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German Pages 978 [980] Year 1986
Die Aktienrechtsreform am Ende der Weimarer Republik
Die Aktienr echtsreform am Ende der Weimarer Republik Die Protokolle der Verhandlungen im Aktienrechtsausschuß des Vorläufigen Reichswirtschaftsrats unter dem Vorsitz von Max Hachenburg
Herausgegeben und eingeleitet von
Werner Schubert und Peter Hommelhoff Mit einer Würdigung Max Hachenburgs von
Wolfgang Schilling
w DE
G 1987 Walter de Gruyter · Berlin · New York
Gedruckt mit Unterstützung der Mannheimer Versorgungs- und Verkehrsgesellschaft mbH, der Dr. Otto Bagge Gedächtnisstiftung (Kiel) und der Deutschen Forschungsgemeinschaft
ClP-Kur^titelaufnahme der Deutschen Bibliothek
Die Aktienrechtsreform am Ende der Weimarer Republik: d. Protokolle d. Verhandlungen im Aktienrechsausschuß d. Vorläufigen Reichswirtschaftsrats unter d. Vorsitz von Max Hachenburg / hrsg. u. eingeleitet von Werner Schubert u. Peter Hommelhoff. Mit e. Würdigung Max Hachenburgs von Wolfgang Schilling. — Berlin; New York: de Gruyter, 1986. ISBN 3-11-010672-8 NE:Schubert, Werner [Hrsg.]; Deutschland „Deutsches Reich" / Aktienrechtsausschuß
© Copyright 1986 byWalter de Gruyter & Co., Berlin 30 Alle Rechte, insbesondere das Recht der Vervielfältigung, sowie der Übersetzung vorbehalten. Kein Teil des Werkes darf in irgendeiner Form (durch Fotokopie, Mikrofilm oder ein anderes Verfahren) ohne schriftliche Genehmigung des Verlages reproduziert oder unter Verwendung elektronischer Systeme verarbeitet, vervielfältigt oder verbreitet werden. Printed in Germany Satz: Con Composition, Medien Rechenzentrum GmbH, Berlin 12. — Druck: K. Gerike, Berlin 61 Bindearbeiten: Dieter Mikolai, Berlin 10
Vorwort
Die Reform des Aktienrechts gehörte zu den bedeutsamsten Projekten des Reichsjustizministeriums in der Weimarer Republik. Begonnen in der Konsolidierungsphase der Weimarer Zeit erlebte die Reformdiskussion eine Vielfalt und Breite, wie man sie in Deutschland bislang noch nicht gekannt hatte. Die Beratungen im aktienrechtlichen Arbeitsausschuß des Vorläufigen Reichswirtschaftsrats schließen die Reformdiskussion der Weimarer Republik ab. Ihnen waren außerhalb der Ministerien Beratungen in einer Kommission des Deutschen Juristentags (1926-1928) und in zwei Kommissionen des Deutschen Anwaltvereins (1929/30 und 1932) vorangegangen. Sämtliche Kommissionen standen unter der Leitung Max Hachenburgs. Die Verhandlungen im Vorläufigen Reichswirtschaftsrat führen nicht nur die rechtsdogmatische Diskussion der Fachkommissionen weiter, sondern erweitern sie um die grundlegenden wirtschafts- und gesellschaftspolitischen Fragestellungen, die mit einer Reform des Aktienrechts für die Gewerkschaften, den Reichsverband der Deutschen Industrie, den Deutschen Industrieund Handelstag und andere Interessenverbände der Weimarer Republik verbunden waren. Die Wortprotokolle, die in der vorliegenden Edition wiedergegeben werden, ermöglichen es, die Position der einzelnen Kommissionsmitglieder in lebendiger und anschaulicher Rede- und Widerrede kennenzulernen. Die Edition versteht sich als ein Beitrag zur Institutionen- und Dogmengeschichte des Aktienrechts sowie zur Gesetzgebungs-, Verfassungs-, Sozial- und Wirtschaftsgeschichte der Weimarer Republik. Sie soll den Traditionszusammenhang, in dem das heutige Aktienrecht steht, erhellen und zugleich an die in der Zeit des Nationalsozialismus alsbald vertriebenen, ausgewanderten oder aus ihren Stellungen verdrängten Juristen, Wirtschaftsführer und Gewerkschaftler des Reichswirtschaftsrats erinnern; ihnen verdankt die Aktienrechtsreform wichtige Beiträge, deren Spuren noch im heutigen Aktiengesetz zu finden sind. Keiner der Mitglieder des aktienrechtlichen Arbeitsausschusses war im Aktienrechtsausschuß der Akademie für Deutsches Recht vertreten. Auch die Beiträge der beiden führenden Aktienrechtler des Reichsjustizministeriums, William Quassowski, 1943 von den Nationalsozialisten aus dem Ministerialdienst herausgedrängt, und von Karl Schmölder, der nach 1945 an der Diskussion zur Reform des Ak tienrechts maßgebend beteiligt war, lohnen es, der Vergessenheit entrissen zu werden. Die Verhandlungsprotokolle verdienen aber vor allem anderen deshalb noch heute breiteres Interesse, weil Max Hachenburg, einer der bekanntesten, loyalsten und immer auf Ausgleich bedachten Juristen der Weimarer Republik, in einer oft geradezu spannenden Verhandlungsführung die Beratungen des aktienrechtlichen Arbeitsausschusses geleitet hat. Die Einleitung des Herausgebers Schubert stellt die Beratungen des aktienrechtlichen Arbeitsausschusses in den Gesamtzusammenhang der Aktienrechtsdiskussion der Wei-
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Vorwort
marer Republik, während der Herausgeber Hommelhoff mit seinem Beitrag den rechtsdogmatischen Ertrag der Beratungen zusammenfassend darstellt. Außer den Protokollen des Aktienrechtsausschusses werden in der vorliegenden Edition die Aktienrechtsnovelle, der bisher nur schwer greifbare Aktiengesetzentwurf von 1931 und die bislang unveröffentlicht gebliebene Begründung zu diesem Entwurf wiedergegeben. In einer weiteren Edition sollen die Verhandlungen in der Kommission des Deutschen Juristentags, die Fragebogen des Reichsjustizministeriums sowie die Verhandlungen der Ministerialkommission von 1930/31 erschlossen werden. Gleichzeitig mit der vorliegenden Edition erscheinen die Protokolle über die Verhandlungen im Aktienrechtsausschuß der Akademie für Deutsches Recht (1934/36), so daß mit diesen drei Bänden die wichtigsten Quellen zur Aktienrechtsreform der dreißiger Jahre vorliegen dürften. Für die Erlaubnis, die Protokolle des aktienrechtlichen Arbeitsausschusses des Vorläufigen Reichswirtschaftsrats wiedergeben zu dürfen, danken wir dem Zentralen Staatsarchiv Potsdam und dem Bundesarchiv Koblenz. Sehr herzlich haben die Herausgeber der Mannheimer Versorgungs- und Verkehrsgesellschaft mbH zu danken, die mit einem großzügigen Beitrag die Veröffentlichung dieses Bandes unterstützt und damit die Möglichkeit geschaffen hat, das Wirken des großen Sohnes der Stadt Mannheim in seinem bedeutendsten Tätigkeitsbereich zu zeigen. Für die Gewährung weiterer Druckkostenzuschüsse danken wir der Dr. Otto Bagge Gedächtnisstiftung, Kiel und der Deutschen Forschungsgemeinschaft. Ein nicht minder herzlicher Dank gilt Herrn Rechtsanwalt Roland Härtung für seine Hilfe und Herrn Rechtsanwalt Professor Dr. Wolfgang Schilling, der es freundlicherweise übernommen hat, in diesem Band die Person Max Hachenburgs zu würdigen.
Kiel, im Juli 1986
Die Herausgeber
Inhalt
Vorwort
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Max Hachenburg und die Aktienrechtsreform der Weimarer Republik (Wolfgang Schilling) . I. Z u r Person II. Z u r Sache
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Der Vorläufige Reichswirtschaftsrat und die Aktienreform in der Weimarer Zeit (Werner Schubert) I. Der Vorläufige Reichswirtschaftsrat II. Die Projekte der Weimarer Republik zur Reform des Aktienrechts 1. Die Reformrichtungen 2. Der Deutsche J uristentag und der Enquete-Ausschuß 3. Die Fragebogen und der Aktiengesetzentwurf von 1930 4. Die Umarbeitung des Aktiengesetzentwurfs und die Novelle vom 19.9.1931 5. Der Aktiengesetzentwurf von 1931 und die aktienrechtliche Reformdiskussion von 1933 III. Die Mitglieder des aktienrechtlichen Arbeitsausschusses 1. Abteilung (Somssen, Silverberg) 2. Abteilung (Schweitzer, Marx, Eggert, Karnow, Baltrusch) 3. Abteilung (Müller, Cohen, Naphtali, Grund) IV. Die Beratungen des aktienrechtlichen Arbeitsausschusses
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Machtbalancen im Aktienrecht - rechtsdogmatische Einführung in die Verhandlungen des Aktienrechtsausschusses (Peter Hommelhoff) I. Die Organisations verfassung der Aktiengesellschaft II. Der Vorstand III. Kontrollfunktion der Rechnungslegung IV. Der Aufsichtsrat V. Die Hauptversammlung VI. Erleichterte Kapitalbeschaffung VII. Gesamtwürdigung
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Protokolle der Verhandlungen des Arbeitsausschusses des Vorläufigen Reichswirtschaftsrats zur Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über Aktiengesellschaften und Kommanditgesellschaften auf Aktien 1. Sitzung vom 21.9. 1932: Gründung einer Aktiengesellschaft, Vorratsaktien. Unterpariemission. Autorisiertes Kapital. Erwerb eigener Aktien durch die Gesellschaft 2. Sitzung vom 22.9. 1932: Vorstand und Aufsichtsrat (u.a. Verantwortlichkeit. Berichtspflicht über Kreditgewährungen an Vorstandsmitglieder. Tantiemenabführung. Herabsetzung von Vorstandsbezügen. Minderheitsvertreter im Aufsichtsrat. Stellung der Betriebsratsmitglieder im Aufsichtsrat und in dessen Ausschüssen) 3. Sitzung vom 23.9. 1932: Vorstand und Aufsichtsrat (Fortsetzung der Debatte der 2. Sitzung und Abstimmung über die Anträge)
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Inhalt
4. Sitzung vom 19.10. 1932: Vorschläge von Hachenburg zur Organisation des Aufsichtsrats und seiner Ausschüsse. Generalklausel. Hauptversammlung (Auskunftsrecht). Bilanz und Geschäftsbericht (Anträge von Gennes und Schweitzer) 5. Sitzung vom 20.10. 1932: Bezugsrecht. Mehrstimmrechte, gebundene Aktien. Stimmrechtslose Vorzugsaktien 6. Sitzung vom 21.10. 1932: Gebundene Aktien. Depotstimmrecht der Banken. Hauptversammlung ' 7. Sitzung vom 10.11.1932: Geschäftsbericht. Bilanz. Gewinn-und Verlustrechnung 8. Sitzung vom 11.11.1932: Geschäftsbericht. Bilanz. Gewinn-und Verlustrechnung 9. Sitzung vom 30.11.1932: Pflichtrevision und Stellung der Wirtschaftsprüfer 10. Sitzung vom 1.12. 1932: Bedingte Kapitalerhöhung. Wandelschuldverschreibungen. Sonderprüfung und Regreßpflicht. Familienaktiengesellschaften. Bemerkungen des Aufsichtsrats zum Geschäftsbericht. Erhöhung des Grundkapitals (§ 147 Abs. 1 des Entwurfs). Geltendmachung der Nichtigkeit von Hauptversammlungsbeschlüssen. Kommanditgesellschaftauf Aktien 11. Sitzung vom 2.12.1932. Verschmelzung und Umwandlung. Strafbestimmungen 12. Sitzung vom 11.1. 1933 (2. Lesung): Autorisiertes Kapital. Vorratsaktien, gebundene Aktien. Stimmrechtsmißbrauch (§ 137 des Entwurfs) 13. Sitzung vom 12.1. 1933 (2. Lesung): Erwerb eigener Aktien durch die Gesellschaft. Herabsetzung von Dienstbezügen des Vorstands. Teilnahmeberechtigung an den Sitzungen der Aufsichtsratsausschüsse. Gewährleistung der Vertraulichkeit der Vorstandsberichtererstattung. Autorisiertes Kapital. Vorratsaktien 14. Sitzung vom 13.1. 1933 (2.Lesung): Aufsichtsrat (Minderheitsvertreter, Einberufung, Pflichten). Bestätigung der Bilanzprüfer. Ausgabe neuer Aktien vor oder erst nach Volleinzahlung der früheren Aktien. Verschmelzung Anträge der Mitglieder des Arbeitsausschusses Antrag von Solmssen (17.9.1932) Antrag Nr. 1439/32 von Eggert Antrag Nr. 1625/32 von Gennes (Teilbericht zum 3. Abschnitt des Entwurfs) Antrag Nr. 1629/32 von Fedisch (in Vertretung von Baltrusch: Teilbericht zum 4. Abschnitt des Entwurfs) Antrag Nr. 1639/32 von Silverberg: Teilbericht zum 3. Abschnitt (§§ 94-103 des Entwurfs) . Antrag Nr. 1660/32 von Mulert: Teilbericht über die Stellung des Aufsichtsrats Antrag Nr. 1669/32 von Tarnow: Teilbericht über Buch 4 (§§250-260) Antrag Nr. 1676/32 von Schweitzer: Teilbericht zum 3. Abschnitt (§§111-119, 120-126 des Entwurfs) Antrag Nr. 1678/32 von August Müller: Teilbericht über den Abschnitt 4 (§§ 157-165,193) . Antrag Nr. 1700/32 von Marx (23.9.1932): Vertretung von Minderheiten im Aufsichtsrat . . Antrag Nr. 1709/32 von Baltrusch (23.9.1932) Antrag Nr. 1820/32 von Hachenburg (Oktober 1932) Antrag Nr. 1839/32 von Hachenburg: Teilbericht über die Bestimmungen in Buch III, 1. und 2. Abschnitt Antrag Nr. 1894/32 von Baltrusch (19.10.1932) Antrag Nr. 1896/32 von Baltrusch (19.10.1932) Antrag Nr. 1899/32 von Baltrusch (19.10.1932) Antrag Nr. 1900/32 von Baltrusch (19.10.1932) Antrag Nr. 1908/32 von Baltrusch (19.10.1932) Antrag Nr. 1909/32 von Baltrusch (19.10.1932) Antrag Nr. 1911/32 von Baltrusch (19.10.1932) Antrag Nr. 1913/32 von Baltrusch (19.10.1932)
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Inhalt
IX
Antrag Nr. 1914/32 von Baltrusch (19.10.1932) Antrag Nr. 1915/32 von Baltrusch (19.10.1932) Antrag Nr. 1917/32 von Baltrusch (19.10.1932) Antrag Nr. 1920/32 von Baltrusch (19.10.1932) Antrag Nr. 1921 /32 von Baltrusch (19.10.1932) Antrag Nr. 1939/32 von Gennes (19.10.1932) Antrag Nr. 1941/32 vonGennes(19.10.1932): Antrag zu § 141 Antrag Nr. 1960/32 von Naphtali (20.10.1932) Antrag Nr. 2052/32 von Hachenburg (November 1932): Anträge zu II. Lesung Antrag Nr. 2116/32 von Grünzel: Teilbericht über die §§ 130-135 des Entwurfs Antrag Nr. 2118/32 von Silverberg (10.11.1932) Antrag Nr. 2242/32 von Wussow und Härtung (30.11.1932) Antrag Nr. 2243/32 von Naphtali (30.11.1932) Antrag Nr. 2252/32 von Hachenburg (1.12.1932) Antrag Nr. 2261/32 von Hachenburg (2.12.1932) Antrag Nr. 2262/32 von Marx (2.12.1932) Antrag Nr. 2263/32 von Wussow (2.12.1932) Antrag Nr. 3/33 von Hachenburg (Januar 1933) Antrag Nr. 66/33 von Baltrusch (11.1.1933) Antrag Nr. 67/33 von Baltrusch (11.1.1933) Antrag Nr. 75/33 von Schweitzer (11.1.1933) Antrag Nr. 86/33 des Vertreters des Preußischen Handelsministeriums (11.1.1933)
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Bericht von Hachenburg über das Ergebnis der Beratungen im aktienrechtlichen Arbeitsausschuß (Amtlicher Bericht vom 7.3.1933, S. 83-87) 823 Die aktienrechtlichen Vorschriften der Verordnung des Reichspräsidenten über Aktienrecht, Bankenaufsicht und über eine Steueramnestie (19.9.1931) 833 Entwurf eines Gesetzes über Aktiengesellschaften und Kommanditgesellschaften auf Aktien (Oktober 1931) 849 Erläuternde Bemerkungen des Reichsjustizministeriums zum Entwurf von 1931
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Die Mitglieder des aktienrechtlichen Arbeitsausschusses und sonstige Sitzungsteilnehmer (Werner Schubert)
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Quellen der Edition (Werner Schubert)
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Register der Anträge
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Personenregister
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Sachregister
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Max Hachenburg und die Aktienrechtsreform der Weimarer Republik von W O L F G A N G SCHILLING
I. Zur Person Das Thema hat zwei Aspekte, einen persönlichen und einen sachlichen. Zum ersteren beschränke ich mich auf das, was mit unserem Thema im Zusammenhang steht. Wer mehr und persönlicheres von ihm wissen will, lese seine „Lebenserinnerungen eines Rechtsanwalts" 1 . Max Hachenburg bezeichnete sich selbst als den „fortschrittlich eingestellten, freidenkenden Rechtsanwalt", allerdings in der Gegenüberstellung mit dem „konservativ gerichteten, innerlich gläubigen Richter" Düringer 2 . Er schreibt dann weiter von Düringers Ansicht, die Juden besäßen Momente, die sie zur konservativen Anschauung besonders geeignet erscheinen ließen, Intelligenz und Besitz. Dem setzte Hachenburg entgegen, daß sie auch andere Eigenschaften zeigten, die sie ins demokratische oder sozialdemokratische Lager führten, darunter eine starke Empfindung gegen Ungerechtigkeit. Die hatte er auch, aber sie trieb ihn nicht in eine politische Partei. Er stand zwischen den Parteien, er war ein Mann des Ausgleichs. „Wer bestrebt ist, unparteiisch zu sein, taugt nichts für die Partei" 3 . Man kann aber auch Politiker sein ohne Parteimann, schreibt er an derselben Stelle, eingangs des Kapitels über den Reichswirtschaftsrat. Durch diesen sei er im vorgerückten Alter doch noch zur Teilnahme an der Politik geführt worden. Hachenburg ging es darum, den anderen Standpunkt zu begreifen, ihm gerecht zu werden, die gegensätzlichen Meinungen einander näherzubringen. Auch die antisemiti-
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1927 Neue Brücke Verlag GmbH, Düsseldorf, neu hrsg. von J.Schadt, Verlag W.Kohlhammer, Stuttgart, beigefügt sind Briefe Hachenburgs aus der Emigration, i.f. zitiert mit LE (Seitenzahl nach der Neuauflage). LES.92. LE S. 185.
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Max Hachenburg und die Aktienrechtsreform
sehe Bewegung suchte er zu verstehen4. Deren Hauptquelle schien ihm in einem Beharren auf überlieferter Einstellung zu liegen. In einem aus nationalsozialistischer Anschauung stammenden Vorschlag zur Umgestaltung der Unternehmensformen sieht er die ringenden Ideen der jungen Generation, die das Vertrauen aufbrächten, daß der Klassenkampf verschwinde und der Eigennutz des Menschen aus freien Stücken zurücktreten werde. „Man mag daran und an anderen solchen Voraussetzungen zweifeln und kann doch seine Freude an dem kühnen Mute haben"5. Er sucht „in bewegten Zeiten" (1933) die eigenen Erlebnisse „sub specie aeternitatis" zu sehen. Jacob Burckhardts „Lob der Krise" in den Weltgeschichtlichen Betrachtungen gibt ihm die Ruhe der Betrachtung 6 . Man müsse versuchen, das große Beispiel Jacob Burckhardts nachzuahmen: „Es gilt zu sehen und niederzuschreiben, was geschieht, aber eingereiht in die großen Bewegungen der Geschichte der Menschheit". Beschwörend schreibt er in seiner nächsten „Juristischen Rundschau" 7 im Zusammenhang mit der Reform des Aktienrechts: „Doch die neue Regierung steht auf dem Boden der Privatwirtschaft und des Privatrechts." Ein paar Zeilen weiter unten geht er der Bedeutung der Schutzhaft nach. Da spricht er von der Eigenart der Revolution. Sie sei gleichzeitig eine solche von unten und eine von oben. Am Schlüsse seiner letzten „Juristischen Rundschau"" schrieb er, teils die Nachricht von Wielands 200. Geburtstag, teils das Verlangen, in der Vergangenheit Aufschluß über die Gegenwart zu suchen, habe ihn veranlaßt, Wielands Agathon hervorzuholen. Er fand darin den Grundgedanken der Überwindung des Tieres im Menschen durch den Geist. Agathon sah, so zitiert Hachenburg Wieland, durch die ganze Ökonomie der Menschheit die Grenzen des Wahren und Falschen, des Guten und Bösen, des Rechts und Unrechts unmerklich ineinanderfließen, und überzeugte sich dadurch immer mehr von der Notwendigkeit weiser Gesetze und von der Pflicht des guten Bürgers, dem Gesetz mehr zu glauben als seinem eigenen Gefühl. War es eine Ahnung, eine Mahnung? In den folgenden Jahren traf auch Hachenburg und seine Familie der mörderische Schlag des NS-Regimes: Vernichtung seiner Existenz, Vertreibung aus dem geliebten Vaterland, Tod zweier Töchter, eines Enkelkindes, des Schwiegersohns, des Schwagers im Konzentrationslager. Ein Hiobs-Schicksal. Aber die ihm angeborene menschliche Güte konnten weder Unrecht noch Leiden zerstören. Haß war ihm fremd. 1946 schrieb er aus der Emigration an eine Freundin in Deutschland:
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LES.92. Deutsche Juristenzeitung ( D J Z ) Heft 23 v. 1 . 1 2 . 1 9 3 3 Sp. 1546. D J Z 1 9 3 3 , 4 8 4 ; Hachenburg zitiert aus dem 4. Kapitel der Weltgeschichtlichen Betrachtungen. In der von Peter Ganz nach den Handschriften hrsgg. Fassung „Uber das Studium der Geschichte" (C.H. Beck 1982) findet sich die Stelle S.363. D J Z 1933, 545. D J Z 1933 Sp. 1608. Seit 1 9 1 2 hatte Hachenburg in jeder Nummer der D J Z diese klassisch gewordenen Spalten geschrieben. In den L E (S. 134) nannte er sie den echtesten T y p der juristischen Journalistik.
Max Hachenburg und die Aktienrechtsreform
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„Haß ist immer häßlich, am häßlichsten aber, wenn er sich gegen das frühere Vaterland bei dessen Unglück äußert"'.
II. Zur Sache 1. „Kenntnis des Gesetzes bedeutet Freiheit vom Gesetz. Nicht im Sinne der Willkür. Das wäre Gesetzlosigkeit. Aber im Sinne einer Herrschaft über den Wortlaut und die Einfühlung in seine Gedankenwelt'"". Hachenburg schreibt diese Sätze in dem Kapitel über seine literarische Arbeit. Das sei es auch, was die wissenschaftliche Arbeit so genußreich mache. „Erkenntnis und Erinnerung und Vorstellungskraft paaren sich". Wer so denkt, für den hat die Auslegung „im Sinne einer Herrschaft über den Wortlaut" des Gesetzes den Vorrang vor dessen Reform. Und noch etwas anderes. Die beste Reform versagt, wenn der moralische Nährboden fehlt, den sie zum Lebendigwerden braucht. Hier geht es nicht um Fragen des Rechts, sondern des Charakters". „Hier muß die innere Reform unseres Aktienwesens einsetzen". In Zeiten allgemeiner Not müssen sich auch die Vorstände und Aufsichtsräte hinsichtlich ihrer Bezüge Bescheidenheit auferlegen12. Das maßgebliche Ziel der Reform ist die Wiederherstellung des Vertrauens des anlagesuchenden und aktienbesitzenden Publikums13. Anfangs14 steht Hachenburg dem Reformgedanken zurückhaltend gegenüber. Aber die Beruhigung nach der Währungsreform 1923 und das Erstarken der deutschen Wirtschaft war nur vorübergehend. Der Ruf nach der Aktienrechtsreform wird wieder laut. Hachenburg registriert ihn15. Vielleicht erwarte man sich zuviel von einer Neugestaltung des Gesetzes. Aber daß man darauf hoffe, zeige, daß sie als Bedürfnis des Wirtschaftslebens empfunden werde. 2. Die Juristen beschäftigen sich schon seit 1926 mit der Aktienrechtsreform. Es zeigt die Bedeutung und das Ansehen Hachenburgs, daß ihm der Vorsitz in drei maßgeblichen Kommissionen übertragen wurde. Er war eben der Mann des Ausgleichs, unter dessen Führung die verschiedenen, oft sehr entgegengesetzten Ansichten ihren Ausdruck finden konnten. Und dem es gelang, wenn nicht einstimmige, so doch mehrheitliche Stellungnahmen zustandezubringen. Als früheste befaßte sich die vom 34. Deutschen Juristentag 1926 eingesetzte Kora9
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LES.214. LE S. 114. D J Z 1 9 3 1 , 1 0 0 2 : „Verantwortungsbewußtsein im Aufsichtsrat wie im Vorstand ist eine Charakter·, keine Rechtsfrage." D J Z 1932,404. Hachenburg in Düringer/Hachenburg H G B 3. Aufl. 1934, Dritter Abschnitt, Aktiengesellschaft, Einleitung: Die Aktiengesellschaft im Leben der Wirtschaft (i.f. D H mit Anm. zitiert) Anm.33. Vgl. D J Z 1 9 2 5 , 1 6 3 7 . D J Z 1929,1019.
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Max Hachenburg und die Aktienrechtsreform
mission mit dem Thema16. Hachenburg berichtete dem 35. Juristentag mündlich17 und in DJ Ζ 1927,1372 über die „Grundgedanken" schriftlich. Im Mittelpunkt der Reformvorschläge stand für ihn die Generalklausel, das Verbot des Erstrebens gesellschaftsfremder Sondervorteile 18 , der eigennützigen Ausübung des Stimmrechts. Darin lag der von Hachenburg befürwortete Wandel des Maßstabs der guten Sitten zu dem von Treu und Glauben 1 '. In der Auslegung des Verhaltens der Aktionäre nach diesem Maßstab sah Hachenburg den Angelpunkt des künftigen Aktienrechts20. Die Charakterfrage wird nun doch zur Rechtsfrage. Der moralische Nährboden für die Reform wird vorbereitet. Den Beitrag, den der zweite von Hachenburg geleitete Ausschuß des DAV geleistet hat, ist auch unten S. 29/30 u. 35 gewürdigt. Der des dritten, des Aktienrechtsausschusses des Vorläufigen Reichswirtschaftsrats, ist Gegenstand dieser Edition. 3. Die eigenen Ansichten Hachenburgs zur Aktienrechtsreform kommen weniger in den Stellungnahmen der Kommissionen und den Berichten hierüber zum Ausdruck als in seinen sonstigen Arbeiten, insbesondere aber in der Einleitung zum Aktienrecht des HGB von Düringer/Hachenburg. Es war sein letzter und auch reifster Beitrag zum Thema. Daß das Werk jüdischer Autoren (Bing, Flechtheim und Hachenburg) in einem jüdischen Verlag 1934 noch erscheinen konnte, war ein Wunder 21 . Schubert hat unten S. 26 die drei Reformrichtungen schlagwortartig gekennzeichnet: Aktiendemokratie - Unternehmen an sich - Vorherrschaft der Verwaltung. Man wird Hachenburg zu letztgenannter Richtung rechnen können, wie dies auch Schubert S.27 mit Fußnote 86 tut. Von der erstgenannten hielt er nichts. Politische Prinzipien ließen sich nicht auf privatwirtschaftliche Körperschaften anwenden22. Woraus wieder folge, daß man mit dem Schlagwort „Demokratie" bei der Aktiengesellschaft nichts anfangen könne. Wer die Aktionäre in der Nähe gesehen habe, dem bleibe immer wieder zweifelhaft, ob der einzelne Aktionär aus seiner Schläfrigkeit und Gleichgültigkeit aufgerüttelt, zur Selbsttätigkeit gebracht werden könne25. Auch für die Theorie vom Unternehmen an sich24 konnte sich Hachenburg nicht er16 17
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Vgl. dazu Schubert unten S. 27 f. In einem „interessanten, fesselnden und glänzenden Vortrag", so von Staff in seinem Bericht über den 35. Deutschen Juristentag D J Z 1 9 2 8 , 1 3 6 5 . Vgl. die späteren §§ 1 0 1 , 1 9 7 A b s . 2 A k t G 1937. Dazu Schilling im G r o ß k o m m . z. A k t G 3. Aufl. 1973 § 243 Anm. 17. D J Z 1928,1377. Und ein weiteres, daß 1935 Band III 3 erschien mit den Erläuterungen Hachenburgs zur K G a A und zum Umwandlungsgesetz von 1934. J W 1930,3685. D J Z 1929, 1531. Ähnlich im „Ergebnis" (der Beratungen des RWR-Ausschusses) S . 8 5 (abgedruckt in Anh. II) zur Frage, ob Mißbräuchen des Depotstimmrechts durch eine gesetzliche Regelung begegnet werden sollte. S. dazu Netter, Zur aktienrechtlichen Theorie des Unternehmens an sich, Festschrift für Albert Pinner Berlin 1932, S. 563 ff. Vgl. auch meinen Beitrag zur Festschrift für Ernst Gessler 1971, Macht und Verantwortung in der Aktiengesellschaft S. 1 5 9 , 1 6 1 . D o r t auch zu dem von Passow (Der Strukturwandel der Aktiengesellschaft Jena 1930 S.3 FN 2) und v o n Netter aaO S. 546 ff. richtiggestellten Mißverständnis, Rathenau habe das „Unternehmen an sich" propagiert.
Max Hachenburg und die Aktienrechtsreform
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wärmen. Der Gedanke der Loslösung der AG von ihrem Personensubstrat sei die extremste Auffassung von dem Zurückdrängen des Aktionärs. Aber eine AG schwebe nicht in der Luft. Sie bedürfe eines Personensubstrats 25 . 4. Um dieses Personensubstrat ging es Hachenburg vor allem, um die Gemeinsamkeiten und Gegensätze der Aktionäre. Die AG bestehe eben nicht nur aus Kapitalisten, sondern auch aus Menschen 26 . Die „Idee des Unternehmens als Ding an sich" empfindet er als „Mißachtung der Masse" 27 . Das Kollektivum der AG liege in ständigem Ringen mit dem Individualismus ihrer Aktionäre. Das ganze Aktienrecht sei von dem Streben nach einem Ausgleich beider durchzogen 28 . Das Problem der Verteilung der Rechte zwischen der Gesamtheit und dem einzelnen Mitglied hat zwei einander berührende Spannungsfelder. Das ist einmal das Verhältnis zwischen Aktiengesellschaft und Aktionär 2 ', zum andern das zwischen Verwaltung und Aktionären 3 ". Den Ausgangspunkt des Verhältnisses AG/Aktionär bildet der Gedanke der Selbständigkeit des Unternehmens. Aus dem Kollektivbegriff ergibt sich die Notwendigkeit der Willensbildung der neuen Einheit. Diese verlangt die Entscheidung durch die Mehrheit und die Unterwerfung der einzelnen Mitglieder unter diese". Die Mehrheit aber identifiziert sich mit dem Unternehmen und stützt ihre Herrschaft mit dem Hinweis auf die Interessen der Gesamtheit' 2 . Das Spannungsfeld AG/Aktionär ist in der Wirklichkeit der Kampf zwischen Mehrheit und Minderheit. In diesem Kampf ist die Minderheit nicht rechtlos. Zwar hat die Mehrheit das entscheidende Wort, die Minderheit aber den Widerspruch. Beider Stimmrecht ist nicht in ihre nackte Willkür gelegt. Es wird durch das Treueverhältnis zwischen den Aktionären und der AG bestimmt". Erst in der Rechtssprechung, dann in der Gesetzgebung habe sich eine Ethik des Rechts gegen die Selbstsucht des Einzelnen im Wirtschaftsleben durchgesetzt. Als mögliche Ursachen dieses „Zusammengehörigkeitsgedankens" nennt Hachenburg „unsere Schicksale", Krieg und wirtschaftlichen Niederbruch, ferner eine stärkere Reaktion auf das in der Konzembildung mächtig hervorgetretene egozentrische Moment, schließlich den „sozialistischen Einschlag unserer Wirtschaftslenker" 34 . Aus der Beschränkung der Mehrheit durch die Pflicht zur Rücksichtnahme auf das bestehende Gesellschaftsverhältnis erkläre sich auch das Prinzip der Gleichbehandlung aller Aktionäre 3 '. Die Stellung des Einzelaktionärs zu heben und zu sichern, sei die jetzt herrschende DH DH 27 DH 28 DH 2'' DH 3(1 DH 31 DH 32 DH 33 DH 34 DH 35 DH 2ä
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Anm. 77, s. auch Anm. 102. Anm. 80. Anm. 102. Anm. 52. Anm. 76 ff. Anm. 95 ff. Anm. 77. Anm. 77 a.E. Anm. 78. Anm. 80. Anm. 82.
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M a x Hachenburg und die Aktienrechtsreform
Tendenz"'. Das zweite Spannungsfeld ist das zwischen Verwaltung und Aktionären. Nach der gesetzlichen Regelung sei die Generalversammlung der Aktionäre als das oberste Organ, der Aufsichtsrat als der aus ihrer Mitte zur Überwachung der Exekutive berufene Ausschuß gedacht. Dieses Bild zeigt in der Wirklichkeit andere Züge. Vorstand und Aufsichtsrat erscheinen zusammen als Verwaltung. Diese steht im Gegensatz zur Generalversammlung der Aktionäre. D e r K a m p f um die Macht zwischen den Aktionären und der Verwaltung bilde das Problem in der heutigen Wirtschaft 31 . Der Aufsichtsrat sei in der Hauptsache Verwaltungsorgan geworden. Seine Tätigkeit konzentriere sich auf den Vorsitzenden und kleine Ausschüsse"". Die übrigen Mitglieder seien „die Peripherie". Die Reform des Aufsichtsrats wolle dem entgegentreten. Hachenburg bezweifelt, ob ein Mitregieren der weiteren Mitglieder durch gesetzliche Regelungen ermöglicht werde. „Die Lenkung der Schicksale des Unternehmens kann stets nur in wenigen Händen ruhen" 3 9 . Wie weit darf die Vorherrschaft der Verwaltung gehen? Bei welchen Maßnahmen ist die Mitwirkung der Aktionärsversammlung geboten? Sie ist da notwendig, wo es sich um Veränderungen im Körper der Gesellschaft handelt. Jede Satzungsänderung bedarf ihrer Zustimmung. Wie ist es aber mit „verfassungsändernden" Maßnahmen, mit der „faktischen" Satzungsänderung, besonders beim Gegenstand des Unternehmens? Auch hier habe sich in der Wirklichkeit ein Ausweichen gegenüber dem Gesetz gezeigt. Vorstand und Aufsichtsrat gingen über die Frage, ob eine Satzungsänderung vorliege, zur Tagesordnung über 4 ". Im Anschluß daran geht Hachenburg 4 1 auf die damals stark umstrittene Frage ein, o b die Einwilligung der Generalversammlung auch zu „wichtigen, kostspieligen, riskanten und deshalb die Interessen der Aktionäre in besonderem Maße berührenden Unternehmungen" 4 2 , überhaupt „in den außerhalb des regulären Geschäftsbereichs liegenden Fällen" eingeholt werden müsse. Hachenburg sympathisiert mit dem Gedanken einer Mitwirkung der Generalversammlung bei Maßnahmen außerordentlicher Art. Man fühlt sich an die Diskussion um das Holzmüller-Urteil B G H Z 8 3 , 1 2 2 erinnert. Hachenburg schließt seine Betrachtung mit der Feststellung, die Kollektivgemeinschaft verlange von dem einzelnen die Unterordnung seiner Wünsche unter die Interes-
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D H Anm. 84. D H A n m . 95. D H A n m . 95. D H Anm. 96. Das Prinzip der „kleinen S c h a r " war wohl schon immer der Aktiengesellschaft eigentümlich. In meinem in F N 2 4 erwähnten Aufsatz habe ich auf dies bestätigende Aussagen von Franz K l e i n , Planitz, Baumbach/Hueck, Wiethölter und eben auch Hachenburg hingewiesen. D H A n m . 104. D H Anm. 105. Hachenburg zitiert R G in H o l d h e i m s M S c h r l 2 , 1 9 7 und R G Z 3 5 , 3.
Max H a c h e n b u r g und die Aktienrechtsreform
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sen der Gesamtheit. Das bedeutet nach dem vorher Gesagten die Vorherrschaft der Verwaltung. Hachenburg begrüßt dies weder noch beklagt er es. Aber er begreift es - aus der N a t u r der Sache. Noch ein Wort zur Einstellung Hachenburgs zum Konzernrecht. D a ß er den damaligen Stand der Erkenntnisse genau kannte, zeigt seine Besprechung des 1932 erschienenen Werkes v o n Haussmann „Das Recht der Unternehmenszusammenfassungen'"". Haussmann begründet das Erscheinen des Zweiten Teils über die Praxis vor dem Ersten Teil ü b e r das System wie folgt: „ F ü r die Erkenntnis der neuen Wirtschaftsvorgänge ist die Aufhellung ihrer praktischen Methoden und Tragweite unumgängliche Vorbeding u n g u n d Vorarbeit zur Aufstellung des Systems." Es mußten erst die Rechtstatsachen gesammelt und gesichtet werden. D a n n konnten die Systematisierung und die rechtspolitische W e r t u n g einsetzen". Hachenburg war auch in der Konzernfrage seiner Generallinie treu. Man könne im heutigen Verkehr die Verflechtung im Konzernwesen nicht entbehren'1". Habe sich eine Gesellschaft in einen K o n z e r n begeben, so müsse sie sich die aus einem solchen Zusammenschluß ergebenden Nachteile gefallen lassen. Aber er f ü g t einschränkend hinzu, daß eine bewußte Schädigung der Minderheitsaktionäre einer K o n zerngesellschaft zu Gunsten des Gesamtkonzerns stets unstatthaft bleibe 46 . Mit dieser F o r d e r u n g war er seiner Zeit wohl voraus.
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J W 1932,2591. s. dazu auch meine „ K o n z e r n f r a g e n " J Z 1957, 529. DHAnm.139.
DHAnm.140.
Der Vorläufige Reichswirtschaftsrat und die Aktienrechtsreform in der Weimarer Zeit von
WERNER SCHUBERT
I. D e r v o r l ä u f i g e R e i c h s w i r t s c h a f t s r a t Die Funktion, die der 1920 geschaffene Vorläufige Reich wirtschafsrat" im Verfassungsleben der Weimarer Republik wahrnahm, hat Julius Curtius, Reichswirtschaftsminister von 1926 bis 1929, treffend dahin umschrieben: 2 „Die Regierung kann, wie die Erfahrungen der letzten Jahre zeigen, eine Körperschaft nicht entbehren, welche ihr den sachverständigen Rat praktisch in der Wirtschaft tätiger Persönlichkeiten zur Verfügung stellt. Der wesentliche Vorteil, der sich aus der Anhörung der im Reichwirtschaftsrat vereinigten Sachverständigen gegenüber der sonstigen gutachtlichen Äußerung von freien Sachverständigen ergibt, besteht darin, daß in dieser Körperschaft die verschiedenen Interessen einander gegenübergestellt werden und Vertreter von Spezialgebieten gewärtig sein müssen, daß ihre Ausführungen von den gleichfalls anwesenden Vertretern entgegenstehender Interessen berichtigt und auf das für die allgemeine Volkswirtschaft 1
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Die zeitgenössische Literatur zum RWR ist zusammengestellt bei H. Hausebild, Der Vorl. RWR 1920-1926, Berlin 1926, S.461 ff.; Büro des Vorl. RWR (Hrsg.), Der Vorl. RWR 1927-1932, Berlin 1933, S.321 ff.; E.K.Huber, Deutsche Verfassungsgeschichte seit 1789, Bd.6 (1981), S. 390 ff.; eine neuere Monographie über den Reichswirtschaftsrat fehlt. Die Arbeiten von R. Gebertb, Bundeswirtschaftsrat und Conseil economique, Diss. rer. pol. Mainz, 1960, und von G.PopperitGeschichte und Problematik des Reichswirtschaftsrates, Diss. iur. Mainz 1956, schöpfen, so nützlich sie auch im übrigen sind, nicht einmal alle gedruckten Quellen (insbesondere nicht die Plenarverhandlungen von 1920 - 2 3 ) vollständig aus. Der Beitrag von Roswitha Berndt, Der Vorläufige Reichswirtschaftsrat 1920-1932, in: Wiss. Zeitschrift der Martin-Luther-Universität, Halle-Wittenberg, Bd. X X I (1972), Gesellschafts- und sprachwissenschaftliche Reihe, Heft 2, S. 53 ff., behandelt nur Teilaspekte. Verh. des RT 1 9 2 8 - 3 0 , Bd.443, S. 1 f. der Drucksache Nr.2163 (Bericht).
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D e r vorläufige Reichswirtschaftsrat
zuträgliche Maß z u r ü c k g e f ü h r t werden. D a r ü b e r hinaus ergibt sich aus der lebendigen F ü h l u n g n a h m e der Repräsentanten der großen Wirtschaftsgruppen eine Annäherung der verschiedenen Standpunkte und ein Interessenausgleich, der wesentlich zur Milderung sozialer und wirtschaftlicher Gegensätze beiträgt. Schließlich m u ß es auch ganz allgemein von Wert sein, eine wirkliche Repräsentation der Wirtschaft zu haben; die starken Kräfte, die heute in unserem Verbandsleben ruhen, müssen f ü r den Staat nutzbar gemacht und zur Mitverantwortung in Gesetzgebung und Verwaltung herangezogen werden." Der vorläufige Reichswirtschaftsrat ( R W R ) geht auf Art. 165 der Weimarer Reichsverfassung zurück und beruhte auf der V e r o r d n u n g des Reichspräsidenten über den vorläufigen Reichswirtschaftsrat vom 4.5. 1920.' D e r RWR - Hachenburg bezeichnete ihn 1925 als ein „ A n g s t p r o d u k t " des Jahres 1919' ist zusammen mit dem Betriebsrätegesetz von 1920 gesamtpolitisch gesehen ein nur geringer Uberrest des Rätegedankens der Novemberrevolution', welch letzterer vor allem bei den von der S P D angeführten Reichsregierungen und den Gewerkschaften auf heftigen Widerstand gestoßen war. Nachdem der Zentralrat der Arbeiter- und Soldatenräte im Dezember 1918" unter maßgeblicher Beteiligung von Max Cohen , der uns in fast allen Sitzungen des aktienrechtlichen Arbeitsausschusses begegnet, die Wahl einer Nationalversammlung durchgesetzt hatte, spielte in den ersten vier Monaten des Jahres 1919 im Zentralrat die Frage eine wichtige Rolle, inwieweit neben das Parlament eine zweite K ä m m e t (Produzenten- oder Arbeiterkammer) treten sollte". Julius Kaliski und Max Cohen befürworteten im Kabinett und im Zentralrat im Januar 1919 ein Wirtschaftsparlament auf berufsständischer
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RGBl. 1 1920, S.858ff. Hachenburg, in: Rechtswissenschaft der G e g e n w a r t , Bd. 2 (1925). S.24. Vgl. Hagen Schulde, Weimar. Deutschland 1917- 1933 (Neuere deutsche Geschichte, Bd.4), 1983, S. 62 ff. Hierzu u. a. Walter Tormin, Zwischen Rätediktatur und sozialer Demokratie, Die Geschichte der R ä t e b e w e g u n g in der deutschen Revolution 1918/19, Düsseldorf 1954, bes. S.94ff.; K.Ko/bj R. Riirüp. D e r Zcntralrat der Deutschen Sozialistischen Republik 19.12. 1918 8.4. 1919. V o m ersten zum zweiten Rätekongreß, Leiden 1968; S. Miller\\\. Potthoff, Die Regierung der Volksbeauftragten 1918/19, Düsseldorf 1969, 2 Bde. (bis 8.2. 1919). Über Max Cohen, der in der Literatur bisher leider sehr stiefmütterlich behandelt w o r d e n ist, vgl. unten S.941. Die Vorschläge von Cohen werden im folgenden aus zwei G r ü n d e n detaillierter, als dies in der Literatur bisher erfolgt ist, herausgestellt: einmal, weil die Vorschläge Cohens eine Alternative zu der Konzeption von Wissell/v. Moellendorff darstellten, zum anderen, weil Cohen auch im aktienrechtlichen Arbeitsausschuß d u r c h a u s eigenständige Ideen vertreten hat. Vgl. Tormin, a.a.O., S. 103 ff.; P. v. Oerzen, Betriebsräte in der N o v e m b e r r e v o l u t i o n , Düsseldorf 1963, S. 181 ff.; H J . Bieber, Gewerkschaften in Krieg und Revolution, 1981, S.592ff., bes. S. 666ff., 685 ff.; ferner die grundlegende U n t e r s u c h u n g von F.. Biechele, D e r K a m p f u m die gcmcinwirtschaftliche Konzeption des Reichswirtschaftsministeriums im Jahre 1919, Diss. phil. F l ! Berlin, 1972, S. 87ff.: Max Cohen, Soz. M o n a t s h e f t e 1919, S. 1043ff. (Der Rätegedankc im ersten Revolutionsjahr); vgl. ferner W.Herrfahrdt, Das P r o b l e m der berufsständischen V e r t r e t u n g von der französischen Revolution bis zur G e g e n w a r t , 1921, bes. S. 111 ff.; F.. Tatarin- Tarnheyden. Die Berufsstände, ihre Stellung im Staatsrecht und die deutsche Wirtschaftsverwaltung, 1922,
Der vorläufige Reichswirtschaftsrat
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G r u n d l a g e , stießen d a m i t aber bei d e n S o z i a l d e m o k r a t e n auf fast einhellige A b l e h n u n g 5 . N a c h C o h e n k a m es d a r a u f a n , d i e r a d i k a l e R ä t e b e w e g u n g a u f e i n n e u e s F e l d w i r t s c h a f t s politischer T ä t i g k e i t umzulenken1". D i e Arbeiterräte w ü r d e n an die V e r f o l g u n g weiterer revolutionärer Ziele nicht m e h r denken, w e n n m a n den Arbeitern Gelegenheit gäbe, ihre I n t e r e s s e n in d e n A r b e i t e r r ä t e n zu v e r f o l g e n . D i e s o z i a l d e m o k r a t i s c h e n M i t g l i e d e r des Z e n t r a l r a t s k o n n t e n a m 4 . 2 . 1919 v o n C o h e n f ü r eine R e s o l u t i o n a n die N a t i o n a l v e r s a m m l u n g g e w o n n e n w e r d e n , in d e r d i e S c h a f f u n g v o n A r b e i t e r k a m m e r n
verlangt
w u r d e " . E r s t a u f d e m 2. R ä t e k o n g r e ß i m A p r i l 1 9 1 9 g e l a n g es K a l i s k i u n d C o h e n , d i e s o zialdemokratische M e h r h e i t f ü r ihre K o n z e p t i o n zu gewinnen12. Die Resolution hat folgenden Wortlaut": „1. Die G r u n d l a g e der sozialistischen Republik m u ß die sozialistische Demokratie sein. Die bürgerliche D e m o k r a t i e wertet in ihrem Vertretersystem die Bevölkerung nach der bloßen Zahl. Die sozialistische D e m o k r a t i e m u ß deren E r g ä n z u n g bringen, indem sie die Bevölkerung auf G r u n d ihrer Arbeitstätigkeit zu erfassen strebt.
