. Daneben konnte auch die Vernichtung angeordnet werden (§ 18 Abs. 1).

r) Anwendbarkeit des NMG 1879 (§ 19)145 § 19 entsprach inhaltlich § 10 WeinG 1892. Soweit die §§ 2–11 des WeinG 1901 keine entgegenstehenden Bestimmungen enthielten, blieben die Vorschriften des NMG 1879 anwendbar. Das WeinG regelte bei weitem nicht alle Fragen, die im Verkehr mit Wein Gegenstand polizeilichen oder gerichtlichen Vorgehens werden konnten. Es gab Verfälschungen und Nachahmungen von Wein, die im WeinG nicht genannt waren. Auch die

2. wer Schaumwein gewerbsmäßig verkauft, feilhält oder anbietet, ohne daß den Vorschriften des § 6 genügt ist; 3. wer bei der nach § 11 von ihm erforderten Auskunftserteilung aus Fahrlässigkeit unwahre Angaben macht; 4. wer eine der im § 13 bezeichneten Handlungen aus Fahrlässigkeit begeht. 144 § 17: Mit Geldstrafe bis zu dreißig Mark und im Unvermögensfalle mit Haft bis zu acht Tagen wird bestraft, wer es unterläßt, der durch den § 9 für ihn begründeten Verpflichtung nachzukommen. 145 § 19: Die Vorschriften des Gesetzes vom 14. Mai 1879 bleiben unberührt, soweit die §§ 2 bis 11 des gegenwärtigen Gesetzes nicht entgegenstehende Bestimmungen enthalten. Die Vorschriften in den §§ 16, 17 des Gesetzes vom 14. Mai 1879 finden auch bei Zuwiderhandlungen gegen die Vorschriften des gegenwärtigen Gesetzes Anwendung.

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Beurteilung von verdorbenem, im Übrigen dem WeinG aber durchaus entsprechenden Wein, wird im Weingesetz nicht geregelt146.

Ganz allgemein galt der Grundsatz, dass alle Herstellungsverfahren und Zusätze für Wein, weinhaltige und weinähnliche Getränke, die durch das WeinG nicht ausdrücklich erlaubt waren, aufgrund der §§ 10–12 NMG zu beurteilen waren147. Hierher gehörte auch die Frage, welche Verfahren der Kellerwirtschaft außer den in § 2 genannten für Wein zulässig waren, ebenso die Frage, wieweit die in § 2 für Wein gestatteten Verfahren auch für weinhaltige und weinähnliche Getränke, insbesondere für Obst- und Beerenwein galten und ferner, wieweit die in § 3 genannten Herstellungsverfahren durch Zusätze für Obst- und Beerenweine gestattet waren148.

4. Rückblick Das WeinG 1901 hat erstmalig den Begriff „Wein“ legaldefiniert, die Kellerkontrolle eingeführt, die den Ländern anvertraut wurde und den Kontrolleuren weitreichende Befugnisse einräumte, die gewerbsmäßige Herstellung und den Vertrieb von Kunstwein verboten, den Zusatz von Zucker in gelöster Form (Zuckerwasser) dahingehend eingeschränkt, dass der Zusatz nur erfolgen durfte, „um den Wein zu verbessern“, ohne seine Menge erheblich zu vermehren. Ferner wurden die Strafandrohungen allgemein erhöht. Erstmals tauchte in einem Wein- oder Lebensmittelgesetz nunmehr in § 4 WeinG 1901 der Begriff „Naturwein“ auf. Nach dieser bezeichnungsrechtlichen Neuheit in § 4 WeinG1901 war es künftig verboten, Wein, der nach § 2 Nr. 4 Weingesetz 1901 unter Verwendung von Zucker in wässriger Lösung hergestellt worden war, als Naturwein oder und unter anderen Bezeichnungen freizuhalten oder zu verkaufen, welche die Annahme hervorzurufen geeignet war, dass ein derartiger Zusatz nicht gemacht wurde. Trotz der Fortschritte, die das WeinG 1901 gebracht hatte, verstummten die Klagen über die Missstände in Weinbau und Weinhandel nicht. Zur Vorbereitung eines gesetzgeberischen Einschreitens berief die Reichsverwaltung, wie bereits 1899, Sachverständige zur Beratung über die Abänderung des Gesetzes ein – sogenanntes „Weinparlament 1906“. Unter anderem sprach dieses sich dafür aus, dass Weine, die unter der Bezeichnung eines bestimmten Weinbaugebiets

146 Windisch, a.a.O., S. 121. 147 Windisch, a.a.O., S. 121/122. 148 Ders., S. 122.

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in den Verkehr gebracht werden, beispielsweise Pfälzer- oder Moselwein, diesem Anbaugebiet auch entstammen müssten, bei Verschnittweinen sollte zukünftig die Hauptmenge entscheidend sein149.

VI. Weingesetz 1909150 Schon acht Jahre nach dem Weingesetz von 1901 trat ein neues Weingesetz (WeinG 1909) am 1. September 1909 in Kraft.

1. Historischer und wirtschaftlicher Rahmen Der deutsche Weinbau war Anfang des 20. Jahrhunderts nur ein sehr kleiner Zweig der deutschen Landwirtschaft, seine Fläche betrug 135.210 ha und nahm somit lediglich 0,2 Prozent der Gesamtkulturfläche ein, während auf Acker- und Gartenland 48,6 Prozent, auf Forsten und Holzungen 25,9 Prozent und auf Wiesen 11 Prozent der Fläche entfielen. Auch im Vergleich zu anderen europäischen Weinbauländern nahm der deutsche Weinbau eine untergeordnete Stelle ein151. Das seinerzeit größte Rebland Italien umfasste 4 Millionen ha, Frankreich 1,744 Millionen ha, Spanien 1,31 Millionen ha, selbst in Österreich lag die Weinbaufläche mit 237.000 ha noch um 100.000 ha höher als in Deutschland152. Im 10-Jahres-Durchnitt lag die deutsche Weinproduktion bei 2,6 Millionen Hektolitern, im Vergleich hierzu in Frankreich bei 51,8 Millionen Hektolitern. Allerdings stieg die deutsche Weinernte von 2,4 Mio. Hektolitern 1902 auf 3,15 Mio. Hektoliter im Jahr 1908 deutlich an153. Der Wert der Ausfuhr sämtlicher Weinbauprodukte (Wein, Trauben, Most, Schaumwein) betrug 1907 ca. 22,6 Millionen Mark, der Wert der Einfuhr dagegen mit 74,6 Millionen Mark mehr als das Dreifache154. Der Bedarf war daher bei weitem nicht durch die eigene Produktion gedeckt.

2. Beweggründe für ein neues Weingesetz Zwar war es aufgrund der Strafbestimmungen des WeinG 1901 zu einer großen Anzahl von Verurteilungen wegen Zuwiderhandlungen gegen weinrechtliche

149 150 151 152 153 154

Günther / Marschner, a.a.O., S. XXII. Weingesetz vom 7. April 1909 (RGBl. S. 393–402). Schmitthenner, Weinbau und Weinbereitung, S. 122. Ebd. Ders., S. 123. Ders., S. 124.

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Bestimmungen gekommen155, dennoch zeigte sich, dass es aufgrund des WeinG 1901 nicht möglich war, „den im Weinhandel eingerissenen Missständen wirksam zu begegnen, den Schmierern und Pantschern das Handwerk gründlich zu legen“156. Den Bestimmungen des WeinG wurde, wie schon im WeinG 1901, eine Legaldefinition von „Wein“ in § 1 vorangestellt157. Gemeint war hier in erster Linie der unveränderte „Naturwein“. Eine Ergänzung hat § 1 im Hinblick auf die Definition im WeinG 1901 dahingehend erfahren, dass das Getränk aus der „frischen“ Weintraube hergestellt sein muss. Das Gesetz stellt damit klar, dass getrocknete Früchte (Rosinen, Korinthen) keine „frischen“ Weintrauben darstellen, Trockenbeeren aber noch als frische Weintrauben anzusehen sind. Trockenbeerenauslesen158 und Strohweine159 sind daher (auch) „Wein“ im Sinne des Gesetzes160. Um § 1 zu genügen, muss der Saft der frischen Traube eine alkoholische Gärung161 durchgemacht haben. Zum Wesen des Weines gehört demnach ein gewisser Alkoholgehalt. Nach § 6 WeinG 1909 fanden die bisher in §§ 16 Abs. 2 WZG 1894 und § 1 Abs. 3 UWG 1896 enthaltenen Bestimmungen über die Verwendung von geographischen Herkunftsangaben auf die Bezeichnung von Wein (endlich) keine Anwendung mehr162.

3. Strafvorschriften – Allgemeines Zu den Beweggründen für das WeinG 1909 zählte auch die erneute Verschärfung der Strafbestimmungen, als Übertretungen wurden jetzt nur noch die in § 30 aufgezählten Fahrlässigkeitsdelikte bestraft163.

155 von der Pfordten, WeinG 1909, Einleitung, S. 8. 156 Ebd. 157 „Wein ist das durch alkoholische Gärung aus dem Safte der frischen Weintraube hergestellte Getränk“. 158 Weine aus Trauben, die man über die Reife hinaus am Stock beließ. 159 Weine aus Trauben, die man vor der Kelterung eine Zeit lang auf Stroh lagerte, wobei sie einen Teil ihres Saftes durch Verdunstung verloren. 160 Günther / Marschner, WeinG 1909, § 1 WeinG, S. 48. 161 Durch Tätigkeit der Hefe zerfällt der enthaltene Zucker in Alkohol, der im Wein verbleibt, und in Kohlensäure, die als Gas entweicht, zum kleinen Teil aber auch im Wein gelöst verbleibt und dem jungen Wein den prickelnden Geschmack verleiht. 162 Maringer, a.a.O., S. 174. 163 Günther / Marschner, a.a.O., S. XXIV.

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Die Technik der Strafvorschriften in §§ 26–31 bestand erneut überwiegend in der Aufstellung von Blankett-Vorschriften. „Allein § 26 enthielt über zwanzig Verweisungsketten, wobei zum Teil die Norm, auf die verwiesen wurde, wiederum zum Erlass einer Rechtsverordnung ermächtigte. Deren Inhalt gehörte aufgrund der Verweisungskette ebenfalls zum Straftatbestand des § 26 WeinG“164.

Mit dem WeinG 1909 wollte der Gesetzgeber auch hinsichtlich der Strafvorschriften ein eigenständiges Gesetz schaffen, das im Gegensatz zu den vorhergehenden Weingesetzen von 1892 und 1901 nicht mehr eine bloße spezialgesetzliche Ergänzung des § 10 NMG 1879 darstellte. Von praktischer Bedeutung war ferner, dass die in den §§ 26 und 27 WeinG 1909 behandelten Fälle in die Zuständigkeit der Strafkammern fielen, wodurch eine Rechtsprechung des Reichsgerichts auf diesem Gebiet möglich wurde, während die in §§ 28–30 enthaltenen Straftatbestände zur schöffengerichtlichen Zuständigkeit gehörten und damit letztinstanzlich nur eine Rechtsprechung von Oberlandesgerichten zu erwarten war165. Hinsichtlich der Strafdrohungen wurde die Frage aufgeworfen, wieweit der Weingesetzgeber zur Sicherung der verfolgten Zwecke in die private Lebensbetätigung des Einzelnen eingreifen dürfe? Dass er es bis zu einem gewissen Grade tun müsse, war nach den Erfahrungen mit den früheren Weingesetzen von 1892 und 1901 unstreitig166. Eggebrecht konstatiert, dass eine vollkommene Weingesetzgebung „ein ewig unerreichbares Ideal bleiben wird“. Der Gesetzgeber stehe vor der Wahl, entweder jede gewerbliche und private Betätigung durch strenge, lückenlose Kontrollen zu unterbinden und durch einschneidende Eingriffe in die private Rechtsphäre letzten Endes aus dem Rechtsstaat wieder „den alten Polizeistaat“ zu machen. Oder aber bei Außerachtlassung der privaten Tätigkeiten der Fälschung „ungezählte Hintertüren“ offen zu lassen167.

4. § 26 Abs. 1 Nr. 1168 Die in § 26 Abs. 1 Nr. mit Strafe bedrohten Tatbestände betreffen die unzulässigen Herstellungs- und Behandlungsweisen von Wein und den Verkehr mit diesen Erzeugnissen. Der Strafrahmen des § 26 I Nr. 1 WeinG 1909 beträgt

164 165 166 167 168

Schnell, Verweisungsbedingte Normenkomplexität, S. 19. Hofacker, WeinG 1909, S. 150. Eggebrecht, WeinG 1909, S. 25/26. So Eggebrecht, a.a.O., S. 8. § 26: (1) Mit Gefängnis bis zu sechs Monaten und mit Geldstrafe bis zu dreitausend Mark oder mit einer dieser Strafen wird bestraft: 1. wer vorsätzlich den Vorschriften des § 2 Satz 2, des § 3 Abs. 1 bis 3, 5, 6, der §§ 4, 9, des § 11 Abs. 4, der §§ 13, 15 oder den gemäß § 12 für die Herstellung und Behandlung von Traubenmost oder Traubenmaische geltenden Vorschriften oder den auf Grund des

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Gefängnis bis zu 6 Monaten und Geldstrafe bis zu 3.000 Mark. Insofern blieb es bei der Strafandrohung des § 13 Abs. 1 WeinG 1901 in dem keine Strafverschärfung für Ersttäter eintrat.

a) Verstoß gegen § 2 Satz 2 (Verschnitt mit Dessertwein) Nach § 26 Abs. 1 Nr. 1 i.V.m. § 2 Satz 2 machte sich strafbar, wer entgegen § 2 Satz 2 Dessertwein zum Verschneiden von weißem Wein anderer Art verwendete.

b) Verstoß gegen § 3 Abs. 1 Satz 1–3 und 5 (Zuckerungsregeln) Strafbar machte sich nach Nr. 1 auch, wer die in § 3 Abs. 1 Satz 1–3 und 5 festgelegten Regeln zur Zuckerung des Weines zuwiderhandelte. Im weiten Feld der Weinfälschungen ging es in erster Linie um die Überstreckung und/ oder Zuckerung von Wein im Rahmen der gesetzlich erlaubten Maßnahmen (§ 3), um dadurch einen naturbedingt mangelhaften Wein durch Anreicherung oder Verbesserung genießbar zu machen. Dabei war schon damals die „Beschaffenheit (Alkohol- und Säuregehalt) eines reifen Naturweines aus Trauben gleicher Art und Herkunft einzuhalten. Für die Überstreckung, d.h. eine zu hohe Beigabe von Wasser, hatte sich in der Umgangssprache der Begriff ʻPanschenʼ eingebürgert“ Schließlich war Wasser mit darin aufgelöstem Zucker preiswerter als Most, wenn man diesen mit den echten Produktionskosten in Ansatz brachte169.

§ 4 Abs. 1 Satz 2, des § 10 Abs. 2, des § 11 Abs. 2 oder des § 16 vom Bundesrat erlassenen Vorschriften zuwiderhandelt; 2. wer wissentlich unrichtige Eintragungen in die nach § 19 zu führenden Bücher macht oder die nach Maßgabe des § 23 von ihm geforderte Auskunft wissentlich unrichtig erteilt, desgleichen wer vorsätzlich Bücher oder Geschäftspapiere, welche nach § 19 Abs. 3 aufzubewahren sind, vor Ablauf der dort bestimmten Frist vernichtet oder beiseite schafft; 3. wer Stoffe, deren Verwendung bei der Herstellung, Behandlung oder Verarbeitung von Wein, Schaumwein, weinhaltigen oder weinähnlichen Getränken unzulässig ist, zu diesen Zwecken ankündigt, feilhält, verkauft oder an sich bringt, desgleichen wer einen diesen Zwecken dienenden Verkauf solcher Stoffe vermittelt. (2) Stellt sich nach den Umständen, insbesondere nach dem Umfange der Verfehlungen oder nach der Beschaffenheit der in Betracht kommenden Stoffe, der Fall als ein schwerer dar, so tritt Gefängnisstrafe bis zu zwei Jahren ein, neben der auf Geldstrafe bis zu zwanzigtausend Mark erkannt werden kann. (3) Auf die in Abs. 2 vorgesehene Strafe ist auch dann zu erkennen, wenn der Täter zur Zeit der bereits wegen einer der im Abs. 1 mit Strafe bedrohten Handlungen bestraft ist. Diese Bestimmung findet Anwendung, auch wenn die frühere Strafe nur teilweise verbüßt oder ganz oder teilweise erlassen ist, bleibt jedoch ausgeschlossen, wenn seit der Verbüßung oder dem Erlasse der letzten Strafe bis zur Begehung der neuen Straftat drei Jahre verflossen sind. (4) In den Fällen des Abs. 1 Nr. 1 wird auch der Versuch bestraft. 169 Graff, Dieter, Weinwirtschaft bis 1930, S. 80.

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Strafbar machte sich insbesondere, wer dem Wein Zuckerwasser von mehr als einem Fünftel der Gesamtmenge zusetzte, die Zuckerung nicht innerhalb der festgelegten Zeiten durchführte (§ 3 Abs. 2), die Zuckerung außerhalb der vorgegebenen Zeiten von der Traubenlese bis zum 31. Dezember des Erntejahres vornahm oder die Zuckerung von früheren Jahrgängen nicht in der Zeit vom 1. Oktober bis 31. Dezember nachholte. Wer die Zuckerung außerhalb eines Weinbaugebietes vornahm machte sich ebenfalls strafbar. Durch Bekanntmachung des Reichskanzlers vom 1. August 1910170 wurden die Weinbau treibenden Gebiete des Reichs, innerhalb deren allein gem. § 3 WeinG gezuckert werden darf festgesetzt. Die Gebiete wurden festgelegt für Preußen, Bayern, Königreich Sachsen, Württemberg, Baden, Hessen, Großherzogtum SachsenWeimar, Herzogtum Sachsen-Meiningen, Herzogtum Sachsen-Coburg-Gotha sowie Elsaß-Lothringen.

c) „Verstoß“ gegen § 3 Abs. 5 Bei der Erwähnung einer Zuwiderhandlung gegen § 3 Abs. 5 handelt es sich um eine „gesetzgeberische Flüchtigkeit“171, denn § 3 Abs. 5 enthielt eine Ausnahme von § 3 Abs. 2 und 3, somit eine Vergünstigung, von der man Gebrauch machen, die man aber nicht verletzen konnte. „Der Gesetzgeber wollte wohl sagen: Zuwiderhandlungen gegen § 3 Abs. 1–3 verglichen mit Absatz 5 sowie gegen § 3 Abs. 6“172.

d) Verstoß gegen § 3 Abs. 6 (Verbotene Zuckerart) Strafbar machte sich, wer eine nicht gestattete Zuckerart zur Zuckerung von Wein, Traubensaft oder Traubenmaische verwendete. Als Zuckerarten waren nur technisch reiner Rüben-, Rohr-, Invert- oder Stärkezucker zugelassen.

e) Verstoß gegen § 4 (Zuvielverwendung von Stoffen) Nach § 26 Nr. 1 i.V.m. § 4 machte sich strafbar, wer dem Wein mehr Stoffe bei der Kellerbehandlung zusetzte, als diese es erforderte173.

170 Bekanntmachung des Reichskanzlers, betreffend die am Weinbau beteiligten Gebiete des Reichs vom 1. August 1910 (GBl. S. 442, Württ RegBl. S. 463). 171 Hofacker, WeinG 1909, 2014, § 26 S. 155. 172 Ebd. 173 Ausführlich zu § 4: von der Pfordten, WeinG 1909, § 4, S. 36–40.

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f) Verstoß gegen § 9 (Nachmachen von Wein) Strafbar nach § 26 Nr. 1 i.V.m. § 9 war, wer Wein nachmachte. Insofern wird auf die Ausführungen zu § 10 Nr. 1 NMG 1879 verwiesen174.

g) Verstoß gegen § 11 Abs. 4 (Haustrunk) Danach konnte bestraft werden, wer Haustrunk außerhalb des eigenen Haushalts in Verkehr brachte, soweit es nicht von den zuständigen Behörden gestattet war175.

h) Verstoß gegen § 13 (Verkehrsverbot) § 26 Abs. 1 i.V.m. § 13 stellte denjenigen unter Strafe, der vorsätzlich unzulässig hergestellte Getränke oder Traubenmaische in den Verkehr brachte. Fahrlässige Verstöße fielen unter § 29 Nr. 6176. § 13 enthielt ein allgemeines Verkehrsverbot und ersetzte die §§ 3 Abs. 2 und 8 WeinG 1901177.

i) Verstoß gegen § 15 (Verwendungsverbot) Strafbarkeit nach § 26 Abs. 1 i.V.m. § 15, vorsätzliche Verwendung der vom Verkehr ausgeschlossenen Getränke zur Herstellung von weinhaltigen Getränken, Schaumwein und Kognak178. Fährlässige Verstöße konnten nach § 29 Nr. 6 bestraft werden.

5. Strafbarkeit nach § 26 Abs. 1 Nr. 2 (Eintragungen in Bücher)179 Es handelte sich bei den Zuwiderhandlungen in Nummer 2 um Vergehen. Die entsprechenden Zuwiderhandlungen waren im WeinG 1901 noch als Übertretungen ausgestaltet. Nur Angehörige des der Weinkontrolle unterworfenen Personenkreises kamen als Täter in Betracht, soweit sie verpflichtet waren, über gewisse Geschäfts- oder Betriebsvorfälle und Tatsachen Bücher zu führen, diese Bücher und Geschäftspapiere aufzubewahren und den zur Kontrolle

174 Siehe Viertes Kapitel, 5., c). 175 Ausführlich von der Pfordten, WeinG 1909, § 11, S. 59–63; Günther / Marschner, § 11, S. 183–194. 176 Hierzu von der Pfordten, § 29 Nr. 6, S. 105–106. 177 Günther / Marschner, aaO, § 13 S. 199–212. 178 Dazu ausführlich Günther / Marschner, § 15, S. 221–224. 179 Ausführlich hierzu Günther / Marschner, WeinG 1909, S. 301–304.

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berufenen Beamten und Sachverständigen Auskunft zu erteilen. Die Verweigerung der Vorlage oder Durchsicht der vorhandenen Bücher wurde von § 29 Nr. 5 erfasst180.

6. Strafbarkeit nach § 26 Abs. 1 Nr. 3 (Verwenden von Stoffen) Ebenfalls neu aufgenommen war die Strafbarkeit für Personen, die unzulässige Stoffe anboten, verkauften oder vermittelten. § 26 Abs. 1 Nr. 3 bedrohte schon das Ankündigen, Feilhalten, Verkaufen oder Ansichbringen von Stoffen, deren Verwendung bei der Herstellung von Wein und anderen Erzeugnissen unzulässig ist ferner die Vermittlung eines diesen Zwecken dienenden Verkaufs solcher Stoffe. Gewerbsmäßigkeit war kein Tatbestandsmerkmal. Die in Bezug genommene Nummer 3181 enthielt eine bemerkenswerte Unklarheit“182. Die Umgrenzung des Begriffs „zulässige Stoffe“ begegnet Schwierigkeiten, „deren befriedigende Lösung bei der Unklarheit des Gesetzes wohl nicht gelingen wird“183. Es fragt sich daher, ob nur die nach Maßgabe des Weingesetzes oder auch die nach dem allgemeinen Lebensmittelgesetz unzulässigen Stoffe gemeint seien. Beschränkte man den Begriff auf die nach dem Weingesetz unzulässigen Stoffe, so erhielt man durch das WeinG (§ 10 Abs. 2 und 16) eine klare Abgrenzung, denn in den Ausführungsbestimmungen waren diese Stoffe einzeln aufgeführt184. Das Reichsgericht hat im Urteil vom 8. November 1912 (RGSt 46, 330–334) die Auslegung des § 26 Abs. 1 Nr. 3 nicht geklärt, schien aber den Begriff der unzulässigen Stoffe im engeren Sinne aufzufassen185.

7. § 26 Abs. 2186 (Schwere Fälle) Neu aufgenommen in das WeinG 1909 wurde die Erweiterung des Strafrahmens für schwere Fälle. Lag ein solcher vor, musste auf Gefängnis erkannt

180 181 182 183 184 185 186

Günther / Marschner, § 26, S. 302. Ausführlich zu § 26 I Nr. 3: Günther / Marschner, WeinG 1909, § 26, S. 304–308. So kritisch Hofacker, a.a.O., S. 156. Ebd. Ders., S. 157. Ders., S. 159. § 26 Abs. 1 Nr. 2: … wer wissentlich unrichtige Eintragungen in die nach § 19 zu führenden Bücher macht oder die nach Maßgabe des § 23 von ihm geforderte Auskunft wissentlich unrichtig erteilt, desgleichen wer vorsätzlich Bücher oder Geschäftspapiere, welche nach § 19 Abs. 3 aufzubewahren sind, vor Ablauf der dort bestimmten Frist vernichtet oder beiseite schafft.

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werden. Die Höchststrafe wurde auf zwei Jahre festgelegt, die daneben zulässige Geldstrafe war auf 20.000 Mark begrenzt. Ob ein „schwerer Fall“ vorlag, hatte der Richter nach freiem Ermessen unter Berücksichtigung des Einzelfalles zu bestimmen. Als Anhaltspunkte führte das Gesetz den „Umfang der Verfehlungen“ (z.B. Menge des verfälschten Weines, Zeitraum der Fälschungen) sowie die „Beschaffenheit der verwendeten Stoffe“ (z.B. deren Gesundheitsgefährlichkeit) an187.

8. § 26 Abs. 3188 (Rückfall) § 26 Abs. 3 ließ die bereits in § 13 Abs. 2 WeinG 1901 angeordnete Strafschärfung für Wiederholungstäter grundsätzlich bestehen, die Strafrahmen wurden jedoch erhöht.

9. § 27189 (Verschwiegenheitspflicht) § 27 WeinG 1909 entspricht mit geringen Veränderungen § 14 WeinG 1901. Zweck der Strafbewehrung war die „Sicherung der den Sachverständigen in § 24 auferlegten Berufspflichten“190. Täter sind die Sachverständigen im Sinne des § 24 und zwar auch dann, wenn sie als Beamte anzusehen sind, nicht aber die Beamten der Nahrungsmittelpolizei191. Nach anderer Auffassung betraf die Strafandrohung nur die Sachverständigen, die Beamten seien bei Bruch der Amtsverschwiegenheit in erster Linie disziplinarisch verantwortlich zu machen192. Die strafbare Handlung bestand in der Verletzung der Pflicht zur Verschwiegenheit oder in der Verwertung der Geschäfts- und Betriebsgeheimnisse. Die Pflicht

187 Günther / Marschner, a.a.O., S. 308. 188 § 26 Abs. 1 Nr. 3: … wer Stoffe, deren Verwendung bei der Herstellung, Behandlung oder Verarbeitung von Wein, Schaumwein, weinhaltigen oder weinähnlichen Getränken unzulässig ist, zu diesen Zwecken ankündigt, feilhält, verkauft oder an sich bringt, desgleichen wer einen diesen Zwecken dienenden Verkauf solcher Stoffe vermittelt. 189 § 27 Abs. 1: Mit Geldstrafe bis zu eintausendfünfhundert Mark oder mit Gefängnis bis zu drei Monaten wird bestraft, wer den Vorschriften des § 24 zuwider Verschwiegenheit nicht beachtet, oder der Mitteilung oder Verwertung von Geschäfts- oder Betriebsgeheimnissen sich nicht enthält. § 27 Abs. 2: Die Verfolgung tritt nur auf Antrag des Unternehmers ein. 190 Günther / Marschner, § 27, S. 310. 191 Hofacker, a.a.O., S. 159. 192 Lebbin, WeinG 1909, § 27, S. 119.

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zur Verschwiegenheit wurde verletzt durch jede unbefugte Mitteilung der geheim zu haltenden Tatsachen an eine „unberufene“ Person193. Nach Absatz 2 war ist die Stellung eines Strafantrages erforderlich, §§ 61 ff. RStGB, und zwar des Unternehmers, dessen rechtlich geschützte Interessen verletzt wurden.

10. § 28194 (Bezeichnungsvorschriften) Nach § 28 Nr. 1–3 wurde bestraft, wer Bezeichnungsvorschriften zuwider handelte. § 28 fügt in Nr. 4 Zuwiderhandlungen gegen Buchführungspflichten an, die eigentlich in § 29 ihren Platz haben sollten195. Die Zuwiderhandlungen gegen § 28 konnten vorsätzlich oder fahrlässig begangen werden. Eine auf Täuschung gerichtete Absicht braucht dagegen nicht vorzuliegen196.

a) Verstoß gegen § 5 Abs. 1 (Zuckerung) Nach § 28 Nr. 1 wurde bestraft, wer vorsätzlich oder fahrlässig gezuckerten Wein unter einer Bezeichnung feilhielt oder verkaufte, die auf Reinheit des Weines oder auf besondere Sorgfalt bei der Gewinnung der Trauben deutete, oder unter einer Benennung, in der angegeben oder angedeutet wurde, dass der Wein Wachstum eines bestimmten Weinbergsbesitzers sei (§ 5 Abs. 1).

193 Günther / Marschner, a.a.O., S. 310. 194 § 28: Mit Geldstrafe bis zu sechshundert Mark oder mit Haft bis zu sechs Monaten wird bestraft, wer vorsätzlich oder fahrlässig 1. den Vorschriften des § 5 Abs. 1, des § 7 Abs. 2, des § 8, des § 10 Abs. 3 oder des § 18 Abs. 1 zuwiderhandelt; 2. den Vorschriften des § 6 oder des § 7 Abs. 1 zuwider bei der Benennung von Wein eine der Herkunft nicht entsprechende geographische Bezeichnung verwendet; 3. Schaumwein oder Kognak gewerbsmäßig verkauft oder feilhält, ohne daß den Vorschriften des § 17 und des § 18 Abs. 4, 5 genügt ist; 4. außer den Fällen des § 26 Nr. 2 den Vorschriften über die nach § 19 zu führenden Bücher zuwiderhandelt. 195 Hofacker, a.a.O., S. 160. 196 Günther / Marschner, a.a.O., S. 315.

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b) Verstoß gegen § 7 Abs. 2 Nach § 28 Nr. 1 machte sich auch strafbar, wer im gewerblichen Verkehr mit Wein in der Benennung eines Verschnitts aus Erzeugnissen verschiedener Herkunft angab oder andeutete, dass der Wein Wachstum eines bestimmten Weinbergsbesitzers sei (§ 7 Abs. 2).

c) Verstoß § 8 (Mischung) Ebenso konnte nach § 28 Nr. 1 bestraft werden, wer ein Gemisch von Weiß- und Rotwein als Rotwein feilhielt oder verkaufte, ohne eine die Mischung kennzeichnende Bezeichnung zu verwenden (§ 8).

d) Verstoß gegen § 10 Abs. 3 (Weinähnliche Getränke) Wer dem Weine ähnliche Getränke aus Fruchtsäften, Pflanzensäften oder Malzauszügen im Verkehr als Wein bezeichnete, ohne hierbei solche Wortverbindungen zu gebrauchen, welche die Stoffe kennzeichnen, aus denen die Getränke hergestellt waren, wurde nach § 28 Nr. 1 i.V.m. § 10 Abs. 3 bestraft.

e) Verstoß gegen § 18 Abs. 1 (Trinkbranntwein) § 28 Nr. 1 bestrafte schließlich auch denjenigen, der Trinkbranntwein, dessen Alkohol nicht ausschließlich aus Wein gewonnen ist, im geschäftlichen Verkehr als Kognak bezeichnete (§ 18 Abs. 1).

f) Verstoß gegen §§ 6, 7 (Geographische Bezeichnung) Nach § 28 Nr. 2 wurde bestraft, wer im gewerbsmäßigen Verkehr mit Wein den Vorschriften des § 6 oder § 7 Abs. 1 zuwider bei der Benennung von Wein eine der Herkunft nicht entsprechende geographische Bezeichnung verwendete.

g) Verstoß gegen § 18 Abs. 4, 5 (Schaumwein und Kognak) Nach § 28 Nr. 3 machte sich strafbar, wer Schaumwein oder Kognak gewerbsmäßig verkaufte oder feilhielt, die nicht den Vorschriften des § 17 und des § 18 Abs. 4, 5 betreffend die Bezeichnung von Schaumwein und Kognak, genügten.

h) Verstoß gegen § 19 (Buchführung) Als letzter Tatbestand enthält § 28 in Nr. 4 eine Buchführungsvorschrift und bestrafte denjenigen, der, außer den Fällen des § 26 Nr. 2, den Vorschriften über die nach § 19 zu führenden Bücher zuwiderhandelte.

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11. § 29197 Nr. 1 WeinG 1909 – Verstoß gegen § 5 Abs. 2 (Falsche Auskunfterteilung) § 29 Nr. 1 stellte die vorsätzliche Nichterteilung oder die wissentlich unrichtige Erteilung der nach Maßgabe des § 5 Abs. 2 geforderten Auskunft unter Strafe. Hiernach war dem Abnehmer auf Verlangen vor Übergabe Auskunft zu erteilen über die Zuckerung des verkauften Weines, Mostes oder der Traubenmaische. Täter konnte nur sein, wer Wein gewerbsmäßig in den Verkehr brachte. Vollendet war die Tat, wenn der Auskunftspflichtige die von ihm vor der Übergabe des Weines verlangte Auskunft ausdrücklich verweigerte oder es unterließ, sie binnen angemessener Frist zu erteilen oder die unrichtige Auskunft dem Abnehmer zur Kenntnis gelangte198. Nach § 5 Abs. 2 Hs. 2 hatte sich derjenige, der Wein gewerbsmäßig in Verkehr brachte „beim Erwerbe von Wein die zur Erteilung dieser Auskunft erforderliche Kenntnis zu sichern“. Die Erkundigungspflicht war allerdings zu Recht nicht mit Strafe bedroht, denn es musste jedem Händler überlassen bleiben, den gekauften Wein eventuell selbst zu konsumieren199. Die mit der Herstellung von gezuckertem Wein verbundenen Informationspflichten gegenüber Konsumenten waren mit § 5 WeinG 1909 einer eigenständigen Regelung unterworfen. Diese ging über die bisher in § 4 WeinG 1901 auferlegten Beschränkungen bei der Bezeichnung von verbesserten Weinen hinaus200.

197 § 29: Der im § 28 bestimmten Strafe unterliegt ferner 1. wer vorsätzlich die nach Maßgabe des § 5 Abs. 2 zu erteilende Auskunft nicht oder unrichtig erteilt; 2. wer vorsätzlich die nach § 3 Abs. 4 und nach § 11 Abs. 3 vorgeschriebenen Anzeigen nicht erstattet oder den auf Grund des § 11 Abs. 3 erlassenen Anordnungen zuwiderhandelt; 3. wer vorsätzlich es unterläßt, an Gefäßen oder Flaschenstapeln die nach § 20 Abs. 1, 2 vorgeschriebenen Bezeichnungen anzubringen, oder einem auf Grund des § 20 Abs. 3 ergangenen Verbote zuwiderhandelt; 4. wer vorsätzlich den von den Landeszentralbehörden oder den von diesen ermächtigten Landesbehörden auf Grund des § 25 Abs. 3 erlassenen Vorschriften zuwiderhandelt; 5. wer den Vorschriften der §§ 22, 23 zuwider das Betreten oder die Besichtigung von Räumen, die Begleitung der Beamten oder Sachverständigen bei der Besichtigung der Räume, die Vorlegung oder die Durchsicht von Geschäftsbüchern oder -papieren, die Angabe oder die Entnahme von Proben verweigert, desgleichen wer die von ihm geforderte Auskunft nicht oder aus Fahrlässigkeit unrichtig erteilt; 6. wer eine der im § 26 Abs. 1 Nr. 1 bezeichneten Handlungen aus Fahrlässigkeit begeht. 198 Günther / Marschner, a.a.O., S. 317. 199 Eggebrecht, a.a.O., S. 30. 200 Maringer, a.a.O., S. 174.

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12. § 29 Nr. 2 (Anzeigepflichten) Nach § 29 Nr. 2 machte sich strafbar, wer die Absicht, Traubenmaische, Most oder Wein zu zuckern, der zuständigen Behörde nicht gem. § 3 Abs. 4 anzeigte. Diese Bestimmung war im WeinG 1901 noch nicht enthalten und diente der Kontrolle und Überwachung der Weinherstellung. Als Täter kam nur in Betracht, wer zur Anzeige der Zuckerung verpflichtet war oder wer Wein gewerbsmäßig in Verkehr brachte, also in beiden Fällen der Betriebsinhaber201. Nach § 29 Nr. 2 wurde ebenfalls bestraft, wer entgegen § 11 Abs. 3 die Herstellung und Menge von Haustrunk der zuständigen Behörde nicht anzeigte (1. Alt.) oder gegen Anordnungen der zuständigen Behörde hinsichtlich Beschränkungen der Herstellung von Haustrunk verstieß (2. Alt.).

13. § 29 Nr. 3 (Kennzeichnungspflichten) § 29 Nr. 3 bedrohte denjenigen mit Strafe, der die in § 20 Abs. 1, 2 vorgeschriebene Kennzeichnung des Inhalts von Gefäßen und Flaschenstapeln, wie sie zur Herstellung und Lagerung von Wein verwendet werden, unterließ, wenn in ihnen Haustrunk oder andere Getränke als Wein oder Traubenmost verwahrt werden, und sie sich in einem Raume befanden, in dem Wein zum Zwecke des Verkaufs hergestellt oder gelagert wurde. Nr. 3 bestrafte auch Zuwiderhandlungen gegen ein auf Grund des § 20 Abs. 3 von der Polizeibehörde ergangenes Verbot der Verwahrung anderer Stoffe als Wein oder Traubenmost in solchen Räumen202. § 20 bezog sich auf Haustrunk und alle anderen Getränke, die nicht Wein oder Traubensaft waren. Diese mussten dauernd leicht lesbar kenntlich gemacht werden203. Verantwortlich war insoweit der Betriebsinhaber.

14. § 29 Nr. 4 (Verstoß gegen Vollzugsbestimmungen) § 29 Nr. 4 erfasste vorsätzliche Zuwiderhandlungen gegen die landesrechtlichen Vollzugsbestimmungen (§ 25 Abs. 3). Fahrlässige Zuwiderhandlungen gegen die in Nr. 1–4 bezeichneten Tatbestände unterfielen § 30204.

201 202 203 204

Hofacker, WeinG 1909, § 29, S. 162. Günther / Marschner, a.a.O., § 29, S. 318/319. Lebbin, WeinG 1909, S. 108/109; Weißer, WeinG 1909, § 29, S. 94. § 30: Mit Geldstrafe bis zu einhundertfünfzig Mark oder mit Haft wird bestraft, wer eine der im § 29 Nr. 1 bis 4 bezeichneten Handlungen aus Fahrlässigkeit begeht.

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15. § 29 Nr. 5 (Behinderung von Kontrollen) § 29 Nr. 5 stellte die vorsätzliche Behinderung der zuständigen Beamten oder Sachverständigen bei der Durchführung ihrer Weinkontrollen unter Strafe. In Betracht kamen die Verweigerung des Zutritts der in §§ 22, 23 genannten Räume, die Weigerung der Vorlegung von Geschäftsbüchern oder -papieren. Wurde eine unrichtige Auskunft fahrlässig erteilt, war dies ebenfalls nach Nr. 5 strafbar. Zu unterscheiden ist zwischen der Verweigerung des Eintritts in die zu überwachenden Räume und den anderen Tatbeständen. § 22 gewährt den zuständigen Beamten und Sachverständigen zwar eine Befugnis, schaffte aber keine selbständige mit Strafandrohung verschärfte Verpflichtung für jedermann, die Ausübung dieser Befugnisse zu unterstützen oder zu dulden205. Nach anderer Auffassung sei der Personenkreis auf Personen auszudehnen, denen das Verfügungsrecht über die Räume zusteht und ein Betreten verhindern können wie beispielsweise Pförtner206. Letzterer Auffassung ist der Vorzug zu geben, das Betretungsrecht liefe ins Leere, wenn Bedienstete in Abwesenheit des Firmeninhabers eine Kontrolle verhindern könnten.

16. §§ 31, 32207 (Einziehung, Bekanntmachung) § 31 entspricht § 18 WeinG 1901, hat ihn aber durch neue Tatbestände erweitert, so dass die Einziehung und Vernichtung von Wein eine gesteigerte Bedeutung erlangt hat208. 205 So Hofacker, a.a.O., S. 162/163; ebenso Zoeller, WeinG 1909, § 29, S. 112. 206 Günther / Marschner, a.a.O., S. 319; von der Pfordten, § 29 Nr. 5, S. 105. 207 § 31: (1) In den Fällen des § 26 Abs. 1 Nr. 1 ist neben der Strafe auf Einziehung der Getränke oder Stoffe zu erkennen, welche den dort bezeichneten Vorschriften zuwider hergestellt, eingeführt oder in den Verkehr gebracht worden sind, ohne Unterschied, ob sie dem Verurteilten gehören oder nicht; auch kann die Vernichtung ausgesprochen werden. In den Fällen des § 28 Nr. 1, 2, 3 und des § 29 Nr. 6 kann auf Einziehung oder Vernichtung erkannt werden. (2) In den Fällen des § 26 Abs. 1 Nr. 3 ist neben der Strafe auf Einziehung oder Vernichtung der Stoffe zu erkennen, die zum Zwecke der Begehung einer nach den Vorschriften dieses Gesetzes strafbaren Handlung bereit gehalten werden. (3) Die Vorschriften des Abs. 1, 2 finden auch dann Anwendung, wenn die Strafe gemäß § 73 des Strafgesetzbuches auf Grund eines anderen Gesetzes zu bestimmen ist. (4) Ist die Verfolgung oder Verurteilung einer bestimmten Person nicht ausführbar, so kann auf die Einziehung selbständig erkannt werden. 208 Hofacker, a.a.O., S. 164.

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Die rechtliche Natur der Einziehung und Vernichtung war streitig, sie konnte als Strafe oder als polizeiliche Vorbeugungsmaßregel anzusehen sein209. Das Reichsgericht210 hat die Einziehung im Rahmen des Weingesetzes als Nebenstrafe betrachtet, obwohl sie auch dann angeordnet werden konnte, wenn die in Betracht kommenden Gegenstände dem Täter nicht gehörten. Es lässt aber nicht verkennen, dass die Einziehung des Weingesetzes von derjenigen des Strafgesetzbuchs „grundverschieden“ war, da die Einziehung sich auch auf die nicht im Eigentum des Täters stehenden Gegenstände sich erstrecken konnte und selbst nur unrichtig bezeichnete, nicht also durch ein Vergehen hervorgebrachte oder für ein Vergehen gebrauchte Getränke umfasste. Als einheitlicher Gedanke lasse sich aus § 31 nur herauslesen, gegen die Missstände im Weinverkehr möglichst scharf vorzugehen, „eine eigentümliche Mischung von verkehrspolizeilichen und strafrechtlichen Zwecken“, wobei der Schwerpunkt in strafrechtlichen Zwecken liege211.

Eine weitere Sanktion ergab sich durch Verweis auf § 16 NMG in § 32 S. 2 betreffend die öffentliche Bekanntmachung des Strafurteils212. Überhaupt blieben gem. § 32 WeinG 1909 die Vorschriften des NMG 1879 „unberührt“.

17. Rückblick Da sich das WeinG1901 als nicht ausreichend erwiesen hatte, den wachsenden Missbräuchen Einhalt zu gebieten, wurde durch das Weingesetz 1909 nachgebessert. Dieses Gesetz war das erste umfassende deutsche Weingesetz,  das  auch  weinwirtschaftspolitische  Ziele  verfolgte. Es schränkte die Anreicherung ein, zählte die zulässigen Weinbehandlungsstoffe abschließend auf und enthielt detaillierte Vorschriften über Herkunftsangaben sowie über die Bezeichnung und Kennzeichnung des Weines. Es wurde eine Pflicht zur Weinbuchführung eingeführt und die Weinkontrolle durch Bestellung hauptamtlicher Weinsachverständiger gestärkt. Nachdem die Chance des zweiten Weingesetzes 1901 aufgrund der widerstrebenden und erbittert vertretenen unterschiedlichen Interessen der verschiedenen Zweige der Weinwirtschaft ungenutzt geblieben war , brachte erst das dritte Weingesetz von 1909 eine „befriedigende Regelung der Etikettierungsfrage213. Erst von diesem neuen Weingesetz an konnte sich der Verbraucher ein ungefähres Bild davon machen, aus welcher Region der vor ihm stehende Wein wohl stammen würde. Während die in der öffentlichen Meinung unterbewerteten Weinbaugebiete, allen voran 209 Günther / Marschner, a.a.O., S. 323/324; Zoeller, WeinG 1909, § 31, S. 114 sieht in der Einziehung eine Nebenstrafe und zugleich eine „Präventionsmaßregel“. Sie soll den Täter als Strafe treffen und weiteren Gesetzesverletzungen vorbeugen. 210 RGSt 26, 406–407, Urteil vom 24.1.1895; 38, 311–314, Urteil vom 23.12.1905; 38, 360–363, Urteil vom 19.2.1906. 211 Hofacker, a.a.O., S. 165. 212 Ders., § 31 Nr. 11, S. 171. 213 Malsburg, 150 Jahre, S. 38.

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die Pfalz, mit dieser Regelung nur zufrieden sein konnten, waren andere natürlich – viceversa – gar nicht so glücklich. Der Mainzer Weinhändler Eduard Goldschmidt beispielsweise meinte, nun habe man es mit der Herkunftsfrage ja wirklich übertrieben, „denn schließlich käme ja auch niemand auf die Idee zu fordern, dass Frankfurter Würstchen auch wirklich aus Frankfurt stammen müssten214.

Hinzu kam, dass Verstöße gegen Verschnittbestimmungen zuweilen als „Kavaliersdelikte“ gesehen und dementsprechend milde bestraft wurden. Ein Verschnitt mit Auslandsweinen zur Farbaufbesserung „segelte stets unter der Flagge eines deutschen Weines“215, ein beliebtes Mittel in einer Zeit, als größere Mengen ausländischer Weine zollfrei nach Deutschland eingeführt werden konnten und damit zu Preisen, die unterhalb der Erzeugungskosten für heimische Weine lagen. Es kam daher nicht überraschend, dass auch hinsichtlich des Bezeichnungsrechts mit mehr Klarheit und verschaffte Strafbestimmungen gefordert wurden216. Die Strafbestimmungen (§§ 26 bis 30) nahmen an Quantität zu, das Prinzip der Verweisungstechnik wurde weiter ausgebaut. Sie erfuhren auch inhaltlich eine erhebliche Verschärfung. Als Höchststrafe war Gefängnis bis zu 6 Monaten und Geldstrafe bis 3000 Mark oder einer dieser Strafen vorgesehen. Als bloße Übertretung wurden noch Fahrlässigkeitsdelikte geringfügiger Art bestraft. Dieses Gesetz hat seine Aufgabe, die eingerissenen Missstände in der Weinwirtschaft zu bekämpfen, im Wesentlichen erfüllt217. Die notorischen Missstände seien beseitigt worden, das Gesetz lasse „erfreuliche Ausblicke“ in kommende Zeiten zu218. Jedoch hatte die fortschreitende weinwirtschaftliche und technische Entwicklung zur Folge, dass sich in der Praxis in zunehmendem Maße Rechtsunsicherheiten ergaben, die eine Gesetzesreform erneut erforderlich machten219. Insbesondere die Zuckerungsbestimmungen reichten den Winzern nicht aus, so dass die zulässige 20%-Zugabe im WeinG 1930 auf 25% angehoben wurde. Die Aufzuckerung war durch das WeinG zeitlich gebunden, von der Traubenlese bis zum 31. Dezember, das WeinG 1930 erhöhte diese sodann auf den 31. Januar des Folgejahres.

214 215 216 217

Zitiert bei Malsburg, a.a.O., S. 39. Graff, Weinwirtschaft bis 1930, a.a.O., S. 81. Ebd. Resümierte die Amtliche Begründung zum endg. Entwurf des WeinG 1930, abgedruckt bei Goldschmidt, WeinG 1930, S. 412–423. 218 So optimistisch Pfaff, WeinG 1909, S. 71. 219 Heimermann, a.a.O., S. 5; Henssen, a.a.O., S. 11/12.

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Fünftes Kapitel

Weiterhin bemerkenswert am WeinG 1909 waren die §§ 6 Abs. 2 Satz 2 und 7 Absatz 1, die als normative Irreführung schon vor über 100 Jahren den Grundstein der sich durchsetzenden und verfestigenden „relativen Bezeichnungswahrheit“ im Weinrecht legten – der „Startschuss“ für eine Täuschung der Verbraucher, die in anderen Lebensmittelgesetzen Ihresgleichen sucht.

18. Täter und Motive Warum gerieten auch integre und ehrliche Winzer mit einem Gesetz, das die Gepflogenheiten ihres Berufsstandes regelte, in Konflikt? Eine erste Antwort versucht Meyer220, der konstatiert, dass in den 20er Jahren des 20. Jahrhunderts die Not der Winzer groß gewesen sei, so dass die Versuchung zu unlauteren Machenschaften zu greifen, erheblich gewesen sei. Nach einer Analyse einiger Weinstrafverfahren im Bereich Koblenz kommt der Verfasser zu dem Schluss, dass im gesamten Weinkriminalitätsbereich in erster Linie eine Notlage das Motiv bestimmt habe. Graff221 weist darauf hin, dass auf einen sehr guten 1920er Jahrgang ein 1921er Jahrgang als einer der besten Jahrgänge aller Zeiten in Deutschland folgte, denen sich allerdings mehrere Missernten in Folge bis 1928 anschlossen. Ausgerechnet in die Jahre dieser Missernten sei die sich immer schneller entwickelnde Geldentwertung gefallen, die Ende 1923 mit dem finanziellen Zusammenbruch endete. Viele Weinbaubetriebe seien zum Aufbrauchen ihrer Reserven, sofern überhaupt vorhanden, gezwungen gewesen. Vor allem Kleinwinzer hätten Kredite beantragt, die ihnen bei Nachweis ihrer Notlage auch gewährt wurden, wobei das Reichsministerium der Finanzen die geforderten Bürgschaften übernommen habe222. Vor dem ersten Weltkrieg seien durchschnittlich pro Jahr rund 154.000 hl deutschen Weins im Wert von rund 20 Millionen M ausgeführt worden. Demgegenüber konnten nach dem Ersten Weltkrieg im Durchschnitt nur rund 28.100 hl im Wert von gut 7,1 Millionen M exportiert werden. Das war mengenmäßig ein Rückgang auf nicht einmal ein Fünftel (18,25%). Vor dem Ersten Weltkrieg seien die wichtigsten Abnehmerländer für deutsche Weine die Vereinigten Staaten von Amerika, Großbritannien, die nordeuropäischen Staaten, Belgien, die Niederlande und Russland gewesen, ein Teil dieser Abnehmerländer seien ehemalige Kriegsgegner gewesen223. Wie so viele andere Berufszweige sei auch der wirtschaftlich wenig geschulte Winzer ein Opfer der Geldentwertung geworden. Nach Meyer verkaufte er das 220 221 222 223

Meyer, Heinz, Die Delikte gegen das Weingesetz, S. 95. Graff, Weinwirtschaft bis 1930, S. 27/28. Graff, a.a.O., S. 28. Ders., S. 14.

Gesetzgebung bis zum Ende des Kaiserreichs

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Produkt einer Ernte meist gleich nach dem Herbst geschlossen zu angemessenen Preisen, so dass ihm der einmalige jährliche Erlös durch die rapide fortschreitende Geldentwertung immer mehr ausgehöhlt wurde, bis er schließlich vor dem Nichts stand. So ist es beispielsweise „im Jahr 1921, in dem der vorzüglichste Tropfen der letzten Jahre reifte“, an Mosel, Saar und Ruwer allgemein vorgekommen, dass die Winzer ihren Wein kellerweise zu 13.000 – 20.000 Mark pro Fuder samt Fass verkauften, während sie im Herbst 1922 für das erlöste Geld kaum noch die leeren Fässer kaufen konnten, von den ungeheuren jährlichen Bebauungskosten der Weinberge nicht zu sprechen224. Andererseits versuchte der Weingesetzgeber mit entgegenkommenden Verordnungen225 der Winzerschaft insoweit zu helfen, als er die Notlage in einzelnen Jahren dadurch zu mildern versuchte, das das Höchstmaß der erlaubten Zugabe einer Zuckerwasserlösung von 20 Prozent auf ein Viertel der Gesamtmenge heraufgesetzt wurde, ohne dass hierdurch eine spürbare Linderung der wirtschaftlichen Not ergeben hätten. Auch wurde die Weinsteuer am 1. April 1926, fünf Wochen nach dem sog. „Bernkasteler Winzeraufstand“, ganz aufgehoben, nachdem diese von 20% Prozent bis auf 0 herabgesenkt wurde226. Diesen Steuererleichterungen standen andererseits wieder Verpflichtungen nach dem Versailler Vertrag gegenüber, dessen Art. 274 einschneidende negative Auswirkungen auf die deutsche Wirtschaft im Allgemeinen und auf die Weinwirtschaft im Besonderen hatte. Zur Zeit des Abschlusses des Friedensvertrages von Versailles war das WeinG 1909 sowie die hierzu erlassenen Ausführungsbestimmungen vom 7. Juni 1909 in Kraft. Die Deutschland durch den Versailler Vertrag auferlegten Verpflichtungen machten Ergänzungen bzw. Korrekturen erforderlich, die ihren Niederschlag fanden in der geänderten Fassung des Weingesetzes vom 1. Februar 1923 bzw. in der neuen Fassung der Ausführungsbestimmungen vom 1. Dezember 1925227. Nach alledem resultierten die Motive der Täter seinerzeit nicht selten aus dem Willen zu Überleben in einer wirtschaftlichen Not, die durch Missernten, Währungszerfall und auch Wegbrechen der Absatzmärkte geprägt war. Es waren häufig keineswegs Gewinnmaximierung oder Gewinnsteigerungen um jeden Preis.

224 So Meyer, Felix in DDW Nr. 2/1923 vom 19. Januar1923, S. 17. 225 Verordnung vom 24. November 1914 (RGBl. I S. 486) für den Jahrgang 1914 und durch Gesetz vom 31. Oktober 1927 (RGBl. I S. 326) für den Jahrgang 1927. 226 Graff, a.a.O., S. 24/25. 227 Ders., S. 15.

Sechstes Kapitel: Gesetzgebung in der Weimarer Republik und in der Zeit der NS-Herrschaft I. Gesetz über den Verkehr mit Lebensmitteln und Bedarfsgegenständen von 19271 Das Lebensmittelgesetz vom 5. Juli 1927 (LMG 1927) ist am 1. Oktober 1927 in Kraft getreten. Mit diesem Zeitpunkt traten außer Kraft: das NMG 1879, § 367 Nr. 7 RStGB sowie die Verordnung gegen irreführende Bezeichnung von Nahrungs- und Genußmitteln vom 26. Juni 19162, die aufgrund des NMG 1879 erlassenen Verordnungen galten weiterhin, § 24 LMG 1927.