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S. 145ff.; G.Bernhard, Wirtschaftsparlamente. V o n den Revolutionsräten z u m Reichswirtschaftsrat, 1923, bes. S. 26 ff.; gute Z u s a m m e n f a s s u n g der Diskussion bei E. i'raenkel, Rätemyt h o s und soziale Selbstbestimmung, in: Aus Politik u n d Zeitgeschichte, 1971, B14, S . 3 f f . (S. 17 zu Cohen, S.21 ff. zu Sinzheimer). V g l . Miller! PottbofJ, a.a.O. (En. 6), Bd. 2, S. 223 ff.; Η .Schulde (Hrsg.), Akten der Reichskanzlei. D a s Kabinett Scheidemann, 1971, S . X U I I . Vgl. KolbjRürüp, a.a.O. (En.6), S.659f. Die Resolution ist teilweise mitgeteilt bei Cohen, Soz. Monatshefte, 1919, S. 1046: „Die planvolle V e r w e r t u n g der revolutionären Organisationen (Arbeiter- und Soldatcnräte) bei der endgültigen Gestaltung der sozialen Republik als einheitlich wirkende K r ä f t e für den gesamten Neuaufbau Deutschlands hat die Richtung auf den Einheitsstaat ebenfalls zur unumgänglichen Voraussetzung. N e b e n der Eingliederung der Arbeiter- und Soldatenräte in die künftige Reichsverfass u n g zur V e r s t ä r k u n g der Arbeitervertretung und ihrer Produktionsinteressen sowie zur volkstümlichen Gestaltung des Wehrwesens erscheint es deshalb zunächst als die wichtigste A u f g a b e der Arbeiter- und Soldatenräte ganz Deutschlands, die schädliche Wiedererstarkung einzelstaatlicher Hoheitsrechte, die über die G e l t e n d m a c h u n g landsmannschaftlicher Selbstverwaltungs- und Kulturinteressen hinausgeht, auf das entschiedenste zu bekämpfen u n d alle K r a f t d a f ü r einzusetzen, daß die Verfassungsarbeit in Weimar die gebotene Richtung auf den deutschen Einheitsstaat n i m m t . " Vgl. v. Oert-^en, a.a.O., S. 201 ff.; Max Cohen, Der Aufbau Deutschlands und der Rätegedanke, Berlin 1919 (Referat auf dem 2. R ä t e k o n g r e ß im April 1919); vgl. auch U . K o n g r e ß der Arbeiter·, Bauern- und Soldatenräte Deutschlands. Sten. Protokoll, Berlin 1919, S. 159ff. {Cohen). Zitiert nach Cohen, Deutscher Aufbau und die K a m m e r der Arbeit, Berlin 1920, S. 38f. Der II. Teil der Resolution lautet: „1. Die Gewerkschaften sind die Vertreter der Arbeiter eines jeden Berufs. Die ausführenden O r g a n e der G e w e r k s c h a f t e n in den Betrieben sind die Betriebsräte... 2. Die Regelung der Lohn- und Arbeitsbedingungen eines Gewerbe- und Berufszweiges erf o l g t von Organisation zu Organisation, also zwischen Gewerkschaft und Unternehmerverb a n d . 3. Bilden die Arbeiterräte die V e r t r e t u n g der Arbeiter f ü r die Eragen der P r o d u k t i o n in den P r o d u k t i o n s r ä t e n , so sind die bisher errichteten Arbeitsgemeinschaften, in denen die Arbeitgeberverbändc mit den Gewerkschaften zusammenarbeiten, O r g a n e zur R e g e l u n g der L o h n - und Arbeitsverhältnisse sowie der übrigen Berufsfragen. - 4. Die Produktionsräte sind die Vertreter der P r o d u k t i o n , die von den Arbeitern und U n t e r n e h m e r n gemeinsam getragen wird. Die Arbeiter werden hierbei durch die Arbeiterräte vertreten. Der Produktionsrat ist der U n t e r b a u f ü r die Sozialisierung."
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2. Dies kann am besten durch die Schaffung von Kammern der Arbeit geschehen, zu denen alle arbeitleistenden Deutschen, nach Berufen gegliedert, wahlberechtigt sind. 3. Zu diesem Zweck bildet jedes Gewerbe unter Berücksichtigung aller in ihm tätigen Kategorien (einschließlich der Betriebsleiter) einen Produktionsrat, in den die einzelnen Kategorien ihre Vertreter (Räte) entsenden. Die Landwirtschaft und die freien Berufe bilden entsprechende Vertretungen. 4. Die Räte gehen aus Wahlen hervor, die in den einzelnen Betrieben oder in den zu Berufsverbänden zusammengelegten Betrieben erfolgen. 5. Der Produktionsrat des einzelnen Gewerbezweigs der Gemeinde wird mit dem Produktionsrat des gleichen Zweiges in Kreis, Provinz, Land und Reich zu einem Zentralproduktionsrat verbunden. 6. Jeder Produktionsrat wählt Delegierte in die Kammer der Arbeit, die in der kleinsten Wirtschaftseinheit beginnt. 7. Diese ist die Gemeinde respektive Großgemeinde; Gemeinden, die eine Wirtschaftseinheit bilden, werden zusammengelegt. 8. Die Produktionsräte der Kreise, Provinzen, Länder und der Gesamtrepublik tun dasselbe. Überall besteht eine allgemeine Volkskammer und eine Kammer der Arbeit. 9. Jedes Gesetz bedarf der Zustimmung beider Kammern, doch erhält ein Gesetz, das in drei aufeinander folgenden Jahren von der Volkskammer (Gemeindevertretung, Kreisausschuß, Provinzialvertretung, Landtag, Reichstag) unverändert angenommen wird, Gesetzeskraft. 10. Jede der beiden Kammern hat das Recht, eine Volksabstimmung zu verlangen. 11. Der Kammer der Arbeit gehen in der Regel alle Gesetzesentwürfe wirtschaftlichen Charakters (vor allem die Sozialisierungsgesetze) zuerst zu. Es liegt ihr ob, auf diesem Gebiet die Initiative zu ergreifen. Der Volkskammer geben in der Regel die Gesetzentwürfe allgemein politischen und kulturellen Charakters zuerst zu. Die Zuteilung der Delegierten auf die einzelnen Berufe wird durch besonderes Gesetz geregelt." Nach Cohen sollten die Arbeiterräte 1 4 „als Vertreter der Arbeiterschaft in allen Angelegenheiten der Produktion, gemeinsam mit den bisherigen Leitern unserer Wirtschaft dem Wirtschaftsleben wieder auf die Füße" helfen und „planmäßig" die nationale Produktion regeln. Diese A u f g a b e der Arbeiterräte sei, zumeist aus parteipolitischen G r ü n den, bisher auch nicht im entferntesten erfaßt worden: „Die Spaltung der deutschen A r beiterklasse hat dazu geführt, daß der Rätegedanke nicht um seiner sachlichen Bedeutung für die Demokratisierung und Sozialisierung unseres Wirtschaftslebens willen (und nur dafür kann er Ersprießliches leisten) aufgegriffen wurde, sondern als Kampfmittel f ü r die politischen Zwecke der verschiedenen Parteigruppen". Darüber hinaus sollte die K a m m e r der Arbeit die Demokratie sichern und stärken' 3 : Das Zweikammersystem sei in Wirklichkeit die „Vertretungsform", die der vollen Demokratie am meisten entspreche, da neben der einen politischen Volkskammer, in deren Händen sonst alle Macht und Gewalt läge: Legislative, Exekutive, Verwaltung, keinerlei Instanz bestände, die sie irgendwie zu korrigieren vermöchte. „Dieses Bedürfnis aber besteht, und es hat in allen modernen Demokratien, die wir kennen, zum Zweikammersystem geführt. Das Einkammersystem ist nur dort wirklich am Platze, w o anstelle der zweiten K a m m e r eine andere Instanz, wie eine Monarchie, eine besonders geartete Regierung oder Bürokratie das unbedingt nötige Gegengewicht darstellt. Die letztgenannten Gegengewichte haben w i r in
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Das folgende nach Cohen, Soz. Monatshefe, 1919, S. 1045 ff., Zitat S. 1049. Cohen, a.a.O. (Fn. 13), S. 19f.; hieraus auch das folgende Zitat.
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Deutschland nun gerade erst beseitigt, wir müssen uns aber vor dem politischen Irrglauben hüten, als ob w i r mit der einen V o l k s k a m m e r , deren Allmacht viel zu g r o ß wäre, wirklich politisch und wirtschaftlich fruchtbringende Arbeit leisten könnten. Das Einkammersystem kann, gerade bei freiestem Wahlrecht, zu schweren Mißhelligkeiten führen, die unter Umständen den ganzen Staatsmechanismus lahmzulegen vermöchten, und die geschichtlichen Erfahrungen zeigen uns auch, daß ein rein plebiszitäres System auf die Dauer entweder zur Anarchie oder zum Cäsarismus führt." Cohen trug seine Konzeption nochmals im J u n i 1919 auf dem sozialdemokratischen Parteitag in W e i m a r vor, erhielt hierfür aber nur noch eine einzige Stimme". Die R e g i e r u n g , die in den Entwürfen zur Reichsverfassung jegliche Konzession an den Rätegedanken abgelehnt hatte, sah sich nach dem Berliner Generalstreik g e z w u n g e n , den Forderungen des Zentralrats zumindest teilweise nachzugeben' 1 . Wie die Protokolle des Kabinetts Scheidemann zeigen, war es dabei das Ziel der Regierung, mit ihren Vorschlägen den Entschließungen des 2. Rätekongresses zuvorzukommen. Bereits am 6.4. 1919 gab die R e g i e r u n g ihre Konzeption in Form eines Antrags zur Ergänzung der Reichsverfassung bekannt": „Die Arbeiter sind dazu berufen, gleichberechtigt in Gemeinschaft mit den Unternehmern an der R e g e l u n g der Lohn- und Arbeitsbedingungen sowie an der gesamtwirtschaftlichen E n t w i c k l u n g der produktiven Kräfte mitzuwirken. Die beiderseitigen Organisationen und ihre tariflichen Vereinbarungen werden anerkannt. - Sie erhalten zur W a h r n e h m u n g ihrer sozialen und wirtschaftlichen Interessen nach Betrieben und Wirtschaftsgebieten gegliederte gesetzliche Vertretungen in Betriebs- und Bezirksarbeiterräten und einem Reichsarbeiterrate. - Die Bezirksarbeiterräte und der Reichsarbeiterrat treten zur Erfüllung gesamtwirtschaftlicher A u f g a b e n und zur M i t w i r k u n g bei der A u s f ü h r u n g der Sozialisierungsgesetze mit den Vertretungen der Unternehmer zu Bezirkswirtschaftsräten und einem Reichswirtschaftsrate zusammen. — Sozialpolitische und wirtschaftspolitische Gesetzentwürfe v o n grundlegender Bedeutung sollen von der Reichsregierung vor ihrer Einbringung beim Reichstag dem Reichswirtschaftsrate zur Begutachtung vorgelegt werden. Der Reichswirtschaftsrat hat das Recht, selbst solche Gesetze beim Reichstag zu beantragen, die ebenso wie Vorlagen der Reichsregierung oder des Reichsrats zu behandeln sind. - Den Arbeiter- und Wirtschaftsräten können auf den ihnen überwiesenen Gebieten Kontroll- und Verwaltungsbefugnisse übertragen werden. - Aufbau und A u f g a b e n der Arbeiter- und Wirtschaftsräte s o w i e ihr Verhältnis zu anderen sozialen Selbstverwaltungskörpern werden durch Reichsgesetz geregelt." (Art. 34a des Verfassungsentwurfs). Die B e g r ü n d u n g zu diesem Entwurf, der auf Verhandlungen des federführenden Vgl. hierzu Cohen, Soz. Monatshefte, 1919, S. 1 0 5 0 f f . (hier auch Mitteilung der Leitsätze von Sinzheimer, die angenommen wurden); Protokoll über die Verhandlungen des Parteitages der SPD (Weimar 1 5 . - 1 9 . 6 . 1919), S . 1 0 6 (Antrag von Cohen); S.421 ff.; Gegenposition v o n Sinzheimer, S. 406 ff., 452 ff. " 18
Zur Stellung der Regierung vgl. Schulde, a.a.O. (Fn. 9), bes. S . 7 2 f f . , 103f., 131 ff.; Hans S c h ä f f e r , Der V o r l . R W R , Kommentar zur Verordnung v o m 4 . 5 . 1920, Berlin 1920, S . 5 f f . Wiedergegeben nach S c h ä f f e r , a.a.O., S. 13 ff.
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Der vorläufige Reichswirtschaftsrat
Reichsarbeitsministeriums unter Bauer mit dem Reichswirtschaftsministerium unter Wissell zurückgeht, beruhte teils auf der Gemeinwirtschaftskonzeption von Wisseil und Moellendorff", teils aber auch auf den Gedanken von Cohen und Kaliski, ohne daß man jedoch deren Grundkonzept übernehmen wollte. Nach dem Entwurf des neuen Artikel 34 a ging die Reichsregierung, so die Begründung20, davon aus, „daß die Rätebewegung von einer doppelten Grundanschauung getragen ist. Der Arbeiter (Arbeiter und Angestellter) strebt als solcher nach unmittelbarer, intensiver Geltendmachung seiner Interessen in den Betrieben und der Öffentlichkeit, zugleich strebt er über die Arbeitnehmersphäre hinaus nach Mitwirkung im Produktionsprozesse selbst, der bisher einseitig von dem Unternehmer geleitet ist. Er will nicht mehr nur als Arbeiter an der Arbeitsstelle mit gebundenen Arbeitsaufgaben ohne Ausblick auf das wirtschaftliche Ganze leben und sterben, es drängt ihn, über die Arbeitsstelle hinaus das wirtschaftliche Ganze zu sehen, seine Sachkunde und Erfahrung dafür fruchtbar zu machen und an der produktiven Entwicklung mitzuschaffen. Alte Bestrebungen mischen sich mit neuen Lebenstrieben und führen eine die gesamte Arbeiterschaft aufwühlende geistige Bewegung herbei, deren Fruchtbarkeit von der Gesetzgebung anerkannt werden muß. Würde die Gesetzgebung ihre Aufgabe nicht erkennen, so wäre zu befürchten, daß sich die Bewegung über alle Formen hinaus gewalttätig und chaotisch Bahn brechen würde." Die Arbeiterräte sollten die Aufgabe haben21, „die Interessen des Arbeiters als solche zu gesetzlichem Ausdruck zu bringen". Ihre Funktion sei eine „sozialpolitische", wobei der Begriff des Arbeiters im weitesten Sinne zu verstehen sei und auch die Angestellten umfasse. Die Wirtschaftsräte sollten dazu berufen sein22, „den Arbeiter als Produzenten an der gesamtwirtschaftlichen Tätigkeit zu beteiligen. Die Wirtschaftsräte stehen im Dienste der Produktionspolitik. Die gesamtwirtschaftlichen' Aufgaben, deren Lösung den Wirtschaftsräten obliegen soll, gehen über die ,gemeinwirtschaftlichen', d.h. die der bereits sozialisierten Wirtschaft hinaus, indem sie das Interesse der Gesamtheit an der Einzelwirtschaft, auch soweit sie privatkapitalistisch betrieben wird, und ihre Beziehungen zur Volkswirtschaft umfassen. Eine organisierte Produktionsförderung ist die elementare Voraussetzung für jede Sozialisierung. Der Entwurf sieht für die Organisation der Wirtschaftsräte das praktische Zusammenwirken von Unternehmern und Arbeitnehmern vor." Die „Bedeutung der in
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Hierzu ausführlich die in F n . 8 genannte Diss, von Biechele, bes. S. 105ff., 188ff.; D . E . Barclay, R. Wissell als Sozialpolitiker, 1880 - 1933, Berlin 1984, bes. S . 7 4 f f ; ferner Rudolf Wissell, Aus meinem Leben, 1983 (hrsg. von E. Schraepler). Am detailliertesten ist die Konzeption von Wissell und v. Moellendorff dargestellt bei Wichard von Moellendorff, Konservativer Sozialismus, Hamburg 1932, S.232ff., und bei Klaus Braun, Konservativismus und Gemeinwirtschaft. Eine Studie über Wichard von Moellendorff, Duisburg 1978, bes. S. 125ff. (hier auch Besprechung eines unveröffentlichten Entwurfs im Nachlaß von v. Moellendorff [Nr. 15J). Zur Person von v.Moellendorff (1881- 1937) und von Wissell (1869 1962) vgl. u.a. Fr. t'aeius, Wirtschaft und Staat. Die Entwicklung der staatlichen Wirtschaftsverwaltung in Deutschland vom 17. Jh. bis 1945, Boppard, 1959, bes. S.228f., 232. Zitiert nach Schiffer, a.a.O. (Fn. 17), S. 167ff.; hier S. 168. Schäjfer, a.a.O., S. 169. Schäffer, a.a.O., S. 172 (Hervorhebung bereits im Original).
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dem E n t w ü r f e vorgeschriebenen Einrichtungen" faßte die Begründung dahin zusammen'', „daß die Arbeiter- und Wirtschaftsräte den organischen Ausdruck für die Arbeitsund Wirtschaftsgemeinschaft des Volkes bilden, die im Staate ihre Angelegenheiten selbständig ordnen und verwalten will." Der E n t w u r f der Reichsregierung fand bei fast allen Fraktionen Zustimmung 2 4 . Die Rechtsparteien ( D N V P und D V P ) sahen im Reichswirtschaftsrat vor allem die Möglichkeit eines Gegengewichtes zum Parlament. D e r E n t w u r f der Reichsregierung zu einem Art. 34 a wurde mit n u r geringfügigen Ä n d e r u n g e n in den Art. 165 der Verfassung übern o m m e n . In Abs. 1 wurden nunmehr außer den Arbeitern auch die Angestellten ausdrücklich genannt. In den Bezirkswirtschaftsräten und im Reichswirtschaftsrat sollten nicht n u r die Arbeitnehmer und Arbeitgeber vertreten sein, sondern auch „sonst beteiligte Volkskreise" (Art. 165 Abs. 3). Außerdem wurde noch folgender Satz eingefügt: „Die Bezirkswirtschaftsräte und der Reichswirtschaftsrat sind so zu gestalten, daß alle wichtigen Berufsgruppen entsprechend ihrer wirtschaftlichen und sozialen Bedeutung darin vertreten sind." N o c h v o r der Verabschiedung der Reichsverfassung hatte der Reichswirtschaftsminister Wisseil am 7.5. 1919 Richtlinien f ü r Gesetze über die deutsche Gemeinwirtschaft 2 5 vorgelegt, die räumlich und fachlich gegliederte Selbstverwaltungskammern vorsahen (Betriebs-, Bezirks-, Reichsarbeiterräte sowie entsprechende Unternehmerverbände, ferner 24 paritätisch besetzte Wirtschaftsbünde), die im wesentlichen den Reichswirtschaftsrat bilden sollten. Die Aufgaben des Reichswirtschaftsrats waren in § 10 Abs. 2 dahin umschrieben 26 : „ D e r Reichswirtschaftsrat hat die oberste Leitung der deutschen Wirtschaft im Zusammenwirken mit den berufenen höchsten Organen des Reichs. E r hat das Recht der Initiative zu wirtschaftlichen und sozialpolitischen Gesetzentwürfen, die wie Vorlagen der Reichsregierung zu behandeln sind. Gesetze solcher Art, die nicht seiner Initiative entspringen, sind ihm vor der Bcschlußfassung durch den Reichstag zur Begutachtung vorzulegen. Aufgabe des Reichswirtschaftsrats ist insbesondere die Förd e r u n g der Gemeinwirtschaft, die Pflege des sozialen Friedens und die Steigerung der gesamten Produktion im Reiche." Da diese weitgesteckten Pläne im Reichskabinett auf scharfen Widerstand stießen, traten Wissell und sein Staatssekretär noch Mitte Juli 1919
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Schäffer, a.a.O., S. 175. Vgl. hierzu die V e r h a n d l u n g e n in der verfassunggebenden Nationalversammlung, Bd. 334, S. 5909 f. (Nachweise), sowie Klaus L. Albrecht, H u g o Sin^beimer in der Weimarer Nationalversammlung. Sein Beitrag zum wirtschaftlichen Rätesystem und zu den arbeits- und wirtschaftsrechtlichen G r u n d r e c h t e n der Reichsverfassung., Diss. iur. F r a n k f u r t am Main 1970; S.91ff. über die Beteiligung von Sinzheimer; zur Auslegung des Art. 156 der Reichsverfassung vgl. auch Tatarin-Tarnhejden, Berufs verbände u n d Wirtschaftsdemokratie. Ein K o m m e n t a r zu Art. 165 der Reichsverfassung, 1930. Wiedergegeben u.a. bei v. Moellendorff, Konservativer Sozialismus, 1932, S.233ff.; zusätzlich existiert im Nachlaß von v. Moellendorff n o c h ein detaillierter Gesetzentwurf zur Organisation der Arbeiter- und Wirtschaftsräte, den Braun, a.a.O. (Fn. 19), ausführlich analysiert hat. v. Moellendorff, a.a.O., S. 244.
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Der vorläufige Reichswirtschaftsrat
zurück 27 , so daß es dem Nachfolger überlassen blieb die Ausführung des Art. 165 der Reichsverfassung durchzusetzen. Im Vorgriff auf die endgültige Errichtung eines Reichswirtschaftsrats berief der Reichswirtschaftsminister Robert Schmidt durch einfache Verwaltungsanordnung einen paritätischen Sachverständigenausschuß (Wirtschaftsrat) 28 von etwa 20 Persönlichkeiten aus der Landwirtschaft, der Industrie, dem Handel, dem Handwerk und den Verbraucherorganisationen und ließ durch diesen „Wirtschaftsrat beim Reichswirtschaftsministerium" einstweilen die Aufgaben des späteren vorläufigen RWR erfüllen. Gleichzeitig nahm das Ministerium die gesetzliche Regelung des RWR in Angriff, wobei man sich zunächst auf die Bildung eines Reichswirtschaftsrats beschränkte, also von der Etablierung der Arbeiterräte und der Bezirkswirtschaftsräte zunächst absah. Nach langen Verhandlungen mit den Gewerkschaften, den Wirschaftsverbänden und den Ländern verabschiedete das Reichskabinett im November 1919 den Entwurf einer Verordnung über den vorbereitenden Reichswirtschaftsrat 2 '. Die anschließenden Verhandlungen im Reichsrat' 0 wurden bereits am 31.1. 1920 abgeschlossen, so daß sich vom 5.2. 1920 an der volkswirtschaftliche Ausschuß der Nationalversammlung mit der Vorlage befassen konnte". Die endgültige Verabschiedung des Entwurfs erfolgte im Ausschuß der Nationalversammlung am 28.4., im Reichsrat am 29.4. 1919. Die Vorlage wurde dann am 4.5. 1920 als „Verordnung über den Vorläufigen Reichswirtschaftsrat" verkündet. Mit der Bezeichnung „Vorläufiger Reichswirtschaftsrat" sollte daraufhingewiesen werden, daß dieser in erster Linie eine „Konstituante für die wirtschaftliche Räteverfassung" 32 darstellen sollte. Nach der Verordnung vom 4.5. 1920 sollte der Vorl. RWR für den endgültigen Reichswirtschaftsrat den Unterbau und das Wahlrecht schaffen". Die Reichsbehörden sollten verpflichtet sein, ihn vor Erlaß wirtschaftspolitischer Gesetze zu hören und ihn auch vor Erlaß wichtiger Anordnungen und Verordnungen wirtschaftlicher Art heranzuziehen. Schließlich sollte dem RWR die Initiative zur Einbringung wirtschafts- und sozialpolitischer Gesetzentwürfe zustehen. Unberücksichtigt blieb Art. 165 Abs. 4 Satz 3 der Verfassung, wonach die Reichsregierung, wenn sie einer Initiative des RWR nicht zustimmte, die Vorlage gleichwohl dem Parlament zuzuleiten hatte. Die größten Schwie27 28 29
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32 33
Vgl. Schulde, a.a.O. (Fn.9), S.XLIVff., und Biecbele, a.a.O., S.201 ff. Schäffer, a.a.O., S. 17. Die Entstehungsgeschichte der VO vom 4.5. 1920 ist noch unerforscht; einige Quellen bei A. Golecki, Akten der Reichskanzlei. Das Kabinett Bauer, 1980, bes. S. 369 ff. Der Regierungsentwurfist im Reichsanzeiger vom 4.12. 1919 veröffentlicht worden, vgl. auch Tatarin-Tarnheyden, aaO. (Fn.24), S. 165 ff. zur Verordnung vom 4.5. 1920. Vgl. Drucksache des Reichsrats Nr. 284/1919 und dessen Niederschriften über die Verhandlungen, Jg. 1920, S.87, 401, 413. Vgl. hierzu die Aktenstücke Nr. 2794 der verfassunggebenden deutschen Nationalversammlung, in: Verhandlungen der verfassunggebenden Deutschen Nationalversammlung, Bd. 343, S. 3102 ff. Schäffer, a.a.O., S.28. Vgl. Drucksache Nr. 2794 der Deutschen Nationalversammlung, S. 3107.
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rigkeiten hatte die Frage der Zusammensetzung des R W R bereitet. Während die Regierung ursprünglich maximal jeweils 100 Mitglieder zugestehen wollte" 1 , erhöhte sie die Mitgliederzahl zunächst auf 140 und dann auf 200. Der Reichsrat nahm eine Erhöhung auf 280 Mitglieder vor. Innerhalb des volkswirtschaftlichen Ausschusses der Nationalversammlung w a r eine Einigung nur durch eine erneute Erhöhung der Mitgliederzahl auf 326 möglich. Kontrovers w a r unter anderem, in welchem Umfange die Landwirtschaft und die Industrie vertreten sein sollten, inwieweit neben den zentralen Verbänden auch eine Besetzung nach landsmannschaftlichen Gesichtspunkten stattfinden und wieweit die nicht unmittelbar am Erwerbsleben Beteiligten (öffentliche Betriebe; Beamtenschaft und Verbraucher) im R W R berücksichtigt werden sollten. Wichtigster Grundsatz w a r die Parität zwischen Arbeitgeber- und Arbeitnehmervertretern. Nach Art. 2 der Vero r d n u n g waren die 326 Mitglieder auf folgende Gruppen aufgeteilt, wobei innerhalb der Gruppen I, II, IV, V und VI strenge Parität herrschte: I. 68 Vertreter der Land- und Forstwirtschaft, II. 6 Vertreter der Gärtnerei und Fischerei, III. 68 Vertreter der Industrie, IV. 44 Vertreter des Handels, der Banken und des Versicherungswesens, V. 34 Vertreter des Verkehrs und der öffentlichen Unternehmungen, VI. 36 Vertreter des Handwerks, VII. 30 Vertreter der Verbraucherschaft, VIII. 16 Vertreter der Beamtenschaft und der freien Berufe, IX. 12 mit dem Wirtschaftsleben der einzelnen Landesteile besonders vertraute, v o m Reichsrat zu ernennende Persönlichkeiten, X. 12 von der Reichsregierung nach freiem Ermessen zu ernennende Personen, die durch besondere Leistungen die Wirtschaft des deutschen Volkes in hervorragendem M a ß e gefördert haben oder zu fördern geeignet waren. Die Vertreter der Verbraucherschaft waren u. a. von den K o m munalverbänden und dem Zentralverband Deutscher Konsumgenossenschaften zu benennen. Für die Gruppe VIII w a r u.a. ein Vertreter des Deutschen Anwaltvereins vorgesehen, der Hachenburg in den R W R delegierte. Die Mitgliederliste w u r d e alsbald nach V e r k ü n d u n g der V e r o r d n u n g bekanntgegeben 3 5 . Ein Vergleich dieser Liste mit dem Mitgliederverzeichnis von Ende 1932" zeigt, daß ein Großteil der ursprünglichen Mitglieder dem R W R bis 1933 angehörte, so ζ. B. folgende Mitglieder des aktienrechtlichen Arbeitsausschusses: Otto Gennes, Hans Kraemer, Georg Friedrich Baltrusch, Conrad Bruns, Otto Schweitzer, Fritz T a r n o w , M a x Fürstenberg, Benno Marx, Friedrich Wussow, Josef Humar, Gottfried Haekel, Wilhelm Rusch und M a x Cohen. A n die Vorschläge der benennungsberechtigten Verbände' 7 w a r das Reichswirtschaftsministerium gebunden. Nach Art. 5 der V e r o r d n u n g waren die Mitglieder „Ver54 1s
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Hierzu S c h ä f f e r , a.a.O., S. 1 8 f . Wiedergegeben bei S c h ä f f e r , a.a.O., S. 186 ff. mit Hinweis auf die benennende Stelle und die Berufe der Mitglieder. Vgl. Der Vorl. R W R , a.a.O. (Fn. 1), S. 299 ff. - V o n den Mitgliedern des aktienrechtlichen A r beitsausschusses w a r Kraemer Vorsitzender des wirtschaftspolitischen und des Außenhandelskontrollausschusses, August Müller Vorsitzender des Unterausschusses für Landwirtschaft und Ernährung sowie f ü r Siedlungs- und Wohnungswesen und für Handelsfragen, Max Cohen V o r sitzender des finanzpolitischen und W u s s o w des Verkehrsausschusses. Da diese über 9 0 % der Mitglieder zu stellen hatten, kann man mit Huber, a.a.O. ( F n . l ) , den R W R auch als „Organ der Verbände-Demokratie" bezeichnen.
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Der vorläufige Reichswirtschaftsrat
treter der wirtschaftlichen Interessen des ganzen Volkes" und „nur ihrem Gewissen unterworfen" sowie an „Aufträge nicht gebunden". Sie genossen wie die Parlamentarier Immunität (vgl. Art. 5 Abs. 2). Nach Art. 7 bestand der R W R aus einem Vorstand, der einen Vorsitzenden zu wählen hatte. Im Vorstand mußten Arbeitgeber, Arbeitnehmer und die Angehörigen der Gruppen VII - X zu je einem Drittel vertreten sein. Neben der Vollversammlung war die Bildung von Ausschüssen mit nicht mehr als 30 Mitgliedern vorgesehen. Die Arbeitnehmervertreter der Gruppen I - VI mußten an den Ausschüssen für Sozialpolitik und Wirtschaftspolitik „gleich stark wie die Arbeitgebervertreter" beteiligt sein (Art. 11 Abs. 4). Die Hauptaufgabe des R W R war in Art. 11 dahin umschrieben: „Sozialpolitische und wirtschaftspolitische Gesetzentwürfe von grundlegender Bedeutung sollen von der Reichsregierung vor ihrer Einbringung dem Reichswirtschaftsrat zur Begutachtung vorgelegt werden. Er hat das Recht, solche Gesetzesvorlagen zu beantragen." Die innere Ordnung des R W R sowie die Sitzungen des Plenums und der Ausschüsse richteten sich nach der „Geschäftsordnung" von 1921 /2738. Hauptarbeitsorgan des R W R waren die Ausschüsse, Unterausschüsse und Arbeitsausschüsse. Da deren Zahl innerhalb dreier Jahre 1923 existierten 53 Ausschüsse - die Effektivität der Arbeiten des R W R gefährdete, reduzierte man die Zahl der Ausschüsse auf II 3 '. Die Vollversammlung ist im ganzen nur 58mal zusammengetreten"' und wurde seit Ende Juni 1923 nicht mehr einberufen. Der organisatorische Schwerpunkt der Arbeiten verlagerte sich in der Folgezeit immer mehr in die drei Abteilungen 41 , nämlich die Gruppe der Arbeitgebervertreter, der Arbeitnehmervertreter und der Mitglieder der Gruppen VII - X. Innerhalb dieser Abteilungen und zwischen ihnen und nicht innerhalb der zehn im Gesetz von 1920 vorgesehenen Gruppen fand im wesentlichen der Ausgleich der unterschiedlichen Interessen statt. Im einzelnen bildete sich bei sehr großzügiger Handhabung der Geschäftsordnung folgendes Verfahren heraus: Die zu begutachtenden Vorlagen der Reichsregierung wurden vom Vorstand oder dessen Vorsitzenden dem zuständigen Ausschuß überwiesen. Die Ausschüsse berieten die Vorlagen entweder selbst oder bildeten einen Unter- oder Arbeitsausschuß mit meist 15 Mitgliedern, in denen die drei Abteilungen gleichmäßig vertreten waren. Die Mitglieder der Arbeitsausschüsse wurden von den Vorsitzenden der drei Abteilungen benannt. Auf diese Weise wurde Mitte 1932 auch der aktienrechtliche Arbeitsausschuß gebildet. Vorsitzender des wirtschaftspolitischen Ausschusses, dem die Vorlage zu einem Aktiengesetz vom Vorstand überwiesen worden war, war Hans Kraemer, stellvertretende Vorsitzende waren August Müller und Fritz Tarnow, die sämtlich auch Mitglieder des aktienrechtlichen Arbeitsausschusses waren. Nach den Plänen des Reichswirtschaftsministeriums sollte der Vorläufige R W R zu einer festen Institution ausgebaut werden. Das Ministerium stellte bis zum Herbst 1926
39 411 41
Wiedergegeben in der Hassung von 1927, in: Der Vorl. R W R , a.a.O. (Fn. 1), S. 269 ff. Vgl. Hauschild, a.a.O. (Fn. 1), S. 3ff. Die Wortprotokolle liegen gedruckt vor (vgl. unten S. 22). Vgl. hierzu Hausebild, a.a.O. (Fn. 1), S.3.
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nach langwierigen Verhandlungen mit den beteiligten Interessengruppen den „ E n t w u r f eines Gesetzes über den Reichswirtschaftsrat" und den E n t w u r f eines Ausführungsgesetzes hierzu fertig 42 und legte beide am 19.11. 1926 dem Vorl. RWR zur Begutachtung vor. Die Beratungen im Verfassungsausschuß und in einem eigens dazu gebildeten Unterausschuß waren bereits am 11.2.1927 abgeschlossen 41 . Die Regierung brachte sodann die E n t w ü r f e , die nach den Vorschlägen des RWR leicht abgeändert worden waren, im Sommer 1927 im Reichsrat ein, der sie am 22.9. 1927 verabschiedete 44 . Am 12.11. 1927 gelangten die E n t w ü r f e an den Reichstag 4 ', der sie am 24.11. 1927 nach kurzer Debatte den zuständigen Ausschüssen überwies 46 . Am 14.7. 1928 wurden die E n t w ü r f e dem im Mai 1928 neu gewählten Reichstag erneut d u r c h den damaligen Reichswirtschaftsminister Curtius übermittelt' 1 ". Sie sahen von einer grundlegenden Reform des bisherigen Vorl. R W R ab. § 1 des E n t w u r f s umschrieb die Aufgaben des RWR wie folgt: „Nach Maßgabe dieses Gesetzes und des Gesetzes zur A u s f ü h r u n g des Gesetzes über den Reichswirtschaftsrat begutachtet der Reichswirtschaftsrat wirtschaftspolitische und sozialpolitische Gesetzentwürfe, regt wirtschaftspolitische u n d sozialpolitische Maßnahmen an und n i m m t auf Verlangen oder mit Zustim m u n g d e r Reichsregierung wirtschaftliche und soziale Erhebungen vor. Die Reichsregierung kann den Reichswirtschaftsrat um die Erstattung von Gutachten zu wirtschaftspolitischen und sozialpolitischen Maßnahmen ersuchen." Nach §3 A b s . 3 sollte die Regierung die Gutachten des RWR dem Reichsrat und dem Reichstag zusammen mit den Gesetzentwürfen vorlegen. Im übrigen sollte der R W R das Recht haben, „wirtschaftspolitische und sozialpolitische Vorlagen von grundlegender Bedeutung zu bean tragen o d e r entsprechende Maßnahmen anzuregen" (§4) . Stimmte die Reichsregierung einer Gesetzesvorlage nicht zu, sollte sie trotzdem „die Vorlage unter Darlegung ihres 43
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Die Entstehungsgeschichte dieses E n t w u r f s ist bislang noch nicht näher dargestellt w o r d e n . H a u p t s t r e i t p u n k t d ü r f t e die zahlenmäßige G e w i c h t u n g der Verbandsvertrctungcn gewesen sein. Als unlösbar erwies sich das Problem der Schaffung von Bezirkswirtschaftsräten u n d von Arbeiterräten. Umstritten war zwischen den G e w e r k s c h a f t e n sowie der Industrie u n d dem Handel ferner, inwieweit die Industrie- und Handelskammern zu paritätisch besetzten Bezirkswirtschaftsräten auszubauen waren. Mit d e r Organisation des künftigen R W R hat sich zunächst der Verfassungsausschuß des Vorl. R W R 1920/23 befaßt (vgl. dessen gedruckte Protokolle, Bd.I VIII). Am 28.8. 1925 hatte das Reichswirtschaftsministerium d e m Vorl. R W R die Referentenentwürfe übermittelt, die vom Unterausschuß des Verfassungsausschusses des Vorl. R W R von O k t . 1925 bis Jan. 1926 beraten w u r d e n (vgl. hierzu Hauschild, a.a.O., S.495ff.). Eine D a r s t e l l u n g dieser V e r h a n d l u n g e n fehlt (vgl. in diesem Z u s a m m e n h a n g auch die u m f a n g reiche Zeitungs- und Zeitschriftenliteratur der Jahre 1926/27, nachgewiesen in: Der Vorl. R W R , a.a.O. [Fn. 1], S. 325 ff.); vgl. auch L. Heydt, FS f ü r M. Pappenheim, 1931, S. 484ff., 4 8 8 f f Vgl. Niederschriften über die Vollversammlungen des Reichsrats, Jg. 1927, S. 174 f., 295. V e r h a n d l u n g e n des R T 1924- 28, Bd.419 (Drucksache Nr.3706). ' V e r h a n d l u n g e n des R T 1924 28, Bd.394, S.11726ff. Z u erwähnen ist in diesem Z u s a m m e n hang lediglich die scharf ablehnende Haltung der K P D , die den R W R als „ H e r r e n h a u s der WOrtschaft" bezeichnete (S. 11731). Drucksache N r . 3 4 8 der Reichstagssession 1928 -30 (Bd.430 der Verh.). Die E n t w ü r f e sind auch in: Der Vorl. R W R , a.a.O. (Fn. 1), S . 2 7 6 f f „ wiedergegeben.
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Standpunkts gemäß Artikel 69 der Reichsverfassung" beim Reichstag einbringen. Reichsregierung sowie Reichstag, Reichsrat und deren Ausschüsse sollten verlangen können, „daß Vollversammlung oder Ausschüsse des Reichswirtschaftsrats ihre Gutachten v o r dem Reichstag, dem Reichsrat oder ihren Ausschüssen durch Beauftragte mündlich erläutern lassen"(§3 Abs. 4 des Entwurfs). Sollten Erhebungen vorgenommen werden, so bestellte „der Vorstand des Reichswirtschaftsrats auf Verlangen oder mit Zustimmung der Reichsregierung einen Ermittlungsausschuß" 4 8 . Der Ausschuß sollte jeweils nur für die Untersuchung eines bestimmten Gebiets bestellt werden und war auf die Untersuchung von Fragen der Gesamtwirtschaft oder eines einzelnen Wirtschaftszweiges beschränkt. Kernpunkt der Vorschläge der Reichsregierung war die Verringerung der Mitgliederzahl auf 151, wobei die Verteilung der Mitglieder auf drei Abteilungen, wie sie sich nach 1920 faktisch herausgebildet hatte, sanktioniert werden sollte. Nach §2 Abs. 3 des G e setzentwurfs konnten „für einzelne Sitzungen oder Verhandlungsgegenstände nichtständige stimmberechtigte Mitglieder" einberufen werden. Als Organe des R W R waren vorgesehen: der Vorstand (15 ständige Mitglieder), ein halbjährlich wechselnder geschäftsführender Präsident 49 , die Abteilungen 50 , die Ausschüsse und die Vollversammlung. D i e Abteilungen hatten insbesondere die Aufgabe, die ständigen Mitglieder der Ausschüsse zu wählen (vgl. §24 des Ausführungsgesetzentwurfs). Hauptausschüsse waren vorgesehen für Wirtschaftspolitik, Sozialpolitik und Finanzpolitik. Sie sollten die Möglichkeit haben, mit Zustimmung des Vorstandes Sonderausschüsse einzusetzen. Die Ausschüsse hatten die Vorlagen der Reichsregierung zu erledigen und zum Abschluß der Beratungen ein Gutachten vorzulegen: „Die Gutachten der Haupt- und Sonderausschüsse sollen in ihren Ergebnissen durch förmlichen Beschluß festgelegt und mit einen erläuternden Bericht versehen werden. In dem Bericht ist anzugeben, welche Mehrheit den Beschluß gefaßt hat, wie diese Mehrheit sich auf die Angehörigen der verschiedenen Abteilungen und Gruppen im Ausschuß verteilt, welche Mitglieder an der endgültigen Feststellung des Gutachtens teilgenommen haben und welche Gründe für den Beschluß maßgebend gewesen sind. In geeigneten Fällen ist auf die abweichende Meinung und die dafür angeführten Gründe hinzuweisen. - Ausschußmitglieder, die dem Gutachten nicht zugestimmt haben, können getrennt oder gemeinschaftlich ihre abweichende Meinung in einer besonderen Äußerung niederlegen, die dem Bericht des Haupt- und Sonderausschusses beizufügen ist. - Auf Verlangen der Reichsregierung oder eines Viertels der anwesenden Ausschußmitglieder ist namentlich abzustimmen und im Bericht anzugeben, in welchem Sinne die an der Abstimmung beteiligten Mitglieder gestimmt haben" (§34 des Ausführungsgesetzentwurfs).
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V g l . § 3 6 des Ausführungsgesetzentwurfs. Die Befugnis, eine Enquete durchzuführen, ist von der Wirtschaft sehr scharf kritisiert worden.
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Nach § 2 2 sollte der Vorstand je einen Präsidenten aus den drei Abteilungen wählen, von denen jeweils einer die Geschäfte zu führen hatte. Die Abteilungen I und I I I sollten insgesamt in 14 Gruppen eingeteilt werden.
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In der 1. Lesung im Reichstag am 27.11. 192831 begrüßte vor allem die SPD die Vorlagen: „Für uns" , so Tornow'2, „handelt es sich nicht nur um die formale Erfüllung eines Artikels der Reichsverfassung; sondern wir halten aus sachlichen Gründen eine Institution wie den Reichswirtschaftsrat für zweckmäßig und notwendig. Die Notwendigkeit ergibt sich aus der Gestaltung unserer gesamten wirtschaftlichen Verhältnisse, andererseits als Konsequenz unserer demokratischen Staatsverfassung und der Demokratisierung unseres öffentlichen Lebens. Man würde der Frage des Reichswirtschaftsrats nicht gerecht, wenn man sie nur vom engen Gesichtswinkel der Tagesbegebenheiten betrachten wollte; man muß sie im Zusammenhange mit der ganzen ökonomisch-gesellschaftlichen Entwicklung würdigen, der Entwicklung, die wir jetzt durchlaufen und die unser gesellschaftliches und ökonomisches Leben zu ganz bestimmten Konsequenzen zwingt." Es entspreche einem „Gebote der staatspolitischen Klugheit", daß man „bei der politischen Lösung wirtschaftlicher Aufgaben die Träger der Wirtschaft selbst zur verantwortlichen Mitarbeit mitheranzieht. Es gehört aber weiter zu den Notwendigkeiten des demokratischen Staates, daß diese Mitheran^iehung der Wirtschaftskreise nicht auf privilegierte Schichten der Wirtschaft beschränkt bleibt." Gleichzeitig wies Tarnow alle Bestrebungen zurück, aus dem R W R ein zweites Parlament mit gesetzgebender Befugnis zu machen. Ähnlich positiv wie die SPD sprachen sich das Zentrum und die DDP aus 5 ', während die Rechtsparteien den Ausbau des R W R zu einem Parlament der schaffenden Stände forderten' 4 , ohne dazu allerdings bereits detaillierte Vorschläge zu unterbreiten. Für die KPD handelte es sich bei der Vorlage um ein „Bürgerblockgesetz" 55 ; der R W R sei lediglich ein „Mittel zur Verhüllung der kapitalistischen Ausbeutungsprozesse in der heutigen Wirtschaftsordnung", und die sozialdemokratischen Minister seien nur noch als „Ausführungswerkzeuge des Bürgerblocks" zu betrachten. Der Reichstag überwies die Entwürfe noch am 27.11. 1928 dem 8. Ausschuß zur Vorberatung, die mit einer zweiten Lesung am 27.5. 1 9 3 0 abgeschlossen war 36 . Zu den Beschlüssen der 1. Lesung nahm auch der Unterausschuß des Verfassungsausschusses des Vorläufigen Reichswirtschaftsrats Stellung 57 . Wichtige Änderungen betrafen insbesondere die Zusammensetzung. Der R W R sollte aus 1 5 0 Mitgliedern bestehen, wobei insbesondere die Zahl der von der Reichsregierung zu ernennenden Mitglieder von 12 auf 6 reduziert wurde. Neu war die in §4 Abs. 4 eingefügte Regelung, wonach auch der Vorstand des R W R das Recht hatte zu beantragen, Beauftragte des R W R in den Reichsrat oder in den Reichstag zu entsenden.
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Zum folgenden vgl. Verh. des RT 1 9 2 8 - 3 0 , Bd.423, S.488ff. Tarnow, a.a.O. (Fn.51), S.488. Vgl. Verh. des RT 1 9 2 8 - 3 0 , a.a.O. (Fn.51), S.495ff. (Hermes), S.501f. (Meyer). Vgl. die Reden von Hergt für die DNVP, von Beythien für die DVP und von Hepp für die christl. Bauernpartei (Verh. RT, a.a.O., S.499ff.). Verh. des RT, a.a.O., S.498; hieraus auch das folgende Zitat. Ausschußbericht in der Drucksache Nr. 2163 des Reichstags 1 9 2 8 - 3 0 (Bd. 443 der Verh.). Diese Stellungnahme ist als Anhang zum Ausschußbericht wiedergegeben (vgl. Fn. 56).
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Das Gesetz, das in 2. L e s u n g am 4. und 1 4 . 7 . 1 9 3 0 in 3. Lesung behandelt wurde'", erreichte in der S c h l u ß a b s t i m m u n g nicht die für verfassungsändernde Gesetze n o t w e n d i g e Zweidrittelmehrheit. D i e K P D lehnte den R W R ab, weil dieser ihrer M e i n u n g nach auf dem G e d a n k e n der Arbeitsgemeinschaft beruhte und insoweit eine Kapitulation der Arbeiterschaft v o r dem kapitalistischen Staat bedeutete. D i e Rechtsparteien wiesen die V o r l a g e zurück, teils weil die ihnen nahestehenden Interessengruppen keine hinreichende V e r t r e t u n g gefunden hatten, teils - so v o r allem die D N V P und die N S D A P - der R W R nicht zu einer berufsständischen 2. K a m m e r mit gesetzgeberischen Befugnissen ausgebaut worden war. Über die Arbeiten des Vorläufigen R W R unterrichten die „Mitteilungen des Vorläufigen Reichswirtschaftsrats", die in 13 J a h r g ä n g e n in unregelmäßigen Abständen erschienen sind. Ferner hat das B ü r o des Vorl. R W R über dessen Tätigkeit in zwei umfangreichen Darstellungen von 1926 und 1933 berichtet 5 '. Beide W e r k e weisen die umfangreiche zeitgenössische Literatur zum R W R , der insbesondere auch im Ausland stark beachtet worden ist, nach, und zwar auch die sonst sehr schwer auffindbaren Stellungnahmen in der Presse. Das W e r k von 1933 enthält ein vollständiges Mitgliederverzeichnis, das im übrigen auch in den „Handbüchern für das Deutsche R e i c h " enthalten ist. Weiter ist auf die „Stenographischen Berichte über die Verhandlungen des Vorläufigen Reichs wirtschaftsrats" ( 1 9 2 0 - 23)™' und auf die n u r zum Teil gedruckten fortlaufend numerierten Berichte des Vorläufigen Reichswirtschaftsrats oder seiner Ausschüsse zu den einzelnen V o r l a g e n der Reichsregierungen hinzuweisen. Endlich existieren über die Verhandlungen v o r allem in den Ausschüssen umfangreiche W o r t p r o t o k o l l e -- diejenigen des aktienrechtlichen Arbeitsausschusses sind Gegenstand der vorliegenden Edition und zusätzlich n o c h K u r z p r o t o k o l l e der Schriftführer, die den äußeren Verlauf der Sitzungen und die Anwesenheitslisten enthalten. D i e gedruckten Berichte 6 1 sind in mehreren B i b l i o t h e k e n und A r c h i v e n oft in V e r b i n d u n g mit den jeweiligen Sachakten zugänglich. D e r Gesamtbestand des Vorl. R W R
befindet sich im Zentralen
Staatsarchiv-
Potsdam. E s ist im R a h m e n dieser Einleitung nicht m ö g l i c h , die Arbeiten des R W R auch nur annähernd vollständig zu beschreiben und zu würdigen 6 2 . D e r Schwerpunkt seiner T ä t i g keit lag in der B e g u t a c h t u n g finanz-, wirtschafts- und sozialpolitischer V o r l a g e n v o n allerdings meist nur kurzfristiger Bedeutung. D e r „ E n t w u r f eines Gesetzes über Aktiengesellschaften und Kommanditgesellschaften auf A k t i e n " von 1931 dürfte eine der wich-
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Vgl. Vcrh. des R T 1 9 2 8 - 3 0 , Bd.428, S . 6 1 5 8 f f . , 6 3 5 7 f .