1. Entstehung des LMG 1927 Durch das NMG 1879 war eine umfassende Kodifikation des Lebensmittelrechts entstanden. Dieses 48 Jahre in Kraft gebliebene Gesetz wurde durch das Gesetz über den Verkehr mit blei- und zinkhaltigen Gegenständen vom 25. Juni 18873 und das Gesetz, betreffend die Verwendung gesundheitsschädlicher Farben bei der Herstellung von Nahrungsmitteln, Genußmitteln und Verbrauchsgegenständen vom 5. Juli 18874 ergänzt. 1927 wurde es durch das LMG abgelöst. Ein Vorläufer dieses Gesetzes war die Verordnung gegen irreführende Bezeichnung von Nahrungs- und Genußmitteln vom 26. Juni 19165. Ein erhebliches Defizit des Nahrungsmittelgesetzes von 1879 war das Fehlen eines allgemeinen Verbotes irreführender Bezeichnungen von Nahrungs- und Genussmitteln. Ein solches Verbot wurde erst durch die genannte Verordnung, aufgestellt, das die irreführende Bezeichnungen und Angaben im Lebensmittelverkehr unter Strafe stellte. Die ursprüngliche Verordnung von 1916 wurde aufgrund der Verordnung über Handelsbeschränkungen vom 13. Juli 1923 (RGBl. I S. 706) durch die Verordnung vom 1 2 3 4 5

Gesetz über den Verkehr mit Lebensmitteln und Bedarfsgegenständen (Lebensmittelgesetz) vom 5. Juli 1927 (RGBl. I S. 134). RGBl. 1916, S. 588. RGBl. 1887, S. 273–275. RGBl. 1887, S. 277–280. RGBl. 1916, S. 588–589.

https://doi.org/10.1515/9783110682816-008

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Sechstes Kapitel

13. Juli 1923 (RGBl. I S. 728) über die äußere Kennzeichnung von Waren“ geändert und ergänzt. An die Stelle der letzteren trat die aufgrund des § 5 Abs. 3 des Lebensmittelgesetzes erlassene Verordnung „über die äußere Kennzeichnung von Lebensmitteln“ vom 29. September 1927, geändert durch die Verordnung vom 28. März 1928 (RGBl. I S. 318) (Holthöfer-Juckenack, LMG, S. 416). Die VO gegen irreführende Bezeichnungen wurde elf Jahre nach Inkrafttreten durch das LMG 1927, das am 1. Oktober 1927 in Kraft trat, abgelöst (§ 24 LMG 1927).

2. Definitionen a) Lebensmittel § 1 LMG 1927 definierte vorab, was unter Lebensmittel zu verstehen ist, nämlich Nahrungsmittel, die dazu bestimmt sind „von Menschen gegessen oder getrunken zu werden“. Was nicht ess- oder trinkbar ist, war mithin kein Lebensmittel im Sinne des LMG 19276. Wein ist ein Getränk, das nur für den menschlichen Genuss bestimmt ist und daher Lebensmittel, und wurde als solches auch schon vom NMG 1879 angesehen.

b) Verfälschung Bereits die Sachverständigenkommission, die das NMG von 1879 vorbereitet hatte, hatte das Fehlen einer Definition für „verfälschen“ gerügt. Daraufhin wurde im Gesetzentwurf des NMG 1879 der Versuch einer Definition gewagt und in den Reichstagskommissionen rege diskutiert, dem Reichstag aber empfohlen, eine Definition im Gesetz nicht festzulegen. Man überließ es den Gerichten, von Fall zu Fall, die Frage zu entscheiden, ob eine Fälschung eines Lebensmittels vorlag7.

c) Gegenstand: Eß-, Trink- und Kochgeschirr Nach § 2 unterfielen dem LMG 1927 Bedarfsgegenstände, namentlich Eß-, Trink- und Kochgeschirr. Trinkgefäße sind u.a. Weingläser und Weinflaschen. Weinfässer, Bottiche und Weinschläuche sind gleichfalls ihrer Art nach allgemein dazu bestimmt, bei der Herstellung, Aufbewahrung oder Beförderung dieser Getränke (Lebensmittel) verwendet zu werden und dabei mit diesen unmittelbar in Berührung zu kommen.

6 7

Ausnahmen: Tabak und Tabakerzeugnisse, § 1 Abs. 2. Holthöfer / Juckenack / Nüse, Lebensmittelrecht, Bd. I, 1961, S. 8.

Weimarer Republik und Zeit der NS-Herrschaft

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3. Strafvorschriften Die Strafvorschriften befanden sich in der Originalfassung im Jahr 1927 in §§ 12–18 LMG 19278.

a) § 12 LMG 19279 § 12 Abs. 1 enthält Strafdrohungen für Zuwiderhandlungen gegen die den Schutz der Gesundheit bezweckenden Vorschriften. Nach dieser Vorschrift machte derjenige sich strafbar, der vorsätzlich gegen § 3 oder gegen eine nach § 5 Nr. 1 erlassene Vorschrift verstieß, der Versuch war strafbar (§ 12 Absatz 2). Nach § 3 Nr. 1 a war es verboten Lebensmittel und damit auch Wein so herzustellen, zuzubereiten, zu verpacken, aufzubewahren oder zu befördern, dass deren Genuss geeignet war, die Gesundheit „zu schädigen“, gleiches galt für Gegenstände (§ 3 Nr. 1b). Die gleiche Strafandrohung galt für Bedarfsgegenstände, wenn diese so hergestellt oder verpackt waren oder in den Verkehr gebracht wurden, dass sie bei bestimmungsgemäßem Gebrauch geeignet waren, die Gesundheit „zu schädigen“ (§ 3 Nr. 2a, 2b). Dabei war selbstverständlich nur der Genuss in gebrauchsfertigem Zustand und der vorauszusehenden Menge gemeint, denn insbesondere bei alkoholischen Getränken konnte der Verzehr von „unvernünftig großen Mengen“ zu Erkrankungen führen, für die der Hersteller oder Händler nicht verantwortlich gemacht werden konnte10. Die nach § 5 Nr. 1 „zum Schutz der Gesundheit“ erlassenen Verordnungen spezialisierten und ergänzten lediglich die Verbote des § 3, so dass kein Anlass bestand, ihre Verletzung milder zu bestrafen als diejenige des § 311.

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In der Fassung vom 17.1.1936 befinden sie sich in §§ 11, 12 in der Fassung vom 14.8.1943; durch Gesetzesänderungen wurden diese teilweise an anderer Stelle platziert oder es wurden weitere Merkmale eines erschwerten Falles hinzugefügt, wie beispielsweise eine Tatbegehung, bei der der Täter „gewissenlos aus grobem Eigennutz“ gehandelt hatte, so § 11 Abs. 3 in der Fassung vom 21.12.1958 (BGBl. I S. 950). § 12: (1) Wer vorsätzlich einem der Verbote des § 3 oder einer nach § 5 Nr. 1 erlassenen Vorschrift zuwiderhandelt, wird mit Gefängnis und mit Geldstrafe oder mit einer dieser Strafen bestraft. (2) Der Versuch ist strafbar. (3) Ist durch die Tat eine schwere Körperverletzung oder der Tod eines Menschen verursacht worden, so tritt an Stelle des Gefängnisses Zuchthaus bis zu zehn Jahren. (4) Neben der Freiheitsstrafe kann auf Verlust der bürgerlichen Ehrenrechte, neben Zuchthaus auch auf Zulässigkeit von Polizeiaufsicht erkannt werden. (5) Ist die Zuwiderhandlung fahrlässig begangen, so tritt Geldstrafe und Gefängnis oder eine dieser Strafen ein“. Holthöfer-Juckenack, LMG 1927, S. 56. Dies., LMG 1927, S. 173.

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Sechstes Kapitel

Die Rechtsfolgen des § 12 waren unterschiedlich ausgestaltet, je nachdem ob die Tat vorsätzlich (Absatz 1) begangen wurde, durch die Tat eine schwere Körperverletzung oder der Tod eines Menschen verursacht wurde (Absatz 3) oder die Tat fahrlässig (Abs. 5) begangen wurde. Neben der Strafe war auf Einziehung oder Vernichtung der Gegenstände, auf die sich die Zuwiderhandlung bezog, zu erkennen, auch wenn die Gegenstände dem Verurteilten nicht gehörten (§ 14 Abs. 1 Satz 1). War ein Täter nicht zu ermitteln, so konnte bei Vorliegen der übrigen Voraussetzungen auf selbständige Einziehung oder Vernichtung erkannt werden (§ 14 Abs. 2). Ferner konnte angeordnet werden, dass die Verurteilung auf Kosten des Schuldigen öffentlich bekanntzumachen ist. Auf Antrag des freigesprochenen Angeklagten konnte das Gericht anordnen, dass der Freispruch öffentlich bekanntzumachen sei. Ergab sich im Falle einer Verurteilung nach § 12, dass dem Täter die erforderliche Zuverlässigkeit fehlte, so konnte ihm das Gericht in dem Urteil die Führung eines Betriebs ganz oder teilweise untersagen oder nur unter Bedingungen gestatten, soweit dieser sich auf die Herstellung oder den Vertrieb von Lebensmitteln oder Bedarfsgegenständen erstreckte (§ 15 Abs. 1). Eine Zuwiderhandlung gegen eine solche Untersagung wurde wiederum mit Gefängnis oder mit Geldstrafe bestraft (§ 15 Abs. 3).

b) § 13 LMG 192712 Diese Strafbestimmung gilt für Zuwiderhandlungen gegen Verbote, die den Schutz gegen Täuschungen bezweckten. Die Strafandrohung war gegenüber § 12 auf Gefängnis bis zu sechs Monaten und/oder Geldstrafe begrenzt. Zuwiderhandlungen gegen Verbote zum Schutz der menschlichen Gesundheit wogen für den LMG-Gesetzgeber schwerer, als solche gegen den Schutz vor Täuschungen. Strafbedroht waren das Nachmachen und Verfälschen von Lebensmitteln, das Anbieten, Feilhalten, Verkaufen und sonstige Inverkehrbringen von verdorbenen, nachgemachten oder verfälschten Lebensmitteln und das Inverkehrbringen von Lebensmitteln unter irreführender Bezeichnung (§ 4 Nr. 1–3), sowie

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§ 13: Wer vorsätzlich einem der Verbote des § 4 oder einer nach § 5 Nr. 2, 3 erlassenen Vorschrift zuwiderhandelt, wird mit Gefängnis bis zu sechs Monaten und mit Geldstrafe oder mit einer dieser Strafen bestraft. Ist die Zuwiderhandlung fahrlässig begangen, so tritt Geldstrafe bis zu einhundertfünfzig Reichsmark oder Haft ein.

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Handlungen, die gegen die aufgrund § 5 Nr. 2 und 3 erlassenen Verordnungen verstießen13. Die Nebenstrafen und Nebenfolgen des § 12 galten auch hier.

c) § 17 LMG 192714 Diese Vorschrift stellte Zuwiderhandlungen nach § 9 unter Strafe. Nach § 9 waren die Inhaber der in § 7 bezeichneten Räume15 und die von ihnen bestellten Betriebs- und Geschäftsleiter verpflichtet, die Beamten und Sachverständigen bei der Ausübung der im § 7 bezeichneten Befugnisse16 zu unterstützen, Räume und Behältnisse zugänglich zu machen und Proben auszuhändigen17.

d) § 18 LMG 192718 § 18 pönalisierte die Verletzung der Verschwiegenheitspflicht, der nach § 10 die Beamten der Polizei und die von der zuständigen Behörde beauftragten Sachverständigen im Hinblick auf Tatsachen und Einrichtungen unterlagen, welche durch die Ausübung ihrer Befugnisse zu ihrer Kenntnis gelangten19.

4. Rückschau Von dem weit gefassten § 4 LMG, der es verbot, verdorbene, nachgemachte oder verfälschte Lebensmittel, oder Lebensmittel unter irreführender Bezeichnung in den Verkehr zu bringen, waren an sich alle weinrechtlichen Vergehen der Weingesetze 1892, 1901, 1909 und sodann des WeinG 1930 erfasst. Aller-

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Ausführlich zu den Tatbestandsmerkmalen „Nachmachen“, „Verfälschen“ und Verdorbensein von Lebensmitteln, siehe Ausführungen zu § 10 NMG 1879 oben Viertes Kapitel, II., 6., c). § 17: Wer der durch § 9 auferlegten Verpflichtung zuwiderhandelt, wird mit Geldstrafe bis zu einhundertfünfzig Reichsmark oder mit Haft bestraft. Räume, in denen: 1. Lebensmittel gewonnen, hergestellt, zubereitet, verpackt, feilgehalten oder verkauft werden; 2. Bedarfsgegenstände zum Verkaufe vorrätig oder feilgehalten werden. Betreten der vorgenannten Räume während der Geschäftszeit, um dort Besichtigungen vorzunehmen und u.a. Proben zu entnehmen. Siehe hierzu Ausführungen zu § 9 NMG im Vierten Kapitel, II., 6., b). § 18: (1) Wer der durch § 10 Abs. 1 auferlegten Verpflichtung zuwiderhandelt, wird mit Gefängnis bis zu einem Jahre oder mit Geldstrafe bestraft. (2) Die Verfolgung tritt nur auf Antrag des Verletzten ein; die Zurücknahme des Antrags ist zulässig. Hierzu siehe Fünftes Kapitel, VI., 9. zu § 27 WeinG 1909.

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dings wurde § 4 durch spezialgesetzliche Regelungen ausgehebelt, indem bestimmt wurde, dass bestimmte Weinbehandlungen (Zuckerung, Verschnitt, Herkunft) nicht als Täuschung anzusehen seien („normative Irreführung“). Eigenständige weingesetzliche Strafbestimmungen vermochten § 4 LMG durchaus zu konkretisieren, dem Weingesetzgeber ging es aber offensichtlich darum, Herstellungs- und Vertriebsgepflogenheiten für Wein zu legalisieren, die nach dem LMG strafbewehrt waren. Wein sollte unter Ausschluss des § 4 LMG 1927 auch dann noch als ein solcher in den Verkehr gebracht werden können, wenn dieser zu 25% aus Zuckerwasser bestand, nur teilweise aus der angegebenen Rebsorte stammte oder nicht einmal aus der Weinregion stammte, die dem Händler oder Verbraucher gegenüber deklariert war und Rotweine zu großen Teilen eingeführten französischen und italienischen Rotwein enthielten. Das LMG 1927 hatte sich hinsichtlich des Gesundheits- und Verbraucherschutzes dank der Vorgaben in § 4 bewährt. Eine Verwässerung des den Verbraucherschutz in klare Worte fassenden LMG 1927 erfuhr das LMG 1927 durch Nachkriegsreformen, insbesondere durch die Aufnahme des § 5b in das LMG 1927. In der Fassung von 1958 ist hier festgelegt, dass das Verbot des § 4, verdorbene, nachgemachte oder verfälschte Lebensmittel oder Lebensmittel unter irreführender Bezeichnung in den Verkehr zu bringen, nicht für Lebensmittel galt, die ins Ausland exportiert werden sollten. Sie unterlägen „lediglich den Vorschriften des Empfangslandes“ (§ 5b Abs. 1). § 5b Abs. 2 schreibt allen Ernstes vor, dass die vorgenannten zur Ausfuhr bestimmten (verdorbenen) Lebensmittel von den für das Inland bestimmten „getrennt zu halten und entsprechend kenntlich gemacht“ werden mussten. M.a.W. Lebensmittel aus Deutschland, die verdorben waren, mussten nicht als solche gekennzeichnet werden, die Feststellung der Verdorbenheit und der damit einhergehenden Gesundheitsgefahr hat man den Empfängerländern überlassen20.

II. Weingesetz vom 25. Juli 193021 1. Zustandekommen Das Weingesetz 1930 wurde vom Reichstag, kurz vor dessen Auflösung, im Sommer 1930 im „Eiltempo“ angenommen22 und der 1. September 1930 als Tag des Inkrafttretens bestimmt. Der Reichsrat nahm am 17. Juli ohne Einspruch zu erheben, die Verabschiedung des Gesetzes durch den Reichstag zur Kenntnis.

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Das NMG 1879 stellte eine Zuwiderhandlung nach § 8 i.V.m. einer Kaiserlichen Verordnung (§ 5) auch dann unter Strafe, wenn die Waren zum Export ins Ausland bestimmt waren. RGBl. 1930 I S. 356, in Kraft seit 1. September 1930. Goldschmidt, WeinG 1930, Vorwort zur 2. Auflage 1932.

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Am 25. Juli fertigte der Reichspräsident das Weingesetz aus, das am 29. Juli 1930 im Reichsgesetzblatt veröffentlicht wurde23. § 25 Abs. 2 WeinG 1930 enthielt Ermächtigungsvorschriften zum Erlass von Ausführungsbestimmungen, insbesondere für einen einheitlichen Vollzug des Gesetzes. In der Kürze der Zeit war es aber „ein Ding der Unmöglichkeit“, bis zum 1. September 1930 die Ausführungsbestimmungen zu fertigen24. Die Reichsregierung erließ daher in einer Verordnung vom 29. August 193025 lediglich eine Ausführungsbestimmung zu den §§ 2, 4 und 5. Eine Zweite Verordnung vom 30. März 193126 regelte u.a. das Verbot der Zugabe von Alkohol zum Wein. Der Entwurf der endgültigen Ausführungsbestimmungen erschien in erster Vorlage am 15. Januar 1931; er wurde nach umfangreichen Beratungen und Umarbeitungen am 14. März vorgelegt und am 21. März im Wirtschaftsausschuss des Reichstages behandelt. Der Reichsrat verabschiedete die Ausführungsbestimmungen dann letztlich in seiner „Vollsitzung“ am 7. Juli 1932 und bestimmt den 1. September 1932 als Tag des Inkrafttretens27. Die Reichsregierung erließ am 2. November 193328 besondere „Grundsätze für die einheitliche Durchführung des Weingesetzes“.

2. Gegenstand Das WeinG 1930, das aus 34 Paragraphen bestand, befasste sich – wie schon seine Vorgänger – nicht mit dem Weinbau, sondern nur mit der Herstellung und dem Vertrieb des Weines29 und enthielt in § 1 diejenige Legaldefinition von Wein, die schon das WeinG 1909 verwendete30. Diese erstmals im Weingesetz von1901 enthaltene Begriffsbestimmung31 erfasste sowohl das reine Naturerzeugnis als auch das innerhalb der gesetzlichen Grenzen verbesserte und mit erlaubten Stoffen versehene oder nach den erlaubten Verfahrensarten behandelte Produkt, insbesondere auch gezuckerte Weine32. Süßer, noch unvergorener Traubenmost erfüllt mangels Gärung die Voraussetzungen des § 1 nicht. Wein i.S. von § 1 erforderte nach dem WeinG 1930 die

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Zum Gang des Gesetzgebungsverfahrens ausführlich Fritzen, WeinG 1930, S. 5–10. Goldschmidt, WeinG 1930, Vorwort zur 2. Auflage, 1932. RGBl. 1930 I, S. 446. RGBl. 1931 I, S. 128. Goldschmidt, aaO, Vorwort zur 2. Auflage 1932. RGBl. 1933 I, S. 801. So auch Hieronimi, Getränkegesetze – WeinG, 1952, Vorbem., S. 292. „Wein ist das durch alkoholische Gärung aus dem Safte der frischen Weintraube hergestellte Getränk“. Seinerzeit noch ohne „frische“ Weintrauben. Sinsheimer, WeinG 1930, S. 24.

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Sechstes Kapitel

Beendigung der Gärung33. Auch wurden die nach der Gärung „entgeisterten“ Weine, denen der Alkohol wieder entzogen wurde, außerhalb des § 1 WeinG 1930 gestellt. Bis zur „Entgeisterung“, also vom Beginn der Gärung bis zur Ausscheidung des Alkohols unterlagen diese aber den Vorschriften des Weingesetzes34. Da ein ausschlaggebendes Merkmal des Weines, der Alkohol, fehlte, unterfiel der alkoholfreie Wein nur noch dem Lebensmittelgesetz35. Nach der geltenden WeinV 1995 (§ 47 Abs. 1 und 2) sind sowohl alkoholfreier (bis 0,5% vol.) als auch alkoholreduzierter (bis 4% vol. Alkohol) Wein keine Erzeugnisse im Sinne des Weingesetzes. Sie können jedoch unter diesen Bezeichnungen in den Verkehr gebracht werden.

3. Neuerungen Das WeinG 1930 hat die vollständige Vermengung von deutschen und ausländischen Weißweinen unterbunden, der Verschnitt deutscher Rotweine mit ausländischen wurde auf 25% ausländischem Rotweinanteil begrenzt (sog. „Deckrotweinparagraph“). Die Zuckerungsmöglichkeiten wurden großzügig geändert, statt bis dahin 20% Trockenzucker oder Zuckerwasser waren nunmehr 25% der Gesamtmenge erlaubt, einem Fuder Most oder Wein konnten somit grundsätzlich 333 Liter Zuckerwasser hinzugegeben werden. Der Zeitraum, in dem eine Zuckerung erlaubt war, wurde vom 31. Dezember auf 31. Januar des Folgejahres verlängert, § 5 Abs. 2. Für den Jahrgang 1950 wurde die Zuckerungsfrist bis zum 31. März 1951 verlängert. Diese Frist konnte fortan um zwei Monate verlängert werden, „wenn die Eigenschaften des Jahrgangs dies erfordern“36. Beim Verschnitt genügte nicht mehr die überwiegende Teilmenge der Rebsorte, wie dies § 7 WeinG 1909 zuließ, sondern fortan war für eine Rebsortenangabe die artbestimmende Mehrheit von zwei Dritteln der Gesamtmenge erforderlich. Erstmals wurde ein Verbot der Verwendung von aus dem Ausland eingeführten Tafeltrauben zu Kelterzwecken eingeführt, wodurch ein immer stärker werdender unlauterer Wettbewerb dieser billigen Auslandsgewächse beseitigt werden sollte37.

33 34 35 36 37

RGSt 37, 203–205, Urteil vom 9.6.1904; 38, 313–314, Urteil vom 23.12.1905; 40, 69–72, Urteil vom 7.3.1907; 30, 339–341, Urteil vom 24.5.1907. Sinsheimer, WeinG 1930, S. 25; Goldschmidt, WeinG 1930, S. 69. Goldschmidt, a.a.O., S. 69. Gesetz über die Verlängerung der Zuckerungsfrist bei Wein vom 15. Juli 1951, es trat rückwirkend am 1. Februar 1951 in Kraft (BGBl. I 1951, 450). Sinsheimer, WeinG 1930, Einleitung, S. 6.

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4. Räumlicher Geltungsbereich Das WeinG 1930, das bis 1971 in Kraft war, regelte nur die im Inland zur Ausführung gelangten Tatbestände. Der räumliche Geltungsbereich des WeinG 1930 erstreckte sich zunächst auf das Gebiet des Deutschen Reiches und danach auf die Gebiete der Bundesrepublik und der Deutschen Demokratischen Republik sowie auf die Freihafengebiete und das badische Zollausschlussgebiet38.

5. Sachlicher Geltungsbereich Das Weingesetz enthält für die dort genannten Lebensmittel eine Sonderregelung. Deshalb galten für die Weintraube und ihre Erzeugnisse in erster Linie die Vorschriften des WeinG. Die eigenständige Regelung des Weines wird teilweise damit begründet, dass dies auch in anderen weinbautreibenden Ländern so gehandhabt werde; Wein sei ein Lebensmittel sui generis, nämlich Genuss- und Nahrungsmittel zugleich. Wein sei ein Erzeugnis, das sich von Jahrgang zu Jahrgang unterscheide. In begrenztem Umfang sei Wein daher ein „normenfeindliches Getränk“, dessen Entwicklung sich nicht im Voraus bestimmen lasse. Ein so vielfältiges Getränk erfordere daher sowohl eine spezielle als auch eine sehr differenzierte Regelung. Aus diesem Grund sei das LMG grundsätzlich nicht anwendbar39. Die Anwendung des LMG 1927 auf den Wein wurde dennoch nicht gänzlich ausgeschlossen, vielmehr bildet das WeinG nur dort, wo sich eine Behandlungsweise aus ihm unmittelbar als erlaubt oder verboten ergibt, die gesetzliche Sonderregelung. Hinter ihm hat jedoch, auch wenn es sich um Wein handelt, das LMG 1927 immer noch dort Raum, wo sich das WeinG einer Regelung bewusst enthalten oder unbeabsichtigt eine Lücke gelassen hat40.

6. Zielrichtung des Gesetzes Das WeinG 1930 schützte neben den Verbrauchern auch den deutschen Weinbau vor ausländischer Konkurrenz, was bei einer Zulassung von 25 Prozent Zuckerwasser es den Konsumenten nicht leicht machte, sich für einen deutschen Wein zu entscheiden. Zumal im Ausland eine Nasszuckerung weitestgehend un-

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39 40

Hieronimi, GetrG 1952, WeinG, Vorbem. Nr. 3, S. 293; als badisches Zollausschlussgebiet wird die deutsche Ortschaft Büsingen am Hochrhein bezeichnet, deren Gebiet vollständig vom schweizerischen Kanton Schaffhausen umschlossen ist und zum Zollgebiet der Schweiz gehört. Koch, Weingesetz 1969, S. 114 zur Legitimation des WeinG 1969 – Ausführungen hierzu siehe unten Siebtes Kapitel, I. RGSt, 71, 308; Hieronimi GetrG 1952, 2. Teil WeinG, Vorbem. S. 291.

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bekannt war. Zumindest in den großen weinbautreibenden europäischen Ländern wurde, wenn überhaupt, nur Trockenzucker zugesetzt. Wegen ihrer Brisanz wurde die Zuckerung, die eine Kellerbehandlung darstellt, im Weingesetz selbst geregelt, während die übrigen Kellerbehandlungen, wie die Zusetzung anderer Stoffe, der Ausführungsverordnung überlassen wurden. Auch die Botschaft, dass einem deutschen Rotwein bis zu ein Viertel der Gesamtmenge ausländischer Rotwein zugesetzt werden durfte, trug nicht gerade zu einem Imagegewinn des deutschen Rotweins bei. Ohne ausländischen Rotwein war keine Rotweinproduktion in Deutschland möglich, so das Eingeständnis in § 2 Abs. 2. Der „Deckweinparagraph“ war notwendig, um dem deutschen Rotwein über eine „fahle Blässe“ hinaus zu verhelfen41. Heute nehmen einheimische Rotweine wie Dunkelfelder oder Regent diese Funktion wahr.

7. Reichsnährstand Zum Schutz und zur Qualitätserhaltung des deutschen Weines durften nach einer Verordnung des Reichsnährstandes vom 1. April 193742 auf nicht zum Weinbau geeigneten Flächen keine Reben angebaut werden43. Nach § 2 Nr. 2 wurden vom Reichsnährstand Genehmigungen zum Rebanbau nicht erteilt, wenn „die Lage und Beschaffenheit des Grundstücks nur die Gewinnung minderwertiger Erzeugnisse erwarten lassen“. Diese Verordnung des Reichsnährstandes wurde 1958 durch das Bundesverfassungsgericht44 wegen formeller Mängel aufgehoben. Nach dieser Entscheidung und der Änderung des Weingesetzes 1961 kamen dann mit Bescheinigungen der Weinbauämter auch die zum Qualitätsweinbau weniger geeigneten Flächen hinzu, wie die nicht von der Sonne verwöhnten Nordhänge, Schatten- und Frostlagen, deren fehlende Oechslegrade meist durch Zuckerung wieder ausgeglichen werden mussten. Durch die Freigabe beinahe sämtlicher Äcker und Wiesen wurde in der Folge in Deutschland eine wahre Weinschwemme ausgelöst.

8. Strafvorschriften – §§ 26–32 Die sechs Strafvorschriften des WeinG 1930 enthielten überwiegend Verweisungen auf andere Bestimmungen innerhalb des WeinG 1930. Die Tatbestände

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Ausführlich Dippel, Hundert Jahre deutsches Weinrecht, ZNR 1998, S. 225–237. RNVBl. 1937, 145. Umgangssprachlich „Wo der Pflug kann gehen, soll keine Rebe stehen“, denn ein zentrales Anliegen des Reichsnährstandes war die Steigerung der landwirtschaftlichen Produktivität zur Selbstversorgung der Bevölkerung („Autarkie“). BVerfGE 8, S. 71–81.

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erschöpften sich in der Aufzählung der Bestimmungen, aus denen sich der Tatbestand erschließen musste. Die zentrale Strafbestimmung des § 2645 nimmt Bezug auf über 20 Normen, die wiederum teilweise nur mit Hilfe der Ausführungsbestimmungen konkretisiert werden konnten. Durch das WeinG 1930 erfolgte eine Strafverschärfung, gegenüber dem WeinG 1909. Die durch Abs. 1 festgesetzte Höchststrafe betrug nunmehr zwei Jahre Gefängnis. Als Nebenstrafen kamen Einziehung, § 28, und Veröffentlichung des Namens des Verurteilten in Betracht (§ 29).

a) § 26 Abs. 1 Nr. 1 Verstoß gegen § 2 Abs. 2, 3, 5 § 2 Abs. 2 legte fest, dass Rotwein nur mit Rotwein verschnitten werden durfte. Deutscher Wein durfte nicht mit ausländischen Erzeugnissen verschnitten werden. Es war jedoch gestattet, deutschem Rotwein bis zu 25% ausländischen Rotwein beizugeben. Hier wurden jedoch Ausnahmen gemacht, beispielsweise 1939 ein Drittel46. 2 Abs. 3 schrieb vor, dass Dessertwein nur mit Dessertwein verschnitten wurde. – § 2 Abs. 5 regelte den Verschnitt von Wein, der aus ame-

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§ 26: (1) Mit Gefängnis bis zu zwei Jahren und mit Geldstrafe oder mit einer dieser Strafen wird bestraft, wer vorsätzlich 1. den Vorschriften des § 2 Abs. 2, 3, 5 Satz 1, des § 3 Abs. 1 bis 3, 6, der §§ 4, 9, 10 Abs. 2 Satz 1, des § 11 Abs. 3, 5, der §§ 13, 14 Abs. 3, des § 15 oder den auf Grund des § 2 Abs. 2 Satz 3, des § 4 Abs. 1 Satz 2, Abs. 2, des § 10 Abs. 2 Satz 2, des § 11 Abs. 2 oder des § 16 erlassenen Vorschriften zuwiderhandelt; 2. Stoffe, deren Verwendung bei der Herstellung, Behandlung oder Verarbeitung von Wein, Haustrunk, weinhaltigen Getränken, dem Weine ähnlichen Getränken, Schaumwein, dem Schaumwein ähnlichen Getränken, Weinbrand oder Weinbrandverschnitt unzulässig ist oder die zur Nachahmung von Wein dienen, für diese Zwecke ankündigt, feilhält, verkauft oder an sich bringt oder einen diesen Zwecken dienenden Verkauf solcher Stoffe vermittelt; 3. den Vorschriften des § 2 Abs. 5 Satz 2, des § 5 Abs. 1 bis 3, der §§ 6, 7 des § 10 Abs. 3, der §§ 17, 18 oder den §§ 5, 17, 18 erlassenen Vorschriften zuwiderhandelt; 4. unrichtige Eintragungen in die nach § 19 zu führenden Bücher macht, die nach § 23 von ihm geforderte Auskunft unrichtig erteilt oder Bücher oder Geschäftspapiere, welche nach § 19 Abs. 3 aufzubewahren sind, vor Ablauf der dort bestimmten Frist vernichtet oder beiseiteschafft. (2) In den Fällen des Abs. 1 Nr. 1 ist auch der Versuch strafbar. (3) Ist in den Fällen des Abs. 1 Nr. 1, 3, 4 fahrlässig begangen, so tritt Geldstrafe oder Haft ein. Rd Erl. d. RMdI v. 18. Januar 1940 (MiBliV, S. 134).

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rikanischen Ertragskreuzungen mit anderen Weinen gewonnen wurde. Ein solcher Wein durfte nur unter der Bezeichnung „Hybridenwein“ in Verkehr gebracht werden. Verstoß gegen § 3 Abs.1–3, 6 Nach § 26 Abs. 1 Nr. 1 machte sich strafbar, wer entgegen § 3 Abs. 1–3, 6 die Zuckerung des Weines nicht in der fachlich, mengenmäßig, zeitlich und örtlich vorgegebenen Weise durchführte oder nicht erlaubte Zuckerarten verwendete. § 3 WeinG 1930 war in wirtschaftlicher Hinsicht die wichtigste Vorschrift des Gesetzes, denn im Durchschnitt der letzten 50 Jahre hatten etwa 75% der deutschen Weinerzeugung verbessert werden müssen. In besonders sonnenarmen Jahrgängen sogar rund 95%47. Auf die Nasszuckerung, d.h. Zusatz von in reinem Wasser gelösten Zucker (umgangssprachlich „Zuckerwasser“), kann zum Zwecke der Verbesserung von Erzeugnissen geringer Jahrgänge mit hohem Säuregehalt nicht verzichtet werden, ohne eine sachgemäße Verbesserung durch Trockenzuckerung oder Nasszuckerung ist eine Verwertung der deutschen Weinproduktion in schlechten Jahren nicht möglich48. § 3 Absatz 1 WeinG 1930 erlaubte es daher, dem aus inländischen Trauben bestehenden Traubenmost oder Wein Zucker, auch in reinem Wasser gelöst, zuzugeben, aber nur um einem natürlichen Mangel an Zucker oder Alkohol in einem natürlichen Übermaß an Säure insoweit abzuhelfen, als es der Beschaffenheit des aus Trauben gleicher Art und Herkunft in guten Jahrgängen gewonnenen Naturweine entspricht, Art. 2 der Ausführungsverordnung49 zu § 3 Abs. 1 Satz 3 WeinG 1930. Der Zucker(wasser)zusatz durfte aber keinesfalls mehr als 25% des Weins betragen. Die Zuckerung durfte nur in der Zeit vom Beginn der Traubenlese bis zum 31. Januar des auf die Ernte folgenden Jahres vorgenommen werden und vom 1. Oktober bis 31. Januar bei (noch) ungezuckerten Weinen früherer Jahrgänge nachgeholt werden (§ 3 Abs. 2). Sie durfte nur innerhalb der am Weinbau beteiligten Gebiete des Deutschen Reiches vorgenommen werden (§ 3 Abs. 3). Diese Gebiete sind veröffentlicht worden in der Bekanntmachung des Reichskanzlers vom 1. August 191050. Zur Zuckerung durfte nur technisch reiner, nicht färbender Rüben-, Rohr-, Invert- oder Stärkezucker verwendet werden (§ 3 Abs. 6).

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Hieronimi, Weingesetz, 1958, § 3, S. 94. Ebd. Verordnung vom 16. Juli 1932 (RGBl. I S. 358). Zentralblatt für das Deutsche Reich, S. 442, abgedruckt bei Goldschmidt, WeinG 1930, S. 463–466.

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Mangel an Zucker oder Alkohol oder ein Übermaß an Säure liegt vor, wenn der Traubenmost oder Wein infolge ungenügender Reife der Trauben weniger Zucker oder Alkohol und mehr Säure hat, als der gleiche Traubenmost oder Wein in dem Durchschnitt der guten Jahre, in denen die Trauben reif geworden sind, oder wenn sie nie oder selten völlig reif werden, wie z.B. in schlechten Lagen, die sich zum Weinbau an sich nicht eigneten. Entspricht der Zuckergehalt dem Durchschnitt, hat der Most aber einen übermäßigen Säuregehalt, so war nur ein Zuckerzusatz zuzugeben, der erforderlich ist, den Säuregehalt auf die guten Durchschnittsjahre zu reduzieren. Verstoß gegen § 4 Nach § 4 Abs. 1 Satz 1 durften – unbeschadet der Vorschriften des § 3 (Zuckerung) – Stoffe irgendwelcher Art dem Wein bei der Kellerbehandlung nur insoweit zugesetzt werden, als diese es erforderte51. Nach Satz 2 regelten die Ausführungsbestimmungen, welche Stoffe in welcher Weise verwendet werden durften. § 4 regelte damit die Kellerbehandlung, die bereits mit der Gewinnung der Trauben beginnt, d.h. mit der Trennung der Trauben von dem Weinstock, der Traubenlese. Die Traubenlese ist als tatsächlicher Vorgang gesetzlich nicht geregelt. Bei der Traubenlese ist die Vorlese, Hauptlese, Spätlese, Auslese zu unterscheiden. Grundsätzlich sollen die Trauben erst nach Eintritt der Vollreife, d.h. „nach Verholzung der Traubenstiele und Unmöglichkeit der Zuckereinwanderung aus den Blättern“ geerntet werden. Denn die Traubenreife ist für die Güte des Weines ausschlaggebend52. Jeder Zusatz von nicht ausdrücklich zugelassenen Fremdstoffen hatte daher die Verfälschung des Weines zur Folge, die durch § 26 Abs. 1 geahndet wurde. Verstoß gegen § 9 („Nachmachen“ von Wein) Die Vorschrift ist wortgleich mit § 9 WeinG 1909. – Nachgemachter Wein ist ein Erzeugnis, das stofflich nach seinem sinnfälligen Gesamteindruck (Aussehen, Geruch, Geschmack, Farbe, Flüssigkeitsgrad) wirklichem Wein so ähnlich ist, dass es vom Durchschnittspublikum mit solchem verwechselt werden kann53. Die Herstellung solcher Weine war auch dann verboten, wenn sie als solche gekennzeichnet waren54. Jedwede Nachahmung, gewerbsmäßig oder

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Wie schon zuvor in § 4 Abs. 1 WeinG 1909 festgelegt. Hieronimi, GetrG 1952, 2. Teil, Weingesetz 1930, S. 353/354. RGSt. 45, 345–348; 47, 130–138. Fritzen, WeinG 1930, § 9, S. 30.

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nicht gewerbsmäßig („Haustrunk“) war verboten55, auch das Nachmachen ausländischer Weine. Nicht unter das Nachmachungsverbot des § 9 fiel die Herstellung weinähnlicher Getränke wie Obst- und Beerenwein, § 10 Abs. 1 WeinG 1930. Verstoß gegen § 10 Abs. 2 1 (Zusetzen von Wein zu gewerbsmäßig hergestelltem Obst- oder Beerenwein) § 10 Abs. 2 S. 1 enthielt das Verbot der Verwendung von Wein bei der gewerbsmäßigen nach § 10 Abs. 1 zulässigen Herstellung von in § 10 Abs. 1 S. 1 genannten weinähnlichen Getränken. Einem Apfelwein durfte mithin kein Wein zugesetzt werden56. Obstweine ohne Weinzusätze durften als solche in den Verkehr gebracht, wenn diese als Wein in Verbindung mit der verwendeten Frucht bezeichnet wurden, beispielsweise Apfelwein, Kirschwein oder Obstwein, § 10 Abs. 357. Verstoß gegen § 11 Abs. 3 und 5 (Herstellen von Haustrunk außerhalb der vorgegebenen Zeiten und Abgabe von Haustrunk an Personen außerhalb des Haushalts oder Betriebes Haustrunk, der vom Reichsgericht zur Unterscheidung von anderen erlaubten Hausgetränken als „Hauswein“ bezeichnet wird58, ist ein Getränk, das ausschließlich aus den in Absatz 1 zugelassenen Grundstoffen und von vorne herein mit der in Absatz 5 umschriebenen Zweckbestimmung hergestellt wird59. Seinem Wesen nach ist Haustrunk ein Traubenwein, an den aber nicht alle Anforderungen gestellt werden, die das Gesetz an den für den Verkehr bestimmten Wein stellt60. Haustrunk durfte nur vom Beginn der Traubenlese bis zum 31. Dezember hergestellt werden (§ 10 Abs. 3). Der Wein durfte nur an Personen im eigenen Haushalt oder ohne Entgelt an die im Betrieb des Herstellers beschäftigten Personen abgegeben werden, Abs. 5. Verstoß gegen § 13 (Ausländischer Wein) § 13 Abs. 1, der erst am 1. September 1935 in Kraft getreten ist (§ 34 Abs. 3 WeinG 1930) betraf das Inverkehrbringen von Wein der aus amerikanischen Ertragskreuzungen gewonnen wurde, und dessen Bezeichnung als Wein. Diese sogenannten „Hybridenweine“ waren seither vom Verkehr ausgeschlossen (§ 34 Abs. 3 WeinG). Nach § 13 Abs. 2 Satz 2 durften ausländische Weine 55 56 57 58 59 60

Goldschmidt, WeinG 1930, § 9 S. 286. Heute geregelt in § 10 Abs. 8 AGeV. Aktuell geregelt in § 11 Abs. 1 AGeV. RGSt. 47, 207–210, Urteil vom 9.6.1913. Holthöfer / Nüse, WeinG 1930, 2. Aufl., § 11, S. 59/60. RG 47, 130–138; 48, 311–316.

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unter den dort genannten Bedingungen in Deutschland nicht in den Verkehr gebracht werden, wenn diese (1) den Verschnittvorschriften des § 2 Abs. 1–3 WeinG zuwider hergestellt wurden, (2) den Zuckerungsvorschriften des § 3 Abs. 1 nicht entsprachen, (3) einen nach § 4 nicht erlaubten Zusatz an Fremdstoffen enthielten, soweit Art. 8 AVO hiervon nicht besondere Ausnahmen zuließ, oder (4) als nachgemacht i.S.v. § 9 anzusehen waren61. Sobald bei der Herstellung oder Behandlung des Weines die in § 13 Abs. 2 aufgeführten Herstellungs- und Behandlungsvorschriften verletzt wurden, trat auch die Verkehrsunfähigkeit dieser Erzeugnisse ein62. Die Beurteilung der nach Deutschland eingeführten ausländischen Erzeugnisse richtete sich grundsätzlich nach deutschem Weinrecht. Da die Herstellung des ausländischen Weines der deutschen Überwachung entzogen war, wurde die Einfuhr von dem Nachweis abhängig gemacht, dass die Herstellung mit deutschen Gesetzen in Einklang stand. Das deutsche Recht galt aber auch für die nach Deutschland eingeführten Erzeugnisse aus Ländern, in denen das Weinrecht strenger war, so zum Beispiel für die Einfuhren aus Italien und Frankreich, wo nur die Trockenzuckerung, die in Deutschland erlaubte Nasszuckerung aber nicht zugelassen war63. Verstoß gegen § 14 Abs. 3 (Ausländische Trauben) Nach § 14 Abs. 3 durften Trauben, die aus dem Ausland eingeführt waren, nicht zur Herstellung von Most oder Wein verwendet werden. Auch importierte „Tafeltrauben“ durften fortan nicht mehr zur Herstellung von Most oder Wein verwendet werden. Die Kelterung und Verwendung zur Weinbereitung war bis dahin gestattet. Die Einfuhr von Tafeltrauben war gegenüber der Einfuhr von Keltertrauben erheblich zollbegünstigt64. Bei dieser Zolldifferenz war die Einfuhr von Trauben unter der Bezeichnung „Tafeltrauben“ erheblich angestiegen65, dagegen die vormals erhebliche Einfuhr von „Keltertrauben oder Weinmaische“ nur noch gering. Es ist zu vermuten, dass als „Tafeltrauben“ eingeführte Erzeugnisse nachträglich zur Kelterung gelangt waren. Auf diese Weise wurde nicht nur der heimische Weinbau, sondern auch

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Die Reichsregierung konnte aus Billigkeitsgründen in Einzelfällen Ausnahmen für eine Einfuhr ausländischer Weine bewilligen (§ 13 Abs. 2 Satz 3). Hieronimi, GetrG, Weingesetz, § 13, S. 476. Ders., GetrG, WeinGesetz, S. 480. Keltertraubenzoll 90 RM/dz, der Einfuhrzoll für Tafeltrauben nur 5–20 RM/dz, so Fritzen, WeinG 1930, § 14, S. 38. 1929: 762961 dz. im Wert von 38 Mill. RM, Fritzen, § 14, S. 38.

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der Fiskus infolge der Umgehung der höheren Keltertraubenzolls benachteiligt. Das Gesetz musste daher dahingehend ergänzt werden, dass auch eingeführte Tafeltrauben nicht zur Herstellung von Most und Wein verwendet werden dürfen“66.

Verstoß gegen § 15 S. 1 (Verwendung nicht verkehrsfähiger Erzeugnisse) Strafbar war, wer Erzeugnisse, die vom Verkehr ausgeschlossen waren, zur Herstellung von weinhaltigen Getränken, Schaumwein (Sekt), dem Schaumwein ähnlichen Getränken, Weinbrand oder Weinessig verwendete (§ 15 S. 1 WeinG). Anders als bei den anderen Nummern des § 26 Abs. 1 war hier der Versuch strafbar.

b) § 26 Abs. 1 Nr. 2 (Vertrieb verbotener Stoffe) Nach § 26 Abs. 1 Nr. 2 WeinG 1930 wurde bestraft, wer Stoffe vertrieb, deren Verwendung bei der Herstellung, insbesondere von Wein unzulässig waren. Der Gefährdungstatbestand der Nummer 2 stellt somit schon Vorbereitungshandlungen der nach Nr. 1 verbotenen Herstellungsverstöße unter Strafe. Gegenstand der Handlung waren alle Stoffe, deren Verwendung nach dem WeinG und seinen Ausführungsbestimmungen unzulässig waren. Das Verbot bezieht sich auch auf die Stoffe, die zur „Nachahmung von Wein dienen“67. Der Täter musste diese Stoffe, beispielsweise Zucker, Honig oder Fruchtsaft „für diese Zwecke“ ankündigen, feilhalten, verkaufen oder an sich bringen.

c) § 26 Abs. 1 Nr. 3 (Bezeichnungsverstöße) Die LebensmittelkennzeichnungsVO68 war auf Wein und Weinerzeugnisse nicht anwendbar. Es bedurfte daher spezieller weinrechtlicher Bestimmungen. Verstoß gegen § 5 Abs. 1 a) Nach § 5 Abs. 1 WeinG 1930 war es verboten, Wein unter einer irreführenden Bezeichnung, Angabe oder Aufmachung in den Verkehr zu bringen. Durch Artikel 5 Abs. 1 Nr. 1 der Verordnung zur Ausführung dieses Gesetzes69 wurde klargestellt, dass unter den Begriff „irreführend“ beispielsweise auch Phantasiebezeichnungen fielen, sofern sie in unmittelbarer Verbindung mit Gemarkungsnamen gebraucht wurden oder sonst geeignet waren, im Verkehr als Gemarkungs- oder Lagenamen aufgefasst zu werden. 66 67 68 69

So Fritzen, WeinG 1930, S. 38. RGSt 47, 130–138; Hieronimi, GetrG, Weingesetz, S. 568. Verordnung über äußere Kennzeichnung von Lebensmitteln (Lebensmittel-Kennzeichnungsordnung) vom 8. Mai 1935 (RGBl. I 590). RGBl. I S. 358.

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Verstoß gegen § 5 Abs. 2 Nach § 5 Abs. 2 war es verboten, Wein mit einer Bezeichnung oder Aufmachung zu versehen, die auf Reinheit des Weines oder auf besondere Sorgfalt bei der Gewinnung der Trauben deutet. Diese Weine durften insbesondere nicht als naturrein, Wachstum, Gewächs oder Kreszenz, allein oder in Verbindung mit dem Namen eines bestimmten Weinbergsbesitzers oder Weinguts bezeichnet werden. Auch der Zusatz von Traubenmost zur Süßung galt als Verschnitt und schloss die vorgenannten Prädikatsbezeichnungen aus70, im Gegensatz zu den heutigen Prädikatsweinen, die deklarationsfrei nach der Gärung gesüßt werden dürfen. Einer durchgegorenen Spätlese mit 12,5% vol. Alkohol darf heute süßer Traubenmost bis zu einem Viertel der Gesamtmenge hinzugegeben werden ohne hierdurch das Prädikat Spätlese einzubüßen. Verstoß gegen § 5 Abs. 3 Nach § 5 Abs. 3 durfte ein durch Filtration entkeimter Wein nicht unter einer der in § 5 Abs. 2 genannten Bezeichnungen in den Verkehr gebracht werden, ohne dass auf die Filtration deutlich hingewiesen wurde. Diese Vorschrift führte die Konsumenten hinters Licht: „Wein, …der mit entkeimtem Traubenmost versetzt worden ist, gilt nicht als gezuckerter Wein“. Hiermit ist nicht nur die sogenannte „Süßreserve“ gesetzlich eingeführt worden, sondern auch der Naturweinbegriff neu definiert worden71. Immerhin sah das WeinG 1930 bis einschließlich der 9. Ausführungsverordnung von 1965 – anders als heute – vor, dass eine auf diese Behandlung deutliche hinweisende Bezeichnung zu erfolgen habe „Mit Filter entkeimt“ oder „Mit Filter entkeimt (Traubenmostzusatz)“, Art. 6 der Ausführungsbestimmungen zu § 572.

Verstoß gegen § 6 Nach § 6 Abs. 1 durften im gewerblichen Verkehr geografische Angaben grundsätzlich nur zur Kennzeichnung der Herkunft verwendet werden. Nach § 6 Abs. 2 Satz 2 war es jedoch gestattet, die Namen einzelner Gemarkungen oder Weinbergslagen, die mehr als einer Gemarkung angehörten, zu benutzen, um gleichartige und gleichwertige Erzeugnisse benachbarter oder nahegelegener Gemarkungen oder Lagen zu bezeichnen. Zu dieser „normativen Irreführung“ wird auf die Ausführungen zu § 6 Abs. 2 WeinG 1909 verwiesen73.

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Simon, WeinG 1930, S. 55. Dippel, 100 Jahre deutsches Weinrecht, S. 232. Dippel, a.a.O., S. 233, Simon, WeinG 1930, Art. 6 zu § 5, S. 55: Hinweis immer dann erforderlich, wenn der Wein für einen Naturwein gehalten werden könnte (Irreführungsgefahr). Siehe oben Fünftes Kapitel, VI., Nr. 18.

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Verstoß gegen § 7 Nach § 7 Abs. 1 durfte ein verschnittener Wein nur dann nach einem der Anteile allein benannt werden, wenn dieser mindestens zwei Drittel der Gesamtmenge beträgt und die Art des Weines bestimmt. Nach § 7 Abs. 2 durfte ein Verschnitt nicht als Wachstum, Gewächs oder Kreszenz, allein oder in Verbindung mit dem Namen eines bestimmten Weinbergsbesitzers oder Weinguts bezeichnet werden. Verstoß gegen § 10 Abs. 3 Nach § 10 Abs. 3 mussten Obstweine (Stein-, Kern oder Beerenobst etc.) im Verkehr mit Wein diese mit Wortverbindungen bezeichnet werden, welche die Stoffe kennzeichnen, aus denen sie hergestellt sind (Apfelwein, Birnenwein, Pflaumenwein etc.). Bei der Verwendung von Phantasienamen musste der Bezeichnung eine Angabe über die Stoffe beigefügt werden, aus denen sie hergestellt sind. f) Verstoß gegen §§ 17, 18 §§ 17 und 18 enthielten – hier nicht relevante – Vorgaben für die Bezeichnung von Schaumwein und Trinkbranntwein. Verstoß gegen die aufgrund §§ 5, 17, 18 erlassenen Vorschriften Vorschriften zu § 5 WeinG, die diese Irreführungstatbestände konkretisieren, sind in den Artikeln 5 und 6 der AusführungsVO vom 16. Juli 1932 enthalten. Artikel. 5 nennt Phantasiebezeichnungen und Bezeichnungen, die einem Wein besondere heilende oder stärkende Wirkungen beilegen, Medizinalwein74, Gesundheitswein, Blutwein oder Stärkungswein.

d) § 26 Abs. 1 Nr. 4 Unter Nr. 4 fielen schwere Verstöße gegen die in § 19 genannten Buchführungspflichten, während die leichteren unter geringere Strafdrohung gestellt wurden. So fällt das Unterlassen jedweder Buchführung unter § 27 Nr. 1, jedoch kann dieses Unterlassen den Buchinhalt unrichtig machen. Die unterlassene Buchführung stellt sich als minderschwerer Fall dar, wo hingegen die unrichtige Buchführung sich nach § 26 Nr. 4 beurteilt, so beispielsweise bei einer ursprünglichen Nichteintragung einer Weinlieferung und die spätere unrichtige Eintragung über Art und Umfang des gelieferten Weines75.

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Anfang des 20. Jh. stand Wein noch in den Arzneibüchern und konnte auf Krankenschein verordnet werden. So Holthöfer / Nüse, Weingesetz 1930, 2. Auflage, 1958, § 26, S. 99.

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e) § 2776 Die vorsätzlichen und fahrlässigen Verfehlungen gegen die in dieser Vorschrift enthaltenen Tatbestände bezogen sich auf die weiteren Zuwiderhandlungen gegen die Buchführungs- und Auskunftspflichten.

f) Einziehung und öffentliche Bekanntgabe In §§ 2877 und 2978 fanden sich Vorschriften über Einziehung und öffentliche Bekanntgabe der Verurteilung. § 29 enthielt nunmehr eine eigenständige Grundlage zur öffentlichen Bekanntgabe einer Verurteilung oder eines Freispruchs.

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§ 27: Mit Geldstrafe oder mit Haft wird bestraft, wer vorsätzlich oder fahrlässig 1. außer in den Fällen des § 26 Abs. 1 Nr. 4 den Vorschriften über die nach § 19 zu führenden Bücher zuwiderhandelt; 2. die nach § 5 Abs. 4 zu erteilende Auskunft nicht oder unrichtig erteilt; 3. die nach § 3 Abs. 4, 11 Abs. 4 vorgeschriebenen Anzeigen nicht erstattet oder den auf Grund des § 11 Abs. 4 erlassenen Anordnungen zuwiderhandelt; 4. den Vorschriften des § 20 Abs. 1 und 2 oder einem nach § 20 Abs. 3 ergangenen Verbote zuwiderhandelt; 5. außer in den Fällen des § 26 Abs. 1 Nr. 4, Abs. 3 den durch § 23 auferlegten Verpflichtungen zuwiderhandelt; 6. den auf Grund des § 25 Abs. 3 erlassenen Vorschriften zuwiderhandelt. § 28: (1) In den Fällen des § 26 Abs. 1 Nr. 1, Nr. 2 ist neben der Strafe auf Einziehung oder Vernichtung der Erzeugnisse oder Stoffe zu erkennen, auf die sich die Zuwiderhandlung bezieht, auch wenn sie dem Verurteilten nicht gehören. Bei fahrlässigen Zuwiderhandlungen gegen die im § 26 Abs. 1 Nr. 1 bezeichneten Vorschriften und bei vorsätzlichen oder fahrlässigen Zuwiderhandlungen gegen die im § 26 Abs. 1 Nr. 3 bezeichneten Vorschriften kann dies geschehen. (2) Die Vorschriften des Abs. 1 finden auch dann Anwendung, wenn die Strafe auf Grund eines anderen Gesetzes zu bestimmen ist. (3) Kann keine bestimmte Person verfolgt oder verurteilt werden, so kann auf die Einziehung oder Vernichtung selbständig erkannt werden, wenn im übrigen die Voraussetzungen hierfür vorliegen. § 29: (1) In den Fällen des § 26 kann neben der Strafe angeordneten werden, dass die Verurteilung auf Kosten des Schuldigen öffentlich bekanntzumachen ist. Auf Antrag des freigesprochenen Angeklagten kann das Gericht anordnen, dass der Freispruch öffentlich bekanntzumachen ist; die Staatskasse trägt in diesem Falle die Kosten, sofern sie nicht nach § 469 der Strafprozessordnung dem Anzeigenden auferlegt worden sind. (2) In der Anordnung ist die Art der Bekanntmachung zu bestimmen; sie kann auch durch Anschlag an oder in den Geschäftsräumen des Verurteilten oder Freigesprochenen erfolgen.

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Das Weingesetz 1909 musste in diesen Fällen noch auf das NMG 1879 bzw. auf das LMG 1927 verweisen (§ 32 S. 2 WeinG 1909).