Vgl. oben Fn. 1
Hier sind enthalten u.a. dieaufschluiireichen Verhandlungen iiberdie Arbeitszeitgesetzgebung, die mictrechtlicHen Gesetze der Weimarer Zeit und über die Betriebsratsmitgliedcr im Aufsichtsrat. Hin Teil der Gutachten des Vorl R\X'R ist auch in den Reichstagsdrucksachen (Vorlagen der Reichsregicrung) enthalten. Überblick, leider ohne Nachweis der Quellen, in den in Fn. 1 genannten Werken; vgl. ferner Hausebild, in: I H G , B d . 2 , S. 1319ff.
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tigsten V o r l a g e n gewesen sein, die er zu begutachten hatte. Trotz seiner umfangreichen Aktivitäten hat der R W R die ihm zugedachte verfassungspolitische Position nicht zu erringen vermocht. Zurückzuführen ist dies mit Huber in erster Linie auf die „innere Widersprüchlichkeit seiner Funktion"": „Als eine Vertretung rivalisierender Interessen war er auf den agonalen Austrag von Konflikten, als Sachverständigen-Organ auf neutrale K o n f l i k t b e w ä l t i g u n g eingestellt." Diese „Antinomie von Interessenvertretung und interessenfreiem Sachurteil" sei zumindest in den Plenarverhandlungen nicht lösbar gewesen. Durch die V e r l a g e r u n g der Wirksamkeit in die Ausschüsse sei der R W R dann aus dem „Bewußtsein der Nation" geschwunden; „indem er gleichsam nichtexistent wurde, verlor er seine Aktionskraft", w a s sich vor allem darin zeigte, daß weder der Vorstand des R W R noch dessen Präsident nach außen hin in Erscheinung trat. Hinzu kam, daß Initiativen des R W R nicht gern gesehen w u r d e n und bei Regierung und Reichstag zunächst nicht sehr beliebt waren": „Für die Ministerien bedeutete die N o t w e n d i g k e i t , ihre Vorlagen nicht nur vor dem Reichsrat und dem Reichstag, sondern auch vor dem Reichswirtschaftsrat zu begründen und zu verteidigen, eine empfindliche Mehrbelastung und eine V e r z ö g e r u n g der Gesetzgebungsarbeit. Für das Parlament brachte der Reichswirtschaftsrat keine wesentliche Erleichterung oder gar Befruchtung der Arbeit. Der Reichswirtschaftsrat nutzte die ihm durch das Gesetz und neben dem Gesetz gewährten M ö g lichkeiten zur Beeinflussung der gesetzgeberischen Arbeit nur in geringem U m f a n g e aus und m u ß t e doch sehr bald eine Empfindlichkeit des Reichstags gegen die neue .Konkurrenz' spüren." Für die im R W R vertretenen Organisationen w a r dieser eine gute Gelegenheit „zu einer gründlichen und meist recht kontroversen Aussprache sowohl mit ihren Gegenspielern in der Wirtschaft, als auch mit den Vertretern der Ministerien, eine Gelegenheit, die außerhalb eines gesetzlich fundierten Gremiums vielleicht nicht so leicht vorhanden gewesen wäre'"". Die Ergebnisse lagen allerdings „mehr in der Intensivierung der Arbeit und A u s w e i t u n g der Erkenntnisse als in dem Zustandekommen klarer und für den Gesetzgeber verwertbarer Entschließungen", wobei die Reichsregierung den R W R manchmal als „Rückhalt" g e g e n ü b e r dem Reichstag benutzte, oft g e n u g aber auch in den Widerstreit der im R W R selbst offenbar gewordenen Interessengegensätze hineingezogen wurde. Zahlreiche Mitglieder des Vorl. R W R , darunter auch diejenigen des aktienrechtlichen Arbeitsausschusses", haben sich wiederholt zur Bedeutung dieser Institution geäußert. Nach August Müller w a r es diesem „Wirtschaftsparlament" nicht gelungen' 7 , „die politische Anschauung durch die wirtschaftliche Objektivität zu verdrängen". Dies lag nach ω 64
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Huber, a.a.O. (Fn. 1), S.402; hieraus auch die folgenden Zitate. Deutscher Industrie- und Handelstag (Hrsg.), Die Verantwortung des Unternehmers in der Selbstverwaltung, hrsg. aus Anlaß der 100-Jahr-Feier des DIHT, 1961, S. 88 ff. DIHT, a.a.O. (Fn. 64), S. 88 f. Diese Äußerungen sind fast vollständig zusammengestellt in: Hauschild, a.a.O. (Fn. 1), S. 646 ff., und in: Der Vorl. R W R , a.a.O. (Fn. 1), S . 3 2 5 f f . (Aufsätze und Artikel von Cohen, Müller, Kraemer, Baltrusch, Härtung, Grund, Bästlein, Hachenburg und Otto Schweitzer). August Müller, in: Die neue Zeit 1921 (39. Jg.), Bd. 2, S. 121 ff., 1 5 0 f f . , Zitat S. 125.
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Der vorläufige Reichswirtschaftsrat
Müller vornehmlich daran, daß das Verhältnis des RWR zur Regierung, den einzelnen Ministerien und zum politischen Parlament nicht näher geregelt war. Nach Müller mußte zwar dem Parlament die politische Entscheidung der grundlegenden Fragen der Wirtschaft verbleiben, der RWR aber sollte vermehrt zum Erlaß von Ausführungsverordnungen herangezogen werden6*. - Hachenburg hat in seinen Lebenserinnerungen ausführlich seine Tätigkeit im Vorl. RWR bis 1927 beschrieben69 und dabei besonders hervorgehoben™, daß der RWR die Möglichkeit politischer Arbeit ohne Parteizugehörigkeit und ohne Parteizwang geschaffen habe. Obwohl sich die Arbeitgeber- und die Arbeitnehmergruppe oft sehr schroff gegenübergestanden hätten, sei es durch die Vermittlung insbesondere von Mitgliedern der 3. Abteilung fast immer zu Kompromißvorschlägen gekommen, die für alle Abteilungen akzeptabel gewesen seien. Zwei Dinge habe der RWR als Vorzüge aufgewiesen 71 , nämlich die rein sachlichen Verhandlungen in den Ausschüssen und die Tatsache, daß Arbeiter und Arbeitgeber „friedlich" zusammengesessen hätten: „Sie hatten hier eine Stätte des gemeinschaftlichen Überlegens. Man lernte sich menschlich verstehen. Man erkannte auch, daß in einer Reihe von Fällen jede Seite der andern entgegenkommen mußte, wenn man Politik auf weite Sicht betreiben wollte. Selten, daß scharfe Worte fielen. Persönliche Angriffe wohl nie...". - Frit^ Tarnow erinnerte 1951 in den „Gewerkschaftlichen Monatsheften" an den Reichswirtschaftsrat, dessen Sinn er dahin umschrieb72: „Im Zuge der demokratischen Umgestaltung sollte den von solchen Gesetzen am unmittelbarsten betroffenen Kreisen der Wirtschaft ein Mitberatungsrecht gegeben, die Arbeitnehmer sollten dabei als gleichberechtigter Faktor der Wirtschaft anerkannt und den für die Gesetzgebung letzthin entscheidenden Instanzen sachverständige Hilfe geleistet werden." Nach mehreren Jahren des Mißtrauens seitens der Ministerialbürokratie hätte sich diese daran gewöhnt 73 , „nicht, wie es vorgesehen war, den fertigen und vom Kabinett schon verabschiedeten Entwurf vorzulegen", sondern schon mit der „ersten rohen Skizze in den RWR zu kommen, um sich in der Beratung mit dem zuständigen Ausschuß ein umfassenderes Gesamtbild über die Tatsachen und Meinungen zu verschaffen, als es ihnen durch die Anhörung einzelner Experten
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Müller, a.a.O., S. 151 ff. Auch später hat Müller wiederholt zum Vorl. R W R und zu dessen Reform Stellung genommen, so z.B. im Hamburger Fremdenblatt v o m 2 9 . 1 1 . 1927, S. 1 f., w o er darauf hinwies, daß der R W R zu einer sachlicheren, „legitimeren Beeinflussung der Politik durch die Wirtschaft" führen könnte. - In der Deutschen Wirtschafts-Zeitung, 1925, S. 1 2 1 8 hatte sich Müller bereits mit Fragen der Reform des R W R befaßt: Dieser sollte sich dem politischen Parlament unterordnen und es nicht nachahmen. Er sollte möglichst darauf bedacht sein, möglichst wenig auf die Öffentlichkeit und in ihr zu wirken. Hachenburg, Lebenserinnerungen eines Rechtsanwalts und Briefe aus der Emigration, hrsg. von J ö r g Schadt, Stuttgart 1978, S. 184ff.; vgl. auch Hachenburg, D J Z 1925, Sp. 1 6 9 3 f f . Hachenburg, a.a.O., S. 186. Hachenburg, a.a.O., S. 205. Tarnow, Gewerkschaftliche Monatshefte 1951, S. 556. Tarnow, a.a.O., S. 567.
Die Projekte zur Reform des Aktienrechts
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möglich gewesen wäre", ein Verfahren, das auch beim Aktiengesetzentwurf angewandt worden war 74 . Der Vorläufige Reichswirtschaftsrat wurde durch ein Gesetz v o m 5 . 4 . 1 9 3 3 grundlegend u m g e s t a l t e t i n d e m es das Präsentationsrecht der Verbände beseitigte. Fortan sollte es nur noch v o n der Regierung ernannte Mitglieder geben. Durch Gesetz v o m 1 3 . 3 . 1934 wurde dann der V o r l . R W R , der seit der Machtübernahme durch die Nationalsozialisten nicht mehr zusammengetreten war, endgültig aufgelöst 7 '.
II. D i e P r o j e k t e d e r W e i m a r e r R e p u b l i k z u r R e f o r m d e s A k t i e n r e c h t s 7 7 Nach Fritz Naphtali, einem der Mitglieder des aktienrechtlichen Ausschusses des R W R , hatte keine Thematik des K ö l n e r Deutschen Juristentages v o n 1 9 2 6 eine so „leidenschaftliche Teilnahme" hervorgerufen, wie die Diskussion über die Aktienrechtsreform™: „Es ist eine Erscheinung, die man bedauern kann, die aber nicht fortzuleugnen ist, daß die Anteilnahme weiter Kreise an den Fragen des Rechts dann am lebhaftesten ist, wenn sie im Zusammenhang stehen mit dem Kampf um wirtschaftliche Macht. Darüber aber kann kein Zweifel herrschen, daß es sich bei dem K a m p f für und wider die Reform des Aktienrechtes vielmehr um den A n g r i f f auf eine wirtschaftliche Machtposition bestimmter Gruppen handelt, als um einen K a m p f um hohe sittliche Rechtsgüter." Die Inflation hatte mit der Schaffung v o n Mehrstimmrechts- und Vorratsaktien zu einer Stärkung der Verwaltung oder bestimmter Aktionärsgruppen geführt. Gegen diese EntVgl. auch Tarnow, Gewerkschafts-Zeitung, 1930, S.484ff.: „Warum der R W R nicht endgültig werden konnte. Ein Beitrag zur Psychologie der ,Interessentenhaufen'." * RGBl. 1 1933, S. 165; hierzu Heyde, Soziale Praxis 1933, Sp.481 ff., mit positiver Würdigung der Arbeiten des RWR). ' RGBl. II 1934, S. 115. Vgl. hierzu auch die kurze amtliche Begründung im Reichsanzeiger vom 26.3. 1934 (Nr. 72, S.4). Zur Diskussion zwischen 1949 und 1953, einen Bundeswirtschaftsrat einzuführen, vgl. R . G e b e r t h , aaO. ( F n . l ) , S.2f., 158ff.; Krüger, in: DÖV 1952, S.545ff.; Forsth o f f , DÖV 1952, S.714ff., Bukow, in: Mitteilungen des wirtschaftswissenschaftlichen Instituts der Gewerkschaften, 1951, S . l f f . Schwarzkopf (bis 1923 Bürovorsteher des Vorl. RWR), in DÖV 1951, S. 559 ff.; ferner die Beiträge von Strauss, Lütge und Forsthoff, in: Ratgeber von Parlament und Regierung, 1951, und den Gesetzentwurf der SPD-Fraktion vom 25.5. 1950 (Bundestagsdrucksache Nr. 1229), der mit einem Entwurf des Deutschen Gewerkschaftsbundes weitgehend übereinstimmt. Bine zusammenfassende Darstellung der Diskussion über die Aktienrechtsreform in der Weimarer Republik fehlt. Am ausführlichsten ist immer noch Friedrich Klausing, Reform des Aktienrechts, 1933, S. 17ff.; vgl. ferner M . H a c h e n b u r g , in: Einleitung zu Düringer/Hachenburg, Kommentar zum HGB, 3. Aufl. 1932—34, Bd.3, S.3ff. — Zusammenstellung der Literatur u.a. bei F.Schlegelberger u.a., Jahrbuch des Deutschen Rechts, J g . 1926-1933; W . L u d e w i g , Hauptprobleme der Reform des Aktienrechts, 1929, S. 176ff. Nach Abschluß des Manuskripts ist erschienen K. W. Nörr, Zur Entwicklung des Aktien- und Konzernrechts während der Weimarer Republik, ZHR Bd. 150 (1986), S.155ff.; vgl. auch Kuno Barth, Die Entwicklung des deutschen Bilanzrechts, Bd. 1, 1953, S. 14ff., 83ff., 225ff. 7" Naphtali im „Vorwärts" vom 22.9.1926, Beilage (Hervorhebungen von Naphtali); hieraus auch die folgenden Zitate. 4
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Der vorläufige Reichswirtschaftsrat
wicklung wandten sich vor allem die 1925 gegründete „Vereinigung für Aktienrecht" und die in der Weimarer Zeit äußerst einflußreiche, sehr qualifizierte Handelspresse, die sich für einen Ausbau der Rechte der Generalversammlung und des Einzelaktionärs einsetzte. Die Anhänger der „Aktiendemokratie" kämpften, wie Naphtali klarstellte, „nicht etwa für eine wirklich demokratische Form der Unternehmungen", deren „erste Voraussetzung" das „gleiche Mitbestimmungsrecht aller in den Unternehmungen Arbeitenden wäre, oder bei denen auch nur die an den Unternehmungen mit Kapital beteiligten Menschen mit je einer Stimme pro Kopfüber das Schicksal entscheiden sollten, wie es etwa bei den Genossenschaften, die stets Personengesellschaften sind, der Fall ist, sondern sie verstehen unter Demokratie die Anerkennung des gleichen Rechtes für je 1000Mk. Kapitalanteil. Daß der Besitzer von lOOOOOMk. Aktien hundertmal soviel Einfluß haben soll wie der Besitzer von 1000 M k . Aktien gehört zu den selbstverständlichen Voraussetzungen der Verfechter der sogenannten Aktiendemokratie". 1. Die
Reformrichtungen
Das Programm zur Wiederherstellung der Demokratie der Aktionäre als der maßgeblichen Aktieneigentümer hat Erich Welter in der Frankfurter Zeitung 1929 dahin formuliert79: „Die Reform des Aktienrechts muß die drei Grundrechte des Aktionärs dem Buchstaben oder Sinn des Handelsgesetzbuchs entsprechend wiederherstellen: das Grundrecht auf Mitbestimmung, auf Information und auf Erhaltung des ungeschmälerten Anteils am Vermögen und Ertrag." Das Recht auf Mitbestimmung sollte durch Beseitigung aller Herrschaftsaktien jedweder Gestalt (Mehrstimmrechtsaktien, einstimmige Aktien mit geringerem Nennbetrag, Vorratsaktien und Schutzstammaktien) sichergestellt werden"". Die Banken sollten das Stimmrecht für Depotaktien nur aufgrund einer schriftlichen, für den Einzelfall einzuholenden Ermächtigung ausüben dürfen. Einer Generalklausel stand man sehr skeptisch gegenüber. Eine Treuepflicht des einzelnen Aktionärs wollte man nur gegenüber den Mitgesellschaftern anerkennen. Das Recht auf Information sollte dadurch gesichert werden, daß jedem Einzelaktionär ein Recht auf Auskunft zustehen sollte. Für die „Aktualität und Vollständigkeit"" der Bilanz und des Geschäftsberichts sollten gesetzliche Mindesterfordernisse festgelegt werden, wobei die Umwandlung der stillen Reserven in offene anzustreben war. Eine zweite Reformrichtung, die auf Rathenaus Schrift von 191782 zurückgeht, verlangte, die überkommenen Grundsätze privatrechtlicher Verfügungsgewalt der Aktionäre zu durchbrechen und den Schutz des Unternehmens im Interesse der Gesamtwirt-
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E. Welter, Erneuerung des Aktienrechts, Ein Appell und ein Programm (Sonderabdruck aus der Frankfurter Zeitung), 1929, S.68. Nach Welter, a.a.O., S. 68, sollten Mehrstimmrechte, wenn überhaupt, nur bei Vorliegen eines gesamtwirtschaftlichen Interesses zulässig sein. Welter, a.a.O., S. 69. Rathenau, Vom Aktienwesen, 1917, S. 38 f.
Die Projekte zur Reform des Aktienrechts
27
schaft zu gewährleisten. Autoren wie Netter, Geiler, L u d e w i g und Planitz" bauten die Lehre v o m „Unternehmen an sich" aus oder forderten zumindest eine gewisse Verselbständigung der Gesellschaft. Gegenüber der „Eigenwertigkeit und dem Eigeninteresse"*4 des Unternehmens sollten die Rechte der Aktionäre zurückstehen, deren Schutz mehr indirekt in der „Pflege und dem Gedeihen"* 5 des Unternehmens gesehen wurde. Eine dritte Reformrichtung, deren wichtigste Vertreter vor allem in der Wirtschaft und unter den Wirtschaftsrechtlern zu finden waren"', befürwortete ledigleich g e r i n g f ü g i g e r e Änderungen auf der Basis des Status quo, wobei den größten Mißbräuchen der Inflationszeit entgegengewirkt und die Finanzierungsmöglichkeiten ausgebaut werden sollten. Die Vorherrschaft der V e r w a l t u n g sollte grundsätzlich nicht tangiert und das Interesse des Einzelaktionärs nicht stärker als bisher geschützt werden. Eine Inpflichtnahme des Unternehmens zu allgemeinwirtschaftlichcn Interessen lehnte man ab. 2. Der Deutsche Juristentag
und der
Enquete-Ausschuß
Der D J T hatte sich zunächst 1924 mit der Frage befaßt, inwieweit man in Anlehnung an das anglo-amerikanische Recht die Kapitalbeschaffung durch Aktiengesellschaften erleichtern sollte*. Dies machte weitere Untersuchungen darüber notwendig, ob man dabei auch die Grundstrukturen des deutschen Aktienrechts ändern sollte etwa durch Übernahme des Board-Systems, der Auditors und der nennwertlosen Aktie. Der Kölner D J T von 1926 kam nach den Gutachten von Lehmann, Pinner, Solmssen und Hey mann zu dem Ergebnis"", daß die ausländischen Institutionen zur Übertragung auf deutsche Verhältnisse nicht geeignet und im allgemeinen nicht nachzuahmen seien. O b w o h l die Mehrheit einer grundlegenden Reform eher ablehnend gegenüberstand, setzte der D J T eine Kommission ein, die die „Frage einer notwendigen R e f o r m des Aktienrechts"" prüfen sollte. Vorsitzender der Kommission, die allerdings nur fünf Hauptsitzungen abhielt,
Vgl. Netter, Probleme des lebenden Aktienrechts, Berlin 1929; Geiler, Die wirtschaftlichen Strukturwandlungen und die Reform des Aktienrechts, Berlin 1927 (ders. auch in Gruch., Beitr., Bd. 68, 1928, S. 593 ff.); Ludewig, Hauptprobleme der Reform des Aktienrechts, 1929; Planitζ, Stimmrechtsaktie, Leipzig 1922. 84 H. J. Drescher, Die Sicherung der Interessen des Einzelaktionärs nach dem geltenden Recht und dem Gesetzentwurfe, Diss. München 1932, S. 53; die Schrift von Drescher enthält eine hervorragende Analyse der Aktienrechtsdiskussion bis zum Ende der Weimarer Republik. Drescher, a.a.O., S. 53. U.a. sind hierzu Solmssen, Schmulewitz, Haussmann, Silverberg und wohl auch Hachenburg zu rechnen. "7 Verh. 33. D J T (Heidelberg), 1925, S . 3 8 5 f f . "" Vgl. Verh. 34. D J T (Köln), Bd. 1 , 1 9 2 6 , S . 2 5 8 f f . ; Bd.2 (1927), S . 6 1 1 ff. Verh. 34. D J T , Bd.2, S.798. 81
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Der vorläufige Reichs wirtschaftsrat
war Hachenburg, der im Sommer 1928 einen kurzen Abschlußbericht vorlegte50. Dieser Bericht wies in Übereinstimmung mit der Kommissionsmehrheit eine Reform an „Haupt und Gliedern" zurück und befürwortete weder die Einführung einer Pflichtrevision, noch eine sofortige Abschaffung der Stimmrechtsaktien, noch eine Regelung des Depotstimmrechts der Banken. Kernpunkt der Kommissionsvorschläge war die Einführung einer Generalklausel, wonach die Ausübung des Stimmrechts unzulässig sein sollte, wenn „der Aktionär durch diese unter Verletzung der offenbaren Interessen der Gesellschaft geschäftsfremde Sondervorteile für sich oder einen Dritten verfolgt"". Der Bericht der Aktienkommission wurde in der Handelspresse scharf kritisiert. Nußbaum, selbst Mitglied der Kommission, stellte im „Magazin der Wirtschaft" fest92: „Sachlich ist das negative Ergebnis der Kommissionsarbeiten durch die Reformunlust der überwiegenden Mehrheit der Kommission verursacht. Wie man aus dem Bericht entnehmen kann, befand sich ζ. B. in der Kommission nur ein einziger grundsätzlicher Gegner des Mehrstimmrechtssystems. Überhaupt zeigt sich, wenn man einiges schmückende Beiwerk entfernt, daß der Reformgedanke von der Kommission vollständig abgelehnt worden ist. Das lag, und gerade dies erweist der Kommissionsbericht, nicht an der Stärke der Gründe der Mehrheit, sondern an der Zusammensetzung der Kommission." Seit Ende 1926 befaßte sich ferner der „Ausschuß zur Untersuchung der Erzeugungsund Absatzbedingungen der deutschen Wirtschaft" 93 , der sog. Enquete-Ausschuß, mit Problemen einer Aktienrechtsreform. Die 3. Arbeitsgruppe des I. Unterausschusses dieser Kommission legte bereits 1928 die ihr von Flechtheim, Hachenburg, Geiler, Buchwald und Haußmann erstatteten Gutachten sowie die Protokolle über die Anhörung von Praktikern über folgende Themen vor: Aktie, Generalversammlung, Aufsichtsrat, Vorstand, Konzernbildung und Rechtsformen der Unternehmung 94 . Der Generalbericht der Arbeitsgruppe („Wandlungen in der aktienrechtlichen Gestaltung der Einzelunterneh-
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Bericht der durch den 34. D J T zur Prüfung einer Reform des Aktienrechts niedergesetzten Kommission, hrsg. von der ständigen Deputation des Deutschen Juristentags, 1928 (46 Seiten). Die Protokolle über die Sitzungen der Hauptkommission und die Teilberichte der Unterkommissionen sollen demnächst in einer weiteren Edition herausgegeben werden (vgl. einstweilen Zentrales StA Potsdam, Reichsjustizministerium, Nr. 2936). Bericht, a.a.O. (Fn.90), S.27ff. A. Nußbaum, Magazin der Wirtschaft 1928, S. 1907. Rechtsgrundlage für die Einsetzung des Enquete-Ausschusses war ein Gesetz vom 15.4. 1926 (RGBl. 1 1926, S. 195f.). Eine Monographie über diesen Ausschuß, dem auch mehrere Mitglieder des Vorl. RWR angehörten, wäre wünschenswert. Zur Mitgliederliste und Aufteilung der Arbeiten vgl. Ausschuß zur Untersuchung der Erzeugungs- und Absatzbedingungen der deutschen Wirtschaft, Verhandlungen und Berichte, Allgemeiner Teil, Bd. 1, 1927, S. 123 ff. - Eine gute Zusammenfassung der Arbeiten des Ausschusses bringen: B. Dernburg/W. Hecht/K. Neu: Erzeugungs- und Absatzbedingungen der deutschen Wirtschaft, 1931 (hier auch Übersicht über die rd. 100 von Ausschuß hrsg. Bände); vgl. auch W . H e c h t , in: Annalen für Betriebswirtschaft, 5. Jg. (1931), S.7ff. Teil I der Publikationen der 3. Arbeitsgruppe: „Wandlungen in den Rechtsformen der Einzelunternehmungen."
Die Projekte zur Reform des Aktienrechts
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mungen und Konzerne") erschien erst 193095. Er enthält auch heute noch sehr wertvolle Hinweise auf die Praxis des Aktienrechts der damaligen Zeit, bringt aber im übrigen noch weniger weitgehende Änderungsvorschläge als der Bericht der Juristentagskommission. 3. Die Fragebogen
und der Aktiengeset^entwurf
von 1930
Im Justizministerium begannen die Reformarbeiten 96 erst im November 1927 mit einer Bestandsaufnahme des ausländischen Aktienrechts nach einem von Schmölder entworfenen Arbeitsprogramm unter Leitung von Schlegelberger und Quassowski. Erst unter d e m Justizminister Koch-Weser wurde im Oktober 1928 ein detaillierter Arbeitsplan aufgestellt, der im Januar 1929 mit dem Reichswirtschaftsministerium abgestimmt wurde. Hierbei wurde Einigkeit darüber erzielt, daß man der Entwicklung der Machtverhältnisse innerhalb der Aktiengesellschaften ihren Lauf lassen, daß „jedoch der gesteigerten Macht der Verwaltungsorgane eine entsprechend gesteigerte Kontrolle und Publizität entsprechen müsse". Im übrigen Schloß sich das Wirtschaftsministerium der M e i n u n g des Reichs justizministeriums an, die Reformüberlegungen auf das gesamte Aktienrecht auszudehnen. Zu diesem Zweck hatte das Reichsjustizministerium insgesamt neun Fragebögen mit über 700 Fragen zusammengestellt' 7 . Hiermit verfolgte man das Ziel, die an den Universitäten lehrenden Wirtschaftsrechtler, die Handelspresse, die Spitzenverbände der Industrie und des Handels sowie die Gewerkschaften zu einer umfassenden Meinungsäußerung über eine Reform des Aktienrechts zu veranlassen. A u s den zahlreichen Gutachten ragen die „Antworten des Deutschen Anwaltvereins" 9 8 heraus, die von dessen Ausschuß I für Zivil- und Handelsrecht, dem vornehmlich Juristen angehörten, die nicht in der DJT-Kommission vertreten gewesen waren, erarbeitet worden waren. Bei der Zusammensetzung der Kommission hatte man vor allem darauf geachtet, daß das regionale Moment nicht unberücksichtigt blieb und zudem die unterschiedlichen Reformrichtungen besser als in der DJT-Kommission vertreten waren. Das Gutachten der Kommission, die wiederum unter der Leitung von Hachenburg stand, versuchte zwischen den beiden großen Reformrichtungen, die im D J T zu kurz gekommen waren, zu vermitteln. Im programmatischen Teil näherte es sich der Lehre vom „Unternehmen an sich".
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Dieser Bericht umfaßt 95 Seiten. Zum folgenden vgl. W . S c h u b e r t , in: Zeitschrift der Sav.Stiftung f ü r Rechtsgeschichte, Germ. Abt., Bd. 103 (1986), S. 1 4 5 f f . , und ferner die Akten des Z S t A Potsdam, Reichsjustizministerium, Nr. 2 8 7 6 - 2879, 2936 - 2942, 2998 - 3003, 3005 - 3007, 3007/1-3021 und die Parallelüberlieferungen des Reichswirtschaftsministeriums im Z S t A Potsdam, Nr. 17553—17558. Die Fragebögen sind u.a. abgedruckt in einem Sonderdruck der Zeitschrift: „Die Wirtschaft und das Recht", V. Jg. (1930), 84 Spalten, und in der Druckschrift Nr. 22 des Deutschen A n waltvereins: „Zur Reform des Aktienrechts. A n t w o r t e n des Deutschen Anwaltvereins auf die Fragen des Reichsjustizministers", Teil I und II (1929). — Zur Technik und zum Inhalt des Fragebogens vgl. Schmölder, J W 1929, S. 1 3 3 8 f f . , 2 0 9 0 f f . ; Ullmann, J W 1929, S. 2 0 9 8 f f . Vgl.Fn.97.
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Der vorläufige Reichs wirt schafts rat N a c h d e m die Fragebogenaktion abgeschlossen war, wurde in der Abteilung I I I des
Reichsjustizministeriums der unter der V e r a n t w o r t u n g v o n Schlegelberger,
Quas-
sowski, S c h m ö l d e r und Ulimann im S o m m e r 1930 „durch das Reichsjustizministerium" aufgestellte „ E n t w u r f eines Gesetzes über Aktiengesellschaften und K o m m a n d i t g e s e l l schaften a u f A k t i e n " veröffentlicht. D e m E n t w u r f , der auch den Ländern übersandt wurde, waren kurze „Erläuternde B e m e r k u n g e n " beigefügt, die durch eine Aufsatzreihe der R e d a k t o r e n in der „Juristischen W o c h e n s c h r i f t " ergänzt w u r d e n " . D i e M o t i v e zum E n t w u r f schlossen sich weitgehend dem G u t a c h t e n des D A V und damit der Lehre v o m „ U n t e r n e h m e n an s i c h " an 100 : Bei der A n w e n d u n g des H G B habe sich u n b e m e r k t eine W a n d l u n g des Inhalts dieser Kodifikation vollzogen. D i e s e r Wandel trete nach zwei R i c h t u n g e n zutage: „einmal in der Ablösung rein individualistischer Auffassung durch die Rechtsidee, daß das Unternehmen nicht n u r der äußere R a h m e n für die V e r f o l g u n g der Interessen der einzelnen beteiligten Staatsbürger, sondern als solches ein R e c h t s g u t b e s o n d e r e r Eigenart und eine Einrichtung mit besonderen Aufgaben sei, eine E i n r i c h t u n g , der der Staat Schutz und Förderung auch insoweit nicht vorenthalten dürfe, als das Schutz- und Förderungsbedürfnis in Widerstreit mit den Sonderinteressen der A k t i o näre g e r ä t " . D a n e b e n hebe „sich die Umgestaltung der Herrschaftsverhältnisse innerhalb der Aktiengesellschaft deutlich heraus. Sie ist eine F o l g e der modernen K o n z e n t r a t i o n s b e w e g u n g e n , teils aus dem Wunsche nach stärkerer Bewegungsfreiheit der in den V e r w a l t u n g e n tätigen K r ä f t e hervorgegangen. D e m Ziel, die E n t w i c k l u n g der Unternehm u n g e n v o n wechselnden Mehrheiten der A k t i o n ä r e möglichst unabhängig zu machen, k o n n t e m a n nur durch eine Abschwächung der Machtbefugnisse der Generalversammlung u n d der einzelnen A k t i o n ä r e n ä h e r k o m m e n . " V o n diesem „ G r u n d g e d a n k e n " ausg e h e n d , erkannte der E n t w u r f ' " „den in der R e c h t s p r e c h u n g entwickelten Grundsatz als b e r e c h t i g t an, daß Interessen des Unternehmens als solches ebenso schutzbedürftig sind wie das individuelle Interesse des einzelnen A k t i o n ä r s . " Bei „sachgemäßer V e r w a l t u n g des U n t e r n e h m e n s und richtiger Einstellung der einzelnen A k t i o n ä r e " gebe es „in W a h r heit einen Interessengegensatz zwischen d e m Unternehmen und seinen Aktionären nicht. D e r Gesetzgeber würde seine Aufgabe verkennen, wenn er das neue Aktienrecht nach den Interessen der Verwaltung oder etwa ausschließlich danach orientieren wollte, a u f w e l c h e Weise der g r ö ß t e Vorteil für die jeweiligen Aktionäre erzielt werden k ö n n t e . D i e V e r w a l t u n g hat ausschließlich dem U n t e r n e h m e n zu dienen und der A k t i o n ä r m u ß sich dessen bewußt bleiben, daß die moderne Aktiengesellschaft nicht nur eine F o r m für individuelles G e w i n n s t r e b e n ist, sondern in verschiedenen Abstufungen auch den allgemeinen Interessen des V o l k e s zu dienen h a t . " Als K e r n g e d a n k e des E n t w u r f s wurde herausgestellt" 1 2 : „ E i n e zu starke Beengung der in der V e r w a l t u n g tätigen K r ä f t e , insbesondere a u f dem G e b i e t e der Finanzierung würde dem Interesse des Unternehmens und Nachweise unten im biographischen Teil bei Quassowski, Schlegelberger und Schmölder; vgl. ferner Ulimann, J W 1930, S. 2633 ff. ""' F.ntwurf 1930, S. 94; hieraus auch das folgende Zitat. "" Entwurf 1930, S. 94f. ",2 Entwurf 1930, S. 95.
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damit der Aktionäre und der Allgemeinheit zuwiderlaufen. Der gesteigerten Macht der Verwaltungen bei der Betreuung fremden Kapitals muß jedoch eine gesteigerte Rechenschaftspflicht und Kontrolle entsprechen." Noch deutlicher als die amtliche Begründung hatte Schlegelberger den Entwurf mit den Worten angekündigt: „Neuen Lebensgestaltungen und -erfahrungen galt es, Rechnung zu tragen wie der Uberwindung des Individualismus durch den Gemeinschaftsgedanken." Allerdings wird man dem Entwurf kaum gerecht, wenn man ihn nur nach den programmatischen Passagen der Motive beurteilen würde. Der Gesamteindruck, den die Arbeiten des Reichsjustizministeriums vermitteln, läßt sich mit Drescher wie folgt zusammenfassen" 11 , daß nämlich „bei der Behandlung der einzelnen Probleme eine Abwägung der gegenseitigen Interessen dadurch versucht ist, daß in einer eklektischen Methode bald das Eigeninteresse des Unternehmens, bald aber auch das der Aktionäre in gewissen Grenzen stärker berücksichtigt" worden sei. Der Entwurf habe versucht, der allgemeinen Entwicklung, die „zu neuen Gebundenheiten" führe und das Interesse der Gesamtheit immer mehr betone"14, gerecht zu werden, zugleich aber auch den „privatkapitalistischen Gedanken des Aktienrechts" zu erhalten. Im einzelnen schlug der Entwurf folgende Neuerungen vor: 1. Pflicht des Vorstands zur Berichterstattung in mindestens vierteljährlichen Abständen. 2. Präzisierung und teilweise Erleichterung der Aufsichtspflicht des Aufsichtsrats durch Einführung der Pflichtrevision. §77 gewährte den einzelnen Mitgliedern des Aufsichtsrats ein selbständiges Recht, diesen einzuberufen. Nach §74 Abs.4 konnte der Gesellschaftsvertrag einer Minderheit von Aktionären das Recht einräumen, Mitglieder in den Aufsichtsrat zu entsenden. 3. Bestimmungen über den Inhalt des Geschäftsberichts und die Jahresbilanz. Publizität des Jahresabschlusses. 4. Erleichterung der Einziehung von Stimmrechtsaktien bzw. Beschränkung ihres Vorzugs. Beschränkung der Mehrstimmrechte bei Beschlußfassungen von besonderer Tragweite. Umwandlung der Mehrstimmrechtsaktien in Namensaktien. Ruhen des Stimmrechts bei gebundenen Aktien (§93 Abs. 6 S a t z l ) . Einschränkungen für Vorratsaktien (§41). 5. Einführung folgender Generalklausel: „Wer zwecks Erreichung gesellschaftsfremder Sondervorteile für sich oder einen Dritten unter Benutzung seines Einflusses als Aktionär ein Mitglied des Vorstandes oder des Aufsichtsrats zu einem vorsätzlichen Handeln zum Schaden der Gesellschaft bestimmt, haftet mit dem Mitglied des Vorstandes oder des Aufsichtsrats der Gesellschaft als Gesamtschuldner für den daraus entstehenden Schaden." (§84 Abs. 1 des Entwurfs) 6. Auskunftsrecht jedes Aktionärs nach den Vorschlägen des Deutschen Anwaltvereins (§86 Abs. 1). Lehnte der Vorstand die Beantwortung einer Frage ab, so konnte eine Ak103 1,14
Drescher, Drescher,
a.a.O. (Fn. 84), S. 60. a.a.O. (Fn. 84), S. 61.
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Der vorläufige Reichswirtschaftsrat
tionärsminderheit von 10% des Grundkapitals eine Vertagung herbeiführen oder der Einzelaktionär die Anfechtungsklage erheben. Wurde eine solche Klage mit einer Verletzung der Auskunftspflicht begründet, konnte die Gesellschaft eine neuzuschaffende Spruchstelle anrufen (§88 Abs. 1). War eine Anfechtungsklage nicht erfolgt, konnte die Gesellschaft nur bei Glaubhaftmachung eines berechtigten Interesses an einer alsbaldigen richterlichen Feststellung die Spruchstelle in Anspruch nehmen (§88 Abs. 2). Diese hatte in einem geheimen Verfahren darüber zu befinden, ob die Auskunftsverweigerung durch das überwiegende Interesse der Gesellschaft oder der Allgemeinheit gerechtfertigt war oder nicht (§88 Abs. 1). 7. Beschränkung der Nichtigkeitsgründe und deren Geltendmachung. 8. Als neue Finanzierungsmittel waren vorgesehen: bedingte Kapitalerhöhung, genehmigtes Kapital und Wandelschuldverschreibungen. 4. Die Umarbeitung des Aktiengesetzentwurfs
und die Novlle vom 19.9. 1931
Vor der Fertigstellung einer Kabinettsvorlage berief das Reichsjustizministerium eine Konferenz mit Vertretern der Ministerien des Reichs und Preußens sowie der Länder ein. Diese Beratungen, in denen Schlegelberger den Vorsitz führte, fanden zwischen dem 11.12. 1930 und dem 20.5. 1931 statt1"5. Noch während der Beratungen hatte das R J M unter starker Berücksichtigung der preußischen Wünsche mit der Umarbeitung des Entwurfs begonnen, an der auch das Wirtschaftsministerium und das Finanzministerium beteiligt waren. Für das Reichsarbeitsministerium hatte der aus der christlichen Gewerkschaftsbewegung stammende Reichsarbeitsminister Stegerwald folgende Wünsche angemeldet'06: Im §74 sollte festgestellt werden, daß zu den gewählten Mitgliedern des Aufsichtsrats auch die vom Betriebsrat entsandten Mitglieder zählten. Gehörte einem Aufsichtsratsausschuß ein vom Betriebsrat entsandtes Aufsichtsratsmitglied nicht an, so sollten die vom Betriebsrat entsandten Aufsichtsratsmitglieder gleichwohl das Recht haben, an den Auschußberatungen ohne Stimmrecht teilzunehmen. Den Betriebsratsmitgliedern im Aufsichtsrat sollten weder Darlehen noch wirtschaftliche Vorteile gewährt werden dürfen. Ferner sollte die Klage auf Anfechtung von Generalversammlungsbeschlüssen auch von Mitgliedern des Aufsichtsrats erhoben werden dürfen. In einer Referentenbesprechung am 29.6. 1931 einigte man sich dahin, im neuen Entwurf klarzustellen, daß zu den gewählten Mitgliedern des Aufsichtsrats noch die von der Betriebsvertretung entsandten Mitglieder hinzukämen. Die Forderungen zu den §§79 und 137 des Entwurfs wurden dagegen von den Vertretern des Justiz-, Wirtschafts- und Finanzministeriums scharf zurückgewiesen. Wichtigstes Problem der interministeriellen Verhandlungen war eine Verschärfung des Verbots für die Gesellschaften, eigene Aktien zu erwerben. 1
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Naphtali, Protokolle, S. 197 f. Siehe die Darstellung bei Geßler, DB 1978, 63 f. V O über Aktienrecht, Bankenaufsicht und über eine Steueramnestie vom 19. September 1931, RGB1I, S.493. Damit hatte die Notverordnung eine Regelung aus dem englischen Aktienrecht übernommen, siehe Deutscher Anwaltverein, (Fn. 10), I. Teil, S. 92f. Siehe die demgegenüber sehr viel reserviertere Position Klausings, (Fn.4), S. 167. V O des Reichspräsidenten vom 6. Oktober 1931; RGB1I, S.557f. (Fünfter Teil, Kapitel III); V O des Reichspräsidenten vom 4. September 1932, RGB1I, S.431 (Vierter Teil, Kapitel V). Siehe die Beiträge in den Protokollen von Eggert, S.170f., 693; Cohen, S.218f.; Hachenburg, S. 246, 692; Silverberg, S. 696; Tamow, S. 698. Protokolle, S. 255.
Der Vorstand
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wohl: pacta sunt servanda - zurückzukehren und allein für den Konkursfall besondere Vorkehrungen zu treffen. Auf der anderen Seite sprachen sich Ausschußmitglieder dafür aus, bei subventionierten Unternehmen die Vorstandsbezüge sogar mit rückwirkender Kraft herabzusetzen. Wenn nämlich diese Unternehmen schlecht stünden, dann sei ihre finanzielle Lage längere Zeit verschleiert und überdeckt worden; aber die Vorstandsmitglieder hätten weiter ihre Vergütung bezogen, als ob alles in bestem Zustand wäre40. — Der Aktienrechtsausschuß folgte nach längerer Debatte keinem der beiden Vorschläge und beließ es damit, wenn auch mit verhältnismäßig knapper Mehrheit 41 beim Regelungsvorschlag der ersten Lesung. Diese Ausschuß Verhandlungen hatten rechtspolitische Folgen: § 78 Abs. 1 AktG 1937 machte es zur Sorge des Aufsichtsrats, daß die Gesamtbezüge der Vorstandsmitglieder in angemessenem Verhältnis zu ihren Aufgaben und zur Lage der Gesellschaft stehen. Abs. 2 enthielt die Ermächtigung zur Herabsetzung der Bezüge, falls sich die Gesellschaftsverhältnisse wesentlich verschlechtert haben sollten. § 87 AktG 1965 hat dies alles im wesentlichen unverändert übernommen. b) Vorstandsmitglieder werden häufig als Repräsentanten ihrer Gesellschaft in den Aufsichtsrat anderer Gesellschaften gewählt; vor allem sitzen Vorstandsmitglieder einer Konzernspitze regelmäßig in den Aufsichtsräten ihrer Tochtergesellschaften. Mit den Aufsichtsratsbezügen dieser Vorstandsmitglieder befaßte sich auch der Aktienrechtsausschuß. Ein Teil der Ausschußmitglieder plädierte dafür, daß die Vorstandsmitglieder gesetzlich verpflichtet werden sollten, ihre Aufsichtsratsbezüge aus einer anderen Gesellschaft an ihre eigene Gesellschaft abzuführen 42 . Wenn nämlich ein Vorstandsmitglied in dieser Eigenschaft dem Aufsichtsrat einer anderen Gesellschaft angehöre, dann sei es dort auch nur für seine eigene Gesellschaft tätig. Dagegen erhob sich Protest 4 ': Im Aufsichtsrat einer anderen Gesellschaft sei das Vorstandsmitglied nicht als Beamter einer öffentlichrechtlichen Körperschaft, sondern als selbständiger Unternehmer. Mit der Stellung eines Aufsichtsratsmitglieds sei eine schwere Verantwortung verbunden, die leicht zur Schadenersatzpflicht führe. Deshalb dürfe man dem Vorstandsmitglied nicht die Aufsichtsratsvergütung nehmen, wie man überhaupt den Vorstand in seiner besonderen Intelligenz und Regsamkeit nicht durch eine allzu große Beschneidung seiner Einkünfte drücken sollte. - Diese Gegenargumente überzeugten eine knappe Mehrheit der Ausschußmitglieder, so daß der Vorschlag obligatorischer Abführung der Aufsichtsratsbezüge verworfen wurde44. Über Aufsichtsratsbezüge können die Gesamtbezüge eines Vorstandsmitglieds verschleiert werden. Diese Möglichkeit ist im Aktienrechtsausschuß kurz angedeutet, aber 40
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Der Antrag war von den Mitgliedern Bruns u. a. m., Protokolle, S. 692 gestellt worden; dagegen Silverberg, S.696f. Protokolle, S. 709 f. Naphtali, Protokolle, S. 199; Marx, S. 221. Silverberg, Protokolle, S. 208. Protokolle, S. 255.
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Machtbalancen im Aktienrecht
dann nicht weiter erörtert worden. Erst das Aktiengesetz 1965 ist mit seiner Regelung des § 160 Abs. 3 Nr. 8 Satz 4 auf die Bezüge aus verbundenen Unternehmen zurückgekommen. Dabei blieben freilich nach der nicht unproblematischen Selbstinterpretation der Entwurfsverfasser die wichtigsten Bezüge, nämlich die eines Konzernvorstands als Mitglied eines Tochteraufsichtsrats ausgespart 45 . Insoweit hat erst jüngst § 314 Abs. 1 Nr. 6 HGB mit der Pflicht zur Angabe der Gesamtbezüge im Konzernanhang die gebotene Abhilfe geschaffen.
III. K o n t r o l l f u n k t i o n d e r R e c h n u n g s l e g u n g Schon die Notverordnung von 1931 hatte die Aktiengesellschaften zur Rechnungslegung, 2ur Prüfung des Jahresabschlusses durch einen unabhängigen und sachverständigen Prüfer sowie zur Veröffentlichung des Abschlusses verpflichtet (§§ 260ff HGB). Dies Grundkonzept hieß der Aktienrechtsausschuß gut und konzentrierte sich deshalb auf wichtige Einzelfragen. Einige seien hier herausgegriffen: 1. Befreiungen für
Familiengesellschaften
Nach dem Vorschlag eines Ausschußmitgliedes sollten Familiengesellschaften von der Einhaltung sämtlicher Bilanzierungsvorschriften und von der Publizitätspflicht freigestellt werden; andernfalls könnte das einschneidende Bilanzrecht Anlaß zum Wechsel in die publizitätsfreie Rechtsform der GmbH geben46. Dem trat Hachenburg mit einer frappierend praktischen Argumentation entgegen: In Familiengesellschaften säßen Familienmitglieder in den Verwaltungsorganen und könnten sich deshalb mit einer ganz knappen Rechnungslegung begnügen. Sollte der Abschlußprüfer dies rügen, so werde der Aufsichtsrat das zur Kenntnis nehmen und den Prüfungsbericht zu den Akten legen. - Dieser Sehweise, welche die öffentliche Garantiefunktion des Abschlußprüfers übergeht, Schloß sich die deutliche Ausschußmehrheit an und lehnte Ausnahmen für Familienaktiengesellschaften ab.47 Diese Weichenstellung ist zu bedauern. Denn sie verhinderte die weitere Diskussion um Rechnungslegung und Publizität in kleinen und mittleren Gesellschaften, so daß mehr als vierzig Jahre später die rechtspolitischen Argumente fehlten, als auf europäischer Ebene die 4. EG-Bilanzrichtlinie mit ihrer Erstreckung auf die GmbH verhandelt wurde. Das in Deutschland für Großunternehmensträger entwickelte Grundkonzept wurde in Brüssel ohne nähere und kritische Überprüfung auf die mittelständische Wirtschaft erstreckt. Dabei wäre es wohl rechtspolitisch erheblich fruchtbarer gewesen, ganz scharf zwischen der internen Rechnungslegung und der externen Publizität zu unter45
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Begründung RegE zu § 1 6 0 III Nr. 8, K r o p f f , Textausgabe A k t G , S. 260. Cohen, Protokolle, S. 486 f. (Befreiung von der Pflichtprüfung wollte er gerade nicht gewähren); vgl. auch Schmölder, S.487f. Hachenburg, Protokolle, S. 578f.; Abstimmungsergebnis: S . 5 8 I .