9. Resümee Welche Rechtsgüter wurden wirklich effektiv geschützt, wie stand es mit dem Verbraucherschutz und standen die Strafen möglicherweise außer Verhältnis zur Schwere der Tat? Waren die Strafbestimmungen überhaupt erforderlich, oder hätte jeweils ein Hinweis auf das klug strukturierte Lebensmittelgesetz 1927 ausgereicht, so wie es die Weingesetze 1892 und 1901 handhabten und auf die Strafbestimmungen des NMG 1879 verwiesen. Wein ist ein Lebensmittel, wer ein Lebensmittel verfälscht oder nachmacht oder sonst den Verbraucher in die Irre führt, dies alles wird akribisch beschrieben und auch ausreichend bestraft im Lebensmittelgesetz 1927 (§ 12 Abs. 1 i.V.m. § 4). Andererseits erlaubte das WeinG 1930, dass Weine verkauft werden durften, die zu 25% aus Zuckerwasser bestehen, worauf nur auf Verlangen des Käufers vor Übergabe des Weines hingewiesen werden musste, § 5 Abs. 4. Durch Erlass des Reichsministers des Inneren vom 14. Oktober 1942 durften Mosel-Rieslingweine mit einem Mostgewicht unter 50° Oechsle auf 85° hochgezuckert werden und diejenigen über 50° auf 90° Oechsle, wobei eine „unverschuldete Überschreitung“ bis zu einer Fehlergrenze von 5° Oechsle nicht zu beanstanden war79. Gleiches galt für den Verschnitt, dessen Hauptanteil allein angegeben werden durfte, wenn er zwei Drittel ausmachte. Weinhändler hatten sich beim Erwerb von Weinen lediglich die zur Erteilung der Auskunft erforderlichen Informationen zu beschaffen. Auskunft konnte der Käufer nur über das „Ob“, nicht über Art und Ausmaß verlangen80. Der Schutz der Verbraucher war nicht vordringlich gewahrt, wenn ein als Riesling bezeichneter Wein, nur zu zwei Dritteln aus Riesling bestand und ein Drittel sich aus anderen Weinen zusammensetzte. Das Weingesetz 1930 setzte mit den Regelungen zur Kellerbehandlung viel zu spät an, von Weinanbau ist hier keine Rede. Anbauregelungen, Lese- und Hygienevorschriften fehlen gänzlich, Anbau und Lese sind aber das zentrale Element des Weinbaus. Was, wann und wie oft an Pestiziden und Fungiziden auf die Trauben aufgebracht wird, sollte zum Schutz der Verbraucher im Weingesetz zu finden sein. Wein wurde auch nicht in die LebensmittelkennzeichnungsVerordnung von 1935 aufgenommen, selbst Schwefelangaben mussten nicht erfolgen. 79 80

RdErl d. RMdI v. 14.10.1942 (MiBliV S. 2010). Holthöfer-Nüse, WeinG 1930, 2. Aufl. 1958, § 5, S. 40.

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In den Ausführungsbestimmungen81 zu § 5 WeinG 1930 wurde erstmals die heute in ähnlicher Weise bestehende Hierarchie von Spätlese, Auslese, Beerenauslese und Trockenbeerenauslese aufgestellt, Kabinett- und den Eiswein blieben aber unerwähnt, dafür wurden Hochgewächse und Spitzengewächse aufgeführt, von denen jedoch nur Beerenauslesen und Trockenbeerenauslesen als solche bezeichnet werden durften82. Zum Vergleich der Rückschritt des Weingesetzes 1994: Als Riesling-Hochgewächs darf heute jeder angereicherte Qualitätswein83 bezeichnet werden, er muss nur, was selbstverständlich sein sollte, zu 100 Prozent aus Rieslingtrauben bestehen84. Nach dem Lebensmittelrecht war die Hervorhebung einer Eigenschaft eines Lebensmittels, soweit dies der Wahrheit entsprach, grundsätzlich zulässig85. Daher verstoßen bei Lebensmitteln Angaben wie z.B. „appetitanregend“, „wohlschmeckend“, „bekömmlich“ usw. nicht gegen § 4 Abs. 3 LMG 192786. Zur Vermeidung von Missbräuchen hat jedoch der Gesetzgeber für einzelne Lebensmittel vorsorglich „jeden Hinweis auf besonders „heilende und stärkende Wirkungen“ oder auf „eine besondere diätische oder gesundheitliche Wirkung“ in Sondergesetzen untersagt87. Bei Wein ist dies durch Art. 5 Abs. 1 Nr. 2 der Ausführungsbestimmungen zum WeinG 1930 erfolgt88.

10. Straffreiheitsgesetz 1954 – StFG89 Hinsichtlich der Rechtsfolgen der Weinvergehen des WeinG 1930 ist von Bedeutung, dass nach dem StFG 1954 Straftaten und Ordnungswidrigkeiten, die vor dem 1. Dezember 1953 begangen wurden, erlassen werden konnten, die rechtskräftig verhängt aber noch nicht vollstreckt waren, sofern eine Geldstrafe oder eine Freiheitsstrafe von nicht mehr als drei Monaten festgesetzt wurde. Anhängige Verfahren konnten eingestellt werden, Straffreiheit wurde nicht gewährt, wenn der Täter

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Ausführungsverordnung zum WeinG 1930 vom 16. Juli 1932 (RGBl. I 358). Art. 5 Abs. 10 der Ausführungsbestimmungen. § 34 Abs. 1 WeinV. Näheres zum Riesling-Hochgewächs als „normative Irreführung“ siehe unten Achtes Kapitel, I., 7. Hieronimi, LMG, 1959, § 4, S. 151. Holthöfer / Juckenack / Nüse, Lebensmittelrecht, Bd. I, 1961, Rn. 325, S. 375. Hieronimi, LMG, 1959, S. 151. Für Wermut- und Kräuterwein erfolgte dies durch § 7 Nr. 1 der WermutVO vom 20.3.1936 (RGBl. I 196). Gesetz über den Erlass von Strafen und die Niederschlagung von Strafverfahren und Bußgeldverfahren (Straffreiheitsgesetz 1954) vom 17. Juli 1954 (BGBl. I S. 203).

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Sechstes Kapitel

vor Begehung der Tat wegen Verbrechen oder vorsätzlicher Vergehen zu Freiheitsstrafe von insgesamt mehr als einem Monat verurteilt wurde90.

III. Maß- und Gewichtsgesetz 193591 Am 13. Dezember 1935 wurde das Maß- und Gewichtsgesetz (MuGG) verabschiedet, es trat am 1. April 1936 in Kraft92.

1. Historischer Überblick Die Maaß- und Gewichtsordnung für den Norddeutschen Bund vom 17. August 186893 regelte das Eichwesen umfassend. Als Volumenmaße wurde ein Liter oder eine Kanne als der tausendste Teil des Kubikmeters festgelegt und der halbe Liter wurde seinerzeit schon als Schoppen bezeichnet. Hundert Liter waren ein Fass oder ein Hektoliter, ein Scheffel waren 50 Liter (Art. 3 Buchstabe c). Eine wichtige Bestimmung enthielt Artikel 12, wonach Wein an den Käufer nur in solchen Fässern verkauft werden durfte, auf welchen die den Raumgehalt bildende Anzahl der Liter durch Stempelung amtlich beglaubigt war. Eine Ausnahme wurde für eingeführten Wein gemacht, welcher in den Originalgebinden weiterverkauft werden durfte (Art. 2 S. 2). Die Eichung und Stempelung hatte ausschließlich durch die Eichämter zu erfolgen (Art.15). Am 30. Mai 1908 wurde die neue Maß- und Gewichtsordnung94 verkündet, sie trat – mit Ausnahmen95 – jedoch erst am 1. April 1912 in Kraft. Die Eichämter der Gemeinden wurden 1912 aufgelöst, an deren Stelle traten staatliche Eichämter96. Nach Inkrafttreten des Maß- und Gewichtsgesetz (MuGG) am 1. April 1936 90

91 92

93 94 95

96

Amnestien erfolgten schon in den 20er und 30er Jahren des letzten Jahrhunderts, nach Gründung der Bundesrepublik erstmalig durch das Gesetz zur Gewährung von Straffreiheit vom 31.12.1949 (BGBl. S. 37), das am 1. Januar 1950 in Kraft trat. Vom 13. Dezember 1935 (RGBl. I 1499 ber. RGBl. 1936 I 6, 180), in Kraft seit: 1. April 1936. Das MuGG 1935 wurde mehrfach geändert: durch Verordnungen vom 18. Mai 1936 (RGBl. I 452), vom 12. März 1940 (RGBl. I 497), vom 31. Dezember 1940 (RGBl. 1941 I 17), vom 9. Oktober 1941 (RGBl. I 635), vom 30. November 1942 (RGBl. I 669), vom 19. Januar 1944 (RGBl. I 39 ber. 62) und 100 vom 22. September 1944 (RGBl. I 227) und ergänzt durch VO vom 28. Juni 1938 (RGBl. I 787). BGBl. des Norddeutschen Bundes 1868, Nr. 18 S. 473. BGBl. S. 349. Die §§ 15, 17 und 18 Abs. 1 und 2 der Maß- und Gewichtsordnung vom 30. Mai 1908 sind durch Ziffer 2 der Verordnung vom 19.12.1941 mit Wirkung vom 1.1.1942 außer Kraft gesetzt worden. Landesamt für Mess- und Eichwesen Berlin-Brandenburg (LME), 225 Jahre staatliches Eichwesen, S. 14.

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wurden am 20. Mai 1936 hierzu Ausführungsvorschriften erlassen97. Es folgte die Eichordnung vom 24. Januar 194298. Nach Gründung der Bundesrepublik wurde das MuGG 1935 überarbeitet und durch das Eichgesetz vom 11. Juli 196999 neu gefasst. Es orientierte sich am vorangegangenen MuGG 1935 und veränderte es in einigen Bereichen, insbesondere hinsichtlich der Inhaltsangabe bei vorverpackten Produkten wie Wein in Flaschen. Die Flaschen durften weniger enthalten als angegeben, die Minderfüllungen mussten allerdings durch Überfüllungen ausgeglichen werden100. Aufgrund § 19 Eichgesetz 1969 wurde die Schankgefäßverordnung101 erlassen, die am 1. Januar 1972 in Kraft trat. Die seit 1981 geltende Verordnung über Fertigpackungen 1981102 löste das MuGG 1969 ab.

2. Gegenstand Schankgefäße und Flaschen unterlagen nach dem MuGG 1935 umfangreichen Vorschriften, die auch der Ursprung der 0,7 Liter-Flasche waren. Dieses Maß war bisher unbekannt und ließ sich auch rechnerisch nicht aus einem Liter herleiten. Dieses ungewöhnliche Maß kam dadurch zustande, in dem man die seinerzeit am Markt befindlichen Flaschen einer messtechnischen Kontrolle unterzog und dabei feststellte, dass die sämtlich mit 0,75 Liter ausgezeichneten Flaschen den angegebenen Inhalt überhaupt nicht aufnehmen konnten, weil sie hierfür zu klein waren. Um nicht große Mengen an Flaschen vernichten zu müssen, wurde der Wert 0,7 Liter eingeführt: „Im Grunde eine nachträgliche Legalisierung von Betrug per Gesetz“103. Bevor das Abfüllen des Weines in Flaschen Ende des 19. Jahrhunderts aufkam, verbrachte der Wein von der Erzeugung bis zum Verkauf oder Ausschank im Fass, seinerzeit in einem Fass aus Holz, später in einem glasfaserverstärkte

97 98 99 100

RGBl. I S. 459. RGBl. I S. 63. BGBl. I S. 759. Im Grunde der Vorläufer der heutigen Fertigpackungs-VO, in die dies so übernommen wurde – siehe hierzu Erstes Kapitel, III., 11., d), Nennvolumen – 2019 soll ein neues Verpackungsgesetz in Kraft treten, das die jetzige Fertigpackungs-VO ablösen wird. 101 Verordnung über Schankgefäße (Schankgefäßverordnung) vom 5. November 1971 (BGBl. 1971 I S. 1782). 102 Aktuelle Fassung: Bekanntmachung vom 8. März 1994 (BGBl. I S. 451, 1307), zuletzt geändert durch Artikel 27 der Verordnung vom 5. Juli 2017 (BGBl. I S. 2272). 103 So das Landesamt LME, a.a.O., S. 8.

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Sechstes Kapitel

Kunststoff- und heute überwiegend in einem Edelstahlfass. Das Maß- und Gewichtsgesetz enthielt daher Vorschriften zu Weinfässern und Schankgefäßen, deren Verletzung durch § 60 mit Strafe bedroht war.

3. Strafvorschriften nach § 60 MuGG 1935104 a) § 60 Abs. 1 Nr. 1 (Verstöße gegen die Eichvorschriften) Nach § 60 Abs. 1 Nr. 1 MUGG machte sich strafbar, wer Weinfässer, die nicht geeicht waren, bei einem „auf Erwerb gerichteten“ Verkauf von Wein benutzte (§ 11)105. Ausgenommen waren Fässer, die befüllt aus dem Ausland eingeführt wurden. Nach § 361 Nr. 2 der Eichordnung vom 24. Januar 1942106 war der zu eichende Rauminhalt des Fasses der Raum, den die Flüssigkeit bei vollständiger Füllung des Fasses einnahm. Das Fass galt als vollständig gefüllt, wenn die Flüssigkeit den unteren Rand der Füllöffnung oder des Spundlochs107 berührte. Außer dem Rauminhalt durfte bei Fässern auch das Gewicht angegeben werden. Als Gewicht des Fasses ist das Gewicht des leeren Fasskörpers einschließlich der zum Verschluss vorhandenen Öffnungen dienenden Zapfen, Pfropfen usw. anzusehen (§ 361 Nr. 4 Eichordnung). Wurde das Gewicht durch die Eichbehörde nach vorangegangener innerer Nässung des Fasses bestimmt, war das Fass mit NT (Nasse Tara) der Gewichtsbestimmung (in Kilogramm) voranzustellen oder mit TT (Trockene Tara), wenn der Gewichtsbestimmung keine Nässung voranging (§ 368 Abs. 2 Eichordnung).

Der Fassweinverkauf war Tagesgeschäft der Weinproduzenten und -händler. Wer dennoch ungeeichte Weinfässer beim Verkauf benutzte, musste mit Bestrafung 104 § 6: (1) Mit Geldstrafe bis zu 150 Reichsmark oder mit Haft wird bestraft, wer in einer auf Erwerb gerichteten Tätigkeit 1. den §§ 8 bis 13, 16 bis 18, 25, 31 und 34–36 zuwiderhandelt […] 4. als Wirt im Sinne des § 45 den §§ 46 bis 50 zuwiderhandelt […] 7. Schankgefäße herstellt oder in Verkehr bringt, die nach diesem Gesetz nicht zulässig sind, 8. vorsätzlich Flaschen, die diesem Gesetz nicht entsprechen, zur Verwendung im Reichsgebiet herstellt, herstellen läßt oder einführt. 105 § 11: Fässer, in und mit denen […] Wein […] verkauft [wird], müssen auf ihren Raumgehalt geeicht sein, nicht aber, wenn die Erzeugnisse aus dem Ausland eingeführt sind und in Gebinden des Ursprungslandes in den Verkehr kommen. 106 Beilage zu Nr. 10 des Amtsblattes der Physikalisch-Technischen Reichsanstalt vom 14. März 1942 (auszugsweise abgedruckt bei Hieronimi, Lebensmittelrecht, 1959, S. 383–386). 107 Loch am oberen Rand eines Holzfasses, das mit einem Spund (Zapfen) luftdicht verschlossen werden kann.

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rechnen. Die Lagerung des Weines im eigenen Keller war auch ohne Eichung des Fasses erlaubt. Nur die Verwendung bei einem auf „Erwerb gerichtete Verkauf“ war strafbar.

b) § 60 Nr. 7 MuGG (Unzulässige Schankgefäße) § 60 Abs. 1 Nr. 7 bedrohte denjenigen mit Strafe, der unzulässige Schankgefäße in den Verkehr brachte. Schankgefäße i.S. dieses Gesetzes waren Gläser, Krüge, Flaschen, Karaffen, die zur Verabreichung von Getränken in Gast- und Schankwirtschaften dienten und erst bei eintretendem Bedarf gefüllt wurden (§ 45). Nach § 46 mussten Schankgefäße für Wein, dem Wein ähnliche Getränke, weinhaltige Getränke und Traubensaft mit einem Füllstrich von mindestens 1 cm Länge und in der Nähe des Füllstriches mit der Bezeichnung des Inhaltes nach Litermaß versehen sein (§ 46). Der Strich und die Bezeichnung mussten leicht erkennbar sein (§ 47). Betroffen von diesen Vorschriften waren Weingüter oder Weinhändler, die Wirten derlei Gläser vorsätzlich überlassen hatten. Nach der Schankgefäßverordnung vom 5. November 1971108 wurde seit dem 1. Januar 1972 die vorsätzliche und fahrlässige Zuwiderhandlung gegen die pflichtwidrige Kennzeichnung von Schankgefäßen für Wein und Schaumwein zur Ordnungswidrigkeit und nur noch mit Geldbuße bedroht (§ 6).

4. Rückschau Durch das MuGG 1935 war das deutsche Eich- und Messwesen vorbildlich geregelt. Sowohl Winzerschaft als auch Weinhändler und Weinkommissionäre hatten sich an klare Vorgaben zu halten, und waren andererseits selbst auch dadurch geschützt, dass, wenn sie beim Ankauf von Wein in Fässern eine amtliche Bestätigung vorfanden, das Fass auch über dieses Nennvolumen verfügte. Auch die Verbraucher waren geschützt, indem Gläser im Ausschank von Wein den Inhalt wie auch einen Füllstrich aufweisen mussten. Das MuGG 1935 hat auch eine jahrzehntelange Täuschung beendet, indem die 0,7 Liter Füllmenge eingeführt wurde, denn die im Handel befindlichen 0,75 Liter-Flaschen konnten nur diese Menge aufnehmen.

108 BGBl. 1971 I, S. 1782.

Siebentes Kapitel: Gesetzgebung nach 1945 I. Weingesetz 19691 Das Weingesetz 1969 wurde am 23. Juni 1969 vom Bundestag verabschiedet und am 16. Juli 1969 im Bundesgesetzblatt veröffentlicht. Das Gesetz sollte erst zwei Jahre nach Verkündung in Kraft treten, § 97 Abs. 1.

1. Entgegenstehendes Recht der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft In der Zwischenzeit wurde durch EWG-Verordnungen 816/702 und 817/703 das Weinrecht für den Bereich der Europäischen Gemeinschaften in wesentlichen Teilen harmonisiert4. Diese Verordnungen waren in allen Mitgliedstaaten unmittelbar geltendes Recht5. Nationale Vorschriften, die den gleichen Sachbereich regelten, wie das WeinG 1969, waren somit nicht mehr anwendbar.

a) Regelungsbereich – Neuerungen Eine erste sinnvolle „Empfehlung“ des neuen Gesetzes an die Winzer war, dass Trauben erst gelesen werden durften, wenn sie die erreichbare Reife erlangt hatten, § 3. Kernstück des Gesetzes, welches das WeinG 1930 ablösen sollte, war die Einteilung der deutschen Weine in drei Gruppen: Tischwein (§ 14) – ab 1971 Tafelwein, Qualitätswein (§ 11) und Qualitätswein mit Prädikat (§ 12). Zumindest die beiden letzteren Bezeichnungen sollten für die Winzer Ansporn sein, im Sinne dieser neuen Qualitätsoffensive eine bestmögliche Weinqualität zu erzeugen. Lediglich Tischweine durften aus Verschnittanteilen zusammengesetzt sein, die aus verschiedenen Weinbaugebieten stammten. Qualitätswein musste 1 2 3 4 5

Gesetz über Wein, Dessertwein, Schaumwein, weinhaltige Getränke und Branntwein aus Wein (Weingesetz 1969) vom 16.7.1969 (BGBl. I S. 781–813). Verordnung (EWG) Nr. 816/70 des Rates vom 28. April 1970 zur Festlegung ergänzender Vorschriften für die gemeinsame Marktordnung für Wein. Verordnung (EWG) Nr. 817 vom 28. April 1970 des Rates vom 28. April 1970 zur Festlegung besonderer Vorschriften für Qualitätsweine bestimmter Anbaugebiete. Am 4. April 1962 schon wurde die erste Verordnung zur Errichtung eines gemeinsamen europäischen Weinmarktes verabschiedet – (Abl. EG 989/62). Artikel 189 EWG-Vertrag vom 25.3.1957: später geregelt in Art. 249 II S. 2 EG-Vertrag; aktuell in Art. 288 II S. 2 AEUV.

https://doi.org/10.1515/9783110682816-009

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aus einem einzigen Anbaugebiet (damals 11, heute 13) stammen, Prädikatsweine nur aus einem einzigen Bereich6. Lagen durfte nur noch angegeben werden, wenn diese in die Weinbergsrolle eingetragen waren7. In § 8 WeinG 1969 wurden die heute noch bestehenden vier (Still-)Weinarten, Weißwein, Rotwein, Rosé und Rotling festgelegt. Die Zuckerung der Weine, mit Ausnahme der Prädikatsweine8, war weiterhin zulässig und musste bis 31. März des folgenden Jahres erfolgen. Bei Rotweinen war diese auf eine Erhöhung von 35 Gramm und bei Weißweinen auf 30 Gramm je Liter beschränkt. Auch wurde zum Schutz der Verbraucher die Höchstmenge an schwefliger Säure festgelegt. Ungezuckerter Wein durfte nicht mehr als Naturwein oder „Wachstum“ gekennzeichnet werden, wie dies nach dem WeinG 1930 zulässig war. Das Ausmaß der Süßung war nicht in das Ermessen der Winzer gestellt, § 7 Abs. 1 legte fest, dass das Verhältnis von Alkohol (in Gramm) und Restzucker mindestens 3:1 sein musste. Ein Wein mit 81 Gramm Alkohol durfte hiernach nur 27 Gramm Restzucker enthalten. Bezogen auf die heutigen Geschmacksangaben würde „süß“ (ab 45 Gramm) vollkommen und „lieblich“ (bis 45 Gramm) größtenteils entfallen. Der Begriff „Kellerbehandlung“ (§ 4 Abs. 3 WeinG 1930) wurde im neuen Gesetz nicht mehr verwendet, da er zu unbestimmt war. Das Irreführungsverbot der zurückliegenden Wein- und Lebensmittelgesetze wurde in § 54 festgeschrieben, wie auch das seit 1892 bestehende Verbot, Wein nachzumachen, § 61. Auch die Buchführungspflicht wurde nicht vergessen, § 65. Sinnvolle Regelungen enthielt auch § 80, der hygienische Anforderungen an Behältnisse und sonstige Gegenstände festlegte, die zur Weinbereitung benutzt wurden.

b) Strafvorschriften Damit die Neuerungen und Festlegungen des ersten Weingesetzes der Bundesrepublik Deutschland9 nicht nur auf dem Papier existierten, hat der Gesetzgeber Straf- und Bußgeldvorschriften in das Gesetz aufgenommen. Die hier relevanten Strafvorschriften befanden sich in §§ 89 und 90. § 89 bestrafte die Verletzung von Vorschriften über Herstellung und Inverkehrbringen 6 7 8 9

Zusammenfassung mehrerer Weinlagen: Definition in § 9 Abs. 4 WeinG 1969. U.a. Weinlagengesetz RLP vom 1.6.1970 (GVBl. S. 184). Kabinett, Spätlese, Auslese, Beerenauslese, Trockenbeerenauslese, Eiswein. Vorher: 1892, 1901, 1909 und 1930.

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und enthielt einen langen Katalog, in dem die Zuwiderhandlungen aufgelistet waren. § 90 betraf die Geheimhaltungspflicht der Weinkontrolleure. Geschützte Rechtsgüter des § 89 waren in erster Linie die Gesundheit und der Schutz der Verbraucher vor Irreführung und Übervorteilung. Der Strafrahmen war diesen hehren Zielen angemessen: Gefängnis bis zu drei Jahren und/oder Geldstrafe. Da die Strafbestimmungen nicht in Kraft traten, soll hier auf Abdruck und Erörterung verzichtet werden10.

II. Weingesetz 197111 1. Entstehungsgeschichte Das Weingesetz 1969 ist – wie erwähnt – nicht in Kraft getreten12. Dem WeinG 1969 folgte das Gesetz über Zuwiderhandlungen gegen weinrechtliche Vorschriften der Europäischen Gemeinschaften vom 4. Juni 1971. Es handelte sich um ein Zeitgesetz; es trat am 10. Juni 1971 in Kraft und am 31. August 1971 wieder außer Kraft. Verstöße gegen die Verordnungen (EWG) Nr. 816/70 und 817/70 – und der hierzu ergangenen Verordnungen des Rates und der Kommission13 – wurden nach § 1 lediglich als Ordnungswidrigkeiten verfolgt, so dass nähere Ausführungen hierzu an dieser Stelle nicht gemacht werden. Da das WeinG 1969 in großen Teilen mit dem Europarecht unvereinbar war, legte die Bundesregierung am 15. März 1971 dem Bundestag den Entwurf eines neuen Weingesetzes vor14. Die Vorlage einschließlich Begründung war zuvor am 19. Februar 1971 gemäß Art. 76 Abs. 2 GG dem Bundesrat zugeleitet worden und zwar als „besonders eilbedürftig“, so dass die sechswöchige Frist zur Stellungnahme auf drei Wochen verkürzt war. Der Rechtsausschuss des Bundesrates setzte einen Unterausschuss ein, der die Zustimmungsbedürftigkeit des Gesetzes feststellte, was den Weinbaubundesländern größere Einflussmöglichkeiten bei der Ausgestaltung des neuen Gesetzes brachte. Am 13. Mai 1971 wurde das neue WeinG vom Bundestag beschlossen und nach Art. 77 Abs. 1 GG unverzüglich dem Bundesrat zugeleitet. Nach Anrufung des Vermittlungsausschusses kam es auch außerhalb dieses Verfahrens zu erheblichen Protesten 10 11 12 13 14

Zu den Strafbestimmungen des WeinG 1971, siehe unten III., Anhang (§ 67). Gesetz über Wein, Likörwein, Schaumwein, weinhaltige Getränke und Branntwein aus Wein (Weingesetz 1971) vom 14. Juli 1971 (BGBl. I 893–921). Siehe oben I. In der Anlage zu § 1 waren 22 EWG-Verordnungen aufgeführt. BT-Drucks. VI/1963 vom 15.3.1971.

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gegen das neue Weingesetz. Die größten Einwendungen hatte die österreichische Regierung, die in der Einschränkung in § 20 einen nicht hinnehmbaren Nachteil gegenüber dem österreichischen Weinbau sah. Nach dieser Vorschrift sollten die Prädikatsbezeichnungen Kabinett, Spätlese, Auslese, Beerenauslese und Trockenbeerenauslesen nur Weinen vorbehalten sein, die in Deutschland geerntet und hergestellt wurden, obwohl in Österreich schon die gleichen Bezeichnungen existierten. Deutschsprachigen Weinbauländern wie Österreich wurde aufgrund eines Kompromisses im Vermittlungsausschusses schließlich erlaubt, diese Bezeichnungen zu führen15. Das neue WeinG wurde dann am 16. Juli 1971 verkündet16. Das Weingesetz 1971 ist das erste nachkonstitutionelle deutsche Weingesetz, es setzt das WeinG 193017 und dessen Ausführungsverordnung vom 16. Juli 1932 sowie das vorgenannte Gesetz über Zuwiderhandlungen gegen weinrechtliche Vorschriften der EG vom 4. Juni 1971 außer Kraft.

a) Gesetzesänderungen / Verordnungen Das WeinG 1971 wurde ein Jahr nach Inkrafttreten durch das Gesetz zur Änderung des Weingesetzes vom 19. Juli 1972 (BGBl. I S. 1249) geändert, die Strafvorschriften waren hiervon nicht betroffen. Die nächste Änderung erfolgte durch das Zweite Gesetz zur Änderung des Weingesetzes vom 28. März 1973 (BGBl. I S. 241) sowie durch das Änderungsgesetz vom 2. März 1974, in dem die Strafvorschrift in § 68 nach drei Jahren Gültigkeit wieder aufgehoben wurde18. Das Dritte Gesetz zur Änderung des Weingesetzes vom 4. August 1980 (BGBl. I, S. 1146) nahm keine Änderungen an den Strafbestimmungen vor. Durch das Vierte Gesetz zur Änderung des Weingesetzes vom 27. August 1982 (BGBl. I 1177), seit 1. September 1982 in Kraft, wurden das Weingesetz und auch die Strafbestimmungen erheblich verändert und neu strukturiert19. Es folgte das Fünfte Änderungsgesetz vom 20. März 1985 (BGBl. I, 567) und das Sechste Änderungsgesetz vom 11. Juli 1989 (BGBl. I, 1424). In Art. 1 dieses Gesetzes wurde in § 2a der zulässige Hektarertrag eingeführt. § 2a Abs. 2 legte zwar fest, dass der die Erntemenge überschreitende Teil nicht in den Verkehr gebracht

15 16 17 18 19

Zimmer, Weinbaupolitik in Deutschland, S. 70, 78. BGBl. 1971 I, S. 893–921. Das WeinG 1930 blieb für die in seinem § 10 Abs. 1 bezeichneten Getränke anwendbar (weinähnliche Getränke aus Stein-, Kern- und Beerenobst etc.), § 75 Abs. 4 WeinG 1971. Änderungsgesetz vom 2.3.1974 (BGBl. I 469–650) – 10. Titel Außerkraftsetzen von Vorschriften, S. 552, Art. 62 Nr. 2: „§ 68 wird aufgehoben“. Hierzu siehe unten IV.

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werden durfte. Abs. 3 gestattete es jedoch, dass die Übermenge über das Erntejahr hinaus eingelagert werden durfte. Waren die Erträge in den folgenden Jahren somit geringer, durfte die der Differenz entsprechende Menge aus der Überproduktion verwendet werden. Im Fünften Änderungsgesetz wurde in § 68 die Überschrift von „Straftaten“ in „Strafvorschriften“ geändert und Binnenverweisungen im Gesetzestext teilweise geändert.

b) Durchführungsverordnungen Eine das Weingesetz ergänzende Weinverordnung wurde am 15. Juli 1971 beschlossen (BGBl. I, 926). Diese enthielt in § 23 Strafvorschriften, in Anlage 4 zu § 3 wurden die elf deutschen Anbaugebiete festgelegt (seinerzeit noch ohne Saale-Unstrut und Sachsen). Am gleichen Tag wurde die Wein-Überwachungsverordnung (BGBl. I, S. 951) beschlossen, die seinerzeit noch keine Strafbestimmungen enthielt20.

2. Inhalt und Änderungen Das WeinG 1971 stellt „keinen revolutionären Neuanfang dar“21, es folgt vielmehr der in der Rechtsentwicklung seit 1901 angelegten Logik unter Aufgabe des nicht länger haltbaren Naturweinbegriffs. Auch wenn es sich formal um eine Angleichung an europäisches Recht handelt, ist sein Inhalt doch das Ergebnis der deutschen Weinrechtsgeschichte seit 1892. Das WeinG 1930 ließ in § 33 Abs. 1 noch ausdrücklich die Vorschriften des LMG 1927 unberührt, soweit nicht Belange des WeinG entgegenstanden. Als Sondergebiet des Lebensmittelrechtes war daher auch im Weinrecht traditionell stets die Oberste Gesundheitsbehörde in Fragen des Weinrechts zuständig22. Das WeinG 1971 verstärkte die rechtliche Stellung des Weines und koppelte sich als „lex sui generis“ in § 73 beinahe vollständig vom LMG 1927 ab. Damit wäre die (wohl gewünschte) Sonderstellung des Weines grundsätzlich anerkannt23. Andererseits ist nicht zu übersehen, dass der Gesetzgeber das Weinrecht weiterhin als Teil des Lebensmittelrechtes ansieht, was schon in der Überschrift des § 73 zu Tage tritt24. Auch hatten die verfestigten Begriffe des allgemeinen Le-

20 21 22 23 24

Heute in § 39 WeinÜV enthalten, siehe unten VI, 5., c), bb). Dippel, a.a.O., S. 233/234. Wehling, Die politische Willensbildung auf dem Gebiet der Weinwirtschaft, S. 170. So Koch, Der Wein und die Macher, S. 51. „Verhältnis zu anderen lebensmittelrechtlichen Vorschriften“.

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Siebentes Kapitel

bensmittelrechtes auch weiterhin im Weinrecht Bestand, wie verdorben, gesundheitlich bedenklich etc. Allerdings konnte das LMG nach beinahe vollständigem Ausschluss nicht mehr zur Ausfüllung offensichtlicher Lücken des Weinrechts herangezogen werden25. Das Weingesetz definiert im Gegensatz zu seinen Vorgängern, nicht mehr, was unter Wein zu verstehen ist. Diese Definition ist nunmehr in Anhang II Nr. 7 der Verordnung (EWG) 816/7026 enthalten: „Wein ist das Erzeugnis, das ausschließlich durch vollständige oder teilweise alkoholische Gärung der frischen, auch eingemaischten Weintrauben oder des Traubenmostes gewonnen wird“.

Durch Anhang III Nr. 1 und 2 der vorgenannten Verordnung wurde das Deutsche Weinbaugebiet erstmals in Weinbauzonen eingeteilt: Weinbauzone A umfasste Luxemburg und das deutsche Weinbaugebiet mit Ausnahme von Baden, das neben dem Elsaß, Lothringen und vier weiteren französischen Gebieten der Weinbauzone B angehörte. Als weitere Zonen wurden C I, CII und C III festgelegt, denen Gebiete in Frankreich und Italien angehörten. Der Beitritt der Weinbauländer Spanien und Portugal erfolgte zum 1. Januar 1986, Österreich kam am 1. Januar 1995 hinzu27. Es entfielen auch weitere, aus dem WeinG 1930 bekannte Begriffe. Die zuvor üblichen Bezeichnungen wie „natur“, „naturrein“, „Wachstum“ und „Originalabfüllung“ dürfen seit dem WeinG 1971 nicht mehr verwendet werden; neu eingeführt wurde statt dessen der Rechtsterminus „Qualitätswein“28. Der Gedanke dahinter war, den deutschen Wein aufgrund der Bezeichnung „Qualität“ und „Prädikat“ im Vergleich zu anderen Ländern allein schon durch die Wortwahl herauszustellen und somit den Absatz deutschen Weines zu fördern29. Es musste sich fortan zeigen, ob diese Bezeichnungen die Kaufentscheidung beeinflussen würden. Für die Prädikate wurden zwar Mindestmostgewichte festgelegt, aber keine Obergrenzen. Die Weinbaubetriebe konnten mithin je nach Absatzmöglichkeit zwischen den Prädikaten jonglieren und die Prädikatsweine nach Gutdünken herabstufen. Die Kabinett-Trinker konnten so mit Spätlesen bedient werden und Qualitätsweine waren auch als Tafelweine abzusetzen. Eindeutige Festlegungen 25 26 27

28 29

Stadler in Zipfel, Weinrecht, WeinG 1971, § 73, II A S. 354. Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften Nr. L 99 vom 5. Mai 1970, S. 1. Aktuelle Weinbauzonen: A, B, C1, CII, CIIIa und CIIIb, wobei für die deutschen Anbaugebiete keine Änderung der Zuordnung erfolgt ist – siehe Verordnung (EU) 1308/2013, Anhang VII, Anlage 1. Kritisch zum Begriff Qualitätswein, sie oben Erstes Kapitel, III., 9., a). Zimmer, Weinbaupolitik, a.a.O. S. 97.

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erfolgten nicht. Vor diesem Hintergrund verwundert die Regelung in § 12 Abs. 9 WeinG 1971, wonach festgelegt wird, dass Prädikatsweine wegen einer angemessenen Ausbauzeit nicht vor dem auf die Ernte folgenden 1. Januar abgefüllt in den Verkehr gebracht werden durften; zumindest die Riesling-Lese reichte seinerzeit noch bis weit in den November hinein und die Trauben zur Eisweinbereitung waren am 1. Januar möglicherweise noch gar nicht gelesen. Das neue WeinG enthielt keine Geschmacksangaben. § 8 Abs. 4 WeinV 1971 legte fest, dass ein Wein als „trocken“ bezeichnet werden darf, der maximal 4 Gramm Restzucker enthielt. Nach § 15 WeinV 1971 konnte Wein als „Für Diabetiker geeignet“ unter Hinzufügung der Worte „nur nach Befragen des Arztes“ gekennzeichnet werden. Es durften allerdings lediglich 4 Gramm/l Restzucker enthalten sein, die schweflige Säure war begrenzt und auch der Alkoholgehalt wurde auf maximal 12% vol. festgelegt. Als Geschmacksangabe wurde der Begriff „trocken“ europarechtlich definiert in Artikel 13 Abs. 6 der Verordnung (EWG) Nr. 1608/76 vom 4. Juni 197630: max. 4 Gramm RZ/l oder Weinsäure + 2 = max. 9 Gramm/l. Durch VO (EWG) Nr. 1011/84 vom 10. April 198431 wurde Art. 13 Abs. 6 der VO (EWG) 997/81 neu gefasst und auch die Begriffe „halbtrocken“, 12 Gramm RZ/l oder Weinsäure + 10 = max. 18 Gramm RZ/l.; „lieblich“, RZ-Gehalt über halbtrocken bis max. 45 Gramm und „süß“ größer 45 Gramm RZ, definiert (s.o., S. 12 f.). Diese Legaldefinitionen gelten auch heute noch. Eine Rebsorten- oder Jahrgangsangabe war zulässig, wenn 75 Prozent aus Trauben der angegebenen Rebsorte oder aus dem Jahrgang stammten (§ 8 Abs. 1, 3 WeinV 1971), was für die Verbraucher nicht erkennbar war32.

III. Strafvorschriften des Weingesetzes 1971 Die Strafvorschriften des WeinG 1971 befinden sich in §§ 67 und 68, die Bußgeldvorschriften in § 69 WeinG 1971. Herstellungsverstöße werden als Straftaten qualifiziert, Bezeichnungsverstöße sind lediglich Ordnungswidrigkeiten33, mit Ausnahme der Bezeichnung Traubensaft als Traubenmost34. Das Weingesetz droht Strafen für vorsätzliches und fahrlässiges Handeln an für Verstöße gegen Bestimmungen zur Herstellung, Aufmachung und Inverkehrbringen von Weinerzeugnissen. Bei der Herstellung wird zwischen Produktion 30 31 32 33 34

ABl. 1976, L 183, S. 1–13 – in Kraft ab 1.9.1976 – ersetzt durch VO (EWG) 997/81. ABl. L 101 v. 13.4.1984, S. 17–24. Siehe hierzu unten Achtes Kapitel, I., 6. „Bezeichnungsunschädliche Verschnitte“. Stadler, in: Zipfel, Weinrecht. Sonderausgabe 1972, § 67, S. 328 Rn. 3. Straftat gem. § 67 Abs. 5 Nr. 5a WeinG 1971.

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und Vertrieb unterschieden, wobei die Herstellungsverstöße als Vorbereitungshandlung in der Vertriebshandlung aufgehen, insbesondere dann, wenn beide Verstöße auf einem einheitlichen Willensentschluss beruhen (Konsumtion)35. Im Gegensatz zu § 26 Abs. 2 WeinG 1930 ist der Versuch in keinem der zahlreich aufgeführten Tatbestände strafbar. Im Nebenstrafrecht und damit auch im Weinstrafrecht gelten die Vorschriften des allgemeinen Teils des Strafgesetzbuches, Art. 1 EGStGB. Auf alle Weinstrafsachen ist die Strafprozessordnung anzuwenden, § 3 Abs. 1 StPO. Im allgemeinen Weinrecht hat der Weingesetzgeber – so Henssen – „mit einer seltenen Akribie versucht, allen weinfachlichen und weinrechtlichen Gegebenheiten“ in umfangreicher Weise gerecht zu werden, so dass dieses nicht mehr von allen Winzern verstanden werde und Lücken aufweise, die von der Wirtschaft jedoch schnell erkannt und ausgenützt würden36. Dieser Tendenz zur Perfektionierung sei der Gesetzgeber auch hinsichtlich der Ausgestaltung der Strafbestimmungen gefolgt. Er habe versucht, jeden einzelnen Herstellungsund Vertriebsverstoß so zu konkretisieren, indem entweder alle Tatbestandsmerkmale aufgelistet werden oder auf andere Vorschriften verwiesen werde, wobei die „verwirrende Vielzahl“ von Verweisungen und die mangelhafte Systematik das Verständnis dieser Vorschriften erschweren würden, was der Gesetzgeber bewusst in Kauf genommen habe37. Die Strafvorschriften des WeinG 1971 erweckten den Eindruck eines „Rechtsgestrüppes“38, da der Perfektionismus so weit getrieben worden sei, dass die Weinstraftatbestände „nebulös statt eindeutig sind“39. § 67 behandelte allein 36 Verstöße gegen Herstellungsvorschriften sowie Vermarktung verkehrsunfähiger Produkte40. Im Rahmen der Straf- und Bußgeldvorschriften wurden in Anlehnung an das geltende Lebensmittelrecht überwiegend nur noch solche vorsätzlichen Verstöße als Straftaten gewertet, die tatsächlich oder zumindest potentiell die menschliche Gesundheit gefährden, die Eigenart der Erzeugnisse oder Ausgangstoffe maßgeblich

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Stadler in Zipfel, a.a.O., § 67 Rn. 29, S. 332. Henssen, a.a.O., S. 159. So kritisch Henssen, a.a.O., S. 160. „Unübersichtliches Rechtsgestrüpp“, so auch noch Heimermann, 2008, a.a.O. S. 193, zum aktuellen Weinrecht 32 Jahre später. Henssen, a.a.O., S. 161. So die statistische Auswertung bei Henssen, a.a.O., S. 161.

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beeinträchtigen oder den Schutz des Verbrauchers vor Irreführung oder Übervorteilung betreffen41. Der Eintritt eines konkreten Schadens beim Käufer ist nicht gefordert. Da jedoch gesetzwidrig beschaffene Weinerzeugnisse bereits eine Gefährdung, insbesondere der Verbraucher darstellen, handelt es sich um ein abstraktes Gefährdungsdelikt42.

1. § 67 WeinG 197143 § 67 Absätze 1 bis 3 drohten bei Zuwiderhandlung Freiheitsstrafen von bis zu drei Jahren und Geldstrafe oder eine dieser Strafen an. Abs. 4 droht bei fahrlässiger Begehung dieser Delikte Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder Geldstrafe an, ebenso Absatz 5 für die dort unter Nr. 1–5 aufgelisteten Tatbestände44. Nach § 67 Abs. 1 Nr. 1 b machte sich beispielsweise strafbar, wer einem Verschnittverbot zuwiderhandelte, nach § 67 Abs. 1 Nr. 1d derjenige, der unerlaubte Stoffe zusetzte und nach § 67 Abs. 1 Nr. 1f derjenige, der ein verbotenes Behandlungsverfahren anwendete. Nach § 67 Abs. 1 Nr. 2 machte sich strafbar, wer bei der Herstellung, Abfüllung oder Lagerung von Wein oder den zu seiner Herstellung verwendeten Erzeugnissen Gegenstände verbotswidrig benutzte. Nach § 67 Abs. 1 Nr. 3 wurde derjenige bestraft, der Wein mit einem zu hohen Schwefelgehalt zum offenen Ausschank feilhielt oder in den Verkehr brachte. Nach § 67 Abs. 2 Nr. 11 WeinG konnte derjenige bestraft werden, der gegen die Bestimmungen des § 23 Abs. 1 WeinV verstoßen hatte: Nutzung von Behältnissen, die nicht ausnahmslos für Lebensmittel benutzt wurden (Nr. 1), Behältnisse nicht reinigte (Nr. 2) oder Räume und Gegenstände zur Herstellung von Lebensmitteln nutzte, die nicht der Lebensmittelherstellung dienten. Nach § 67 Abs. 2 Nr. 12 machte sich derjenige strafbar, der Wein entgegen einem Verkehrsverbot in den Verkehr brachte. Nach § 67 Abs. 3 Nr. 4 wurde beispielsweise bestraft, wer Tafelwein mit anderen Weinen verschnitten hatte. Verschnittfähig waren nur Tafelweine untereinander45. Nach Abs. 3 Nr. 7 wurde bestraft, wer Traubensaft (anstelle von Traubenmost) bei der Weinherstellung verwendete. Nach § 67 Abs. 4 wurde bestraft, wer die in den Absätzen 1–3 bezeichneten Handlungen fahrlässig beging, und zwar mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe.

§ 67 Abs. 5 Nr. 2 – Täuschungsverbot: Nach dieser wichtigen und heftig umstrittenen Vorschrift konnte derjenige mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder Geldstrafe bestraft werden, der ein Erzeugnis unter Verstoß gegen das Täuschungsverbot des § 46 Abs. 1 bis 3 oder einer nach § 46 Abs. 4 erlassenen 41 42 43 44

45

BT-Drucks. VI/1963 v. 15.3.1971, Teil VII, S. 36, wie zuvor schon zum WeinG 1969 BT-Drucks. V/1636 v. 14.4.1967, Anlage 1, Teil VI, S. 75. Henssen, a.a.O., S. 158. Der umfangreiche Text dieser Vorschrift ist nach dem Achten Kapitel als Anhang abgedruckt. Hinsichtlich der einzelnen Tatbestände des § 67 WeinG 1971 kann auf die einschlägigen Kommentarliteratur verwiesen werden, insbesondere auf Zipfel, Kommentar zum Weinrecht. Sonderausgabe. 1972, S. 323–332. Art. 26 Abs. 1 und 2 VO (EWG) 816/70.

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Rechtsverordnung, soweit sie für einen bestimmten Tatbestand auf diese Strafvorschrift verweist, in den Verkehr brachte, ins Inland oder aus dem Inland verbrachte oder zum Gegenstand der Werbung machte. Nach § 46 durften Weine nicht mit irreführenden Bezeichnungen in den Verkehr gebracht, eingeführt und auch nicht ins Ausland exportiert werden oder zum Gegenstand der Werbung gemacht werden. Wie schon in § 5 Abs. 1 WeinG 1930 allgemein formuliert, erstreckt sich nach § 46 Abs. 1 das Irreführungsverbot nunmehr auch auf Werbeangaben, denen 1930 wohl noch keine Bedeutung zugemessen wurde. Bei einem Verstoß gegen § 46 kann auch ein Verstoß gegen das Täuschungsverbot in §§ 3, 4 UWG vorliegen. Die Vorschrift des neuen Weingesetzes und des Wettbewerbsrechtes ergänzen sich insoweit. „Als irreführend ist es insbesondere anzusehen, wenn Angaben gebraucht werden, die geeignet sind, fälschlich den Eindruck besonderer Qualität zu erwecken“ (Abs. 2 Nr. 2). „Aufmachungen, Darstellungen oder zutreffende Angaben, die geeignet sind, falsche Vorstellungen über die geographische Herkunft zu erwecken“, gelten gleichfalls als irreführend (Abs. 3 Nr. 1). Das gleiche gilt „für zutreffende Angaben, die geeignet sind, falsche Vorstellungen über die Herstellung, Abfüllung oder Lagerung, die Beschaffenheit der Erzeugnisse, Rebsorte, den Jahrgang oder sonstige Umstände zu erwecken, die für eine Bewertung bestimmend sind“ (Abs. 3 Nr. 2). Als irreführend sind ferner anzusehen: „Phantasiebezeichnungen, die geeignet sind, fälschlich den Eindruck einer geographischen Herkunftsangabe zu erwecken, oder einen geographischen Hinweis enthalten, wenn die nach diesem Gesetz erforderlichen Voraussetzungen für den Gebrauch der entsprechenden geographischen Bezeichnung nicht erfüllt sind“ (Abs. 3 Nr. 3).

Bedenkt man, dass der Gesetzgeber es erlaubt, den Verbrauchern für die Bewertung so bestimmende Umstände über die Qualität eines deutschen Weines zu verschweigen wie die Anreicherung durch Zucker- oder Zuckerwasserzusatz, die Entsäuerung, die Süßung durch Mostzusatz, die Schwefelung, die Höhe des Alkohol-, Zucker- und Schwefelgehaltes, den Herkunfts-, Traubensorten- und Jahrgangsverschnitt, und es billigt, praktisch alle deutschen Weine „Qualitätswein“ zu nennen, dann wirken diese Fiktionen geradezu grotesk46. „Relative Bezeichnungswahrheit“: Der Gesetzgeber versteht das WeinG 1971 als Absatzförderungsgesetz, wahrheitsgemäße, jedoch vermeintlich absatzschädigende Bezeichnungen müssen verschwiegen, unwahre, aber absatzfördernde Bezeichnungen dürfen verwendet werden47. So werden dem Verbraucher weder

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So die deutliche Kritik von Hieronimi, GRUR 1979, S. 80/81. Hieronimi, 10 Jahre europäisches Weinbezeichnungsrecht, GRUR 1987, S. 154–160 (156).

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die sogenannten bezeichnungsunschädlichen Verschnittregelungen, noch die Freiheiten bei Jahrgangs- und Rebsortenangabe offen gelegt, und auch das Maß der Schwefelung wird verheimlicht und als „enthält Sulfite“ verniedlicht48. Die Absätze 1, 2, 3 und 5 setzten eine vorsätzliche Begehung voraus, Absatz 4 bedrohte auch fahrlässige Zuwiderhandlungen. Der Versuch war im Gegensatz zum WeinG 1930 hinsichtlich der Tatbestände des § 67 WeinG nicht mehr strafbar.

2. § 68 WeinG 197149 – Verletzung der Geheimhaltungspflicht Geschütztes Rechtsgut waren hier das Betriebsgeheimnis der Winzer und Weinhändler, der lautere Wettbewerb und der Datenschutz. Der Weinproduzent sollte durch § 68 davor geschützt werden, dass Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse unbefugt an andere weitergegeben werden. Offenkundige und allgemein bekannte Tatsachen sowie außerhalb der dienstlichen Tätigkeit der Weinkontrolleure erlangte Kenntnisse waren nicht geschützt50. Die Tat wurde nur auf Antrag des Verletzten verfolgt (Absatz 3). § 68 wurde schon drei Jahre später wieder aufgehoben51.

3. § 70 Einziehung Nach § 70 konnten Gegenstände, auf die sich eine Straftat nach § 67 bezog oder eine Ordnungswidrigkeit nach § 69 begangen wurde, eingezogen werden. Ferner Gegenstände, die zur Begehung oder Vorbereitung der Tat gebraucht wurden.

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Zu diesen sog. „normativen Irreführungen“ siehe Achtes Kapitel, Reformen, I. § 68: (1) Wer ein fremdes Geheimnis, namentlich ein Betriebs- oder Geschäftsgeheimnis, das ihm in seiner Eigenschaft als Angehöriger oder Beauftragter einer mit Aufgraben auf Grund der Verordnungen (EWG) Nr. 816/70 und 817/70 dieses Gesetzes oder der zu ihrer Durchführung erlassenen Verordnungen betrauten Stelle bekanntgeworden ist, unbefugt offenbart, wir mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe oder mit einer dieser Strafen bestraft. (2) Handelt der Täter gegen Entgelt oder in der Absicht, sich oder einen anderen zu bereichern oder einen anderen zu schädigen, so ist die Strafe Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren, daneben kann auf Geldstrafe erkannt werden. Ebenso wird bestraft, wer ein fremdes Geheimnis, namentlich ein Betriebs- oder Geschäftsgeheimnis, das ihm unter den Voraussetzungen des Absatzes 1 bekanntgeworden ist, unbefugt verwertet. (3) Die Tat wird nur auf Antrag des Verletzten verfolgt“. Stadler, in: Zipfel, WeinG 1971, § 68, Rn. 3, S. 333. Viertes Gesetz zur Änderung des Weingesetzes vom 27.8.1982 (BGBl. I, S. 1177–1195).

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Es müssen die objektiven und subjektiven Tatbestandsmerkmale erfüllt sein, Fahrlässigkeit genügt52.

IV. Weinrechts-Änderungsgesetz 1982 (Fassung ab 1. September 198253) 1. Allgemeines Die Strafvorschriften der ursprünglichen Gesetzesfassung vom 14. Juli 1971 unterscheiden sich in Aufbau und Umfang deutlich von derjenigen Fassung, die aufgrund des Vierten Änderungsgesetzes am 1. September 1982 in Kraft getreten ist. Eine Umschreibung der Tatbestände findet nicht mehr statt, sondern es wurden beinahe ausschließlich Blankettvorschriften präferiert. Auch Verstöße gegen das EWG-Recht wurden – wie schon in § 67 (aF) – geahndet, wobei der nationale Gesetzgeber auf die Nennung der EWG-Verordnungen verzichtet und diese stattdessen in Auflistungen als Anhang zum Gesetz aufzählt, so in § 67 Abs. 1 Nr. 1 und 2, § 68 Abs. 1 Nr. 2.

2. Straftatbestände a) § 6754 WeinG 1982 Wie schon in § 67 (a.F.) steht auch hier der Gesundheitsschutz der Konsumenten wie auch der Verbraucherschutz im Mittelpunkt, ferner die Sorge, dass die typi-

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Stadler in Zipfel, a.a.O., § 70, S. 346. Bekanntmachung der Neufassung v. 27.8.82 – BGBl. I, Nr. 32, S. 1196–1229. „(1) Mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer 1. in anderen als den in § 69 Abs. 2 bis 5 bezeichneten Fällen entgegen einer Vorschrift dieses Gesetzes oder einer in der Anlage 1 Abschnitt I aufgeführten Vorschrift der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft ein Erzeugnis oder ein Getränk, das mit einem Erzeugnis verwechselt werden kann, herstellt, in den Verkehr bringt, mit anderen Getränken vermischt in den Verkehr bringt, ins Inland verbringt, aus dem Inland verbringt, verwendet, verwertet, lagert oder transportiert oder 2. ein Erzeugnis entgegen § 46 Abs. 1 bis 3 oder einer in Anlage 1 Abschnitt II aufgeführten Vorschrift der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft mit irreführenden Bezeichnungen, Hinweisen, sonstigen Angaben oder Aufmachungen in den Verkehr bringt, ins Inland verbringt, aus dem Inland verbringt oder zum Gegenstand der Werbung macht. (2) Ebenso wird bestraft, wer einer Rechtsverordnung nach § 8 Abs. 1 Satz 3 Nr. 1 oder Abs. 2 Satz 3, § 9 Abs. 6, § 17 Abs. 1 in Verbindung mit § 8 Abs. 2 Satz 3 oder § 9 Abs. 6, § 21 Abs. 1 Satz 1 in Verbindung mit Satz 2 Nr. 1, 3 oder 4 oder Abs. 2, § 22 Abs. 3, § 25 Abs. 1 Satz 1 in Verbindung mit Satz 2 Nr. 1, 3 oder 4 oder Abs. 2 Satz 1, § 27 Abs. 3 Nr. 1, § 30 Abs. 3 Satz 2 oder 3 oder Absatz 4 Satz 2, § 32 Abs. 3, § 33 in Verbindung mit § 30 Abs. 3 Satz 3, § 38 Abs. 2 oder Abs. 3 Satz 2, § 42 Abs. 3, § 53 Abs. 3 Satz 1

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sche Eigenart der Weinerzeugnisse nicht maßgeblich verändert wird. Unter welchen Bedingungen die Trauben angebaut und gelesen wurden, ist offenbar auch in den neuen Strafvorschriften, am Ende des 20. Jahrhunderts erlassen, immer noch ohne Belang. Im Gegensatz zu den zahlreichen Aufzählungen im bisherigen Strafkatalog beginnt der neu gefasste § 67 Abs. 1 Nr. 1 mit einer Subtraktion, bei der die in § 69 Abs. 2–5 genannten Fälle ausgeschlossen werden. § 69 Abs. 2–5 betraf vorsätzliche oder fahrlässige Ordnungswidrigkeiten. Absatz 2 listete sieben Tatbestände auf, beispielsweise das Inverkehrbringen von Weintrub (Nr. 5) und das Zuwiderhandeln gegen eine Herbstordnung (Nr. 7); Abs. 3 betraf das Inverkehrbringen von Erzeugnissen und Verstöße gegen die Meldepflicht aus § 52 Abs. 5 Satz 3–5 WeinG. Nach Abs. 4 handelte ordnungswidrig, wer ein Getränk entgegen dem Bezeichnungsrecht in den Verkehr bringt, zum Gegenstand der Werbung machte oder in Preisangeboten bezeichnete. Absatz 5 zählt in den Nr. 1–3 Zuwiderhandlungen gegen Rechtsverordnungen auf. Nach § 69 Abs. 6 konnten diese mit einer Geldbuße bis zu 50.000 Deutsche Mark geahndet werden. Abs. 1 Nr. 1 stellt nach Ausschluss der vorgenannten Ordungswidrigkeiten sodann denjenigen unter Strafe, der „entgegen einer Vorschrift dieses Gesetzes“ oder „einer in der Anlage 1 Abschnitt 1 aufgeführten EWG-Vorschrift“ ein Erzeugnis oder ein Getränk , das mit einem Erzeugnis verwechselt werden kann, herstellt, in den Verkehr bringt, mit anderen Getränken vermischt in den Verkehr bringt, ein- oder ausführt, verwendet, verwertet, lagert oder transportiert. Das Erzeugnis wird ab der Herstellung geschützt, damit sind Verstöße gegen Anbau, Pflanzenschutz und Leseregeln ausgenommen. Die erste Verweisung in Nr. 1 führt zu den Ge- und Verboten des Weingesetzes und die zweite nimmt diejenigen EWG-Bestimmungen in Bezug, die in einer Anlage 1 Abschnitt I (BGBl. I 1982, S. 1224) aufgelistet sind, wobei die Tathandlungen in § 67 Abs. 1 Nr. 1 schon umschrieben sind. Die Bezugnahme erfolgt auf eine Vielzahl von Normen in 12 aufgelisteten EWG-Verordnungen. in Verbindung mit Satz 2, § 61 Nr. 1 bis 3 oder § 62a Satz 1 in Verbindung mit Satz 2 Nr. 3 zuwiderhandelt, soweit sie für einen bestimmten Tatbestand auf diese Strafvorschrift verweist. (3) Wer eine der in den Absätzen 1 oder 2 bezeichneten Handlungen fahrlässig begeht, wird mit einer Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe bestraft. (4) In besonders schweren Fällen ist die Strafe Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren. Ein besonders schwerer Fall liegt in der Regel vor, wenn der Täter durch eine der in Absatz 1 oder 2 bezeichneten Handlungen die Gesundheit einer großen Zahl von Menschen gefährdet oder einen anderen in die Gefahr des Todes oder einer schweren Schädigung an Körper oder Gesundheit bringt“.