Kontrollfunktion der Rechnungslegung
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scheiden, um dann jede einzelne Außeninformation als für den Gläubigerschutz unverzichtbar zu rechtfertigen.
2.
Kon^ernrechnungslegung
In den Untersuchungsberichten zu den Erzeugungs- und Absatzbedingungen der deutschen Wirtschaft war bereits eindringlich auf die Gefahr hingewiesen worden, daß Konzernbeziehungen zur Umgehung und Abschwächung vor allem bilanzrechtlicher Vorschriften führen können 48 . Hierauf hatte die Notverordnung mit ihrer punktuellen Anordnung reagiert, daß im Geschäftsbericht auch über die Beziehungen zu einer abhängigen Gesellschaft und zu einer Konzerngesellschaft zu berichten sei (§ 260 a Abs. 2 HGB) 4 '. In diesem Punkt hat der Aktienrechtsausschuß die Debatte trotz einzelner Anstöße nicht wesentlich vorangebracht. Zwar beantragte ein Ausschußmitglied, die Pflichtangaben im Geschäftsbericht zu erweitern: In ihm sei darzulegen, wie sich Aufgaben und Geschäftsergebnisse der abhängigen und der Konzerngesellschaften entwickelt hätten, und außerdem seien deren Bilanzen sowie Gewinn- und Verlustrechnungen wiederzugeben, soweit es sich um Aktiengesellschaften handele5". Der Bilanzleser bedürfe nämlich detaillierter Angaben über die wichtigsten Konzernzusammenhänge und wirtschaftlichen Konzernverflechtungen. Ungünstige Entwicklungen bei der einen Tochtergesellschaft zögen häufig auch andere Konzerngesellschaften oder gar den Gesamtkonzern in Mitleidenschaft' 1 . Aber dieser Antrag wurde nicht aufgegriffen; mancher hieß vielmehr den konzernbedingten Informationsschleier gut: Tochtergesellschaften würden oft gegründet, um die Muttergesellschaft gegenüber der Konkurrenz nicht hervortreten zu lassen. Es sei überdies eine nicht zu bewältigende Belastung, wenn in Konzernen mit über hundert angeschlossenen Unternehmen über all' diese berichtet werden müsse 52 . - Gegen eine Konzernrechnungslegungspflicht zum damaligen Zeitpunkt sprach sich ebenfalls der Regie-
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Verhandlungen und Berichte des Unterausschusses für allgemeine Wirtschaftsstruktur (I. Unterausschuß) - 3. Arbeitsgruppe, Wandlungen in den wirtschaftlichen Organisationen, Dritter Teil, Wandlungen in der aktienrechtlichen Gestaltung der Einzelunternehmen und Konzerne (General-Bericht), Berlin 1928, 1930, S.64ff., 90ff.; vgl. auch SchlegelbergerjQuassowskijSchmölder, (Fn. 7), §261 d HGB, Anm. 3; Deutscher Anwaltverein, (Fn. 10), II.Teil, S. 54ff. sowie Brodmann, (Fn. 2), S.30ff. Außerdem enthielt §261 d Nr. 2 HGB eine Ermächtigung an die Reichsregierung, die Aufstellung eines eigenständigen Konzernabschlusses vorzuschreiben; dazu eingehend Schlegelhergerj Quassowski\Schmölder, (Fn.7), §261 d HGB, Anm. 2ff.; zu den praktischen Schwierigkeiten vgl. Klausing, (Fn. 4), S. 146; siehe auch Düringer/Hachenburg, (Fn. 7), Einl., Anm. 141. Schweitzer, Protokolle, S. 421,422 (im Gespräch mit Hachenburg); zustimmend Naphtali, S. 427; Marx, S.431. Schweitzer, Protokolle, S.443. Silverberg, Protokolle, S.428f., 437; Quassowski, S.415f., 439; vgl. auch Wussow, S.436; dazu noch Deutscher Anwaltverein, (Fn.10), II.Teil, S.55f., der sich gegen eine detaillierte Offenlegung aussprach.
Machtbalancen im Aktienrecht
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rungsvertreter aus. Zwar müßten Verschleierungen abgewehrt werden53, und es könne bei engen Unternehmensverbindungen durchaus ein Interesse an den Bilanzen der einzelnen Gesellschaften bestehen. Aber es wäre doch zweifelhaft, ob die Dinge so weitgehend geklärt seien, daß eine Bilanz für den Konzern schon vorgeschrieben werden könne54. Die mithin seit 1933 stagnierende Debatte um die Konzernrechnungslegung wurde erst mit den Arbeiten zum Aktiengesetz 1965 wieder aufgegriffen. An die Weimarer Republik knüpfte die Regierungsbegründung nur insoweit an, als sie den Untersuchungsbericht zu den Erzeugungs- und Absatzbedingungen der deutschen Wirtschaft erwähnte55. 3. Der
Abschlußprüfer
Zur Person des Abschlußprüfers diskutierte der Aktienrechtsausschuß zwei Fragen von immer noch aktueller Bedeutung: die „Verstaatlichung" der Abschlußprüfung56 und den Gegensatz zwischen Einzelprüfer und Treuhandgesellschaften, a) Auf das Ziel einer „verstaatlichten Abschlußprüfung" ging am weitesten der Vorschlag zu, nach dem ein staatliches Aktienamt eingerichtet und ihm die Bestellung der (beamteten)57 Abschlußprüfer für jede prüfungspflichtige Gesellschaft übertragen werden sollte. Denn ein Prüfer, der von der zu prüfenden Gesellschaft ausgesucht werde, gerate nur allzu leicht in Abhängigkeit5*. So sah dies auch ein anderes Ausschußmitglied, dem es vor allem darauf ankam, daß überhaupt eine neutrale Stelle, nicht unbedingt eine Behörde den Prüfer auswähle'9. Dem trat mit Nachdruck der Vertreter des Reichswirtschaftsministeriums entgegen und lehnte nicht nur die Schaffung eines Aktienamtes ab, sondern ebenso die Ernennung der Wirtschaftsprüfer zu Beamten. Es gelte, die privatwirtschaftliche Verantwortlichkeit zu gewährleisten. Der Gefahr der Befangenheit würden schon Haftbarkeit der Wirtschaftsprüfer und Ehrengerichtsverfahren hinreichend entgegenwirken60. - Eine „staatliche Abschlußprüfung" wurde schon in der ersten Lesung mit deutlicher Mehrheit abgelehnt". Und auch der in der zweiten Lesung nachgereichte Vorschlag, dem Wirt31
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Daran konnte man angesichts der Zusammenbrüche der FA V A G und der Nordwolle, bei denen der Mißbrauch der Konzernkonstruktion zur Verschleierung von Verlusten offen zutage getreten war (s. Gottschalk, die Lehren aus den Aktienskandalen der Nachkriegszeit, 1934, S. 11, 34), kaum vorbeigehen; daraufhaben im Aktienrechtsausschuß Schweitzer, Protokolle, S . 4 1 9 und Naphtali, S. 427 hingewiesen; vgl. auch Homburger, (Fn. 17), S. 31. Quassowski, Protokolle, S . 4 1 6 . Begründung R e g E , Vorbemerkungen zu § § 3 2 9 - 3 3 8 A k t G , Kropff, Textausgabe A k t G , S. 435 f. Dazu insbesondere N. Richter, Die Sicherung der aktienrechtlichen Publizität durch ein Aktienamt, 1975, S . 2 5 4 f f . m.w.N. Zur Verbeamtung freier Berufe als Forderung der damaligen Zeit vgl. Klausing, (Fn. 4), S. 182. Schweitzer, Protokolle, S. 521; dazu auch Wussow, Protokolle, S. 536 sowie zuvor schon Deutscher Anwaltverein, (Fn. 10), I . T e i l , S. 109f. Marx, Protokolle, S. 533. Bernhard, Protokolle, S. 513. Protokolle, S. 560.
Kontrollfunktion der Rechnungslegung
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schaftsminister Gelegenheit zu geben, die Wahl eines Abschlußprüfers durch die Generalversammlung zu verwerfen, fand keinen Anklang'' 2 . b) Gegen die Treuhandgesellschaften als Abschlußprüfer erhob sich im Aktienrechtsausschuß Widerspruch 63 . Sie stünden zu den Banken, die sie gegründet hätten, in abhängigkeits-stiftender Nähe 64 , und auch die kleinen und mittleren Unternehmen bevorzugten diese Treuhandgesellschaften als Abschlußprüfer in der Annahme, auf diesem Wege ihren Kredit bei den Banken zu festigen oder neu zu erreichen 6 '. Außerdem seien die Prüfungsgesellschaften zu anonym 66 . Dem wurde entgegengehalten, in vielen Aktiengesellschaften könne nur ein Team von Spezialisten den Prüfungsanforderungen genügen 67 . Aber bei Lichte besehen ging es schon damals um etwas anderes: um den Wettbewerb zwischen Einzelprüfern und Prüfungsgesellschaften. Das wird in der unwidersprochen gebliebenen Behauptung eines Ausschußmitgliedes deutlich, daß 90% aller Prüfungsaufträge den Treuhandgesellschaften erteilt worden seien und 60% aller Einzelprüfer überhaupt noch keinen Prüfungsauftrag erhalten hätten; der Einzelprüfer im Hauptamt sei zum Verhungern verdammt 68 . Dagegen beschwor der Vertreter des Justizministeriums die Ausschußmitglieder, nicht in den Konkurrenzkampf zwischen Einzelprüfern und Gesellschaften einzugreifen; der Zeitpunkt liege nicht mehr fern, da alle Wirtschaftsprüfer ausreichende Beschäftigung fänden 6 '. Die damals im Aktienrechtsausschuß ausgetauschten Argumente haben ihre Bedeutung bis heute behalten. So hatte noch jüngst der Gesetzgeber des Bilanzrichtliniengesetzes in § 28 Abs. 4 Nr. 5 WPO verfügt, daß sich an einer Wirtschaftsprüfungsgesellschaft Gesellschafter, die nicht selbst Wirtschaftsprüfer sind, nicht mit Mehrheit beteiligen dürfen. Überdies ist die damalige Debatte ganz allgemein für die freien Berufe bedeutsam: Rechtsanwälte können sich weder in der Form von Kapital-, noch in der von Personen handelsgesellschaften organisieren 70 . Und die Konkursverwalter-GmbH ist noch jüngst -
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Zum Antrag: Hachenburg, Protokolle, S.736, 761 f.; siehe auch noch Schweitzer, S. 762; zur Abstimmung: S. 762. In England waren nur natürliche Personen als Prüfer zugelassen: SchlegelhergerjQuassowskij Schmölder, (Fn. 7), § 262 cHGB, Anm. 4. Cohen, Protokolle, S. 525; vgl. noch Schmölder, S. 529; Marx, S. 531 f.; Wussow, S. 536; siehe auch Klausing, (Fn.4), S. 183, 241 f.; zur Entwicklung der Deutschen Treuhandgesellschaft: H.P.Schuld, 75 Jahre Deutsche Treuhand-Gesellschaft, 1965, S. 11 ff.; zur Diskussion in neuerer Zeit: Leffson, Wirtschaftsprüfung, 3. Aufl. 1985, S. 80f. Härtung, Protokolle, S. 542. Wussow, Protokolle, S. 536; siehe auch Schmölder, S. 540; kritisch stand insbesondere Klausing, (Fn.4), S. 182f. den Wirtschaftsprüfungsgesellschaften gegenüber. Schrejer, Protokolle, S. 541; siehe auch noch Schweitzer, S. 555. Härtung, Protokolle, S. 543; dazu auch Cohen, S. 524; Schweitzer, S. 555; zum ganzen ebenfalls Klausing, (Fn.4), S.182. Schmölder, Protokolle, S. 550. Borggreve, Die partnerschaftliche Ausübung freier rechts- und wirtschaftsberatender Berufe, Diss. Bielefeld, 1982, S.93ff.
Machtbalancen im Aktienrecht
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v e r w o r f e n worden". Hier könnten auch die A r g u m e n t e aus dem Aktienrechtsausschuß die Diskussion voranbringen.
IV. Der Aufsichtsrat Z u m Aufsichtsrat erörterte der Aktienrechtsausschuß dessen A u f g a b e n , das Zusammenspiel mit d e m Abschlußprüfer, Probleme der Aufsichtsratsausschüsse und die Repräsentanz der Aktienminderheit im Aufsichtsrat. 1.
Aufgabenkreis
Der i m H G B damals vorgeschriebene Aufgabenkreis des Aufsichtsrats, „die Geschäftsführung in allen Zweigen des Betriebs zu überwachen" (§ 246 Abs. 1 Satz 1 HGB), überforderte die Ratsmitglieder derart offensichtlich 72 , daß diese die Überwachungsaufgabe häufig schon in ihrem Ansatz nicht ernst nahmen und sich statt dessen auf unverbindliche Beratung oder auf die unternehmerischen Mit- oder g a r Oberleitung der Gesellschaft verlegten 7 '. Deshalb w a r in den Aktiengesetzentwürfen die Passage „in allen Z w e i g e n des Betriebes" gestrichen worden, u m den Pflichtenkreis des Aufsichtsrates so zu umschreiben, daß seine Erfüllung jedem Ratsmitglied angesonnen werden könne' 4 . Gegen diese beabsichtigte Streichung erhob sich im Aktienrechtsausschuß während der zweiten Lesung Widerstand. Einige Ausschußmitglieder befürchteten, die Textänderung könne das Mißverständnis heraufbeschwören, die Aufsichtspflicht solle gegenüber dem bisherigen Rechtszustand noch weiter abgeschwächt werden 7 5 . Z w a r sollten sich die Aufsichtsratsmitglieder nicht u m alle Einzelheiten k ü m m e r n , sondern nur u m die wesentlichen Fragen, das aber doch in allen Zweigen. - A m Schluß der Debatte entschied sich der Akienrechtsausschuß, w e n n auch mit knapper Mehrheit dafür, die Entwurfsfassung g u t zu heißen 76 . Sie hatten das Aktiengesetz 1937 in seinem § 95 Abs. 1 und das von 1965 in seinem 71
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Erster Bericht der Kommission für Insolven^recht, Hrsg. v o m Bundesministerium der Justiz, 1985, Erläuterung zu 1.3.11 (1), S . 1 2 7 . Bekannt ist der Satz Rathenaus, Vom Aktienwesen, 2 1 . - 2 3 . Aufl. 1922, S . 1 3 f . : Das Gesetz zwinge den Aufsichtsrat dazu, das Geschehen in der Gesellschaft tagtäglich zu überwachen und das vierundzwanzig Stunden am Tage. Düringer [Hachenburg, (Fn. 7), Einl., Anm. 39,95; Homburger, (Fn. 17), S . 5 7 , 6 1 ; Klausing, (Fn.4), S. 126; Schkgelberger\Quassowski\Schmölder, (Fn. 7), Art. VIII, Anm. 1; vgl. auch noch Wiethölter, Interessen und Organisation der Aktiengesellschaft im amerikanischen und deutschen Recht, 1961, S . 2 8 8 f f . m.w.N. Vgl. in diesem Zusammenhang etwa Schmölder, Protokolle, S. 117; Kutscher, S . 2 2 0 ; Hachenburg, S.253; ders., D J Z 1 9 3 0 , 1 4 8 1 . So namentlich Baltrusch, Protokolle, S. 7 5 3 , 7 6 0 ; zustimmend Schweitzer, S. 757; siehe auch schon den Einwand in der ersten Lesung von Baltrusch, S . 2 1 6 ; kritisch zur Streichung ebenso Homburger, (Fn. 17), S. 19 („ganz zwecklos"). Protokolle, S. 761.
Der Aufsichtsrat
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§ 111 Abs. 1 übernommen. Der sachliche Dissens innerhalb des Aktienrechtsausschusses ist erst in jüngster Zeit überzeugend ausgeräumt worden. Der Ausschußminderheit war es nämlich bei Lichte besehen darum g e g a n g e n , das Überwachungsfeld des Aufsichtsrates in seiner vollen Breite ungeschmälert zu erhalten, während sich die Mehrheit offenbar an den Hierarchiestufen im Unternehmen orientierte: A u f g a b e des Aufsichtsrates kann es nicht sein, noch die unbedeutendsten Maßnahmen jener Stellen zu kontrollieren, die dem Vorstand hierarchisch tief nachgeordnet sind. Die Lösung des Dissens' lautet: Der Aufsichtsrat m u ß mit seiner Ü b e r w a c h u n g auf die originären Führungsfunktionen und ihre W a h r n e h m u n g abzielen 77 . 2. Abschlußprüfer
und
Aufsichtsrat
Überfordert waren die Aufsichtsratsmitglieder unter der Geltung des H G B vor allem im Bereich der Rechnungslegung. Hier hatte schon die Notverordnung v o m September 1931 durch die obligatorische A b s c h l u ß p r ü f u n g starke Unterstützung geboten (§262 a HGB): Über das Ergebnis der P r ü f u n g m u ß der Bilanzprüfer dem Aufsichtsrat schriftlich berichten (§ 262 e Abs. 1/2 HGB). Damit war der Abschlußprüfer von Anbeginn nicht nur ein Garant der aktienrechtlichen Publizität, sondern zugleich (eigenverantwortlich tätiges) Hilfsorgan des Aufsichtsrats 7 ". a) Im Aktienrechtsausschuß w u r d e vereinzelt die Befürchtung laut, die Pflichtprüfung könne dazu führen, daß der Aufsichtsrat noch w e n i g e r tue als bisher. Deshalb beantragte ein Ausschußmitglied eine Bestimmung im Gesetz, nach der die Abschlußprüfung den Aufsichtsrat nicht von seiner Verpflichtung enthebe, die Geschäftsführung in allen Zweigen der V e r w a l t u n g zu überwachen 7 '. - Dem widersetzten sich andere Ausschußmitglieder: Das Gesetz wolle keine Doppelarbeit; soweit der Pflichtprüfer die Bilanz geprüft habe, werde dem Aufsichtsrat nicht noch einmal zugemutet, dasselbe zu tun. Deshalb habe die Pflichtprüfung die Rechtsstellung des Aufsichtsrats durchaus verändert: Dieser müsse nur die A u s f ü h r u n g e n der Pflichtprüfer mit besonderer Sorgfalt beobachten™. Die Tätigkeit des Aufsichtsrats setze erst wieder ein, wenn es sich darum handele, die Schlußfolgerungen aus dem Prüfungsbericht des Pflichtprüfers zu ziehen". Sollte der Bericht Bedenken äußern, so wachse die V e r a n t w o r t u n g des Aufsichtsrates 82 . - Dem Schloß sich d e r Aktienrechtsausschuß a n .
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Semler, Die Überwachungsaufgabe des Aufsichtsrats, 1980, S. lOff. So Schmölder, Protokolle, S. 217; Schweitzer, S.757; kritisch gegenüber dem Begriff (aber in der Sache ähnlich): SchlegelbergerjQuassoa>skijSchmölder, (Fn. 7), Vorbem. 2 vor §262 a HGB („Hilfsorgane der Gesellschaft"); Klausing, (Fn.4), S.227, 229 („außerordentliches Organ der AG"); ferner Homburger, (Fn. 17), S. 23. Baltrusch, Protokolle, S. 752. Vgl. etwa Hachenburg, Protokolle, S.252, 760f.; Solmssen, S.755; Schweitzer, S.757; ebenso SchlegelbergerjQuassowskijSchmölder, (Fn.7), Vorbem. 2 vor §262a HGB; §262e HGB, Anm.7. Schmölder, Protokolle, S. 185; Wussow, S.226; ebenso Deutscher Anwaltverein, (Fn.10), I.Teil, S. 114. Ganz in diesem Sinne auch Reichsjustizminister Gärtner, Protokolle, S. 756.
Machtbalancen im Aktienrecht
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b) In dieser Weise werden auch heute noch die Überwachungspflichten des Aufsichtsrates hinsichtlich der Rechnungslegung interpretiert: Diese ist anhand des Prüfungsberichtes zu überwachen". Zwar dürfen sich die Ratsmitglieder nicht blind auf den Bericht verlassen; gibt er jedoch weder in seiner Vollständigkeit, noch in seiner inneren Folgerichtigkeit zu Zweifeln Anlaß, so dürfen sich die Aufsichtsratsmitglieder darauf beschränken, ihn sorgfaltig zu studieren und den in ihm möglicherweise enthaltenen Einzelhinweisen nachzugehen 84 . 3.
Aufsichtsratsausschüsse
Die Bildung von Aufsichtsratsausschüssen begreift man heute in erster Linie als Maßnahme, um die knappen personellen Resourcen im Aufsichtsrat arbeitsteilig und zugleich optimal kombiniert einzusetzen. Dabei spielt das Ziel, die Informationsströme innerhalb des Aufsichtsrats zu kanalisieren, zwar eine gewisse, aber eher doch nachrangige Rolle 83 . Anders dagegen in den Beratungen des Aktienrechtsausschusses: a) Schon in seiner Lesung war beantragt worden, den Arbeitnehmervertretern im Aufsichtsrat das Recht zu gewähren, in jedem Ausschuß vertreten zu sein. Denn im Aufsichtsratsplenum finde nur eine mehr oder weniger formale Berichterstattung statt; wer an den Vorarbeiten nicht teilgenommen habe, könne die zur Beratung anstehenden Gegenstände in ihrer Tiefe kaum begreifen 86 . Gefordert wurde also die obligatorische Ausschußmitgliedschaft für Arbeitnehmervertreter. Es liege doch im Interesse der Gesellschaften selbst, die Verantwortung für die Leitung des Unternehmens auch auf die Arbeitnehmer- und Angestelltenschaft zu übertragen 87 - eine Argumentationsfigur, die später mit zur Legitimation des MitbestG 1976 verwendet worden ist88. - Einer solchen obligatorischen Ausschußmitgliedschaft hielten andere entgegen, sie benachteilige die Anteilseignervertreter im Aufsichtsrat und überdies bestehe für sie kein sachliches Bedürfnis, weil die Arbeitnehmervertreter alle sie interessierenden Fragen im Aufsichtsratsplenum zur Sprache bringen könnten 8 '. Daraufhin wurde in der zweiten Lesung der ursprüngliche Antrag abgeschwächt und zugleich erweitert: Jeder Anteilseigner- und Arbeitnehmervertreter im Aufsichtsrat sollte wenigstens an den Ausschußsitzungen teilnehmen können™. Anderenfalls stecke man nämlich die Arbeitnehmervertreter als Ratsmitglieder zweiter Klasse in einen sozial 85
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Kropf/in: Geßler/Hefermehl/Kckardt/Kropff, A k t G , 1973, §166, A n m . 3 f . ; Claussen, Kölner K o m m . , §166 A k t G , A n m . 2 ; Hommelhoff, BB1981, 944f.; ders., Z G R 1 9 8 3 , 551, 556. Kropfj; (Fn. 83), § 171 A k t G , Anm.öff.; Claussen, (Fn. 83), § 171 A k t G , A n m . 4 f f . jeweils m.w.N. Siehe dazu jüngst Rellermeyer, Aufsichtsratsausschüsse, 1986, S. 1 ff. Eggert, Protokolle, S. 173. In dieser Richtung argumentierte unter Hinweis auf das Betriebsrätegesetz namentlich Eggert, Protokolle, S. 174. Vgl. B V e r f G F , 50, 290, 350; Bericht der Mitbestimmungskommission, Bundestags-Dr. VI/334, S. 16. Grund, Protokolle, S. 167; zustimmend Schmölder, S. 182; ferner Cohen, S. 219. Antrag Nr. 1820; dazu Hachenburg, Protokolle, S.712; s. auch schon Baltrusch, S. 191.
Der Aufsichtsrat
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politischen Ausschuß, und damit sei die Sache zu Ende". Indes im Aktienrechtsausschuß erhob sich g e g e n ein allgemeines Teilnahmerecht Protest: Es w ü r d e bloß dazu anreizen, informelle Beratungsgremien - der Justizminister sprach plastisch von einem „Kronrat" - und andere Privatzirkel zu bilden - 2 . Mit nur einer Stimme Mehrheit w u r d e das Teilnahmerecht angenommen". b) Das Aktiengesetz 1937 hatte diesen Vorschlag wieder aufgegriffen und ein allgemeines Teilnahmerecht gewährt, es jedoch in § 93 Abs. 2 als durch die Satzung oder durch den Aufsichtsratsvorsitzenden entziehbares ausgestaltet. Während der Beratungen zum Aktiengesetz 1965 empfahlen die Bundestagsausschüsse, den Satzungsvorbehalt zu streichen' 4 , so daß heute nur noch der Aufsichtsratsvorsitzende die Teilnahme verwehren kann (§ 109 A b s . 2 A k t G 1965)".
4. Minderheitsvertreter
im
Aufsichtsrat
Der Aktiengesetzentwurf hatte in seinem § 76 einer 10%igen Aktienminderheit das Recht auf einen Sitz im Aufsichtsrat g e w ä h r e n wollen. Dieser Vorschlag erlitt im Aktienrechtsausschuß ein bemerkenswertes Schicksal: Nachdem er in der ersten L e s u n g mit knapper Mehrheit abgelehnt worden war"', sprachen sich nach der Beratung in der zweiten Lesung fast alle Ausschußmitglieder für dies Minderheitsrecht aus' 7 , a) Begründet w u r d e der Gesetzesvorschlag u. a. mit der E r w ä g u n g , die Macht der die Aktiengesellschaft beherrschenden Mehrheit solle abgeschwächt und außerdem der Minderheit die Möglichkeit eröffnet werden, ihren Willen zum Ausdruck zu bringen". Der Minderheitenvertreter solle die Aktienminderheit schützen. Der Schutzgedanke sei - so der Reichsjustizminister" - schon im bisherigen Recht verwirklicht; nunmehr müßte die Minderheit gegenüber den sie überwältigenden Mehrheiten in besonderer Weise geschützt werden. Denn ursprünglich hätten die Aktiengesellschaften d e m mittelständischen Kapital die Teilnahme an der Wirtschaftsentwicklung g e w ä h r e n sollen; heute jedoch - das heißt: im J a h r e 1932 - sei ein gleichartiger Aktienbesitz nicht mehr vorhanden. Unterstützt wurde dieser Vorschlag durch die Überlegung, bis jetzt suchten sich die Vorstände die Personen aus, durch die sie kontrolliert werden sollten. A u c h 4 "
Baltrusch,
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Gärtner, Protokolle, S. 720; Silverberg, S. 715; in der ersten Lesung auch schon Schmötder, S. 183. Protokolle, S. 725. Ausschußbericht zu § 109 II, K r o p f f , Textausgabe A k t G , S. 153. Dazu Peus, Der Aufsichtsratsvorsitzende, 1983, S . 5 2 f f . einerseits sowie Rellermeyer, Aufsichtsratsausschüsse (Fn.85), S. 230 ff. andererseits. Protokolle, S.256; ablehnend gegenüber einem gesetzlichen Minderheitenvertreter im A u f sichtsrat schon Deutscher Anwaltverein, (Fn. 10), I. Teil, S. 105. Protokolle, S. 749 (allerdings mit der Einschränkung, daß die einzelnen Mitglieder der Minderheit über ihren Aktienbesitz seit mindestens zwölf Monaten verfügen).
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"
Protokolle, S. 718; Eggert, S. 714.
Neufeld, Protokolle, S. 205. Gärtner, Protokolle, S. 745.
88
Machtbalancen im Aktienrecht
werde die Anwesenheit eines Minderheitsvertreters im Aufsichtsrat manche für die Gesellschaft nachteilige Transaktion verhindern 100 . Diese Regelungsabsicht stieß in der ersten Lesung auf lebhaften, in der zweiten dann nur noch auf verhaltenen Widerstand. Eine Reihe Ausschußmitglieder wollte die schon vorhandenen Minderheitsrechte nicht noch ausgeweitet wissen. Das Recht auf den Minderheitsvertreter lasse sich genauso mißbrauchen wie etwa das Anfechtungsrecht 1 " 1 ; man könne sich schon Zeitungsinserate mit der Aufforderung vorstellen, sich zu einer Minderheit zusammenzuschließen. In kleinen und mittleren Gesellschaften bestehe außerdem die Gefahr, daß sich ein Konkurrenzunternehmen den Minderheitssitz im Aufsichtsrat verschaffe 102 . b) Den Gedanken eines Minderheitsvertreters im Aufsichtsrat hat der Gesetzgeber bis heute nicht verwirklicht. Zwar hatte er sich mit dieser Frage im Zuge der Aktienrechtsreform 1965 beschäftigt, von der Kodifikation dann jedoch mit der Begründung abgesehen, ein auf die Minderheit gerichtetes Wahlverfahren würde wesentliche Änderungen im Recht des Aufsichtsrats erfordern. Bedenken sah er vor allem für die paritätisch aus Anteilseigner- und Arbeitnehmervertretern zusammengesetzten Aufsichtsräte. In ihnen käme dem Minderheitsvertreter die ausschlaggebende Stellung zu, und das verstoße gegen das Mehrheitsprinzip"". Ob diese Erwägung noch heute überzeugt, bedürfte näherer Prüfung.
V . Die Hauptversammlung Allgemeines Reformanliegen war es damals, den Einfluß der Aktionäre auf die Gesellschaft zu stärken. Dabei war man sich über die Doppelwirkung dieses Vorhabens durchaus im klaren. Denn, wie es Hachenburg formulierte, je mehr man die Stellung der Aktionäre betone, desto mehr werde die Bewegungsfreiheit der Verwaltung gehemmt 104 . Gewichte auf diesem Waagbalken der Macht waren vor allem die Regelung des Stimmrechts und das Fragerecht des Aktionärs.
Marx, Protokolle, S.742f. mit dem Hinweis auf den Einfluß der Banken mittels ihrer Depotstimmen; Baltrusch, S.739 wollte über einen Minderheitsvertreter der Cliquenwirtschaft in den Aufsichtsräten ein Ende bereiten. "" Hachenburg, Protokolle, S.249£; Schrejer, S.746; kritisch ferner Naphtali, S.219; Silverberg, S. 210; ablehnend ebenfalls Düringer/Hachenburg, (Fn. 7), Einl., Anm. 92. 1,12 Vögele, Protokolle, S. 747. lra Begründung RegE zu § 101, K r o p f f , Textausgabe AktG, S. 138. 104 Vgl. zu diesem Kräftespiel Hachenburg, Ergebnis, S. 84 f. 100
89
Die Hauptversammlung
1.
Mehstimmrechtsaktien
Intensiv beriet der Aktienrechtsausschuß das Institut der Mehrstimmrechtsaktie, die nicht nur eine, sondern das Vielfache an Stimmen gewährt 105 - in der damaligen Praxis zuweilen das Hundert-, ja sogar das Tausendfache"", u m e t w a eine Überfremdung durch ausländische Kapitalanlieger abzuwehren. a) Der Generaleinwand gegen diese Mehstimmrechtsaktie g i n g dahin, sie vertrage sich nicht mit den leitenden G r u n d g e d a n k e n des Aktienrechts. Denn das Stimmrecht müsse allein nach der Kapitalbeteiligung abgestuft sein107. Die Mehrstimmrechtsaktie habe das Mißtrauen gegen deutsche Aktien wesentlich gestärkt 10 ". In einer freien Marktwirtschaft dürfen keine künstlichen Hindernisse eingeführt werden - auch nicht gegen eine mögliche Überfremdung aus dem Ausland; das kapitalistische System verlange Freizügigkeit des Kapitals1™. Andere Gegner der Mehrstimmrechtsaktie betonten die Mißbräuche, die mit ihr getrieben werden könnten und auch getrieben worden seien11". Diese Aktie habe mancher V e r w a l t u n g eine unbeschränkte Macht über die Gesellschaft ohne entsprechenden Anteil am Kapitalrisiko verschafft und gesichert 1 ". Sie erhalte lediglich Industriedynastien und fördere die Verwaltungsdiktatur" 2 : Der Vorstand mache sich unabhängig v o n der Hauptversammlung, entziehe sich möglichst deren Kontrolle und könne sich überdies seinen Aufsichtsrat nach Lust aussuchen 1 ". Diesen Argumenten hielt schon der Berichterstatter entgegen, Mißbräuche von Mehrstimmrechtsaktien habe die Presse stets scharf kritisiert; deshalb seien ihre Inhaber g a r nicht in der Lage, von ihren selbst geschaffenen Rechten Gebrauch zu machen" 4 . Im übrigen betonten alle Befürworter der Mehrstimmrechtsaktie ihre Notwendigkeit, ja Unverzichtbarkeit" 1 : für die Sanierung, zur A b w e h r drohender Ü b e r f r e m d u n g aus 105
107
Nach der Legaldefinition des §261 a Abs. 1 Β I HGB waren Stimmrechtsaktien solche, denen ein höheres Stimmrecht beigelegt ist als den Aktien einer anderen Gattung oder die durch eine den Nennbeträgen nicht entsprechende Abstufung der Stimmrechte v o r den Aktien einer anderen Gattung bevorzugt sind.
Silverberg, Protokolle, S. 313; Schmölder, S. 327. Müller, Protokolle, S. 335; zustimmend Napbtali, S. 337; Cohen, S. 341.
™ Naphtali, Protokolle. S. 337, 660; so auch Schweitzer, 1W Müller, Protokolle, S . 3 3 5 f . ; zustimmend Schweitzer,
S.339f.; Wussow, S. 340.
S.344.
111
Nach der Ansicht des Deutschen Anwaltverems, (Fn. 10), I. Teil, S. 134 handelte es sich hierbei aber nur um Einzelfälle; ebenso Düringer j Hachenburg (Fn. 7), Einl., Anm. 13.
111
Naphtali, Protokolle, S. 661. Baltrusch, Protokolle, S. 324 f. 665; Schweitzer, S. 658; relativierend DüringerjHachenburg, (Fn. 7),
112
113 114
Einl., Anm. 102: es handele sich um ein bloß vorübergehendes Problem. Baltrusch, Protokolle, S.324, 665; Schweitzer, S.341. Silverberg, Protokolle, S . 3 1 4 ; in derselben Richtung Hachenburg, S.681 f.; einschränkend Naphtali, S. 339. Zur Wirkung der Presse allgemein: Untersuchungsbericht (Fn. 48), S. 3 0 sowie Minz in: Frankfurter Publizitätsgespräch, 1962, S. 258 ff. Im Ergebnis so auch Deutscher Anwaltverein (Fn. 10), I. Teil, S. 132 ff. unter grundsätzlicher Auseinandersetzung mit der Entwicklung der Stimmrechtsaktien. Siehe auch D ü r i n g e r j H a c h e n b u r g , (Fn. 7), Einl., Anm. 13; kritisch ablehnend Homburger, (Fn. 17), S. 5, 3 2 f f .
Machtbalancen im Aktienrecht
90 dem
Ausland" 6
und
zum
Schutze
gegen
Zufallsmehrheiten
in
der
Hauptver-
sammlung"7. D i e s e n E i n w ä n d e n versuchte eine Gruppe v o n Ausschußmitgliedern mit ihrem V o r schlag gerecht zu werden, die Mehrstimmrechtsaktie zu verbieten und sie n u r in besonderen Fällen mit Z u s t i m m u n g des Reichswirtschaftsministers zuzulassen"*. D e m trat sogleich der R e i c h s justizminister entgegen und bejahte als erstes o h n e jede B e g r ü n d u n g die N o t w e n d i g k e i t der Mehrstimmrechtsaktie. Sodann lehnte er eine staatliche G e n e h m i gung mit dem A r g u m e n t ab, die damit verbundene V e r a n t w o r t u n g könne keine Reichsstelle im Einzelfall ü b e r n e h m e n " ' . - Nachdem die W e i c h e in diesem Grundsatz gestellt war, wurden die F o l g e n einstimmig votiert: u. a. der Mindestbetrag v o n 500 R M und das S t i m m r e c h t für nicht mehr als das Zehnfache des Nennbetrages 1 2 0 . b) Im weiteren n a h m die Entwicklung der Mehrstimmrechtsaktien eine andere Richtung: N a c h § 12 Abs. 2 A k t G 1937 waren sie grundsätzlich unzulässig; Ausnahmen bewilligte der Reichswirtschaftsminister, wenn das W o h l der Gesellschaft oder gesamtwirtschaftliche Belange dies forderten. D e n n der Einfluß eines Aktionärs auf die G e s c h i c k e der Gesellschaft müsse dem Risiko entsprechen, das er mit der Kapitalbeteilig u n g e i n g e g a n g e n sei. Namentlich solle es fortan nicht möglich sein, daß Aktionäre mit g e r i n g e r Kapitalbeteiligung und auch nur geringem Risiko aufgrund
überhöhten
S t i m m r e c h t s die Hauptversammlung beherrschten 1 2 1 . - In den Beratungen um das Aktiengesetz 1965 flammte die Diskussion noch einmal auf; die Entwurfsverfasser hatten nämlich den Genehmigungsvorbehalt streichen wollen, weil er selbst zur Abwehr drohender Ü b e r f r e m d u n g nicht erforderlich sei122. Die Bundestagsausschüsse bestätigten dagegen die ü b e r k o m m e n e Rechtslage: Zuweilen bestehe ein öffentliches Interesse daran, die existierenden Herrschaftsverhältnisse zu erhalten 121 . Rechtspolitisch stand dabei der Gedanke im Vordergrund, den Einfluß der öffentlichen Hand auf die Versorgungswirtschaft zu sichern.
2. Bankenstimmrecht Z u m D e p o t s t i m m r e c h t der Banken und zur Legitimationszession enthielt der Aktiengesetzentwurf ganz bewußt keine Vorschläge, weil es die Interessen der freien Aktionäre gerade zu gefährden würde, wenn das B a n k s t i m m r e c h t beseitigt oder auch nur fühlbar
"' 11 118
'" 12,1
121 122 123
Silverberg, Protokolle, S.314; Fürstenberg, S. 320; Schmölder, S.326f.; Solmssen, S.332; Cohen, S.343; Wussow, S.344. Silverberg, Protokolle, S. 313; Solmssen, S. 332. Vorschlag in der 1.Lesung von Naphtali, Protokolle, S. 338 unterstützt von Cohen, S.343; zweifelnd Wussow und Grund, jeweils S.345 sowie Fürstenberg, S.347; Antrag in der 2. Lesung sodann von Bruns und Genossen, Protokolle, S.657. Gürtner, Protokolle, S. 659f.; ebenfalls ablehnend Fürstenberg, S. 663, 666; kritisch auch Hachenburg, S. 681 f. Protokolle, S. 685. Schlegelberger\£)uassowski, Aktiengesetz, 1937, §12, Anm. 4. Begründung RegE zu §12, Kropff, Textausgabe AktG, S.25. Ausschußbericht zu § 12, Kropff, Textausgabe AktG, S. 25 f.
Die Hauptversammlung
91
eingeschränkt würde 124 . Mit dieser Enthaltsamkeit gaben sich im Aktienrechtsausschuß eine Reihe seiner Mitglieder nicht zufrieden, sondern stellten unterschiedliche E r g ä n zungsanträge mit dem übereinstimmenden Ziel, die Stimmrechtsausübung durch die Banken enger an den Willen der Aktionäre rückzubinden 1 2 '. a) Begründet wurde die vorgeschlagene Rückbindung u. a. mit der Überlegung, die Banken benützten die Stimmen der bei ihnen hinterlegten Aktien, um ihre Interessen als K r e ditgeber der Aktiengesellschaft zu wahren, und gerieten dabei mit den Interessen der von ihnen vertretenen Aktionäre in Konflikt 1 2 6 . Die Bank verständige sich mit der Verwaltung auf K o s t e n der Aktionäre 1 2 ; dadurch könnten die Verwaltungen praktisch in allen Fällen auch berechtigte Anträge der Opposition zum Scheitern bringen. So habe man unter Mitwirkung der Banken sogar da, wo die Vorstandsverantwortung eklatant gewesen sei, Regreßansprüche unterdrückt. Diese Abwürgungsmaßnahmen seien in vielen Fällen gar nicht offenkundig geworden 12 ". Außerdem stellten sich die Banken die Depotaktien gegenseitig zur Verfügung; und danach kümmere sich die einzelne Bank nicht mehr darum, was eigentlich geschehe 1 2 '. Hiergegen argumentierten im Aktienrechtsausschuß auch und vor allem Vertreter des Justizministeriums und des Reichskuratoriums für das Bankgewerbe. Sic ließen sich von zwei Haupterwägungen leiten: Z u m ersten könne es nicht Aufgabe des Gesetzgebers sein, den Aktionär aus seiner Lethargie zu wecken. E r müßte selbst beurteilen, was zur Wahrung seiner Interessen geboten sei"". Solange Rente und Kapital nicht gefährdet seien, kümmere sich der Aktionär eben nicht um die Gesellschaft" 1 . Und zum zweiten würden die Banken schon von sich aus ihre Depotkunden befragen, wenn mit Opposition in der Generalversammlung gerechnet werden müßte" 2 . Ohne das Bankenstimmrecht wären die Interessen der Aktionärsgesamtheit nur von den in der Hauptversammlung erschienenen Aktionären präsentiert, und damit wären diese Gesamtinteressen beeinträchtigt: Die Leute, die die Generalversammlung zu irgendwelchen Z w e c k e n miß12,1
Reichsjusti^ministerium,
Bemerkungen, abgedruckt unten S. 786; diese Sehweise wurde geteilt
vom Deutscher Anwaltverein, (Fn. 10), I. Teil, S. 165; Homburger, (Fn. 17), S. 74 sowie vom Unter-
123
suchungsbericht, ( F n . 4 8 ) , S. 29; zum rechtstatsächlichen Hintergrund: Düringer/1Iachenburg, (Fn. 7), Finl., A n m . 1 5 . Baltrusch, Protokolle, S. 286; I'iirstenberg, S. 404; zu der bis dahin gehandhabten Praxis siehe auch Untersuchungsbericht, (Fn. 48), S . 2 5 f .
126
Baltrusch, Protokolle, S. 386; Tarnow, S. 396; Naphtali, S. 397; Fürstenberg, S. 404; siehe in diesem
12
Zusammenhang auch Düringer/Hachenburg, (Fn. 7), Einl., Anm. 72. Baltrusch, Protokolle, S . 3 8 6 f . ; Marx, S. 388; in dieser Richtung auch Naphtali, S. 397 f.; vgl. ferner die Einschätzung der tatsächlichen Lage im Untersuchungsbericht, ( F n . 4 8 ) , S . 3 2 7 ; Deut-
scher Anwaltverein, (Fn. 10), I. Teil, S. 164. 128 129
Marx, Protokolle, S. 388; vgl. auch Baltrusch, S. 3 8 6 f . Naphtali, Protokolle, S . 3 9 7 ; siehe in diesem Zusammenhang auch Deutscher Anaaltverein, (Fn. 10), I. Teil, S. 164, 166: das Verleihen von Aktien ist gänzlich grundsatzwidrig; Homburger, (Fn. 17), S. 74.
130
Mulert, Protokolle, S. 396; SchmMer, S. 390; Solmssen, S. 402; Tarnow, S. 396.
1.1
Solmssen, Protokolle, S . 3 9 4 ; vgl. ferner Untersuchungsbericht, ( F n . 4 8 ) , S. 19f. Schmölder, Protokolle, S . 3 8 9 f . ; Solmssen, S . 3 9 4 f . ; Wolf, S . 3 9 2 f .
1.2
92
Machtbalancen im Aktienrecht
brauchen wollten, legten eine viel größere Rührigkeit an den Tag als die übrigen Aktionare . A m E n d e seiner Debatte sprach sich der Aktienrechtsausschuß mit großer Mehrheit dafür aus, Legitimationszession und Depotstimmrecht der Banken nicht im Gesetz zu regeln"\ b) § 114 A b s . 4 A k t G 1937 hingegen nahm das Anliegen der im Aktienrechtsausschuß unterlegenen Antragsteller auf und band die Depotbanken ganz eng an den Willen der Aktionäre zurück: Ausgeübt werden konnte das Stimmrecht bloß auf der Grundlage einer besonderen schriftlichen Ermächtigung für längstens fünfzehn Monate. Zwar könnten die Banken dadurch im Einzelfall eine ihnen nicht zukommende Machtposition in der Gesellschaft erlangen; aber das sei das kleinere Übel. Die Ermächtigung des Aktionärs sei von Gesetzes wegen zeitlich zu beschränken, so daß sich der Aktionär immer wieder von neuem entscheiden müsse, o b er die Bank ermächtigen wolle" 5 . Auf dieser schon im Aktiengesetz 1937 gelegten Schiene hat § 135 A k t G 1965 das Recht des Bankenstimmrechts unter den beiden Grundgedanken fortgeschrieben, die Aktionärskontrolle über die Verwaltung zu intensivieren und die Banken von dem Verdacht zu befreien, sie übten das Stimmrecht in ihrem eigenen Interesse aus" 6 . Aber damit hat die rechtspolitische Diskussion um das Depotstimmrecht noch immer kein Ende gefunden" 7 . 3. Fragerecht Unter der Geltung des H G B war der Vorstand mitnichten gegenüber dem einzelnen Aktionär zur Auskunft verpflichtet, sondern allein gegenüber der Hauptversammlung. N u r wenn diese ein bestimmtes Informationsverlangen beschloß, mußte der Vorstand dem nachkommen. Daher hatten die Aktionäre nicht selten über Maßnahmen abzustimmen, ohne die dafür erforderlichen Kenntnisse zu besitzen. Zwar hatte das Reichsgericht dem gelegentlich durch die Annahme eines Sonderrechts auf Information abzuhelfen versucht; aber dessen Voraussetzungen waren unsicher" 8 . Rechtssicherheit wollte schon der erste Aktiengesetzentwurf von 1930 auf dem Wege eines individuellen Fragerechts für jeden Aktionär schaffen (§ 86 Abs. 1 Satz 1 Ε I). Das Fragerecht bilde die Grundlage der Stimmrechtsausübung; ohne dies sei der Aktionär außerstande, sich die nötigen Abstimmungsunterlagen zu verschaffen"'. Dies Individualrecht auf Auskunft nahm der zweite Aktiengesetzentwurf von 1931 zurück: Zwar gab § 88 Abs. 1 Ε II jedem Aktionär 1,3
Cohen, Protokolle, S. 399; Solmssen, S. 395; Müller, S. 400; noch etwas vorsichtiger Wolf, S. 391. Protokolle, S. 408. " 5 Amtliche Begründung zu §§ 102-104, abgedruckt bei Matthes, Aktienrecht, 1937, S. 198f. "'' Begründung RegE zu § 135, Kropff, Textausgabe AktG, S. 194. Siehe nur Bericht der Studienkommission „Grundsatz/ragen der Kreditwirtschaft", 1979, S. 101 ff.; weitere Nachweise bei Zollner, Kölner Komm., Einl., Anm.214; neuestens Tilmann, Wirtschaftsrecht, 1986, S.98f. " 8 Grundlegend RGZ82, 182; siehe noch Staub, HGB, 12./13.Aufl. 1926, §160, Anm. 20. "' Reichsjusti^ministerium, unten S. 789. 134
Die Hauptversammlung
93
einen Anspruch auf Auskunft; lehnte sie jedoch der Vorstand ab, w a r die A u s k u n f t nur dann zu erteilen, w e n n das Individualverlangen von einer mindestens 1 0 % i g e n Aktienminderheit unterstützt wurde. Aber auch dann konnte die Auskunft verweigert werden, wenn das überwiegende Interesse der Gesellschaft oder der Allgemeinheit es erforderte (§ 88 Abs. 3 Ε II). a) Im Aktienrechtsausschuß w a r der einzelne A k t i o n ä r als Inhaber des Auskunftsanspruchs grundsätzlich anerkannt; kontrovers diskutiert w u r d e allein die Durchsetzung dieses Anspruchs: Sollte der einzelne Aktionär dies allein tun können oder bloß zusammen mit einer qualifizierten Aktienminderheit? Für die Ausgestaltung als bloßes Minderheitsrecht w u r d e ein ganzes Bukett an A r g u menten vorgetragen: Das Recht auf A u s k u n f t sei keineswegs A u s f l u ß des jedem Aktionär zustehenden Stimmrechts 140 . Man könne doch nicht jedem Inhaber einer Aktie zu 20 R M das Recht geben, den Vorstand unter allen Umständen zur Auskunft zu zwingen. Die zahlreichen Arbeiter und Angestellten, die die Gesellschaft beschäftige, dürften nicht durch die Auskünfte, die ein d u m m e r Aktionär verlange, und solche gebe es auch, geschädigt werden 141 . A u ß e r d e m sei zu befürchten, daß sich aus der Möglichkeit, durch Fragen die Interessen der Gesellschaft zu beeinträchtigen, für diese Leute allmählich ein Geschäft herleiten könne 142 . D e m g e g e n ü b e r hatte das eine Ausschußmitglied, das ein Individualrecht auf Auskunft verfocht, keine Durchsetzungschance 1 4 3 . Sehr viel erfolgreicher war d a g e g e n das Bemühen, den U m f a n g der erforderlichen Minderheit herabzusetzen. In großen Gesellschaften führe nämlich der Satz von zehn Prozent praktisch zur Ausschaltung des Fragerechts 144 . Z w a r remonstrierte ein anderes Ausschußmitglied, wer wisse, wie die Minderheit die Mehrheit schikaniere, werde diese Minderheit nicht zu knapp bemessen wissen wollen 14 '. A b e r dennoch stimmte der Aktienrechtsausschuß für die Herabsetzung der Minderheit auf fünf Prozent 146 . b) Über die Beratungen des Aktienrechtsausschusses ist die weitere E n t w i c k l u n g hinw e g g e g a n g e n : § 112 A k t G 1937 gestaltete das Auskunftsrecht als Individualrecht aus und gewährte es überdies auch dem Inhaber stimmrechtsloser Vorzugsaktien. Rechtsdogmatisch wurde das Auskunftsrecht damit zum besonderen Mitgliedschaftsrecht, vergleichbar dem Teilnahme-, Stimm- und Anfechtungsrecht 1 4 7 . Aber mehr als a u f g e w o g e n w u r d e diese Besserstellung des einzelnen Aktionärs durch die Bestimmung des § 112 Abs. 3 A k t G 1937; sie g a b dem Vorstand das Recht, die Auskunft w e g e n überwiegender 140 141
142
Quassowski, Protokolle, S. 273; anders aber Deutscher Cohen, Protokolle, S . 2 7 5 f .