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Inhaltlich regelten die EWG-Verordnungen beispielsweise die Erhöhung des Alkoholgehaltes, die Säuerung und Entsäuerung, die Süßung, die Lagerung von Trauben und Traubenmost, Verschnitt, önologische Verfahren und Behandlungsstoffe oder den Transport von Wein. Nach Abs. 1 Nr. 2, gleichbedeutend mit § 67 Abs. 5 Nr. 2 (a.F.) wird auf § 46 Abs. 1–3 Bezug genommen und das Inverkehrbringen unter einer irreführenden Bezeichnung unter Strafe gestellt und zum Gegenstand der Werbung gemacht. In Nr. 2 wird sowohl der Verbraucher – wie schon in § 67 Abs. 5 Nr. 2 (a.F.) vor einer Verwechslungsgefahr geschützt und auch die redlichen Mitbewerber vor hieraus entstehenden Wettbewerbsverzerrungen. § 67 Absatz 2 enthält eine Vielzahl von Ermächtigungen für Rechtsverordnungen, die durch Rückverweisung für einen bestimmten Tatbestand auf diese Vorschrift eine Strafdrohung enthalten können55. Soweit im Gesetzentwurf Ermächtigungen auf die Bundesländer ausgestellt waren, sind diese vom Bundestag zur Verhinderung neuen Partikularstrafrechts gestrichen worden56. Absatz 3 stellt fahrlässige Handlungen der in den Absätzen 1 und 2 bezeichneten Verstöße unter Strafe. Absatz 4 legt fest, dass in besonders schweren Fällen, die Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren beträgt, aktuell geregelt § 48 Abs. 3 WeinG 199457.

b) § 68 WeinG 198258 Nach dem neu ins Gesetz eingefügten § 68 Nr. 1 a–c und Nr. 2 wird mit Freiheitsstrafe von bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe derjenige bestraft, der unrichtige oder unvollständige Angaben in bestimmten, näher bezeichneten

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Ausführlich zu den in Frage kommenden Rechtsverordnungen mit einer graphischen Darstellung bei Schnell, a.a.O., S. 72–75. Fischer / Schomburg, NStZ 1983, S. 11. Siehe hierzu in diesem Kapitel, unten V., 5., k). „(1) Mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer 1. in einem Verfahren über a) die Zuteilung einer Prüfungsnummer (§ 14 Abs. 3 oder 5, § 26 Abs. 1 Satz 1 in Verbindung mit Satz 2 Nr. 2, § 40 Abs. 1 Nr. 7, § 44 Abs. 1 Satz 3 Nr. 1), b) die Erteilung einer Ausnahmegenehmigung (§ 54), c) die Zulassung zum Verbringen ins Inland oder eine Erleichterung oder Befreiung bei der amtlichen Untersuchung und Prüfung (§ 59 Abs. 1) oder 2. in einem Verfahren nach einer in Anlage 2 Abschnitt I genannten Vorschrift der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft unrichtige oder unvollständige Angaben macht oder benutzt. (2) Ebenso wird bestraft, wer

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weinrechtlichen Verfahren macht59, wobei die Verweisungsketten, insbesondere in Nr. 1a, kaum noch nachvollzogen werden können60. Abs. 2 Nr. 1 bestraft denjenigen, der entgegen § 30 II mit der Herstellung von weinhaltigen Getränken beginnt, ohne die zur Herstellung bestimmten Erzeugnisse gekennzeichnet oder eingetragen zu haben. Hier wird eine für das Wirtschaftsstrafrecht allgemein kennzeichnende Entwicklung deutlich, die Strafbarkeit auch zum Zwecke der Beweiserleichterung vorzuverlagern61.

3. Bestrafung von Bagatellverstößen Insgesamt hätten 1982 die Strafvorschriften einer grundlegenden Überarbeitung bedurft62: Wichtigen Schutzfunktionen für Gesundheit und Verbraucherschutz stand eine Strafbewehrung von Begatelldelikten entgegen. So hatte der VGH Mannheim63 über die Rechtmäßigkeit eines Weinetikettes zu befinden, auf dem zusätzlich angegeben war: „handgelesen am 03.10.1990, Tag der Wiedervereinigung Deutschlands“. Das Gericht stellte fest, dass die Angabe des Datums der Traubenlese keine zulässige Angabe sei und auch nicht zu den erlaubten Informationen zur „Geschichte des betreffendes Weines“ zähle. Auch stehe die Angabe eines zeitgeschichtlichen Ereignisses in keinem sachlichen Zusammenhang mit dem Wein, dem Weinbaubetrieb, dem Abfüller oder dem Vermarkter des Weines und sei daher in der Etikettierung

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1. entgegen § 30 Abs. 2 mit der Herstellung von weinhaltigen Getränken beginnt, ohne die zur Herstellung bestimmten Erzeugnisse gekennzeichnet und eingetragen zu haben, 2. einer Rechtsverordnung nach § 21 Abs. 1 Satz 1 in Verbindung mit Satz 2 Nr. 2, § 25 Abs. 1 Satz 1 in Verbindung mit Satz 2 Nr. 2 oder § 62a Satz 1 in Verbindung mit Satz 2 Nr. 1 oder 2 zuwiderhandelt, soweit sie für einen bestimmten Tatbestand auf diese Strafvorschrift verweist, 3. einer Rechtsverordnung nach § 50 oder § 57 gröblich oder wiederholt zuwiderhandelt und dadurch die Kontrolle des Verkehrs mit Erzeugnissen oder der Herstellung oder Behandlung von Erzeugnissen vereitelt oder wesentlich erschwert, soweit die Rechtsverordnung für einen bestimmten Tatbestand auf diese Strafvorschrift verweist oder 4. einer in Anlage 2 Abschnitt II aufgeführten Vorschrift der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft über Begleitdokumente, Geschäftspapiere, Buchführung oder Anzeigen gröblich oder wiederholt zuwiderhandelt und dadurch die Kontrolle des Verkehrs mit Erzeugnissen oder der Herstellung oder Behandlung von Erzeugnissen vereitelt oder wesentlich erschwert“. Die unrichtige Angabe im Antrag auf Erteilung einer amtlichen Prüfungsnummer für Qualitätswein wurde im WeinG 1994 dann zur Ordnungswidrigkeit herabgestuft; zur Problematik siehe Fischer / Schomburg, NStZ 1983, 11 ff. Zu den Verweisungsketten in § 68 Absatz 1 und 2 ausführlich mit graphischer Darstellung siehe Schnell, a.a.O., S. 76–80, insbesondere Schaubild 10 zu Abs. 1 Nr. 1a, S. 78. So auch Fischer / Schomburg, NStZ 1983, S. 11. Fischer / Schomburg, NStZ 1983, S. 13. Urteil vom 3.3.1994 - 5 S 1790/93, LMRR 1994, 22.

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von Qualitätswein gleichfalls unzulässig, der Wein sei so nicht verkehrsfähig. Der Hinweis „handgelesen“ sei zwar eine zulässige Information für die Konsumenten „zu den natürlichen oder technischen Weinbaubedingungen, die diesem Wein zugrunde liegen“. Die Weinkontrolle und der VGH Mannheim müssen sich der Frage stellen, welche Rechtsgüter sie durch die Angabe des Lesedatums als verletzt ansehen. Dass sich das oberste Gericht der Verwaltungsgerichtsbarkeit des Landes Baden-Württemberg mit einer solchen bezeichnungsrechtlichen Lapalie beschäftigte und die (korrekte) Angabe des Lesedatums untersagte, gleichzeitig in anderen Fällen aber hinsichtlich der Herstellung des Weines Zutaten und Behandlungsmethoden dem Verbraucher verschwiegen werden und nicht auf dem Etikett erscheinen müssen, zeigt den Zustand des Weingesetzes 1971, das sich im Grunde bis 1994 – wenn auch mit Änderungen – ohne durchgreifende Kritik halten konnte64. Dabei gab es berechtigte Einwendungen von Seiten der Presse, und das WeinG wurde – wie schon das WeinG 1930 in den fünfziger und sechziger Jahren – mit Kritik überhäuft65.

4. Abschöpfung des Mehrerlöses Angesichts des zeitlichen Beratungsdrucks war es nicht möglich, der sich gerade bei Weinmanipulationen aufdrängenden Frage der Abschöpfung des durch eine strafbare Handlung erlangten Mehrerlöses eingehend zu widmen. Für die Praxis ist dies jedoch bedeutsam, da unredliche Winzer und Weinhändler erhebliche Vermögens- und Wettbewerbsvorteile erlangen. Sehr oft „lohnt sich“ eine Weinstraftat finanziell66. Die Gerichte konnten allerdings bei der Festsetzung einer Geldstrafe den erlangten finanziellen Vorteil nicht berücksichtigen. Die Auflage einer Zahlung in Höhe des (geschätzten) wirtschaftlichen Vorteils kam daher nur neben der Verhängung einer Freiheitsstrafe in Betracht, wenn diese zur Bewährung ausgesetzt wurde67.

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Und zudem die Einführung in der Praxis nicht einhaltbarer Bestimmungen, wie das erlaubte Zusetzen von Zucker noch bis zum 31. März des auf die Ernte folgenden Jahres; im WeinG 1909 war dies richtigerweise der 31. Dezember, im WeinG 1930 aber schon der 31. Januar des Folgejahres. Hierzu ausführlich „Zuckerungsfrist“ in Achten Kapitel, I., 4., b). U.a. „Der Spiegel“: „Die Wahrheit auf der Flasche“, Titelblatt der Ausgabe Nr. 16/1958; „Im Wein ist Wasser, dieselbe Ausgabe, S. 28–33; „Die nasse Hand“, Ausgabe Nr. 30/1961, S. 20–32; „Ganz, ganz miserabel“ über den Glykolskandal, Ausgabe Nr. 38/1985, S. 62–66; „Lieblicher Essig“ über die Umetikettierung von 2 Millionen Liter rheinland-pfälzischen Weines nach Verschnitt mit DDR-Weinen, Ausgabe Nr. 30/1991, S. 51–54. So Fischer / Schomburg, NStZ 1983, S. 12, Fn. 31. Dies., S. 13.

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Nach § 73 Abs. 1 Nr. 1 StGB kann zwar der Verfall angeordnet werden, wenn der Täter durch die Tat „etwas erlangt“ hat, jedoch ist die Anordnung des Verfalls nach Nr. 2 ausgeschlossen, soweit Gegenansprüche des Verletzten den erlangten Vorteil wieder entziehen würden. „Gerade bei einer Vielzahl von geschädigten Weinkonsumenten wissen viele nicht um ihre Ansprüche, andere lassen sich von den Mühen eines Zivilprozesses sowie den Risiken der späteren Vollstreckung abschrecken“. Eine einheitliche an dem Rechtsgedanken vom § 17 Abs. 4 OWiG bzw. § 8 WiStG orientierte Entscheidung im Strafprozess sei daher anzustreben, zumal nach geltendem Recht ein Straftäter finanziell besser stehen kann, als derjenige, der nur eine Ordnungswidrigkeit begangen hat“68.

5. Rückschau Das WeinG 1971 brachte umfangreiche Änderungen hinsichtlich des Weinbezeichnungsrechtes, der Begriff Naturwein durfte nicht mehr verwendet werden, stattdessen wurden die Weine in Tafel-, Qualitäts- und Qualitätsweine mit Prädikat eingeteilt. 1982 kam dann Landwein hinzu, der als gehobener Tafelwein eingestuft wurde. Durch das WeinG 1971 wurde eine amtliche Qualitätsweinprüfung eingeführt und verpflichtend festgelegt, dass die nach Bestehen dieser Prüfung vergebene Amtliche Prüfungsnummer auf allen Qualitäts- und Qualitätsweinen mit Prädikat anzugeben war. Der durch das WeinG 1930 erlaubte Hinweis „durchgegoren“ durfte seit Inkrafttreten des WeinG 1971 nicht mehr verwendet werden. Die durch das WeinG 1971 eingeführten Neuerungen schienen den Weinkonsumenten ein Produkt zu garantieren, dass nach „guter fachlicher Praxis“ hergestellt und die geforderten analytischen und sensorischen Kriterien erfüllte, was sich durch den sogenannten Glykol-Skandal im Jahr 1985 als Trugschluss erweisen sollte. Es wurde festgestellt, dass österreichischen Weinen das als Frostschutzmittel bekannte Diethylenglykol (kurz Glykol) zugesetzt wurde, diese Weine u.a. nach Deutschland exportiert wurden und sich hier im Handel befanden. Auch wurden, insbesondere von Großabfüllern, österreichische Glykolweine mit deutschen Weinen unerlaubt verschnitten, so dass letztlich auch deutsche Weine betroffen waren. Dem Imageschaden, insbesondere für den österreichischen Wein, versuchte der österreichische Gesetzgeber durch eine Verschärfung des österreichischen Weingesetzes zu begegnen (Einführung einer obligatorischen Qualitätsweinprüfung und einer Banderole am Verschluss der Weinflaschen). In Deutschland konnten sich berechtigte Forderungen, nach denen die Geschmacksangaben obligatorisch auf dem Etikett angegeben werden sollten, nicht durchsetzen.

68

Dies., S. 12.

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Siebentes Kapitel

6. Ausblick Qualitätsweine mit Prädikat mussten außer dem Anbaugebiet auch mit dem Bereich versehen werden. Zum 1. September 1989 wurde diese Regelung aufgehoben, die Angabe des Anbaugebietes reichte fortan aus. Ob der Prädikatswein aus Landau oder Bad Dürkheim stammt, ist seither nicht mehr zwingend aus der Etikettierung ersichtlich. Die Angabe des Bereiches ist vielmehr in das Ermessen der Winzer gestellt. Es zeigte sich sehr bald, dass durch den technischen Fortschritt, verbesserte Anbaumethoden und neue Rebzüchtungen, die erhebliche Erträge lieferten, auf der gleichen Rebfläche immer mehr geerntet werden konnte. Die Festsetzung eines Hektarhöchstertrages wurde als Lösung gesehen und dann am 18. Juli 1989 durch das Sechste Gesetz zur Änderung des WeinG 1971 verbindlich eingeführt. Rheinland-Pfalz war Vorreiter bei der Umsetzung, die allerdings ins Leere lief, die Winzer hielten sich kaum daran, da die Übermengen eingelagert werden durften69.

V. Weinrechtsreformgesetz 199470 1. Entstehung Wie der Titel des Gesetzes71 andeutet, handelt es sich hier offensichtlich um eine Reform72. Doch was wurde reformiert? Zum einen wurde durch Artikel 5 das Weinwirtschaftsgesetz73 aufgehoben und in das Weingesetz integriert74. Das Weinwirtschaftsgesetz enthielt in § 18 eine Strafbestimmung75, die allerdings lediglich die Geheimhaltungspflicht der Verwaltungsbediensteten betraf, und die unbefugte Offenbarung von Geschäftsgeheimnissen unter Strafe stellte.

69 70 71 72

73 74 75

Zimmer, Weinbaupolitik, S. 90. Gesetz zur Reform des Weinrechts vom 8. Juli 1994 – WeinG 1994 (BGBl. I 1994, S. 1467–1489) in Kraft seit 1. September 1994. „Gesetz zur Reform des Weinrechts“. „Reform“-Gesetze waren Mitte der neunziger Jahre stark in Mode, u.a. das Gesetz zur Reform des Markenrechts (Markenrechtsreformgesetz vom 25. Oktober 1994 (BGBl. I S. 3082). Gesetz über Maßnahmen auf dem Gebiete der Weinwirtschaft vom 29. August 1961 (BGBl. I 1961, S. 1622). Mit Ausnahme der im aktuellen WeinG 1994 in § 57 Abs. 1 Nr. 2 aufgezählten Bestimmungen, die auch nach Erlass des WeinG 1994 weiterhin gelten. § 18: (1) „Wer vorsätzlich die durch § 7 begründete Verpflichtung verletzt, wird mit Gefängnis bis zu einem Jahr und mit Geldstrafe oder mit einer dieser Strafen bestraft“.

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Mittlerweile sind zum Weinrechtsreformgesetz 1994 neun Änderungsgesetze ergangen76, das erste schon drei Jahre nach Erlass des Gesetzes im Jahre 1997, ein Beleg für kurzfristig angelegte Strafbestimmungen. Das Neunte Änderungsgesetz trat am 1. Januar 2016 in Kraft. So wurde im WeinG 1994 verabsäumt, den zentralen Begriff „Qualitätswein“, der in jedem Abschnitt mehrfach erwähnt wird, in die Begriffsbestimmungen des § 2 aufzunehmen. Qualitätswein wurde erst durch das 5. Änderungsgesetz am 18. Juni 200977 als Nummer 24 des § 2 in die Begriffsbestimmungen aufgenommen, sechs Monate zuvor hatte man diesen „Mangel“ im Vierten Änderungsgesetz78 noch nicht gesehen. Gleiches gilt für den Begriff „Landwein“, der als Nr. 25 eingefügt wurde, aber schon 1982 als gehobener Tafelwein zugelassen wurde.

2. Änderungen der Verkehrsbezeichnungen Entsprechend den EU-rechtlichen Vorgaben79 wird in der deutschen Qualitätspyramide künftig, entsprechend dem französischen Herkunftssystem, unterschieden in Weine mit und Weine ohne geografische Angabe.

a) Weine ohne geografische Angabe Diese, auf unterster Stufe der Qualitätspyramide stehenden Weine, sind nicht legal-definiert, sondern ergeben sich aus dem Umkehrschluss80, dass Weine, die nicht als Weine mit geschützter Ursprungsangabe oder geografischer Angabe

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77 78 79 80

Erstes Gesetz zur Änderung des Weingesetzes vom 9. Juni 1997 (BGBl. I S. 1346). - Zweites Gesetz zur Änderung des Weingesetzes vom 17.5.2000 (BGBl. I S. 710). - Bekanntmachung der Neufassung des Weingesetzes vom 16.5.2001 (BGBl. I, S. 985). - Drittes Gesetz zur Änderung des Weingesetzes vom 16.5.2007 (BGBl. I S. 753). - Viertes Gesetz zur Änderung des Weingesetzes vom 19.1.2009 (BGBl. I S. 63). - Fünftes Gesetz zur Änderung des Weingesetzes vom 29.7.2009 (BGBl. I S. 2416). - Sechstes Gesetz zur Änderung des Weingesetzes vom 5.8.2010 (BGBl. I S. 1136). - Bekanntmachung der Neufassung des Weingesetzes vom 18.1.2011 (BGBl. I S. 66). - Siebtes Gesetz zur Änderung des Weingesetzes vom 14.12.2012 (BGBl. I S. 2592). - Artikel 2 des Gesetzes vom 20. April 2013 (BGBl. I S. 917). - Achtes Gesetz zur Änderung des Weingesetzes vom 2.10.2014 (BGBl. I S. 1586). - Neuntes Gesetz zur Änderung des Weingesetzes vom 22. Juli 2015 (BGBl. I, S 1207). Artikel 1 Nr. 3 e) des Fünften Gesetzes zur Änderung des Weingesetzes vom 29. Juli 2009, BGBl. 2009 I S. 2416–2417). Viertes Gesetz zur Änderung des Weingesetzes vom 19. Januar 2009 (BGBl. I 2009, 63). Insbesondere durch VO (EG) Nr. 479/2008. Aus Art. 119 Abs. 1 lit b) VO (EU) Nr. 1308/2013.

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Siebentes Kapitel

definiert sind, solche ohne geografische Angabe sind. Die Verkehrsbezeichnungen lauten „Wein aus der Europäischen Union“ und „Deutscher Wein“, wobei die Bezeichnung des Herkunftslandes keine geografische Angabe, sondern eine reine Herkunftsangabe darstellt. Wein aus der europäischen Gemeinschaft stellt die unterste Qualitätsstufe dar. Der Wein besteht aus einer Mischung von Weinen aus verschiedenen EU-Mitgliedstaaten, muss wie jedes Lebensmittel verkehrsfähig und von handelsüblicher Beschaffenheit sein und (geringen) weinrechtlichen Anforderungen genügen81. Die Verkehrsbezeichnung Deutscher Wein ist seit dem 1. August 2009 für Tafelwein (bis 1971 „Tischwein“) zu verwenden. Die Trauben hierzu müssen ausschließlich in Deutschland geerntet und verarbeitet worden sein82.

b) Weine mit geschützter geografischer Angabe (g.g.A.) Der Begriff Landwein erfährt durch die 2009er Reform eine Aufwertung und kennzeichnet nunmehr Weine mit „geschützter geografischer Angabe“. Landwein war bis dahin ein gehobener Tafelwein, die Kategorie Tafelwein ist entfallen und musste der Bezeichnung Deutscher Wein weichen83. Die Bezeichnung „Landwein“ darf, wie auch die Qualitäts- und Prädikatsbezeichnung weiterhin verwendet werden als geschützter „traditioneller Begriff“, wobei zwingend der Name des jeweiligen, in § 3 WeinV definierten, geografischen Landweingebietes84 anzugeben ist. Auch die Namen der 26 deutschen Landweingebiete sind als geografische Angabe geschützt und werden durch das Weingesetz als solche behandelt, § 3 Abs. 6 WeinG. Landweine müssen zu 85% aus dem angegebenen Landweingebiet stammen, § 22 Abs. 1 WeinG. Der Übergang vom bisherigen deutschen Weinrecht, das die Qualität ausschließlich über das Mostgewicht bestimmte („gekorene Qualität“), zum romanischen System der geografischen Herkunftsbezeichnungen, die einen Wein aus einem bestimmten Gebiet oder einer bestimmten Lage per se eine gehobene Qualität zusprechen („geborene Qualität“), ist aus Sicht der Konsumenten deutscher Weine zwar begrüßenswert, da hierdurch einheitliche Standards in Europa geschaffen werden. Andererseits ist nicht ersichtlich, dass beispielsweise die „geschützte geografische Angabe“ (g.g.A.) für „Landwein Rhein“ (§ 2 Nr. 9 81 82 83

84

Festgelegt in VO (EU) 1308/2013, Anhang VII, Teil II i.V.m. Art. 55 Abs. 1 lit a), ii), iii) VO (EG Nr. 607/2009. Art. 55 Abs. 1 lit. A) i) VO (EG) Nr. 607/2009. Weiterführend zur Weinrechtsänderung 2009 Gerhard, NVwZ 2010, S. 94 (96), der diese Änderungen als „Revolution auf Raten“ ansieht und zugleich als Chance für die deutschen Winzer. Beispielsweise Pfälzer Landwein, Landwein der Mosel, Landwein der Ahr etc.

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WeinV) sowohl für pfälzische, als auch für Landweine der Mosel sowie der übrigen rheinland-pfälzischen Weinbaugebiete verwendet werden darf und eine solche Mixtur nicht auf eine gehobene Qualität des Landweins Rhein schließen lässt. Hinzu kommt, dass die gesetzliche Vorgabe für Landwein vorsieht, dass dieser nur „trocken“ oder „ halbtrocken“ ausgebaut sein darf, während für vier85 von 26 Landweingebieten hier gesetzliche Ausnahmen gelten. Der potentielle Käufer eines „Landwein Rhein“ kann daher weder die geografische Herkunft, noch die Geschmackskategorie erkennen, denn ein Landwein Rhein kann – entgegen der gesetzlichen Vorgabe „trocken“ oder „halbtrocken“ (§ 16a WeinV) – auch „lieblich“ oder „süß“86 ausgebaut werden87.

c) Weine mit geschützter Ursprungsbezeichnung (g.U.) Qualitätsweine und Prädikatsweine sind Weine mit geschützten Ursprungsbezeichnungen, § 3 Abs. 5 WeinG. Qualitätsweine Qualitätsweine sind Weine bestimmter Anbaugebiete88, die als Ursprungsbezeichnung geschützt sind. Die EU-Verkehrsbezeichnung für Qualitäts- und Prädikatswein lautet fortan „Wein mit geschützter Ursprungsbezeichnung (g.U.)“. Die weitaus wohlklingendere Bezeichnung „Qualitätswein“ darf allerdings nach Wahl als sogenannter „traditioneller Begriff“89 benutzt werden, was auch beinahe ausnahmslos geschieht. Weine mit geschützter Ursprungsbezeichnung90 müssen zu 100%91 aus dem Anbaugebiet stammen und sich einer analytischen und organoleptischen Untersuchung unterziehen, die durch die Vergabe der Amtlichen Prüfungsnummer 85 86 87

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„Landwein Neckar“, „Landwein Rhein-Neckar“, „Landwein Oberrhein“ und „Landwein Rhein“. „Lieblich“: Wert über halbtrocken bis 45 Gramm RZ; „süß“ 45 Gramm RZ unter darüber. Eine weitere Ausnahme enthält § 33 Abs. 4 WeinV: Bei Bezeichnung „Landwein Rhein“ darf die Bezeichnung „Hock“ nur verwendet werden, wenn dieser in die Kategorie „lieblich“ fällt und aus Weintrauben weißer Rebsorten hergestellt wurde. 13 Anbaugebiete, festgelegt in § 3 Abs. 1 WeinG: Ahr, Baden, Franken, Hessische Bergstraße, Mittelrhein, Mosel, Nahe, Pfalz, Rheingau, Rheinhessen, Saale-Unstrut, Sachsen und Württemberg. Eingetragen im EU-Register „E-Bacchus“, gestützt auf Art. 40 der Verordnung (EG) Nr. 607/2009 i.V.m. Art. 118u Abs. 2 VO (EG) Nr. 1234/2007 – eine entsprechende Regelung fehlt in der aktuellen VO (EU) 1308/2013, insbesondere in Art. 112. Qualitäts- und Prädikatsweine, § 3 Abs. 5 WeinG. Art. 93 Abs. 1 lit a) ii) VO (EU) 1308/2013.

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(A.P.-Nr.) abgeschlossen wird. Die AP-Nr. ist zwingend auf dem Weinetikett anzugeben, § 21 Abs. 1 WeinV, ebenso das Anbaugebiet. Prädikatsweine Prädikatsweine stehen auf der obersten Stufe der Qualitätsleiter. Es sind Weine aus einem bestimmten Anbaugebiet, die einer amtlichen Qualitätsprüfung92 unterzogen worden sind und die Mindestanforderungen für Qualitätsweine übersteigen, insbesondere hinsichtlich Erzeugung93 und Reifegrad der Trauben94. Prädikatsweine gehörten seit dem WeinG 1971 zur Kategorie Qualitätswein, bis Ende 2010 war als Übergangsregelung noch die alte Bezeichnung „Qualitätswein mit Prädikat“ zulässig. Sowohl für Prädikatswein, als auch für dessen Stufen Kabinett, Spätlese, Auslese, Beerenauslese, Eiswein95 und Trockenbeerenauslese dürfen traditionelle, wohlklingende, eingeprägte Bezeichnungen weiterhin verwendet werden. Auch die „geschützten Ursprungsbezeichnungen“ (g.U.) lassen Ausnahmen zu. So sind Weine, die in grenzdurchschnittenen Betrieben hergestellt werden, aber beispielsweise auf französischem Territorium gewachsen sind, nach dem Betriebssitz des Winzers zu deklarieren. An der deutsch-französischen Grenze bewirtschaften Winzer teilweise über 50 Prozent ihrer Rebfläche auf französischem Territorium, die (selbstverständlich) auf dem Etikett als Wein aus dem Anbaugebiet Pfalz deklariert werden dürfen. Auch sind bei nordpfälzischen Weinen die Grenzen zum Anbaugebiet Rheinhessen oder Nahe fließend, so dass auch Weine, die geografisch zum Anbaugebiet Nahe gehören, als Pfalzwein deklariert werden dürfen.

3. Neuanpflanzung von Reben / Hektarhöchstertrag Nach Erlass des WeinG 1994 wurde auch die Neuanpflanzung von Reben gesetzlich neu geregelt. Seit dem 1. Januar 2016 ist es weingesetzlich zulässig,

92 93

94 95

Zum Verfahren siehe §§ 21 ff. WeinV. Eine Anreicherung (Zugabe von Trockenzucker zur Erhöhung des Alkoholes vor Beginn der Gärung) ist im Gegensatz zu Qualitätswein bei Prädikatsweinen nicht zulässig; Spätlese („in einer späten Lese“; Eiswein (Lese bei mindestens -7° Celsius“) etc. Mostgewicht und Reifezustand. Winzer, die beabsichtigen, Trauben zur Eisweinerzeugung zu lesen, müssen dies in Rheinland-Pfalz vorab bis zum 15. November der Landwirtschaftskammer anzeigen (§ 8c Wein-DVO RLP). Wer diese Meldung unterlässt, begeht eine Ordnungswidrigkeit (§ 18 Nr. 2 Wein-DVO RLP). 2017 hatten nur 24 Betriebe in Rheinland-Pfalz Eiswein angemeldet, tatsächlich kam es aber witterungsbedingt zu keiner einzigen Eisweinlese; 2018 haben immerhin 628 Winzer auf einer Fläche von 532 ha Eiswein angemeldet.

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dass Reben auch außerhalb der Land- und Qualitätsweingebiete gepflanzt werden, soweit eine Genehmigung durch die Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung (BLE) in Bonn erteilt wurde. Anträge können hier jährlich von Eigentümern oder Pächtern von Grundstücken, auch ohne Weinbaubetrieb, bis zum 1. März gestellt werden, § 7c Abs. 1 WeinG, § 3 Abs. 1 WeinV. Auf Flächen außerhalb der Anbaugebiete darf allerdings nur „Deutscher Wein“, der Nachfolger des Tafelweines, erzeugt werden. Für die Jahre 2016–2020 hat der deutsche Weingesetzgeber die Fläche für genehmigungspflichtige Neuanpflanzungen in Deutschland jeweils auf lediglich 0,3 Prozent der Gesamtfläche (102.000 ha) festgelegt, § 7 Abs. 1 WeinG. 2018 wurden 305 ha zugeteilt, beantragt waren 834 ha. Die Europäische Union hat in Art. 63 Abs. 1 VO (EU) 1308/2013 den Mitgliedstaaten eine Erhöhung ihrer Rebfläche um ein Prozent aufgegeben, so dass Deutschland freiwillig und ohne erkennbaren Grund auf beinahe 700 ha zusätzliche Rebfläche verzichtet hat. Für eine solche Einschränkung müsste die „Notwendigkeit“ bestehen, ein erwiesenermaßen drohendes Überangebot von Weinerzeugnissen oder einen Preisverfall der Weine zu verhindern96. Deutschland ist jedoch Weinimportland, einer jährlichen Produktion von etwa 10 Millionen Hektolitern steht ein Konsum von 20 Millionen Hektoliter entgegen, so dass in schlechten Jahren wie 2017 (Produktion 7,75 Mio. Hektoliter) der „Versorgungsgrad“ noch unter 40 Prozent lag. Die Genehmigung gilt für einen Zeitraum von drei Jahren97 und ist innerhalb dieses Zeitraumes in Anspruch zu nehmen, § 7d WeinG. Wer diese nicht oder nicht vollständig in Anspruch nimmt, handelt ordnungswidrig, § 50 Abs. 2 Nr. 5 WeinG. Die „Tat“ kann mit einer Geldbuße bis zu 20.000 Euro geahndet werden. Dass die Nichtnutzung einer erteilten Genehmigung eine Ordnungswidrigkeit darstellt, ist aus anderen Rechtsgebieten (Baurecht, Immissionsrecht, Handwerksrecht etc.) nicht bekannt. Für alle Weine, die auf deutschen Rebflächen erzeugt wurden, galt – wie schon erwähnt – seit 1989 eine sogenannte Hektarertragsregelung. Sinn und Zweck dieser Regelung wurde in der Stabilisierung des Weinmarktes und einer Steigerung der Weinqualität gesehen. Diese Hektarertragsregelung wurde durch das WeinG 1994 als festgesetzter Ertrag je Hektar Rebfläche definiert. Als Ertragsrebfläche gilt die bestockte Rebfläche vom zweiten Weinwirtschaftsjahr98 nach der Pflanzung, § 2 Nr. 7 WeinG.

96 97 98

Art. 63 Abs. 3 VO (EU) 1308/2013. Art. 62 Abs. 3 VO (EU) 1308/2013. Abweichend vom Kalenderjahr: 1. August–31. Juli.

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Die zulässigen Hektarerträge für Deutscher Wein, Landwein, Qualitäts- und Prädikatswein werden für jedes Weinbaugebiet von den weinbautreibenden Ländern festgelegt. So wurden die Höchstmengen für Qualitätswein99 innerhalb des Landes Rheinland-Pfalz, in dem in sechs Anbaugebieten100 mehr als die Hälfte des deutschen Weines101 erzeugt wird, für die Mosel auf 12.500 Liter/ha und die übrigen Anbaugebiete auf 10.500 Liter/ha festgesetzt102, so dass sich schon innerhalb der einzelnen Bundesländer unterschiedliche Höchstmengen ergeben. Was mit dem Lesegut geschieht, das diese Grenzen überschreitet ist wiederum in zwei Modellen festgelegt: dem Qualitätsgruppenmodell, bei dem jegliche Überlagerung in die Folgejahre ausgeschlossen ist und die übersteigende Menge bis zum 15. Dezember des auf die Ernte folgenden Jahres (zwangs-)destilliert werden muss103. Nach dem Einwertmodell104 besteht für die Betriebe die Möglichkeit, 20 Prozent der Übermengen zu überlagern oder zu Traubensaft zu verarbeiten, falls in einem Folgejahr die Erntemenge des Weinbaubetriebes geringer ist als der Gesamthektarertrag. Durch diese durchaus sinnvolle Regelung soll ein kontinuierliches Marktangebot sichergestellt werden und witterungsbedingten Ernteschwankungen Rechnung getragen werden.

4. Zielsetzung des Gesetzes Die Zielsetzung des Weingesetzes 1994 ergibt sich aus § 1 WeinG 1994: „Dieses Gesetz regelt den Anbau, das Verarbeiten, das Inverkehrbringen und die Absatzförderung von Wein und sonstigen Erzeugnissen des Weinbaus, soweit dies nicht in für den Weinbau und die Weinwirtschaft unmittelbar geltenden Rechtsakten der Europäischen Gemeinschaft geregelt ist“.

a) Absatzförderung Angesichts einer erheblichen Zahl von Todesfällen, ausgelöst durch Alkoholkonsum, erstaunt es, dass die Absatzförderung eines alkoholischen Getränkes im WeinG 1994 zur staatlichen Aufgabe erklärt wird105. 99 100 101 102 103 104 105

100 kg Trauben sind beim Hektarertrag mit 78 l/ Wein anzusetzen, auch wenn das Auspressen weniger Most ergibt, § 10 Abs. 1 Nr. 1 WeinV. Ahr, Mittelrhein, Mosel, Nahe, Pfalz und Rheinhessen. Deutsche Weinproduktion 2015: 8,9 Mio.; 2017: „nur“ 7,5 Mio. und nach Schätzungen 2018: etwa 10,9 Mio. Hektoliter – Das Deutsche Weinmagazin Nr. 23 v. 24.11.2018 S. 9. Für Landwein auf 15.000 l/ha. Beispielsweise Rheinhessen und Pfalz. U.a. Ahr und Mittelrhein. §§ 37–47 WeinG.

Gesetzgebung nach 1945

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b) Steigerung der Qualität durch „Süßung“ Weiterhin erklärt der Gesetzgeber im neuen Weingesetz die Süßung106 des Weines ausdrücklich als „Maßnahme zur Steigerung der Qualität des Weines“, § 15 Nr. 2 WeinG 1994. Die Süßung der Weine ist streng von der Anreicherung zu unterscheiden. Die Anreicherung (Chaptalisierung), d.h. die Zugabe von Trockenzucker107 oder RTK108 erfolgt vor Beginn der Gärung, um einen höheren Alkoholgehalt zu erzielen, die Zugabe von Restsüße nach der Gärung, um dem Wein geschmacklich – nach Kundenwunsch – zu verändern. Die Süßung ist für alle Weine erlaubt, auch für Prädikatsweine. Die Behauptung, dass eine „Süßung“ die Qualität des Weines erhöhe, ist allerdings heute kaum aufrecht zu erhalten109.

c) Entkriminalisierung Ziel des Gesetzes war auch die Entkriminalisierung des Winzerstandes durch Herabsetzen der Höchststrafen in § 48 WeinG 1994 von fünf Jahren auf drei Jahre und der Abstufung von Straftaten zu Ordnungswidrigkeiten110. Erste Spuren hinterließ diese Entkriminalisierung durch eine – nicht unumstrittene111 – Aufhebung einer Bestrafung für Falschangaben bei der Zuteilung der amtlichen Prüfungsnummer112, die noch im WeinG 1982 nach § 68 Abs. 1 Nr. 1a unter Strafe gestellt war113. Der Versuch114, der noch in § 26 Abs. 2 Weingesetz 1930 strafbar war, wurde durch das WeinG 1994 nicht wieder unter Strafe gestellt115;

106 Die nach der Gärung durch Zugabe von alkoholfreiem Traubenmost erfolgt. 107 Die Zugabe von Zuckerwasser („Gallisierung“) bis zu 25% wurde 1971 verboten. Diese sollte durch die Zugabe von Wasser zusätzlich den Säuregehalt „ausgleichen“. An der Mosel war dies noch bis Mitte der achtziger Jahre erlaubt. 108 Rektifiziertes Traubenmostkonzentrat (RTK) ist flüssiger, aus Traubenmost gewonnener Zucker. RTK ist als Mittel zur Erhöhung des natürlichen Alkoholgehaltes zugelassen, VO (EU) 1308/2013, Anhang VIII Teil I Abschnitt B Nr. 1; § 15 WeinV. 109 Siehe unten Achtes Kapitel 8 – Reformen, 9., cc). 110 Fahrlässige Verstöße wie Inverkehrbringen von Weinen mit irreführender Bezeichnung und Überschreiten der Hektarhöchstertragsregelung. 111 Bundesrat sprach sich für eine Beibehaltung aus (BR-Drs. 504/93 S. 27; 12/6060, 43, 52), Bundesregierung dagegen (BT-Drs. 12/6060, S. 55, 63). 112 Qualitäts- und Prädikatswein dürfen nur nach Zuteilung einer Prüfungsnummer in Verkehr gebracht werden, §§ 19 Abs.1, 20 Abs. 1 WeinG. 113 Ausführlich hierzu Karfeld, Der Wein-Staatsanwalt, S. 200–206, der vorsätzliche Falschangaben wieder unter Strafe stellen möchte. 114 § 23 StGB, § 13 Abs. 2 OWiG. 115 Auch das WeinG 1971 hatte den Versuch nicht aufgenommen.

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Siebentes Kapitel

jedoch werden straffreie Vorbereitungshandlungen des Kernstrafrechts im Weinstrafrecht mit Strafe bedroht. Durch das WeinG 1994 erfolgten auch umfassende strukturelle Änderungen der Straf- und Bußgeldtatbestände. Nicht nur die Bezifferung der Straf- und Bußgeldtatbestände wurde geändert; sie erfuhren auch eine neue inhaltliche Ausrichtung, die zu einem veränderten Katalog mit Strafe und Bußgeld bedrohter weinrechtlicher Verfehlungen führte116.

5. Straftatbestände a) Änderungen Das WeinG 1994 ist in elf Abschnitte unterteilt, der neunte enthält die Strafvorschriften. Sie wurden in §§ 48 und 49 WeinG zusammengefasst. Die Ordnungswidrigkeiten, die vorliegend nur am Rande behandelt werden, sind nunmehr in § 50 normiert. Es wurden auch neue Straftatbestände eingeführt. So wurde die Lagerung verdorbenen Weines „ohne triftigen Grund“117 im Keller eines Winzerbetriebes oder Händlers unter Strafe gestellt, § 48 Abs. 1 Nr. 3. § 48 enthält Blankettvorschriften mit Verweisen in das nationale wie europäische Weinrecht – Binnenverweisungen, Außenverweisungen, Rückverweisungen; ein Regelungswerk, das akribische Subsumtion erfordert, um den – häufig nicht einmal ersichtlichen – roten Faden nicht zu verlieren.

b) § 48 Abs. 1 Nr. 1 Die strafrechtliche „Karussellfahrt“ beginnt in § 48 Abs. 1 Nr. 1 mit einem Ausschluss „in anderen als den in…bezeichneten Fällen“118. Nach dieser Subtraktion erfolgt die Beschreibung dessen, was in Nr. 1 unter Strafe gestellt ist. § 48 Abs. 1 Nr. 1–4 legt als mögliche Täter „Wer“ fest, sodass jedermann in Frage kommen kann, teilweise handelt es sich aber um Sonderdelikte, bei denen nur Winzer oder Weinhändler als Täter in Betracht kommen können

116 Heimermann, a.a.O., S. 8. 117 Ähnlich das Langsamfahren im Straßenverkehr „ohne triftigen Grund“, § 3 Abs. 2 StVO. 118 Eine solche Subtraktion hatte schon § 67 Abs. 1 Nr. 1 WeinG 1971 durch dessen Änderung im Jahr 1982 vorangestellt.

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In allen Fällen des § 48 Abs. 1 WeinG, soweit es sich nicht einen besonders schweren Fall (Abs. 3119) handelt, ist der Strafrahmen Freiheitsstrafe von maximal 3 Jahren oder Geldstrafe. Abs. 1 Nr. 1120 beginnt mit der Subtraktion „in anderen als den in … bezeichneten Fällen“, bevor die gesetzliche Beschreibung dessen erfolgt, was unter Strafe gestellt wird, sofern es nicht durch andere Bestimmungen von der Strafbarkeit ausgeschlossen wurde. Tatobjekt ist ein „Erzeugnis121 des Weinbaus“ oder ein mit diesem zu verwechselndes Getränk. Als Tathandlungen benennt Nr. 1 eine Reihe von Verhaltensweisen; aufgezählt werden Verarbeiten122, Inverkehrbringen123, Ein- und Ausführen124, Verwenden und Verwerten125, Lagern und Transportieren126. Erzeugnisse, die den EU-Rechtsakten und dem nationalen Recht nicht entsprechen, dürfen nicht in den Verkehr gebracht, auch nicht ein- oder ausgeführt werden; nach § 27 WeinG sind diese zu vernichten127. Straftatbestände, die ein Verhalten „entgegen einer Vorschrift dieses Gesetzes“ formulieren, sind ausgesprochen „rar gesät“128. Dieser umfassende „Suchauftrag“, der über Außenverweisungen auch in andere Gesetze und Verordnungen führt, wirft die Frage auf, ob § 48 Abs. 1 S. 1 WeinG 1994 dem Bestimmtheitsgebot des Art. 103 II GG und, soweit es sich um Freiheitsstrafen handelt,

119 Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis fünf Jahren. 120 (1) Mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer 1. in anderen als den in § 49 Nummer 1, 2, 4, 5 oder Nummer 6 oder § 50 Abs. 2 Nr. 1 oder 6 bis 10 bezeichneten Fällen entgegen einer Vorschrift dieses Gesetzes ein Erzeugnis oder ein Getränk, das mit einem Erzeugnis verwechselt werden kann, verarbeitet, in den Verkehr bringt, mit anderen Getränken vermischt in den Verkehr bringt, einführt, ausführt, verwendet, verwertet, lagert oder transportiert. 121 Legaldefinition in § 2 Nr. 1 WeinG. 122 Legaldefinition in § 2 Nr. 10 WeinG. 123 § 2 Nr. 18 WeinG. 124 § 2 Nr. 19 und 20 WeinG. 125 § 2 Nr. 16 und 17 WeinG. 126 Lagern und Transportieren sind in § 2 nicht definiert. 127 Ausführlich zu den Tathandlungen, Kretschmer, a.a.O., S. 424–429. 128 Kretschmer in Härtel, Weinrecht, S. 431 mit Beispielen aus dem Telegraphengesetz, dem Fernmeldeanlagengesetz und dem Lichtspielgesetz von 1920, als Filme vor ihrer Vorführung noch der Zulassung bedurften!

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Art. 104 GG gerecht wird. Der Wortlaut der Bestimmung lässt Zweifel aufkommen, ob eine solches „unübersichtliches Rechtsgestrüpp“129, das zudem mit einer Subtraktion beginnt, auf das gesamte Weingesetz130 sowie auf EUVorschriften in Bezug nimmt131, mit dem im deutschen Recht niedergelegten Bestimmtheitsgrundsatz – und damit höherrangigem Recht – vereinbar ist, um Rechtswirkungen entfalten zu können. Ein rechtsstaatlich wirksames Gesetz muss den Rechtsunterworfenen klar vorgeben, welches Verhalten unter Strafe gestellt ist. Schon der erste Schritt, dass sich Winzer und Weinhändler – wie auch die Gerichte – den Tatbestand zusammensuchen müssen, genügt nicht den Anforderungen des Grundgesetzes132. Mit einer solchen Normkonstruktion hat der Gesetzgeber das „Klassenziel weit verfehlt“133.

c) § 48 Abs. 1 Nr. 2134 § 48 Abs. 1 Nr. 2 gibt dem Rechtsunterworfenen auf, mehr als zehn Rechtsverordnungen ausfindig zu machen, die in einem Tatbestand auf § 48 Abs. 1 Nr. 2 verweisen. Diese Bestimmung stellt Verstöße gegen Vorschriften verschiedener auf Grund des WeinG erlassener Rechtsvorschriften unter Strafe, soweit sie für einen bestimmten Tatbestand auf diese Strafvorschrift verweisen (Rückverweisungsklausel). Es sind dies Zuwiderhandlungen gegen Rechtsverordnungen und deren Ermächtigungsgrundlagen in § 13 Abs. 3 WeinG (Anwendung von Behandlungsverfahren, Reinheitsanforderungen für zugesetzte Stoffe, Gehalt an Stoffen, Übergehen nicht zugelassener Stoffe, Verwendung von Gegenständen), § 14 Nr. 1 oder 3 WeinG (Hygienische Anforderungen an Behältnisse und Räume), § 15 Nr. 3 WeinG (Voraussetzungen und Verfahren für Anreicherung und Süßung), § 16 Abs. 1 a Nr. 1, Abs. 2 S. 1 i.V.m. S. 2 Nr. 1 oder 2 WeinG (Verarbeiten oder Inverkehrbringen von Erzeugnissen), § 17 Abs. 2 Nr. 1 WeinG (Herstellen von Qualitätswein b. A. außerhalb des bestimmten Anbaugebietes), § 22 Abs. 2 (Herstellen von Landwein), § 27 Abs. 2 (Vorschriftswidrige Erzeugnisse) oder § 35 Abs. 2 (Einfuhr

129 So Heimermann, a.a.O., S. 193. 130 „entgegen einer Vorschrift dieses Gesetzes“. 131 Weiterverweisungen in §§ 4, 6, 9 der Weinrechtlichen Straf- und Bußgeldverordnung (WeinSBV) u.a. 132 Zur Verfassungswidrigkeit des § 48 Abs. 1 Nr. 1 WeinG ausführlich Kretschmer, a.a.O. S. 430–433; so auch Hütwohl, a.a.O. S. 71; Rathke-Boch, WeinG 2012, § 48 Rn. 10, S. 339. 133 So das „Jahreszeugnis“ von Hütwohl, a.a.O., S. 71. 134 (1) Mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer 2. einer Rechtsverordnung nach § 13 Abs. 3, § 14 Nr. 1 oder 3, § 15 Nr. 3, § 16 Abs. 1a Nr. 1 oder Abs. 2 Satz 1 in Verbindung mit Satz 2 Nr. 1 oder 2, § 17 Abs. 2 Nr. 1, § 22 Abs. 2, § 27 Abs. 2 oder § 35 Abs. 2 zuwiderhandelt, soweit sie für einen bestimmten Tatbestand auf diese Strafvorschrift verweist“.

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aus Drittländern)135. Von diesen Ermächtigungen hat der Verordnungsgeber in § 52 Abs. 1 Weinverordnung und in § 39 WeinÜV Gebrauch gemacht.

aa) § 52 Weinverordnung 1995136 § 52 Abs. 1 Nr. 1–13 WeinV137 füllt § 48 Abs. 1 Nr. 2 WeinG (Blankettvorschrift) aus und verweist seinerseits weiter, teilweise auch durch Außenverweisung ins europäische Recht. Der Katalog in Abs. 1 enthält 13 Nummern, wobei die Nummern 2, 4a und 6 weggefallen sind. Die Zuwiderhandlungen können vorsätzlich oder fahrlässig begangen werden, Abs. 1 S. 1. Inhaltlich sind die Tathandlungen in den Ziffern 1–13 beschrieben, mit Angabe der Strafvorschriften der WeinV (Binnenverweisungen). Die Nr. 1–5 beinhalten unzulässige Behandlungsmethoden und Stoffzusätze. Nr. 7–13 bestraft u.a. die unzulässige Erhöhung des Alkoholgehaltes, das verbotene Süßen, das unzulässige Verschneiden sowie das unzulässige Zusetzen von Wasser und Alkohol. Nr. 8 bezieht sich auf das in der Praxis wichtige Gebot in § 16 Abs. 2 WeinV, wonach bei Land-, Qualitäts- und Prädikatswein nur Traubenmost zur Süßung verwendet werden darf. § 18 Abs. 9 S. 3 gibt darüber hinaus vor, dass Prädikatsweine nur mit Traubenmost gesüßt werden darf, der ebenfalls die

135 Brehmeier-Metz in Erbs / Kohlhaas, Strafrechtliche Nebengesetze, WeinG, § 48 Rn. 3. 136 Weinverordnung in der Fassung der Bekanntmachung vom 21. April 2009 (BGBl. I S. 827), die durch Artikel 1 der Verordnung vom 4. Januar 2016 (BGBl. I S. 2) geändert worden ist. 137 § 52 Abs. 1 Nr. 1–13 (1) Nach § 48 Absatz 1 Nummer 2, Absatz 2, 3 des Weingesetzes wird bestraft, wer vorsätzlich oder fahrlässig 1. entgegen § 11 Absatz 1 ein anderes Behandlungsverfahren anwendet oder einen anderen Stoff zusetzt, 3. entgegen § 11 Absatz 8 Satz 1 ein Behandlungsverfahren anwendet, durch das ein Stoff zugesetzt wird, 4. entgegen § 11 Absatz 8 Satz 2 Ionenaustauscher oder ultraviolette oder energiereiche Strahlen anwendet, 5. entgegen § 12 einen Stoff zusetzt, 7. entgegen § 15 Absatz 3 den natürlichen Alkoholgehalt erhöht, 8. entgegen § 16 Absatz 2 oder § 18 Absatz 9 Satz 3 ein Erzeugnis süßt, 9. entgegen § 18 Absatz 1 oder 9 Satz 1 oder 2 ein Erzeugnis verschneidet, 10. entgegen § 18 Absatz 2 ein Erzeugnis verwendet oder verschneidet, 11. entgegen § 18 Absatz 3 Satz 1 ein anderes Erzeugnis, ein anderes Lebensmittel oder einen anderen Stoff zusetzt, 12. entgegen § 18 Absatz 3 Satz 2 Wasser zusetzt oder 13. entgegen § 18 Absatz 6 Alkohol oder Zucker zusetzt.

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Anforderungen an das jeweilige Prädikat erfüllt (Mindestmostgewicht, späte Lese etc.).

bb) § 39 Weinüberwachungsverordnung – WeinÜV Die WeinÜV füllt mit der Strafvorschrift in § 39138 die Strafvorschrift des § 48 Abs. 1 Nr. 2 WeinG aus. Nr. 1 und 2 enthalten Binnenverweisungen und stellen als Rückverweisung auf § 48 Abs. 1 Nr. 2 WeinG zunächst das Inverkehrbringen, Ein- und Ausführen von essigstichigem Wein entgegen § 1 Abs. 1 S. 2 WeinÜV unter Strafe, wenn diese nicht als essigstichig gekennzeichnet sind (Nr. 1). Die Essigsäure müsste nach Geruch oder Geschmack im Wein wahrnehmbar sein139 – die Kriminalisierung eines klassischen Falles des Gewährleistungsrechtes nach §§ 433 ff. BGB. Nach Nr. 2 macht sich strafbar, wer ein weinhaltiges Getränk entgegen § 38 Abs. 1 S. 1 oder Abs. 2 WeinÜV einführt. Die Verweisung auf § 38 hebt darauf ab, ob die Herstellung des in einem Drittland hergestellten weinhaltigen Getränkes „nach den dort geltenden Vorschriften vorgenommen“ (S. 1) oder die „im Herstellungsland dafür geltenden Rechtsvorschriften eingehalten“ worden sind (S. 2). Damit werden ausländische weinrechtliche Vorschriften aller Staaten140 maßgeblich für die inländische Strafbarkeit. Nach Kretschmer141 mag dies zwar wirtschaftliche Bedeutung entfalten können, sei aber nach Art. 103 Abs. 2 GG untauglich, um Strafe begründen zu können. So neu ist die Bezugnahme auf ausländisches Recht im Weinstrafrecht allerdings nicht: Schon § 13 S. 2 zweiter Halbsatz WeinG 1909 gestattete bei Zuwiderhandlungen gegen die Vorgaben der Kellerbehandlung Ausnahmen für ausländische Weine. Nach der auf diese Vorschrift gestützten Ausführungsverordnung zu § 13 vom 9. Juli 1909 (RGBl. 549) genügte die Einhaltung der im Ursprungsland geltenden Vorschriften, eine Bestrafung nach § 26 Abs. 1 Nr. 1 war auch dann ausgeschlossen, wenn die Kellerbehandlung den inländischen Vorgaben in § 4 WeinG 1909 nicht entsprach. 138 § 39: Nach § 48 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2, 3 des Weingesetzes wird bestraft, wer vorsätzlich oder fahrlässig 1. entgegen § 1 Abs. 1 Satz 2 Wein in den Verkehr bringt, einführt oder ausführt oder 2. entgegen § 38 Abs. 1 Satz 1 oder Abs. 2 ein weinhaltiges Getränk einführt. 139 Weinessig beginnt mit einem Essigsäuregehalt von mindestens 60g/l – VO (EU) 1308/2013, Anhang VII, II, 17b). 140 Gemeint sind Drittstaaten, das EU-Weinrecht gilt in allen EU-Mitgliedstaaten. 141 Kretschmer, a.a.O., S. 439 mit Hinweis auf Schuster, Das Verhältnis von Strafnormen und Bezugsnormen aus anderen Rechtsgebieten, 2012, S. 362 ff., 372, 385 ff., 399.