Anwaltverein,
(Fn. 10), I. Teil, S. 24.
Quassowski, Protokolle, S. 273; Schweitzer, S. 277; Schrejer, S. 282.
143
Baltrusch,
Protokolle, S. 274.
144
Naphtali,
Protokolle, S . 2 7 8 f . ; zustimmend Wussow,
145
Cohen, Protokolle, S. 284.
14i
Protokolle, S.285; siehe auch Homburger, (Fn. 17), S . 2 6 f . m.w.N. SchlegelbergerjQuassowski, (Fn.121), § 1 1 2 A k t G , A n m . 2 ; sehr viel stärker noch auf das Stimmrecht bezogen: Amtliche Begründung zu §§102—124, Matthes, Aktienrecht, S. 194 f.
147
S.281.
Machtbalancen im Aktienrecht
94
Belange der Gesellschaft und der Allgemeinheit (des gemeinen Nutzens von V o l k und R e i c h ) zu verweigern, und stellte die E n t s c h e i d u n g darüber in das pflichtgemäße V o r standsermessen. Gerichtlich nachprüfbar war allein, o b der V o r s t a n d bei seiner W e i g e rung ermessensmißbräuchlich gehandelt hatte. - Insoweit hat erst das Auskunftsverfahren nach § 132 A k t G 1965 Abhilfe geschaffen. V I . Erleichterte Kapitalbeschaffung S c h o n auf den Juristentagen von 1 9 2 4 und 1926 war es ein besonderes Anliegen gewesen, den Gesellschaften den Zugang zum Kapitalmarkt zu erleichtern 14 *. Diese V o r s t ö ß e hatten die Aktiengesetzentwürfe mit den neuen Instrumenten des bedingten und des genehmigten Kapitals aufgegriffen 1 4 '. Während das bedingte Kapital mit dem Ziel geschaffen werden sollte, für Unternehmcnszusammenschlüsse und für den Tausch v o n W a n delschuldverschreibungen"" ein Instrument der Aktienbeschaffung
bereitzustellen,
sollte das genehmigte Kapital zugleich dazu dienen, das gefahrliche Instrument der V o r ratsaktie" 1 zu substituieren 1 ' 2 .
1. Genehmigtes Kapital a) I m Aktienrechtsausschuß stieß das genehmigte Kapital während der ersten L e s u n g auf erhebliche B e d e n k e n ' " : D i e Zuständigkeiten der Aktionäre würden in unerträglicher Weise a u f die V e r w a l t u n g s o r g a n e verlagert. Kapitalerhöhung und Ausgabe neuer A k tien gehörten zu den wichtigsten Aufgaben der Generalversammlung. M a n k ö n n e dem V o r s t a n d nicht eine V o l l m a c h t erteilen, die unüberblickbar weit gehe. W e n n man die Vorratsaktien abschaffen wolle, weil der Vorstand über diese Aktien ohne Befragen der Aktionäre verfüge, dann dürfe man ihm dieselbe Befugnis nicht wieder im W e g e des genehmigten Kapitals einräumen. - Diese und andere Argumente veranlaßten den Aktienrechtsausschuß am E n d e der ersten Lesung, das g e n e h m i g t e Kapital als Finanzierungsinstrument einstimmig abzulehnen 1 ' 4 . U m dennoch den Verwaltungsorganen ein wenig Flexibilität bei der Kapitalerhöhung zu gewähren, beschloß der Ausschuß, der Verwaltung die D u r c h f ü h r u n g einer beschlossenen Kapitalerhöhung in der Weise zu überlassen, daß diese innerhalb einer bestimmten angemessenen Zeit darüber befinden soll, wann sie die Aktienzeichnungen entnehmen will" 5 . Vgl. Verhandlungen des 3 3 . D J T 1924, S.429ff.; Lehmann, 3 4 . D J T 1926, Bandl, Gutachten, S.283; Band II, Verhandlungen, S.611; siehe auch den Bericht, den Hachenburgnui dem 35. D J T 1928 (Band II, Verhandlungen, S.41 ff.) über die Refom des Aktienrechts erstattet hat. "" §§157ff., 171 ff. F I; §§157ff., 170ff. F. II. "" Dazu DüringerjHachenhurg, (Fn.7), F.inl., Anm.20. 1.1 Siehe oben S. 76 1.2 Zur Abgrenzung zwischen Vorratsaktien und genehmigtem Kapital: DüringerjIlachenburg, (Fn.7), F.inl., Anm.23. 151 Wussow, Protokolle, S. 115; kritisch auch Brodmann, (Fn. 2), S. 9 ff. 154 Protokolle, S. 140. ' " Protokolle, S. 140; diese Lösung geht auf Anregung von Wussow, S. 124 undjQuassowski, S. 138 f. zurück. 148
Erleichterte Kapitalbeschaffung
95
In der zweiten Lesung setzte sich der Reichsjustizminister persönlich für das genehmigte Kapital ein. D i e Wirtschaft brauche einen W e g , der beweglicher, rascher und anpassungsfähiger an den G e l d m a r k t sei als die normale Kapitalerhöhung. D e r V o r s c h l a g des Aktienrechtsausschusses, den Vorstand bei der D u r c h f ü h r u n g der Kapitalerhöhung freier zu stellen, sei eigentlich nicht viel anders als das genehmigte Kapital; dann sei ihm dieser offene W e g symphatischer 15 ''. O h n e das genehmigte Kapital würden die Vorratsaktien wieder aufleben; das wirtschaftliche Bedürfnis wäre dann übermächtig 1 ". — D i e Grundlage für einen breit fundierten K o m p r o m i ß im Aktienrechtsausschuß
legte
schließlich der V o r s c h l a g , das genehmigte Kapital nur auf eine kurze Zeit, höchstens ein J a h r , und nur für einen bestimmten Z w e c k schaffen zu können' 1 8 . Freilich wurde die obligatorische Zwecksetzung im Ausschuß nicht weiter erörtert und dann auch nicht in die Beschlußfassung mit a u f g e n o m m e n , mit der der Aktienrechtsausschuß das genehmigte Kapital, wenn auch ohne N e n n u n g einer bestimmten Jahreszahl, billigte 1 ''. b) Verwirklicht wurde das genehmigte Kapital endlich in den §§ 169 ff. A k t G 1937 und zwar mit einer längsten E r m ä c h t i g u n g von fünf J a h r e n (§ 169 Abs. 1). Die im Aktienrechtsausschuß zusätzlich vorgeschlagene Z w e c k b e g r e n z u n g wurde nicht als obligatorische, sondern b l o ß als fakultative aufgegriffen (§ 169 Abs. 2 Satz 2 2. H S ) . Und auch die gesellschaftsinterne Machtfrage, die in der ersten Ausschußlesung noch zur A b l e h n u n g des genehmigten Kapitals geführt hatte, war zumindest den Ministerialreferenten n o c h gegenwärtig, nur formulierten sie sie mit Blick a u f das neue G r u n d k o n z e p t des Aktiengesetzes 1937: Das genehmigte Kapital bestätige und stärke die Führerstellung des V o r stands; damit gingen wichtige Obliegenheiten aus dem Zuständigkeitsbereich
der
Hauptversammlung auf diesen über"'". - § 202 A k t G 1965 hat diese Regelung im wesentlichen nur sprachlich geändert ü b e r n o m m e n .
2.
Be^ugsrechtsaussekluß Aspekte erleichterter Kapitalbeschaffung birgt auch der Bezugsrechtsausschluß, den
die Aktiengesetzentwürfe einführen wollten"' 1 . a) In den Beratungen des Aktienrechtsausschusses verhehlte der Regierungsvertreter nicht, daß nicht bezugsberechtigte Aktionäre gelegentlich benachteiligt worden seien. A b e r trotzdem habe man sich nicht dazu durchringen k ö n n e n , den Bezugsrechtsausschluß als generell unzulässig zu verwerfen"' 2 . Andernfalls wären Kapitalerhöhungen ge-
Giirtmr, Protokolle, S. 638. Gürtner, Protokolle, S. 730. 158 Marx, Protokolle, S. 733. ,5 " Protokolle, S. 734. "'" Scblegelberger\Quanowski, (Fn. 121), § 169 AktG, Anm. 3. 161 § 1 5 0 Abs! 3 H I / § 1 5 1 Abs. 3 Ε II. "'2 Quassowski, Protokolle, S. 303; ähnlich auch schon Deutscher Anwaltverein, 156
(Fn. 10), I. Teil, S. 73.
Machtbalancen im Aktienrecht
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gen Sacheinlage und Fusion unmöglich. Außerdem wolle, wer eine Sanierung finanzieren solle, einen bestimmten Einfluß auf die Gesellschaft gewinnen. D e m stimmten andere Ausschußmitglieder zu: Häufig bekomme eine Gesellschaft bloß dann das notwendige Kapital, wenn der Anleger zugleich Einfluß auf das Unternehmen erhalte' 61 . In Zeiten großer Geldknappheit dürfe den Aktiengesellschaften die rasche Kapitalbeschaffung nicht allzu sehr erschwert werden 164 . - Demgegenüber konnte sich die Forderung, den Bezugsrechtsausschluß zu verbieten, nicht durchsetzen; ihre Begründung fand kein Gehör: Der Ausschluß des Bezugsrechts könne den Zweck haben, kapitalstarken Großaktionären eine besondere Machtstellung auf Kosten der anderen Aktionäre zu verschaffen 16 '. Außerdem sollte man die Aufsaugung in der Wirtschaft nicht noch weiter fördern; die deutsche Wirtschaft müsse vielmehr zurück zu mittleren und kleinen Unternehmen' 6 '. b) Die Fassung der damaligen Aktiengesetzentwürfe wurde (unter zwingender Verkoppelung mit dem Kapitalerhöhungsbeschluß) in § 153 Abs. 3 A k t G 1937 und anschließend in § 186 Abs. 3 A k t G 1965 übernommen. Durchgreifend verändert hat erst das „Kali & Salz"-Urteil des Bundesgerichtshofs 16 ' die Rechtslage zum Schutze der nicht bezugsberechtigten Aktionäre: Erforderlichkeit und Verhältnismäßigkeit des Bezugsausschlusses sind die materiellen Voraussetzungen für die Rechtmäßigkeit des Hauptversammlungsbeschlusses. Aber abgeschlossen ist die Diskussion um den Bezugsrechtsausschluß damit noch immer nicht16*.
V I I . Gesamtwürdigung Die Verhandlungen im Aktienrechtsausschuß des Vorläufigen Reichswirtschaftsrats stehen am Ende einer ungemein intensiven und fruchtbaren Diskussion, die zur Reform des Aktienrechts in der Weimarer Republik auf ganz unterschiedlichen Ebenen und Foren zwischen dem Reichsjustizministerium und der Praxis geführt worden war.
1. Die Rolle der
Wirtschaftsanwälte
Die besondere Sehweise der Praxis und ihre Argumente brachten vor allem die Anwälte in die Debatte ein; sie verkörperten allgemein und namentlich in der Person Max Hachenburgs den qualifizierten rechtspraktischen Sachverstand der damaligen Zeit in
165
Gussow, Protokolle, S. 305, 308. Cohen, Protokolle, S. 306. Protokolle, S. 301; in dieser Richtung auch Gründe!,
163
Fedisch,
,66
Baltrusch,
167
B G H Z 7 1 , 40; dazu Lutter,
Protokolle, S. 309 f.
Z G R 1 9 7 9 , 4 0 1 ; Wiedemann,
S.308.
ZGR1980,147,156ff.
"* Wiedemann, Gesellschaftrecht, Bandl, 1980, S.447ff.; Hirte, Bezugsrechtsausschluß und Konzernbildung, 1986.
Gesamtwürdigung
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herausragender Weise. Angehörige anderer Berufsgruppen wie etwa Richter oder Professoren traten demgegenüber eher zurück. Zwar wäre das Bild der Reformdebatte ohne die Namen Brodmann, Flechtheim und Lehmann falsch gezeichnet; sie aber waren nicht die Repräsentanten ihrer jeweiligen Gruppen, sondern eher einsame Rufer. Diese starke Stellung der Anwälte blieb nicht ohne Wirkung auf Ablauf und Inhalt der Reformdiskussion: Die breite Erfahrung der Anwälte aus ihrer Beratung der Aktiengesellschaften, aber zugleich ihre intime Kenntnis derer Probleme und Konflikte hatte sie für die Notwendigkeit, das überkommene Aktienrecht fortzuentwickeln, hellhörig gemacht; sie wußten sehr wohl, auf wie vielen Feldern das Aktienrecht an die Grenzen seiner Leistungsfähigkeit gestoßen war und wie häufig die Praxis auf der Grenzlinie oder zuweilen sogar dahinter operierte. Deshalb konnten sich die Anwälte der verbreiteten Forderung, das Aktienrecht unverändert zu lassen, nicht anschließen. Auf der anderen Seite beruhigten sie manch' überschäumenden Reformeifer: Sie sahen die schädlichen Auswirkungen vorweg, die überzogene Regelungsvorschläge auf die Praxis der Aktiengesellschaften haben mußten, und verstanden es immer wieder, den Weg praktischer Vernunft zu weisen, ohne sich jedoch kritiklos einseitige Praxisstandpunkte anzueignen. So nahmen sich diese freien Anwälte nicht nur der Interessen der Aktienunternehmen geschickt an, sondern traten zugleich als im wesentlichen erfolgreiche Vermittler zwischen Reformern und Bewahrern auf. Der Ausgleich zwischen diesen und dem Teil, der dabei auf die Anwaltschaft und ihre Vermittlung entfiel, läßt sich gut an den Verhandlungen im Aktienrechtsausschuß ablesen: Hier mußten die entgegengesetzten Positionen schon wegen der ständisch-personellen Zusammensetzung des Ausschusses hart aufeinanderprallen. Dennoch war es Max Hachenburg gelungen, die Fronten vor Verhärtungen stets soweit freizuhalten, daß für den freien Austausch der Argumente und für den Versuch, andere Ausschußmitglieder mit den besseren Argumenten zu überzeugen, das Klima erhalten blieb. Dazu hat sicher die Tatsache beigetragen, daß Hachenburg selbst in schwierigen Beratungsstadien mit klugen Erwägungen die Reformdebatte bereichert und vorangebracht hatte. Aber andererseits darf man auch nicht übersehen, wie stark seine unternehmenspraktische Sehweise die Abstimmungsergebnisse im Aktienrechtsausschuß beeinflußt hatte, so daß sich manch' zukunftsträchtiges Argument erst später mit dem Aktiengesetz 1937 durchsetzen konnte.
2. Grundfragen in den
Ausschußverhandlungen
Kennzeichnende Einblicke gewähren die Verhandlungsprotokolle des Aktienrechtsausschusses aber noch in anderer Hinsicht: Sie demonstrieren den Hang zum perfektionistischen Detail und das Fehlen einer expliziten Grundsatzdebatte in all' jenen Gremien, die mit Blick auf den Gesetzgeber arbeiten. Eine grundlegende Aussprache über „das
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Unternehmen an sich"169 oder über eine vergleichbare Grundfrage hat es im Aktienrechtsausschuß nicht gegeben. Dazu trug sicher die hohe Technizität des Aktienrechts bei, aber wohl auch die allgemeine Scheu der Gesellschaftsrechtler davor, über Grundfragen nur allzu leicht in den Bereich praxisferner Ideologie abzugleiten. Veränderungen erwachsen im Gesellschaftsrecht aus dem Detail und lassen sich als grundlegend zumeist erst im Nachhinein qualifizieren, wenn man die Entwicklung über einen längeren Zeitraum zurückverfolgt. Deshalb sind auch im Aktienrechtsausschuß die grundlegenden Aspekte der Reformdiskussion ganz überwiegend in die dort verhandelten Einzelfragen eingebettet; allerdings nicht eher zufallig, sondern mehr oder minder stark von den Ausschußmitgliedern gespürt oder gar erkannt. Und wieder war es Max Hachenburg, der nach dem Abschluß der Ausschußverhandlungen in seinem „Ergebnis"170 die auseinanderstrebende Vielfalt der einzelnen Beratungsgegenstände in Schwerpunkten verdichtete, die Verbindungslinien zwischen ihnen zog und vor allem die Grundfragen ansprach, vor deren Hintergrund der Aktienrechtsausschuß debattiert hatte: die Aktiengesellschaft als Organisationsform der Privatwirtschaft; die eigene Verantwortung der einzelnen Aktionäre für das Schicksal des Unternehmens und damit verbunden die Ablehnung staatlicher Fürsorge; die Gestaltung der drei Gesellschaftsorgane und ihr Verhältnis zueinander; die Freiheit unternehmerischen Ermessens sowie die Kontrolle und Überwachung seiner Ausübung. Verwundern muß hingegen, daß der Aktienrechtsausschuß den Konzern weder rechtsgrundsätzlich, noch - mit Ausnahme der Konzernpublizität- in seinen vielfältigen Einzelfragen näher behandelt hat. Diese Enthaltsamkeit verwundert umso mehr, als für eine solche Debatte vielfaltiger Anlaß bestanden hätte. Die Konzernproblematik war schon seit bald einem Jahrzehnt in der Diskussion171, hatte alle dem Aktienrechtsausschuß vorhergehenden Kommissionen und Ausschüsse beschäftigt und war schließlich dem Reichs justizministerium als gewichtig genug erschienen, um der „Einwirkung der wirtschaftlichen Konzentration auf das Aktienrecht" einen eigenen Fragebogen zu widmen172. - Worauf diese Enthaltsamkeit des Aktienrechtsausschusses zurückzuführen war, läßt sich im Nachhinein allenfalls vermuten. Das größte Gewicht hatte dabei sicher der Umstand, daß der Ausschuß das ihm vorgelegte Gesetzesmaterial begutachten, aber nicht zu gesetzesübergreifenden Grundfragen Stellung nehmen sollte. Die Gesetzentwürfe von 1930 und 1931 wiederum waren von dem Grundkonzept geprägt, das Verhältnis zwischen Mutterund Tochtergesellschaft im Konzern nicht von Grund auf zu klären und gesetzlich zu regeln173. Diese rechtspolitische Konzeption kritisch zu überprüfen, hielten der Aktienrechtsausschuß und seine Mitglieder offenbar nicht für notwendig.
169 170 171
172
173
Dazu zuletzt K. W.Nörr, ZHR 150 (1986), 1 5 5 , 1 5 8 f. Siehe unten S. 823 f. Dazu Hommelhoff, Die Konzernleitungspflicht, 1982, S. 1 2 f f . ; K. W.Nörr, ZHR 150 (1986), 155 1 6 8 ff. Fragebogen VII, abgedruckt bei Deutscher Anwaltsverein, (Fn. 10), II. Teil, S. 6 0 f f .
Reichsjusti^ministerium,
EI, (Fn. 5), S. 126.
Gesamtwürdigung
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3. Entwicklungen im Kapitalgesellschaftsrecht
Die Protokolle über die Verhandlungen im Aktienrechtsausschuß des Vorläufigen Reichswirtschaftsrats fassen die aktienrechtliche Reformdiskussion in der Weimarer Republik zusammen und markieren ihren Endstand vor dem Einbruch des Nationalsozialismus. Sie legen zugleich Zeugnis dafür ab, in wie starkem Maße die Aktiengesetze von 1937 und 1965, also unser modernes Aktienrecht, auf das Ideengut dieser Reformdiskussion zurückgegriffen haben, ohne diese Quellen überhaupt oder doch hinreichend deutlich aufzudecken. Vor dem Hintergrund dieser Ausschußprotokolle sei die Spekulation gestattet, auf welchen Gebieten das moderne Gesellschaftsrecht wohl hilfreiche Argumente hätte erwarten dürfen, wenn die führenden Köpfe der damaligen Reformdebatte ihren Gedankenaustausch ungehindert hätten fortsetzen können. Von den Verhandlungen des Aktienrechtsausschusses her gesehen wären weiterführende Gedanken in erster Linie für die Aktiengesellschaft in ihrer Eigenschaft als auf den allgemeinen Kapitalmarkt ausgerichtetes Kapitalsammelbecken zu erwarten gewesen. Und gewiß wäre die Erkenntnis von der Aktiengesellschaft als Großunternehmensträger gewachsen; denn das Postulat einer ausgewogenen Machtbalance innerhalb der Gesellschaft hätte sich wohl auf Dauer nicht allein mit dem Ziel stützen lassen, das Vertrauen der Aktionäre und des Kapitalmarkts in die Institution Aktiengesellschaft zu stabilisieren. Nicht nur ihren Kapitalanlegern sind die typischerweise großen Aktiengesellschaften und ihre Verwaltungsorgane verantwortlich, sondern auch ihren Arbeitnehmern und der Allgemeinheit. Zwar ist dieser Gedanke über §70 AktG 1937, das Aktiengesetz 1965 und das Publizitätsgesetz im Gesetzesrecht verankert worden, aber recht eigentlich ohne jene sorgfältigen Vorerwägungen, die ein solches Konzept erfordert. Wie sehr gerade hier die Grundlagenarbeit fehlt, haben die EG-Bilanzrichtlinien gezeigt: Das für Großunternehmen entwickelte Bilanzrecht wurde ohne wesentliche Abstriche im Grundsatz unverändert auf die G m b H , den typischen Träger kleiner und mittlerer Unternehmen übertragen. Im Kapitalgesellschaftsrecht zeichnet sich im Moment die Tendenz ab, die rechtsformspezifischen Unterschiede zwischen A G und G m b H nach überkommenem Recht zu nivellieren' 74 und statt dessen größenspezifisch zu differenzieren. In diesen Zusammenhang gehört auch die rechtspolitische Forderung, Großunternehmen in eine bestimmte Rechtsform zu zwingen' 7 '. Uber solche Grundfragen sollten Wissenschaft und wissenschaftlich interessierte Praxis ihre Überlegungen austauschen, bevor sie im hektischen Gesetzgebungsverfahren allein unter vordergründig pragmatischen Aspekten entschieden werden. Ein solcher Gedankenaustausch könnte in vielen 174 173
Besonders ausgeprägt Niessen, RabelsZ 1984, 81, 88. DGB-Entwurf eines Gesetzes über die Mitbestimmung der Arbeitnehmer in Großunternehmen und Großkonzernen, abgedruckt u.a.: RdA 1983, 41; dazu ChmielewicDBw 1983, 237;
Langenberg, DB 1984, 1665; Schwark, AG 1983, 303.
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Punkten an die Reformdiskussion der Weimarer Zeit anknüpfen, die in die Verhandlungen im Aktienrechtsausschuß des Vorläufigen Reichswirtschaftsrats ausgemündet ist. Mit dem Rückgriff auf seine Anregungen würde man zugleich dem Wirken und dem Werk jener gerecht, die nach der Abgabe des Ausschußberichts zum Schweigen verdammt waren und wie zuvörderst Max Hachenburg mit ihren Beiträgen dem deutschen Wirtschaftsrecht dann so bitter gefehlt haben.
Protokolle der Verhandlungen des Arbeitsausschusses des Vorläufigen Reichswirtschaftsrats zur Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über Aktiengesellschaften und Kommanditgesellschaften auf Aktien
1. Sitzung v o m 2 1 . 9 . 1 9 3 2 , l O U h r * Verhandlungsgegenstände: Gründung einer Aktiengesellschaft. Vorratsaktien. Unterpariemission. Autorisirtes Kapital. Erwerb eigener Aktien durch die Gesellschaft. Vorsitzender: Dr. Hachenburg. Schriftführer: Rusch Vorsitzender Dr. Hachenburg eröffnet die Sitzung und schlägt zur weiteren Konstituierung des Ausschusses vor, daß zwei stellvertretende Vorsitzende und 3 Schriftführer gewählt werden. Der Ausschuß ist damit einverstanden und wählt zu stellvertretenden Vorsitzenden die Mitglieder Dr. Solmssen und Eggert, zu Schriftführern die Mitglieder Hermann, Fürstenberg und Rusch. Der Vorsitzende teilt mit, daß der Ausschuß, der durch Bestimmung des Vorstandes des RWR zusammengesetzt war, im Einverständnis mit dem Vorsitzenden des RWR durch ein zweites Mitglied der Gruppe VIII, nämlich Herrn Rusch, mit der Maßgabe ergänzt worden ist, daß der Vorsitzende des Arbeitsausschusses bei Abstimmungen sich der Stimme enthält, wenn 5 Vertreter der Abt. 3 anwesend sind. *
Die Protokolle werden wiedergegeben nach dem maschinenschriftlichen Exemplar der W o r t protokolle im Zentralen Staatsarchiv P o t s d a m , Reichswirtschaftsministerium, N r . 1 7 5 6 3 17566 (auch im Bestand Reichsjustizministerium enthalten, N r . 2 9 9 9 - 3 0 0 2 ; Protokolle der 4., 7.-14. Sitzung) u n d im Bundesarchiv Koblenz, N a c h l a ß Silverberg, N r . 197-199 (Protokolle der 1 .—3., 5. u n d 6. Sitzung). Soweit die Teilberichte und A n t r ä g e der Kommissionsmitglieder nicht in den K o m m i s s i o n s p r o t o k o l l e n enthalten sind, werden diese Vorlagen im Anschluß an das 14. Protokoll wiedergegeben (im Register Nachweis sämtlicher in den Protokollen e r w ä h n t e n A n t r ä g e und Teilberichte in der numerischen Reihenfolge). D e r in den Protokollen zitierte E n t w u r f v o n 1931 sowie der aktienrechtliche Teil der Novelle v o m 19:9. 1931 ist unten S.833ff. wiedergegeben, desgleichen die B e g r ü n d u n g unten S. 907 ff. Z u r Biographie der Ausschußmitglieder vgl. unten S. 939 ff. Im übrigen vgl. die editorischen Hinweise.
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Protokolle der Verhandlungen
Auf Anregung von Eggert beschließt der Ausschuß, daß die Stellvertreter zu den Beratungen hinzuzuziehen und offiziell einzuladen sind. Hierauf tritt der Ausschuß in die Tagesordnung ein: Beratungdes Entwurfs eines Gesetzes über Aktiengesellschaften und Kommanditgesellschaften auf Aktien. MD Richter führt einleitend aus: Meine Herren! Der Herr Reichsjustizminister hatte die Absicht, Sie bei Ihrem Zusammentritt zu begrüßen und Ihnen die Auffassung der Reichsregierung über die weitere Behandlung der Aktienrechtsreform darzulegen. Der Herr Minister ist zu seinem lebhaften Bedauern im letzten Augenblick durch unaufschiebbare Besprechungen verhindert worden, diese Absicht zu verwirklichen. Die Reichsregierung hat, als sie sich im vorigen Jahre gezwungen sah, den Herrn Reichspräsidenten zu bitten, im Wege der Notverordnung einen Teil der großen Aktienrechtsreform vorwegzunehmen, keine Unklarheiten darüber gelassen, daß damit die Gesamtreform nicht etwa ad calendas Graecas vertagt sei, sondern mit aller Energie weitergetrieben werden soll. An dieser Absicht hält die Reichsregierung auch unter den heutigen Verhältnissen fest. Man könnte vielleicht Zweifel heben, ob die heutige Zeit mit ihren brennenden politischen und wirtschaftspolitischen Tagesfragen wirklich geeignet ist, an die Gesamtreform eines Rechtsgebietes wie des Aktienrechtes heranzutreten. Man wird aber beachten müssen, daß es sich ja bei diesem Gesetzgebungswerk um eine von langer Hand vorbereitete und auf die Dauer abgestellte Reform handelt, die unabhängig von den durch die derzeitige Krise bedingten Erscheinungen durchgeführt werden muß. Die bereits in Kraft gesetzten Vorschriften der Verordnung über Aktienrecht und die Bestimmungen des Ihnen zur Begutachtung vorgelegten Restentwurfs bilden nur Teile eines organischen Ganzen. Der Restentwurf enthält eine Reihe von Vorschriften, ohne die man notgedrungen in einer gewissen Ubergangszeit wohl auskommen kann, die aber erforderlich sind, wenn die Rechtsgedanken, die der Verordnung zugrunde liegen, sich voll auswirken sollen. Ich darf z.B. daraufhinweisen, daß die Vorschriften der Verordnung über den Geschäftsbericht ihre notwendige Ergänzung in den Bestimmungen des Restentwurfs finden, die das Auskunftsrecht der Aktionäre neu gestalten. Ich darf ferner erwähnen, daß die neuen Publizitätsvorschriften in der Verordnung wohl kaum für alle Gesellschaften passen, die noch heute in der Form der Aktiengesellschaft auftreten, daß daher die erleichterte Umwandlung solcher Gesellschaften in andere Gesellschaftsformen vorgesehen ist, daß aber diese Umwandlungsbestimmungen nicht in der Aktienrechtsnovelle, sondern in dem Ihnen vorliegenden Restentwurf enthalten sind. Der Restentwurf enthält endlich eine Reihe von Bestimmungen, deren getrennte Behandlung technisch vielleicht möglich wäre, deren baldige Inkraftsetzung aber zur Belebung der Wirtschaft dringend erwünscht ist. Ich denke dabei namentlich an das große Gebiet der Finanzierung, die der Entwurf verbessern und erleichtern will. Die Reichsregierung hält also daran fest, daß alles getan werden muß, um eine tunlichst baldige Verabschiedung des Restentwurfs zu ermöglichen. Sie ist daher besonders dankbar, daß der Vorsitzende es ermöglicht hat, daß der Ausschuß schon heute in die sachliche Beratung des Entwurfs eintreten kann.
G r ü n d u n g der A G . V o r r a t s a k t i e n . Autorisiertes Kapital
103
Die Reichsregierung hält weiter daran fest, daß die Aktienrechtsverordnung und der Restentwurf ein einheitliches Ganzes bilden, daß die beiden Teile des Gesamtwerkes verschmolzen und letzten Endes als ein einheitliches Gesetz in Kraft gesetzt werden müssen, das dann an die Stelle des dritten und vierten Abschnitts des II. Buches des HGB treten soll. Meine Herren, die Reichsregierung hat von Ihnen ein Gutachten über den Restentwurf erbeten. Soweit Teile der Gesamtreform durch die Notverordnung vorweggenommen sind, ist die Reform beendet. Eine allgemeine Revision der Verordnung kommt naturgemäß nicht in Frage und steht nicht zur Erörterung. Ich habe mir aber bereits erlaubt, auf den engen organischen Zusammenhang hinzuweisen, der zwischen den Vorschriften der Verordnung und denen des Restentwurfes besteht. Sie werden ebenso wie der Ausschuß des Anwaltvereins kaum umhin können, auch die Vorschriften der Aktienrechtsnovelle in den Kreis Ihrer Betrachtungen einzubeziehen. Anträge zur Änderung des Restentwurfes können Vorschläge zur Ergänzung der Aktienrechtsnovelle nach sich ziehen. Auch können die Erfahrungen, die man in der Praxis mit der Aktienrechtsnovelle gemacht hat, Anlaß geben, auf die Beseitigung gewisser Unstimmigkeiten und Unklarheiten hinzuwirken. In diesem Rahmen wird die Reichsregierung jede Anregung auch zur Aktienrechtsnovclle mit Dank begrüßen. Vorsitzender: Ich möchte mir gestatten, zur Einleitung der Frage: sollen wir eine Generaldebatte haben, auf einige Punkte hinzuweisen. Zunächst möchte ich an das anknüpfen, was der Herr Vertreter der Regierung gesagt hat: das Aktienrecht bildet ein einheitliches Ganzes - , und ich darf hier bekennen, ich gehöre zu denen, die sich seinerzeit gegen die Zerreißung gewehrt haben. Es ist nun einmal da, und wir müssen uns damit abfinden. Aber wenn ein einheitliches Ganzes geschaffen werden soll, so müssen wir die Möglichkeit haben, auf alle die verschiedenen Punkte, die jetzt durch Notverordnung geregelt sind, vollständig einzugehen. Ein Punkt, das Fragerecht des Aktionärs, steht in einem ganz untrennbaren Zusammenhange mit den Mitteilungen, die von Amts wegen, in der Bilanzberichterstattung, im Geschäftsbericht usw. gemacht werden. Eines greift notwendig in das andere ein. Daran ist für mich gar kein Zweifel: vor Notverordnungen werden wir nicht Halt machen. Abgeschlossen ist die Reform nach meiner Auffassung nicht, und wenn der Reichstag je in die Lage kommt, dieses Gesetz zu beraten, wird er selbstverständlich auch über Notverordnungen beraten, die das Recht abändern. Hierüber müssen wir auch unsere Vorschläge machen. Soviel über den Umfang. Dann werden wir uns auch darüber klar sein müssen, daß wir es nicht als unsere Aufgabe betrachten können, redaktionell zu arbeiten. In einzelnen Vorberichten', die uns zugegangen sind, ist wohl die eine oder andere Anregung erfolgt. Dagegen wird niemand etwas einzuwenden haben. Jedoch möchte ich bitten, daß wir uns nicht über Verfas-
Diese sind e n t w e d e r inhaltlich in den P r o t o k o l l e n enthalten o d e r w e r d e n im A n s c h l u ß an das 14. Protokoll w i e d e r g e g e b e n .
104
Protokolle der Verhandlungen
sungsfragen streiten. Wenn unsere wirtschaftlichen Auffassungen niedergelegt sind, wird die Regierung sie im stillen Kämmerlein beraten und sehen, wie es am deutlichsten gemacht wird. Jeder weiß, wie schwer es ist, ein Rechtsempfinden in den Rechtsgedanken überzuleiten, und wieviel schwerer es ist, den Rechtsgedanken in Worte zu kleiden. Weiter möchte ich darauf hinweisen: Die Aktiengesellschaft ist der Exponent des Großkapitals, und es ist ganz begreiflich, daß sich hieraus nicht nur eine ganze Reihe von außerordentlich schwierigen Problemen ergibt, daß sich die verschiedensten Interessen kreuzen, sondern daß natürlich auch der Gedanke naheliegt, hier die eigene Weltanschauung zum Ausdruck zu bringen. Ich glaube aber, dazu ist hier nicht der Ort. Ein jeder von uns wird wohl bei seiner Auffassung etwas beeinflußt werden. Aber eine grundsätzliche Lösung, die sich gegen den Privatkapitalismus richten oder umgekehrt, die ein absolutes Vorherrschen des reinen Kapitalismus darstellen würde, würde hier wohl nicht durchführbar sein. Es wird sich im Laufe der Debatte zeigen, daß die Probleme, die sich aufwerfen: das Verhältnis zwischen Gründer und späterem Aktionär, zwischen Aktiengesellschaft und den Gläubigern, zwischen Verwaltung und Generalversammlung, zwischen Mehrheit und Minderheit, sich nicht mit absoluter Reinlichkeit lösen lassen. Es gibt keinen Weg, auf dem alle befriedigt werden. Das Aktiengesetz ist das glänzendste Beispiel für einen Kompromiß. Sie werden keinen der verschiedenen Fälle finden, bei dem nicht überall wieder Bedenken bei jeder Lösung bleiben. Ob Sie die vorhin angeschnittene Frage des Fragerechts der Aktionäre nehmen, oder ob Sie die Auskunftspflicht des Vorstandes gegenüber dem Aufsichtsrat herausgreifen, oder was Sie wollen, überall werden noch Bedenken gegen die eine oder andere vorgeschlagene Lösung bleiben. Es wird sich immer nur fragen: welche Bedenken sind die schwerwiegendsten, wie kann man wenigstens zu einem tragbaren, leidlichen Ergebnis kommen. Weil nach meiner Auffassung gerade das Aktienrecht das gegebene Feld für die Verständigung ist, so hoffe ich auch, daß es in diesem Gremium möglich sein wird, recht viele einstimmige Beschlüsse herbeizuführen, bei denen jeder von seinem Standpunkt aus den andern kritisiert, bei denen man aber schließlich die gemeinsame Linie findet. Und noch ein Letztes. In den Äußerungen des Vertreters der Regierung habe ich die Bemerkung gehört, daß wir unbeeinflußt durch die Krise arbeiten sollen. Das halte ich auch für selbstverständlich. Wenn Sie die Reformbewegung von Anfang an überblicken - sie geht ja auf 8 oder 9 Jahre zurück dann werden Sie sehen, daß diese Reformbestrebungen bereits ihre Geschichte haben. Ein Moment tritt hervor, überschattet alle anderen, tritt wieder zurück, es kommt wieder eines. Zu Anfang, in der Inflationszeit haben sich die Mehrstimmaktien herausgebildet, zuerst als Gegenstand der Abwehr gegen Überfremdung von außen. Es war die Zeit, w o der Ruf nach Edelvaluten den Ausverkauf der deutschen Wirtschaft herbeiführte. Dann benutzte man das Mittel der Mehrstimme, um die innere Überfremdung abzuwehren. Wenn die Verwaltung fürchtete, daß ihr die Majorität aus den Händen gleitet, suchte man durch Mehrstimmaktien wieder eine Mehrheit zu schaffen. Dann kam man auf den Ausweg der Vorratsaktie usw. Diese Fragen standen eine Zeitlang im Vordergrunde.
Gründung der AG. Vorratsaktien. Autorisiertes Kapital
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Ich glaube, in den Ausführungen des Herrn Dr. Silverberg 2 gelesen zu haben, daß er auch glaubt, daß das heute noch ein sehr wesentlicher Punkt sei. Nach meinen Erfahrungen ist dieser Punkt sehr stark in den Hintergrund getreten. Bei der ganzen Krise, die wir im letzten Jahre durchlebt haben, ist kein einziger Fall v o r g e k o m m e n , w o die Mehrstimmaktien irgendeine wesentliche Rolle gespielt haben. Im Reichstage lag ein Antrag Breitscheid und Gen. 1 v o r , der die Mehrstimmaktie zum Gegenstand eines Antrages gemacht hat. Der Herr Vertreter des Reichswirtschaftsministeriums hat in der Reichstagskommission damals erklärt", daß der Reichswirtschaftsminister den ehrenvollen A u f trag, zu entscheiden, ob Mehrstimmaktien erlaubt oder verboten seien, als zu unangenehm ablehne. In den Beratungen des Anwaltsausschusses ist wieder ein anderer Vorschlag gemacht worden'. Sie werden wahrscheinlich mit mir das Gefühl haben, daß es heute wichtigere Dinge gibt, über die wir zu beraten haben, als die Frage der Mehrstimmaktie. V o n 1924 an kam die Periode des Hereinströmens und des Aufsuchens v o n fremdem Kapital. Da haben wir mit einem Mal das Problem bekommen: Inwieweit sollen w i r unser deutsches Recht dem ausländischen, namentlich dem anglo-amerikanischen anpassen? Man glaubte, wenn w i r nur möglichst viele englisch-amerikanische Gedanken hineinnähmen, würden wir um so mehr Kapitalangebote haben. Der Gedanke war v o n vornherein abwegig. Es zeugt v o n dem gesunden Sinn der deutschen Wirtschaftsführer und auch der deutschen Juristen auf dem Juristentage, daß man d a v o n nichts wissen wollte. 2 1
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5
Gemeint sind die Anträge Nr. 1636/32. Gemeint ist der Reichstagsantrag, Drucksache Nr.1182 (V.Wahlperiode 1930, Bd.451 der Sten. Ber.): „4. hinter §252 in der vorstehenden Fassung ist als §252 a folgende Vorschrift einzufügen: Will die Gesellschaft mehrere Gattungen von Aktien ausgeben und der einen Gattung ein höheres Stimmrecht beilegen als den Aktien einer anderen Gattung, oder die Aktien der einen Gattung durch eine ihren Nennbeträgen nicht entsprechende Abstufung des Stimmrechts vor den Aktien der anderen Gattung bevorzugen (Stimmrechtsaktien), so bedarf die Gesellschaft hierzu der Einwilligung des Reichswirtschaftsministers. Die Gewährung eines Vorzuges im Stimmrecht kann nur im Wege der Änderung des Gesellschaftsvertrages und nur mit einer Mehrheit beschlossen werden, die mindestens dreiviertel des bei der Beschlußfassung vertretenen Grundkapitals umfaßt. Der Gesellschaftsvertrag kann die Erfordernisse erschweren. Der Beschluß kann nur gefaßt werden, wenn der Gegenstand gemäß § 256 Abs. 2 ausdrücklich angekündigt worden ist. — Bestehende Stimmrechtsaktien sind binnen Jahresfrist einzuziehen. Diese Verpflichtung entfällt, wenn der Reichswirtschaftsminister binnen einer von der Reichsregierung festzusetzenden Frist der Gesellschaft das Fortbestehen der Stimmrechtsaktien gestattet. — Stimmrechtsaktien müssen auf Namen lauten. Zu ihrer Übertragung ist die Zustimmung der Gesellschaft erforderlich." Vgl. das Protokoll des Rechtspflegeausschusses des Reichstags vom 4.2. 1932, S. 10 (Geh. StA Berlin-Dahlem, Rep. 84a, Nr. 54, S.33ff.). Der DAV-Ausschuß billigte die § § 9 6 - 9 8 im wesentlichen, empfahl aber, der Spruchstelle die Möglichkeit zu geben, die fünfjährige Frist zu verlängern, „wenn es im überwiegenden Interesse der Gesellschaft oder der Allgemeinheit liegt oder wenn die Einziehung eine unbillige Härte gegen die Vorzugsaktionäre bedeuten würde" (Bericht des Ausschusses des Deutschen Anwaltvereins für Aktienrecht zum Regierungsentwurfe, 1932, S.41).
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Protokolle der Verhandlungen
A l l e r d i n g s blieben - wie w e n n sich die Flut verläuft und noch Muscheln mit Perlen übrig bleiben - einige Punkte, die man aufgenommen hat, ζ. B. das genehmigte Kapital und die viel umstrittene Frage der Wandelschuldverschreibungen, wie man die convertible bonds ins Deutsche übersetzt hat. Aber auch das steht absolut nicht mehr im Vorderg r u n d e . - Über das Hereinnehmen fremden Kapitals brauche ich Ihnen heute nichts mehr zu sagen. Dann k a m die Krise des Zusammenbruchs, und das führte uns wieder auf ein ganz anderes Gebiet, nämlich auf die Frage: Inwieweit hat die Reform bei dem Verhältnis zwischen A k t i o n ä r und V e r w a l t u n g , zwischen Mehrheit und Minderheit einzusetzen? Da hob m a n die Punkte in den Vordergrund, die, w i e der Herr Regierungsvertreter ausführte, man unbedingt in Notverordnungen regeln mußte: Vorschriften über die Bilanzen incl. Bilanzprüfer, Aufsichtsrat, über E r w e r b eigener Aktien und dergleichen, alles das h e r v o r g e g a n g e n aus dem Gedanken: durch den Zusammenbruch ist das Vertrauen des Sparerkapitals in die Aktiengesellschaft erschüttert. Solange etwas sehr g u t geht - die E r f a h r u n g haben wir alle in Politik und Wirtschaft gemacht läßt man alles gehen, und wenn die V e r w a l t u n g der Generalversammlung eine sehr schöne Dividende ausweist, dann k o m m e n in die Generalversammlung sehr wenig Leute, und schließlich steht einer der Herren auf und dankt namens der Aktionäre f ü r die ersprießliche V e r w a l t u n g . Das hat sich vollständig geändert. Jetzt liegt der Schwerpunkt darin: Inwieweit kann man, ohne das Interesse der Gesellschaft selbst zu schädigen, das Vertrauen der Aktionäre wieder stärken, indem man die Bestimmungen des Gesetzes unterstreicht. Gleichzeitig damit kam, wie immer in solchen Krisenfällen, die Untersuchung des Aufsichtsrats. Der Aufsichtsrat ist bekanntlich derjenige, der, wenn etwas passiert, nicht g e n ü g e n d aufgepaßt hat, bei dem auch manchmal wirklich gesündigt worden sein mag. Dementsprechend kamen die Bestimmungen der N o t v e r o r d n u n g über die Beschränk u n g der Zahl der Aufsichtsratsmitglieder und das Vorgehen gegen die K u m u l i e r u n g der Aufsichtsratsstellen in einer Hand. Zuletzt kam dann noch bei der Bankenkrisis das Eingreifen des Staates. In unserer Aktiennovelle finden Sie ja nichts darüber aus dem sehr einfachen Grunde, weil der Staat das nicht nötig hat; er kann sich seinen Einfluß auch ohne ausdrückliche gesetzliche Bestimm u n g e n sichern. Im Notfall hat man dann die Notverordnung, die sich auf die berühmte Lex Dresdner B a n k ' bezieht. Dabei ist für uns wieder die Frage: inwieweit ist aus diesen Spezialnotverordnungen ein allgemeiner Gedanke, der sich zur Überleitung in das allgemeine Recht eignet, herauszuholen. Ich habe mir erlaubt, Ihnen die Entwicklung in ganz wenigen Worten zu zeigen, um Sie zu bitten, bei der Betrachtung des Gesetzes nicht ausschließlich von einem uns heute besonders bewegenden Gesichtspunkte auszugehen. W i r werden uns bewußt sein müssen, daß in einigen Jahren die Situation sich wieder vollständig geändert haben kann w i r wissen ja nicht, was kommen wird und werden uns so einstellen müssen, daß sämtliche wirtschaftlichen Gesichtspunkte zu ihrem Rechte kommen. 6
Vgl. hierzu Κ. E. Born, Die deutsche Bankenkrise, 1967, bes. S. 152 ff.
G r ü n d u n g der A G . Vorratsaktien. Autorisiertes Kapital
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Nachdem ich mir diese paar Worte gestattet habe, darf ich die Herren fragen, o b sie zur Begründung der Methode, wie wir vorgehen wollen, und [zu] allen anderen allgemeinen Gesichtspunkten eine Generaldebatte wünschen. (Rufe: Nein!) - Ich nehme also an, daß eine Generaldebatte nicht gewünscht wird. Dann darf ich bitten, gleich medias in res zu gehen. Berichterstatter Dr.Solmssen: Ich kann mich kurz fassen, weil Sie ja aus dem Ihnen bereits zugegangenen schriftlichen Bericht gesehen haben werden, daß ich in allen wesentlichen Punkten mit Ausnahme eines einzigen dem Gange folge, den der Gesetzgeber eingeschlagen hat, und nichts an den Bestimmungen auszusetzen habe. Ich muß allerdings erwähnen, daß in dem Bericht, den der Ausschuß des Deutschen Anwaltvereins erstattet hat, besonderer Nachdruck darauf gelegt wird, daß eine Verschärfung der Bestimmungen für die Nachgründung erfolge, indem der Wunsch ausgesprochen wird, daß in schärferer Weise Vorkehrung dagegen getroffen wird, daß sich die Heilung, welche hier in sehr einfacher Weise erfolgt, nicht so glatt abspielen kann, wenn durch bereits bestehende, vor der Gründung abgeschlossene Verträge nachträglich eine Änderung des Inhalts der Aktiengesellschaft herbeigeführt wird. Ich muß sagen, daß ich nicht das geringste Bedenken habe, auch auf diesen Boden zu treten. Wir haben allen Anlaß, dafür zu sorgen, daß sich die Gründungsvorgänge in möglichst klarer und reinlicher Weise vollziehen und nicht irgend welche Nebenabreden bestehen können, die in der Öffentlichkeit nicht berücksichtigt werden. Ich möchte mich absolut zum Wortführer auch der Wünsche machen, die der Anwaltverein aufgestellt hat. E s handelt sich dabei um das, was in dem Bericht des Deutschen Anwaltvereins auf Seite 15 ff. gesagt ist. Darin ist ausgeführt, daß man bei nicht beurkundeter Sachübernahme im Gesetze vorgesehen hat, daß eine Heilung gemäß §36 Abs. 1 eintritt, wenn der Wert dessen, was hereingebracht wird, nicht mehr als 1 0 % des Kapitals ausmacht. Man steht aber seitens das Anwaltvereins auf dem Standpunkt, daß, wenn es sich um nicht beurkundete Sachübernahme handelt, die innerhalb der nächsten 2 J a h r e erfolgt, es der F o r m der Nachgründung nicht bedürfe, wenn die Anlagen nicht unter die Mobilien fallen. Man ist der Meinung, daß überall dort, wo eine Abrede unter den Gründern bereits erfolgt war, die Vorschriften in allen Fällen Anwendung finden müssen. Das heißt, man will dafür Sorge tragen, daß derartige Verträge, wenn sie der Gründung vorangegangen sind, sich nicht als Vorteilsgeschäft für einzelne auswirken dürfen, ohne daß diese Vorteilsmöglichkeiten bei der Gründung klar hervortreten. Man weist z . B . daraufhin, daß es nicht angehe, daß der Erwerb eines großen Warenlagers oder eines Aktienpaketes, den man von Anfang an ins Auge gefaßt hatte, im Wege des nach der Gründung erfolgenden Ankaufs wirksam vollzogen werden könne. D e m schließt sich der E n t w u r f insoweit an, als man die Heilung als gegeben ansieht, wenn der Wert nicht mehr als 1 0 % des Grundkapitals beträgt. Sonst will man aber die Vorschriften des § 36 Abs. 1 auf Grundstücke beschränken und will auch den Ankauf von Maschinen als Verwaltungsakt ansehen. Ich habe dagegen nichts einzuwenden. O b zwei Jahre richtig sind oder weniger, lasse ich dahingeVgl. unten S. 775 ff.
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stellt. Aber ich kann erklären, daß alle näheren Definitionen, die diesem Zwecke dienen, die G r ü n d u n g zu einem klaren Akte zu machen, meinen Beifall finden und ich nur empfehlen kann, den sorgfältig ausgearbeiteten Anregungen des Anwaltvereins zu folgen. Der Begriff der Vorratsaktie ist den Herren ja bekannt. Die Tendenz geht seit langem dahin, die Vorratsaktien zu beseitigen. Diese Tendenz findet auch meine volle Zustimmung. Höchstens wäre eine Einschränkung der jetzt vorgeschlagenen Bestimmungen vielleicht möglich. Der §41 bestimmt, daß ein Gründer oder Zeichner sich nicht darauf berufen kann, daß er Aktien nicht für eigene Rechnung übernommen hat; er haftet ohne Rücksicht auf Vereinbarungen auf die volle Kapitalseinlage. Bis diese geleistet ist, stehen ihm die wesentlichen Gesellschafterrechte (Stimmrecht, Gewinnanteilrecht, Bezugsrecht) nicht zu. Man könnte eine Einschränkung dieser Bestimmung in der Richtung wünschen, daß die Ausübung der genannten Gesellschafterrechte nicht in allen Fällen von der vollen Einzahlung abhängig gemacht wird, sondern lediglich von einer Teileinzahlung, wenn bei den übrigen Aktien der gleichen Gattung für das Entstehen der Gesellschafterrechte gleichfalls die Leistung einer Mindesteinzahlung genügt. Das stimmt auch wohl mit dem, was der Anwaltverein vorschlägt, überein. Was die Unterpariemission betrifft, so stehen wir alle auf dem Standpunkt, daß das Verbot derselben uneingeschränkt aufrechterhalten werden muß. In den §§157,163 und 193 finden Sie Vorschriften, die dieses Prinzip zur Geltung bringen für den Fall, daß Schuldverschreibungen in Aktien umgetauscht werden. Dort ist vorgesehen, daß bei bedingter Kapitalerhöhung, die nur zur Vorbereitung einer Fusion und zum Zwecke der Gewährung von Bezugsaktien an Gläubiger von Schuldverschreibungen vorgenommen werden darf, der Nennbetrag der Schuldverschreibungen grundsätzlich dem der dagegen auszugebenden Aktien entsprechen muß. Wenn die Schuldverschreibungen unter pari ausgegeben sind, muß das Disagio einschließlich der bei Ausgabe der Bezugsaktien entstehenden Kosten entweder von dem Umtauschberechtigten zugezahlt oder aus einer Rücklage, die nicht der gesetzliche Reservefonds sein darf, aufgebracht werden. Eine Ausnahme von dieser Vorschrift ist für den Fall gemacht, daß der Gesamtnennbetrag der Bezugsaktien abzüglich der entstehenden Kosten den Betrag, zu dem seinerzeit die Schuldverschreibungen ausgegeben worden sind, erreicht oder übersteigt. Diese Ausnahmebestimmung muß vielleicht etwas anders gefaßt werden; denn so, wie sie jetzt gefaßt ist, kann sie den entgegengesetzten Erfolg haben. Ich habe mir erlaubt vorzuschlagen, daß die Bestimmung lauten soll: „ D i e Vorschrift des Satzl gilt nicht, wenn der Gesamtbetrag, zu dem die Schuldverschreibungen ausgegeben werden, den Gesamtnennbetrag der Bezugsaktien zuzüglich der durch ihre Ausgabe entstehenden Kosten erreicht oder übersteigt." Diese Formulierung entspricht auch den entsprechenden Bestimmungen des Entwurfs von 1930". Dann kommt die Frage des autorisierten Kapitals. Ich stehe da prinzipiell im Gegensatz zum Entwurf, wie ich es schon die ganze Zeit hindurch getan habe. Ich habe den Ein8
Gemeint ist § 164 Abs. 2 Satz 3 des Entwurfs von 1930.
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druck, daß das eine der Bestimmungen ist, wie sie Herr Hachenburg charakterisiert hat, die bei uns eingeführt werden soll, weil sie andere Rechte kennen. Das ist meine rein subjektive Ansicht, die ich mir gebildet habe; denn ich habe in meiner langen Praxis noch nie gefunden, daß das geringste Bedürfnis dafür bestanden hätte. Ich stehe auch auf dem Standpunkt, daß die Einführung des genehmigten Kapitals unlogisch ist gegenüber den von mir durchaus gebilligten Bestrebungen, daß die Verwaltung der Gesellschaft nicht über den Kopf der Aktionäre maßgebende Entschlüsse fassen kann, ohne daß die Generalversammlung zu Worte kommt. Nun ist eine der maßgebensten Entscheidungen, welche die Generalversammlung treffen kann und muß, die Höhe des Kapitals festzusetzen. Ich kann nicht anerkennen, daß die Dinge in solchem Eilzugtempo laufen, daß man nicht immer in dem Augenblick, wo man eine Kapitalerhöhung braucht, noch 3 Wochen Zeit hat, um eine Generalversammlung zu berufen, zumal wir durch die bedingte Kapitalerhöhung die volle Möglichkeit besitzen, bei sich anbahnenden geschäftlichen Beziehungen, die in einer Kapitalerhöhung enden werden, den Gegenwert zur Verfügung zu haben, der als Preis der Aktien für Übernahme des Unternehmens gezahlt wird. Uberlegen Sie sich, was es bedeutet, wenn man das in die Praxis überführt! Das heißt, daß man nie weiß, wie groß nun eigentlich in dem gegebenen Augenblick das Kapital ist. Ferner kommt aber auch ein rein börsentechnischer Grund in Betracht. Jeder, der das Börsengeschäft kennt, wird mir darin beipflichten, daß nichts für eine freie Kursentwicklung hinderlicher ist, als wenn diejenigen, die sich für ein Papier interessieren, dauernd überlegen müssen: da ist noch ein Paket, das plötzlich auf den Markt kommen kann und auf den Preis Einfluß ausübt. Es ist alte Gepflogenheit, daß, wenn irgend welche Abmachungen nach der Richtung getroffen werden, daß ein Konsortium Aktien von einer anderen Seite übernimmt, die selbst auch noch Aktionär ist, um die Aktien dem Markt zuzuführen, dann Marktfreiheit für eine gewisse Zeit verlangt werden muß. Man sagt: wir können unmöglich einen Kurs entwickeln, indem wir dafür sorgen, daß keine Ubertreibung nach unten oder oben stattfindet, wenn diejenigen, die das eingeführte Papier am öffentlichen Markt kaufen, den wirklichen Wert bezahlen und nicht durch spekulative Maßnahmen dazwischenfunken, es erleben, daß der Preis weit heruntergeht oder plötzlich heraufschnellt, sich jedenfalls von dem wirklichen Wert entfernt. Wir können nicht dulden, daß eine Gruppe von außen kommt und ihr Material dazwischen wirft; denn auf diese Weise ist keine Kursentwicklung denkbar. Dasselbe muß aber auch mutatis mutandis eintreten und tritt tatsächlich auch ein in der Psychologie der Menschen, die nicht wissen: kann ich durch Autorisierung des Kapitals nicht erleben, daß in einem halben Jahr, ohne daß Generalversammlungen stattfinden, die Verwaltung beschließt, w i r machen von der Autorisation der Kapitalerhöhung Gebrauch. Ich kann nur bei der Auffassung verbleiben, die ich von Anfang an vertreten habe, davor zu warnen, die Bestimmung aufzunehmen. Die Notwendigkeit habe ich nie empfunden. Und gerade weil wir doch dahin streben, die Machtbefugnisse der Verwaltung klar abzugrenzen und sie weder zu übersteigern noch auf der anderen Seite zu beschneiden, mache ich mich hier, obgleich ich vielleicht in dem Rufe stehe, verwaltungsmäßig zu denken, zum Sprecher einer Opposi-
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P r o t o k o l l e der V e r h a n d l u n g e n
tion gegen eine Maßnahme, die den Verwaltungen eine Macht in die Hand gibt, die ich nicht haben will. Wenigstens ich käme nicht auf den Gedanken, in einem Unternehmen, für das ich in letzter Linie verantwortlich bin, über die Generalversammlung hinwegzugehen und mit einer Kapitalerhöhung herauszutreten, sondern ich muß wissen, wie die Meinungen sind. Vorsitzender: Zur Vereinfachung möchte ich den Herren vorschlagen, daß wir zunächst die in Zusammenhang stehenden Ziffern I und II des Berichts' verhandeln und daß wir uns dann bei dem Verbot der Unterpariemission vielleicht dahin schlüssig machen, die Fragen, die der Herr Referent aufgeworfen hat, im Zusammenhange mit anderen, namentlich mit den wichtigen Wandelschuldverschreibungen, und dann wiederum die Ausführungen über die Vorratsaktien und das autorisierte Kapital zusammen zu behandeln, daß wir also nicht juristisch-schematisch verfahren, sondern wirtschaftlich und die Punkte, die wirtschaftlich ineinander greifen, zusammennehmen. Max Cohen: Ich wollte nur zu dem Paragraphen, der vorschreibt, daß eine Unterpariemission unter keinen Umständen stattfinden kann, und zu dem §170, der das genehmigte Kapital behandelt, ein paar Bemerkungen machen. Ich möchte nichts gegen die Stellungnahme des Herrn Berichterstatters, auch nichts dagegen sagen, daß im Gesetzentwurf die Unterpariemission unter allen Umständen ausgeschlossen ist. Aber ich möchte mir noch einmal die Frage erlauben, warum, und bitte auch den Herrn Berichterstatter, das näher zu begründen. Ich könnte mir vorstellen, daß zu irgendeiner Zeit, auch zur heutigen, eine Aktiengesellschaft, die durchaus gut fundiert ist, die gute Geschäfte macht, neues Kapital braucht, daß ihre Aktien aber wesentlich unter pari stehen, an der Börse unter pari gekauft werden können. Solche Aktien wird es immer geben. Ich weiß nicht, ob es bei der heutigen Kursentwicklung nicht eine ganze Menge guter deutscher Gesellschaften auf die Dauer geben wird, deren Aktien an der Börse unter pari stehen. Einer solchen Aktiengesellschaft ist es ja unmöglich, sich neues Kapital zu beschaffen; denn es wird niemandem einfallen, bei Emission den Parikurs zu zahlen, wenn er an der Börse die Aktien zu 85 oder 90 haben kann. E s kann also Situationen geben, in denen eine sehr zuverlässige und gut geleitete Gesellschaft in Schwierigkeiten käme, wenn sie sich neues Kapital beschaffen will. Infolgedessen läge es mir daran, von dem Herrn Berichterstatter etwas über solche Situation zu hören. E n g damit zusammen hängt, glaube ich, das genehmigte Kapital. Auch Herr Dr. Solmssen sprach von der Möglichkeit, daß man sich über den Preis nicht leicht verständigen würde. Auch da ist doch die Unterpariausgabe ausgeschlossen, denn das ist, glaube ich, eine Generalbestimmung, die bei der Emission von Aktien gilt. Trotzdem ich auch große Bedenken gegen das genehmigte Kapital habe, vermag ich nicht zu verstehen, weshalb das ein Grund gegen das genehmigte Kapital sein soll, daß man nicht erfährt, wie groß das Kapital sein soll. Es wird doch selbstverständlich bekanntgegeben, und auch wenn die Aktien bei der Börse eingeführt werden, muß es bekanntgege'
G e m e i n t ist d e r in F n . 8 g e n a n n t e Bericht.
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ben werden, wie groß das Kapital ist. Das wäre für mich also kein Grund. Aber ich möchte wissen, ob das Verbot der Unterpariausgabe sich auf das genehmigte Kapital bezieht. Ganz große Bedenken habe ich gegen das genehmigte Kapital, weil das von vornherein das Bezugsrecht des Aktionärs ausschließt. Irgend jemand kommt und gibt eine Einlage, unter Umständen auch in Sachwerten. Allerdings muß es extra im Statut stehen: der Vorstand bekommt die Ermächtigung, genehmigtes Kapital gegen Einlage auszugeben. Einlagen werden in erster Linie bares Geld sein; aber in einem weiteren Paragraphen heißt es, daß man auch gegen Sacheinlagen das genehmigte Kapital ausgeben kann, wenn es im Statut ausdrücklich bestimmt ist. Nun halte ich es ohne Generalversammlung für den verfehltesten Schritt, gegen Sacheinlagen, deren Wert fast nie richtig abzuschätzen ist, Aktien auszugeben. Das sollte man von vornherein ausschließen. Denn die Meinungen über den Wert von irgend welchen Sacheinlagen, die die Mitbeteiligung bei andern Unternehmungen garantieren, geben doch heute stark auseinander. Also ich bin nicht nur gegen die Ausgabe genehmigten Kapitals bei Sacheinlagen, sondern auch gegen das genehmigte Kapital aus dem Grunde, weil von vornherein das Bezugsrecht des Aktionärs dadurch grundsätzlich ausgeschlossen wird, während es ein wichtiger Grundsatz ist, der auch von einigen Berichterstattern hervorgehoben worden ist, daß man bei Ausgabe von neuen Aktien zuerst immer an die bisherigen Aktionäre denken solle. Or.Solmssen: Durch die Unterpariemission wird doch ein Moment der Unsicherheit hineingetragen, das außerordentlich groß ist. Aber ferner tun Sie damit auch ein Unrecht denjenigen an, die bereits Aktionäre sind. Die Leute, die Aktien haben, können gegenüber der Tatsache, daß der Kurs zeitweilig einen Wert zeigt, der unter dem Nominalwert steht, ruhig bleiben; sie können ihre Aktien zu dem Kurse verkaufen oder sie können sie behalten. Wenn sie sie verkaufen, müssen sie den Verlust einstecken. Solange die Gesellschaft nicht geneigt ist, durch Konstellation ihrer Bilanz die Konsequenz dieser Minderbewertung zu ziehen, die durch Minderbewertung eintreten kann, die mit dem inneren Werte überhaupt nichts zu tun hat, die börsenkunjunkturmäßig, kapitalmangelmäßig liegen kann, muß die Gesellschaft sich auf den Standpunkt stellen: meine Aktiva entsprechen meinen Passiven, und dementsprechend würde der Aktionär, der bereits die Aktien besitzt, zu Schaden kommen, wenn ein neuer Aktionär in der Lage ist, sich zum Pariwert an der Gesellschaft zu beteiligen; er bekommt eine Aktie und darauf soll stehen: 100 minus soundso viel. Da kommen Sie zu vollkommen schwankenden Verhältnissen; das wäre ein dauerndes Schwanken. (Max Cohen: Der Aktionär hat doch Bezugsrecht!) — Das verwirrt die Sache noch mehr. Dadurch kommt man in eine vollkommen unsichere Situation hinein. Man muß da den geraden Weg gehen, indem man sagt: vorübergehede Erscheinungen, deren Grund tausendfaltig sein kann, haben zunächst nichts zu tun mit dem Werte des Unternehmens, wie es sich bilanzmäßig darstellt und von der Verwaltung der Gesellschaft als bilanzmäßig richtig vertreten wird. Ich könnte Ihnen eine Fülle von Beispielen von Unternehmungen anführen, die ich genau kenne, von denen ich mir klar bin: das sind Pariwerte, die aus irgendeinem Grunde anders notieren. Wenn ich gefragt würde: soll ich die Aktien verkaufen, würde ich sagen: nein, das würde ich nicht tun,
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wenn Sie nicht Schulden haben und zahlen müssen; sonst würde ich abwarten, der Tag wird schon kommen, wo der Wert wieder da ist. Wenn diese Gesellschaft nun Geld braucht, wird sie nach meiner Ansicht Geld zur Uberbrückung der Schwierigkeiten, die ihr gegenwärtig erwachsen, auch finden. Wenn sie es nicht findet, kann sie es nicht als Kapital bekommen und muß davon absehen. Ich halte es für viel gefährlicher, wenn der Besitzstand der Aktionäre gefährdet wird, als wenn die Gesellschaft sich nach der Decke strecken muß und nicht mit dem Kapital arbeiten kann. Darin sehe ich kein Malheur. Was das autorisierte Kapital betrifft, so steht das nicht im Zusammenhange damit, liegt auf einem ganz anderen Gebiet. Ich möchte mich nicht wiederholen; aber da ist für mich lediglich die Frage maßgebend, daß ich in einer der wichtigsten Entscheidungen, die eine Verwaltung treffen kann, es für erforderlich halte, daß abgesehen von ganz besonderen Fällen - der bedingten Kapitalerhöhung — eine Generalversammlung es zu genehmigen hat und ich nicht einer Verwaltung die Vollmacht gebe, aus Gründen, die sie nicht nennt oder nicht nennen kann, später mit einer Kapitalerhöhung herauszukommen, weil darin steht; autorisiertes Kapital soundso viel, und sie die Blankovollmacht ausnutzen kann. Das halte ich für falsch und gefährlich. MR Quassowski: Wenn ich den Herrn Vorsitzenden recht verstanden habe, soll die Frage der Vorratsaktien und des autorisierten Kapitals zusammen behandelt werden. Ich möchte mich zunächst zu der Materie der Vorratsaktien äußern, die von Herrn Dr. Solmssen angeregt worden ist. Herr Dr. Solmssen schlägt hier eine gewisse Einschränkung des §41 vor. Der §41 sieht ja vor, daß Vorratsaktien, also Aktien, die für Rechnung der Gesellschaft übernommen sind, kein Stimmrecht haben, überhaupt keine Rechte, kein Bezugsrecht, Dividendenrecht, bevor die volle Einlage geleistet ist. Die Einschränkung, die Herr Dr. Solmssen anregt, geht nun nach der Richtung, daß die Ausübung dieser Rechte, also des Stimmrechtes, Bezugsrechtes usw. nicht in allen Fällen von der Volleinzahlung abhängig gemacht wird, sondern daß auch eine Teilzahlung zur Ausübung dieser Rechte genügt, wenn bei den übrigen Aktien der gleichen Gattung für das Entstehen der Gesellschafterrechte gleichfalls die Leistung einer Mindesteinzahlung genügt. Nun glaube ich, muß man da zwei Fälle unterscheiden. Nehmen wir an, es ist beschlossen worden, auf die Aktie 25% einzuzahlen. Jemand hat eine Aktie für seine eigene Rechnung übernommen, also ganz ordnungsmäßig, und hat 25% eingezahlt. Dann steht natürlich nichts im Wege, daß dieser Aktionär, der die Aktie für seine Rechnung übernommen und auch die Einzahlung für seine Rechnung geleistet hat, entsprechend seiner Einzahlung Stimmrecht hat. Er haftet auch im übrigen bezüglich der verbleibenden 75% mit seinem eigenen Vermögen. Davon zu unterscheiden ist aber der Fall, daß jemand eine Aktie übernommen hat, wie es der §41 voraussetzt, für Rechnung der Gesellschaft, daß er aber trotzdem eine Einzahlung in Höhe von 25% aus seinem eigenen Vermögen geleistet hat. Man kann, glaube ich, diesen Fall nicht gleich behandeln dem ersten Fall und sagen: dieser Aktionär, der zwar die Einzahlung in Höhe von 25% aus seinem eigenen Vermö-
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gen geleistet, der aber doch an sich die Aktie für Rechnung der Gesellschaft übernommen hat, also bezüglich der restlichen 75% nicht aus seinem eigenen Vermögen haftet, ist ebenso gestellt wie der andere Aktionär, der in Höhe des Restes von 75% aus eigenem Vermögen auf die volle Einzahlung haftet. Wir sind der Ansicht, daß diese beiden Fälle unterschieden werden müssen, daß in diesem zweiten Falle der Aktionär eben nicht ein seiner Einzahlung entsprechendes Stimmrecht hat, sondern daß er sein Stimmrecht tatsächlich erst dann ausüben kann, wenn er die volle Einzahlung aus dem eigenen Vermögen geleistet hat. Der Grund ist, daß sonst eine Ungerechtigkeit gegenüber dem anderen Aktionär vorliegen würde, der ja bezüglich der Resteinzahlung voll haftet. Der andere Grund, vielleicht der entscheidende, ist aber der, daß nach dem ganzen § 41 zugrunde liegenden Gedanken Einfluß dahin ausgeübt werden soll, daß überhaupt solche Aktien für Rechnung der Gesellschaft nicht geschaffen werden. Dieser Druck besteht eben darin, daß diesen Aktien alle Rechte genommen werden, sozusagen, sie aber andererseits alle Pflichten treffen, und daß das nur aufhören soll, wenn tatsächlich die volle Kapitaleinzahlung aus dem Vermögen des Aktionärs selbst geleistet ist. Dieser Fall, den Herr Dr. Solmssen hier zur Erörterung gestellt hat, ist auch sehr eingehend beraten worden in den Besprechungen mit den Ländern, und man hat sich auch dahin geeinigt, diesen Fall, wo 25% aus dem Vermögen des Aktionärs geleistet sind, ebenso zu behandeln, nämlich in solchem Falle dem Aktionär die Rechte zu versagen. MR Dr. Neufeld: Herr Dr. Solmssen hat in seinen mündlichen Ausführungen als einen der Gründe, die gegen die Einführung des autorisierten Kapitals sprechen, die Beunruhigung angeführt, die durch die Schaffung autorisierten Kaptials für die Kursbildung der bereits emittierten Aktien entstehen könnte. Ich möchte mich zu diesem Punkte in dem Sinne äußern, daß ich den Auffassungen des Herrn Berichterstatters zu diesem Punkte nicht beitreten kann. Der gesetzgeberische Grund für die Schaffung des autorisierten Kapitals ist ja nicht so sehr die Tatsache, daß das Ausland das Institut des autorisierten Kapitals hat, sondern der Zweck ist der, ein wirtschaftlich weniger gefahrliches Instrument an die Stelle der Vorratsaktien zu setzen. Ich muß sagen,daß das, was vom Standpunkte der Kursbildung aus gegen das autorisierte Kapital eingewendet worden ist, genauso gegen Vorratsaktien eingewendet werden kann. Denn wenn eine Gesellschaft einen Posten Vorratsaktien hat, der in Wirklichkeit nicht begeben ist, so droht der genauso über dem Markt, wie wenn eine Autorisation des Vorstandes vorliegt, Aktien zu begeben. Denn auch bei Vorratsaktien hängt die Frage, ob diese Aktien einmal in Verkehr kommen, lediglich von einer Entscheidung der Verwaltung ab. Mir ist kein Fall in der Praxis bekannt geworden, in dem etwa die Schaffung von Vorratsaktien von Seiten der Verwaltung oder von der die Verwaltung beratenden Bank mit der Begründung abgelehnt worden ist, es könnte durch das Vorhandensein von Vorratsaktien ein Druck auf die Kursbildung ausgeübt werden. Im übrigen könnte ja dieser Einwand genauso geltend gemacht werden gegen jede Zusammenfassung von größeren Aktienposten in einer Hand. Denn auch hier liegt ja immer über dem Markte die Gefahr, daß dieser Block eines Tages gelöst wird und dann auf den Markt kommt. Gerade dies ist aber eine Erscheinung, die in der Natur des Aktienwe-
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sens liegt, daß eben der einzelne Einfluß auf die Gesellschaft sucht und daher große Posten zusammenkauft. Also die Gefahr durch die Neubegebung von Aktien, sei es in Form von autorisiertem Kapital, sei es in F o r m der Auflösung von geschlossenen Paketen, wenn man überhaupt diese Gefahr sieht, liegt in der Natur des Aktienwesens, und darum kann man, glaube ich, dieses Argument nicht gegen die Einführung eines Instituts geltend machen, zumal dieses Institut an die Stelle einer anderen, durch die Praxis geschaffenen Einrichtung treten soll, bei der diese Gefahr mindestens in gleichem Umfange vorhanden ist. Naphtali:
Ich möchte nur eine kurze Bemerkung über die Frage der Vorratsaktien ma-
chen. In dem Vorschlage, den Herr Dr. Solmssen hier gemacht hat, unter Umständen die Vorratsaktien auch ohne Volleinzahlung stimmberechtigt zu machen, scheint mir folgende Frage aufzutauchen, die ich von ihm gern beantwortet haben möchte. Könnte, wenn man diese Vorschrift einführte, das nicht zu einem Mißbrauch derart führen, daß man Vorratsaktien als eine besondere Gattung schaffte, d.h., daß dann einfach bei dem Schaffen dieser Vorratsaktien diese eine besondere Gattung darstellen? Die Bedingung, daß die ganze Gattung so behandelt wird, ist erfüllt, und dadurch ist sehr leicht eine Umgehungsmöglichkeit dieser Einschränkung geschaffen. Ich weiß nicht, ob Sie verstehen, was ich meine. D e r Vorschlag geht doch dahin: D i e Vorratsaktien sollen dann stimmberechtigt sein, wenn Sie soviel Einzahlung auf sie geleistet haben, wie es dieser Gattung entspricht. Nun habe ich das Bedenken, daß das dadurch umgangen werden könnte, daß man die Vorratsaktien als eine besondere Gattung schafft. (Dr. Solmssen:
Das darf natür-
lich nicht gemacht werden!) Dagegen müßte man sich schützen. Das ist mein Bedenken gegen diesen Vorschlag. Dann möchte ich ein Wort zur Frage des autorisierten Kapitals sagen. Ich stehe vollkommen auf dem Standpunkt von Herrn Dr. Solmssen, daß das genehmigte Kapital mir innerhalb der ganzen Reform als ein Fremdkörper erscheint, indem es an einem wichtigen Punkte die Unkontrolliertheit der Vewaltung, die man sonst unter schärfere K o n trolle stellen will, zuläßt. W e n n Herr Geheimrat Neufeld eben erläutert hat, was die Gründe dafür sind, so muß ich bis zu einem gewissen Grade sagen, daß mich das in meiner Ablehnung bestärkt. Denn die ganze Vorschrift in bezug auf die Vorratsaktien geht ja doch dahin, die Mißbräuche, die mit dieser Institution entstanden sind, einzuschränken. Es kann nun nicht sehr zweckmäßig sein, wenn man in demselben Augenblick, wo man diese Mißbräuche einzuschränken sucht, ein Ersatzinstitut schafft, wie Herr Geheimrat Neufeld gesagt hat, das nach meinem Dafürhalten mit genau den gleichen Mißständen verknüpft sein kann. Insofern habe ich das Gefühl, daß die Einschränkungen der Vorratsaktien, die vernünftigerweise im Gesetzentwurf vorgenommen werden, gleichsam auf der anderen Seite durch die Einführung des genehmigten Kapitals wieder aufgelockert werden. Und diese Auflockerung scheint mir nicht erwünscht. Ich glaube auch, daß tatsächlich das Bedürfnis nach der Schaffung solchen genehmigten Kapitals bei einer normalen Verwaltung nicht gegeben ist, und daß immer ein gewisser Verdacht vorliegt, daß ein solches Institut benutzt wird, um eben normale Aktionärsrechte, also Generalversammlungsrechte
herabzudrücken
und auszuschalten.
Ich
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möchte mich deshalb dem Vorschlage von Herrn Dr. Solmssen in bezug auf die Beseitigung dieses Abschnittes durchaus anschließen. Dr. Wussow: Ich muß mich auch Herrn Dr. Solmssen wegen des genehmigten Kapitals anschließen. Man erteilt hier dem Vorstand eine Vollmacht, die ungeheuer weit geht und nicht zu überblicken ist. Ich bin selbst lange Vorstand einer großen Aktiengesellschaft gewesen. Ich muß gestehen, ich hätte Bedenken, von diesem Rechte praktisch Gebrauch zu machen. Es ist doch etwas ganz Ungeheuerliches, daß ich als Vorstand entscheiden soll, ob ich das Aktienkapital erhöhen will, ob ich einfach irgendeine Gelegenheit ergreifen soll, wo sich mir Geld bietet, um das Kapital zu erhöhen, wobei ich gar nicht wissen kann, ob der Weg, auf dem ich das mache, den Aktionären angenehm ist. Ich weiß auch nicht, ob nicht Mißbrauch damit im Vorstand getrieben wird. Ich habe große Bedenken gegen dieses Institut und würde vorziehen, davon Abstand zu nehmen. Im übrigen bin ich auch vollkommen der Meinung, daß die Pari-Emission aufrechterhalten wird. Die Unterpari-Ausgabe würde ja gewissermaßen die Festlegung des augenblicklichen Kurses der Aktien durch die Generalversammlung sein. Es würde also tatsächlich die Hoffnung und die Chance, die doch dem Aktionär bleibt, daß sein Geld wieder wertvoll wird und wieder den Wert bekommt, den es haben muß - es ist doch voll eingezahlt worden - , von vornherein übertragen [wohl: begraben; Anm. des Hrsg.] werden; es tritt gewissermaßen gleich eine Realisation ein. Das ist meiner Ansicht nach beim besten Willen nicht möglich, ganz abgesehen davon, daß es in der Gesellschaft unklare Verhältnisse geben würde. Jeder, der von einer Hundert-Millionen-Gesellschaft hört, stellt sie sich doch so vor, daß die Gesellschaft 100 Millionen investiert hat. Sie hat es aber gar nicht in Wirklichkeit. Nun soll man künstlich durch Berechnung der Aktie, durch Verkündungen, die niemand liest, diesen Gedanken wieder revidieren. Das kann das Publikum nicht. Daher halte ich es für richtig, daß die Pari-Emission aufrechterhalten wird. yiRQuassowski: Wir sind der Meinung, daß die Einführung des genehmigten Kapitals notwendig ist, weil das gegenwärtige Recht, namentlich die normale Kapitalerhöhung nicht den Anforderungen entspricht, die an eine zweckmäßige Kapitalbeschaffungsmöglichkeit zu stellen sind. Einmal ist das normale Kapitalerhöhungsverfahren ja bekanntlich sehr zeitraubend. Schon allein damit der Beschluß der Generalversammlung zustande kommt, bedarf es einiger Wochen; die Einlassungsfrist für die berufene Generalversammlung beträgt bekanntlich mehrere Wochen. Daran schließt sich, wenn der Beschluß erlassen ist, das Verfahren der Durchführung der Kapitalerhöhung an, das ebenfalls sehr zeitraubend und umständlich ist. Es besteht also gar nicht die Möglichkeit, eine sich plötzlich bietende Gelegenheit, das Kapital günstig abzusetzen, rasch wahrzunehmen, jedenfalls nicht auf normalem Wege. Man hat sich da mit kleinen Mittelchen beholfen, die aber an sich zu verwerfen sind. Der Vorstand hat sich von befreundeten Stellen Aktien geliehen, wenn die Möglichkeit bestand, sie auf den Markt zu werfen, hat das dann getan und mußte doch nun diese Aktien den Entleihern zurückerstatten. Kam es dann nicht zu der Beschlußfassung der Kapitalerhöhung durch die Generalversammlung, die er erwartet hatte, dann konnte er dieser Rückerstattungspflicht nicht nachkommen.
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Weiter ist auch der Beschluß der Generalversammlung naturnotwendig nicht elastisch genug, damit er sich den stets wechselnden Bedürfnissen der Kapitalschaffung für die Gesellschaft und der jeweiligen, stets wechselnden Marktlage anpaßt. Der Beschluß der Generalversammlung kann, wenn man eben die völlige Entschließung der Generalversammlung überläßt, doch nur so lauten: das Kapital wird erhöht beispielsweise um 100 000 M , nach den und den Bedingungen muß es abgesetzt werden. Dann wäre die Verwaltung verpflichtet, diese 100 000 Μ zu den festgesetzten Bedingungen auf den Markt zu bringen. Es ist ja bekannt, daß bei der Absetzung eines größeren Aktienpakets die Kursentwicklung sehr ungünstig beeinflußt werden kann. E s kann unter Umständen gar nicht möglich sein, zu den von der Generalversammlung festgesetzten Bedingungen den von der Generalversammlung festgesetzten Betrag auch wirklich an den Mann zu bringen. Auch hier hat man sich mit allerhand Mitteln geholfen, die aber unzulänglich sind und deshalb abzulehnen sind. Man hat den Weg der Ermächtigung beschritten. Die Generalversammlung hat beschlossen, nicht sofort dieses Kapital auszugeben, sondern hat den Vorstand ermächtigt, einen gewissen Zeitraum zu warten, und hat dem Vorstand eine gewisse Freiheit auch in dem Maße gegeben, in dem von der Ermächtigung Gebrauch zu machen ist. Aber diese Frage der Ermächtigung ist erstens mal sehr bestritten, und es ist fraglich, ob eine derartige Ermächtigung überhaupt zulässig ist. Das Gesetz sieht ja vor, daß die Generalversammlung die Kapitalerhöhung zu beschließen hat. Bei strenger Auslegung des Gesetzes müßte man eine solche Ermächtigung glatt für unzuläßig erachten. Die Generalversammlung hat ja auch die Bilanz zu beschließen, hat die Kapitalherabsetzung zu beschließen. Kein Mensch ist auf den Gedanken gekommen, daß die Generalversammlung die Festsetzung der Bilanz oder die Kapitalherabsetzung der Verwaltung überlassen könnte. Diese Ermächtigung, die man hier auf dem Wege der Kapitalerhöhung zugelassen hat, ist eine Notmaßnahme, die die Praxis gefunden hat und hat finden müssen, weil das Gesetz hier eben an sich kein Ventil gegeben hat. D a ist dieses Ventil durch die Praxis geschaffen worden. Nun soll anstelle dieser Wege, die die Praxis contra legem gefunden hat, eine gesetzliche Regelung gesetzt werden, bei der sich die Kapitalerhöhung durch den Vorstand im vollsten Lichte der Öffentlichkeit vollzieht und wo der Weg dieser Kapitalerhöhung durch den Vorstand mit allen nur erdenklichen Sicherungen umgeben ist. Ich glaube, es kann niemand geben, der diese Schleichwege, die die Praxis hier gefunden hat, dem offenen und klaren und mit allen Sicherungen umgebenen Weg vorzieht, den der Entwurf vorgesehen hat. A u f etwas möchte ich noch hinweisen. Wenn die Praxis diese Ermächtigung an die Verwaltung auf dem Gebiete der Kapitalerhöhung zugelassen hat, so besteht keinerlei Gewißheit, daß nicht die Praxis und Rechtsprechung sich ändern. Ich möchte es sogar, wenn jetzt beschlossen wird, das genehmigte Kapital nicht einzuführen, das ja doch diese von der Praxis zugelassene Ermächtigung ersetzen soll, für sehr wahrscheinlich halten, daß daraus die Rechtsprechung als Wille des Gesetzgebers annimmt, daß eben die Kapitalerhöhung in keiner Beziehung Gegenstand einer Ermächtigung des Vorstandes sein
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kann, sondern wie das Gesetz es auch in seinem Wortlaut besagt, in allen Fällen der Beschlußfassung durch die Generalversammlung vorbehalten ist. Und dann besteht überhaupt nicht die Möglichkeit einer zweckentsprechenden Absetzung des Kapitals. Der Zusammenhang dieser Frage mit der Frage der Vorratsaktie ist von Herrn Ministerialrat Dr. Neufeld schon eingehend behandelt worden. Ich möchte nur auf etwas hinweisen. E s ist gesagt worden, die Vorratsaktie wird einheitlich abgelehnt, und es ist die Folge daran geknüpft worden: Wenn mit der Vorratsaktie Mißbrauch getrieben wird, kann auch mit dem genehmigten Kapital Mißbrauch getrieben werden; wenn wir die Vorratsaktie ablehnen, müssen wir auch das genehmigte Kapital ablehnen. Das, glaube ich, trifft nicht zu; denn das genehmigte Kapital ist, wie ich schon bemerkte, eine Einrichtung, die mit allen möglichen Sicherungen versehen ist. Das genehmigte Kapital kann nur abgesetzt werden im Wege des Zeichnungsscheins; es muß eingetragen werden, während die Vorratsaktien - das sind Papiere, die der Vorstand bei sich liegen hat stückweise ausgegeben werden können, ohne daß etwas auf sie eingezahlt ist. Der Vorstand kann sie verwerten, und dieser Akt der Verwertung untersteht keinerlei Kontrolle. Darin liegt eben die Möglichkeit einer mißbräuchlichen Verwendung dieser Einrichtung der Vorratsaktien, einer mißbräuchlichen Verwendung, die bei Handhabung des genehmigten Kapitals völlig ausgeschlossen ist. Noch einige Einzelfragen. E s sind Bedenken nach der Richtung geltend gemacht worden, daß das genehmigte Kapital die Gewährung eines Bezugsrechtes an die Aktionäre nicht zulasse. Da liegt ein Mißverständnis vor. Das Bezugsrecht der Aktionäre ist nicht ausgeschlossen, sondern den Aktionären ist, wie bei jeder Kapitalerhöhung, auch bei der Kapitalerhöhung durch genehmigtes Kapital das Bezugsrecht zu gewähren und die Aktien anzubieten, und sie können an Dritte nur dann abgesetzt werden, wenn die Aktionäre die Aktien ablehnen. Natürlich kann, wie bei jeder normalen Kapitalerhöhung das Bezugsrecht ausgeschlossen werden kann, nach dem Entwurf mit einer verstärkten Mehrheit von 3/4 das Bezugsrecht auch bei der Ausgabe des genehmigten Kapitals ausgeschlossen werden. Die Generalversammlung hat es ja, wenn sie die Ermächtigung erteilt, in der Hand, das Bezugsrecht auszuschließen oder nicht. Dann darf man sich dieses genehmigte Kapital nicht so vorstellen, daß nun in allen Fällen und zwangsläufig dem Vorstande volle Entschließungsfreiheit überlassen werden muß, also Freiheit der Entschließung darüber, ob er das Kapital ausgibt, in welcher Höhe und wann und zu welchen Bedingungen. E s steht natürlich der Generalversammlung vollkommen frei, diese Ermächtigung nach ihrem Ermessen einzuschränken. Auf eine Einschränkung, die in jedem Falle kraft Gesetzes eintritt, möchte ich ganz besonders hinweisen, nämlich daß der Vorstand das genehmigte Kapital nur mit Zustimmung des Aufsichtsrats ausgeben soll. Das ist eine Verbesserung gegenüber dem ersten Entwurf, die bewußt eingebaut worden ist, um die Sicherungen des genehmigten Kapitals noch zu verstärken. Dann eine weitere Einzelheit. Herr Dr. Solmssen hat geglaubt, ein Bedenken gegen diese Einrichtung auch deswegen geltend machen zu sollen, weil man bei dem genehmigten Kapital ungewiß ist, in welcher Höhe die Gesellschaft bereits Kapital ausgegeben hat
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oder nicht. Auch darin liegt ein Mißverständnis. Das genehmigte Kapital setzt voraus Zeichnungsschein und Eintragung. Erst wenn die Eintragung wie bei normaler Kapitalerhöhung erfolgt ist, dann ist das Kapital ausgegeben. Man kann also jederzeit aus dem Handelsregister sich vergewissern, in welcher Höhe das genehmigte Kapital ausgegeben ist. Was das Ausland betrifft, so haben wir uns keineswegs dadurch beeinflussen lassen, daß das Ausland diese Rechtseinrichtung kennt. Immerhin ist es doch von einem gewissen Interesse, zu wissen, daß fast das ganze Ausland diese Einrichtung kennt, sei es durch ausdrückliche gesetzliche Regelung, sei es zugelassen durch die Praxis. Namentlich ist es üblich in England, in Amerika, ist es üblich in der Praxis in Frankreich; es ist in dem schweizerischen Entwurf 1 " eines neuen Aktienrechts vorgesehen und ist auch in Holland eingeführt. Fast sämtliche Länder, mit denen wir in Wirtschaftsbeziehungen stehen, kennen diese Einrichtung. Mißbräuche sind nicht bekannt geworden, so daß man hier, glaube ich, von einem wirtschaftlich und rechtlich notwendigen Gebilde sprechen muß, von dem ein Mißbrauch nicht zu erwarten ist. O R R Or.Schmölder: Darf ich in Ergänzung der Ausführungen auf zwei Gesichtspunkte noch hinweisen. Herr Dr. Solmssen hat darauf hingewiesen, und das geht auch aus seinem Gutachten hervor, daß dem Zwecke des autorisierten Kapitals im wesentlichen schon durch die Einrichtung der bedingten Kapitalerhöhung Rechnung getragen würde. V o m Standpunkte der Reichsregierung ist diese Auffassung nicht ganz zu teilen, dann bedingte Kapitalerhöhung und autorisiertes Kapital tragen ganz verschiedenen wirtschaftlichen Zwecken Rechnung. Insbesondere ist die bedingte Kapitalerhöhung ihrem Wesen nach zweckgebunden. Es geht ja aus den Vorschriften über bedingte Kapitalerhöhung, insbesondere aus dem hier einschlägigen § 157 Abs. 2 des Entwurfes klar hervor, daß die bedingte Kapitalerhöhung nur für zwei wirtschaftliche Zwecke in Betracht kommen kann, nämlich für die Vorbereitung von Fusionen, für die Bereitstellung von Bezugsaktien für diesen Zweck und für die Ausgabe von Bezugsaktien bei Wandelschuldverschreibungen. In diesen beiden Fällen soll ausschließlich die bedingte Kapitalerhöhung zum Zuge kommen können. Ein Darüber-Hinausgehen würde die ganze Operation womöglich rechtsungültig gestalten. Dagegen hat das autorisierte Kapital einen ganz anderen und viel umfassenderen Zweck. Es will für alle nur denkbaren auftretenden Bedürfnisse der Praxis die Aktien bereitstellen, nicht nur in diesen engen Fällen, die für die bedingte Kapitalerhöhung in Frage kommen. Das ist der eine Gesichtspunkt. Dann darf ich die Herren vielleicht noch daran erinnern, wie die Reformbewegung auf dem Gebiete des autorisierten Kapitals vor sich gegangen ist. Herr Dr. Solmssen hat sich in seinem Votum auf die Stellungnahme des Zentral verbandes des Bank- und Bankiergewerbes berufen. Diese Stellungnahme datiert ja aus der Zeit der Fragebogen-Enquete". Es wird die Herren deswegen interessieren, zu erfahren, wie andere Stellen sich über die
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Vgl. den E n t w u r f eines Bundesgesetzes über die Revision der Titel 2 4 bis 31 des Schweizerischen Obligationenrechtes, Bern 1928. V g l . hierzu oben S. 29.
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Einrichtung des autorisierten Kapitals geäußert haben. Da ist es interessant, daß die Bannerträger der Ablehnung gerade hier die Banken gewesen sind, daß auf der anderen Seite aber ζ. B. der Reichsverband der deutschen Industrie das autorisierte Kapital als dringendes wirtschaftliches Bedürfnis mit der Begründung gefordert hat, daß ein notwendiger Ersatz geschaffen werden müsse für die Vorratsaktien und Verwertungsaktien, die ja vom Entwurf perhorresziert werden und, wie ich annehmen darf, auch hier vom Ausschuß perhorresziert werden sollen. Wir haben hier also eine völlig abweichende Auffassung zweier bedeutsamer wirtschaftlicher Gremien vor uns. Dieselbe Meinungsverschiedenheit ist auch in anderen wirtschaftlichen Gremien aufgetreten. Zum Beispiel ist es interessant, daß der Industrie- und Handelstag sich einer klaren Stellungnahme enthalten hat, die Bedenken, die evtl. dagegen sprechen, geäußert hat, aber abschließend sich auch für das genehmigte Kapital ausgesprochen hat unter der Voraussetzung, daß insbesondere die Zustimmung des Aufsichtsrats obligatorisch eingeführt wird. Da darf ich vielleicht das noch einmal unterstreichen, was Herr M R Quassowski ausgeführt hat. Ich habe Verständnis dafür, daß man gegenüber dem Vorentwurf eine gewisse Hemmung an den Tag legt. Der Vorentwurf 12 sah die Einrichtung des genehmigten Kapitals in der Weise vor, daß es ausschließlich Sache des Vorstandes sein sollte, die Aktien auszugeben, und das ist in der Tat eine Blankovollmacht an den Vorstand, die sehr weit geht. Aber nun ist diese Kautel neu eingeführt worden dadurch, daß jetzt die Zustimmung des Aufsichtsrats obligatorisch zu erfolgen hat. Im Entwurf steht - darauf deutet ein Einwand, der von Herrn Dr. Solmssen herkommt —, daß die Zustimmung des Aufsichtsrats vorhanden sein soll. Das hat aber nur die Bedeutung, daß nicht die Nichtigkeit des genehmigten Kapitals daraus etwa abgeleitet werden kann. Denn das würde ja zu einer Rechtsunsicherheit führen, die auf keinen Fall ertragen werden kann. Es würden dann womöglich Aktien herumlaufen, die überhaupt nicht gültig sind. Das kann mit den Grundsätzen der Verkehrssicherheit in keiner Weise verantwortet werden. Also die Tatsache, daß es sich hier um eine Sollvorschrift, nicht um eine Mußvorschrift handelt, hat nur den Grund, daß man im Interesse der Verkehrssicherheit vermeiden will, daß nichtige Aktien in Umlauf gesetzt werden. Im übrigen bleibt es dabei, daß sich die Organe, sowohl Vorstand wie Aufsichtsrat, verantwortlich machen, wenn Aktien begeben werden im Wege des autorisierten Kapitals, ohne daß die Zustimmung des Aufsichtsrats im Einzelfalle vorliegt. Zweifellos werden alle Verwaltungen hier vorsichtig operieren und auf keinen Fall gegen diese Sollvorschrift verstoßen. Ich glaube, daß bei einer solchen Situation die Hemmungen, die man gegenüber dem damaligen Standpunkt des Vorentwurfs gezeigt hat, stark in den Hintergrund treten, daß die Vorzüge die Nachteile dieser Regelung zweifellos überwiegen und es deswegen auch wohl bei dieser Einrichtung bleiben sollte, zumal auch noch in Betracht kommt, wie Herr MR Quassowski schon anführte, daß man unter Umständen gegenüber dem Ausland ins Hintertreffen gerät, wenn überall um uns herum die Einrichtung eingeführt ist und nur wir im deutschen Recht abseits stehen. Das kann auch unter Umständen wirtschaftliche 12
Gemeint ist der E n t w u r f von 1930, §§ 171 ff.