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cc) Landesrechtliche Vorschriften Rückverweisungen auf § 48 Abs. 1 Nr. 2 finden sich vereinzelt auch in den Rechtsverordnungen der Länder. Rheinland-Pfalz als das Bundesland, in dem sich sechs der 13 deutschen Weinbaugebiete befinden142, hat sich richtiger Weise eigener Strafvorschriften enthalten143 und lediglich in § 18 eine Bußgeldvorschrift erlassen144, ebenso Bayern für das Anbaugebiet Franken145, Sachsen-Anhalt146 in § 25 Bußgeldvorschrift, Sachsen147 in § 23, Hessen in § 19 WeinRAV-Hessen148. Auf die Bußgeldvorschriften soll im Rahmen dieser Arbeit nicht näher eingegangen werden. Schleswig-Holstein, das Bundesland, in dem Weinbau nicht einmal vermutet würde, hat eine solche Strafvorschrift in § 16149 der schleswig-holsteinischen WeinDVO150 erlassen, die auf § 48 Abs. 1 Nr. 2 WeinG verweist und die vorsätzliche und fahrlässige Herstellung von Landwein151, der den vorgegebenen 142 Rheinland-Pfalz: 65.000 ha Rebfläche, Deutschland insgesamt: 102.000 ha Rebfläche, siehe Legaldefinition in § 3 Abs. 3 WeinG. 143 „Was in Deutschland linksrheinisch legal ist, kann rechtsrheinisch nicht vinokriminelles Unrecht sein“, so Fischer / Schomburg, a.a.O., S. 11, Fn. 8. 144 § 18 WeinRDV RLP vom 18.7.1995 (GVBl. S. 275). 145 § 31 Verordnung zur Ausführung weinrechtlicher Vorschriften (BayWeinRAV) vom 31. August 1995 (GVBl. S. 667). 146 Verordnung zur Durchführung des Weinrechts (WeinR-DVO) vom 13. Dezember 2011 (GVBl. S. 839). 147 Sächsische Weinrechtsdurchführungsverordnung vom 30.11.2012 (SächsGVBl. S. 793). 148 Hessische Ausführungsverordnung zum Weinrecht und zur Reblausbekämpfung (WeinRAV) vom 2.12.2010 (GVBl. I S. 460). 149 § 16: Nach § 48 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2 und 3 des Weingesetzes wird bestraft, wer vorsätzlich oder fahrlässig Landwein herstellt, der den in § 7 Abs. 2 und 3 festgelegten Produktionsbedingungen nicht entspricht“. 150 Landesverordnung zur Durchführung weinrechtlicher Vorschriften (WeinDVO) vom 14. Mai 2009 (GVOBl. S. 229). 151 § 7 Landwein (zu § 22 Abs. 2 des Weingesetzes) (1) Die Herstellung von Schleswig-Holsteinischem Landwein im Weinbaugebiet Schleswig-Holstein wird zugelassen. (2) Der natürliche Mindestalkoholgehalt wird bei Schleswig-Holsteinischem Landwein auf 6,0 Volumenprozent Alkohol (50° Öchsle) festgesetzt. (3) Zur Herstellung von Schleswig-Holsteinischem Landwein nach Absatz 1 müssen Trauben von in der Anlage 2 genannten Rebsorten verwendet werden. (4) Als Schleswig-Holsteinischer Landwein darf nur ein für Norddeutschland gebietstypischer Wein gekennzeichnet werden, der in Aussehen, Geruch und Geschmack frei von Fehlern ist. Bei der Angabe einer Rebsorte muss er für diese Rebsorte typisch sein.

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Produktionsbedingungen des § 7 Abs. 2152 und 3153 nicht entspricht, unter Strafe stellt. Dass Schleswig-Holstein zu den weinproduzierenden Ländern in Deutschland zählen soll, ist angesichts der nördlichen Lage kaum vorstellbar. So ist auch keines der 13 Weinanbaugebiete für Qualitäts- und Prädikatsweine in SchleswigHolstein belegen, § 3 WeinG. Dennoch: In der Aufzählung der Landweingebiete in § 2 WeinV ist unter Nr. 23 der „Schleswig-Holsteinische Landwein“ ausdrücklich erwähnt, so dass eine Regelung zur Landweinbereitung in SchleswigHolstein durchaus Sinn macht. Auf der Insel Sylt wird in Keitum mittlerweile Wein angebaut. Wie das Land Schleswig-Holstein an die erforderlichen Pflanzrechte kam, um ein Landweingebiet kreieren zu können, soll hier nicht weiter vertieft werden. Zum Erlass der Strafvorschrift wurde der Schleswig-Holsteinische Verordnungsgeber noch durch § 22 Abs. 2 WeinG154 ermächtigt, bevor diese Ermächtigungsgrundlage durch Änderung des WeinG nach Abs. 3 verschoben wurde.

d) § 48 Abs. 1 Nr. 3155 Um sich § 48 Abs. 1 Nr. 3 zurecht zu finden, braucht man ebenfalls einen guten Kompass. Der Versuch, einen gegebenen Lebenssachverhalt unter Nr. 3 zu subsumieren, beginnt wiederum mit einer Subtraktion „in anderen als den in Nr. 4, § 49 Nr. 6 und 7 bezeichneten Fällen“. Ist eine dieser drei Strafvorschriften einschlägig, so ist eine Bestrafung nach § 48 Abs. 1 S. 3 ausgeschlossen. Kommt der Ausschluss nicht zum Zuge, ist zu prüfen, ob entgegen einer unmittelbar geltenden Vorschrift156 in EG- oder EU-Rechtsakten eine der in

152 Mindestmostgewicht von 50° Oechsle. 153 Vorgabe der Rebsorten in Anlage 2, weiße: Helios, Johanniter, Merzling, Müller-Thurgau, Ortega, Phoenix, Solaris und rote: Cabernet Cortis, Reberger, Regent, Rondo. 154 Zu der vornehmlich verfassungsrechtlichen Frage, ob diese Landesverordnung nach Änderung des Absatzes 2 in Absatz 3 weiterhin Bestand habe oder aufzuheben sei, siehe ausführlich Kretschmer, a.a.O., S. 418. 155 Mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer 3. in anderen als den in Nummer 4, § 49 Nr. 6 oder 7 bezeichneten Fällen entgegen einer unmittelbar geltenden Vorschrift in Rechtsakten der Europäischen Gemeinschaft oder der Europäischen Union eine der in Nummer 1 bezeichneten Handlungen begeht, soweit eine Rechtsverordnung nach § 51 für einen bestimmten Tatbestand auf diese Strafvorschrift verweist. 156 Verordnungen haben unmittelbare Geltung in jedem Mitgliedstaat, Art. 288 II S. 2 AEUV.

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Nr. 1 bezeichneten Handlungen begangen wurde, soweit eine Rechtsverordnung nach § 51 für einen bestimmten Tatbestand auf diese Strafvorschrift verweist. Bedenken bestehen hinsichtlich der Verfassungsmäßigkeit des § 48 Abs. 1 Nr. 3. Nach Hecker157 dürfte aus mehreren Gründen „das Verdikt der Verfassungswidrigkeit“ zu fällen sein. Die Strafbestimmung überlasse die zentrale Grundentscheidung, das „Ob“ der Strafbarkeit dem Verordnungsgeber und unterlaufe damit den von Art. 103 II, 104 I geforderten Parlamentsvorbehalt. Hier lege erst der Verordnungsgeber und nicht – wie vom Grundgesetz gefordert – das Parlament die wesentlichen Strafbarkeitsbedingungen fest. Auch käme ein Verstoß gegen Art. 80 I S. 2 GG in Betracht, da sich erst aus der Rechtsverordnung vorhersehen lasse, welchen Inhalt die Gebote und Verbote haben werden. Schließlich verstoße die Vorschrift auch gegen das Bestimmtheitsgebot des Art. 103 II GG. Hütwohl158 sieht hier ebenfalls einen Verstoß gegen das Bestimmtheitsgebot sowie dem Vorbehalt des Gesetzes. „Die zentrale Entscheidung des Eintretens der ultima ratio-Funktion des Strafrechts verbleibt einzig beim Verordnungsgeber“159. Das auszufüllende Blankett des § 48 Abs. 1 Nr. 3 erfährt durch § 6 Abs. 1 der WeinSBV160 eine rückverweisende Ausfüllung. Die auf § 51 gestützte Weinrechtliche Straf- und Bußgeldverordnung (WeinSBV) ersetzt die Weinrechts-Durchführungsverordnung (WeinRV), die am 31. Dezember 2013 außer Kraft getreten ist. Die WeinSBV trat aber erst am 27. Februar 2014 in Kraft, so dass sich eine Sanktionslücke ergab161. Mit der WeinSBV ging eine Entkriminalisierung einher, Straftaten sind nur noch in §§ 4, 6 und 9 enthalten.

e) § 6 Abs. 1 WeinSBV162: Zuwiderhandlungen gegen Verordnung (EG) Nr. 606/2009 § 6 Abs. 1 WeinSBV stellt unter Zurückverweisung auf § 48 Abs. 1 Nr. 3, Abs. 2 und 3 WeinG unter Strafe, vorsätzlich163 oder fahrlässig164 ein in Art. 10 Abs. 2 157 158 159 160 161 162

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Hecker, Europäisches Strafrecht, 4. Auflage 2012, § 7 Rn 98/99, S. 251. Ausführlich Hütwohl, a.a.O., S. 77–80. Ders., S. 79. Weinrechtliche Straf- und Bußgeldverordnung (WeinSBV) vom 20. Februar 2014 (BGBl. I S. 143). Näheres zur Sanktionslücke bei Kretschmer, a.a.O., S. 445; Boch, a.a.O., § 48 Rn. 7. § 6: (1) Nach § 48 Absatz 1 Nummer 3, Absatz 2, 3 des Weingesetzes wird bestraft, wer vorsätzlich oder fahrlässig entgegen Artikel 10 Absatz 2 der Verordnung (EG) Nr. 606/2009 ein dort genanntes Erzeugnis aufbewahrt. § 48 Abs. 1 Nr. 3 WeinG. § 48 Abs. 2 WeinG.

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der VO (EG) Nr. 606/2009 genanntes Erzeugnis entgegen dieser Vorschrift aufzubewahren. Nach Art. 10 Abs. 2 der vorgenannten Verordnung können nur „Erzeuger oder Händler“ als Täter in Frage kommen. Tatobjekte nach Art. 10 Abs. 2 sind solche, die zu vernichten sind (S. 1), sofern die Mitgliedstaaten keine andere Verwendung zugelassen haben (S. 2). Tathandlung in § 6 Abs. 1 WeinSBV ist das Aufbewahren165 der Erzeugnisse „ohne triftigen Grund“166, womit Aufbewahrungsgründe die Strafbarkeit möglicherweise ausschließen, wenn sie „triftig“ waren. Als triftiger Grund könnte anzusehen sein, dass eine Verordnungsänderung unmittelbar bevorsteht oder absehbar ist, dass den Mitgliedstaaten ein Ermessensspielraum eingeräumt wird, aus Gründen der Verhältnismäßigkeit von einer Vernichtung abzusehen und möglicherweise eine andere Verwendung zuzulassen.

f) § 48 Abs. 1 Nr. 4167 Die Strafbarkeit nach § 48 Abs. 1 Nr. 4 hebt auf Zuwiderhandlungen gegen unmittelbar geltende Vorschriften in europäischen Rechtsakten ab168. Seine rückverweisende Ausfüllung erfährt § 48 Abs. 1 Nr. 4 durch die §§ 4, 6 Abs. 2 und 9 WeinSBV.

g) § 4 WeinSBV169 – Zuwiderhandlungen gegen VO (EG) 1333/2008 § 4 Abs. 1 erfasst in zwei Tatbeständen sowohl vorsätzliche als auch fahrlässige Zuwiderhandlungen gegen Art. 4 Abs. 1 der VO (EG) 1333/2008 in der jewei-

165 Zum Aufbewahren/Lagern mit Erhaltungsinteresse ausführlich Kretschmer, S. 442. 166 Vergleichbar mit dem „triftigen Grund“ des Langsamfahrens in § 3 Abs. 2 StVO. 167 Zur Diskussion um dessen Verfassungsmäßigkeit, siehe Hecker, a.a.O., § 7 Rz. 100 ff.; Hütwohl, a.a.O., S. 77 ff; Kühne, ZLR 1996, 369 (373) Satzger, Internationales und Europäisches Strafrecht, 8. Auflage 2018, § 9 Rn. 72–73, S. 168/169 am Beispiel des § 58 Abs. 3 LFGB. 168 Siehe hierzu die Ausführungen oben zu § 48 Abs. 1 Nr. 3. 169 § 4: Nach § 48 Absatz 1 Nummer 4, Absatz 2, 3 des Weingesetzes wird bestraft, wer gegen die Verordnung (EG) Nr. 1333/2008 verstößt, indem er vorsätzlich oder fahrlässig 1. entgegen Artikel 4 Absatz 1 in aromatisiertem Wein, einem aromatisierten weinhaltigen Getränk oder einem aromatisierten weinhaltigen Cocktail einen Lebensmittelzusatzstoff, der nicht in Anhang II Teil E Nummer 14.2.7 aufgeführt ist, in den Verkehr bringt oder

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ligen Fassung (Anlage zu § 11 WeinSBV). Tatobjekte sind unzulässige Lebensmittelzusätze in aromatisiertem Wein, aromatisierten weinhaltigen Getränken oder aromatisierten weinhaltigen Cocktails. Tathandlung der Nummer 1 ist das Inverkehrbringen170 der Lebensmittelzusatzstoffe in besagten Getränken; Nummer 2 hebt darauf ab, dass der Lebensmittelzusatzstoff in diesen Getränken unter Bedingungen verwendet171 wird, die den Festsetzungen der Gemeinschaftsliste in Anhang II der VO (EG) Nr. 1333/2008 widersprechen.

h) § 6 Abs. 2 WeinSBV172 – Zuwiderhandlungen gegen Verordnung (EG) Nr. 606/2009 § 6 Abs. 2 WeinSBV stellt unter Strafe, bestimmte Erzeugnisse des Weinsektors in einer unter Hinweis auf die Durchführungs-VO (EG) Nr. 606/2009 näher beschriebenen Weise zu behandeln. Nummer 1 bestraft das Verschneiden173 von mit Aleppokiefernharz behandeltem Traubenmost oder Wein (griechischer Retsina) mit sonstigem Traubenmost oder Wein174. Nummer 2 stellt das Süßen von Wein unter Strafe, soweit es nicht mit Traubenmost, konzentriertem Traubenmost oder rektifiziertem Traubenmostkonzentrat erfolgt175. Nach Nummer 3 ist jede Anreicherung der Cuvée, ihrer Bestandteile oder von Qualitätsschaumweinen mit Strafe bedroht.

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2. entgegen Artikel 4 Absatz 1 in aromatisiertem Wein, einem aromatisierten weinhaltigen Getränk oder einem aromatisierten weinhaltigen Cocktail einen Lebensmittelzusatzstoff, der in Anhang II Teil E Nummer 14.2.7 aufgeführt ist, unter einer Bedingung verwendet, die dort für diesen Lebensmittelzusatzstoff nicht festgelegt ist. Legaldefinition in § 2 Nr. 18 WeinG. Siehe Definition in § 2 Nr. 16 WeinG. § 6:Abs. 2: Nach § 48 Absatz 1 Nummer 4, Absatz 2, 3 des Weingesetzes wird bestraft, wer gegen die Verordnung (EG) Nr. 606/2009 verstößt, indem er vorsätzlich oder fahrlässig 1. entgegen Artikel 8 Absatz 2 ein dort genanntes Erzeugnis verschneidet, 2. entgegen Anhang I D Nummer 1 Satz 1, Nummer 2 Satz 1 oder Nummer 4 einen dort genannten Wein süßt oder 3. entgegen Anhang II Abschnitt A Nummer 3 oder Nummer 7, jeweils auch in Verbindung mit Abschnitt B Nummer 3 erster Gedankenstrich, eine Cuvée, einen Bestandteil einer Cuvée oder einen Qualitätsschaumwein anreichert oder süßt. Verschneiden: Das Vermischen von Erzeugnissen miteinander und untereinander, § 2 Nr. 14 WeinG. Art. 8 Abs. 2 VO (EG) Nr. 606/2009 i.V.m. Anhang I A, Nr. 14 mit Anlage 3. Siehe hierzu Anhänge der VO (EG) Nr. 606/2009: I D Nr. 1 S. 1; I D Nr. 2 S. 1 und I D Nr. 4.

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i) § 9 WeinSBV176 – Zuwiderhandlungen gegen die Verordnung (EU) Nr. 1308/2013 § 9 WeinSBV dient mit seinen elf Ziffern dem strafrechtlichen Schutz der GMOVerordnung (EU) 1308/2013177, die am 1. Januar 2014 in Kraft getreten ist und die vorausgehende VO (EG) Nr. 1234/2007 ersetzt. Nach Nr. 2 dürfen u.a. Weine nicht „vermarktet“ werden, wenn diese weder nach EU- noch national zugelassenen oenologischen Verfahren hergestellt wurden. Von großer Relevanz ist Nr. 3, denn – wie schon erwähnt – ist eine Anreicherung nicht unbegrenzt erlaubt. In der Weinbauzone A178 ist eine Erhöhung des Alkohols um 3% vol. zuässig, in Baden lediglich um 2% vol. Wer diese Grenzen überschreitet, macht sich nach Nr. 3 strafbar. Nr. 6 bestraft denjenigen, der über die zulässigen Höchstmengen eine Säuerung oder Entsäuerung durchführt. Nach VO (EU) 1308/2013, Anhang VIII, Teil I, C Nr. 3 und 4 darf bei 176 § 9 WeinSBV: Nach § 48 Absatz 1 Nummer 4, Absatz 2, 3 des Weingesetzes wird bestraft, wer gegen die Verordnung (EU) Nr. 1308/2013 verstößt, indem er vorsätzlich oder fahrlässig 1. entgegen Artikel 80 Absatz 1 Unterabsatz 4 in Verbindung mit Anhang VIII Teil II Abschnitt A Nummer 1 oder Nummer 2 ein dort genanntes Erzeugnis nicht richtig herstellt, 2. entgegen Artikel 80 Absatz 2 Unterabsatz 1 Buchstabe a oder Buchstabe b ein dort genanntes Erzeugnis in der Union vermarktet, 3. entgegen Anhang VIII Teil I Abschnitt A Nummer 2 eine Erhöhung des natürlichen Alkoholgehalts vornimmt, die einen dort genannten Grenzwert überschreitet, 4. entgegen Anhang VIII Teil I Abschnitt B Nummer 1 den natürlichen Alkoholgehalt erhöht, 5. entgegen Anhang VIII Teil I Abschnitt B Nummer 3 Satz 1 Saccharose zugibt, 6. entgegen Anhang VIII Teil I Abschnitt C Nummer 2, 3 oder Nummer 4 die Säuerung oder die Entsäuerung eines dort genannten Erzeugnisses durchführt, 7. entgegen Anhang VIII Teil I Abschnitt C Nummer 7 erster Halbsatz ein Erzeugnis säuert und anreichert oder ein Erzeugnis säuert und entsäuert, 8. entgegen Anhang VIII Teil I Abschnitt D Nummer 6 Buchstabe b eine Behandlung durchführt, 9. entgegen Anhang VIII Teil II Abschnitt A Nummer 3 Brennwein verwendet, 10. entgegen Anhang VIII Teil II Abschnitt B Nummer 2 Satz 1 ein dort genanntes Erzeugnis zu Wein verarbeitet oder Wein zusetzt oder 11. entgegen Anhang VIII Teil II Abschnitt B Nummer 4 oder Nummer 5 ein dort genanntes Erzeugnis in den Verkehr bringt, zu einem in Anhang VII Teil II genannten Erzeugnis verarbeitet oder einem in Anhang VII Teil II genannten Erzeugnis zusetzt. 177 Gemeinsame Marktordnung für landwirtschaftliche Erzeugnisse (GMO), VO (EU) 1308/2013, Amtsblatt EU, L 347 vom 20.12.2013, S. 671–768. 178 Alle deutschen Anbaugebiete, außer Baden.

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Wein eine Säuerung bis zu einer Höchstmenge von 2,50 g/l Weinsäure, eine Entsäuerung nur bis zur Höchstmenge von 1 g/l Weinsäure erfolgen. Nr. 7 verbietet die gleichzeitige Säuerung und Entsäuerung eines Erzeugnisses. Nr. 8 stellt denjenigen unter Strafe, der eine Anreicherung nach dem 16. März des auf die Ernte folgenden Jahres vornimmt (Zuckerungsfrist). Nach Nr. 10 wird bestraft, wer Traubensaft oder konzentrierten Traubensaft zu Wein verarbeitet oder diesem zusetzt.

j) § 48 Abs. 2 – Fahrlässigkeit Handelt ein Beteiligter nicht vorsätzlich gegen eine Bestimmung in § 48 Abs. 1, kommt eine Strafbarkeit wegen fahrlässiger Begehung in Betracht, Abs. 2. Allerdings setzt die Strafbarkeit wegen fahrlässiger Begehung im Falle einer Ausfüllung des § 48 Abs. 1 durch Rechtsverordnung voraus, dass sich die Rückverweisung ausdrücklich auch auf Absatz 2 bezieht179. Der Fahrlässigkeitsvorwurf setzt voraus, dass es aufgrund einer objektiven Sorgfaltspflichtverletzung des Täters ein für ihn individuelle vorhersehbarer und vermeidbarer Erfolg eingetreten ist. Da es im Weinstrafrecht durchgehend um weinspezifische Zusammenhänge und Verhaltensweisen geht, ist als Maßstab nicht etwa auf den durchschnittlichen Verbraucher180 abzustellen, sondern auf die Kenntnisse und Fähigkeiten der in diesem Bereich tätig werdenden Weinfachleute181. Flankiert wird diese Sichtweise von Art. 17 Abs. 1 der BasisVO (EG) Nr. 178/2002, wonach Lebensmittelunternehmer „auf allen Produktions-, Verarbeitungs- und Vertriebsstufen in den ihrer Kontrolle unterstehenden Unternehmen“ dafür sorgen müssen, dass die Lebensmittel den rechtlichen Anforderungen genügen, die für ihre Tätigkeit gelten und auch die Einhaltung dieser Anforderungen überprüfen182. Sofern ein Rechtsunterworfener nicht über ausreichende Fachkenntnisse verfügt, kann zwar Vorsatz ausscheiden, doch lässt ein Tatbestandsirrtum die etwaige Bestrafung wegen Fahrlässigkeit unberührt, § 16 Abs. 1 S. 2 StGB183. Die Sorgfaltsanforderungen treffen auch Hobbywinzer184, da auch Ihnen die Einholung von sachverständigem Rechtsrat

179 So für § 48 Abs. 1 Nr. 2 in § 52 I WeinV und § 39 WeinÜV; für § 48 Abs. 1 Nr. 3 in § 6 Abs. 1 WeinSBV; für § 48 Abs. 1 Nr. 4 in §§ 4, 6 Abs. 2 und 9 WeinSBV. 180 Zum Leitbild des verständigen Durchschnittsverbrauchers, ausführlich Vergho, Der Maßstab der Verbraucherwartung im Verbraucherschutzstrafrecht, 2008. 181 Winzer, Winzergenossenschaften oder Weinhändler. 182 Näheres hierzu Meyer / Streinz (Hrsg.) LFGB-BasisVO, 2. Auflage 2012, Art. 17 BasisVO Rn. 4–46. 183 Kretschmer, a.a.O., S. 458, der schon eine Tätigkeitsaufnahme ohne die hierzu erforderliche Qualifikation als „Übernahmefahrlässigkeit“ ansieht. 184 Der Verfasser ist Hobbywinzer mit 6 Ar Regent (pilzwiderstandsfähige Neuzüchtung).

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bei den Weinbauämtern zuzumuten ist. Probleme bereiten in der Praxis die durchzuführenden Stichproben, deren Anzahl und Ausmaß. Wein ist ein homogenes Lebensmittel, so dass zur Prüfung zumeist einzelne Stichproben der jeweiligen Charge genügen185.

k) § 48 Abs. 3 (besonders schwerer Fall)186 In besonders schweren Fällen erhöht sich das Strafmaß der Freiheitsstrafe auf das Höchstmaß von fünf Jahren, § 48 Abs. 3 WeinG. Die Vorschrift entspricht § 58 Abs. 5 Nr. 1 und 2 LFGB für Lebensmittel außerhalb des Weingesetzes. Auch hier muss die Rückverweisung in den Rechtsverordnungen ausdrücklich auch Absatz 3 einbeziehen, so in §§ 4, 6 und 9 WeinSBV, wobei es bei § 4 Abs. 1 „in der Regel“ nicht außerhalb der Lebenserfahrung liegt, dass es durch nicht zugelassene, möglicherweise toxische Zusatzstoffe in Glühwein187 auf Weihnachtsmärkten zu einer Gefährdung einer großen Zahl von Menschen kommen kann. Der Bundesgerichtshof hat diese Zahl bei Brandstiftung mit 14 Personen angesetzt188, was bei Besuchern eines Weihnachtsmarktes als Anhaltspunkt dienen könnte. Das weitere Regelbeispiel, wonach es ausreichend ist, dass einzelne Personen gefährdet werden, setzt voraus, dass eine schwere Schädigung vorliegt, was nicht nur auf § 226 StGB begrenzt ist, sondern darüber hinaus für alle gravierenden Krankheiten und sonstiger gewichtiger Einbußen gesundheitlicher Art189. Die Vorschrift entspricht § 58 Abs. 5 Nr. 1 und 2 LFGB für Lebensmittelherstellungen außerhalb des Weingesetzes.

l) § 49 Satz 1 Nr. 1–3 WeinG § 49 Satz 1 droht bei Zuwiderhandlungen eine Freiheitstrafe von einem Jahr oder Geldstrafe an. Strafbar ist nur vorsätzliches Handeln, fahrlässige Taten 185 Dannecker, in Zipfel / Rathke, Lebensmittelrecht (Stand 170. EL), 2018 vor § 58 LFGB Rn 186. 186 § 48 Abs. 3: In besonders schweren Fällen ist die Strafe Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren. Ein besonders schwerer Fall liegt in der Regel vor, wenn der Täter durch eine der in Absatz 1 bezeichneten Handlungen die Gesundheit einer großen Zahl von Menschen gefährdet oder einen anderen in die Gefahr des Todes oder einer schweren Schädigung an Körper oder Gesundheit bringt. 187 „Aromatisiertes weinhaltiges Getränk“ nach Art. 3 Abs. 1b, Abs. 3 Verordnung (EU) 251/2014, Legaldefinition in deren Anlage VII B, Nr. 8. 188 BGHSt. 44, 175–178, 1 StR 326/98, Urteil vom 11.8.1998. 189 Heger in Lackner / Kühl, StGB, 29. Auflage 2018, § 330 Rn. 6; Heine in Schönke / Schröder, StGB, 30. Auflage 2018, § 330 Rn. 9a.

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werden von § 50 als Ordnungswidrigkeiten erfasst. Der Versuch ist zwar nicht strafbar, doch findet durch die Tatbestandsbeschreibungen eine beträchtliche Vorverlagerung der Strafbarkeit statt190. § 49 Satz 1 enthält einen Katalog von neun Ziffern191: Nummer 1192 ist das Paradebeispiel für die Entkriminalisierung im Weinstrafrecht. Durch das Sechste ÄndG wurde193 richtigerweise das vorsätzliches Abgeben, Verwenden oder Verwerten von Übermengen des zulässigen Hektarhöchstertrages194 aus dem Anwendungsbereich des § 48 herausgenommen und in § 49 S. 1 eingefügt und damit die Strafdrohung erheblich verringert195. Der Hektarhöchstertrag berechnet sich nach der sog. Betriebsregelung196, d.h. der Summe aller im Ertrag stehenden Weinbergsflächen des Betriebsinhabers. Überschreitungen einzelner Rebflächen können durch Mindererträge anderer Lagen bis zum Höchstertrag des Betriebes ausgeglichen werden, so dass nur solche Übermengen von Nr. 1 erfasst sind, die den Gesamt-Betriebsertrag überschreiten. Nummer 1a197 ist im Zusammenhang mit Nr. 1 zu sehen. Die Berechnung der Hektarerträge hat durch die Winzer selbst zu erfolgen und diese Berechnung ist in einem Meldevordruck bis zum 15. Januar des Folgejahres den Weinbauämtern mitzuteilen. Falschberechnungen oder Nichtabgabe sind nach Nr. 1a strafbar. Nach dem Ultima-ratio-Prinzip des Strafrechts sollte dieses „Vergehen“ richtigerweise dem Verwaltungsunrecht zugeordnet und als Ordnungswidrigkeit mit Geldbuße geahndet werden, insbesondere hinsichtlich der Fristversäumnis. Gleiches sollte hinsichtlich der Nr. 1 in Betracht gezogen werden.

190 Lagerung von Wein ohne triftigen Grund, siehe oben 5 d) § 48 Abs. 1 Nr. 3 WeinG. 191 Ziffern 1–7 sowie 1a und 3a. 192 Mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer 1. entgegen § 9 Absatz 1 Satz 1 in Verbindung mit einer Rechtsverordnung nach § 12 Absatz 1 Nummer 1 oder entgegen § 9a Absatz 1 Satz 1 in Verbindung mit einer Rechtsverordnung nach § 12 Absatz 1 Nummer2 Weintrauben, Traubenmost, teilweise gegorenen Traubenmost, Jungwein oder Wein in einer anderen als der dort genannten Menge an andere abgibt, verwendet oder verwertet, 1a. entgegen § 9 Abs. 1 Satz 4 eine gesonderte Berechnung nicht, nicht richtig oder nicht rechtzeitig vornimmt“. 193 Wie die Amtliche Begründung bemerkt „aus Gründen der Verhältnismäßigkeit“, Boch, WeinG, § 49 Rn 2. 194 Siehe hierzu ausführlich oben in diesem Kapitel, V., 3. 195 Ebd. 196 § 2 Abs. 9 WeinG. 197 Mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer…1a. entgegen § 9 Abs. 1 Satz 4 eine gesonderte Berechnung nicht, nicht richtig oder nicht rechtzeitig vornimmt,… .

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Nach Nummer 2198 wird bestraft, wer den durch Destillation hergestellten Alkohol zu anderen als industriellen Zwecken verwendet. Nummer 3199 stellt Verstöße gegen bundes- oder landesrechtliche Verstöße unter Strafe, soweit sie hierauf rückverweisen.

aa) § 52 Abs. 2 WeinV Eine entsprechende strafrechtliche Verweisungsregelung befindet sich in § 52 Abs. 2 WeinV200. Durch das Siebte Änderungsgesetz wurde in § 49 WeinG ein zweiter Satz eingefügt, so dass § 52 Abs. 2 WeinV auf § 49 Satz 1 Nr. 3 Bezug nehmen müsste. Die Vorschrift erfasst vorsätzliche Verstöße gegen verschiedene auf Grund des WeinG erlassene Rechtsverordnungen, soweit sie für einen bestimmten Tatbestand auf diese Strafvorschrift verweisen: Es sind dies Zuwiderhandlungen gegen folgende Rechtsverordnungen: § 12 Abs. 1 oder 3 Nr. 4 WeinG (Ergänzende Vorschriften zur Hektarertragsregelung), § 15 Nr. 4und 5 WeinG (Bestimmungen zum Gesamtalkoholgehalt und der Volumenänderung bei der Alkoholerhöhung), § 16 Abs. 2 S. 1 i.V.m. S. 2 Nr. 3 WeinG (Kennzeichnung vor dem Verarbeiten), § 17 Abs. 2 Nr. 2 oder Abs. 3 Nr. 1 WeinG (Herabstufung eines Qualitätsweines auf der Erzeugerstufe, Anbau-, Ernte- und Keltermethoden, Beregnung) oder § 26 Abs. 3 S. 1 Nr. 2 WeinG (Bezeichnung zum Schutz vor Täuschung). Nach § 52 Abs. 2 Nr. 1 WeinV macht sich strafbar, wer mit der Herstellung inländischer Erzeugnisse wie Perlwein, Schaumwein, weinhaltigen Getränken

198 Mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer 1. entgegen § 11 Abs. 1 Satz 6 den dort genannten Alkohol zu anderen als industriellen Zwecken verwendet“. 199 Mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer 3. einer Rechtsverordnung nach § 12 Abs. 1 oder 3 Nr. 4, § 15 Nummer 4 oder 5, § 16 Abs. 1a Nr. 3 oder Abs. 2 Satz 1 in Verbindung mit Satz 2 Nr. 3, § 17 Abs. 2 Nr. 2 oder Abs. 3 Nr. 1 oder § 26 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 zuwiderhandelt, soweit sie für einen bestimmten Tatbestand auf diese Strafvorschrift verweist“. 200 Nach § 49 Nummer 3 des Weingesetzes wird bestraft, wer 1. entgegen § 18 Absatz 4 mit der Herstellung beginnt oder 2. entgegen § 47 Absatz 1 Nummer 3 Satz 2, Absatz 2 Nummer 3 Satz 2, Absatz 3 Nummer 2 Satz 2 oder Absatz 4 Nummer 2 Satz 2 eine Angabe nicht, nicht richtig oder nicht in der vorgeschriebenen Weise macht.

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etc. beginnt, bevor diese als solche gekennzeichnet und in die zu führenden Bücher eingetragen wurden, § 18 Abs. 4 WeinV. Dessen Nr. 2 beinhaltet Pflichtverletzungen bei der Etikettierung von alkoholfreiem und alkoholreduziertem Wein. Die Bezeichnungen „alkoholfreier Wein“ und „alkoholreduzierter Wein“ sind in Zeichen anzugeben, die sich deutlich von den anderen Angaben hervorheben, § 47 Abs. 1 Nr. 3 Satz 2, Abs. 2 Nr. 3. Die gleichen Verpflichtungen gelten für alkoholfreie und alkoholreduzierte schäumende Getränke, Abs. 3 S. 2, Abs. 4 S. 2. Fahrlässige Verstöße gegen § 52 Abs. 2 werden als Ordnungswidrigkeiten geahndet, § 53 Abs. 1 WeinV.

bb) Baden-württembergische Strafvorschrift § 28 der baden-württembergischen Weinrechts-DVO201 bedroht mit Strafe nach § 49 Satz 1 Nummer 3 des Weingesetzes denjenigen, der vorsätzlich entgegen § 7202 Absatz 2 Satz 2 dieser DVO außerhalb des jeweiligen Bereiches gelegene Rebflächen in die Einbetriebsregelung im Sinne des § 7 Absatz 2 Satz 1 einbezieht. Die Ertragsrebfläche ist „die bestockte Rebfläche vom zweiten Wirtschaftsjahr nach dem der Pflanzung“, § 2 Nr. 7 WeinG; d.h. die bestockte Rebfläche ab dem Jahr 203 nach der Pflanzung, wobei die Pflanzung im ersten Halbjahr erfolgt sein muss. Die Einbetriebsregelung in § 7 Abs. 2 WeinRDVO-BW erlaubt (großzügig) den innerbetrieblichen Ausgleich zwischen Über- und Untermengen einzelner Mitglieder von Erzeugergemeinschaften, insbesondere Winzergenossenschaften oder Erzeugergemeinschaften in anderer Rechtsform204, soweit die Rebflächen innerhalb ein und desselben 201 § 28 Abs. 1: Nach § 49 Satz 1 Nummer 3 des Weingesetzes wird bestraft, wer vorsätzlich entgegen § 7 Absatz 2 Satz 2 dieser Verordnung außerhalb des jeweiligen Bereiches gelegene Rebflächen in die Einbetriebsregelung im Sinne des § 7 Absatz 2 Satz 1 einbezieht. 202 § 7 Abs. 2 WeinRDVO-BW: Bei Winzer- und Weingärtnergenossenschaften sowie Erzeugergemeinschaften anderer Rechtsform gelten alle Rebflächen von Weinbaubetrieben, die ihre gesamte Ernte als Weintrauben oder Traubenmost an die Genossenschaft oder an die der Erzeugergemeinschaft verbundenen Kellerei abzuliefern haben, als ein Betrieb im Sinne der §§ 9 bis 11 sowie des § 12 Absatz 1 und 3 Nummer 2 und 4 des Weingesetzes. Satz 1 findet nur auf Rebflächen Anwendung, die innerhalb eines Bereiches belegen sind“. 203 Weinwirtschaftsjahr: 1. August bis 31. Juli. 204 Sonstige Zusammenschlüsse von juristischen Personen (OHG, KG, e.V., GmbH, AG), die mit ihren Mitgliedern Lieferverträge abgeschlossen haben, mit einer Mindestdauer von fünf Jahren und in einem Gesellschaftsvertrag, die Erfassung, Verarbeitung und den Verkauf von Erzeugnissen des Weinsektors als den Zweck des Zusammenschlusses bestimmt haben und deren Erzeugnisse unter dem Namen des Zusammenschlusses vermarktet werden.

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Bereiches205 gelegen sind. Das im Bundesland Baden-Württemberg gelegene Weinanbaugebiet Baden ist in neun Bereiche aufgeteilt206, Württemberg in sechs Bereiche207.

Trauben aus dem Nachbarbereich, die in eine Winzergenossenschaft eines anderen Bereiches eingebracht werden, dürfen bei der Einbetriebsregelung nicht berücksichtigt werden, § 7 Abs. 2 WeinRDVO-BW.

m) § 49 Satz 1 Nr. 3a–7 Nummer 3a208: Nach dieser Vorschrift wird bestraft, wer entgegen § 22b Abs. 2 WeinG209 eine geografische Bezeichnung benutzt. Nach § 22b Abs. 1 Nr. 1 WeinG sind dies Ursprungsbezeichnungen210 und geografische Angaben211. Außerdem schützt § 22b die in die Weinbergsrolle eingetragenen Lagen212 oder die eingetragenen Bereiche213 sowie die Namen von Gemeinden und

205 Ein Bereich ist die Zusammenfassung mehrerer Weinlagen, aus deren Erträgen Weine gleichartiger Geschmacksrichtung hergestellt zu werden pflegen und die in nahe beieinander liegenden Gemeinden desselben bestimmten Anbaugebietes gelegen sind. Die Namen der Bereiche sind in der Weinbergsrolle eingetragen und nur diese Namen dürfen verwendet werden. 206 Bergstraße, Bodensee, Breisgau, Kaiserstuhl, Kraichgau, Markgräflerland, Ortenau, Tauberfranken und Tuniberg. 207 Württembergischer Bodensee, Bayerischer Bodensee, Kocher-Jagst-Tauber, RemstalStuttgart, Oberer Neckar und Württembergisch Unterland. 208 Mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer 3a. entgegen § 22b Absatz 2 im geschäftlichen Verkehr eine geografische Bezeichnung benutzt. 209 (2) Geografische Bezeichnungen dürfen im geschäftlichen Verkehr nicht für Erzeugnisse benutzt werden, die nicht aus 1. der der Ursprungsbezeichnung oder der geografischen Angabe zugrunde liegenden geografischen Einheit oder 2. der in der Weinbergsrolle eingetragenen Lage oder dem dort eingetragenen Bereich oder 3. der bezeichneten Gemeinde oder dem Ortsteil stammen, wenn bei der Benutzung solcher Bezeichnungen eine Gefahr der Irreführung über die geografische Herkunft besteht. (3) § 128 Absatz 1 und 2 des Markengesetzes gilt entsprechend. 210 Definiert in Art 93 Abs. 1a, Unterabsatz 1 VO (EU) 1308/2013, gemeint sind die 13 deutschen Weinanbaugebiete (§ 3 Abs. 1 WeinG) – g.U. 211 Definiert in Art 93 Abs. 1b, Unterabsatz 1 VO (EU) 1308/2013, gemeint sind die 26 deutschen Landweingebiete (§ 2 WeinV) – g.g.A. 212 Die Anbaugebiete sind in Groß- und Einzellagen aufgeteilt, das Anbaugebiet Pfalz verfügt beispielsweise über 25 Großlagen „Schloß Ludwigshöhe“ , die wiederum in 326 Einzellagen aufgesplittet sind „Venninger Doktor“. 213 Die 13 Weinanbaugebiete (§ 3 Abs. 1 WeinG) sind überwiegend in Bereiche eingeteilt, das Anbaugebiet Pfalz beispielsweise das größte deutsche Anbaugebiet Rheinhessen in die Bereiche Bingen, Nierstein und Wonnegau und die Pfalz in zwei Bereiche: Südliche Weinstraße und Mittelhaardt/Deutsche Weinstraße.

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Ortsteilen, Nr. 3. Bei Benutzung der Bezeichnungen muss die Gefahr einer Irreführung über die Herkunft der Weine bestehen. Eine irreführende Bezeichnung könnte hier die „Liebfrauenmilch“ darstellen. Sowohl der flüchtige als auch der verständige, informierte Verbraucher sollte bei einer solchen Bezeichnung davon ausgehen können, dass der Wein, wie ursprünglich, nur aus der Weinbergslage214 an der Wormser Liebfrauenkirche stammt. Liebfrauenmilch darf heute gesetzliche legitimiert, außer in Rheinhessen auch in den Weinbaugebieten Nahe, Pfalz und Rheingau hergestellt werden, ohne jeglichen Bezug zur Wormser Liebfrauenkirche und deren umliegende Weinberge. Gesetzliche Voraussetzungen sind lediglich, dass der Wein „lieblich“215 ausgebaut und aus den Rebsorten Riesling, Silvaner, Müller-Thurgau oder Kerner hergestellt wurde, § 33 Abs. 1 WeinV.

Nach Nummer 4216 wird bestraft, wer Erzeugnisse mit irreführenden Bezeichnungen, Hinweisen, sonstigen Angaben oder Aufmachungen entgegen § 25 Abs. 1 WeinG in den Verkehr bringt, ein- oder ausführt oder zum Gegenstand einer Werbung macht217. § 25 Abs. 2 und 3 legen fest, was als irreführend anzusehen ist. § 25 erfasst nach seinem Wortlaut sämtliche Erzeugnisse. Art. 118 Unterabsatz 1 VO (EU) 1308/2013 legt jedoch fest, dass ab dem 13. Dezember 2004 die Lebensmittel-Informations-VO (EU) 1169/2011 auf die Kennzeichnung und Aufmachung von Erzeugnissen Anwendung findet. Ein Irreführungsverbot befindet sich in Art. 7 der vorgenannten Verordnung, so dass § 25 WeinG von dieser Vorschrift „überlagert“ wird. Da die LMIV nicht unmittelbar strafbewehrt ist, gilt § 25 WeinG weiter als tatbestandliche Grundlage der Strafvorschriften des nationalen Weingesetzes, die durch europarechtliche Vorschriften nicht verdrängt werden218.

214 Es wird in Einzellage und Großlage unterschieden. Eine Einzellage ist eine bestimmte Rebfläche, die in einer Gemeinde oder in mehreren Gemeinden desselben bestimmten Anbaugebietes gelegen, und als solche in der Weinbergsrolle eingetragen ist und mindestens 5 ha groß sein sollte. Mehrere Einzellagen sind in einer Großlage zusammengefasst. 215 Wert über halbtrocken bis max. 45 Gramm Restzucker. 216 Mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer 4. entgegen § 25 Abs. 1 ein Erzeugnis mit irreführenden Bezeichnungen, Hinweisen, sonstigen Angaben oder Aufmachungen in den Verkehr bringt, einführt, ausführt oder zum Gegenstand der Werbung macht. 217 Erzeugnisse dürfen nicht mit irreführenden Bezeichnungen, Hinweisen, sonstigen Angaben oder Aufmachungen in den Verkehr gebracht, eingeführt oder ausgeführt oder zum Gegenstand der Werbung gemacht werden. 218 Boch, Weingesetz, § 25 Rn. 1 mit Hinweis auf OVG Koblenz, 8 A 10050/15, Urteil vom 21. April 2015.

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Nummer 5219 stellt das Verarbeiten, Inverkehrbringen oder Einführen eines Getränks unter Strafe, das mit einem Erzeugnis verwechselt werden kann, ohne ein Erzeugnis zu sein, § 26 Abs. 2 WeinG. Nummer 6220 erfasst Verstöße gegen eine unmittelbar geltende Vorschrift in Rechtsakten der EU, welche das Inverkehrbringen, Ein- oder Ausführen oder Zum-Gegenstand-der-Werbung-machen eines Erzeugnisses mit irreführenden Bezeichnungen. Hierauf wird in der WeinSBV derzeit nicht verwiesen. Nummer 7221 ist besonders von der Entkriminalisierung des Weinstrafrechts betroffen, denn auf diese Vorschrift wird in der SBV derzeit nicht mehr verwiesen. Von Nummer 7 war bis zum 31. Dezember 2013 das durch § 4 Abs. 1 Nr. 1 WeinRV222 aufgestellte Verbot des vollständigen Auspressens der Trauben erfasst223, bevor es durch die WeinSBV zur Ordnungswidrigkeit herabgestuft wurde, § 10 Nr. 7 WeinSBV.

n) § 49 Satz 2 WeinG224 § 59 des Lebensmittelgesetzes (LFGB) führt über § 4 Abs. 1 Nr. 4 LFGB zu § 49 S. 2 WeinG, das grundsätzlich225 für Erzeugnisse des Weinbaus lex specia-

219 Mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer 5. entgegen § 26 Abs. 2 ein Getränk, das mit einem Erzeugnis verwechselt werden kann, ohne ein Erzeugnis zu sein, oder eine Vormischung für ein solches Getränk, verarbeitet, in den Verkehr bringt oder einführt. 220 Mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer 6. entgegen einer unmittelbar geltenden Vorschrift in Rechtsakten der Europäischen Gemeinschaft oder der Europäischen Union ein Erzeugnis mit irreführenden Bezeichnungen, Hinweisen, sonstigen Angaben oder Aufmachungen in den Verkehr bringt, einführt, ausführt oder zum Gegenstand der Werbung macht, soweit eine Rechtsverordnung nach § 51 für einen bestimmten Tatbestand auf diese Strafvorschrift verweist. 221 Mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer 7. einer unmittelbar geltenden Vorschrift in Rechtsakten der Europäischen Gemeinschaft oder der Europäischen Union zuwiderhandelt, die inhaltlich einer Regelung entspricht, zu der die in Nummer 3 genannten Vorschriften ermächtigen, soweit eine Rechtsverordnung nach § 51 für einen bestimmten Tatbestand auf diese Strafvorschrift verweist“. 222 Durchsetzungs-VO EU-Weinrecht (WeinRV), in Kraft bis zum 31. Dezember 2013. 223 „Vollständiges Auspressen von eingemaischten, nicht eingemaischten Weintrauben oder Traubentrester entgegen Anhang XV b Abschnitt D Nr. 3 S. 1 VO (EG) Nr. 1234/2007“, durch § 4 Abs. 1 Nr. 1 WeinRV erfasst, in Kraft bis 31.12.2013. 224 § 49 Satz 2: „§ 59 Absatz 2 Nummer 1 Buchstabe c des Lebensmittel- und Futtermittelgesetzbuches gilt für Erzeugnisse nach § 2 Nummer 1 oder Nummer 2 entsprechend“. 225 Ausnahmen befinden sich u.a. in § 1 Abs. 2 WeinG.

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lis zum Lebensmittelgesetz ist. § 49 S. 2 WeinG erweitert den Anwendungsbereich des LFGB. § 49 S. 2 wurde erst 2012226 in das Weingesetz eingefügt, § 59 Abs. 2 LFGB wurde 2011227 als Straftat ins LFGB eingefügt. Was zuvor als Ordnungswidrigkeit ausgestaltet war, wurde in Umkehr des Trends zur Entkriminalisierung richtigerweise zur Straftat erhoben. Die Vorschrift dient dem Gesundheits- und dem Verbraucherschutz, in dem die unverzügliche Rücknahme gefährlicher Lebensmittel angeordnet wird. Die Strafbarkeit nach § 49 S. 2 WeinG erfolgt in Verbindung mit § 59 Abs. 2 LFGB228. Die Rechtsfolge bestimmt sich nach § 59 Abs. 2 Nr. 1c, die aber aktuell mit derjenigen des § 49 S. 1 WeinG identisch ist – Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder Geldstrafe. Lebensmittel und damit auch Weinerzeugnisse sind danach unverzüglich vom Markt zu nehmen, wenn der Lebensmittelunternehmer229 erkennt oder Grund zu der Annahme hat, dass von ihm in Verkehr gebrachter Wein der Lebensmittelsicherheit nicht (mehr) entspricht, Art. 19 Abs. 1 S. 1 BasisVO (EG) Nr. 178/2002230.

226 Art. 1 Nr. 28b des Siebten Gesetzes zur Änderung des Weingesetzes vom 14.12.2012 (BGBl. I 2012, S. 2592). 227 Zweites Gesetz zur Änderung des LFGB und anderer Vorschriften vom 27. Juli 2011, Art. 1 Nr. 35b) (BGBl. I 2011, S. 1608 (1617). 228 § 59 LFGB: (1) Mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer… (2) Ebenso wird bestraft, wer 1. gegen die Verordnung (EG) Nr. 178/2002 verstößt, indem er c) entgegen Artikel 19 Absatz 1 Satz 1 ein Verfahren nicht, nicht vollständig oder nicht rechtzeitig einleitet, um ein Lebensmittel vom Markt zu nehmen…“. 229 „Lebensmittelunternehmen“ sind alle Unternehmen, gleichgültig, ob sie auf Gewinnerzielung ausgerichtet sind oder nicht und ob sie öffentlich oder privat sind, die eine mit der Produktion, der Verarbeitung und dem Vertrieb von Lebensmitteln zusammenhängende Tätigkeit ausführen“ (Artikel 3 Nr. 7 der VO (EG) Nr. 178/2002). 230 Art. 19 (1) „Erkennt ein Lebensmittelunternehmer oder hat er Grund zu der Annahme, dass ein von ihm eingeführtes, erzeugtes, verarbeitetes, hergestelltes oder vertriebenes Lebensmittel den Anforderungen an die Lebensmittelsicherheit nicht entspricht, so leitet er unverzüglich Verfahren ein, um das betreffende Lebensmittel vom Markt zu nehmen, sofern das Lebensmittel nicht mehr unter der unmittelbaren Kontrolle des ursprünglichen Lebensmittelunternehmers steht, und die zuständigen Behörden darüber zu unterrichten. Wenn das Produkt den Verbraucher bereits erreicht haben könnte, unterrichtet der Unternehmer die Verbraucher effektiv und genau über den Grund für die Rücknahme und ruft erforderlichenfalls bereits an diese gelieferte Produkte zurück, wenn andere Maßnahmen zur Erzielung eines hohen Gesundheitsschutzniveaus nicht ausreicht“.

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o) Konkurrenzen Außer vor allem mit Betrug (§ 263 StGB) und gefährlicher Körperverletzung (§§ 223, 224 StGB) können weinrechtliche Straftatbestände auch mit dem Verbrechenstatbestand der gemeingefährlichen Vergiftung (§ 314 Abs. 1 Nr. 2) in Konkurrenz treten231. Denkbar wäre hier ein Schwefelzusatz, der den gesetzlichen Maximalwert um ein Vielfaches überschreiten würde232 und hierdurch Konsumenten schwere Gesundheitsbeeinträchtigungen davon tragen233. Im Hinblick auf § 314, aber auch hinsichtlich der §§ 223 oder 224 StGB sind ferner Fälle denkbar, in denen verbotene Pflanzenschutzmittel234 verwendet werden oder erlaubte in einer Überdosis oder noch kurz vor der Ernte ohne Einhaltung der Karenzzeit235 verwendet werden und so in den Wein gelangen, insbesondere in den nur angegorenen „Federweißen“236, der schon Ende August zum Verzehr und Verkauf angeboten wird237, während andere Reben, auch in unmittelbarer Nachbarschaft zu den frühen Sorten, erst Mitte Oktober lesereif sind und zur Federweißenzeit noch mit Pflanzenschutzmitteln behandelt werden.

p) § 52 Einziehung Ist eine Straftat nach § 48 oder § 49 oder eine Ordnungswidrigkeit nach § 50 begangen worden, so können Gegenstände, auf die sich eine solche Straftat oder Ordnungswidrigkeit bezieht, und Gegenstände, die zu ihrer Begehung oder Vorbereitung gebraucht worden oder bestimmt waren, eingezogen werden. § 74 a

231 In der Polizeilichen Kriminalstatistik (PKS) im Jahrbuch 2017 sind insgesamt sechs, für 2016 vier Fälle erfasst, PKS, Bd. 4, § 314, S. 183. 232 Schwefelhöchstgrenzen (SO2): Bei trockenen Weinen zwischen 150 und 250 mg/l, bei edelsüßen Weinen zwischen 300 und 350 mg/l und bei Süßweinen liegt der Höchstwert bei 400 mg/l. Durch Kaiserliche Verordnung aus dem Jahr 1487 war die Schwefelung vollständig verboten, obwohl Schwefel als Konservierungsmittel schon seit Jahrhunderten bekannt war. 233 Ausführlich zur Schwefelung von Weinen und deren historische Anfänge, siehe Achtes Kapitel, 9., a), bb). 234 Das berüchtigte E 605 ist seit 1990 verboten und auch Restbestände dürfen seither nicht mehr verbraucht werden. 235 Insbesondere der Jahrgang 2016 erforderte wegen der Peronospara-Gefahr eine massiv erhöhte Anzahl der Behandlungen mit Fungiziden. 236 Verkehrsbezeichnung „teilweise gegorener Traubenmost“, der ab 1% Vol. ausgeschenkt oder sonst in den Verkehr gebracht werden darf und maximal 3/5 des durch vollständige Gärung erreichbaren Alkohols enthalten darf, Verordnung (EU) Nr. 1308/2013, Anhang VII, Teil II Abs. 11. 237 Meist aus den frühreifen Rebsorten Ortega, Siegerrebe oder Solaris.

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StGB ist anzuwenden238. § 52 stellt somit eine wesentliche Ergänzung der Strafund Bußgeldvorschriften dar. Die Einziehung ist jedoch nicht obligatorisch („können“); die Anordnung steht im Ermessen des Gerichts oder der Bußgeldbehörde. § 52 WeinG geht über § 74 Abs. 1 StGB insoweit hinaus, als auch eine fahrlässige Straftat genügt239. Bei einem verdorbenen Wein, der schon in Flaschen abgefüllt wurde, unterliegt auch das Behältnis der Einziehung, da beide eine Verkehrseinheit darstellen. Beruht die Verdorbenheit eines Weines auf einem nicht von Rückständen von Chemikalien gereinigten Fass, so kann sich die Einziehung nicht nur auf den verdorbenen Wein, sondern auch auf das ungereinigte Fass beziehen240. Eine unzulässige Etikettierung eines materiell ordnungsgemäß hergestellten Produktes kann berichtigt oder beseitigt werden, so dass die Verkehrsfähigkeit wieder hergestellt wird. Die Einziehung eines „nur“ gesetzwidrig etikettierten Weines ist zwar nicht ausgeschlossen, verstößt aber in der Regel gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, da eine Umetikettierung insoweit das mildere Mittel darstellt241. Ein Vorbehalt der Einziehung ist möglich, § 74 b Abs. 2 StGB. Dem Täter kann zur Auflage gemacht werden, Etikettierungen zu beseitigen und eine gesetzeskonforme Bezeichnung zu wählen. Befolgt der Täter die Auflage und veranlasst eine Umetikettierung, wird der Vorbehalt der Einziehung aufgehoben, andernfalls ordnet das Gericht die Einziehung nachträglich an, § 462 Abs. 1 S. 2 StPO242. Ist die Einziehung im Urteil erfolgt, können auch noch nachträglich Maßnahmen ergriffen werden, beispielsweise Umetikettierung oder Herabstufung des Weines vom Prädikats- zum Qualitätswein, um die Vernichtung zu verhindern, § 82 StVollstrO243. Bei gesundheitlicher Unbedenklichkeit des Weines kann zur Vermeidung unbilliger Härten durch Ausnahmegenehmigung244 zugelassen werden, dass vorschriftswidrige Erzeugnisse entgegen § 27 Abs. 1 WeinG dennoch in den Verkehr gebracht dürfen, wenn die Abweichung von den geltenden Vorschriften

238 239 240 241 242 243 244

Boch, Weingesetz, § 52 Rn. 5. Boch, WeinG, 6. Online-Auflage 2018, § 52 Rn. 1. Ders., § 52 Rn. 3. Brehmeier-Metz in Erbs / Kohlhaas, Strafrechtliche Nebengesetze, WeinG, § 52 Rn. 5. Brehmeier-Metz in Erbs / Kohlhaas, a.a.O., § 52 Rn. 5. Ebd. Verwaltungsakt gem. § 35 Satz 1 VwVfG.

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„gering“ ist, so § 2 Abs. 1 WeinÜV, der in § 27 Abs. 2 WeinG seine Ermächtigungsgrundlage hat.

VI. Strafbestimmungen im Zusammenhang mit Obstweinen Kurz eingegangen sei schließlich noch auf die Verordnung über bestimmte alkoholhaltige Getränke (AGeV)245, die nicht nur dem Schutz der Verbraucher, sondern gerade auch dem Schutz der Weinwirtschaft dient und das Inverkehrbringen von Obstweinen regelt246. Apfel-, Birnen- und sonstige Obstweine fallen nicht unter § 2 Nr. 1, 2 WeinG und sind mithin kein Erzeugnis des Weinbaus, sondern weinähnliche Getränke gem. § 10 Abs. 1 AGeV. Nach § 59 Abs. 1 Nr. 21 LFGB247 wird bestraft, wer einer der dort genannten Rechtsverordnungen zuwiderhandelt und diese Verordnung für einen bestimmten Tatbestand auf Nr. 21 LFGB verweist. § 59 Abs. 1 Nr. 21a des Lebensmittelgesetzes (LFGB)248 i.V.m. § 12 Nr. 1d AGeV stellt das gewerbsmäßige Inverkehrbringen von Obstweinen unter Strafe,

245 Verordnung über bestimmte alkoholhaltige Getränke (Alkoholhaltige Getränke-Verordnung – AGeV) in der Fassung der Bekanntmachung vom 30. Juni 2003 (BGBl. I S. 1255), zuletzt geändert durch Artikel 5 der Verordnung vom 18. Juni 2014 (BGBl. I S. 798). 246 Diese waren in § 10 WeinG 1930 geregelt; trotz Inkrafttretens der AGeV befindet sich noch ein Verweis auf die Anwendung des WeinG 1930 in § 56 Abs. 9 WeinG 1994. 247 § 59 Abs. 1 Nr. 21: „(1) Mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer… 21. einer Rechtsverordnung nach a) § 7 Absatz 2 Nummer 1, 2, 3 oder 5, § 8 Absatz 2 Nummer 2, § 9 Absatz 2 Nummer 1 Buchstabe b, § 13 Absatz 1 Nummer 4, 5 oder Nummer 6, Absatz 3 Satz 1 oder Absatz 4 Nummer 1 Buchstabe a, b oder c oder Nummer 2, § 29 Absatz 1 Nummer 3, § 31 Absatz 2 Satz 1, § 32 Absatz 1 Nummer 4 Buchstabe b, auch in Verbindung mit § 28 Absatz 1 Nummer 2, § 32 Absatz 1 Nummer 7, § 33 Absatz 2, § 34 Satz 1 Nummer 3 oder 4, § 56 Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 oder Absatz 4 Nummer 2 in Verbindung mit Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 oder § 57 Absatz 7 Satz 1 Nummer 3 Buchstabe c in Verbindung mit § 56 Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 oder b) § 13 Absatz 5 Satz 1 Nummer 1 oder einer vollziehbaren Anordnung aufgrund einer solchen Rechtsverordnung zuwiderhandelt, soweit die Rechtsverordnung für einen bestimmten Tatbestand auf diese Strafvorschrift verweist. 248 Lebensmittel-, Bedarfsgegenstände- und Futtermittelgesetzbuch (Lebensmittel- und Futtermittelgesetzbuch – LFGB) in der Fassung der Bekanntmachung vom 3. Juni 2013 (BGBl. I S. 1426), zuletzt geändert durch Artikel 1 der Verordnung vom 24. November 2016 (BGBl. I S. 2656).

Gesetzgebung nach 1945

195

denen Erzeugnisse des Weinsektors zugegeben wurden oder die nicht ausdrücklich als Obstwein deklariert worden sind. § 12 Abs. 1 Nr. 8 AGeV249 füllt diese Blankettvorschrift des § 59 Abs. 1 Nr. 21a LFGB aus. Danach wird bestraft, wer vorsätzlich entgegen § 10 Abs. 8 AGeV250 oder § 11 Satz 1 AGeV ein dort genanntes Getränk gewerbsmäßig in den Verkehr bringt. Nach § 10 Abs. 8 AGeV wiederum dürfen die in den Absätzen 1 bis 4 bezeichnete Getränke251, bei denen nach Absatz 5 nicht zulässige Erzeugnisse des Weinbaus252 verwendet worden sind, gewerbsmäßig nicht in den Verkehr gebracht werden. Ein Apfelwein, dem Traubenmost oder Wein zugesetzt wurde, ist nicht verkehrsfähig und darf gewerblich nicht in den Verkehr gebracht werden253, im Bekannten- und Verwandtenkreis jedoch verzehrt werden. Bei fahrlässigen Verstößen verweist § 13 AGeV auf § 60 Abs. 1 LFGB. § 60 Abs. 1 LFGB enthält allerdings zwei OWiG-Tatbestände mit unterschiedlichem Bußgeldrahmen, so dass § 13 AGeV nicht dem Bestimmtheitsgebot entspricht. § 13 habe aber nur klarstellende Bedeutung, weil die Ahndung bereits in § 60 LFGB „konstitutiv bestimmt“ sei254.

Begriff des „Weins“ (§ 11 Abs. 1 AGeV): Wein war und ist nur jenes Getränk, das aus der Weintraube, der Frucht der Weinrebe (Vitis vinifera), hergestellt wurde255. Die EU-Mitgliedstaaten können die Verwendung des Begriffes „Wein“ auch gestatten für Erzeugnisse, die durch Gärung anderer Früchte als Weintrauben gewonnen wurden, wenn diese mit dem Namen einer Frucht als

249 Nach § 59 Abs. 1 Nr. 21 Buchstabe a des Lebensmittel- und Futtermittelgesetzbuches wird bestraft, 1. wer…d) „entgegen § 10 Abs. 8 oder § 11 Satz 1 ein dort genanntes Getränk gewerbsmäßig in den Verkehr bringt“. 250 Verordnung über bestimmte alkoholhaltige Getränke (Alkoholhaltige Getränke-Verordnung – AGeV) in der Fassung der Bekanntmachung vom 30. Juni 2003 (BGBl. I S. 1255), zuletzt geändert durch Artikel 5 der Verordnung vom 18. Juni 2014 (BGBl. I S. 798). 251 Weinähnliche Getränke (Nr. 1), perlweinähnliche Getränke (Nr. 2), schaumweinähnliche Getränke (Nr. 3) und verarbeitete Getränke der Nrn. 1–3 (Nr. 4). 252 Erzeugnisse des Weinbaus sind nach § 2 Nr. 1 WeinG: „Erzeugnisse. die a) die in den Rechtsakten der Europäischen Gemeinschaft oder der Europäischen Union genannten Erzeugnisse des Weinbaus ohne Rücksicht auf ihren Ursprung, b) aromatisierter Wein, aromatisierte weinhaltige Getränke, aromatisierte weinhaltige Cocktails (aromatisierte Weinerzeugnisse) und c) weinhaltige Getränke“. Weinhaltige Getränke sind nach § 2 Nr. 2 WeinG: „Unter Verwendung von Erzeugnissen des Weinbaus hergestellte, üblicherweise unverändert dem Verzehr dienende nicht aromatisierte alkoholische Getränke, wenn der Anteil der Erzeugnisse im fertigen Getränk mehr als 50 vom Hundert beträgt und bei der Herstellung eine Gärung nicht stattgefunden hat“. 253 So schon § 10 Abs. 2 WeinG 1930. 254 So Rathke in Zipfel / Rathke, Lebensmittelrecht, 171. EL, Juli 2018, § 13 AGeV. 255 Aktuell: VO (EU) 1308/2013, Anhang VII, Teil II, Abs. 1 S. 1.

196

Siebentes Kapitel

zusammengesetzter Ausdruck verbunden sind, wobei jede Verwechslung mit Erzeugnissen des Weinsektors zu vermeiden ist. Der deutsche Gesetzgeber hat hiervon Gebrauch gemacht und in § 11 Satz 1 AGeV festgelegt, dass die in § 10 Abs. 1 bis 4 und 7 bezeichneten Getränke als „Wein“ nur in solchen Wortverbindungen „in den Verkehr gebracht werden“ dürfen, die die in § 10 Abs. 1 aufgeführten Ausgangsstoffe kennzeichnen, aus denen sie hergestellt sind. Wer Wein aus Äpfeln oder Birnen in Verkehr bringt, muss mithin als Bezeichnung Apfelwein, Birnenwein etc. verwenden. Die Angabe der Frucht kann entfallen, wenn ein Gattungsname gebraucht wird, beispielsweise Obstwein. § 11 Abs. 1 spricht dem Wortlaut nach nur von einem „Inverkehrbringen“. Auch eine unentgeltliche Überlassung, ein Geschenk, ist ein Inverkehrbringen, so dass auch das Verschenken eines Apfelweines256 mit der Bezeichnung „Wein“ ohne Zusatz Apfel…gegen § 11 Satz 1 verstoßen würde. Strafbar nach § 12 Abs. 1d AGeV ist aber nur das „gewerbsmäßige Inverkehrbringen“, so dass eine Weitergabe von Fruchtweinen im privaten Bereich hiernach nicht strafbar ist.

256 An der Mosel „Viez“ und im Frankfurter Raum „Äppelwoi“.

Achtes Kapitel: Zusammenfassung und Würdigung I. Reformvorschläge Der Weingesetzgeber lässt schon seit dem ersten deutschen Weingesetz 1892 die gesetzlich festgelegten Tatbestände der Strafbestimmungen an anderer Stelle durch sogenannte „normative Tatbestandsausschlüsse“ ins Leere laufen. In der weinrechtlichen Literatur wird dies auch als „normative Irreführung“ oder überspitzt auch als „normatives Unrecht“ bezeichnet, das sowohl Verbraucher- und damit auch Rechtsgüterschutz, soweit dies überhaupt Intention der Weingesetze war, letztlich ins Gegenteil verkehren.

1. Weingesetze 1892–1971 Das erste WeinG 1892 wies vage Strafvorschriften in den §§ 7–9 auf, § 10 bestimmte, dass die erweiterten Strafvorschriften des § 10 NMG betreffend die Verfälschung und Nachahmung von Lebensmitteln ergänzend gelten sollten, jedenfalls dann, wenn das WeinG 1892 keine „entgegenstehenden Bestimmungen“ enthielt. Die Anwendung der Strafvorschriften des NMG 1879 wurde durch § 3 WeinG 1892 insoweit ausgeschlossen, als die „anerkannte Kellerbehandlung“1 und „Haltbarmachung“ des Weines, u.a. der Verschnitt und die Zugabe von Zuckerwasser, ausdrücklich keine Verfälschung oder Nachmachung von Wein darstellen, soweit nicht der Eindruck erweckt wurde, es handele sich um Naturwein. Der gleiche Ausschluss erfolgte durch § 2 WeinG 1901. Das WeinG 1909 enthielt in den §§ 26–32 einen weitreichenden Tatbestandskatalog, von dessen Anwendung jedoch einige Tatbestände, wie die vorgenannte Kellerbehandlung ausgeschlossen waren, sowie diese „es erfordert“, § 4 WeinG 1909. Durch das WeinG 1930 sollte der Verschnitt mit ausländischen Weinen endgültig unterbunden werden, nicht jedoch ohne gleichzeitig zu erlauben, „deutschem Rotwein bis zu einem Viertel der Gesamtmenge ausländischen Rotwein zuzusetzen2. Für den Jahrgang 1939 durfte aufgrund eines Erlasses des Reichsministeriums des Inneren3 dieser Zusatz sogar bis auf ein Drittel der Gesamtmenge 1 2 3

Klärungsmittel wie Eiweiß, Gelatine, Hausenblase etc. Dippel, 100 Jahre deutsches Weinrecht, S. 232. RdErl. vom 18.1.1940 (MiBliV, S. 134), abgedruckt bei Holthöfer-Nüse, WeinG, 1958, S. 181.

https://doi.org/10.1515/9783110682816-010

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Achtes Kapitel

erhöht werden. Sechzig Jahre, bis zum 30. Juni 1989, hat es gedauert, diesen qualitätswidrigen „Deckrotweinpragraphen“ durch § 63 WeinG 1971, dessen Geltungsdauer in der Folge mehrfach verlängert wurde, gegen zähe Widerstände abzuschaffen4. Das WeinG 1971 führte sodann die Begriffe Großlagen und Einzellagen ein, die bis heute auf den Weinetiketten verwendet werden dürfen, ohne dass der Weinkonsument erkennen kann, ob der Wein in einer Groß- oder Einzellage gewachsen ist.

2. Herkunft des Weines – „Geburtsort“ a) Anbaugebiet Qualitäts- und Prädikatsweine müssen zu einhundert Prozent aus dem angegebenen Anbaugebiet5 stammen, auch die zugesetzte Süßreserve6. Als Landwein darf Wein nur bezeichnet werden, wenn er zu 85% aus dem angegebenen Landweingebiet7 stammt, die restlichen 15% dürfen einem anderen deutschen Landweingebiet stammen. Ein Landwein Rhein könnte mithin Wein aus allen 26 deutschen Landweingebieten enthalten, sofern die 15%-Grenze eingehalten wird. Deutscher Wein, vormals Tafelwein (bis 1971 Tischwein) muss zu 100% aus Trauben stammen, die in Deutschland geerntet wurden. Reformvorschlag: Anbaugebiet und Deutscher Wein (Tafelwein) sind nach ihrer Herkunft eindeutig bestimmbar, Landwein sollte ebenfalls zu 100% aus dem angegebenen Landweingebiet stammen, die 15%-Grenze ist im Hinblick auf den Verbraucherschutz aufzuheben.

b) Bereiche Bereiche sind, wie auch die umstrittenen Großlagen, eine „Erfindung“ des deutschen Weingesetzes von 1971. Sie wurden eingerichtet, um großen Weinvermarktern wie Genossenschaften oder Abfüllkellereien die Möglichkeit zu geben, große Mengen Wein unter einheitlichen Namen zu vermarkten und dabei an Stelle der wenig imageträchtigen Namen des jeweiligen Anbaugebiets lagenähnliche Bezeichnungen verwenden zu können. Dass dies in gewisser Hinsicht 4 5

6 7

So Dippel, a.a.O., S. 232 13 deutsche Qualitäts- und Prädikatsweingebiete: Ahr, Baden, Franken, Hessische Bergstraße, Nahe, Mittelrhein, Mosel, Pfalz, Rheingau, Rheinhessen, Saale-Unstrut, Sachsen, Württemberg. Unvergorener Traubenmost, meist der gleichen Rebsorte. 26 deutsche Landweingebiete, § 2 WeinV.

Zusammenfassung und Würdigung

199

einer Täuschung des Verbrauchers Vorschub leistete, der allein durch die Lektüre des Etiketts nicht mehr in der Lage war, zwischen dem Wein kleinerer Einzellagen mit ausgeprägtem geschmacklichem Terroircharakter und einem notwendigerweise anonymeren Massenprodukt zu unterscheiden, ist schlimm genug; die Einrichtung von Bereichen und Großlagen wird aber sicherlich dort zur normativen Irreführung, wo ihre Grenzen mit denen des Anbaugebiets deckungsgleich sind wie beispielsweise an der Ahr – der Bereich Walporzheim/Ahrtal und die Großlage Klosterberg sind identisch mit dem Anbaugebiet – oder im Rheingau. Dort ist der einzige Bereich, Johannisberg, mit dem Anbaugebiet identisch, trägt aber (fast) den Namen der berühmtesten Einzellage, Schloss Johannisberg. Qualitätsbewusste Winzer weigern sich deshalb, Bereichs- oder Großlagennamen auf ihren Etiketten zu führen. Insgesamt gibt es in den deutschen Anbaugebieten 50 Bereiche: Walporzheim/Ahrtal (Ahr), Bodensee, Markgräflerland, Tuniberg, Kaiserstuhl, Breisgau, Ortenau, Kraichgau, Badische Bergstraße, Tauberfranken (Baden), Alzenauer Weinregion, Churfranken, Main Himmelreich, Frankens Saalestück, Mittelmain, MainSüden, Volkacher Mainschleife, Weinpanorama Steigerwald, Schwanberger Land, Abt Degen Weintal, Weinparadies, Mittelfränkische Bocksbeutelstraße (Franken), Umstadt, Starkenburg (Hessische Bergstraße), Loreley, Siebengebirge (Mittelrhein), Burg Cochem, Bernkastel, Obermosel, Saar, Ruwertal, Moseltor (Mosel), Nahetal (Nahe), Südliche Weinstraße, Mittelhaardt/Deutsche Weinstraße (Pfalz), Johannisberg (Rheingau), Bingen, Nierstein, Wonnegau (Rheinhessen), Schloß Neuenburg, Thüringen, Mansfelder Seen (Saale-Unstrut), Meißen, Elstertal (Sachsen), Remstal-Stuttgart, Württembergisch Unterland, Kocher-Jagst-Tauber, Oberer Neckar, Württembergischer Bodensee, Bayerischer Bodensee (Württemberg).

Reformvorschlag: Abschaffung der Bereiche und damit Stärkung der Anbaugebiete. Ein Pfalzwein benötigt keine Unterteilung in den Bereich Südliche Weinstraße oder Mittelhaardt/Deutsche Weinstraße, die Bereiche gehen ineinander über und die größte Entfernung zwischen diesen beiden Bereichen beträgt gerade einmal 40 km. Vonnöten wäre die Bereichsangabe beim Landwein Rhein8, der diese Bezeichnung für Landweine der Mosel ebenso tragen darf wie ein Rheinhessischer Landwein oder selbst ein Wein, der in Altenahr an der Ahr gewachsen ist oder in Saarburg an der Saar. Hier wäre eine Bereichsangabe hilfreich, damit der Verbraucher zumindest grob erkennen kann, woher der Wein tatsächlich stammt.

c) Großlagen Durch das Weingesetz 1971 wurden viele (bekannte) Einzellagen bzw. Gemarkungen zu Großlagen zusammengefasst, um eine bessere Vermarktung der 8

§ 2 Nr. 9 WeinV.

200

Achtes Kapitel

Weine zu gewährleisten. So entstanden Großlagen, die sich teilweise über mehrere Gemeinden erstrecken. Als Großlagen wurden beispielsweise im Anbaugebiet Pfalz die bekannte Einzellage „Gimmeldinger Meerspinne“ ausgewiesen, unter Einschluss der Weinberge der Nachbargemeinden, die auch vom guten Ruf dieser Bezeichnung profitieren sollten. Der Einzellage „Forster Mariengarten“ ging es ähnlich. Es sind derzeit 164 Großlagen registriert mit einer Durchschnittsgröße von 600 ha, die Bandbreite reicht bis zu 1.800 ha. Die Großlage, die nach der Intention des Weingesetzgebers eine Zusammenfassung von Einzellagen darstellen soll, auf denen die gleichen Weine wachsen (sollen), wurde seit jeher als Verbrauchertäuschung gewertet9. Großlagen weisen vielfach völlig unterschiedliche Böden und Kleinklimata auf, sind als Großlagen nicht ausgewiesen und werden folglich auch von einem informierten, mündigen Verbraucher auf den ersten Blick als individuelle Weine einer Einzellage verstanden. Zudem darf ihnen der sogenannte „Leitgemeindename“ auch dann vorangestellt werden, wenn aus der angegebenen Gemarkung nicht ein einziger Tropfen Wein stammt. „Die Lobby erreichte, dass diese Möglichkeit, Verbraucheraufklärung und Bezeichnungswahrheit als Anliegen der Weinwirtschaft glaubhaft zu machen, 1994 nicht genutzt wurde“10. In der Praxis sind Großlagenweine kommerzielle Abfüllungen, ein Verschnitt aus Trauben unterschiedlicher Einzellagen innerhalb eine Großlage. Beispielsweise die bekannte Großlage „Schloß Ludwigshöhe“ in Edenkoben, dem Sommersitz von König Ludwig I. von Bayern, die aus elf – im Hinblick auf Böden und Kleinklima völlig unterschiedlichen – Einzellagen besteht, wovon zwei außerhalb der Gemeindegrenze liegen, und auch eine Nachbargemeinde erfasst. Auch im Hinblick auf viele Kleinwinzer, die etwa durch kleine Parzellen in Einzellagen ihre Fässer nicht füllen können und aus verschiedenen Einzellagen den Wein unter einer Großlage vermarkten, ist es letztlich nicht hilfreich, gute bis hervorragende Einzellagen mit anderen „Nordhängen“ als Großlagennamen zu vermarkten. Der Kleinwinzer sollte es daher vorziehen, auf den Lagennamen ganz zu verzichten, denn die Angabe einer Lage ist eine weingesetzlich fakultative Angabe. Reformvorschlag: Die Großlagen führen zur Irreführung des Verbrauchers und sind abzuschaffen. Das Weingesetz 1971 hat hier ein Phantom geschaffen, das

9 10

So Koch, NJW 1994, 2880. Ebd.

Zusammenfassung und Würdigung

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baldigst aus der Welt geschaffen werden sollte, was bei beim Weinrechts-Reformgesetzes 1994 verabsäumt wurde. Nicht einmal der Gesetzgeber11 differenziert nach Groß- und Einzellage, obwohl hier erhebliche Unterschiede bestehen. Es ist sogar verboten, die Verbraucher darauf hinzuweisen, dass es sich bei der angegebenen Lage nicht um eine Einzellage, sondern um eine Großlage handelt. Das deutsche Weingesetz verpflichtet den Erzeuger hier, „auf dem Etikett die Wahrheit zu verschweigen“12.

d) Einzellagen Eine Einzellage, die zumeist in einer Großlage gelegen ist, soll nach dem Weinlagengesetz mindestens 5 ha groß sein13, Allein das Anbaugebiet Pfalz mit seinen zwei Bereichen und 25 Großlagen verfügt über 326 Einzellagen. Auch hinsichtlich der Lagenangabe wird nur eine „relative“ Wahrheit in der Etikettierung verlangt. So müssen nur 85% der Trauben aus der angegebenen Lage stammen. Ist der Wein mit Traubenmost gesüßt, darf der „nicht namengebende Anteil“ einschließlich dieser sogenannten Süßreserve bis zu 25% betragen14. Dennoch ist durch die Lagenangabe der „Geburtsort“ des Weines für die Weinkonsumenten erkennbar und gilt als Prestigeobjekt eines jeden Weinetikettes. Statt die Einzellagen zu stärken, geht der rheinland-pfälzische Gesetzgeber jedoch gegenteilige Wege und verknüpft die Einzellagen mit den Qualitätsanforderungen für Kabinett-Weine. So wurde 2014 für Weine aus althergebrachten Einzellagen ein Mindestmostgewicht festgelegt, das für Kabinettweine zu gelten hat. Weine, die dieses Mostgewicht nicht erreichen, dürfen künftig nicht mehr mit einer Einzellage versehen werden15. Das mag für „oechslereiche“ Rebsorten wie Gewürztraminer oder Regent unproblematisch sein, bei Mode- und Trinkweinen wie Dornfelder und Portugieser wird diese Messlatte aber oft gerissen. Das Mindestmostgewicht für Dornfelder wurde für Qualitätsweine auf lediglich 68° festgelegt, in schlechten Jahren sogar auf 65° reduziert, so dass ohne drastische Mengenreduzierung ein Wert von 73° Oechsle, dem Minimum für Kabinett-Weine, kaum erreichbar und damit die Bezeichnung Einzellage verlustig geht. Zudem scheint der Landesgesetzgeber hier auch zu übersehen, dass in den sechs rheinland-pfälzischen Anbaugebieten 11 12 13 14 15

In § 23 Abs. 3 WeinG, § 29 Abs. 1 S. 1 WeinV. So sehr deutlich Hieronimi, a.a.O., GRUR 1987, 156. Weinlagengesetz RLP vom 1.6.1970 (GVBl. S. 184); § 29 Abs. 1 S. 1 WeinV. Artikel 67 Abs. 2 Unterabsatz 1 VO (EG) Nr. 607/2009, § 24 Abs. 2 WeinG, § 40 WeinV. Landesverordnung zur Änderung weinrechtlicher Vorschriften vom 3. Juli 2014, GVBl. RLP vom 31. Juli 2014, S. 135.

202

Achtes Kapitel

unterschiedliche Mindestmostgewichte festgelegt wurden, so dass die Lagenangabe an der Mosel bei gleichem Oechsle-Grad beispielsweise an Ahr und Mittelrhein nicht erfolgen darf. Reformvorschlag: Stärkung der Einzellagen durch gesetzliche Vorgaben hinsichtlich hundertprozentiger Herkunft des Weines aus der angegebenen Einzellage. Rückgängigmachung der Mindestmostgewichte für Einzellagen, da hierdurch Weine mit guten bis besten Vermarktungsaussichten, die (auch) rebsortenbedingt das geforderte Mindestmostgewicht nicht erreichen, von der Lagebezeichnung ausgenommen sind. Weinbaupolitisch macht der rheinlandpfälzische Gesetzgeber mit einer solchen Auflage zudem einen Rückschritt von der auf Europa- und Bundesebene begonnenen Umkehr der Klassifizierung der Qualität nach Herkunft (ggA, gU) hin zum allein bestimmenden Zuckergehalt des Mostes. Gleiches gilt für die Steillagen, die ebenfalls von dieser Mindestmostgewicht-Auflage betroffen sind, auch wenn dies keine Herkunftsbezeichnung, sondern ein Herstellungsverfahren betrifft.

3. Oechsle-Grad-Bestimmung Die Weinqualität wird in Deutschland – wie bereits ausgeführt – durch den natürlichen Zuckergehalt der Trauben bestimmt. Der Winzer bestimmt mit der Oechsle-Waage das Mostgewicht16 und legt damit selbst im Kelterhaus beispielsweise die Spätlese-Qualität fest. Die Bestimmung des Mostgewichtes ist keine lästige Formalie, sondern es geht hier um die Einstufung eines Weines als Land-, Qualitäts- oder Prädikatswein, was auch auf die Vermarktungschancen und -gewinne nicht unerhebliche Auswirkungen hat. Reformvorschlag: Telefonische oder elektronische Übermittlung des Mostgewichtes in Grad Oechsle noch am Lesetag an eine Kontrollbehörde (Landwirtschaftskammer, Weinbauamt etc.), damit kurzfristige Kontrollmöglichkeiten sichergestellt sind.

4. Erhöhung des natürlichen Alkoholgehaltes – Anreicherung a) Trockenzuckerung des Mostes Die Hinzufügung von Trockenzucker (Rüben-/Rohrzucker) als sogenannte „Anreicherung“ ist gesetzlich erlaubt, § 15 WeinV. Die Nass-Zuckerung17, die auf 16 17

Beispielsweise: Mostgewicht von 1050 G/L = 50° Oechsle. Beigabe des Zuckers in Wasser gelöst (Zuckerwasser).

Zusammenfassung und Würdigung

203

Ludwig Gall (1791–1863) zurückgeht, wurde durch das WeinG 1971 verboten18. Durch eine Verordnung des Ministerrates der Europäischen Gemeinschaften vom 18. Februar 1980 wurde die Nasszuckerung letztmalig erlaubt bis zum 15. März 1984. Dies galt allerdings nur für Rebsorten, die „verhältnismäßig saure Trauben liefern“ und nur für bestimmte nördliche Weinanbaugebiete, in denen dieses Verfahren traditionell und üblich war, wie Mosel-SaarRuwer (heute Mosel)19. Bei der blauen Rebsorte Dornfelder wurde der natürliche Mindestalkoholgehalt (Mostgewicht) auf lediglich 68° Oechsle festgelegt, was bei vollständiger Vergärung einem tatsächlichen Alkoholgehalt des Weines von 8,8% vol. Alkohol entspricht. Die Erhöhung des Alkoholgehalts durch Anreicherung mit Zucker ist bis zu 3% vol. (= 24 Gramm Alkohol/l) weingesetzlich gestattet20. Bei 10.000 Liter Wein sind dies immerhin etwa 10 Zentner Rübenzucker, die einem Dornfelder beigegeben werden, damit sich der mit 68°-Oechsle21 erzielbare Alkoholgehalt von 8,8% vol. auf 11,8% vol. erhöht: Da dieser Wert für Rotweine immer noch im unteren Bereich angesiedelt ist, kann – wie erwähnt – aufgerundet werden, so dass auf dem Etikett dann 12% vol. erscheint. Obwohl die Beigabe von Zuckerwasser seit dem WeinG 1971 verboten ist, kann nicht übersehen werden, dass 1 Kilogramm (Trocken-)Zucker die Quantität des Mostes um 0,6 Liter erhöht, bei 250 Kilogramm Zucker immerhin um 150 Liter.

b) Zuckerungsfrist Die Anreicherungsfrist war durch das WeinG 1909 auf den 31. Dezember festgelegt. Das Weingesetz 1930 hat diese Frist dann bis zum 31. Januar des Folgejahres verlängert, da in einigen Anbaugebieten die Traubenlese noch bis weit in den November hinein erfolgte. Das Weingesetz 1971 hat den Winzern die Zuckerung dann bis zum 31. März gestattet, aktuell ist der Stichtag der 16. März des der Ernte folgenden Jahres. Angesichts der frühen Lese im September/Oktober ist diese Frist verfehlt. Die Zugabe von Zucker Mitte März lässt nicht erwarten, dass dieser Zucker, auch nur in Teilen, vergären wird, ohne dass eine 18 19 20

21

Ausführlich Monz, Heinz: „Ludwig Gall – Retter der Moselwinzer oder Weinfälscher?“ in: Schriften zur Weingeschichte Nr. 57, Wiesbaden 1981. Art. 1 und 3 der Verordnung (EWG) Nr. 459/80, Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften Nr. L57 vom 29. Februar 1980, S. 32 ff. VO (EU) 1308/2013, Anhang VIII, Teil I, A) 2a); in Jahren mit „außergewöhnlich ungünstigen Witterungsverhältnissen“ ist eine Erhöhung um 3,5% vol. zulässig, Teil I, A 3). Ausnahme Baden (Weinbauzone B) 2% vol./2,5% vol. Dieses Mindestmostgewicht wurde in den Jahren 2014, 2016 und 2017 herabgesetzt auf 65°, was einem natürlichen Alkoholgehalt von 8,3% vol. entspricht.

204

Achtes Kapitel

„zweite Gärung“ durch eine erneute Zugabe von Hefen eingeleitet wird, was mit einem Qualitätsweinbau schwerlich in Einklang stehen kann. Reformvorschlag: Wird dem Qualitätswein Zucker zugesetzt, der nicht „überwiegend“ vergärt ist, verbleibt hier ein Teil des Rübenzuckers im Wein22. Hierauf sollte auf dem Etikett hingewiesen werden. Bei durchgegorenen Weinen ist die Angabe, dass vor der Gärung Zucker zugesetzt wurde, welcher vollständig vergärt ist, im Hinblick auf Gesundheits- und Verbraucherschutz nicht erforderlich. Die Zuckerungsfrist ist im Hinblick auf den Verbleib des Rübenzuckers im Wein wieder auf den 31. Dezember festzulegen. Eine Anreicherung im März, wenn die Hauptgärung längst abgeschlossen ist, kann ohne Einleitung einer zweiten Gärung durch erneutes Zugeben von Hefen nicht mehr zur vollständigen oder zumindest überwiegenden Vergärung des zugegebenen Zuckers erfolgen.

5. Weinarten – „Blanc de Noir“ Das deutsche Weinrecht sieht vier Weinarten vor: Weißwein, Rotwein, Roséwein und Rotling. Weißwein entsteht gemeinhin durch Vergärung des Traubenmostes weißer Trauben. Es ist aber auch möglich, und dies wird mittlerweile auch praktiziert, Weißwein aus roten Trauben herzustellen. Der französische Begriff „Blanc de Noir“23 taucht immer öfter auf deutschen Weinetiketten auf und ist zum einen hinsichtlich der Sprache, wie auch der „erfundenen“ Weinart nicht unproblematisch. Blanc de Noir ist kein Weißwein, da er nicht aus weißen Trauben hergestellt ist, auch kein Rosé-Wein, da es ihm an der hierzu erforderlichen „blass bis hellroten Farbe“ fehlt und auch kein Rotwein. Es bliebe die Bezeichnung Weißherbst, wenn der Wein zumindest zu 95% aus der angegebenen Traube hergestellt ist. Eine Farbvorgabe – wie bei Rosé – wird bei Weißherbst nicht verlangt. Dennoch kommt beispielsweise die Bezeichnung „weißweinfarbiger Weißherbst“ nicht in Betracht, da es sich bei Weißherbst um einen sog. traditionellen Begriff handelt, der gemäß Art. 121 Abs. 2 VO (EU) 1308/2013 in der Sprache anzugeben ist, auf die sich der Schutz erstreckt, mithin in deutscher Sprache. Als „erfundene“ fünfte Weinart ist die Bezeichnung an den Vorgaben der allgemeinen Lebensmittelinformationsverordnung (LMIV) zu messen. Nach deren § 15 sind Informationen in der Sprache des Mitgliedslandes „in leicht verständlicher Sprache“ abzufassen. Die Informationen dürfen 22

23

Aktuell: OVG Koblenz, Urteil vom 27. Februar 2018, 8A 11751/17: Bei einer Zuckerung am 10. März waren von dem zugesetzten Zucker lediglich 10 Prozent vergärt und 90% des Rübenzuckers verblieben im Wein. Das Gericht wertete dies richtigerweise nicht (mehr) als Anreicherung, sondern als verbotene Süßung, die im Gegensatz zur Anreicherung nicht mit Zucker erfolgen darf. Weißer Wein aus blauen Trauben.

Zusammenfassung und Würdigung

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nicht irreführend sein, Art. 7 Abs. 1 LMIV. Dies sind sie nach dessen Absatz 2 insbesondere dann, wenn sie nicht zutreffend, klar und für die Verbraucher leicht verständlich verfasst sind. Die Erwartung des vom EuGH präferierten verständigen, informierten Verbrauchers geht dahin, hier einen Weißwein, Roséwein oder eine fünfte Weinart vor sich zu haben. Die ersten beiden Weinarten scheiden aus, die Erfindung einer fünften Weinart steht nicht im Ermessen der Weinwirtschaft, so dass der Begriff „Blanc de Noir“ irreführend ist, Art. 7 LMIV. Reformvorschlag: Die Bezeichnung ist entweder durch den Gesetzgeber als fünfte Weinart gesetzlich zuzulassen, oder bei Verwendung dieser Bezeichnung sind Sanktionen zu verhängen. Zum einen ist der Verbraucher hier überfordert, da er mit den önologischen Verfahren nicht vertraut ist, andererseits handelt es sich um eine Bezeichnung in französischer Sprache, die Etikettierung eines Lebensmittels hat aber in der jeweiligen Landessprache zu erfolgen24.

6. „Bezeichnungsunschädliche“ Verschnitte a) Rebsorte Mit der Zulässigkeit eines „bezeichnungsunschädlichen Verschnitts“ hat der Weingesetzgeber eine gesetzliche Irreführung des Verbrauchers eingeführt. Die Angabe einer Rebsorte erweckt den Eindruck beim Käufer des Weines, dass der Inhalt ausschließlich aus dieser Rebsorte besteht. Die zulässige Weglassung des Verschnittanteils stellt eine Ausnahme vom Irreführungsverbot dar. Der Gesetzgeber ermöglicht hier einen bezeichnungsunschädlichen Verschnitt von 15%. Wird dem Wein Süßreserve zugegeben, erhöht sich dieser Anteil auf 25%, mithin darf der Inhalt aus einem Viertel anderer Rebsorten bestehen25. Die Angabe der Rebsorte auf dem Etikett ist eine freiwillige Angabe, wird die Rebsorte angegeben, kann auch die Kurzform des im Rebsortenklassifizierungskatalog eingetragen Namens oder ein festgelegtes Synonym verwendet werden26. Nicht überall wo Riesling draufsteht ist auch (ausschließlich) Riesling drin. Möglich macht dies eine „großzügige“ Vorgabe, wonach in einem Wein nur 24

25 26

Nach § 15 LMIV sind Informationen zu Lebensmitteln in der Sprache des Mitgliedslandes abzufassen. Dies gilt auch für Herstellungsverfahren. Durch den Anwendungsvorrang der VO (EU) 1308/2013, die in Art. 121 Abs. 1 Angaben zu Herstellungsverfahren in (irgend-)einer Amtssprache genügen lässt, können hier die klar vorgegebenen, verbraucherfreundlichen Vorgaben der LMIV – wie so oft im Weinrecht – ausgehebelt werden („normative Irreführung“). Artikel 62 Abs. 1 Buchstabe c Verordnung (EG) Nr. 607/2009, § 42 WeinV. Beispielsweise Weißer Riesling–Riesling, Müllerrebe-Schwarzriesling. Zum Synonym Rivaner für Müller-Thurgau, siehe unten Reformvorschläge 8).

206

Achtes Kapitel

75% des auf dem Etikett vermerkten Weines enthalten sein muss. Zu 15% darf es sich hierbei um einen anderen Wein (bei Riesling etwa der billigere MüllerThurgau oder Silvaner) handeln. Zudem sind 10% der sogenannten „Süßreserve“ eines anderen Weines erlaubt, so dass sich die Fremdanteile auf 25% summieren können. Zur Verdeutlichung: Beim Ausschank von einem Liter Riesling in Viertel-Gläser, ist eines von vier Gläsern nicht mit Riesling, sondern mit anderen Weinen gefüllt, obwohl das Etikett eindeutig Rieslingwein ausweist. In Zeiten, in denen die Rieslingpreise weit höher liegen als andere Weißweinsorten, könnten die Winzer geneigt sein, – unerlaubter Weise – den Rieslinganteil noch weiter zu verkleinern. Reformvorschlag: Nur sortenreine Weine dürfen als solche bezeichnet werden, es sei denn, die Verschnittweine werden auf dem Etikett mit ihren jeweiligen Anteilen angegeben, so wie es bisher schon bei der Angabe von zwei Rebsorten auf dem Etikett vorgesehen ist. Es ist kein Grund ersichtlich, warum bei der Angabe nur einer Rebsorte der Rest verheimlicht werden darf, während bei der Angabe von zwei Rebsorten der Wein richtigerweise zu 100% nur aus diesen beiden Rebsorten bestehen muss.

b) Jahrgang Das gleiche Verbraucher-Problem stellt sich bei der Jahrgangsangabe. Diese ist nicht einmal vorgeschrieben27, also fakultativ und steht mithin im Ermessen des Weinbaubetriebes. Selbst wenn der Winzer den Jahrgang angibt, kann der „Jahrgangswein“ bis zu 25% Wein oder Süßreserve anderer Jahrgänge enthalten. Die absolute Wahrheit in der Etikettierung wird auch bei Jahrgangsangabe nicht gefordert. Es müssen 85% der Trauben aus dem angegebenen Jahrgang stammen. Der nicht namengebende Anteil darf einschließlich der Süßreserve 25% der Gesamtmenge nicht übersteigen28. Schon vor über 250 Jahren, am 27. November 1752, erließ der Markgraf Karl Friedrich von Baden für Rhodt in der Pfalz in einer Verordnung eine Regelung dahingehend, dass es nicht erlaubt ist, Wein von zwei Jahrgängen zu mischen und diesen unter dem Namen des besseren Jahrgangs zu verkaufen.Diese Verordnung ist aktueller denn je: Das 2016er Peronospora-Jahr29, in dem die Ausbringung von Fungiziden beinahe verdoppelt werden musste, wird von gesundheitsbewussten Weinkunden gerne gemieden und auf die Lagerweine aus 2015 zurückgegriffen. Dennoch finden sich möglicherweise 2016er in den Lagerweinen 2015 oder dem neuen 2017, was der Verbraucher nicht erkennen kann und nur auf Nachfrage bei dem Winzer seines Vertrauens erkunden kann. 27 28 29

§ 44 WeinV „darf angegeben werden“. § 24 Abs. 2 WeinG, § 43 WeinV. Wetterbedingtes verstärktes Auftreten der Pilzkrankheit Peronospora.

Zusammenfassung und Würdigung

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Reformvorschlag: Jahrgangsangabe wird zur Pflichtangabe erhoben und nur Weine, die zu 100% aus einem Jahrgang stammen, dürfen mit diesem Jahrgang bezeichnet werden, es sei denn, der Verschnittanteil anderer Jahrgänge wird angegeben.

c) Ausbau in Holzbehältnissen aa) „Im Eichenfass gereift“ Das Weinrecht erlaubt, dass nur 75% des Weines im Eichenfass gelagert wurden, 25% können sanktionslos hinzugegeben werden, ohne das Prädikat „im Eichenfass gelagert“ zu verlieren30. Aus 300 Litern werden auf diese Weise rasch 400 Liter Wein mit dem Prädikat „im Eichenfass gelagert“. Reformvorschlag: Nur Weine, die zu 100% im Eichenfass gelagert wurden, dürfen als solche bezeichnet werden, es sei denn, derjenige Anteil, der nicht im Eichenfass gelagert wurde, wird auf dem Etikett angegeben

bb) „Im Barrique gelagert“ „Ganz oder zum Teil“ muss der Wein in einem Barriquefass gelagert worden sein. 75% reichen auch hier aus31. Vorgegeben ist lediglich, wie lange der Wein im Barriquefass zugebracht haben muss. Bei Weißwein sind dies vier Monate, bei Rotwein mindestens sechs Monate32. Überdies sind für diese Bezeichnung Holzfässer bis zu 350 Liter erlaubt33, mit einem Barrique-Fass haben diese, außer Material, nichts gemein. Als Barrique wird allgemein ein Holzfass mit einem Inhalt von 225 Liter angesehen, das sogenannte Bordeaux-Fass, im Gegensatz zum Burgunder-Fass, dem Piece, das etwa 228 Liter umfasst. Hier liegt eine doppelte Verbraucher-Täuschung vor, die nicht strafbewehrt ist, da normative Tatbestandsausschlüsse vorliegen34. Es dürfen bei der Herstellung von Prädikatsweinen keine Eichen-Chips oder Staves verwendet werden35. Dies wird einem Prädikatswein gerecht, der bis 1971 noch als Naturwein bezeichnet werden durfte.

30 31 32 33 34 35

§ 32 Abs. 8 Nr. 1 WeinV. § 32 Abs. 8 Nr. 1 WeinV. § 32 Abs. 8 Nr. 2 WeinV. § 32 Abs. 8 Nr. 3 WeinV. § 32 Abs. 8 Nr. 1 WeinV hinsichtlich der 75%-Regelung; § 32 Abs. 8 Nr. 3 WeinV in Bezug auf die Zulässigkeit eines 350-Literfasses. § 21 Abs. 3 Nr. 1 WeinV.

208

Achtes Kapitel

Reformvorschlag: Nur derjenige Wein, der auch im Barrique gelagert wurde, darf auch als „im Barrique gelagert“ bezeichnet werden. Es dürfen nur 225 Liter Barrique-Fässer verwendet werden, so wie der Verbraucher dies erwartet.

7. Riesling Hochgewächs Die 1986 eingeführte36 Weinbezeichnung Riesling Hochgewächs in § 34 Abs. 1 WeinV ist aus Verbrauchersicht recht problematisch. Hier wird dem Verbraucher „nicht nur etwas verschwiegen, sondern er wird bewusst irregeführt“37. Was erwartet hier sowohl der „flüchtige“ als auch der „durchschnittlich informierte, verständige Durchschnittsverbraucher“? Dem Wortlaut nach wird ein Riesling vermutet, der besonders hoch gewachsen ist, bzw. der durch entsprechende Reberziehung bewusst hoch gehalten und nicht „gegipfelt“ wurde. Die Bezeichnung „Hochgewächs“ war nach dem Weingesetz 1930 nur dem höchsten Prädikat vorbehalten38. Dieses Prädikat darf nunmehr schon für Qualitätsweine verwendet werden, allerdings bisher nur für die Rebsorte Riesling „Riesling-Hochgewächs“. Hierdurch werden jedenfalls Verbraucher getäuscht, die die Bezeichnung „Hochgewächs“ noch mit dem ursprünglichen Sinngehalt in der Erinnerung haben39. Nicht nur Verbraucher, auch Juristen könnten bei der historischen Auslegung40 dieses Begriffes zum gleichen Ergebnis kommen. Verfechter der Sortenreinheit der Weine konnten sich allerdings über diese Festsetzung freuen, da unter dieser Bezeichnung nur Wein in den Verkehr gebracht werden darf, der zu 100% aus Riesling stammt41. Reformvorschlag: Die irreführende Bezeichnung „Hochgewächs“ sollte bei den Beratungen anstehender Reformgesetze überdacht, geändert oder zumindest präzisiert werden.

8. Synonym Rivaner Das Synonym Rivaner für Müller-Thurgau ist irreführend, da diesem Wein nicht die Kreuzung Riesling X Silvaner (Ri-vaner) zugrundeliegt, sondern Riesling X Madeleine Royale, was schon vor 20 Jahren durch Genanalysen festgestellt 36 37 38 39 40 41

7. Verordnung zur Änderung der Weinverordnung vom 29. Juli 1986. Hieronimi, 10 Jahre europäisches Weinbezeichnungsrecht, GRUR 1987, S. 156. Nach Artikel 5 Abs. 10 der Ausführungsbestimmungen zum WeinG 1930 nur zulässig für Beerenauslese und Trockenbeerenauslese. Hieronimi, GRUR 1987, 156. Neben der Auslegung nach Wortlaut und Stellung im Gesetz eine Methode der Auslegung von Gesetzen. § 34 Abs. 1 Nr. 1 WeinV.

Zusammenfassung und Würdigung

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wurde. Hier hatte sich der Züchter Müller aus dem schweizerischen Thurgau geirrt. In Verkaufsberatungen der Winzer und bei der Etikettierung wird dieser Irrtum weiterhin ignoriert. Reformvorschlag: Abschaffung des Synonyms Rivaner für Müller-Thurgau. Was als originelle Abkürzung (Anfangsbuchstaben von Riesling und Endung von Silvaner) gedacht war, ist durch Laboranalysen widerlegt. Das Synonym erweckt beim Verbraucher aber weiterhin den Eindruck, dass die Rebe aus einer Kreuzung dieser beiden Rebsorten stammt, was unzutreffend ist.

9. Etikettierung a) Obligatorische Angaben aa) Alkoholgehalt in Volumenprozent Die Angabe des Alkoholgehaltes auf dem Etikett ist zwar vorgeschrieben, darf aber nicht in Gramm/Liter angegeben, sondern nur in % Vol. und darf hierbei nach oben oder unten – wie es gerade vermarktungstechnisch geboten ist – auf volle oder halbe Prozente auf- oder abgerundet werden42. Die genaue Bestimmung des Alkoholgehaltes wäre kein zusätzlicher Mehraufwand, im Gegenteil: Der genaue Alkoholgehalt ist vor der Anstellung zur Qualitätsweinprüfung durch ein zugelassenes Labor festzustellen und zu dokumentieren43. Beträgt der Alkoholgehalt beispielsweise 12,48%, so ist derjenige, der diesen Wein in Verkehr bringt, berechtigt, auf dem Etikett entweder 12% oder aber aufgerundet 12,5% Alkohol anzugeben. Dem Verbraucher wird hier ohne erkennbaren, sinnvollen Grund der wirkliche Alkoholgehalt des Weines vorenthalten. Zudem ist bei Land-, Qualitäts- und Prädikatsweinen, die für eine lange Lagerzeit vorgesehen sind, eine Abweichung von bis zu 0,8% Vol. erlaubt44. Eine Änderung dieser Vorschrift ist aus Sicht der Verbraucher, besonders derjenigen, die nach dem Verzehr von Wein noch am Straßenverkehr teilnehmen, dringend erforderlich. Reformvorschlag: Etikettierungspflicht des im Zeitpunkt der Abfüllung festgestellten Alkoholgehaltes, eine Auf- oder Abrundung ist in gewissem Rahmen, wie bei anderen alkoholischen Getränken tolerabel, im Hinblick auf eine Aufoder Abrundung um 0,8% vol. allerdings nicht nachvollziehbar.

42 43 44

Art. 54 Abs. 1 Verordnung (EG) 607/2009. § 23 Abs. 1 WeinV. Art. 54 Abs. 1 letzter Satz Verordnung (EG) 607/2009.

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Achtes Kapitel

bb) Schwefel-Zusatz – „enthält Sulfite“ In der Vergangenheit war die Schwefelung noch gänzlich verboten, weil dadurch „die Natur des Menschen belästigt und der Trinker in Krankheit gebracht wurde“45. Nach dem Vordringen des Weißweines wurde Schwefel in geringen Mengen toleriert. Nach der fränkischen Punktation von 1482 durfte ein Lot Schwefel pro Fuder einmalig angewendet werden und nur für den Fall, dass der Wein über Land befördert werden sollte, durfte vor dem Transport die gleiche Menge nochmals zugegeben werden46. Die Grenze der Strafbarkeit bei der Verwendung von Schwefel wurde durch Reichsabschied 1487 und Kaiserliche Verordnung von 1497 festgelegt und Strafen bei Überschreitung der Grenzen angedroht47. Von weinrechtlichem Interesse ist ferner, dass durch diese Verordnung schon vor über 500 Jahren ein Deklarationszwang eingeführt, in dem verboten wurde, die erlaubterweise geschwefelten Weine als ungeschwefelt zu verkaufen48. Heute tragen die Etiketten den lapidaren Pflichthinweis „Enthält Sulfite“, nähere Angaben sind nicht erforderlich. In welchen Mengen Schwefeldioxyd im Wein vorhanden ist, muss und darf auch nicht angegeben werden. Bedenklich erscheint dies vor allem hinsichtlich der festgelegten Höchstgrenzen, so sind, je nach Weinprädikat andere Höchstwerte (von 150 bis zu 400 mg/l)49 festgelegt, was für Allergiker und Asthmatiker nicht unbedenklich ist. Eine konkrete Schwefelangabe ist bisher unzulässig. wohl um zu vermeiden, dass gesundheitsbewusste Käufer den Kauf ihrer Weine nach dem Gehalt an Schwefeldioxid ausrichten. Dem steht ein Informationsbedürfnis der Verbraucher entgegen, der den Schwefelgehalt erkennen und damit auch eine etwaige Gesundheitsschädigungen vorbeugen kann. Reformvorschlag: Der Schwefelgehalt, der im Analysegutachten von einem zugelassenen Labor definitiv festgestellt wurde und mit dem Antrag auf Qualitätsweinprüfung auch einzureichen ist, ist auf dem Etikett anzugeben.

45

46 47 48 49

So soll in Köln 1465 ein Stadtrat wegen Gebrauchs von Schwefel eingekerkert, seiner Ratssstelle enthoben und mit einem Weinhandelsverbot belegt worden sein, so Bassermann-Jordan, aaO, Bd. 1, S. 460. Bassermann-Jordan, aaO, Bd. 1 S. 461 Fußnote 2. Ausschlagen der Fassboden und Ausschütten des Weines und 100 Rheinische Gulden als Geldstrafe. Bassermann-Jordan, aaO, Bd. 1 S. 462. Weine, abhängig vom Restzuckergehalt von 150–250mg/l; Spätlese 300, Auslese 350 sowie Beerenauslese, Trockenbeerenauslese und Eiswein 400 mg/l.

Zusammenfassung und Würdigung

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b) Fakultative Angaben aa) Geschmacksangaben – Restzucker Mit der Sensorik sollen sich schon die Römer50 – nach dem „COS-Prinzip“: Color, Odor, Sapor = Farbe, Geruch, Geschmack – befasst haben. Später kam noch Nitor, die Klarheit, hinzu.

Hilfestellung bei der Suche nach dem Zuckergehalt des Weines gewährt das Weinrecht nicht. Die Angabe des Restzuckergehaltes auf dem Weinetikett ist nicht obligatorisch – im Gegensatz zu Schaumwein51 – sondern fakultativ. Bei Wein darf der Restzuckergehalt nicht in Gramm pro Liter angegeben werden, sondern ist in Worte zu fassen. Die vorgegebenen vier Geschmacksangaben sind im Falle einer freiwilligen Angabe zu verwenden: trocken, halbtrocken, lieblich und süß52. Dem Konsumenten obliegt es dann, diese freiwilligen Angaben zu entschlüsseln, was nicht einfach ist, zumal ein Toleranzwert von 1 Gramm zugestanden wird53. Ob Wein einen Restzuckergehalt enthalten darf, war bis 1958 heftig umstritten. Die Befürworter sahen in § 1 WeinG193054 kein Gebot, dass der Wein völlig durchgegoren sein musste, somit (fast) keinen Restzucker mehr enthielt. Die Gegner waren mit guten Gründen gegen ein Abstoppen der Gärung, da bei nicht vollständiger Gärung auch zugesetzter Rübenzucker im Wein verblieb. So verurteilte das LG Koblenz, Urteil vom 29. Juli 1941, 3 Ns 16/1941, einen Winzer, weil er einen Wein mit „aufdringlicher Süße“ in den Verkehr gebracht hatte. Der Wein mit einem Restzuckergehalt von 9,6 Gramm/l55 wurde eingezogen56. Heute enthalten fast alle Weine57 Restzucker, in mehr oder weniger hohen Dosen. Da Wein nicht nur Restzucker, sondern auch Säure und andere Inhaltsstoffe enthält, ist der Zuckergehalt nicht leicht herauszuschmecken. Bedenklich hinsichtlich der Gesundheit der Weinkonsumenten ist daher die fehlende Angabe 50

51 52 53 54 55 56 57

Nach anderer Auffassung soll das COS-Prinzip kirchlichen Ursprung haben und aus dem frühen Mittelalter stammen, so Fierhäuser / Schön, Im badischen Weingarten, 1979, S. 162. Durch Art. 19 Abs. 1 g) VO (EU) Nr. 1308/2013 ist dies bei Schaumwein zwingend vorgeschrieben. Art. 120 Abs. 1 c VO (EG) 1308/2013 i.V.m. Art. 64 VO (EG) 607/2009 und Anhang XIV Teil B. Art. 64 Abs. 3 VO (EG) 607/2009 und Anhang XII Teil B. „Wein ist das durch alkoholische Gärung aus dem Safte der frischen Weintraube hergestellte Getränk“. Unter Einrechnung der 1 Gramm Toleranz heute ein trockener Wein. Koch, Der normierte Weingeschmack, 2012, S. 14. Ausgenommen einige wenige trockene Rotweine.