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Schäden herbeiführen. Unter Umständen ist ein Geldgeber geneigt, bei doppeltem Angebot das Geld dem ausländischen Unternehmen zu geben, weil das die Form des autorisierten Kapitals kennt, nicht aber dem deutschen Unternehmen, weil man in Deutschland diese Form des autorisierten Kapitals nicht kennt. Ich glaubte, zusammenfassend sagen zu können, daß die Vorteile der Regelung zweifellos die gewissen Nachteile, die man vielleicht anerkennen kann, doch überwiegen. Marx: Ich kann mich mit dem Institut des autorisierten Kapitals nicht befreunden. Zwar ist von Herrn MR Quassowski gesagt worden, daß ein Mißbrauch aus diesem Institut nicht zu erwarten sei; dafür kann aber in keiner Weise garantiert werden, daß keine Mißbräuche entstehen, sondern ich bin der gegenteiligen Ansicht, daß hier irreguläre Geschäfte, um den Ausdruck zu gebrauchen, nicht von der Hand zu weisen sind. Es kann nicht bestritten werden, daß das Vertrauen zu dem gesamten Aktienwesen im Kreise derjenigen, die Aktienbesitzer sind, total erschüttert ist. Auch das ist zweifellos eine Aufgabe der Reform, das Vertrauen wieder herzustellen. Das tut man aber nur dann, wenn man alle Sicherungen dagegen schafft, daß der Einzelaktionär das Gefühl hat, daß auf seinem Rücken gespielt wird. Darum müssen alle Garantien geschaffen werden, daß in jeder Hinsicht so vorgegangen wird, daß die Generalversammlung das entscheidende Wort hat und man nicht vor fertigen Projekten steht; daß man nicht unter irgend welchen Vorwänden, wie es doch möglich ist, autorisiertes Kapital schafft, das dann in der Praxis nachher ganz anders verwandt wird, als es in der Generalversammlung vorgebracht worden ist. Dann heißt es nachher: Beschluß ist Beschluß. Aber wenn ich den Beschluß mit Plan Α begründet habe, schließt das nicht aus, daß nachher der Plan Β damit durchgeführt wird. Ich bin auch der Auffassung, daß Herr Dr. Solmssen recht hat, wenn er sagt: wenn dieses Institut so bleiben soll, wie es in der Vorlage vorgesehen ist, dann muß sich das sehr ungünstig auch im Markte der Aktien auswirken. Das ist ein Moment, das man nicht übersehen darf. Ich bin nicht der Ansicht, daß diese Vorschrift deshalb notwendig sein sollte, um plötzlich auftretende Möglichkeiten, irgendeiner Gesellschaft neues Kapital zuzuführen, auszunutzen. Da hat es bisher Wege gegeben, die auch in Zukunft möglich sein werden, Voraussetzungen, die dann realisiert werden, wenn die Generalversammlung die entsprechenden Beschlüsse faßt. Das ist jedenfalls der sauberste Zustand. Also ich bin nicht der Auffassung, daß die Ausführungen der Vertreter der Regierung die hier geltend gemachten Bedenken gegen das System des autorisierten Kapitals entkräftet haben. Berichterstatter Dr. Solmssen: Ich bin den Herren der Reichsregierung sehr dankbar; sie haben eine ganze Reihe von neuen Punkten vorgetragen, die auch sehr belehrend gewesen sind. Ich möchte mich zusammenfassend dahin äußern: Es ist vielleicht ganz instruktiv, zu sehen, daß auch ein Vertreter des Kapitals hier sich ganz instinktiv verwaltungsmäßig auf den Standpunkt zu stellen versucht, um die Befugnisse der Verwaltung nicht über ein gewisses Maß hinaus wachsen zu lassen. Der Verwaltung einer Aktiengesellschaft muß es am liebsten sein, wenn das Kapital vollkommen zerstreut ist, weil dann
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die Aktiengesellschaft ihrem Wesen am besten dient. Sowie sich Pakete bilden, kommt es gewöhnlich zu unangenehmen Situationen nach den verschiedensten Richtungen. Ich kann mein Unternehmen am besten verwalten, wenn ich einer ungemessenen Zahl von Beteiligten gegenüberstehe, denen ich Rechenschaft ablege und von denen der einzelne nur das Interesse an dem Unternehmen hat, daß ihm sein Kapital erhalten wird und er eine hohe Rente bekommt. Sowie Pakete entstehen, sind zwei Möglichkeiten vorhanden. Entweder es sind Anlagen, die durchgehalten werden, weil die Leute sagen, wir halten die Anlagen für dauernd gut. Da kommen so viele Fragen: Wenn der Mensch stirbt, was wird aus der Geschichte? Dann geht das Angstigen der Verwaltung los: eines schönen Tages besitzt ein wesensfremder Mann die Mehrheit, der das Unternehmen nicht von dem Gesichtspunkt aus betrachtet, daß das Kapital erhalten wird, sondern dessen Streben dahin geht: wie kann ich Einfluß ausüben für den Zweck, den ich nicht nenne. Die Börse hat nach meiner Beobachtung ein feines Gefühl dafür. Wir sehen immer wieder, daß diejenigen Unternehmen, bei denen derartige Einflüsse sich nicht geltend machen können, die angenehmste und beste Kapitalanlage sind, die sich das Publikum wünscht. In dem Augenblick, wo die Leute nicht genau wissen, welche Einflüsse sich als kapitalsmäßige Einstellung geltend machen können, ist es viel schwieriger, den breiten Markt zu haben und zu halten, der mir für einen Aufbau der deutschen Wirtschaft als das Wünschenswerteste erscheint. Ich bedaure, Sie nicht überzeugen zu können, Herr Ministerialrat Neufeld, daß ein gewisser Druck über dem Markte liegt, sowie solche Pakete in irgendeinder Form schwimmen. Man weiß nicht, wann sie herauskommen und wie der Kurs durch diese Pakete manipuliert wird. Darum werde ich auch die Besorgnis nicht ganz los. Es ist mir manches klargeworden, daß Sie in dem sehr berechtigten Bestreben, die Beweglichkeit des Unternehmens zu erhalten, etwas anderes schaffen wollen. Aber ich muß ehrlicherweise diese Nebenerscheinungen berichten, die ich kommen sehe und von denen ich noch nicht ganz genau sehe, wie sie beseitigt werden können. Was nun die Praxis betrifft, so liegt es tatsächlich so, daß mir keine Fälle bekannt geworden sind, wo man vor der Schwierigkeit stand, wie kriegen wir eine Kapitalserhöhung durch. Wenn der Markt sich so schnell ändert, ist es kein Markt, mit dem man etwas anfangen kann. Ich muß abwägen, mit welchem Emissionskurs ich die Aktien dem Publikum anbieten kann. Man muß sich doch etwas längere Zeiträume überlegen, darf nicht vom augenblicklichen Status ausgehen. Wenigstens ich habe es noch nicht erlebt, daß solche Momente eintreten, wo man gerade hätte zugreifen können. (Zuruf: Warum ist denn die Vorratsaktie geschaffen worden?) - Wir haben sie früher nicht gehabt, sie ist ein Kind neuerer Zeit, vor dem Kriege ist sie vollkommen unbekannt gewesen, und es ist auch gegangen. Nun wollte ich noch um eine Belehrung nach folgender Richtung bitten. Soweit mir die Judikatur bekannt ist, liegt es so, daß das Reichsgericht verlangt hat, daß, wenn Beschlüsse in Ermächtigungsform gefaßt werden, diese Beschlüsse immer eine zeitliche Bindung vorsehen. Das Reichsgericht hat doch eine gewisse Sorge gehabt, daß solche Vollmachten über eine gewisse Zeit hinaus gegeben werden, die erforderlich ist, um die Dinge übersehen zu können.
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Ich möchte noch eine Frage stellen, die mir aufgefallen ist. Das Mindeste, was verlangt werden muß, ist doch, daß, wenn eine solche Ermächtigung ordnungsmäßig erteilt ist, sie in der Bilanz auch in Erscheinung tritt. (MRQuassowski: Im Geschäftsbericht!) Aber auch in der Bilanz! Der Geschäftsbericht wird ja vielfach gar nicht gelesen. (MR Quassowski: In die Bilanz gehört es eigentlich nicht hinein. Es ist noch kein ausgegebenes Kapital!) Soweit ich die englischen Verhältnisse kenne, ist es dort darin. Also das müßte auch in der Bilanz auf der Seite der Passiven stehen. Die Geschäftsberichte werden nur von Leuten verfolgt, die sich näher in die Sache vertiefen. Aber die große Masse sieht sie sich nicht an. Die Bilanz sieht sie sich an. Ich würde es für erforderlich halten, daß aus der Bilanz erkenntlich ist: sowiel Kapital kann evtl. ausgegeben werden, ohne daß eine Bilanzänderung oder Statutenänderung dadurch noch erfolgen muß. Vorsitzender: In erster Linie geht also Ihr Antrag dahin: evtl. wird beantragt für den Fall, daß das autorisierte Kapital bleibt, vorzuschreiben, daß das ermächtigte Kapital, die Ermächtigung auch in der Bilanz, nicht im Geschäftsbericht, erscheint. MRQuassowski: Ich habe den Eindruck aus der Diskussion, daß auch anerkannt wird, daß das normale Kapitalerhöhungsverfahren, so wie das Gesetz es sich eigentlich ursprünglich gedacht hat, doch zu umständlich ist, nicht zweckentsprechend ist und nicht den Anforderungen entspricht, die an eine zweckmäßige Kapitalausgabemöglichkeit zu stellen sind. Das habe ich gerade den Ausführungen von Herrn Marx entnommen. Herr Marx hat betont: wir brauchen das genehmigte Kapital nicht, denn Zwischenlösungen wird es immer geben. Das ist doch gerade diese Sache. Wenn man Bedenken gegen das genehmigte Kapital hat, dann muß man dieselben Bedenken und noch viel schwerere Bedenken gerade gegen diese Zwischenlösung haben. Wenn Herr Dr. Solmssen befürchtet, daß das genehmigte Kapital wegen der Unsicherheit der Möglichkeit der Aktienausgabe einen Druck auf die Marktlage ausüben kann, so gilt das doch noch in demselben Maße für diese Zwischenlösungen und für diese Ersatzmittel, die heutzutage verwendet werden, denn wenn der Vorstand ein Paket Vorratsaktien liegen hat, dann kann er ja doch auch diese jederzeit auf den Markt werfen; und da kann der Druck auf die Marktlage genauso entstehen wie durch das genehmigte Kapital. Also die Bedenken, die gegen das genehmigte Kapital vielleicht zu machen sind, bestehen auch gegen die Zwischenlösungen. Das genehmigte Kapital hat aber eben den großen Vorzug, daß diese Kapitalbeschaffungsmöglichkeit jetzt eben nicht auf einem Weg von Zwischenlösung auf illegalem Wege und durch mehr oder weniger unerwünschte Ersatzmittel sich vollzieht, sondern sie ist genau gesetzlich festgelegt, vollzieht sich ganz offen und ist mit allen nur erdenklichen Sicherungen für die Aktionäre versehen. Erstens einmal kann ja doch die Ermächtigung - ich habe schon daraufhingewiesen - je nach dem Ermessen der Generalversammlung mehr oder weniger eingeschränkt werden. Und vor allen Dingen greifen, wenn das genehmigte Kapital zur Ausgabe gelangt, dann ja auch die Grundsätze der ordentlichen Kapitalerhöhung ein. Es muß erfolgen eine Zeichnung der Aktionäre, eine Eintragung des ausgegebenen Kapitals, also genauso wie normalerweise. Ich kann die Bedenken von Herrn Dr. Solmssen nicht verstehen, der meint, es könnte da nun irgendwie eine Verteilung des genehmigten Kapitals zum Schaden der Aktionäre erfolgen. Es muß das geneh-
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migte Kapital wie jedes andere Kapital gezeichnet werden, und es muß auch den Aktionären angeboten werden. Die Publizitätsfrage hat uns auch besonders beschäftigt. E s ist in dem Entwurf vorgesehen, daß in dem Geschäftsbericht Angaben über das genehmigte Kapital zu machen sind. Das bedeutet also, daß über die Tatsache einer solchen Ermächtigung zu berichten ist, über den Inhalt der Ermächtigung und darüber, wie weit von der Ermächtigung Gebrauch gemacht worden ist. Wenn man darüber hinaus noch diese Publizität verstärken und auch Angaben in der Bilanz für richtig halten will, so ließe sich darüber natürlich reden. Allerdings könnte ich mir nur solche Angaben in F o r m einer Anmerkung denken, denn das genehmigte Kapital ist ja noch nicht eigentliches Kapital, kann also auf der Passivseite nicht figurieren. Also diese Sicherungen lassen sich gewiß noch nach dieser oder jener Seite irgendwie verstärken. Das ist nichts Grundsätzliches, aber das Grundsätzliche ist, daß das genehmigte Kapital als Ersatz für unerwünschte Zwischenlösungen notwendig ist, von denen zur Zeit Gebrauch gemacht wird, von denen aber vielleicht gar nicht mehr Gebrauch gemacht werden kann, wenn Sie hier zur Ablehnung des genehmigten Kapitals gelangen, weil sich dann eben die Rechtsprechung sehr wohl auf den Standpunkt stellen kann: der Gesetzgeber wünscht, daß die Ausgabe von Kapital zur Erhöhung des Kapitals ausschließlich der Generalversammlung vorbehalten sein muß, so daß also der Weg der Ermächtigung, mit dem Sie, meine Herren, hier alle rechnen, vielleicht für die Zukunft dann vollkommen versperrt ist. Vorsitzender: Nachdem der Herr Regierungskommissar noch einmal das Wort ergriffen hat, betrachte ich die Debatte als wieder eröffnet. Marx: Was sind Zwischenlösungen? Das ist auch ein Begriff, den man ganz verschieden auffassen kann. (Zuruf: Vorratsaktien!) - J a , die wollen wir ohne weiteres abschaffen und auch das Institut des autorisierten Kapitals ablehnen. Das muß man also nun als Voraussetzung bei diesem Gegenstand wissen. Aber unter Zwischenlösung kann man natürlich alles Mögliche verstehen. Ich verstehe unter Zwischenlösung, daß irgendeine Transaktion so weit vorbereitet wird, daß unter dem entsprechenden Vertrag dann die Generalversammlung ihren Stempel mit J a oder Nein setzt. Lehnt sie dann das Projekt ab, dann ist es begraben. Stimmt sie zu, sind die Verträge sanktioniert, und es kommt dann zu der Kapitalerhöhung, die dann einen bestimmten Zweck hat. Das ist der reguläre Weg, von dem ich vorhin sprach. Bei dem autorisierten Kapital ist, wie es scheint, Herr Dr. Solmssen nun etwas weich geworden. Er hat sich nun auf einen andern Standpunkt gestellt, daß er nämlich unter gewissen Kautelen auf den Boden des autorisierten Kapitals treten will. Ja, dann müßte auch noch gesagt werden, daß für bestimmte Zwecke nur derartige Kapitalerhöhungen vorgenommen werden können, also auf den ganz bestimmten Einzelfall abgestellt, da nicht nachher etwas anderes damit gemacht werden kann durch Generalversammlungsbeschluß. Dr. Wussow: Der Herr Regierungsvertreter hat gesagt: Wenn wir hier diese Bestimmung ablehnen, dann würde dadurch die Ermächtigung wahrscheinlich als ungesetzlich
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erachtet werden. Dann würde ich empfehlen, daß man diese Bestimmung ablehnt und dafür die Ermächtigung legalisiert. (Zuruf: Das ist ja der Fall!) - Nein, es ist ein großer Unterschied, ob für einen gewissen Zeitraum - ich würde vorschlagen: für ein Jahr - der Vorstand der Gesellschaft ermächtigt wird durch Beschluß der Generalversammlung, für einen ganz bestimmten Zweck bis zu einer ganz bestimmten Höhe neues Kapital aufzunehmen. Das ist doch eine ganz andere Sache. Dann kann sich die Generalversammlung jedesmal ihren Vorstand ansehen. Man kann annehmen, daß in der Zeit er nicht wechselt, man kann das Vertrauen zu ihm haben, daß er es richtig durchführt. Man kann jeweilig individuell festsetzen, wie gesagt, in welchem Umfang, zu welchem Zweck. Das kann ich hier nicht ein für allemal, wenn es im Statut steht, für die ganze Lebensdauer der Aktiengesellschaft übersehen, wohl aber für ein Jahr und kann sagen: wir werden für diesen Zweck in diesem Jahr Geld brauchen, schaffe es unter den und den Bedingungen. Das sollte im Gesetz aufgenommen werden, damit das klargestellt wird. Bisher haben die Gerichte keine Schwierigkeiten gemacht. Aber man kann es sicherheitshalber aufnehmen. Dann aber ist eine Kontrolle der Generalversammlung jedenfalls über das Vorgehen des Vorstandes gegeben, wenigstens in einem mir ausreichend erscheinendem Grade. Dann die Frage: ob ich mich so schnell entschließen muß. Da muß ich auch sagen: so ist die Sache nicht. Ich kann ja alles vorbereiten vorher, wenn ich einen Partner habe, mit dem ich die Erhöhung des Kapitals durchführen will, dann werde ich alle Bedingungen mit ihm verabreden können. Ich bin dann immer in der Lage, an die Generalversammlung schnell in drei Wochen heranzutreten. Vorher ist alles schon fertiggemacht. Dann geht es ziemlich schnell. Die Ermächtigung scheint mir ein guter Weg zu sein, den die Praxis auch gewählt hat. Es ist ein richtiger vernünftiger Ausweg. Ich habe auch nie gehört, daß dadurch Nachteile für die Aktiengesellschaft entstanden wären. Also ich möchte vorschlagen, statt dieser Bestimmung eine solche Ermächtigungsmöglichkeit vorzusehen (Zuruf: Statt Satzung!) - statt Satzung. Durch die Generalversammlung kann es im Einzelfalle beschlossen werden. Max Cohen: Wenn ich die Worte des Kollegen Marx gebrauchen darf, so muß ich sagen, daß ich auch etwas weich geworden bin. Ich scheue mich gar nicht, das auszusprechcn, denn mir scheint, daß die Ausführungen der Herren Regierungs vertreter doch sehr sachkundig gewesen sind. Ich glaube, es ist nicht so gleichgültig, ob man die Beschaffung von Kapital, wenn diese Beschaffung möglich ist, schnell vollzieht und nicht erst eine Generalversammlung einberuft, mit der auseinanderzusetzen es unter Umständen sehr schwer ist. Ich bin aber auch besonders der Meinung, daß dieser Weg vielleicht gangbar sein könnte, da wir ja darüber belehrt worden sind, daß das Bezugsrecht des Aktionärs nicht ausgeschlossen wird. Nach dem Wortlaut halte ich es für selbstverständlich, daß es hier nicht möglich sei {Vors.: Doch, möglich ist es!) - , daß es von vornherein nicht in Kraft treten muß. Da dieses Bezugssrecht der Aktionäre sich in derselben Form auch beim autorisierten Kapital in der Regel vollziehen soll wie bei der Kapitalvermehrung, so ist, glaube ich, ein Stein des Anstoßes aus dem Wege geräumt — ein Stein des Anstoßes! Denn der Vorgang ist genau der gleiche, als wenn vorher die Generalversammlung be-
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schlossen hätte. Das, glaube ich, ist ein wichtiger Punkt. Die Generalversammlung hat die Ermächtigung erteilt. Aber der andere Vorgang bei der Kapitalvermehrung unterscheidet sich nicht von einer Kapitalvermehrung, die von der Generalversammlung ausdrücklich beschlossen worden ist. Das ist, glaube ich, ein sehr wesentlicher Umstand. Deshalb kann ich mir auch ein Bedenken des Herrn Dr. Solmssen nicht erklären, weshalb bei dieser Kapitalsvermehrung große Paketbildungen leichter sein sollen. Dann müssen auch die Paketbildungen bei der normalen durch die Generalversammlung beschlossenen Kapitalvermehrung ebenso leicht sein. Das ist bei Vorratsaktien in der Tat etwas ganz anderes gewesen. Also da der Vorgang der gleiche ist und wir nur zu unterscheiden haben, ob es zweckmäßig ist, dem Vorstand eine Ermächtigung zu geben, so möchte ich mich für diese Ermächtigung aussprechen. Ich weiß nicht, ob der Vorschlag, den Herr Dr. Wussow gemacht hat, der Sache noch einen Giftzahn ausbricht. Wenn ich die Rechtsprechung des Reichsgerichts zugrunde lege, hätte die Generalversammlung die Ermächtigung zu erteilen immer auf zwei Jahre. In der Satzung braucht dann überhaupt nichts zu stehen, oder es müßte in der Satzung stehen, daß die Generalversammlung das Recht hat. Ich glaube also, daß man nach den Darlegungen der Herren Regierungsvertreter, aus denen ich diese Schlüsse gezogen habe, die ich mir jetzt darzulegen erlaubt habe, doch sich etwas anders zu der Sache stellen muß. Im übrigen würde ich vorschlagen, da hier eigentliche Industrievertreter nicht vorhanden sind, daß wir uns überlegen, bei einer solchen Frage von Fall zu Fall auch noch Sachverständige zu vernehmen. Ich will nicht im Augenblick vorschlagen, daß es hier notwendig ist. Weil der Regierungsvertreter auf die nicht unwichtige Tatsache aufmerksam gemacht hat, daß beim Vorentwurf sich nur der Centraiverband des Deutschen Bank- und Bankiergewerbes gegen diese Lösung, aber die Vertreter der Industrie sich für diese Lösung ausgesprochen haben, sollten wir uns immerhin davon überzeugen, daß hier verschiedene Auffassungen zwischen Banken und Industrie vorhanden sind. Das sollte uns immerhin auch dazu bringen, vielleicht bei dieser Frage Sachverständige aus der Industrie zu hören, denn ich nehme an, daß wir ganz ohne Sachverständige, die von Fall zu Fall gehört werden können, bei diesem Punkt nicht auskommen werden. Vorsitzender:
Wir wollen uns nachher darüber schlüssig werden.
Damit kein Mißverständnis entsteht: der Ausschluß des Bezugsrechts würde in der Satzung schon erfolgen müssen, denn nacher können natürlich Vorstand und Aufsichtsrat nichts tun. Wenn nichts in der Satzung steht, dann besteht das Bezugsrecht. Wenn aber bei der Satzung, bei der Gründung, also bei der Einführung des autorisierten Kapitals das Bezugsrecht ausgeschlossen wird - und das kann schematisch geschehen - , dann ist Ihr Bedenken doch wieder da. Also Ihnen schwebt offenbar vor - damit wir das Mißverständnis aufklären! daß jeweilig für die Ausübung dieser Ermächtigung das Bezugsrecht ausgeschlossen werden kann. Nein, das Bezugsrecht kann nur durch Generalversammlung ausgeschlossen weden oder a limine durch die Satzung. Das war also Ihr Mißverständnis. Fedtsch: Wenn man sich mit der Frage des autorisierten Kapitals überhaupt befreunden
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will, nachdem man glücklicherweise die Vorratsaktien beseitigt hat, dann würde das doch nur möglich sein auf dem Weg, den hier der Herr Kollege Wussow vorgeschlagen hat, daß Blankovollmacht in der Satzung der Verwaltung der Gesellschaft erteilt wird. Dieses autorisierte Kapital jeden Augenblick jederzeit ohne erkennbar, für welchen bestimmten Zweck zur Verfügung gestellt zu haben, das scheint uns doch im Interesse des Vertrauens, das gerade hergestellt werden soll, außerordentlich fragwürdig. Wenn dagegen die Generalversammlung mit ihrem Dreiviertelmehrheitsbeschluß eine solche Vollmacht gibt, dann würden wahrscheinlich die sehr starken Bedenken, die ursprünglich auch von Herrn Dr. Solmssen geäußert worden sind, zu einem gewissen Teil behoben werden. Aber wichtiger scheint mir, was der Herr Vorsitzende eben sagte, daß in einem solchen Fall unter Bedingungen das Verbot des Bezugs zu gewährleisten sei; sonst können außerordentliche Gefahren auch für die Aktionäre entstehen. Vorsitzender: Ich möchte den Herren mitteilen: es liegen also die Anträge vor, die wir vorher schon gehört haben, Eventualanträge, dann jetzt der Antrag des Herrn Dr. Wussow". Und nun wird mir ein Antrag des Herrn Kollegen Tarnow vorgelegt, in dem § 15 Abs. 2 hinter den Worten „zu den Gründern gehört" einzufügen: „oder in einem Angestelltenverhältnis steht". Bei der Gründungsprüfung heißt es im § 15 Abs. 2: „Außerdem hat eine Prüfung durch einen oder mehrere besonderen Prüfer (Gründungsprüfer) stattzufinden, wenn 1) ein Mitglied des Vorstandes oder des Aufsichtsrats zu den Gründern gehört." Und da wäre einzuschalten: „oder in einem Angestelltenverhältnis zu den Gründern steht." Tarnow: Der Fall, der hier getroffen werden soll, kann ja leicht umgangen werden, wenn die Gründer nicht mit ihrer Person in die Verwaltung eintreten, sondern ein Angestellter dafür. Vorsitzender: Darf ich darauf aufmerksam machen, daß der Gedanke des Entwufs auch ist: auch der mittelbare Gründer haftet, also derjenige, der die Gründung durch einen sogenannten Strohmann vornehmen läßt. (Tarnow: Ist das durch den jetzigen Wortlaut sichergestellt?) - Ich will zwar nicht in die Debatte eingreifen, möchte aber hier bemerken: entweder ist der Angestellte, sagen wir, ein Prokurist, ein Mann, der selber zeichnet mit eigenem Kapital - dann dürfte Ihr Antrag keine Berechtigung haben - oder es ist ein Angestellter, der nur für den Prinzipal eintritt; dann ist es bereits durch die Bestimmung des Entwurfs gedeckt. Aus diesem Grunde könnte ich mich nicht dafür erwärmen. Tarnow: Wenn das sicher ist, habe ich mich geirrt. Vorsitzender:
Sicher ist überhaupt nichts auf der Welt! (Heiterkeit)
Vögele: (Sehr schwer verstanden): Ich möchte die Möglichkeit des autorisierten Kapitals für begrüßenswert erachten. Es besteht ja heute eine Psychose der Offenlegung aller Vorgänge. Und ich glaube, daß ein solches Verhandeln ja nicht immer sich gegen die Aktionäre richten muß. Ich kann mir sehr gut vorstellen, daß die Verhandlungen über Kapitalausgaben unter Umständen auch für andere Leute ein Interesse haben, die nicht das In°
D e r Antrag von Wussow ist unten S. 127 f. des Protokolls wiedergegeben.
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teressc der Gesellschaft bei dieser Kapitalerhöhung im Auge haben. Manche Möglichkeiten der Kapitalerhöhung haben sich durch Bekanntwerden dieser Möglichkeiten zerschlagen. O R R Schmölder: Ich halte mich für verpflichtet, die Herren im Anschluß an eine Bemerkung in dem Bericht von Herrn Dr. Solmssen auf einen wichtigen Streitpunkt aufmerksam zu machen. Der § 15 Abs. 3 des Entwurfs sieht vor, daß die Gründungsprüfer nach Anhörung der amtlichen Vertretung des Handelsstandes durch das Gericht des Sitzes der Gesellschaft bestellt werden. Es ist nun so, daß Herr Dr. Solmssen in seinem Bericht zunächst einmal darauf hingewiesen hat14, man soll versuchen, darauf zurückzukommen, daß wie bisher die Auswahl der Gründungsprüfer ausschließlich Aufgabe der Handelskammern bleibt. An diese Bemerkung darf ich vielleicht anknüpfen, daß im Reichsjustizministerium insbesondere von selten der Industrie- und Handelskammern das wird vielleicht Herrn Präsidenten Grund interessieren — und insbesondere auch von selten des Industrie- und Handelstags dauernd Wünsche geäußert worden sind, auch übrigens von selten der Landesregierungen der süddeutschen Länder, daß man es hier bei dem geltenden Recht belassen solle, daß man die Auswahl der Gründungsprüfer ausschließlich den Industrie- und Handelskammern überließe. Die Industrie- und Handelskammern erblicken in dieser Änderung des Entwurfs einen grundsätzlichen Eingriff in ihre Rechte und können es nicht verstehen, daß hier Änderungen vorgenommen werden. Dazu darf ich vielleicht sagen, daß der Standpunkt des Entwurfs der ist, daß dieses Problem einen engen Zusammenhang mit einer anderen Reformmaßnahme hat, nämlich mit derjenigen, daß im Rahmen des Gründungsrechts das Gericht die Ermächtigung erhalten hat, bei ungünstigen Revisorenberichten die Eintragung der Gesellschaft abzulehnen. Das war bisher nicht möglich und ist jetzt durch den Entwurf, übrigens mit Billigung aller gehörten Kreise, neu eingeführt worden. Wir stehen im Reichsjustizministerium auf dem Standpunkt, daß diese Reformmaßnahme es angezeigt erscheinen läßt, nachdem also das Gericht gewissermaßen zum dominus litis ernannt worden ist und darüber entscheiden kann, ob nun die Gesellschaft eingetragen werden darf oder nicht, daß es nunmehr auch den maßgebenden Einfluß auf die Bestellung der Gründungsprüfer selbst haben muß. Es ist keineswegs irgendwie ein Mißtrauensvotum gegen das Verfahren der Industrie- und Handelskammern bei der Anstellung der Gründungsprüfer in diesem Vorschlag zu erblicken, wie es leider ausgelegt worden ist, sondern das ist ein rein struktureller Reformgedanke, der hier verwirklicht worden ist. Ich habe mich für verpflichtet gehalten, die Herren daraufhinzuweisen, weil ich weiß, daß der Widerstand gegen diese Vorschrift gerade in den Kreisen der Industrie- und Handelskammern ungeheuer groß ist und es vielleicht auch draußen einen günstigen Eindruck machen würde, wenn einmal der Reichswirtschaftsrat sich mit diesem speziellen Problem beschäftigen würde. Vorsitzender: 14
Ich will den Antrag des Kollegen Wussow vorlesen: „Anstatt des Insti-
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tuts des genehmigten Kapitals das Institut der Ermächtigung, und zwar auf eine Frist von einem Jahre, zur Kapitalerhöhung in bestimmtem Umfang in das Gesetz aufzunehmen." Der Schriftführer macht mich eben darauf aufmerksam, es soll zweifellos heißen: durch die Generalversammlung. (Dr.Wussow: Ja!) MR Quassowski: Der Antrag bezweckt, wenn ich ihn recht verstehe, im Gesetz selbst diese Ermächtigung zu begrenzen. Ich möchte meinen, daß gegen eine solche starre gesetzliche Begrenzung doch Bedenken bestehen, und zwar nach der Richtung hin, daß solche starren Einschränkungen und Begrenzungen erfahrungsgemäß sich leicht als zu eng erweisen. Man kann nicht übersehen, welche Bedürfnisse in der Praxis auftauchen werden. Ich möchte von diesem Antrage sagen, daß diese Begrenzung sich ganz sicher als zu eng erweisen wird, denn sie stellt nur darauf ab, daß für die Dauer eines Jahres eine solche Ermächtigung erteilt werden kann. Die Praxis hat schon anerkannt, daß ein Bedürfnis besteht, für zwei Jahre eine Ermächtigung zu erteilen. Weiter wird hier vorgeschlagen, die Ermächtigung zur Kapitalerhöhung in bestimmtem Umfange vorzunehmen. Nun kann man sich darunter natürlich schwer etwas vorstellen. Genügt es, um den Umfang zu bestimmen, daß die Höhe des auszugebenden Kapitals bestimmt ist? Wenn das der Fall ist, dann unterscheidet sich eigentlich dieser Antrag nicht viel von dem Gesetzentwurf, denn es ist selbstverständlich, daß auch die Ermächtigung zur Ausgabe des genehmigten Kapitals der Höhe nach in der Ermächtigung bestimmt sein muß. Nun möchte ich aber auch meinen, daß es gar nicht notwendig ist, eine solche starre und unzweckmäßige gesetzliche Begrenzung hier einzubauen, weil es ja doch der Generalversammlung und der Satzung überlassen werden kann und vom Entwurf überlassen ist, die Ermächtigung so zu begrenzen, wie es der Generalversammlung beliebt. Es kann also das Handeln des Vorstandes mit Bezug auf die Kapitalerhöhung nach jeder beliebigen Richtung eingeschränkt werden, so daß also die Aktionäre, wenn sie diese Ermächtigung erteilen, im Wege der Satzungsänderung schon alle die Kautelen in ihrem Beschluß vorsehen können, die sie für nötig halten. Nun muß ich allerdings zugeben, daß zwei Fälle hier zu unterscheiden sind, die Herr Dr. Hachenburg schon sehr klar herausgearbeitet hat, nämlich der Fall, daß in der ursprünglichen Satzung diese Ermächtigung erteilt ist. Es ist zuzugeben, daß da die Aktionäre nicht mitwirken, sondern die Gründer. Der zweite Fall ist, daß die Ermächitigung im Wege der Satzungsänderung zu erteilen ist. Gegen diese Ermächtigung, glaube ich, können die Herren, die auch hinter diesem Antrag stehen und die sich zu dieser Frage geäußert haben, gar keine Bedenken erheben, weil ja doch eben die Satzungsänderung von den Aktionären beschlossen wird. Es ist sogar eine besondere Mehrheit gesetzlich vorgesehen, nämlich eine qualifizierte Mehrheit von drei Vierteln. Das ist ein Forum, das noch über das normale Forum der Normalkapitalerhöhung hinausgeht, denn eine Kapitalerhöhung und eine Ermächtigung, wie sie die Praxis zugelassen hat, kann heutigen Tages von einfacher Mehrheit beschlossen werden. Ich möchte also gerade betonen, daß hier sogar noch größere Sicherungen eingebaut sind als bei der normalen Kapitalerhöhung,
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weil diese Ermächtigung nur mit einer höheren Mehrheit erteilt werden kann als eine Ermächtigung, wie sie die Praxis jetzt zugelassen hat. Ich wollte nur auf den Gesichtspunkt hinweisen, daß ich den Eindruck habe, daß auch vom Standpunkte der Herren, die sich zu dieser Frage geäußert haben, gegen eine Ermächtigung durch Satzungsänderung kaum irgendwelche Bedenken bestehen können. Eine andere Frage ist, ob die Herren so weit gehen wollen, wie es allerdings auch der Entwurf für notwendig hält, die Ermächtigung schon im Wege der ursprünglichen Satzung vorzunehmen. Vorsitzender: Damit hier kein Mißverständnis besteht, möchte ich für die Herren, die nicht im Gesetz zu Hause sind, bemerken, daß die Erhöhung des Grundkapitals einer Mehrheit von drei Vierteln bedarf- also die Satzungsänderung daß also, wenn ein Beschluß lautet: es wird der Vorstand autorisiert - ich will einmal das Fremdwort gebrauchen - Aktien in Höhe von 5 Millionen ausgegeben - das ist das autorisierte Kapital oder wenn der Beschluß einfach lautet: das Grundkapital wird um die 5 Millionen erhöht, und es wird der Vorstand ermächtigt, Aktienzeichnungen zum Kurse von soundso viel entgegenzunehmen - , daß darin vielleicht ein formeller, aber kein materieller, auch rechtlich materieller Unterschied besteht, ausgenommen, daß nach der Formulierung des autorisierten Kapitalentwurfs' 5 bei dem genehmigten Kapital eine Befristung nicht erforderlich ist, während nach der Rechtsprechung, was Herr Dr. Wussow legalisieren will, eine bestimmte Frist besteht. (Ein Regierungsvertreter: Bei der normalen Satzungsänderung ist es fakultativ! Hier ist es zwingend!) - Das ist eine Frage, die erst der Ausgestaltung des Gesetzes bedarf. Ich wollte den Herren nur den begrifflichen Unterschied zeigen. Deshalb glaube ich, daß, wenn sich der Streit darauf zusammenziehen sollte, es dann kaum der Mühe wert ist, sich darüber schlüssig zu werden: autorisiertes Kapital durch späteren Generalversammlungsbeschluß oder Erhöhung des Grundkapitals. Das ließe sich wohl annähern. Aber ich will in die Debatte nicht eingreifen, sondern das nur zur Erleichterung des Verständnisses sagen. Naphtali: Mir scheint, daß der Unterschied doch etwas größer ist, als es Herr Quassowski dargestellt hat. Der Unterschied mag sehr gering sein. In dem Augenblick, in dem die Generalversammlung eine Satzungsänderung beschließt, mag es ganz gleichgültig sein, ob sie eine Satzungsänderung beschließt oder ob sie nach dem Vorschlag von Herrn Dr. Wussow die Ermächtigung beschließt. Wenn nun aber die Satzungsänderung einmal beschlossen ist und die Kapitalerhöhung wird vorläufig nicht durchgeführt, nach drei Jahren steht das in der Satzung, der Aktionär in der Generalversammlung hat keinerlei Bewußtsein mehr davon, daß das in der Satzung steht, und der Vorstand hat jederzeit die Möglichkeit, mit diesem Instrument zu arbeiten, ohne die Generalversammlung zu befragen - da scheint mir doch ein sehr wesentlicher Unterschied zu bestehen, zwischen einer derartigen Regelung und der Notwendigkeit, in jedem Einzelfalle, also von Jahr zu Jahr, die Genehmigung zu erteilen. Da wird der Aktionär oder die Generalversammlung immer wieder vor die Frage gestellt, ob sie das will. S o im Text.
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Ich verstehe auch nicht ganz, warum der Zeitraum von einem Jahr nicht ausreichend sein soll. Wenn die Ermächtigung für ein Jahr erteilt ist und in dem Jahr kein Gebrauch von ihr gemacht worden ist - bei jeder Aktiengesellschaft findet in jedem Jahre eine Generalversammlung statt - , dann ist die Ermächtigung abgelaufen, und die Generalversammlung will sie auf ein Jahr verlängern, so ist keine technische Schwierigkeit, das in der ordentlichen Generalversammlung vorzunehmen. Dr. Wussow: Der einzige Unterschied ist ja doch der, der mir aber sehr wichtig zu sein scheint, ob im Statut die Ermächtigung steht oder ob sie jeweilig nach den konkreten Verhältnissen erteilt werden muß. Und ich möchte gern, daß die Gesellschaft in der Lage ist, konkret die Sache zu bestimmen, damit sie sich die Leute ansehen kann, denen sie die Vollmacht noch einmal gibt, nachdem sie sich noch einmal sagen kann: für welchen Zweck ist die Sache da, wie hoch kann ich das machen? Das soll sie noch einmal überlegen. Eine Revision soll noch einmal stattfinden. Wenn so etwas im Statut steht, weiß kein Mensch etwas nach fünf Jahren davon, wer die Vollmacht hat. Es würde beinahe genügen, wenn anstatt „Statut" stünde „durch jeweiligen Gesellschaftsbeschluß", der für ein Jahr gilt. Das ist der Kernpunkt der Sache. Vortsit\ender: Jetzt hat aber endgültig das Schlußwort der Herr Referent. Über die Frage des autorisierten Kapitals, glaube ich, brauchen Sie sich kaum mehr zu äußern. Dagegen möchte ich bitten, vielleicht noch über die Anregungen des Herrn Regierungsvertreters wegen der Wahl der Revisoren noch ein Wort zu sagen. Berichterstatter Dr.Solmssen (Schlußwort): Was §15 betrifft, so muß ich bitten, doch diesem Antrage zuzustimmen, daß die Auswahl der Gründungsprüfer Sache der Handelskammern ist und bleibt. Ich kann mir nicht gut vorstellen, wie es sich anders in der Praxis durchführen lassen sollte, daß nun wirklich Leute ausgewählt werden, die auf dem Gebiete zu Hause sind. Das ist das ureigenste Gebiet, das den Handelskammern überall zugesprochen wird, daß sie aus dem großen Umkreis ihrer Beziehungen und Erfahrungen die Sachverständigen, die für die Praxis in Betracht kommen, auszuwählen haben. Ich würde bitten, es dabei zu belassen. Was meine Ausführungen zu §41 betrifft, haben mich die Bedenken, die Herr Quassowski vorgebracht hat, überzeugt, daß es eine Ungerechtigkeit wäre, wenn man da eine proportionale Teilzahlung vorsehen würde, wie ich mir erlaubt hatte vorzuschlagen. Nun noch ein Wort zu dem autorisierten Kapital! Ich bin nicht weich geworden, Herr Marx, sondern ich bin ängstlich geworden, als ich von Herrn Quassowski hörte, daß er den juristischen Schluß zieht, daß, wenn das hier abgelehnt wird, die Ermächtigungsmöglichkeiten wegfallen. Die Ermächtigungsmöglichkeiten - darin stimme ich Herrn Quassowski vollkommen bei - müssen in irgendeiner Weise da sein. Die Judikatur hat sich auch auf den Standpunkt gestellt. Ich kann mich nur dem anschließen, was Herr Dr. Wussow ausgeführt hat. Der springende Punkt ist auch für mich, daß kein Mensch nachher mehr weiß, was in den Satzungen steht. Es ist merkwürdig, wie selbst Leute, die in der Verwaltung sind, manchmal sich nicht darüber klar sind, was in der Satzung steht, die vor 20 Jahren aufgestellt wurde. Darin sehe ich einen gewissen Widerspruch gegen das Publizitätssystem,
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das wir uns bemühen, auf die Beine zu stellen. Ich will detaillierte Angaben unterlassen. Aber ich glaube, es läßt sich dahin konzentrieren, daß man die Reichsregierung bittet, anstelle des im Statut verankerten Rechts eine Regelung in das Gesetz mit hineinzunehmen, die der von der Judikatur gegebenen Entwicklung entspricht, die eine Ermächtigung unter gewissen Möglichkeiten sowohl zeitlich wie auch quantitativ gibt, so daß ich mich also im wesentlichen mit dem decke, was Herr Dr. Wussow ausgeführt hat. Vorsitzender: Damit ist dieser Gegenstand der Debatte erschöpft. Nun möchte ich zusammenfassend zunächst zu I des Berichts des Herrn Dr. Solmssen sagen: er enthält im wesentlichen die Billigung der Vorschläge des Entwurfs. Und ich möchte bitten, daß wir uns auch in diesem Sinne aussprechen. Die Frage der Änderung, die ganze Materie basiert ja auf dem Gesetz von 1884, das auf die Gründerzeit von 1873 wieder zurückzuführen war. Man kann sagen, daß sich im wesentlichen die Vorschriften bewährt haben. Dabei spielen auch - nun komme ich gleich auf den Antrag zu § 15 - die Revisoren eine erhebliche Rolle. Es ist einmal der Gründungsbericht von den Gründern zu erstatten. Es bedarf dann noch einmal einer Durchprüfung. Nun gestatten Sie mir, da auf einen Punkt hinzuweisen. E s mag etwas ketzerisch klingen. Bei aller Hochachtung vor den Revisoren teile ich die Auffassung nicht, daß wir nur dem Institut der Revisoren die gewiß von allen Seiten anerkannte Sorgsamkeit bei der Gründung das Fehlen der faulen Gründungen verdanken. Nach meiner allerdings ziemlich lange zurückgehenden Erfahrung verdanken wir - das möchte ich bei der Gelegenheit sagen - sehr viel dabei unsern deutschen Banken. Die sachverständige Vorprüfung der Gründung ist, ehe die Revisoren herankommen, namentlich nach der Frage der Rentabilität, der Wahrheit der Berichte schon in den Büros der Banken vorher gemacht. Die Revisoren sind häufig dazu gar nicht imstande. Deshalb ist es für mich auch gar nicht von so großer Bedeutung, wer die Revisoren tatsächlich ernennt. Es ist vielleicht mehr eine Prestigefrage der Handelskammern, wenn sie sagen: wir wollen wie bisher das alleinige Ernennungsrecht behalten. Ich kann Ihnen mitteilen, daß bei der Beratung der Anwaltskommission die Meinungen geteilt waren. Die einen waren dafür: nur das Gericht, weil sie sagten — und nun mögen mir die Herren von den Handelskammern das nicht übelnehmen daß sich hier auch eine gewisse Vetternwirtschaft eingebürgert hat und daß man mit einer gewissen Regelmäßigkeit die Herren als Revisoren bekommt, die nun einmal eine Art Anwartschaft daraufhaben. Es sind manchmal auch Syndici der Handelskammern, manchmal sind es ehemalige Kaufleute, denen man etwas zuweisen will. Man hat also gewisse Bedenken nicht gegen die Integrität der Handelskammern, aber gegen die mehr oder weniger beschränkte Auswahl. Deshalb sagte die eine Seite: wir wollen überhaupt die Handelskammern ausschalten, wir wollen nur die Gerichte bestimmen lassen. Darauf sagte die andere Seite: nein, denn dafür fehlen dem Gericht die Erfahrungen; woher sollte der Amtsrichter immer genau wissen, wer tauglich ist? Wir müssen die Auskunft an der Quelle holen. Deshalb stimmte man dem Vorschlag der Regierung zu: Ernennung durch das Gericht, das immer dabei noch die Möglichkeit hat, irgendwie außerhalb der Handelskammern geeignete Personen herauszugreifen. Ich mache dabei darauf aufmerksam, daß bei diesen Debatten auch gesagt wurde: es gibt Gründungen, bei denen spezielle Sachkenntnisse
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beim Revisor erforderlich sind und bei denen es dem Richter bekannt sein kann: hier ist der und der Herr geeignet. Oder es kommen spezielle juristische Fragen in Betracht. Man soll deshalb also dem Richter nicht die Möglichkeit entziehen. Andererseits aber muß er die Handelskammern vorher anhören. Und die Fälle, bei denen man über die Handelskammern hinweggeht, werden außerordentlich selten sein. Ich glaube, man kann auch in diesem Fall es bei dem Vorschlag der Regierung lassen. Im übrigen ist der ganze Entwurf auf den alten Erfahrungen, die man mit dem bisherigen Gesetz gemacht hat, aufgebaut. Eine große Verbesserung ist, der wir unbedingt zustimmen müssen, daß der, ich möchte beinahe sagen, alte Z o p f beseitigt wird, daß das Geld heute in der Zeit des bargeldlosen Verkehrs effektiv herangeholt werden muß, daß der Vorstand versichern muß: ich habe die anderthalb Millionen in meiner Brieftasche. Das hat natürlich zu dem etwas künstlichen Ergebnis geführt, daß bei großen Summen bei der betreffenden Bank, die die Gelder vorgelegt oder gesammelt hat, der Kassierer oder ein anderer Angestellter dieser Bank von dem Vorstand beauftragt, bevollmächtigt wird, das Geld für ihn in Empfang zu nehmen. Dann wird ein solches sogenannte Sonderdepot gebildet. Es wird separat gelegt. Dann wird telephoniert: eben habe ich das Geld. Dann springt der Vorstand zum Handelsregister, läßt abstempeln, telephoniert an die Bank: erledigt. Das ist hier eine Farce schlimmster Art. Man sieht, daß derartige Bestimmungen überaltert sind. Ich möchte aber doch bitten, daß wir in unserem Bericht ausdrücklich hervorheben: der Reichswirtschaftsrat stimmt gerade diesen Neuerungen zu. Denn es ist zweifellos viel wertvoller, wenn dem Registerrichter eine Bestätigung der Bank vorliegt; wir haben soundso viel Einzahlung bekommen, und die Bank haftet dafür - es ist der Empfang aus anderen Gegenforderungen usw. abgeschnitten
als wenn möglicherweise der Vorstand
mit gepumptem Gelde erscheint und es irgendwie vorzeigen will. Also wir wollen diesen Bestimmungen, die wirklich hochmodern sind, zustimmen. Dann zu den Sacheinlagen und im Zusammenhang damit zu der sogenannten Sachübernahme. Ich weiß nicht, ob den Herren alle diese Begriffe präsent sind. Das Gesetz unterscheidet zwei Möglichkeiten. Entweder zeichnet der Aktionär einen Betrag und erklärt: zur Deckung dieser meiner Schuld bringe ich das Haus oder die Fabrik oder das Geschäft ein. Oder aber es ist ein Dritter, der gar nicht zeichnet, mit dem aber schon vereinbart ist, daß man ihm mit dem eingezahlten baren Gelde die und die Gegenstände abkauft. Das alles muß bei Vermeidung der Unwirksamkeit gegenüber der Gesellschaft im Gesellschaftsvertrag stehen. Nun hat sich die große Frage aufgeworfen: ist denn ein solcher Mangel nicht heilbar? E s gibt eine ganze Reihe von Kontroversen, Reichsgerichtsentscheidungen usw. Hier kommen wir auf das, was ich eingangs sagte, auf die juristische Frage. Der Herr Berichterstatter war so freundlich, Ihnen die Vorschläge der Anwaltschaft mitzuteilen. Hier hat man versucht, die Bestimmungen des §36 des Entwurfs durchzuarbeiten" und V o r schläge zu machen. Ich glaube, darüber sollten wir uns heute nicht weiter unterhalten. "
V g l . D A V - B e r i c h t , a.a.O. ( F n . 5 ) , S . 1 5 f f .