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Achtes Kapitel

des Restzuckers. Der Weintrinker kann den Zuckergehalt nicht erkennen, auf dem Etikett ist dieser nicht vermerkt, die Zutatenangabe gilt nicht für Wein58. Für Diabetiker bedrohlich, aber auch unter Kalorien- und Brennwertgesichtspunkten relevant ist zu beachten, dass 1 Gramm Alkohol schon 7 Kalorien liefert und durch 1 Gramm Rest-Zucker 4,2 Kalorien hinzukommen, so dass es ein Liter Weißwein auf 650 Kalorien und 1 Liter Rotwein durchaus mit bis zu 800 Kalorien zu Buche schlagen kann. Bei Aus- und Beerenauslesen kann sich dieser Wert drastisch erhöhen. Soweit das Weinrecht den Geschmack eines Weines normiert und diesen in die genannten vier Kategorien einzuteilen versucht, stellt sich zum einen die Frage, nach den geschmacksregelnden Befugnissen des Gesetzgebers59 und zum anderen hinsichtlich der Festlegungen, insbesondere des Verbotes der Angabe des Restzuckers in Gramm, anstelle der bloßen Einordnungsmöglichkeit in eine der gesetzliche festgelegten Kategorien. Der Verbraucher kann beispielsweise bei einem süßen Wein60 nicht ersehen, ob der Minimalwert von 45 Gramm in dieser Kategorie liegt oder um 100 Gramm darüber. Wäre Wein nicht von der europäischen LMIV61 ausgenommen, müssten die Zutaten auf dem Etikett exakt angegeben werden, was dem Verbraucher nützlich ist, zumal die Bezeichnung „süß“ bei 46 Gramm Restzucker ansetzt und „ins Unendliche“ gehen kann. Die Festlegung dieser Geschmackskategorien, statt der Angabe des Zuckers in Gramm, erstmals im WeinG 1971 erscheint unverständlich, zumal der Gesundheitsausschuss seinerzeit der federführende Ausschuss bei der Ausarbeitung des WeinG 1971 war. Der Verbraucher kann lediglich an der freiwilligen Bezeichnung „trocken“ erkennen, dass nur noch ein geringer Anteil an Zucker vorhanden ist, sofern diese fakultative Angabe denn gemacht wird62.

58 59 60 61

62

Nährwertdeklaration für Lebensmittel nach Art. 9 Abs. 1 l LMIV [VO (EU) 1169/] ist in Worten und Zahlen zu machen, Art. 9 Abs. 3 LMIV. Über Geschmack kann man nicht streiten „de gustibus non est disputandum“. Ab 45 Gramm Restzucker, nach oben (theoretisch) unbegrenzt. Die nationale Lebensmittelkennzeichnungsverordnung (LMKV) wurde durch Art. 29 Nr. 2 der Verordnung zur Anpassung nationaler Rechtsvorschriften an die LMIV v. 5.7.2017 aufgehoben (BGBl. I, S. 2272–2289). Zu den Geschmacksangaben ausführlich oben Weinbau/Weinbereitung, Erstes Kapitel III., 3.

Zusammenfassung und Würdigung

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bb) Zuckergehalt – Toleranzwert Der Zuckergehalt darf allerdings um 1 Gramm pro Liter bei der Geschmacksangabe auf dem Etikett abweichen63. Kommt nach Berücksichtigung der 1 GrammToleranz die Einstufung in zwei Stufen in Betracht, darf nur eine von beiden gewählt werden64, beispielsweise könnte ein Wein mit 10 Gramm Restzucker als trocken oder halbtrocken bezeichnet werden. Diese Toleranz von 1 Gramm/L hat nicht nur formale Auswirkungen auf die Weinbezeichnung (trocken/halbtrocken), sondern kann auch praktische, gesundheitliche Auswirkungen nach sich ziehen. Der zuckergefährdete Konsument entscheidet sich für einen trockenen Wein, der – ohne Toleranzwert – aber schon im Segment halbtrocken angesiedelt ist, denn der festgestellte Restzuckergehalt kann völlig legal um 1 Gramm erhöht werden65. Ein und derselbe Wein mit 10 Gramm Restzucker kann sowohl als „trocken“ als auch „halbtrocken“ vermarktet werden. Je nachdem, wie sich Käuferschicht des Weinbaubetriebes zusammensetzt, wird das Etikett angefertigt werden. Reformvorschlag: Der Restzucker ist zwingend in Gramm/Liter auf dem Etikett anzugeben, gefolgt von einer der vier gesetzlichen Geschmacksangaben66. Hier kann der Verbraucher erkennen, ob der Wein 2 Gramm oder 10 Gramm Restzucker in der weiten Spanne „trocken“ aufweist. In diesem Fall könnte auch der Toleranzwert von 1 Gramm beibehalten werden, da hier für den Verbraucher ersichtlich ist, dass der Restzucker sich an der Grenze 9/10 bewegt.

cc) Süßreserve Noch undurchsichtiger für den Verbraucher wird es bei Prädikatsweinen, so beispielsweise beim bedeutendsten Prädikatswein, der Spätlese. Obwohl hier keine Zugabe von Zucker vor oder während des Gärungsprozesses erlaubt ist, dürfen nach der Gärung auch die sogenannten „Süßreserven“67 zugegeben werden. Hierbei handelt es sich um unvergorenen Traubensaft, mithin zum großen Teil um die schädlichere Glukose, die – wäre sie von Anfang an zugesetzt worden – von der Hefe als allererstes „eliminiert“ worden wäre. Süßreserve ist speziell behandelter, lagerfähig gemachter Traubenmost zur nachträglichen Süßung von 63 64 65 66 67

Art. 64 Abs. 3 VO (EG) 607/2009 und Anhang XII Teil B. Art. 58 Abs. 2, Art. 64 Abs. 2 VO (EG) 607/2009. Bei Schaumwein eine Toleranz von 3 Gramm. Trocken, halbtrocken, lieblich und süß. Wobei die Süßreserve auch von einem anderen Wein stammen kann, jedoch die gleichen Mindestvoraussetzungen erfüllen muss: Mindestmostgewicht, reife Trauben in einer späten Lese geerntet etc.

214

Achtes Kapitel

Wein. Der tatsächliche Alkoholgehalt der Süßreserve darf 8 g/l, das entspricht rund 1 Volumenprozent, nicht überschreiten. Früher wurde der unvergorene Traubensaft durch Zufügen eines hohen Anteils von Schwefeldioxid konserviert. Heute ermöglicht neueste Kühl- und Filtertechnik die Herstellung von Süßreserve ohne den störenden Geruch des Schwefeldioxids. Bei Wein (Tafelwein) werden verbreitet Traubenmostkonzentrat oder rektifiziertes Traubenmostkonzentrat (RTK) statt der Süßreserve eingesetzt, welche bei Prädikatsweinen nicht zugelassen sind. In anderen EU-Ländern wird zur Süßung verbreitet Traubenmostkonzentrat oder rektifiziertes Traubenmostkonzentrat (RTK)68 statt der Süßreserve eingesetzt, welche in Deutschland zur Süßung von Landwein, Qualitäts- und Prädikatswein nicht zugelassen sind (§ 16 WeinV). Durch den hohen Zuckergehalt der Konzentrate69 wird die Entwicklung schädlicher Mikroorganismen unterbunden. Die Konzentrate sind somit ohne Zusatz von Konservierungsmitteln haltbar. Außerdem wird statt einer späteren Süßung gelegentlich die alkoholische Gärung frühzeitig gestoppt70. Der Verbraucher darf zu Recht bei einem Prädikatswein von einem ungezuckerten, das heißt nicht angereichertem, Wein ausgehen. Dass die nachträgliche Zuckerung in Form von Traubenmost zulässig ist, entspricht nicht der Erwartung des Verbrauchers, wenn er beispielsweise einen Kabinett oder eine Spätlese erwirbt. Über dieses Wissen verfügen nur einige wenige Durchschnittskonsumenten, die überwiegend in den Weinbauregionen zu Hause sind. Reformvorschlag: Die „glucophilen“ Hefen haben vom natürlichen Zucker zuerst den für Menschen mit Diabetes schädlicheren Traubenzucker vollständig „verspeist“, bevor sie sich an den Fruchtzucker heranmachten. Mit der Süßung wird erneut Glucose zugesetzt, die im Wein verbleibt, da keine Vergärung mehr stattfindet. Die Zugabe von Süßreserve zu Prädikatsweinen sollte auf dem Etikett vermerkt sein, insbesondere im Hinblick auf Diabetiker und kalorienbewusste Verbraucher. Denn der zur Süßung beigegebene Traubenmost enthält wieder Fruchtzucker (Fructose) und Traubenzucker (Glucose) im Verhältnis 1:1.

dd) Geschmacksangabe „feinherb“ Immer öfter werden deutsche Weine auf dem Etikett als „feinherb“ bezeichnet, obwohl dieser Begriff nicht zu den vier gesetzlich normierten Geschmacksan-

68 69 70

Legaldefinition in VO (EU) 1308/2013, Anhang VII, Teil II, Nr. 14. RTK über 400° Oechsle, beinahe 1 kg Zucker/L. Ausführlich zur Herstellung von Süßreserve Hamatschek, Technologie des Weines, 5.5 S. 222 ff.

Zusammenfassung und Würdigung

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gaben zählt. Es ist vielmehr eine (unnötige) Erfindung der Weinwirtschaft. Dennoch verneinten sowohl die Weinkontrolle als auch die Verwaltungsgerichte einen Verstoß gegen das Irreführungsverbot, da mit dem Begriff feinherb im Gegensatz zu den gesetzlich definierten Begriffen keine gesicherte Verbrauchererwartung verbunden sei. Kritiker sind allerdings der Meinung, dass es sehr wohl zu einer Verbrauchertäuschung kommen könne, und begründen dies mit der oft sehr deutlichen Restsüße der Weine, die auch den Bereich halbtrockener Weine überschreiten kann, denn feinherb ist nicht als Synonym für halbtrocken definiert. Reformvorschlag: Keine Duldung der nichtssagenden und verwirrenden Angabe „feinherb“. Die vier gesetzlich definierten Geschmacksangaben sind ausreichend. Wer diese „unattraktiv“ oder als absatzschädigend empfindet, sollte auf die (fakultative) Geschmacksangabe verzichten, jedenfalls so lange, bis „feinherb“ ausschließlich für halbtrockene Weine gesetzlich zulässig ist.

ee) Säuregehalt 71

Der Säuregehalt , der bei Weißweinen zwischen 5 und 10 g/l72 liegt, ist nicht zwingend auf dem Etikett anzugeben. Lediglich 3,5 Gramm Säure je Liter sind europarechtlich vorgegeben73. Einer verpflichtend vorgegebenen Säuredeklaration auf dem Etikett wäre auch ohne weiteres nachzukommen, denn der Säuregehalt ist bekannt, da dieser vor Anstellung des Weines zur Qualitätsweinprüfung durch ein zugelassenes Labor festgehalten werden muss. Es wäre mithin ein Leichtes, dies zumindest auf dem Rückenetikett (falls ein solches überhaupt noch vorhanden ist) anzugeben, was zu befürworten ist, gerade im Hinblick darauf, dass dies in den Weinkarten erfolgt. Über die fehlende Säureangabe hilft auch nicht der neuere Begriff „mild“ hinweg. Dieser Terminus wird in der Weinansprache für Weine mit niedrigem Säuregehalt bzw. auch für süße Weine verwendet, bei denen die Säure in den Hintergrund tritt – „milde Säure“. Der Begriff mild wird bei Schaumwein und Perlwein als Geschmacksangabe verwendet, betrifft mithin den Restzuckergehalt und nicht den Säuregehalt. Mit diesem Begriff den niedrigen Säuregehalt eines Weines zu beschreiben, ist, da keine gesetzlichen Vorgaben zur Säurebezeichnung existieren, ein Anfang, um die Verbraucher auf den Säuregehalt aufmerksam zu machen, kann aber nicht eine korrekte, in Zahlen ausgedrückte Säureangabe ersetzen.

71 72 73

Gemeint ist der Gehalt an Weinsäure. Der Säuregehalt der Rotweine ist wesentlich geringer. Verordnung (EU) 1308/2013, Anhang VII, Teil II, Abs. 1d.

216

Achtes Kapitel

Reformvorschlag: Der Säuregehalt ist obligatorisch in Gramm/Liter auf dem Etikett anzugeben, was in Weinkarten und bei Internet-Weinverkäufen schon als Standard angesehen wird.

c) Wein-Güteklassen74 aa) Qualitätswein / Prädikatswein Hier stellt sich die Frage, ob das Attribut Qualität auf dem Etikett vermerkt werden muss, denn andere Berufsgruppen kommen auch ohne die – doch vermessene – Bezeichnung Qualität/Prädikat aus, zudem wird Tafel- und Landwein hierdurch teilweise unberechtigt als minderwertiger Wein abqualifiziert. Ein Möbelgeschäft preist auch seine Stühle nicht in drei Kategorien an, als (gewöhnliche) Stühle, Qualitätsstühle und Prädikatsstühle und teilt den potentiellen Käufern damit mit, dass entweder die gewöhnlichen Stühle von minderwertiger Qualität sind, keinen Komfort bieten oder einfach nur preiswerter sind. Reformvorschlag: Ob diejenigen Weine, die aus gesundem Lesegut, in guter fachlicher, weinbaulicher Praxis nach den Regeln des Weinbaus hergestellt wurden, mit dem „Selbstlob“ Qualitätswein oder Prädikatswein bezeichnet werden, sollte überdacht werden. Der Weingesetzgeber wollte 1971 die Bezeichnungen ändern, was wegen der durch das WeinG 1930 erlaubten Verwendung des Begriffs Naturwein sicherlich auch seine Berechtigung hatte, jedoch sollten sämtliche Weine, die in den Verkehr gebracht werden, die maßgeblichen Qualitätskriterien erfüllen, ohne hierauf explizit hinweisen zu müssen.

bb) Qualitätsweinprüfung Auch werden durch die amtliche Qualitätsweinprüfung diese Weine weder besser noch schlechter. Die Kernaussagen gehen aus einem Analysebericht eines zugelassenen Weinlabors hervor (Alkoholgehalt, Säure, Schwefelgehalt etc.), den die Winzer auch bei Deutschem Wein und Landwein erstellen lassen, um Klarheit über das von ihnen in Verkehr gebrachte Produkt zu erhalten. Dieser Analysebericht ist mit dem Antrag auf Qualitätsprüfung einzureichen. Die eigentliche Weinprüfung besteht daher lediglich in einer sensorischen Prüfung wie Geschmack und Geruch. Der Schutz der Gesundheit ergibt sich schon aus den Laborwerten der Weine, so dass allenfalls dem Verbraucher die sensorische Prüfung abgenommen wird, die dieser allerdings vor dem Kauf eines Weines bei einer Verkostung auch selbst durchführen kann. Diese Aufgabe übernehmen

74

Ausführlich oben Erstes Kapitel, III., 9.

Zusammenfassung und Würdigung

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bei Deutschem Wein und Landwein die Winzer selbst, um ein vermarktungsfähiges Produkt zu erzielen. Ein weiteres „Prüfungsfach“ ist die Feststellung, ob dieser Wein „gebietstypisch“ ist. Der Wein muss mithin dem Qualitätsweingebiet entsprechen. Hiernach müsste beispielsweise ein Ahrwein, ein badischer Wein oder sächsischer Wein besondere Merkmale aufweisen, die in die Qualitätsweinprüfung mit einfließen. Zum einen ist durch weinwissenschaftliche Erkenntnisse nicht belegt, ob und wie sich ein pfälzer Wein von einem Rheinhessenwein unterscheidet. Zum anderen stellt sich die Frage, ob der Weinkonsument diese Besonderheiten, wenn sie denn vorhanden sind, überhaupt berücksichtigt haben möchte. Derjenige, der bei einem Ahrwinzer einen Landwein der Ahr verkostet und dieser ihn an einen portugiesischen oder spanischen Rotwein erinnert, wird vom Kauf sicher nicht Abstand nehmen, weil der Wein an der Ahr angebaut wurde, ihm sehr gut schmeckt aber nicht „gebietstypisch“ ist. Gleiches muss bei der Qualitätsweinprüfung gelten, die hervorragende Rotweine nur deshalb die Prüfung nicht passieren lässt, weil diese oxidativ ausgebaut wurden und daher an südliche Weine erinnern. Andererseits werden Rotweine, die im Barrique-Fass gereift sind, als noch „gebietstypisch“ eingestuft, auch wenn diese eher als ein spanischer Rioja oder ein Bordeaux daher kommen. Reformvorschlag: Die Qualitätsweinprüfung ist in der jetzigen Form reformbedürftig. Die Einreichung des Weinanalyseberichtes durch ein staatlich zugelassenes Labor, das dem jetzigen Prüfungsverfahren zugrunde liegt, wird als ausreichend erachtet, die sensorische Prüfung sollte dem Winzer und den Verbrauchern überlassen bleiben. Weine, die kaum genießbar, aber „gebietstypisch“ sind, erweisen dem Weinbau einen Bärendienst, so dass auf das Merkmal „gebietstypisch“, von wem auch immer dieser wenig aussagekräftige Begriff festgelegt wurde und mit der hervorragende Weine die Prüfung nicht passieren, verzichtet werden kann. Mit einer Zuordnung eines Weines zu einem der 13 deutschen Weinbaugebiete dürften selbst erfahrene Weinprüfer bei einer Blindverkostung überfordert sein. Effizienter und praxisbezogener wäre die Forderung nach der Einreichung von Laboranalysen für alle Weine, somit auch für Deutschen Wein und Landwein, bei denjenigen Weinbauämtern, in dessen Bezirk der Wein gewachsen und ausgebaut wurde. Die auf dem Etikett anzugebende AP-Nr. entfällt, so dass eine Losnummer des Weines, wie derzeit bei Landwein, ausreichend erscheint. Zudem würde der aus Datenschutz- und Wettbewerbsgründen problematische letzte Teil der AP-Nr. entfallen (z.B. 25/2006), der den Mitbewerbern und Kunden mitteilt, wie viele Weinanstellungen der Betrieb im konkreten Jahr schon

218

Achtes Kapitel

durchgeführt hat, was die Anzahl der Weinchargen und Rebsorten und letztlich auch Umsatz und sonstige Betriebsinterna öffentlich macht. Bei Beibehaltung der amtlichen Qualitätsweinprüfung sollte jedenfalls auf den letzten Teil verzichtet werden und stattdessen die Anstellung des jeweiligen Weines mit einer vom Weinbauamt zu vergebenden Codierung, ähnlich einem behördlichen Aktenzeichen, versehen werden, aus der sich nicht erkennen lässt, wie viele Weine ein Betrieb im Prüfungsjahr zur Prüfung angestellt hat.

cc) Classic – Selection Im Bereich des Qualitätsweines sind seit 2000 die sog. Profilweine Classic75 und Selection76 angesiedelt. Weinrechtlich handelt es sich hier nicht um Prädikate, sondern um gesetzlich näher definierte Zusatzangaben zu Qualitätswein, so dass insoweit das Anreicherungsverbot für Prädikatswein nicht gilt. Reformvorschlag: Die Produktbeschreibung Qualitätswein ist nicht ausreichend. Die Bezeichnungen Classic und Selection sind für die Verbraucher nicht verständlich, beispielsweise die Herstellung nur aus „gebietstypischen Rebsorten“, weiterhin ist bei Classic die ansonsten mögliche (freiwillige) Geschmacksangabe nicht erlaubt, § 32a Nr. 8 WeinV. Bei Selection ist die Handlese vorgeschrieben, was auf dem Etikett jedoch nicht ausdrücklich erwähnt werden darf.

dd) Prädikatsweine – Abgrenzung Die Prädikatsweinstufen sind Kabinett, Spätlese, Auslese, Beerenauslese, Eiswein und Trockenbeerenauslese, wobei der Eiswein in der Literatur teilweise als Prädikatsstufe „sui generis“ bezeichnet wird77. Als Prädikatswein78 darf ein Wein nur bezeichnet werden, wenn er eine amtliche Prüfung durchlaufen hat und ihm das Prädikat mit Zuteilung einer amtlichen Prüfungsnummer erteilt wurde. Die Trauben müssen heute nur noch aus dem anzugebenden Anbaugebiet stammen79.

75 76 77 78 79

§ 32a WeinV: Herstellung nur aus „gebietstypische Reben“, Restzuckergehalt darf beispielsweise nicht mehr als 15 Gramm/l betragen. § 32b WeinV: u.a. Handlese vorgegeben, Hektarhöchstertrag 6000 l/ha. Mindestmostgewicht der Beerenauslesen; Besonderheit: Lese und Abpressen bei -7°C. Bis 1994 „Qualitätswein mit Prädikat“, § 12 WeinG 1971. Qualitätswein darf bis zur Höchstgrenze von 15% vol. vor der Gärung mit Zucker angereichert werden, was bei der Änderung des Jugendschutzgesetzes zum 1.1.2018 nicht gesehen oder berücksichtigt wurde. Der Weinverkauf an Jugendliche ab 16 Jahren wurde vielmehr ausdrücklich erlaubt und Weine mit beinahe 15% vol. Alkohol mit fünfprozentigem Bier auf eine Stufe gestellt, § 9 Abs. 1 Nr. 1 JuSchG.

Zusammenfassung und Würdigung

219

Eine weitere Besonderheit gegenüber dem Qualitätswein besteht darin, dass die Süßung nur mit Traubenmost erfolgen darf, der zwar nicht mehr aus einem einzigen Bereich stammen muss, bei der Herstellung eines Prädikatsweines jedoch keine Eichen-Chips verwendet werden dürfen. Eine Süßung darf – wie bei Qualitätswein – nur mit Traubenmost erfolgen (§ 16 WeinV), der nicht angereichert wurde und die gleiche Prädikatsstufe erfüllt wie der zu süßende Wein. Die Worte Kabinett, Spätlese, Auslese, Beerenauslese, Eiswein und Trockenbeerenauslese dürfen im geschäftlichen Verkehr allein oder in Verbindung mit anderen Worten für andere Erzeugnisse als Wein nicht gebraucht werden, § 24 Abs. 2 Nr. 1–3 WeinG, § 37 Abs. 1 WeinV80. Die Begriffe sind für Wein „reserviert“ worden, der Obstbauer, der seinen Apfelwein mit Auslese bezeichnet, könnte mithin gegen § 37 WeinV verstoßen. Ein weiteres Beispiel dafür, dass das Weinrecht auch in andere Lebensmittelbereiche „hineinregiert“.

ee) Kabinett Die unterste Stufe des Prädikatsweines ist Kabinett. Beim diesem Begriff scheint sich der Gesetzgeber allerdings nicht im Klaren gewesen zu sein, dass dieser Begriff einst die hochwertigsten Weine bezeichnete, die die deutsche Weinwelt aufzuweisen hatte. Anfang des 19. Jahrhunderts erscheint die Bezeichnung Cabinet erstmals für besonders hochwertige Weine, das Kloster Eberbach verfügte über einen Cabinetkeller, in dem die großen Weine dieser Zeit lagerten. Außer der Namensgebung durch das WeinG 1971, die fernab weingeschichtlicher Zusammenhänge erfolgte, ist weiterhin unverständlich, dass eine Abgrenzung von Seiten des Gesetzgebers unterblieben ist, welche Weine konkret mit dem Prädikat Kabinett versehen werden dürfen. Allein der Zuckergehalt der Trauben81 entscheidet über die Zuerkennung dieses Prädikates, dessen Mindestmostgewichte selbst innerhalb der sechs rheinland-pfälzischen Weingebieten variierten82. Besondere Beschaffenheitserfordernisse des Lesegutes werden nicht gefordert, sondern lediglich, dass ein Kabinettwein gemäß § 20 Abs. 3

80 81 82

Die Bezeichnung „Cabinet“ mit „C“ darf für Schaumweine in dieser Schreibweise verwendet werden, wenn es sich deutlich von dem Erzeugnis getrennt angegeben wird. Gemessen in Grad Oechsle. Rheinhessen und Pfalz: 76° mit Ausnahmen für Riesling, Müller-Thurgau und Silvaner 73°; Ahr und Mittelrhein: Weißwein 76°, Rotwein 80°; Mosel: alle Rebsorten 73° mit Ausnahme Elbling 70°; Nahe: alle Rebsorten 73°.

220

Achtes Kapitel

WeinG vor der Gärung nicht mit Zucker angereichert werden darf, was für Prädikatsweine eine Selbstverständlichkeit darstellen sollte. So ist dem Einfallsreichtum bzw. den Kundenwünschen der Winzer überlassen, diesen Wein „abzustufen“ und als Qualitätswein oder auch als Landwein zu vermarkten, die Alkoholobergrenzen bei Landwein83 gelten nur, wenn dieser angereichert wurde. Reformvorschlag: Konkrete Vorgaben des Gesetzgebers hinsichtlich des Lesegutes als auch anderer Leitlinien wie Geschmacksrichtung, Rebsorten für die Bezeichnung Kabinett sind so zu definieren, dass Kabinett von anderen Weinen klar abgegrenzt werden kann. Auch wäre hier eine Geschmacksvorgabe vonnöten, etwa dass es sich ausschließlich um trockene Weine handelt. Die Bezeichnung Kabinett wird immerhin durch § 37 Abs. 1 WeinV geschützt, der recht vermessen festlegt, dass dieser beinahe schon „unbestimmte Rechtsbegriff“ innerhalb der Weinbezeichnung in anderen Lebensmittelbereichen nicht verwendet werden darf: ein Obstler oder ein Apfelwein somit nicht einmal mit dem Wort Kabinett in Verbindung gebracht werden darf.

ff) Spätlese Das Prädikat „Spätlese“ wird nach § 20 Abs. 4 Nr. 1 WeinG für Wein vergeben, der nur aus „vollreifen Trauben“ hergestellt wurde, die „in einer späten Lese geerntet wurden“ und wiederum ein Mindestmostgewicht aufweisen müssen84. Problemtisch ist, dass die Herbst- und Leseordnungen den Zeitpunkt der Hauptlese vorgegeben haben und nach Wegfall der Herbstordnungen jeder Winzer selbst bestimmen kann, wann er mit der Lese beginnt. Eine späte Lese war diejenige, die nach der Hauptlese erfolgte. Denjenigen Winzern, die ihre Trauben bei einer Winzergenossenschaft abliefern, werden zur organisatorischen Bewältigung meist Lesepläne vorgegeben, um zum einen zu vermeiden, dass einzelne Rebsorten an verschiedenen Tagen angeliefert werden, und andererseits so die Lese nach dem Fortschritt der Trauben und deren Reife ausgerichtet werden kann. Die Lesepläne der Winzergenossenschaften ähneln daher insoweit den Lesevorgaben der einstigen Herbstordnungen85. Reformvorschlag: Nach Wegfall der Herbstordnungen und deren Festlegung einer Hauptlese ist bei Spätlese der Gesetzgeber hinsichtlich des Begriffes der

83 84 85

Weißwein 11,5% vol. und Rotwein 12% vol. (Weinbauzone A – alle dt. Gebiete außer Baden). Zwischen 80° und 90° in Rheinland-Pfalz. Zum Verständnis: Die Winzer werden in Selbstvermarkter und Genossenschaftsmitglieder unterschieden.

Zusammenfassung und Würdigung

221

„späten Lese“ gefordert. Die erforderlichen 90° Oechsle bei der Rebsorte Regent können je nach Lage auch bei Trauben bei einem frühen Lesebeginn erreicht werden, die im Hinblick auf das Mostgewicht auch als „vollreif“ anzusehen sind.

gg) Auslese Bei der „Auslese“ dürfen nur vollreife oder edelfaule Trauben verwendet werden. Die Mindestmostgewichte liegen hier zwischen 88° und 100°. Grundsätzlich sind, wie der Name sagt, die Beeren auszulesen, mithin Beeren auszusondern, die in eine Auslese nicht hineingehören. Dies ist nur bei einer Handlese vorstellbar, das WeinG 1994 erlaubt hier auch eine maschinelle Lese. Einige weinbautreibende Länder (Bayern, Hessen) schreiben daher in ihren Weinverordnungen vor, dass Auslesen per Hand zu lesen sind, Rheinland-Pfalz erlaubt das Lesen der Trauben allerdings mit sogenannten Vollerntern86. Dies in einem Bundesland, in dem zwei Drittel der bundesdeutschen Gesamtrebfläche von 102.000 ha bewirtschaftet werden. Die Verbraucher werden aus Kostengründen darüber getäuscht, dass die Beeren von Hand ausgelesen, in Wirklichkeit aber maschinell abgeerntet wurden. Reformvorschlag: Den Weinbau treibenden Länder Bayern und Hessen ist hinsichtlich der Handlese zuzustimmen; der Rheinland-Pfälzische Weingesetzgeber sollte im Hinblick auf die Verbraucher nachziehen und bei Auslese den Einsatz des Vollernters ausschließen, so dass edelfaule Trauben tatsächlich ausgelesen werden.

hh) Beerenauslese – Trockenbeerenauslese – Eiswein Die übrigen, an der Spitze der Prädikate befindlichen Weine, sind in § 20 Abs. 4 Nr. 3–5 WeinG geregelt, wobei bei Eiswein87, der in gefrorenem Zustand88 gelesen werden muss, wiederum keine Handlese vorgeschrieben ist. Reformvorschlag: Da Eiswein, neben der Lesetemperatur, die Voraussetzungen einer Beerenauslese erfüllen muss, ist auch hier Handlese vorzuschreiben.

86

87 88

Maschinelles Ernten durch Abschütteln und gleichzeitiges Auffangen der Trauben, meist in Flachlagen eingesetzt, an der Mosel im Raum Bernkastel wird der Einsatz dieser Maschinen auch im Steillagenweinbau derzeit erprobt. Zu den Anforderungen an das Lesegut, siehe VG Neustadt, 2K 761/12, Urteil vom 19.3.2013, LMuR 2013, 152. Mindestens -7° bei Ernte und Kelterung. Die Absicht, Trauben zur Eisweinbereitung zu verwenden, ist den Weibauämtern anzuzeigen.

222

Achtes Kapitel

10. Lebensmittelrechtliche Vorschriften – Anwendung auf Wein Es ist zu beobachten, dass lebensmittelrechtliche Vorschriften in das Weinrecht „hineinragen“, ob dies der Weinwirtschaft behagt oder nicht89. Zwar sind die lebensmittelrechtliche Zusatzstoff-Zulassungsverordnung sowie die Lebensmittel-Kennzeichnungsverordnung bei Wein nicht anwendbar, doch enthalten sowohl das aktuelle LFGB als auch die im Jahr 2014 ins Leben gerufene Lebensmittelinformationsverordnung Regelungen, die den Weinsektor betreffen.

a) Nährwertdeklaration Zwar sind Getränke mit einem Alkoholgehalt von mehr als 1,2% vol. (Stillwein, Schaumwein) zu Recht von der Verpflichtung zur Angabe eines Zutatenverzeichnisses und einer Nährwertdeklaration nach Art. 9 Abs. 1 b) und l) LMIV90 befreit, Art. 16 Abs. 4 LMIV. Was im Umkehrschluss bedeutet, dass für alkoholfreie Weine und Traubensaft ein Zutatenverzeichnis und eine Nährwertdeklaration verpflichtend ist.

b) Mindesthaltbarkeitsdatum (MHD) Getränke mit einem Alkoholgehalt von 10 oder mehr vol. Alkohol sind generell auch von der Angabe des Mindesthaltbarkeitsdatums (MHD) befreit. Wein, Schaumwein, Weinschorle, Glühwein und Fruchtwein sind von der Angabe eines MHD befreit, Art. 24, Anhang X 1d LMIV. Aus Verbrauchersicht gestaltet es sich schwierig, zu erkennen, wie lange der gekaufte Wein haltbar ist, zumal dies von verschiedenen Faktoren abhängt wie der Wahl des Verschlusses (Kork, Glas, Naturkork, Schraubverschluss), Alkoholgehalt und vor allem dem Gehalt an Schwefel. Da der Verbraucher den Schwefelgehalt nicht erkennen kann, da lediglich der Vermerk „Enthält Sulfite“ oder „Enthält Schwefeldioxid“91 aufgedruckt sein muss, ist der konkrete Schwefelgehalt nicht erkennbar, der allerdings die Lagerfähigkeit beeinflussen kann.

89 90

91

Siehe schon oben, Siebtes Kapitel, § 49 S. 2 WeinG 1994, der auf § 59 LFGB und dessen Rechtsfolge verweist. Die EU-Lebensmittel-Informationsverordnung (LMIV) – Verordnung EU) Nr. 1169/ 2011, Amtsblatt der EU Nr .L 304, S. 18–63, gilt seit 13. Dezember 2014. Die Vorschriften der LMIV gelten grundsätzlich auch für Weinbauerzeugnisse, soweit nicht spezielle Kennzeichnungsvorschriften Weinsektor (unter anderem VO Nr. 1308/2013 und EG Nr. 607/2009) bestehen, die den Regelungen der LMIV vorgehen. Nur wenn SO2 > 10 mg/l).

Zusammenfassung und Würdigung

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Eine konkrete Schwefelangabe ist bisher aber weder eine Pflichtangabe, noch als freiwillige Angabe zulässig. Auch die Lagerung des Weines spielt eine nicht unerhebliche Rolle bei der Frage nach der Haltbarkeit. Nicht jeder verfügt über geeignete Kellerräume zur Lagerung des Weines, vielfach erfolgt dies in beheizten Wohnräumen, die für die Weinlagerung ungeeignet sind. Die Frage ist daher, ob ein MHD bei Wein angegeben werden sollte – gerade auch im Hinblick auf zivilrechtliche Gewährleistungsansprüche, die nach zwei Jahren nicht mehr geltend gemacht werden können, ein zunächst mangelfreier Wein aber erst nach einigen Jahren ungenießbar wird. Reformvorschlag: Ein MHD für Wein ist abzulehnen, da für ein Naturprodukt wie Wein eine genaue Prognose schwerlich möglich ist und von der Lagerung des Weines beim Verbraucher stark beeinflusst wird. Die oben geforderte Angabe des Gehaltes an Schwefeldioxyd und Restzucker ist insoweit hilfreich für die Weinkäufer, da diese im Zusammenspiel mit Alkoholgehalt und Verschluss (Korken, Schraubverschluss, Glas) Aufschluss über die Lagerfähig geben können. Eine aufschlussreiche Etikettierung ist für den Verbaucher hilfreicher, als die Angabe eines Mindesthaltbarkeitsdatums, das auch der Winzer nicht voraussehen kann, da es von vielen Faktoren abhängig ist.

c) Federweißer92 Mit Wirkung vom 13. Dezember 2014 wurde die LMIV für teilweise vergorenen Traubenmost („Federweißer“) ein Mindesthaltbarkeitsdatum festgeschrieben: Da Federweißer nicht in der Liste des Anhangs X 1d LMIV als von dieser Verpflichtung freigestelltes Erzeugnis aufgeführt ist, muss seit 13. Dezember 2014 ein MHD angegeben werden. Im Hinblick auf die stete Veränderung der Beschaffenheit des Federweißen durch die Gärung ist die Angabe eines MHD auch sinnvoll. Die Pflicht zur Angabe des MHD könnte allenfalls entfallen, sofern der Alkoholgehalt 10,0% vol Alk. oder mehr beträgt. Teilweise gegorener Traubenmost ist jedoch definiert als Erzeugnis mit einem vorhandenen Alkoholgehalt von 1% vol und von weniger als drei Fünfteln seines Gesamtalkoholgehaltes. De facto kommt damit dieser Ausnahmetatbestand nicht in Betracht93. Das MHD ist wie folgt anzugeben: bei Produkten, die weniger als drei Monate haltbar sind, müssen Tag und Monat angegeben werden, und bei Produkten, die mehr als drei Monate, höchstens 18 Monate haltbar sind, sind Monat und

92 93

Geregelt in der VO (EU) 1308/2013, Anhang VII, Teil II Ziff. 11. Anhang X 1d LMIV, Anhang VII Teil II Ziffer 11 VO (EU) 1308/2013.

224

Achtes Kapitel

Jahr anzugeben: Beispiel für Federweißer: „Gut gekühlt haltbar bis mindestens 30.11.“94. Reformvorschlag: Die Angabe des MHD für Federweißen macht Sinn für einen sich in der Hauptgärung befindlichen Traubenmost mit ständig wechselndem Alkoholgehalt. Wer die eigens zum Verkauf von Federweißen entwickelten 3–5-Liter-Kanister, die im Verschluss eine kleine Öffnung zum Entweichen der Gärgase enthalten, erst nach einigen Wochen öffnet, könnte möglicherweise redliche Winzer mit Gewährleistungsansprüchen überziehen. Federweißer ist zum sofortigen oder alsbaldigen Verzehr vorgesehen. Durch langes Lagern und einer damit einhergehenden Gärung, verliert er die ihm typischen Eigenschaften und kann allenfalls als Wein mit zum Teil zweistelligem Alkoholgehalt noch getrunken werden.

d) Alkoholfreier / alkoholreduzierter Wein Bei alkoholfreiem bzw. – reduziertem Wein handelt es sich um ein Lebensmittel, ein MHD ist somit anzugeben. Durch die Angabe: „mindestens haltbar bis:“ unmittelbar gefolgt von Datum mit Tag, Monat und Jahr erfüllen sie die Anforderungen an das MHD und gleichzeitig gilt diese taggenaue Angabe als Loskennzeichnung95. Alkohol als natürliches Konservierungsmittel entfällt hier, so dass eine lange Lagerfähigkeit insoweit ausgeschlossen ist. Reformvorschlag: Die Festlegung in Anhang X d LMIV, wonach Lebensmittel mit weniger als 10% vol. Alkohol ein MHD enthalten müssen, ist gerade für alkoholfreie Weine erforderlich und dient dem Verbraucher als Warnhinweis, diesen Wein nicht als Lagerwein vorzusehen, sondern innerhalb einer kurzen bis mittleren Zeitspanne zu verzehren.

II. Bedarf es eigenständiger weinrechtlicher Regelungen und Strafbestimmungen? Letztlich stellt sich die Frage, ob es überhaupt eigenständiger weingesetzlicher Vorschriften im Allgemeinen, sowie vom allgemeinen Straf- und Lebensmittelrecht abgekoppelter Strafbestimmungen im Besonderen bedarf.

94 95

Art. 24 Abs. 2, Anhang X 1c LMIV. Fränkischer Weinbauverband, Franken-Wein Info zur neuen LMIV, 2014, Ziff. 10.

Zusammenfassung und Würdigung

225

1. Historische Entwicklung Die Weintraube und ihre Erzeugnisse stellen Lebensmittel im Sinne aller bisherigen Lebensmittelgesetze seit 1879 dar. Schon bei Beratungen über die Abänderung des WeinG 1901 durch Weinsachverständige im Jahr 1906 (zweites „Weinparlament“96) wurde daher die Frage der bestehenden Sondergesetzgebung für Wein diskutiert und vorgeschlagen, Wein ausschließlich dem Nahrungsmittelgesetz zu unterstellen. Der Vorschlag fand jedoch „keinen Anklang“97. Im Gegenteil: Die Anlehnung der WeinG 1892 und 1901 an das NMG 1879 wurde durch das WeinG 1909 vollkommen aufgegeben, einer Bezugnahme auf die Strafvorschriften des NMG bedurfte es nach der Einführung eigenständiger Tatbestände und deren deren Rechtsfolgen in den Weingesetzen seit 1909 nicht mehr. Das Weingesetz ab 1909 ging mithin als Spezialgesetz den anderen einschlägigen Gesetzen, wie dem Lebensmittelgesetz, vor, belässt ihnen aber – trotz ausführlich formulierter Strafvorschriften – eine ergänzende Bedeutung auch für den Verkehr mit Wein, so ausdrücklich § 32 WeinG 1909 hinsichtlich des NMG 1879 und § 32 WeinG 1930 für das Lebensmittelgesetz 1927. Das Reichsgericht urteilte, das Lebensmittelgesetz solle immer dann greifen, soweit sich das WeinG einer Regelung bewusst enthalten oder unbeabsichtigt eine Lücke offengelassen habe98. Hinzu kam die Geltung des RStGB sowie des UWG und der Markengesetze als weiteres „Neben-Neben-Strafrecht“.

2. Allgemeines Weinrecht a) Europäisches Recht Das Weinrecht bildet „traditionell“ in den Rechtssystemen der Mitgliedstaaten eine eigenständige Rechtsmaterie99. Dies galt in der Vergangenheit auch auf europäischer Ebene, jedoch ist diese Eigenständigkeit aus der Sicht der Gemeinsamen Agrarpolitik für die Kulturpflanze Rebe „außergewöhnlich“100.

96 97

Das erste „Weinparlament“ tagte 1899 und leistete die Vorarbeiten zum WeinG 1901. Veröffentlichung des Kaiserlichen Gesundheitsamts 1906, S. 1159; abgedruckt bei Günther / Marschner, WeinG 1909, S. XXI–XXII. 98 RGSt 71, 308 = JW 1937, 3097. 99 Gerhard, Das neue Weingesetz, NVwZ 2010, 94. 100 Martinez, Festschrift Dauses, 2014, S. 225.

226

Achtes Kapitel

Die Gemeinsame Agrarpolitik umfasst die Landwirtschaft sowie den Handel mit landwirtschaftlichen Erzeugnissen, § 38 Abs. 1 AEUV. Was zur Landwirtschaft gehört, ist im Anhang zum AEUV aufgelistet, Wein ist ausdrücklich genannt101. Die Bestimmungen zur Gemeinsamen Agrarpolitik (Art. 39 bis 42 AEUV) finden zwar auch auf Wein Anwendung, dennoch hat das Weinrecht innerhalb der GAP seine Eigenständigkeit erhalten. Bereits 1962 wurde die „schrittweise Errichtung“ eines gemeinsamen Marktes für Wein beschlossen102. Die 1970 erlassenen Verordnungen (EWG) 816/70 und 817/70 wurden durch das WeinG 1971 umgesetzt. In der VO 816/70 wurde der Begriff „Wein“ europarechtlich definiert (Anhang II Nr. 7) und in Art. 6 der VO 817/70 wurden u.a. die europäischen Weinbauzonen festgelegt. Im Zuge der Reform der Europäischen Weinmarktordnung wurden durch Verordnung (EU) 1308/2013 sämtliche Bestimmungen betreffend den Anbau von Reben, die Herstellung von Wein und die Etikettierung, in die allgemeinen Bestimmungen dieser neuen GMO für landwirtschaftliche Erzeugnisse integriert103, die am 1. Januar 2014 in Kraft trat und viele Bestimmungen der Vorgänger-GMO – VO (EG) 1234/2007 – inhaltlich übernommen hat. Durchführungsverordnungen der Kommission ergänzen die GMO aber weiterhin104. Von großer praktischer Bedeutung sind die Verordnung über Ursprungsbezeichnungen und geographischen Angaben105 und Weinerzeugniskategorien106. Die GMO für landwirtschaftliche Erzeugnisse und eine Vielzahl von Ausführungsverordnungen zum Wein werden ergänzt durch das nationale Weingesetz und die WeinV.

b) Nationales Recht Das WeinG 1994 enthält – wie schon erwähnt – eigenständige Vorschriften zur Absatzförderung des Weines in den §§ 37–47107. Die Frage stellt sich, ob die

101 102 103 104 105 106 107

Art. 38 Abs. 3 AEUV, Anhang I, Kap. 22, Nr. 2204–2205. Verordnung Nr. 24 des Rates vom 4. April 1962, ABl. S. 989/62. VO (EU) 1308/2013. Abl. EU, L 347 vom 20.12.2013, S. 671–854. Für das Bezeichnungsrecht VO (EG) 607/2009, Abl. L 154. VO (EG) 607/2009, Abl. EU, L 193 vom 24.7.2009, S. 60–139. VO (EG) 606/2009, Abl. EU, L 193 vom 24.7.2009, S. 1–60. § 37 Abs. 1 Nr. 1: Deutscher Weinfonds. Der als Anstalt des öffentlichen Rechts errichtete Deutsche Weinfonds hat die Aufgabe, im Rahmen der ihm zur Verfügung stehenden Mittel, insbesondere des Aufkommens aus der Abgabe,

Zusammenfassung und Würdigung

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Förderung des Absatzes alkoholischer Getränke eine Aufgabe des Staates sein kann oder soll. Diese zur „Daseinsvorsorge“ erklärte Absatzhilfe für Wein steht mit den Werbebeschränkungen für alkoholische Getränke im Widerspruch108. Fazit: Das deutsche Weingesetz und die Weinverordnung können hinsichtlich des höherrangigen europäischen Rechts allenfalls noch als Ausführungsvorschriften ihre Daseinsberechtigung herleiten. Bis auf wenige Ausnahmen sind sämtliche Aufzählungen im WeinG schon im europäischen Weinrecht festgelegt109. Die Absatzförderung muss nicht spezialgesetzlich im WeinG geregelt werden und ist nicht einmal als staatliche Aufgabe der Daseinsfürsorge anzusehen.

3. Weinstrafrecht Nach der lateinischen Rechtsregel „lex specialis derogat legi generali“ gehen spezielle Gesetze den allgemeinen in der Anwendung vor. Was würde demnach passieren, wenn die Strafbestimmungen des WeinG 1994 einschließlich der in das WeinG eingestreuten normativen Tatbestandsausschlüsse heute vom Bundestag aufgehoben würden? Käme die Strafrechtspflege auf dem Gebiet der Weinverfehlungen zum Stillstand? Sicher nicht! Mit einer Ausnahme: Die Schwerpunktstaatsanwaltschaften110, die für die komplizierte Materie des Weinstrafrechts eingerichtet wurden, müssten ihre Arbeit einstellen und wieder in die Staatsanwaltschaften eingegliedert werden. Heimermann konstatiert, das Weinrecht sei wegen der besonderen Schutzbedürftigkeit des Konsumenten primär Verbraucherschutz und das Spannungsverhältnis zwischen Verbraucherschutz einerseits und Bezeichnungsrecht des Unternehmers könne häufig nur durch Schranken des Weinstrafrechts gelöst werden111. Dem ist entgegen zu halten, dass das LFGB und die Vorschriften des Strafgesetzbuches eine Reihe von Möglichkeiten zur Abhandlung von Straftaten im Herstellungsbereich des Weines als auch im Vertriebsbereich anbieten.

108 109 110 111

1. durch Erschließung und Pflege des Marktes den Absatz des Weines und sonstiger Erzeugnisse des Weinbaus zu fördern. Siehe hierzu schon die Kritik in DER SPIEGEL, Nr. 30/1961, S. 20 ff. – Weinwerbung mit Steuergeldern. EU-Verordnungen sind in allen Mitgliedstaaten unmittelbar geltendes Recht, Art. 288 Abs. 2 S. 2 AEUV. Beispielsweise in Bad Kreuznach in Rheinland-Pfalz. So Heimermann, Der Verstoß gegen das Bezeichnungsrecht im Weinstrafrecht, S. 1, S. 2 oben.

228

Achtes Kapitel

a) Herstellungsverstöße Waren die eigenständigen Strafbestimmungen der WeinG ab 1909 überhaupt erforderlich, oder hätte jeweils ein Hinweis auf das klug strukturierte Lebensmittelgesetz 1927 ausgereicht, so wie es die Weingesetze 1892 und 1901 handhabten und auf die Strafbestimmungen des NMG 1879 verwiesen. Wein ist ein Lebensmittel; wer ein Lebensmittel verfälscht oder nachmacht oder sonst den Verbraucher in die Irre führt, macht sich strafbar nach den akribisch formulierten und auch ausreichenden Lebensmittelgesetzen. Nahrungsmittelgesetz (NMG) 1879 Das erste deutsche Lebensmittelgesetz von 1879 regelte „den Verkehr mit Nahrungs- und Genussmitteln“. Den Kernpunkt des Gesetzes bildeten die Strafbestimmungen, die eine Täuschung des Publikums durch Nachahmungen oder Verfälschungen verhüten sollten und die Gefährdung der menschlichen Gesundheit mit Strafe bedrohten. Das Nahrungsmittelgesetz 1879 enthielt insgesamt sieben Strafvorschriften, wobei bereits Blankettvorschriften auftauchten, die auf andere Vorschriften des NMG (Binnenverweise) sowie auf kaiserliche Verordnungen zur Ausfüllung der einzelnen Tatbestände verwiesen (Außenverweise). Lebensmittelgesetz 1927 Das Gesetz von 1927 enthielt zum einen in § 4 Abs. 3 ein generelles Verbot irreführender Bezeichnungen und hat dieses Täuschungsverbot auch ernst genommen. Auch wurden nach den Strafvorschriften der §§ 12–18 relevante Handlungen nicht an anderer Stelle von der Strafbarkeit wieder ausgenommen. Lebensmittel- und Futtermittelgesetz 2005 Zweck des Gesetzes ist es, bei Lebensmitteln den Verbraucher vor Gefahren für die menschliche Gesundheit zu bewahren und vor Täuschung zu schützen, § 1 Abs. 1 LFGB. Zur Durchsetzung dieser Ziele sehen die Strafvorschriften der §§ 58, 59 Freiheits- und Geldstrafen vor, § 60 regelt die Ordnungswidrigkeiten im Lebensmittelsektor. In den §§ 58, 59 LFGB sind beinahe 60 Tatbestände umschrieben, die in ihrer Abstraktheit auch auf weingesetzliche Vergehen Anwendung finden könnten. § 58 Abs. 1 Nr. 1 LFGB bedroht diejenigen mit Strafe, die entgegen § 5 Abs. 1 S. 1 LFGB ein Lebensmittel herstellen oder behandeln. Das mit Strafe bedrohte Verhalten – die Herstellung gesundheitsschädlicher Lebensmittel – ergibt sich, wie in §§ 48, 49 S. 1 WeinG auch, aus einer Regelung, auf die verwiesen wird. Das ist hier zunächst § 5 LFGB, des Weiteren Art. 14 VO (EG) Nr. 178/2002, die das Inverkehrbringen gesundheitsschädlicher Lebensmittel verbieten.

Zusammenfassung und Würdigung

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Strafgesetzbuch Soweit die Herstellungsweise des Weines gesundheitsschädliche Auswirkungen nach sich zieht, geben die §§ 223, 224, 229 StGB ausreichenden Strafrechtsschutz, die jegliche Verursachung von Gesundheitsschädigungen erfasst, seien sie vorsätzlich oder fahrlässig begangen worden. Lebensmittelhygiene-Verordnung (LMHV)112 Dass die hygienischen Anforderungen auch bei der Weinherstellung zu gelten haben, ergibt sich explizit nicht aus den Weingesetzen, sondern schon aus § 3 LMHV. Hiernach dürfen Lebensmittel nur so hergestellt und behandelt werden, dass sie bei Beachtung der erforderlichen Sorgfalt einer nachteiligen Beeinflussung nicht ausgesetzt sind. Hier hätte der Gesetzgeber etwas deutlicher werden können, dennoch ist allgemein ersichtlich, was von Lebensmittelherstellern erwartet wird. Ein Verweis in § 14 WeinV und eine Bußgeldbewehrung113 ist für diese Selbstverständlichkeit nicht erforderlich, da diese auch für Erzeugnisse des Weinbaus gilt und schon durch das LFGB strafbewehrt ist. Fazit: Die Strafbestimmungen des Weingesetzes sind als Nebenstrafrecht zur Sanktionierung von Herstellungsverstößen nicht erforderlich114. Weinrechtliche Vergehen waren seit 1871 auch von den allgemeinen Strafbestimmungen erfasst115.

b) Vertriebsverstöße Kennzeichnung nach §§ 24 Abs. 2 WeinG, § 41 WeinV Die Regelungskompetenz für die Festlegung von Geschmacksangaben eines alkoholischen Getränks steht – wie oben ausgeführt – auf unsicherem Boden. Das zuständige Bundesministerium für Ernährung konstatiert auf seiner Internetpräsenz, dass die Kennzeichnung von Inhaltsstoffen und Eigenschaften eines Lebensmittels die Kaufentscheidung erleichtert und die Verbraucher schützt. Die Verbraucher wollen klar erkennen können, ob Zusatzstoffe, Allergene oder genetisch veränderte Organismen in einem Produkt enthalten sind und wie viel

112 Verordnung über Anforderungen an die Hygiene beim Herstellen, Behandeln und Inverkehrbringen von Lebensmitteln (Lebensmittelhygiene-Verordnung – LMHV) vom 8. August 2017 in der Fassung der Bekanntmachung vom 21. Juni 2016, zuletzt geändert am 3.1.2018 (BGBl. I S. 99). 113 § 53 Abs. 2 Nr. 1 WeinV. 114 2017 wurden (lediglich) 116 Straftaten gegen das Weingesetz polizeilich registriert (PKS 2017, Bd. 4, S. 183). 115 Siehe hierzu auch Drittes Kapitel – Strafgesetzbuch für das Deutsche Reich.

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Achtes Kapitel

Energie und Zucker in dem Produkt enthalten ist116. Dem ist uneingeschränkt zuzustimmen. Eine andere Frage ist, ob zur Durchsetzung dieser lebensmittelrechtlichen Ziele es bei Wein eigenständiger, teils stark abweichender Bestimmungen in Form von Etikettierungsvorschriften bedarf. Wäre Wein nicht von der LMIV ausgenommen, müsste nach deren Artikel 7 auf dem Etikett exakt angegeben werden, was dem Verbraucher nützlich ist. Die Festlegung der zumindest bei „lieblich“ und „süß“ weiten Geschmackskategorien, insbesondere bei der Bezeichnung „süß“, die bei 45 Gramm Restzucker beginnt und „ins Unendliche“ gehen kann. Die Angabe, dass ein Tisch aus Holz besteht, ist genauso weit interpretierbar, wie die Angabe, es handele sich um einen „süßen“ Wein, dieser kann 45 oder 150 Gramm Restzucker enthalten, der Tisch kann aus Eichen-, Buchen oder sonstigem Holz gefertigt sein. In beiden Fällen hat der Verbraucher ein berechtigtes Interesse an näheren Angaben. Diese ungenauen, in vier Klassen eingeteilten und nicht sonderlich informativen Geschmacksangaben erfolgten erstmals im WeinG 1971. Dies erstaunt, da es seinerzeit der Gesundheitsausschuss war, der bei Ausarbeitung des WeinG 1971 einbezogen und zumindest mitbestimmend war. Der mangelnde Informationsgehalt der vier Geschmackskategorien für Wein wird dadurch noch unübersichtlicher, dass bei Perlwein drei und bei Schaumwein sieben Kategorien festgelegt sind, die bei Wein und Perlwein auf freiwilliger Basis erfolgen und bei Schaumwein gesetzlich vorgeschrieben sind. Um diese Verwirrung zu vervollständigen, hat der Gesetzgeber für Glühwein fünf unterschiedliche Kategorien festgelegt, die von denjenigen für Wein bedeutend abweichen. Fazit: Sämtliche deutsche Lebensmittelgesetze seit 1879 enthielten ein Irreführungsverbot für Lebensmittel. Wein ist ein Lebens- und Genussmittel, so dass das Irreführungsverbot der Lebensmittelgesetze zu gleichen Ergebnissen führt. Bei den Geschmacksangaben wird keinesfalls etwas Unrichtiges angegeben, es werden vielmehr dem Verbraucher Informationen vorenthalten, die für seine Kaufentscheidung von großer Wichtigkeit sind, wie dies Studien zur Kaufentscheidung bei Wein deutlich gezeigt haben117.

116 www.bmel.de/Ernährung/Kennzeichnung/kennzeichnung_node.html; zuletzt eingesehen am 6.10.2018. 117 Ausführlich zur Kaufentscheidung, Szolnoki / Gergely, Die Messung des Einflusses der äußeren Produktgestaltung auf die Kaufbereitschaft: dargestellt am Beispiel Weißwein. Geisenheim 2007.

Zusammenfassung und Würdigung

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Strafgesetzbuch Auch im Vertriebsbereich eines Weines bietet das StGB mit den §§ 263, 267 den Verbrauchern Schutz vor Täuschungen, eng verzahnt mit den Gewährleistungsrechten der bürgerlichen Rechtes, die den Verbrauchern bei mangelhaftem Wein Rechte an die Hand geben, mit Ausnahme der Mängelbehebung, die bei schadhaftem Wein sicherlich nur in der Lieferung eines fehlerfreien Weines bestehen kann. LFGB 2005 Das allgemeine Lebensmittelrecht gibt darüber hinaus strengere Vorgaben, etwa das Erfordernis einer Zutatenliste, Nährwertangaben und ein Mindesthaltbarkeitsdatum, während sich der Weinsektor durch weingesetzliche Regelungen hier weitestgehend unbeeindruckt zeigt, ausgenommen das MHD bei teilweise gegorenem Traubenmost (Federweißer) oder hinsichtlich der weinähnlichen Getränke, die in der AGeV detailliert geregelt und die §§ 11,12 auch den Weg in die Strafgerichtsbarkeit ebnen. Weinbezeichnungsrecht Werden auf dem Etikett unrichtige Angaben gemacht, stellt dies – wie ausgeführt – keine Urkundenfälschung dar, sondern eine straffreie schriftliche Lüge. Verstöße gegen das Bezeichnungsrecht sind zudem eher dem Verwaltungsunrecht zuzuordnen, als dem Strafrecht. Das Gefährdungspotential liegt häufig im Abstrakten, so dass es nicht mehr in konkrete Beziehung zu den Rechtsgütern des Kernstrafrechts gebracht werden kann118. In den (wenigen) Fällen, in denen das Vermögen durch unrichtige Bezeichnungen geschädigt wird, kommt § 263 StGB zur Anwendung. Die aktuellen Strafvorschriften des WeinG 1994 verlagern hingegen die Strafbarkeit weit vor den Schutzbereich des § 263 StGB, indem sie sowohl auf die irrtumsbedingte Vermögensverfügung, auf den Vermögensschaden als auch auf die Vorteilsabsicht gänzlich verzichten119. Ein Winzer, der seine Weine als „bekömmlich“120, „für Diabetiker geeignet“121 oder am „Tag der deutschen Einheit gelesen“122 bezeichnet, begeht hier typisches Verwaltungsunrecht, Strafvorschriften scheiden als „ultima ratio“ aus. Das Bezeichnungsstrafrecht dient hier lediglich der „bloßen Durchsetzung von

118 119 120 121 122

Kühne, ZLR 1996, 369, 371. Ebd. Hierzu VG Trier, 5 K 43/09, Urteil vom 23.4.2009. Was nach § 15 WeinV 1971 noch erlaubt war. VGH Mannheim, LMRR 1994, 22, siehe oben Siebtes Kapitel, V., 3.

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Achtes Kapitel

Verwaltungsinteressen“123, hier insbesondere der Angabe einer Amtlichen Prüfungsnummer bei der Etikettierung von Qualtiäts- und Prädikatsweinen. Wichtige Informationen für die Verbraucher, wie etwa der genaue Restzuckergehalt124, der genaue Alkoholgehalt125 oder der Gehalt an Schwefelsäure in mg/L126 sind überdies vom Gesetzgeber verboten worden. Gesetz über den unlauteren Wettbewerb (UWG) Das UWG stellt Mitbewerbern eine rechtliche Handhabe zur Seite, gegen unlautere Etikettierung vorzugehen, allerdings wird dies durch das Weinbezeichnungsrecht teilweise ausgehebelt, da das Weinbezeichnungsrecht sachlichen Vorrang beansprucht127. Was durch weinrechtliche Bestimmungen erlaubt ist, kann wettbewerbsrechtlich nicht verboten sein und folglich nicht untersagt werden. So dürfen Weine von Winzergenossenschaften die Bezeichnung „Erzeugerabfüllung“ tragen, obwohl der Wein aus mehr als 100 angeschlossenen Winzerbetrieben stammen kann, die dann zu einem Erzeuger zusammengefasst werden. Fazit Vertriebsverstößen ist daher über §§ 263, 267 StGB, dem UWG und dem MarkenG beizukommen, was auch jetzt schon bei Zusammentreffen mit Strafvorschriften geschieht, und die Strafe aus derjenigen Bestimmung mit der höheren Strafandrohung genommen wird, und dies ist bei betrügerischem Weinvertrieb der § 263 StGB. Würde Wein wie jedes andere Handelsprodukt behandelt, wäre das Inverkehrbringen eines Riesling-Weines, der nur zu drei Vierteln aus dieser Rebsorte besteht, an § 263 StGB zu messen und auf die gleiche Stufe gestellt wie derjenige, der vier Ster128 Holz als Buchenholz verkauft und 25 Prozent Birkenholz hinein gemogelt hat. Diese Problematik hat der europäische Gesetzgeber in jüngster Zeit mehr und mehr erkannt und das „Irreführungsverbot“ in die LMIV aufgenommen und in

123 Kühne, ZLR 1996, 369 (371). 124 Dieser darf nicht in Gramm/l angegeben werden sondern nur umschreibend als „trocken“ „halbtrocken“, „lieblich“ oder „süß“. 125 Dieser muss auf volle oder halbe Dezimalstellen auf oder abgerundet werden, eine Angabe beispielsweise von 11,2% ist nicht erlaubt. 126 Hier ist nur die wenig konkrete Angabe „enthält Sulfite“ oder „enthält Schwefeldioxid“ erlaubt. 127 So schon EuGH Urteil vom 25.2.1981 – 56/80, Slg. 1981, S. 583–606. 128 Ster = Holzmaß, im Brennholzverkauf gebräuchlich.

Zusammenfassung und Würdigung

233

Artikel 7 als klassisches Täuschungsverbot ausgestaltet, unabhängig davon, ob eine Gefahr für Leib und Leben besteht. Auch die infrage kommenden Vertriebsverstöße sind ausreichend durch das allgemeine Straf- und Lebensmittelrecht mit Strafe bedroht, hier bedarf es keiner weiteren weinrechtlichen Strafvorschriften.

4. Schlussfolgerung Das deutsche Weingesetz1994 mag in einigen Teilen weiterhin seine Daseinsberechtigung unter Beweis gestellt haben, hinsichtlich der Strafvorschriften wird jedoch keine Erforderlichkeit gesehen. Die §§ 48 und 49 WeinG könnten ersatzlos gestrichen werden, ohne dass eine Sanktionslücke in der Strafrechtspflege entstünde, die sämtlich vom Lebensmittelgesetz (LFGB), der Alkoholhaltige Getränkeverordnung (AGeV) und einer Vielzahl von Gesetzen zur Hygiene, Kennzeichnung und Bestimmungen über die zulässigen Lebensmittelzusatzstoffe, geschlossen wird, vor allem aber durch das Strafgesetzbuch (StGB) und zwar auch in den aufgezeigten Fällen, in denen es gerade das Weingesetz ist, das einer Bestrafung der an sich einschlägigen Straftatbestände des Strafgesetzbuches durch „normative Irreführungen“ den Boden entzieht.

ANHANG

Ursprüngliche Fassung des § 67 Weingesetz 1971 Verletzung von Vorschriften über das Herstellen und das Inverkehrbringen (1) Mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren und mit Geldstrafe oder einer dieser Strafen wird bestraft, wer 1. bei der Herstellung von Wein oder der Behandlung von Erzeugnissen, aus denen er hergestellt ist, a) verbotene Erzeugnisse verwendet (§ 2 Abs. 1), b) einem Verschnittverbot zuwiderhandelt (§ 3), c) den vorhandenen oder potentiellen natürlichen Alkoholgehalt verbotswidrig erhöht (§§ 6, 17, Artikel 18 und 19 der Verordnung (EWG) Nr. 816/70, d) einen Stoff verbotswidrig zusetzt (§ 8 Abs. 1 Satz 1, § 17), e) Ionenaustauscher oder ultraviolette oder energiereiche Strahlen verbotswidrig anwendet (§ 8 Abs. 3 Satz 1, § 17), f) ein anderes Behandlungsverfahren, das zum Schutz der Gesundheit oder zur Förderung oder zur Erhaltung der Güte des Weins verboten ist, anwendet oder einer Einschränkung der Anwendung zuwiderhandelt (§ 8 Abs. 4 Satz 2 Nr. 1, 2, § 17), 2. bei der Herstellung, Abfüllung oder Lagerung von Wein oder den zu seiner Herstellung verwendeten Erzeugnissen Gegenstände verbotswidrig benutzt (§ 8 Abs. 2, § 17), 3. Wein mit einem verbotenen Gehalt an schwefliger Säure, Schwefelsäure oder anderen Stoffen zum offenen Ausschank feilhält oder abgefüllt in den Verkehr bringt (§ 9 Abs. 5, 6, § 17). (2) Ebenso wird bestraft, wer 1. ein verbotenes Erzeugnis bei der Herstellung von inländischem Likörwein (§ 21 Abs. 1 Nr. 1), inländischem Schaumwein (§ 25 Abs. 1 Nr. 1), inländischen weinhaltigen Getränken (§ 30 Abs. 1), inländischem Weindestillat (§ 36 Abs. 3 Satz 1) oder inländischem Branntwein aus Wein (§ 38 Abs. 1) verwendet, 2. einem Verschnittverbot für ausländischen Likörwein (§ 23 Abs. 2 Nr. 2), weinhaltige Getränke (§ 30 Abs. 4) oder inländischen Branntwein aus Wein (§ 38 Abs. 1) zuwiderhandelt,

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Anhang

3. verbotswidrig einen Stoff zusetzt, Ionenaustauscher oder ultraviolette oder energiereiche Strahlen oder ein anderes Behandlungsverfahren, das zum Schutz der Gesundheit oder zur Förderung und Erhaltung der Güte des Erzeugnisses verboten ist, anwendet: a) bei der Behandlung von ausländischem Wein (§ 19 Abs. 2), ausländischem Traubenmost (§ 19 Abs. 4) oder ausländischem Likörwein (§ 23 Abs. 2 Nr. 1), b) bei der Herstellung von inländischem Likörwein (§ 21 Abs. 1 Nr. 3), inländischem Schaumwein (§ 25 Abs. 1 Nr. 3), inländischen weinhaltigen Getränken (§ 30 Abs. 3) oder inländischem Branntwein aus Wein (§ 38 Abs. 2 und 4), 4. bei Weindestillat verbotswidrig einen Stoff zusetzt oder entzieht (§ 36 Abs. 1 Satz 2), 5. bei inländischem Branntwein aus Wein verbotswidrig einen Stoff zusetzt oder entzieht oder ein Verfahren anwendet (§ 38 Abs. 3), 6. einen Gegenstand aus bestimmten Stoffen bei der Behandlung, Abfüllung oder Lagerung von ausländischem Wein (§ 19 Abs. 2), ausländischem Traubenmost (§ 19 Abs. 4), inländischem Likörwein (§ 21 Abs. 2), ausländischem Likörwein (§ 23 Abs. 2 Nr. 1), inländischem Schaumwein (§ 25 Abs. 2), inländischen weinhaltigen Getränken (§ 30 Abs. 3 Satz 3), inländischem Branntwein aus Wein (§ 38 Abs. 4 Satz 2) oder von Erzeugnissen, aus denen sie hergestellt sind, verbotswidrig benutzt, 7. ein nachstehend bezeichnetes Erzeugnis mit einem verbotenen Gehalt an schwefliger Säure, Schwefelsäure oder anderen Stoffen zum offenen Ausschank feilhält oder abgefüllt in den Verkehr bringt: ausländischen Wein (§ 19 Abs. 3), ausländischen Traubenmost (§ 19 Abs. 4), ausländischen Likörwein (§ 23 Abs. 3) inländische weinhaltige Getränke (§ 30 Abs. 5) oder ausländische weinhaltige Getränke (§ 33), 8. inländischen Likörwein oder inländischen Schaumwein mit einem verbotenen Gehalt an schwefliger Säure oder Schwefelsäure (§ 21 Abs. 1 Nr. 4, § 25 Abs. 1 Nr. 4) abgefüllt in den Verkehr bringt oder solchen inländischen Likörwein zum offenen Ausschank feilhält, 9. ein Erzeugnis, das wegen der gesundheitlich bedenklichen Beschaffenheit, der Verdorbenheit, der Anwendung von Ionenaustauschern, ultravioletten oder energiereichen Strahlen, des Zusetzens von Stoffen oder Alkohol oder des Gehalts an schwefliger Säure, Schwefelsäure oder bestimmten sonstigen Stoffen von dem Verbringen ins Inland ausgeschlossen ist (§ 18 Abs. 2 Nr. 1 bis 6 und Abs. 3 Nr. 1, § 19 Abs. 4, § 22 Abs. 2 Nr. 1 bis 6 und Abs. 3, § 27 Abs. 2 Nr. 1 bis

Ursprüngliche Fassung des § 67 Weingesetz 1971

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5 und Abs. 3, § 32 Abs. 2 Nr. 1 bis 4 und Abs. 3, § 36 Abs. 4 Satz 2, § 37 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 bis 3, § 42 Abs. 2 Nr. 1 bis 3 und Abs. 3), verwendet, verwertet, in den Verkehr bringt, ins Inland oder aus dem Inland verbringt (§ 52 Abs. 1), 10. einer Vorschrift über das Behandeln oder Verschneiden von ausländischen weinhaltigen Getränken (§ 33) oder ausländischem Branntwein aus Wein (§ 43 Abs. 1) im Inland zuwiderhandelt, 11. einer nach § 61 Nr. 1 bis 3 erlassenen Rechtsverordnung über die Benutzung oder die Beschaffenheit von Behältnissen, sonstigen Gegenständen oder Räumen zuwiderhandelt, soweit sie für einen bestimmten Tatbestand auf diese Strafvorschrift verweist, 12. ein Erzeugnis, das durch eine in Absatz 1 oder in den Nummern 1 bis 6, 10 oder 11 mit Strafe bedrohte Handlung hervorgebracht worden ist oder auf das sich eine solche Handlung bezieht, verwendet, verwertet, in den Verkehr bringt, ins Inland oder aus dem Inland verbringt (§ 52 Abs. 1). (3) Nach Absatz 1 wird auch bestraft, wer 1. in den Weinbauzonen A oder B frische Weintrauben, Traubenmost, zur Konzentrierung bestimmten Traubenmost, teilweise gegorenen Traubenmost oder Jungwein sowie Wein entgegen Artikel 20 der Verordnung (EWG) Nr. 816/70 oder Artikel 4 der Verordnung (EWG) Nr. 1594/70 säuert oder entsäuert. 2. Traubentrester verbotswidrig erneut vergärt (Artikel 24 Abs. 1 Satz 2 der Verordnung (EWG) Nr. 816/70, 3. frischen Weintrauben, Traubenmost, teilweise gegorenem Traubenmost, auch ohne Alkohol stummgemacht, mit Alkohol stummgemachtem Most aus frischen Weintrauben, Wein aus frischen Weintrauben, Tresterwein, Weintrub oder Traubentrester verbotswidrig Alkohol zusetzt (Artikel 25 der Verordnung (EWG) Nr. 816/70, Verordnung (EWG) Nr. 1093/70, 4. verbotswidrig Tafelwein, zur Gewinnung von Tafelwein geeigneten Wein oder eingeführten Wein verschneidet (Artikel 26 der Verordnung (EWG) Nr. 816/70, Verordnung (EWG) Nr. 959/70), 5. Wein, der von den Rebsorten im Sinne des Artikels 16 der Verordnung (EWG) Nr. 816/70 stammt, ohne zur Gewinnung von Tafelwein geeigneter Wein oder Tafelwein zu sein (Nummern 9 und 10 des Anhangs II der Verordnung (EWG) Nr. 816/70 verbotswidrig verwendet (Artikel 27 Abs. 3 Buchstabe ader Verordnung (EWG) Nr. 816/70, 6. verbotswidrig frische Weintrauben, Traubenmost, teilweise gegorenen Traubenmost, Jungwein oder Wein, die nicht von Rebsorten im Sinne des Artikels

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Anhang

16 der Verordnung (EWG) Nr. 816/70 stammen, in der Gemeinschaft in den Verkehr bringt oder an eine Genossenschaft liefert (Artikel 27 Abs. 3 Buchstabe b der Verordnung (EWG) Nr. 816/70, 7. verbotswidrig Traubensaft oder konzentrierten Traubensaft zu Wein verarbeitet oder zur Weinherstellung verwendet (Artikel 27 Abs. 4 Unterabsatz 1 der Verordnung (EWG) Nr. 816/70), 8. aus Weintrub, Traubentrester, Brennwein oder verdünntem Alkohol aus Erzeugnissen der Weinrebe verbotswidrig Wein oder ein sonstiges Getränk zum unmittelbaren menschlichen Verbrauch herstellt (Artikel 27 Abs. 4 Unterabsatz 2 der Verordnung (EWG) Nr. 816/70), 9. Tresterwein, Brennwein oder verdünnten Alkohol aus den Erzeugnissen der Weinrebe verbotswidrig verwendet (Artikel 27 Abs. 4 Unterabsatz 3 oder 4 der Verordnung (EWG) Nr. 816/70), 10. eingeführten Wein, der nicht den Anforderungen des Artikels 28 Absatz 1 der Verordnung (EWG) Nr. 816/70) entspricht, verbotswidrig zum unmittelbaren menschlichen Verbrauch abgibt, 11. verbotswidrig eingeführte frische Weintrauben, eingeführten Traubenmost, eingeführten konzentrierten Traubenmost, eingeführten teilweise gegorenen Traubenmost oder eingeführten Traubensaft zu Wein verarbeitet oder zur Weinherstellung verwendet (Artikel 28 Abs. 2 Unterabsatz 1 der Verordnung (EWG) Nr. 816/70), 12. verbotswidrig aus eingeführtem Weintrub, eingeführtem Traubentrester, eingeführtem Tresterwein, eingeführtem Brennwein oder eingeführtem verdünnten Alkohol aus Erzeugnissen der Weinrebe Wein oder ein sonstiges zum unmittelbaren menschlichen Verbrauch bestimmtes Getränk herstellt (Artikel 28 Abs. 4 der Verordnung (EWG) Nr. 816/70). 13. eingeführten Wein, der nicht den Vorschriften des Artikels 28 Abs. 1 der Verordnung (EWG) Nr. 816/70 entspricht, verbotswidrig zu einem anderen als für entsprechenden Gemeinschaftswein zulässigen Zweck verwendet (Artikel 28 Abs. 4 der Verordnung (EWG) Nr. 816/70). (4) Wer eine der in den Absätzen 1 bis 3 bezeichneten Handlungen fahrlässig begeht, wird mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe bestraft. (5) Mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer 1. ein Erzeugnis zur Herstellung von Schaumwein (§ 25 Abs. 1 Nr. 2) oder weinhaltigen Getränken (§ 30 Abs. 2) verwendet, ohne es gekennzeichnet und eingetragen zu haben,

Ursprüngliche Fassung des § 67 Weingesetz 1971

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2. ein Erzeugnis unter Verstoß gegen das Täuschungsverbot des § 46 Abs. 1 bis 3 oder einer nach § 46 Abs. 4 erlassenen Rechtsverordnung, soweit sie für einen bestimmten Tatbestand auf diese Strafvorschrift verweist, in den Verkehr bringt, ins Inland oder aus dem Inland verbringt oder zum Gegenstand der Werbung macht, 3. ein Erzeugnis mit nicht zugelassenen gesundheitsbezogenen Angaben in den Verkehr bringt, ins Inland oder aus dem Inland verbringt oder zum Gegenstand der Werbung macht (§ 47 Abs. 1) oder eine vorgeschriebene Kenntlichmachung unterlässt (§ 47 Abs. 2, § 53 Abs. 3, § 61 Nr. 4), 4. ein Getränk, das mit einem Erzeugnis verwechselt werden kann, verbotswidrig herstellt, ins Inland verbringt oder in den Verkehr bringt (§ 53 Abs. 1) oder ein Erzeugnis mit anderen Getränken vermischt gewerbsmäßig in den Verkehr bringt (§ 53 Abs. 2), 5. Traubensaft a) als Traubenmost bezeichnet (§ 62 Abs. 1 Satz 2), b) bei der Herstellung von alkoholischen Getränken verwendet oder zusetzt (§ 62 Abs. 2).

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METTKE, Thomas: Die Entwicklung des Lebensmittelrechts, GRUR 1979, S. 817–824. MONZ, Heinz: Ludwig Gall – Retter der Moselwinzer oder Weinfälscher?, Schriften zur Weingeschichte Nr. 57, Wiesbaden 1981. MÜLLER, Karl: Weinbaulexikon für Winzer, Weinhändler, Küfer und Gastwirte, Berlin 1930. OTTO, Walter: Die strafrechtlichen Bestimmungen des Nahrungsmittelgesetzes vom 14. Mai 1879, Stuttgart 1909. PFAFF, Sebastian: Das neue Weingesetz und seine wirtschaftliche Bedeutung, Landau 1910. PFORDTEN, Theodor von der: Gesetz, betreffend den Verkehr mit Nahrungsmitteln, Genußmitteln und Gebrauchsgegenständen vom 14. Mai 1879, 2. umgearbeitete Auflage, München 1913. PFORDTEN, Theodor von der: Gesetz, betreffend den Verkehr mit Wein, weinhaltigen und weinähnlichen Getränken vom 24. Mai 1901, München 1901. PFORDTEN, Theodor von der: Weingesetz vom 7. April 1909, München 1910. PRECHTEL, Dietmar: Urkundendelikte – Reformdiskussion und Gesetzgebung seit 1870, Berlin 2005. PROKOP, Ludwig: Lebenselixier Wein, 2. Auflage, Graz/Stuttgart 1999. RATHKE, Kurt-Dietrich / BOCH, Thomas: Weinrecht – Weingesetz, Weinverordnung mit EG/EU-Recht, Kommentar, München 2012. RENZ, F. / NEUMANN, H.: Das neue Weinrecht. Weingesetz 1969 und zugehöriger Rechtsstoff, Stuttgart 1969. RIEGER, Rudolf: Die Weinfälschung im Strafrecht, Neustadt 1949. SAMSON, Erich: Grundprobleme der Urkundenfälschung, JUS 1970, S. 369–376. SATZKER, Helmut: Internationales und Europäisches Strafrecht, 8. Auflage, Baden-Baden 2018. SCHMITTHENNER, F.: Weinbau und Weinbereitung, Leipzig 1910. SCHNELL, Angelika: Verweisungsbedingte Normenkomplexität nebenstrafrechtlicher Tatbestände am Beispiel des Weingesetzes, Filderstadt 1986. SCHÖNKE, Adolf / SCHRÖDER, Horst: Strafgesetzbuch, Kommentar, StGB, 30. Auflage, München 2018.

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VERGHO, Raphael: Der Maßstab der Verbrauchererwartung im Verbraucherschutzstrafrecht, Freiburg 2009. VORMBAUM, Thomas: Einführung in die moderne Strafrechtsgeschichte, 3. Auflage, Berlin/Heidelberg 2016. WEHLING, Hans-Georg: Die politische Willensbildung auf dem Gebiet der Weinwirtschaft – dargestellt am Beispiel der Weingesetzgebung, Göppingen 1971. WEIßER, Wilhelm: Weingesetz vom 7. April 1909 nebst Ausführungsbestimmungen, Kirchheimbolanden 1909. WICHMANN, Fritz: Der Kampf um die Weinverbesserung im deutschen Reiche, Jena 1902. WINDISCH, Karl: Weingesetz – Gesetz betreffend den Verkehr mit Wein, weinhaltigen und weinähnlichen Getränken vom 24. Mai 1901, Berlin 1902. WÜRZBURG, Arthur: Die Nahrungsmittel-Gesetzgebung im Deutschen Reiche und in den einzelnen Bundesstaaten, Leipzig 1894. ZIMMER, Jan: Weinbaupolitik in Deutschland – Der Gesetzgebungsprozess zum 71er Weingesetz – Akteure, Willensbildung und Folgen, Stuttgart 2004. ZINN, August: Reichsgesetz betr. den Verkehr mit Nahrungsmitteln und Gebrauchsgegenständen vom 14. Mai 1879, Nördlingen 1885. ZIPFEL / RATHKE / DANNECKER: Lebensmittelrecht – Loseblattkommentar; Stand 170. EL, 2018. ZIPFEL, Walter: unter Mitarbeit von Eberhard Stadler; Weinrecht mit EWGVorschriften, Sonderausgabe aus Walter Zipfel Lebensmittelrecht, München 1972. ZOELLER, Otto: Das Weingesetz vom 7. April 1909, München/Berlin/Leipzig, 1921.



Juristische Zeitgeschichte



Herausgeber: Prof. Dr. Dr. Dr. h.c. Thomas Vormbaum, FernUniversität in Hagen



Abteilung 1: Allgemeine Reihe

  1 Thomas Vormbaum (Hrsg.): Die Sozialdemokratie und die Entstehung des Bürgerlichen Gesetzbuchs. Quellen aus der sozialdemokratischen Partei und Presse (1997)   2 Heiko Ahlbrecht: Geschichte der völkerrechtlichen Strafgerichtsbarkeit im 20. Jahrhundert (1999)   3 Dominik Westerkamp: Pressefreiheit und Zensur im Sachsen des Vormärz (1999)   4 Wolfgang Naucke: Über die Zerbrechlichkeit des rechtsstaatlichen Strafrechts. Gesammelte Aufsätze zur Straf­rechtsgeschichte (2000)   5 Jörg Ernst August Waldow: Der strafrechtliche Ehrenschutz in der NS-Zeit (2000)   6 Bernhard Diestelkamp: Rechtsgeschichte als Zeitgeschichte. Beiträge zur Rechtsgeschichte des 20. Jahrhun­derts (2001)  7 Michael Damnitz: Bürgerliches Recht zwischen Staat und Kirche. Mitwirkung der Zentrumspartei am Bürger­lichen Gesetzbuch (2001)   8 Massimo Nobili: Die freie richterliche Überzeugungsbildung. Reformdiskus­sion und Gesetzgebung in Italien, Frankreich und Deutschland seit dem Ausgang des 18. Jahrhunderts (2001)   9 Diemut Majer: Nationalsozialismus im Lichte der Juristischen Zeitgeschichte (2002) 10 Bianca Vieregge: Die Gerichtsbarkeit einer „Elite“. Nationalsozialistische Rechtsprechung am Beispiel der SS- und Polizeigerichtsbarkeit (2002) 11 Norbert Berthold Wagner: Die deutschen Schutzgebiete (2002) 12 Milosˇ Vec: Die Spur des Täters. Methoden der Identifikation in der Kriminalistik (1879–1933), (2002) 13 Christian Amann: Ordentliche Jugendgerichtsbarkeit und Justizalltag im OLGBezirk Hamm von 1939 bis 1945 (2003) 14 Günter Gribbohm: Das Reichskriegsgericht (2004) 15 Martin M. Arnold: Pressefreiheit und Zensur im Baden des Vormärz. Im Spannungsfeld zwischen Bundestreue und Liberalismus (2003) 16 Ettore Dezza: Beiträge zur Geschichte des modernen italienischen Strafrechts (2004) 17 Thomas Vormbaum (Hrsg.): „Euthanasie“ vor Gericht. Die Anklageschrift des Generalstaatsanwalts beim OLG Frankfurt/M. gegen Werner Heyde u. a. vom 22. Mai 1962 (2005) 18 Kai Cornelius: Vom spurlosen Verschwindenlassen zur Benachrichtigungspflicht bei Festnahmen (2006) 19 Kristina Brümmer-Pauly: Desertion im Recht des Nationalsozialismus (2006) 20 Hanns-Jürgen Wiegand: Direktdemokratische Elemente in der deutschen Verfassungsgeschichte (2006) 21 Hans-Peter Marutschke (Hrsg.): Beiträge zur modernen japanischen Rechtsgeschichte (2006) 22 Katrin Stoll: Die Herstellung der Wahrheit (2011)

23 Thorsten Kurtz: Das Oberste Rückerstattungsgericht in Herford (2014) 24 Sebastian Schermaul: Die Umsetzung der Karlsbader Beschlüsse an der Universität Leipzig 1819–1848 (2013) 25 Minoru Honda: Beiträge zur Geschichte des japanischen Strafrechts (2020)

Abteilung 2: Forum Juristische Zeitgeschichte   1 Franz-Josef Düwell / Thomas Vormbaum (Hrsg.): Themen juristischer Zeit­ geschichte (1) – Schwerpunktthema: Recht und Nationalsozialismus (1998)   2 Karl-Heinz Keldungs: Das Sondergericht Duisburg 1943–1945 (1998)   3 Franz-Josef Düwell / Thomas Vormbaum (Hrsg.): Themen juristischer Zeit­ geschichte (2) – Schwerpunktthema: Recht und Juristen in der Revolution von 1848/49 (1998)   4 Thomas Vormbaum: Beiträge zur juristischen Zeitgeschichte (1999)   5 Franz-Josef Düwell / Thomas Vormbaum: Themen juristischer Zeitgeschichte (3), (1999)   6 Thomas Vormbaum (Hrsg.): Themen juristischer Zeitgeschichte (4), (2000)   7 Frank Roeser: Das Sondergericht Essen 1942–1945 (2000)   8 Heinz Müller-Dietz: Recht und Nationalsozialismus – Gesammelte Beiträge (2000)   9 Franz-Josef Düwell (Hrsg.): Licht und Schatten. Der 9. November in der deutschichte – Symposium der Arnold-Frey­ muthschen Geschichte und Rechtsge­ Gesellschaft, Hamm (2000) 10 Bernd-Rüdiger Kern / Klaus-Peter Schroeder (Hrsg.): Eduard von Simson (1810– 1899). „Chorführer der Deutschen“ und erster Präsident des Reichs­gerichts (2001) 11 Norbert Haase / Bert Pampel (Hrsg.): Die Waldheimer „Prozesse“ – fünfzig Jahre danach. Dokumentation der Tagung der Stiftung Sächsische Gedenkstätten am 28. und 29. September in Waldheim (2001) 12 Wolfgang Form (Hrsg.): Literatur- und Urteilsverzeichnis zum politischen NSStrafrecht (2001) Sabine Hain: Die Individualverfassungsbeschwerde nach Bundesrecht (2002) 13 14 Gerhard Pauli / Thomas Vormbaum (Hrsg.): Justiz und Nationalsozialismus – Kontinuität und Diskontinuität. Fachtagung in der Justizakademie des Landes NRW, Recklinghausen, am 19. und 20. November 2001 (2003) 15 Mario Da Passano (Hrsg.): Europäische Strafkolonien im 19. Jahrhundert. Internationaler Kongreß des Diparti­mento di Storia der Universität Sassari und des Parco nazionale di Asinara, Porto Torres, 25. Mai 2001 (2006) 16 Sylvia Kesper-Biermann / Petra Overath (Hrsg.): Die Internationalisierung von Strafrechtswissenschaft und Kriminalpolitik (1870–1930). Deutschland im Vergleich (2007) 17 Hermann Weber (Hrsg.): Literatur, Recht und Musik. Tagung im Nordkolleg Rendsburg vom 16. bis 18. Sep­tember 2005 (2007) 18 Hermann Weber (Hrsg.): Literatur, Recht und (bildende) Kunst. Tagung im Nordkolleg Rendsburg vom 21. bis 23. September 2007 (2008) 19 Francisco Muñoz Conde / Thomas Vormbaum (Hrsg.): Transformation von Diktaturen in Demokratien und Aufarbeitung der Vergangenheit (2010) 20 Kirsten Scheiwe / Johanna Krawietz (Hrsg.): (K)Eine Arbeit wie jede andere? Die Regulierung von Arbeit im Privathaushalt (2014)

21 Helmut Irmen: Das Sondergericht Aachen 1941–1945 (2018)

Abteilung 3: Beiträge zur modernen deutschen Strafgesetzgebung. Materialien zu einem historischen Kommentar   1 Thomas Vormbaum / Jürgen Welp (Hrsg.): Das Strafgesetzbuch seit 1870. Sammlung der Änderungen und Neubekanntmachungen; fünf Textbände (1999–2020) und drei Supplementbände (2005, 2006)  2 Christian Müller: Das Gewohnheitsverbrechergesetz vom 24. November 1933. Kriminalpolitik als Rassenpo­litik (1998)   3 Maria Meyer-Höger: Der Jugendarrest. Entstehung und Weiterentwicklung einer Sanktion (1998)  4 Kirsten Gieseler: Unterlassene Hilfeleistung – § 323c StGB. Reformdiskussion und Gesetzgebung seit 1870. (1999)   5 Robert Weber: Die Entwicklung des Nebenstrafrechts 1871–1914 (1999)  6 Frank Nobis: Die Strafprozeßgesetzgebung der späten Weimarer Republik (2000)   7 Karsten Felske: Kriminelle und terroristische Vereinigungen – §§ 129, 129a StGB (2002)   8 Ralf Baumgarten: Zweikampf – §§ 201–210 a.F. StGB (2003)   9 Felix Prinz: Diebstahl – §§ 242 ff. StGB (2003) 10 Werner Schubert / Thomas Vormbaum (Hrsg.): Entstehung des Strafgesetzbuchs. Kommissionsprotokolle und Entwürfe. Band 1: 1869 (2002); Band 2: 1870 (2004) 11 Lars Bernhard: Falsche Verdächtigung (§§ 164, 165 StGB) und Vortäuschen einer Straftat (§ 145d StGB), (2003) 12 Frank Korn: Körperverletzungsdelikte – §§ 223 ff., 340 StGB. Reformdiskus­sion und Gesetzgebung von 1870 bis 1933 (2003) 13 Christian Gröning: Körperverletzungsdelikte – §§ 223 ff., 340 StGB. Reformdiskussion und Gesetzgebung seit 1933 (2004) 14 Sabine Putzke: Die Strafbarkeit der Abtreibung in der Kaiserzeit und in der Weimarer Zeit. Eine Analyse der Reformdiskussion und der Straftatbestände in den Reformentwürfen (1908–1931), (2003) 15 Eckard Voßiek: Strafbare Veröffentlichung amtlicher Schriftstücke (§ 353d Nr. 3 StGB). Gesetzgebung und Rechtsanwendung seit 1851 (2004) 16 Stefan Lindenberg: Brandstiftungsdelikte – §§ 306 ff. StGB. Reformdiskus­sion und Gesetzgebung seit 1870 (2004) 17 Ninette Barreneche†: Materialien zu einer Strafrechtsgeschichte der Münchener Räterepublik 1918/1919 (2004) 18 Carsten Thiel: Rechtsbeugung – § 339 StGB. Reformdiskussion und Gesetz­ gebung seit 1870 (2005) 19 Vera Große-Vehne: Tötung auf Verlangen (§ 216 StGB), „Euthanasie“ und Sterbehilfe. Reformdiskussion und Gesetzgebung seit 1870 (2005) 20 Thomas Vormbaum / Kathrin Rentrop (Hrsg.): Reform des Strafgesetzbuchs. Sammlung der Reformentwürfe. Band 1: 1909 bis 1919. Band 2: 1922 bis 1939. Band 3: 1959 bis 1996 (2008) 21 Dietmar Prechtel: Urkundendelikte (§§ 267 ff. StGB). Reformdiskussion und Gesetzgebung seit 1870 (2005)

22 Ilya Hartmann: Prostitution, Kuppelei, Zuhälterei. Reformdiskussion und Gesetzgebung seit 1870 (2006) 23 Ralf Seemann: Strafbare Vereitelung von Gläubigerrechten (§§ 283 ff., 288 StGB). Reformdiskussion und Gesetzgebung seit 1870 (2006) 24 Andrea Hartmann: Majestätsbeleidigung (§§ 94 ff. StGB a.F.) und Verunglimpfung des Staatsoberhauptes (§ 90 StGB). Reformdiskussion und Gesetzgebung seit dem 19. Jahrhundert (2006) 25 Christina Rampf: Hausfriedensbruch (§ 123 StGB). Reformdiskussion und Gesetzgebung seit 1870 (2006) 26 Christian Schäfer: „Widernatürliche Unzucht“ (§§ 175, 175a, 175b, 182, a.F. StGB). Reformdiskussion und Gesetzgebung seit 1945 (2006) 27 Kathrin Rentrop: Untreue und Unterschlagung (§§ 266 und 246 StGB). Reformdiskussion und Gesetzgebung seit dem 19. Jahrhundert (2007) 28 Martin Asholt: Straßenverkehrsstrafrecht. Reformdiskussion und Gesetz­gebung seit dem Ausgang des 19. Jahr­hunderts (2007) 29 Katharina Linka: Mord und Totschlag (§§ 211–213 StGB). Reformdiskussion und Gesetzgebung seit 1870 (2008) 30 Juliane Sophia Dettmar: Legalität und Opportunität im Strafprozess. Reformdiskussion und Gesetzgebung von 1877 bis 1933 (2008) 31 Jürgen Durynek: Korruptionsdelikte (§§ 331 ff. StGB). Reformdiskussion und Gesetzgebung seit dem 19. Jahr­hundert (2008) 32 Judith Weber: Das sächsische Strafrecht im 19. Jahrhundert bis zum Reichsstrafgesetzbuch (2009) 33 Denis Matthies: Exemplifikationen und Regelbeispiele. Eine Untersuchung zum 100-jährigen Beitrag von Adolf Wach zur „Legislativen Technik“ (2009) 34 Benedikt Rohrßen: Von der „Anreizung zum Klassenkampf“ zur „Volksverhetzung“ (§ 130 StGB). Reformdiskussion und Gesetzgebung seit dem 19. Jahrhundert (2009) 35 Friederike Goltsche: Der Entwurf eines Allgemeinen Deutschen Strafgesetzbuches von 1922 (Entwurf Radbruch) (2010) 36 Tarig Elobied: Die Entwicklung des Strafbefehlsverfahrens von 1846 bis in die Gegenwart (2010) 37 Christina Müting: Sexuelle Nötigung; Vergewaltigung (§ 177 StGB) (2010) 38 Nadeschda Wilkitzki: Entstehung des Gesetzes über Internationale Rechts­hilfe in Strafsachen (IRG) (2010) 39 André Brambring: Kindestötung (§ 217 a.F. StGB). Reformdiskussion und Gesetzgebung seit 1870 (2010) 40 Wilhelm Rettler: Der strafrechtliche Schutz des sozialistischen Eigentums in der DDR (2010) 41 Yvonne Hötzel: Debatten um die Todesstrafe in der Bundesrepublik Deutschland von 1949 bis 1990 (2010) 42 Dagmar Kolbe: Strafbarkeit im Vorfeld und im Umfeld der Teilnahme (§§ 88a, 110, 111, 130a und 140 StGB). Reformdiskussion und Gesetzgebung seit dem 19. Jahrhundert (2011) 43 Sami Bdeiwi: Beischlaf zwischen Verwandten (§ 173 StGB). Reform und Ge­setzgebung seit 1870 (2014) 44 Michaela Arnold: Verfall, Einziehung und Unbrauchbarmachung (§§ 73 bis 76a StGB). Reformdiskussion und Gesetzgebung seit dem 19. Jahrhundert (2015)

45 Andrea Schurig: „Republikflucht“ (§§ 213, 214 StGB/DDR). Gesetzgeberische Entwicklung, Einfluss des MfS und Gerichtspraxis am Beispiel von Sachsen (2016) 46 Sandra Knaudt: Das Strafrecht im Großherzogtum Hessen im 19. Jahrhundert bis zum Reichsstrafgesetzbuch (2017) 47 Michael Rudlof: Das Gesetz zur Strafbarkeit der geschäftsmäßigen Förderung der Selbsttötung (§ 217 StGB nF.) (2018) 48 Karl Müller: Steuerhinterziehung (§§ 370, 371 AO). Gesetzgebung und Reformdiskussion seit dem 19. Jahrhundert (2018) 49 Katharina Kühne: Die Entwicklung des Internetstrafrechts unter besonderer Berücksichtigung der §§ 202a–202c StGB sowie § 303a und § 303b StGB (2018) 50 Benedikt Beßmann: Das Strafrecht des Herzogtums Braunschweig im 19. Jahrhundert bis zum Reichsstrafgesetzbuch (2019) 51 Josef Roth: Die Entwicklung des Weinstrafrechts seit 1871 (2020)

Abteilung 4: Leben und Werk. Biographien und Werkanalysen   1 Mario A. Cattaneo: Karl Grolmans strafrechtlicher Humanismus (1998)   2 Gerit Thulfaut: Kriminalpolitik und Strafrechtstheorie bei Edmund Mezger (2000)   3 Adolf Laufs: Persönlichkeit und Recht. Gesammelte Aufsätze (2001)   4 Hanno Durth: Der Kampf gegen das Unrecht. Gustav Radbruchs Theorie eines Kulturverfassungsrechts (2001)   5 Volker Tausch: Max Güde (1902–1984). Generalbundesanwalt und Rechtspolitiker (2002)   6 Bernd Schmalhausen: Josef Neuberger (1902–1977). Ein Leben für eine menschliche Justiz (2002)   7 Wolf Christian von Arnswald: Savigny als Strafrechtspraktiker. Ministerium für die Gesetzesrevision (1842–1848), (2003)   8 Thilo Ramm: Ferdinand Lassalle. Der Revolutionär und das Recht (2004)   9 Martin D. Klein: Demokratisches Denken bei Gustav Radbruch (2007) 10 Francisco Muñoz Conde: Edmund Mezger – Beiträge zu einem Juristenleben (2007) 11 Whitney R. Harris: Tyrannen vor Gericht. Das Verfahren gegen die deutschen Hauptkriegsverbrecher nach dem Zweiten Weltkrieg in Nürnberg 1945–1946 (2008) 12 Eric Hilgendorf (Hrsg.): Die deutschsprachige Strafrechtswissenschaft in Selbstdarstellungen (2010) 13 Tamara Cipolla: Friedrich Karl von Strombeck. Leben und Werk – Unter be­sonderer Berücksichtigung des Entwurfes eines Strafgesetzbuches für ein Norddeutsches Staatsgebiet (2010) 14 Karoline Peters: J.D.H. Temme und das preußische Straf­verfahren in der Mitte des 19. Jahrhunderts (2010) 15 Eric Hilgendorf (Hrsg.): Die ausländische Strafrechtswissenschaft in Selbstdarstellungen. Die internationale Rezeption des deutschen Strafrechts (2019) 16 Hannes Ludyga: Otto Kahn-Freund (1900–1979). Ein Arbeitsrechtler in der Weimarer Zeit (2016)



17 Rudolf Bastuck: Rudolf Wassermann. Vision und Umsetzung einer inneren Justizreform (2020)

Abteilung 5: Juristisches Zeitgeschehen. Rechtspolitik und Justiz aus zeitgenössischer Perspektive Mitherausgegeben von Gisela Friedrichsen („Der Spiegel“) und RA Prof. Dr. Franz Salditt   1 Diether Posser: Anwalt im Kalten Krieg. Ein Stück deutscher Geschichte in politischen Prozessen 1951–1968. 3. Auflage (1999)  2 Jörg Arnold (Hrsg.): Strafrechtliche Auseinandersetzung mit Systemvergangenheit am Beispiel der DDR (2000)  3 Thomas Vormbaum (Hrsg.): Vichy vor Gericht: Der Papon-Prozeß (2000)   4 Heiko Ahlbrecht / Kai Ambos (Hrsg.): Der Fall Pinochet(s). Auslieferung wegen staatsverstärkter Kriminalität? (1999)   5 Oliver Franz: Ausgehverbot für Jugendliche („Juvenile Curfew“) in den USA. Reformdiskussion und Gesetz­gebung seit dem 19. Jahrhundert (2000)   6 Gabriele Zwiehoff (Hrsg.): „Großer Lauschangriff“. Die Entstehung des Gesetzes zur Änderung des Grund­gesetzes vom 26. März 1998 und des Ge­setzes zur Änderung der Strafprozeßordnung vom 4. Mai 1998 in der Presseberichterstattung 1997/98 (2000)   7 Mario A. Cattaneo: Strafrechtstotalitarismus. Terrorismus und Willkür (2001)   8 Gisela Friedrichsen / Gerhard Mauz: Er oder sie? Der Strafprozeß Böttcher/ Weimar. Prozeßberichte 1987 bis 1999 (2001)   9 Heribert Prantl / Thomas Vormbaum (Hrsg.): Juristisches Zeitgeschehen 2000 in der Süddeutschen Zeitung (2001) 10 Helmut Kreicker: Art. 7 EMRK und die Gewalttaten an der deutsch-deutschen Grenze (2002) 11 Heribert Prantl / Thomas Vormbaum (Hrsg.): Juristisches Zeitgeschehen 2001 in der Süddeutschen Zeitung (2002) 12 Henning Floto: Der Rechtsstatus des Johanniterordens. Eine rechtsgeschicht­liche und rechtsdogmatische Untersuchung zum Rechtsstatus der Balley Brandenburg des ritterlichen Ordens St. Johannis vom Spital zu Jerusalem (2003) 13 Heribert Prantl / Thomas Vormbaum (Hrsg.): Juristisches Zeitgeschehen 2002 in der Süddeutschen Zeitung (2003) 14 Kai Ambos / Jörg Arnold (Hrsg.): Der Irak-Krieg und das Völkerrecht (2004) 15 Heribert Prantl / Thomas Vormbaum (Hrsg.): Juristisches Zeitgeschehen 2003 in der Süddeutschen Zeitung (2004) 16 Sascha Rolf Lüder: Völkerrechtliche Verantwortlichkeit bei Teilnahme an „Peacekeeping“-Missionen der Ver­einten Nationen (2004) 17 Heribert Prantl / Thomas Vormbaum (Hrsg.): Juristisches Zeitgeschehen 2004 in der Süddeutschen Zeitung (2005) 18 Christian Haumann: Die „gewichtende Arbeitsweise“ der Finanzverwaltung. Eine Untersuchung über die Auf­gabenerfüllung der Finanzverwaltung bei der Festsetzung der Veranlagungssteuern (2008) 19 Asmerom Ogbamichael: Das neue deutsche Geldwäscherecht (2011)

20 Lars Chr. Barnewitz: Die Entschädigung der Freimaurerlogen nach 1945 und nach 1989 (2011) 21 Ralf Gnüchtel: Jugendschutztatbestände im 13. Abschnitt des StGB (2013) 22 Helmut Irmen: Stasi und DDR-Militärjustiz. Der Einfluss des MfS auf Militär­ justiz und Militärstrafvollzug in der DDR (2014) 23 Pascal Johann: Möglichkeiten und Grenzen des neuen Vermögenschabschöpfungsrechts. Eine Untersuchung zur vorläufigen Sicherstellung und der Einziehung von Vermögen unklarer Herkunft (2019) 24 Zekai Dag˘as¸an: Das Ansehen des Staates im türkischen und deutschen Strafrecht (2015) 25 Camilla Bertheau: Politisch unwürdig? Entschädigung von Kommunisten für nationalsozialistische Gewaltmaßnahmen. Bundesdeutsche Gesetzgebung und Rechtsprechung der 50er Jahre (2016)

Abteilung 6: Recht in der Kunst Mitherausgegeben von Prof. Dr. Gunter Reiß   1 Heinz Müller-Dietz: Recht und Kriminalität im literarischen Widerschein. Gesammelte Aufsätze (1999)   2 Klaus Lüderssen (Hrsg.): »Die wahre Liberalität ist Anerkennung«. Goethe und die Juris prudenz (1999)   3 Bertolt Brecht: Die Dreigroschenoper (1928) / Dreigroschenroman (1934). Mit Kommentaren von Iring Fetscher und Bodo Plachta (2001)   4 Annette von Droste-Hülshoff: Die Judenbuche (1842) / Die Vergeltung (1841). Mit Kommentaren von Heinz Holzhauer und Winfried Woesler (2000)   5 Theodor Fontane: Unterm Birnbaum (1885). Mit Kommentaren von Hugo Aust und Klaus Lüderssen (2001)   6 Heinrich von Kleist: Michael Kohlhaas (1810). Mit Kommentaren von Wolfgang Naucke und Joachim Linder (2000)   7 Anja Sya: Literatur und juristisches Erkenntnisinteresse. Joachim Maass’ Ro­man „Der Fall Gouffé“ und sein Verhältnis zu der historischen Vorlage (2001)   8 Heiner Mückenberger: Theodor Storm – Dichter und Richter. Eine rechts­ geschichtliche Lebensbeschreibung (2001)   9 Hermann Weber (Hrsg.): Annäherung an das Thema „Recht und Literatur“. Recht, Literatur und Kunst in der NJW (1), (2002) 10 Hermann Weber (Hrsg.): Juristen als Dichter. Recht, Literatur und Kunst in der NJW (2), (2002) 11 Hermann Weber (Hrsg.): Prozesse und Rechtsstreitigkeiten um Recht, Literatur und Kunst. Recht, Literatur und Kunst in der NJW (3), (2002) 12 Klaus Lüderssen: Produktive Spiegelungen. 2., erweiterte Auflage (2002) 13 Lion Feuchtwanger: Erfolg. Drei Jahre Geschichte einer Provinz. Roman (1929). Mit Kommentaren von Theo Rasehorn und Ernst Ribbat (2002) 14 Jakob Wassermann: Der Fall Maurizius. Roman (1928). Mit Kommentaren von Thomas Vormbaum und Regina Schäfer (2003) 15 Hermann Weber (Hrsg.): Recht, Staat und Politik im Bild der Dichtung. Recht, Literatur und Kunst in der Neuen Juristischen Wochenschrift (4), (2003)

16 Hermann Weber (Hrsg.): Reale und fiktive Kriminalfälle als Gegenstand der Literatur. Recht, Literatur und Kunst in der Neuen Juristischen Wochenschrift (5), (2003) 17 Karl Kraus: Sittlichkeit und Kriminalität. (1908). Mit Kommentaren von Helmut Arntzen und Heinz Müller-Dietz (2004) 18 Hermann Weber (Hrsg.): Dichter als Juristen. Recht, Literatur und Kunst in der Neuen Juristischen Wochen­schrift (6), (2004) 19 Hermann Weber (Hrsg.): Recht und Juristen im Bild der Literatur. Recht, Literatur und Kunst in der Neuen Juristischen Wochenschrift (7), (2005) 20 Heinrich von Kleist: Der zerbrochne Krug. Ein Lustspiel (1811). Mit Kommentaren von Michael Walter und Regina Schäfer (2005) 21 Francisco Muñoz Conde / Marta Muñoz Aunión: „Das Urteil von Nürnberg“. Juristischer und filmwissen­schaftlicher Kommentar zum Film von Stanley Kramer (1961), (2006) 22 Fjodor Dostojewski: Aufzeichnungen aus einem Totenhaus (1860). Mit Kommentaren von Heinz Müller-Dietz und Dunja Brötz (2005) 23 Thomas Vormbaum (Hrsg.): Anton Matthias Sprickmann. Dichter und Jurist. Mit Kommentaren von Walter Gödden, Jörg Löffler und Thomas Vormbaum (2006) 24 Friedrich Schiller: Verbrecher aus Infamie (1786). Mit Kommentaren von Heinz Müller-Dietz und Martin Huber (2006) 25 Franz Kafka: Der Proceß. Roman (1925). Mit Kommentaren von Detlef Kremer und Jörg Tenckhoff (2006) 26 Heinrich Heine: Deutschland. Ein Wintermährchen. Geschrieben im Januar 1844. Mit Kommentaren von Win­fried Woesler und Thomas Vormbaum (2006) 27 Thomas Vormbaum (Hrsg.): Recht, Rechtswissenschaft und Juristen im Werk Heinrich Heines (2006) Heinz Müller-Dietz: Recht und Kriminalität in literarischen Spiegelungen (2007) 28 29 Alexander Puschkin: Pique Dame (1834). Mit Kommentaren von Barbara Aufschnaiter/Dunja Brötz und Friedrich-Christian Schroeder (2007) 30 Georg Büchner: Danton’s Tod. Dramatische Bilder aus Frankreichs Schre­ ckensherrschaft. Mit Kommentaren von Sven Kramer und Bodo Pieroth (2007) 31 Daniel Halft: Die Szene wird zum Tribunal! Eine Studie zu den Beziehungen von Recht und Literatur am Bei­spiel des Schauspiels „Cyankali“ von Fried­rich Wolf (2007) 32 Erich Wulffen: Kriminalpsychologie und Psychopathologie in Schillers Räubern (1907). Herausgegeben von Jürgen Seul (2007) 33 Klaus Lüderssen: Produktive Spiegelungen: Recht in Literatur, Theater und Film. Band II (2007) 34 Albert Camus: Der Fall. Roman (1956). Mit Kommentaren von Brigitte Sändig und Sven Grotendiek (2008) 35 Thomas Vormbaum (Hrsg.): Pest, Folter und Schandsäule. Der Mailänder Prozess wegen „Pestschmierereien“ in Rechtskritik und Literatur. Mit Kommentaren von Ezequiel Malarino und Helmut C. Jacobs (2008) 36 E.T.A. Hoffmann: Das Fräulein von Scuderi – Erzählung aus dem Zeitalter Ludwigs des Vierzehnten (1819). Mit Kommentaren von Heinz Müller-Dietz und Marion Bönnighausen (2010) 37 Leonardo Sciascia: Der Tag der Eule. Mit Kommentaren von Gisela Schlüter und Daniele Negri (2010)

38 Franz Werfel: Eine blaßblaue Frauenschrift. Novelle (1941). Mit Kommentaren von Matthias Pape und Wilhelm Brauneder (2011) 39 Thomas Mann: Das Gesetz. Novelle (1944). Mit Kommentaren von Volker Ladenthin und Thomas Vormbaum (2013) 40 Theodor Storm: Ein Doppelgänger. Novelle (1886) (2013) 41 Dorothea Peters: Der Kriminalrechtsfall ,Kaspar Hauser‘ und seine Rezep­tion in Jakob Wassermanns Caspar-Hauser-Roman (2014) 42 Jörg Schönert: Kriminalität erzählen (2015) 43 Klaus Lüderssen: Produktive Spiegelungen. Recht im künstlerischen Kontext. Band 3 (2014) 44 Franz Kafka: In der Strafkolonie. Erzählung (1919) (2015) 45 Heinz Müller-Dietz: Recht und Kriminalität in literarischen Brechungen (2016) 46 Hermann Weber (Hrsg.): Das Recht als Rahmen für Literatur und Kunst. Tagung im Nordkolleg Rendsburg vom 4. bis 6. September 2015 (2017) 47 Walter Müller-Seidel: Rechtsdenken im literarischen Text. Deutsche Literatur von der Weimarer Klassik zur Weimarer Republik (2017) 48 Honoré de Balzac: Eine dunkle Geschichte. Roman (1841). Mit Kommentaren von Luigi Lacchè und Christian von Tschilschke (2018) 49 Anja Schiemann: Der Kriminalfall Woyzeck. Der historische Fall und Büchners Drama (2018) 50 E.T.A. Hoffmann: Meister Floh. Ein Mährchen in sieben Abentheuern zweier Freunde (1822). Mit Kommentaren von Michael Niehaus und Thomas Vormbaum (2018) 51 Bodo Pieroth: Deutsche Schriftsteller als angehende Juristen (2018) 52 Theodor Fontane: Grete Minde. Nach einer altmärkischen Chronik (1880). Mit Kommentaren von Anja Schiemann und Walter Zimorski (2018) 53 Britta Lange / Martin Roeber / Christoph Schmitz-Scholemann (Hrsg.): Grenzüberschreitungen: Recht, Normen, Literatur und Musik. Tagung im Nordkolleg Rendsburg vom 8. bis 10. September 2017 (2019)

Abteilung 7: Beiträge zur Anwaltsgeschichte Mitherausgegeben von Gerhard Jungfer, Dr. Tilmann Krach und Prof. Dr. Hinrich Rüping  1 Babette Tondorf: Strafverteidigung in der Frühphase des reformierten Strafprozesses. Das Hochverratsverfah­ren gegen die badischen Aufständischen Gustav Struve und Karl Blind (1848/49), (2006)  2 Hinrich Rüping: Rechtsanwälte im Bezirk Celle während des Nationalsozialismus (2007)  3 Dieter Finzel: Geschichte der Rechtsanwaltskammer Hamm (2018)

Abteilung 8: Judaica   1 Hannes Ludyga: Philipp Auerbach (1906–1952). „Staatskommissar für rassisch, religiös und politisch Verfolgte“ (2005)   2 Thomas Vormbaum: Der Judeneid im 19. Jahrhundert, vornehmlich in Preußen. Ein Beitrag zur juristischen Zeitgeschichte (2006)

  3 Hannes Ludyga: Die Rechtsstellung der Juden in Bayern von 1819 bis 1918. Studie im Spiegel der Verhand­lungen der Kammer der Abgeordneten des bayerischen Landtags (2007)   4 Michele Sarfatti: Die Juden im faschistischen Italien. Geschichte, Identität, Verfolgung (2014)

Abteilung 9: Beiträge zur modernen Verfassungsgeschichte   1 Olaf Kroon: Die Verfassung von Cádiz (1812). Spaniens Sprung in die Moderne, gespiegelt an der Verfassung Kurhessens von 1831 (2019)