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Einig sind wir ja wohl alle darin, daß Klarheit in das Gesetz soll, daß man aber eine Wiedergutmachung in einer dem Interesse des Verkehrs dienenden Weise zuzulassen hat. Das war auch der Gedanke des Entwurfs. Wenn wir uns aber auf die Fragen einlassen wollen, die hier behandelt sind, so könnten wir wieder für eine rein konstruktive Frage viel zu viel Zeit verlieren. Ich möchte also hier vorschlagen, daß der Ausschuß zwar Kenntnis von den Ausführungen des Herrn Referenten nimmt, aber der Meinung ist, da es sich um eine juristische Durcharbeitung eines im Entwurf enthaltenen Gedankens handelt, daß er kein wirtschaftliches Interesse daran hat. Nun kommen wir auf die für uns wichtigere Frage der Unterpari-Emissionen. Wenn ich Kollege Cohen richtig verstanden habe, so ist sein Gedanke, die Unterpari-Emissionen nicht absolut zu verbieten, von ihm nicht weiter durchgeführt worden. Vielleicht haben ihn gerade die Ausführungen des Regierungsvertreters und des Herrn Dr. Solmssen auch überzeugt, daß eine Unterpari-Emission für uns in Deutschland etwas Untragbares wäre. Wir kämen in ganz unmögliche Zustände hinein. Ich glaube, wir werden also aussprechen: auch wir halten an dem Gedanken des Verbots der Unterpari-Emissionen fest. Später kommen wir noch einmal auf die anderen Fragen, die wir jetzt zurückgestellt haben. Damit ist gleichzeitig auch entschieden - ich verweise auf die Ausführungen in der Begründung der Regierung - , daß wir die Einführung der sogenannten Quotenaktie ebenfalls nicht befürworten. Der Antrag ist auch gar nicht gestellt. Unter Quotenaktien versteht man die, die nicht auf eine bestimmte Summe lauten, sondern auf soundso viel Vieltel, bei denen man also nicht den Betrag der Einzahlung kennt, der noch festzusetzen wäre. Das ist auch eine amerikanische Einrichtung, die sich für unsere deutschen Verhältnisse nicht eignet. Ich glaube, wir können in diesem Punkte auch dem Regierungsentwurf zustimmen. Dann komme ich auf die sehr eingehende und, wie ich gern ausspreche, sehr lehrreiche Debatte über das autorisierte Kapital und die Vorratsaktien. Die beiden stehen aber, wie ich schon früher gesagt habe, in ganz untrennbarem Zusammenhang. Die Vorratsaktie ist eine Schöpfung der Nachkriegszeit. Wir haben sie vor dem Kriege - ich glaube, Herr Dr. Solmssen sagte es - noch nicht gehabt. Den Schluß daraus zu ziehen: ergo brauchen wir heute derartiges nicht, den werden Sie selbst nicht unbedingt ziehen wollen, daß man sie deshalb verwirft. Nun ist die Vorratsaktie vom Entwurf nicht etwa verboten, sondern, um mich populär auszudrücken, verekelt worden. Wir müssen bei der Vorratsaktie zwei Dinge auseinanderhalten. Hierbei werden wir uns heute gar nicht über den einen Punkt schlüssig zu machen haben. Es ist denkbar, daß eine Aktiengesellschaft ihre Aktien aufkaufen läßt, um Vorrat zu haben, sei es als Verwaltungsaktie zum Stimmrecht oder um eben für gewisse Transaktionen, die nahe bevorstehen, sofort gerüstet zu sein. Diese Aktien kaufen die Gesellschaften nicht selbst, denn sonst kommt man ja damit auf die Bestimmungen von §226 vom Einkauf eigener Aktien, sondern von befreundeten, mit der Gesellschaft arbeitenden Banken. Von diesen Vorratsaktien ist hier nicht die Rede.
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Die andere Gruppe ist die, bei der die Vorratsaktie erst geschaffen wird. Nun ist das M e r k w ü r d i g e hierbei - nun kommen wir auf eine wirtschaftlich tiefergehende Frage - : die Vorratsaktie, die erst später verwertet werden soll — daher auch der Name Verwertungsaktie —, ist, wie es im §41 auch vorschwebt, eigentlich nur eine Hülle, eine leere Hülse, die erst später ausgefüllt werden soll, denn wenn, wie hier vorausgesetzt, der Zeichner der Aktie für Rechnung der Aktiengesellschaft zeichnet, dann bekommt die Aktiengesellschaft überhaupt nichts für die Zeichnung. Entweder muß sie dem für ihre Rechnung zeichnenden Bankier das Geld vorher geben - das wird sie selten tun - oder sie wird dafür belastet. Es steht also dem Aktivum der Einzahlung der ersten 25% das Passivum, die Schuld gegenüber. Verbucht wird es allerdings in den meisten Fällen nicht. Es wurde sogar sehr häufig gar nicht darüber gesprochen; es war stillschweigend selbstverständlich. Und da kam nun dieses wirtschaftlich merkwürdige Ergebnis: es sind Aktien da, diese Aktien gebärden sich als Aktionäre, sie stimmen mit. Sie sind also nicht nur Vorrat für die Gesellschaft, wenn sie die Aktien braucht, sondern sie sind gleichzeitig Stimmittel, die der Verwaltung mehr oder weniger zur Verfügung sind. Diese beiden Eigenschaften haben der Vorratsaktie noch so etwas Schillerndes gegeben; sie hat verschiedene Seiten. Und diese beiden Seiten kommen hiermit zum Vorschein. Auf der einen Seite wird einmal gesagt, §41 das ist wirtschaftlich für mich von größerem Interesse als die mehr juristische Ausführung - : ist einem Zeichner der Einwand entzogen, daß er für Recht der Gesellschaft gehandelt hat, d.h., er mag wollen, wie immer, die Gesellschaft mag ihm gesagt haben, was sie will - er ist Aktionär und muß bezahlen und hat auch kein Rückforderungsrecht, wobei natürlich nicht gesagt ist, daß, wenn diese Aktien von der Bank gezeichnet waren und die Gesellschaft nachher darüber verfügte, sie nicht das vorgelegte Geld, diese eingezahlten 25% der Bank wieder zurückzuerstatten hat. Aber einen Rechtsanspruch hat man nicht. Damit hat man dem Aktienzeichner eine sehr große wirtschaftliche Gefahr auferlegt. Hat er sich darauf verlassen, er zeichnet die Aktien für die Gesellschaft im Bewußtsein, doch nichts zahlen zu brauchen, die Gesellschaft ist gut dann bricht der Konkurs über die Aktiengesellschaft aus, und der Konkursverwalter geht über diese Art Preisabrede hinweg. Das tut er heute schon. Wir stehen heute schon in der Praxis vor der Frage: müssen die Banken, die solche Aktien gezeichnet haben, dabei vor dem Riß stehen? Die zweite Frage ist die - diese beiden Dinge müssen wir streng auseinanderhalten - : inwieweit ist diesen Vorratsaktien, solange sie diese Eigenschaft haben, ein Stimmrecht zuzugestehen? Das hängt nun wieder mit dem Stimmrecht der gebundenen Aktie zusammen. In §95 Abs. 5 des Entwurfs ist gesagt: „Ist ein Aktionär durch ausdrückliche oder stillschweigende Vereinbarung zugunsten der Gesellschaft... gebunden, so ruht sein Stimmrecht." Hier greift das eine in das andere hinein. Ist die Vorratsaktie gleichzeitig zugunsten der Gesellschaft gebunden, so hat sie schon deshalb kein Stimmrecht. In demselben Paragraph finden Sie die Bestimmung, daß nur vollbezahlte Aktien Stimmrecht haben. Damit wird auch die von Herrn Dr. Solmssen vorher angeschnittene Frage in den meisten Fällen auch schon von vornherein erledigt sein. Die nicht vollbezahlte Vorratskatie kann auch aus diesem Grunde überhaupt nicht stimmen.
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Nun kommt die Frage: besteht ein wirtschaftliches Bedürfnis für die Einführung von Vorratsaktien, von solchen - lassen Sie mich den starken Ausdruck einmal gebrauchen Attrappen oder nicht? Wird diese Frage bejaht - Herr Dr. Solmssen als Industrieller hat das bei der Befürwortung des genehmigten Kapitals mittelbar auch getan - , dann kommt die weitere Frage: inwieweit ist hier ein Mißbrauch zu befürchten oder nicht. Nun ist zu unterscheiden: Mißbrauch dadurch, daß der Aktienzeichner für Rechnung der Gesellschaft gezeichnet hat. Und das trifft wieder die auch bei anderen Punkten uns beschäftigende Frage: ist eine Erhöhung des Grundkapitals nur dann zulässig, wenn auf diese Weise der Gesellschaft neues Vermögen zugeführt wird, oder können wirtschaftliche Bedürfnisse bestehen, die davon absehen, d.h., kann man Vorratsaktien schaffen, die zunächst noch gar kein neues Kapital bringen, sondern auf Vorrat liegen und erst, wenn sie verwertet werden, in dritte Hand kommen, wirkliche Aktien werden? Und der zweite Mißbrauch, der auf einem ganz anderen Gebiete liegt: sollen solche Aktien, die auf Vorrat geschaffen werden, gebraucht werden dürfen, damit der Aktienzeichner und Aktieninhaber auf Weisung der Gesellschaft, der Verwaltung das Stimmrecht ausübt? Diese beiden Mißbrauchsmöglichkeiten wollen Sie bei der Beschlußfassung wohl auseinanderhalten. Und nun hat man, von dem Gedanken ausgehend, daß man durch den § 41 auch in Verbindung mit §95 eigentlich die Vorratsaktie so gut wie praktisch - ich will nicht sagen: unmöglich - unbeliebt gemacht hat, sich gesagt: wir müssen einen Ersatz schaffen, und dieser Ersatz besteht in dem autorisierten Kapital. Dieses hat natürlich auch soviel gegen sich, daß das zutrifft, was ich eingangs sagte: es gibt kaum eine Einrichtung, bei der man nicht Bedenken nach der einen oder anderen Richtung haben kann. Besteht nun das Bedürfnis, wie der Regierungsentwurf sagt: wir müssen der Gesellschaft die Möglichkeit geben, rasch junge Aktien zu haben? Das Hauptbedenken besteht, wenn ich die Herren alle richtig verstanden habe, darin, daß durch den Gesellschaftsvertrag bei der Gründung - bei der Gründung! - diese Möglichkeit eingeführt wird. Unser ganzes Gesetz ist heute noch von einem gewissen Mißtrauen gegen die Gründer erfüllt. O b mit Recht oder Unrecht, lasse ich einmal dahingestellt. Jedenfalls geht das Gesetz davon aus: die späteren Aktionäre bedürfen eines Schutzes gegen die Gründer, die ja in ihr Statut hineinschreiben können, was sie wollen. Nun geht die Befürchtung dahin: gibt man durch den Gründungsakt schon dem Vorstand die Ermächtigung, das Kapital zu erhöhen, dann kommt etwas Undurchsichtiges hinein, dann wissen wir nicht, was geschieht. Die juristischen Momente bitte ich hier in den Hintergrund zu stellen; die sind nicht so wesentlich. Aber hier liegt der wichtigste Grund: ist es wirtschaftlich geboten und wünschenswert, den Aktiengesellschaften einen W e g zu geben, rasch junge Aktien herauszubringen? Man kann darüber sehr verschiedener Meinung sein. Aber wir wollen es einmal bejahen. Es kann Fälle geben, bei denen in der Tat möglicherweise eine Angliederung und dergleichen vereitelt wird, wenn man nicht rasch die Aktien hat. Sind Sie aber der Meinung, es muß eine gewisse Möglichkeit gegeben sein, schnell junge Aktien herauszubringen, dann wird man fragen: genügt es, wenn die Generalversammlung den Beschluß faßt, vorausgesetzt, daß ihr natürlich gestattet ist, jetzt nicht sofort die Sache durchzuführen,
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sondern eine angemessene Frist zu setzen. Herr Dr. Wussow wird gar nichts dagegen haben, wenn wir anstelle des einen Jahres eine offene Frist, eine angemessene oder eine entsprechend angemessene Frist setzen. Das entspricht aber der heutigen Praxis. Der Antrag Wussow wäre nicht anderes als eine Legalisierung dessen, was heute schon besteht. Die anderen Fragen, die hier hineinspielen, scheinen mir von geringerer Bedeutung zu sein. Wenn Sie sich dazu entschließen würden, zu sagen: w i r nehmen das genehmigte Kapital im Sinne des Regierungsentwurfs auf, dann sagen Sie damit selbstverständlich: auch in dem Gründungsakt ist es möglich; und in dem Gründungsakt kann - und das wird häufig der Fall sein — das Bezugsrecht der Aktionäre ausgeschlossen werden. Und dann kann es natürlich so sein, daß kein Mensch mehr weiß, was darin steht, und eines schönen Tages wird man überrascht, und es werden junge, neue Aktien herausgebracht. Die Frage wird also die sein: genügt diesem Bedürfnis der Vorschlag des Herrn Dr. Wussow , der eigentlich nichts Neues bringt, sondern nur den Weg zeigt, der bisher schon gegangen ist? Nun noch einmal zur Vorratsaktie! Ist es nötig, im Gesetz die Vorratsaktie derartig zu diskreditieren, daß man ihr nicht nur das Stimmrecht entzieht - darin liegt ja eigentlich die Hauptmöglichkeit des Mißbrauchs —, sondern ist es auch unbedingt erforderlich, die Schaffung dieser Vorratsaktien dadurch unmöglich zu machen, daß man ein Forderungsrecht des Kommissionärs, dessen, der für Rechnung der Bank, der Gesellschaft gezeichnet hat, beseitigt? Auffallend ist mir nun allerdings im Regierungsentwurf, daß es heißt: wer als Gründer einer Aktiengesellschaft Aktien der Gesellschaft übernommen hat. In meiner langjährigen Praxis ist mir der Fall noch nicht vorgekommen, daß jemand für Recht der Gesellschaft sofort bei der Gründung zeichnet. Es würde mich interessieren, ob ein derartiger Fall praktisch jemals vorgekommen ist. Das halte ich für entbehrlich. Aber man kann es auch stehenlassen, wenn es auch nicht vorkommen wird. Aber die weitere Frage ist die: genügt es, daß man das Stimmrecht versagt. Hier ist es erforderlich, zu sagen: auch die Vorratsaktie hat Stimmrecht, wenn sie voll bezahlt ist. Das würde wieder Vorausetzen, daß diese Vorratsaktie nicht gleichzeitig gebundene Aktie ist - ein Fall, der auch wohl kaum praktisch vorkommt, denn wer im Auftrage der Gesellschaft für sie Aktien zeichnet, der muß sich stillschweigend von selbst sagen, daß er an die Anordnungen der Verwaltung gebunden ist. Nun kommt noch der Eventualantrag des Berichterstatters, für den Fall, daß das genehmigte Kapital beibehalten würde, vorzuschreiben, daß in der Bilanz in irgendeiner Form das hervorgehoben werden muß. Über diesen letzteren Punkt brauchen wir wohl kaum abzustimmen. Es ist ein praktischer Vorschlag, der unter Umständen auch Gutes wirken kann. Der Kernpunkt läßt sich darin finden: entweder Sie sagen: Vorratsaktien wollen wir nicht verbieten, aber wir können sie, wie in §41 vorgeschlagen ist, so gestalten, daß eigentlich ein vorsichtiger Mann, eine vorsichtige Bank sich schwer hütet, Vorratsaktien für Rechnung der Gesellschaft zu zeichnen. Die Bank müßte schon ein große Majorität des Aktienkapitals haben, wenn sie es für sich macht; und es ist die Frage, ob man hier nicht zu weit geht, wenn man dieses Rückgriffsrecht absolut auschließt. Dann getrennt davon die Frage der Entziehung des Stimmrechts. Wenn Sie aber auf
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diesem Standpunkt stehen: die Vorratsaktien mißbilligen wir unter allen Umständen, und wir wollen nicht nur das Stimmrecht ihnen entziehen, sondern auch den Anspruch dessen, der die Aktien für Rechnung der Gesellschaft gezeichnet hat, ausschließen, dann kommen wir wieder auf die Frage: soll das autorisierte Kapital, wie in §§ 170 ff. vorgesehen ist, oder es dem Antrage Wussow entsprechend die Möglichkeit der Erhöhung des Grundkapitals, verbunden mit einer Genehmigung an Vorstand, Aufsichtsrat, innerhalb einer bestimmten Zeit die Sache durchzuführen, gutgeheißen werden? Das Bedenken des Kollegen Cohen wegen der Sacheinlagen bei dem genehmigten Kapital ist durchaus zutreffend. Es paßt eigentlich nicht hierher. Entweder muß man in den Gesellschaftsvertrag bei der Sacheinlage so viel Details hineinschreiben, daß man eigentlich die Sache da schon perfekt machen kann, denn es steht alles fest, oder man kann es noch nicht, und dann ist es gar nicht durchführbar. Ich glaube, daß diese ganze Frage: autorisiertes Kapital mit Sacheinlage in der Praxis wenig Anklang finden wird. Sie können sagen: wir stimmen dem Regierungsentwurf für das autorisierte Kapital zu, aber nur für Bareinlagen, es liegt kein praktisches Bedürfnis vor, bei Sacheinlagen das autorisierte Kapital einzuführen. Dann kommt natürlich wieder eine Schwierigkeit. Auf die müssen Sie sich auch gefaßt machen. Sehr häufig braucht man die jungen Aktien, um sich anderen Unternehmungen anzugliedern. Dafür ist dann das Gegebene Erhöhung des Grundkapitals mit Sacheinlagen. Ich habe Fälle erlebt, in denen das zu erwerbende Objekt Aktien waren; diese Aktien lagen aber im Depot einer Bank, die sie nur Zug um Zug herausgab. Dann konnte man keine Sacheinlagen machen, sondern mußte sich mittels einer Bank, welche die Aktien zeichnete, sich junge Aktien kaufen. Also es kommen immer Fälle vor, wo das Bedürfnis für Vorratsaktien vorhanden ist. Sie sehen aber wieder: Bedenken lassen sich überall nach allen Richtungen äußern. Wir können nichts schaffen, was alle diese Bedenken ausschließt. Wenn Sie alles streichen, dann fallen natürlich die Bedenken gegen die Bestimmungen weg. Dann kommen aber wieder die anderen Bedenken, daß das Gesetz keine Handhabe bietet und daß die Praxis Umwege einschlägt, um so wieder zu dem wirtschaftlichen Ergebnis zu kommen. Einig sind wir, um uns nun schlüssig zu werden, daß wir mit der Vorschrift des Entwurfs über die Vorratsaktie einverstanden sind, daß wir die Vorratsaktie an sich nicht haben wollen. Ich darf das also annehmen. - Dabei werden wir in unserem Bericht wohl zu erwähnen haben, daß sich diese beiden Bedenken, die ich vorhin herausgeschält habe, doch wohl trennen lassen. Aber trotzdem bleiben wir dabei. Wer ist dann dafür, daß für den Fall das genehmigte Kapital beibehalten wird, es auch für Sacheinlagen gelten soll? - Keine Stimme! Damit wäre dieses Amendement abgelehnt. Solldanndas genehmigte Kapital — das heißt also Genehmigung in der Satzung bei der Gründung - gutgeheißen werden? - Auch keine Stimme. Nun kommt der Eventualantrag des Herrn Dr. Wussow. Dr. Solmssen: Der Kernpunkt dieses Antrags ist doch nur der, daß er wünscht, daß die Genehmigung nicht im Statut stehen darf, sondern daß die Generalversammlung sie zu beschließen hat. Also Entfernung aus dem Statut wäre der Punkt der Abstimmung.
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Vorsitzender: Es liegt viel mehr darin. Selbstverständlich - das kann auch wieder im Bericht betont werden - ist das keine endgültige Formulierung. Wenn Sie dem Vorschlage des Kollegen Wussow zustimmen, so sagen Sie damit: wir ziehen vor, festzustellen, daß durch Gesellschafterbeschluß mit der erforderlichen Mehrheit das Kapital erhöht werde und die Durchführung innerhalb einer beschränkten Zeit dem Aufsichtsrat und Vorstand überlassen werden kann. MRQuassowski: Es gibt aber noch einen Mittelweg. Man kann doch folgende Fälle unterscheiden, daß die Ermächtigung in dem ursprünglichen Statut vorgesehen werden kann, also nur unter Zustimmung der Gründer, daß es genügt, wenn die Gründer, die das Statut festsetzen, diese Ermächtigung vorsehen und damit alle Aktionäre für alle Zeit binden. Ich könnte mir denken, daß diese Regelung für zu weitgehend gehalten wird. Man könnte dann aber eine abgeschwächte Regelung dahin wählen, daß zwar auch die Ermächtigung im Statut vorgesehen ist, aber nicht in dem ursprünglichen Statut, sondern in einem Statut, das auch durch Generalversammlungsbeschluß geändert wird. Ich möchte noch einmal betonen, daß diese Regelung gegenüber dem Antrag von Herrn Dr. Wussow auch gewisse Vorteile und gewisse Sicherungen für die Aktionäre enthält, weil eine solche Statutenänderung hier nach dem Entwurf mit einer Dreiviertelmehrheit des Grundkapitals beschlossen werden müßte, während ein bloßer Kapitalerhöhungsbeschluß, wie ihn Herr Dr. Wussow im Auge hat, nach dem geltenden Recht und nach dem Entwurf schon mit einfacher Mehrheit beschlossen werden kann. Also es geht an sich diese Regelung im Entwurf weiter, ist andererseits aber auch mit größeren Sicherungen verbunden. Ich glaube, das ist noch eine besondere Möglichkeit. Vorsitzender: Wir sind zwar in der Abstimmung, ich habe aber keine Bedenken, diese Frage noch einmal aufzurollen. Der Gedanke des Herrn Dr. Wussow geht dahin: ich erleichtere die Beschaffung des neuen Kapitals. Wenn - im Gesetz ist die Dreiviertelmehrheit verlangt - im Statut eine geringere Minderheit für die Erhöhung des Grundkapitals zulässig ist, dann soll sie auch hierfür gelten. Darin beruht gerade die Erleichterung. Der Gedanke des Regierungsvertreters würde konsequent ja eigentlich dahin auszudrücken sein: wenn eine solche Ermächtigung zur Durchführung dem Vorstand erteilt wird, dann bedarf das zwingend einer Dreiviertelmehrheit. Darin liegt der Unterschied; sonst läßt sich ein Unterschied, ob Sie das Kind Satzungsänderung oder Erhöhungsbeschluß nennen, absolut nicht finden. MR Quassowski: Diese Ermächtigung von Herrn Dr. Wussow soll doch aber zeitlich und auch dem Gegenstande nach eingeschränkt werden, während der Kern unserer Regelung ist, daß die Ermächtigung nicht eingeschränkt zu werden braucht. Vorsitzender: Wir wollen nicht der Verwaltung eine unbegrenzte Vollmacht geben. Wir wollen den Gründern nicht die Möglichkeit geben, etwas für immer zu schaffen. Wir wollen aber auch nicht einen Generalverammlungsbeschluß in infinitum. Daß man die Satzungen nicht immer gelesen hat, scheint mir etwas Nebensächliches zu sein. Wer sie nicht liest, hat die Folgen zu tragen. Sie werden trotz der Einwände des Herrn Regierungsvertreters die Konsequenz aus Ihren Beschlüssen ziehen müssen. Wenn Sie das genehmigte Kapital ablehnen, dann leh-
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nen Sie die beiden Momente ab: 1) wir wollen nicht, daß es im Gründungsakt geschieht, 2) wir wollen es aber auch nicht in die Satzung aufgenommen haben, weil dann eben es unbeschränkt ist, oder Sie müßten gleich sagen: eine solche Ermächtigung kann nur auf bestimmte Zeit gegeben werden. (MR Quassowski: Das Gesetz ist so zu verstehen, daß die Ermächtigung natürlich nach Ermessen des Beschlusses beliebig eingeschränkt werden kann.) - Darüber sind wir uns einig: Die Generalversammlung kann auch, wenn das Genehmigungskapital eingeführt ist, beschränken. Aber was die Herren wünschen, ist, der Generalversammlung auch diese Möglichkeit nicht zu geben, sondern zwingend durchzuführen: es gibt Erhöhungsbeschlüsse nur in concreto mit einer gewissen Befristung. Darüber, glaube ich, hat man sich bereits schlüssig gemacht. Und in der Annahme des Antrages Wussow liegt auch die Ablehnung des zuletzt vertretenen Standpunkts des Regierungsvertreters. Dr. Grund: Ich bin vorhin durch den Schluß der Debatte verhindert worden, mich gegen die Ausschaltung der Handelskammern im § 15 zu wenden. Ich möchte doch bitten, über diesen Punkt abstimmen zu lassen. Wir sehen eine außerordentliche Beschränkung des Selbstverwaltungsrechts der Handelskammern und auch keine sachliche Notwendigkeit darin. Vorsitzender: Ich hatte angenommen, daß die Sache von keiner welterschütternden Bedeutung ist. Es wird aber Abstimmung gewünscht. Wer ist dafür, daß in Absatz 3 des §15 die Worte: „Nach Anhörung der amtlichen Vertretung des Handelsstandes durch das Gericht" ersetzt werden sollen durch die Worte: „durch die Vertretung des Handelsstandes"? - Die Gegenprobe! Das scheint mir die Mehrheit zu sein. Also bleibt es bei dem Regierungsentwurf. Ferner Dr. Wussow ist mit der Änderung einverstanden, daß in seinem Antrag statt „ein Jahr" „eine angemessene Zeit" gesagt wird. MR Quassowski: Ich wollte noch darauf hinweisen, daß ich mir sogar denken kann, daß der Antrag Wussow angenommen wird und trotzdem die Vorschriften über das genehmigte Kapital bestehen bleiben, denn diese Vorschriften bieten doch eigentlich nichts weiter als eine Möglichkeit der erleichterten Kapitalbeschaffung, von der die Beteiligten Gebrauch machen können oder nicht. Wenn die Aktionäre das Vertrauen zu ihrem Vorstand haben, daß er von dieser Ermächtigung keinen unangemessenen Gebrauch machen wird, warum soll man ihnen die Möglichkeit verwehren, eine solche Ermächtigung zu erteilen? Es ist vielleicht möglich, daß die Sache so ausgehen wird, daß diese Bestimmungen vielleicht einen praktischen Wert nicht erlangen, sondern auf dem Papier stehen bleiben werden. Aber warum soll man nicht versuchen, eine erleichterte Kapitalbeschaffungsmöglichkeit nach ausländischem Vorbilde hier einzuführen? Sie kann doch zweifellos ihr Gutes haben. Wenn die Aktionäre darin eine Schädigung ihrer Interessen sehen werden, werden sie von ihr keinen Gebrauch machen. Ich sehe nicht ein, warum man sich diesem neuen modernen Gedanken, der in dem Recht und der Wirtschaft aller andern Länder Eingang gefunden und sich bewährt hat, hier im deutschen Recht verschließen soll. Vorsitzender:
Ganz modern ist der Gedanke nicht. Im Aktienrecht in Deutschland bis
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1870 hatten wir das. Das ist erst durch die Novelle dann abgeschafft worden. (Heiterkeit) Dr. Wussow: Wenn mein Antrag angenommen wird, dann würde natürlich das Institut des genehmigten Kapitals wegfallen. Vorsitzender: Sie hatten vorhin, ich glaube, einstimmig die Paragraphen 170 ff. abgelehnt. Damit ist die Anregung des Regierungsvertreters zu meinem Bedauern erledigt. Jetzt wollen wir uns endgültig schlüssig machen. Soll ich den Antrag Wussow noch einmal vorlesen? (Ja!) - Also: anstelle des Instituts des genehmigten Kapitals das Institut der Ermächtigung durch die Generalversammlung auf eine Frist von einem Jahr - ich schreibe hier gleich: angemessene - zur Kapitalerhöhung im bestimmten Umfange in das Gesetz aufzunehmen. Wer ist für den Grundgedanken dieses Antrags? Auf die Worte kommt es ja nicht an. (Dr. August Müller: Ich enthalte mich der Stimme!) Bei einer Stimmenthaltung einstimmig angenommen! Dr. Wussow: Das einzige, was mir noch zweifelhaft ist, ist, ob man bei den Vorratsaktien die Einschränkung so weit treiben soll, daß man die Zeichner verhaftet. Das geht zu weit. Es ist mir zweifelhaft, ob nicht hier eine gewisse Erleichterung geschaffen werden soll. Vorsitzender: Ich eröffne die Debatte wieder. Ich habe Sie vorhin darauf aufmerksam gemacht: die Vorratsaktien haben eine doppelte Diskriminierung bekommen, einmal indem man ihnen das Stimmrecht nimmt. Zum anderen kommt man hier auf eine ganz andere wirtschaftliche Frage: ist es nötig, bei Aktien, die kein Stimmrecht haben, demjenigen, der für Rechnung der Gesellschaft handelt, das Rückgriffsrecht auf die Gesellschaft schlankweg abzuschneiden? Dr. Wussow: Ich habe etwas Bedenken, ob es richtig ist, das Institut der Vorratsaktie völlig zu töten. Sie ist tot, wenn man den Mitzeichner verantwortlich macht. Man kann von dem Zeichner nicht verlangen, wenn er im Interesse der Verwaltung Vorratsaktien zeichnet, weil die Verwaltung selbst diese zeichnen kann, daß er dann nachher dafür geradestehen soll, daß das Geld eingezahlt wird. Die Folge ist, daß die Vorratsaktien dann erledigt sind. Es wird kaum noch dann einen Fall geben, in dem solche Vorratsaktien gemacht werden. Das ist aber vielleicht doch schade. Daß sie nicht stimmen dürfen, ist absolut in Ordnung, das muß bleiben. Die Vorratsaktien werden nicht durch das Statut, sondern, worauf es uns ankommt, durch die Generalversammlung geschaffen. Die Generalversammlung kann sich fragen: kann ich es wagen, diese Vorratsaktien in der Höhe der Verwaltung anzuvertrauen oder nicht? Das wird in jedem Einzelfalle geprüft. Hinzukommen müßte nur, daß die Vorratsaktien in einer bestimmten Zeit eingezogen werden müssen, wenn sie nicht verwendet worden sind, damit dann die Generalversammlung wieder neu beschließen muß, wenn sie Vorratsaktien machen will. Es ist eine Unterstützung dieses wirtschaftlichen Gedankens, der durch die Ermächtigungsbestimmungen, die wir eben beschlossen haben, herbeigeführt werden soll. Es ist eine weitere Unterstützung der Möglichkeit der Erleichterung, schnell Kapital zu schaffen, ohne daß ich aber die Gefahren schaffe, wie sie durch dieses genehmigte Kapital geschaffen werden würden.
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O R R Schmölder: Es ist ja außergewöhnlich interessant, daß die Diskussion diesen Verlauf nimmt (Heiterkeit), denn bisher war ja doch der Ausgangspunkt der, daß die Vorratsaktien doch wohl nach der Auffassung sämtlicher hier anwesenden Herren perhorresziert werden müssen, und zwar aus der berechtigten Überlegung heraus, daß es sich bei der Vorratsaktie um ein Institut handelt, das sich evtl. sogar contra legem lediglich herausgebildet hat und bei dem irgendeine Kontrolle der Generalversammlung über die Verwertung dieser Aktie überhaupt nicht stattfindet. Der Regierungsentwurf hatte eben anstelle dieses Instituts der Vorratsaktie eine Einrichtung in der F o r m des autorisierten Kapitals schaffen wollen, die nun unter dem Einbau der nötigen Kautelen diesem wirtschaftlichen Bedürfnis der Vorratsaktie an sich Rechnung tragen sollte. Nun wird von Herrn Dr. Wussow gesagt, daß die Vorratsaktie doch nicht ganz entbehrt werden könne, daß aber, wenn man das Moment wegnehme, daß der Zeichner verpflichtet sei, auch ohne Rücksicht auf die Vereinbarung mit der Gesellschaft, dann doch ein wesentlicher Unterschied gegenüber der Institution des autorisierten Kapitals bestände. Diesen Unterschied vermag ich schlechterdings nicht anzuerkennen, denn es ist doch letzten Endes vollständig gleich, ob nun schon Aktien, Urkunden vorhanden sind. E s kommt doch entscheidend darauf an, ob die wirtschaftliche Verwertung in der Hand der Generalversammlung liegen soll oder ob man den Vorstand ermächtigt, in dieser Frage das entscheidende Wort selbst zu sprechen. Das ist das Entscheidende. Wir stehen auf dem Standpunkt, daß man das in der F o r m des autorisierten Kapitals mit der Ermächtigung an den Vorstand machen kann. Aber wenn man nun zu dem Institut der Vorratsaktie zurückkehrt, läuft das im Grunde auf genau dasselbe hinaus wie auf das Institut des autorisierten Kapitals. Einmal handelt es sich um Urkunden, die bereits vorhanden sind. Aber der Vorstand ist ermächtigt, sie auszugeben. (Zuruf: Innerhalb einer bestimmten Zeit!) - „Innerhalb einer bestimmten Zeit" ist bisher nicht gesagt. (Vorsitzender: Herr Wussow hat bemerkt, daß die Vorratsaktien wieder einzuziehen sind, wenn sie nicht in einer bestimmten Zeit verwertet sind.) - Wie soll sich das bilanzmäßig auswirken? (Zuruf: Ganz einfach!) Ich kann es jedenfalls bilanzmäßig noch nicht übersehen. Im übrigen würde es doch auch rein stimmungsmäßig meines Erachtens unrichtig sein, nun diese Vorratsaktien wieder einzuführen, deren Beseitigung von allen Seiten übereinstimmend gefordert worden ist und anstelle dieses an sich mit allen Kautelen versehenen autorisierten Kapitals nun wieder auf diese Einrichtung zurückzukommen. Ich glaube also, die Diskussion würde sehr viel besser gefördert werden, wenn man sich noch einmal über Möglichkeiten verständigen könnte, wie man bei dem Institut des autorisierten Kapitals noch evtl. Kautelen einfügt. Der Vorsitzende hat selbst daraufhingewiesen, daß man darauf verzichten könnte, im Gründungsstadium diese Einrichtung zuzulassen. Ich halte diese Bedenken für durchaus berechtigt. Man könnte ferner darauf verzichten, evtl. die Sacheinlagevorschriften zu streichen. Das sind alles Überlegungen, die Hand und Fuß haben. Aber ich würde es für unglücklich ansehen, wenn nun die Sache so laufen würde, daß man die Vorratsaktien wieder herbeizitiert und auf das Institut des autorisierten Kapitals dagegen vollkommen verzichtet. Vorsitzender: Nach den Ausführungen des Regierungsvertreters ist der Unterschied
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zwischen dem autorisierten Kapital, wenn es nur durch spätere Satzungsänderung zugelassen wird und wenn die Sacheinlagen wegfallen, und dem von Herrn Kollegen Wussow propagierten Gedanken der Vorratsaktie wohl zunächst nur der: nach dem Regierungsvorschlag wird eine Ermächtigung satzungsgemäß erteilt zeitlich unbeschränkt, nur beschränkt - Barzahlung - durch das Statut selbst. Dann sind, wenn Gebrauch davon gemacht wird, die Zeichnungen einzuholen; auf Grund der Zeichnungen werden dann die Eintragungen erfolgen. Dann können die Aktien ausgegeben werden. Nach dem Vorschlage Wussow, der ja alle Möglichkeiten streicht - Dividende, Bezugsrecht, Stimmrecht - wird gegenüber dem Regierungsentwurf die Zeichnung sofort vorgenommen von einem Dritten für Rechte der Gesellschaft. In beiden Fällen bekommt die Gesellschaft kein neues Kapital. Man hat hier die Aktien noch schneller zur Hand, sie liegen bereits fix und fertig vor, während nach dem Regierungsentwurf die Zeichner erst noch einmal herangeholt werden müssen. Nun ist der Unterschied hier, daß Herr Dr. Wussow aber die Vorratsaktien auch zeitlich beschränkt haben will; sie müssen, wenn sie nicht verwertet werden, in einer bestimmten Zeit wieder beseitigt werden. Damit kommen wir in eine außerordentlich praktische Schwierigkeit mit der Bilanz. Man müßte sich hier in der Weise helfen wie beim autorisierten Kapital nach Ihrem Wunsch, daß man in die Bilanz hineinschreibt: Vorratsaktien sind soundso viel, das richtige Kapital ist soundso viel. Es käme praktisch auf das autorisierte Kapital hinaus, nur daß bereits die Aktienzeichnungen vorliegen, von denen aber noch kein Gebrauch gemacht wird, weil noch kein Geld da ist. Dr. Wussow: Ein ganz großer Unterschied ist der: beim autorisierten Kapital liegt es so, daß dies im Statut autorisiert ist, das keiner kennt, von dem die Verwaltung jeden Augenblick Gebrauch machen kann, während die Vorratsaktien auf besonderen Beschluß der Generalversammlung nur geschaffen werden können. Dann kommt aber auch noch die Kautele: sie müssen aber auch innerhalb einer gewissen Zeit Verwertung finden. Danach ist es etwas ganz anderes als das autorisierte Kapital, von dem niemand etwas weiß. Vorsitzender: Ich glaube, Sie haben den Herrn Regierungsvertreter nicht vollständig verstanden. Dieser sagte: wenn Sie dem Vorstand das Aktienpaket, die Vorratsaktien, in die Hände geben, dann ist er genauso in der Lage, wie bei dem autorisierten Kapital zu verfügen. (Dr. Wussow: Aber nur auf Grund einer Spezialvollmacht der Generalversammlung.) Naphtali: Der Herr Vorsitzende hat vorhin sehr richtig ausgeführt: die Tendenz des Gesetzentwurfs ist es, die Vorratsaktien zu verekeln, sie nicht einfach zu verbieten, sondern zu verekeln. Und dieses Verekeln, das ich für absolut notwendig halte auf Grund der Mißbräuche in der Praxis mit den Vorratsaktien, bitte ich nicht zu vermindern. Also ich bitte, diese Verekelung im vollen Umfange stehen zu lassen, wie sie in §41 vorgesehen ist. Ich kann dem Vorschlag des Kollegen Wussow in der Beziehung nicht zustimmen. Wenn wir vorhin gegen das genehmigte Kapital gestimmt haben, so wirklich nicht deshalb, um damit den schlimmeren Vorratsaktien wieder eine Hintertür zu öffnen, sondern meine Absicht bei dieser Abstimmung gegen das genehmigte Kapital war, daß ich in dieser Form des genehmigten Kapitals auch Gefahren sah, die eine gewisse Ähnlichkeit mit
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den Gefahren der Vorratsaktien haben und daß ich deshalb den Weg der Ermächtigung von Fall zu Fall für besser halte, aber nicht, um damit den schlechteren Vorratsaktien wieder die Wege zu ebnen. Die Vorratsaktien sind in unserer Praxis - hier ist immer gesagt worden: ein Kind der Nachkriegszeit. Sagen wir es doch einmal deutlich: sie sind ein Kind der Inflationszeit. Und aus dieser Tatsache, dieser Entstehung des Kindes in der Inflationszeit ist auch diese ganze Vorstellung gekommen, daß es immer so furchtbar eilig sei, sofort die Aktien bei der Hand zu haben. Ich glaube, das ist eine Inflationspsychologie, von der wir loskommen müssen. Ich glaube nicht, daß für die Aktiengesellschaften in einer Nichtinflationswirtschaft ein entscheidender Schaden dadurch entsteht, daß zwischen der Ausführung und dem Beschluß eine gewisse Frist liegt. Um die Vorstellung, daß man die fertigen Aktien immer bei der Hand haben muß, die eine absolute Inflationspsychologie ist, brauchen wir uns nicht mehr zu kümmern. Wenn nach dem vorhin angenommenen Antrag Wussow die Möglichkeit gegeben wird, in einer Generalversammlung die Kapitalerhöhung zu beschließen und die Einzelheiten der Durchführung von Fall zu Fall für eine bestimmte Frist dem Vorstand und Aufsichtsrat zu überlassen, so ist allen praktischen Bedürfnissen Rechnung getragen. Jedenfalls stehe ich nicht an, zu erklären, daß, wenn man das Verekeln der Vorratsaktie mildern würde, ich dann lieber das genehmigte Kapital nach dem Regierungsvorschlag nehmen würde. Aber das bedeutet nicht, daß ich das für notwendig halte, sondern ich halte es für absolut möglich, den §41 unverändert zu lassen und darüber hinaus anstelle des genehmigten Kapitals den Vorschlag der Ermächtigung nach dem Antrage Wussow zu setzen. Max Cohen: Ich bin mit Herrn Naphtali der Meinung, daß man §41 so lassen sollte, wie er ist, nicht, weil ich noch in den Vorratsaktien die Gefahren sehe, die er in ihnen sieht, denn wenn sie kein Stimmrecht mehr haben, so bedeuten sie keine große Gefahr mehr. Was Herr Dr. Wussow über die Vorratsaktien gesagt hat, scheint aus dem Grunde aber nicht ausschlaggebend zu sein, weil sie auch nach seinem Vorschlag nur zur Kapitalbeschaffung dienen sollen, während der von uns angenommene Antrag Wussow ja nicht nur die Möglichkeit vorsieht, daß die Generalversammlung Kapitalvermehrung beschließen kann, sondern dem Vorstande auch die Ermächtigung gibt, von sich aus das Kapital zu beschaffen. Da bleibt also zwischen der Situation, die nach unserm Antrage geschaffen worden ist, und den Vorratsaktien, auf die Herr Dr. Wussow zurückgekommen ist, lediglich ein kleiner Zeitgewinn bei den Vorratsaktien; und das ist nicht der Mühe wert, um sie wieder anzuschaffen. Wenn die Dinge so liegen, daß die Generalversammlung eine Ermächtigung beschlossen hat, dann wird die Kapitalbeschaffung wahrhaftig auch noch so lange warten können, bis die Vorratsaktien gedruckt sind usw. Dieser kleine Zeitgewinn lohnt wirklich nicht, die Vorratsaktien noch einmal einzuführen. M R Quassowski: Ich glaube, daß es nicht möglich ist, daß man die Vorratsaktien in irgendeiner Form beibehält. Herr Cohen meint, daß, wenn man den Vorratsaktien das Stimmrecht nimmt, sie dann keine Gefahr bieten. Meines Erachtens liegt in der Schaffung der Vorratsaktien, auch wenn man ihre Rechte im übrigen beschneiden mag, wie man es will, doch eine sehr erhebliche Gefahr und eben eine viel größere Gefahr als in der
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Schaffung des genehmigten Kapitals. Es wird ja doch bei der Ausgabe der Vorratsaktien nichts einbezahlt, es ist eine Scheinkapitalerhöhung. Es werden der Gesellschaft keine Mittel zugeführt. Entweder wird das, was der Aktionär formal einbezahlt, ihm wieder zurückerstattet, oder er leistet die Einzahlung aus Mitteln der Gesellschaft. Es ist auch die Ausgabe der Vorratsaktien gar nicht verträglich mit dem, was der Vorstand bei der Anmeldung der Kapitalerhöhung zur Eintragung hier nach unserem Entwurf zu erklären hat. Er kann die Erklärungen, die er nach dem Entwurf abgeben muß, gar nicht mit gutem Gewissen abgeben, wenn es sich hier nur um die Ausgabe von Vorratsaktien handelt, denn er muß erklären, daß der Betrag voll eingezahlt ist und endgültig zur freien Verfügung des Vorstandes steht. Wenn es sich um Aktien handelt, die für Rechnung der Gesellschaft ausgegeben sind, wäre eine solche Erklärung, deren Unrichtigkeit übrigens unter Strafe gestellt ist, unmöglich. Was Herr Oberregierungsrat Schmölder gegen die Vorratsaktie gesagt hat, ist durchaus zu unterschreiben. Ich möchte das doch einmal unterstreichen. Meines Erachtens sind die Vorratsaktien an sich, äußerlich betrachtet, richtige Aktien. Sie blähen das Kapital auf der Passivseite auf. Dem steht eigentlich auf der Aktivseite, wenn man es ernst nimmt, gar nichts gegenüber. Sie werden meines Erachtens auch von der Finanzbehörde als Aktien betrachtet und unterliegen der Kapitalverkehrssteuer, ohne daß tatsächlich schon ein Gegenwert der Gesellschaft zugeflossen ist. Der eigentliche Akt, durch den im Falle der Ausgabe von Vorratsaktien der Gesellschaft Mittel zufließen, ist dann die Verwertung der Aktien bei sich bietender Gelegenheit. Das ist eben der Kernpunkt der ganzen Frage hier. Diese Verwertung der Vorratsaktien untersteht dann keinerlei Kontrolle. Der Vorstand kann die Aktien verwerten, er braucht darüber keinen Bericht zu erstatten, das Registergericht ist nicht irgendwie beteiligt, die Verwertung der Aktien vollzieht sich vollkommen im dunkeln. Und hier sieht eben das genehmigte Kapital vor, daß dieser Akt, durch den die Mittel hereinkommen, der normale Akt ist, es müssen nämlich die Aktien, die auf Grund des genehmigten Kapitals ausgegeben werden, gezeichnet werden. Es muß dann die Anmeldung erfolgen, die Eintragung. Es ist also dieses Verfahren das normale, das mit allen Sicherungen umgeben ist. Also wenn die Herren, wie ich glaube, aus ihren Auführungen entnehmen zu sollen, eben der Meinung sind, daß man hier doch ein Mittel braucht, um eine erleichterte Kapitalbeschaffung zu ermöglichen, dann kommt nach unserer Auffassung nur das genehmigte Kapital in Frage. Ich glaube nicht, daß wir in irgendeiner Weise der Beibehaltung der Vorratsaktien in irgendeiner Gestalt werden zustimmen können. Vorsitzender: Wollen Sie die Güte haben, sich auch darüber zu äußern: Im §260 a der Notverordnung steht unter Absatz 3 Ziffer 1: „In dem Geschäftsbericht sind ferner Angaben zu machen über 1) Aktien, die von dem Aktionär als Gründer oder Zeichner für Rechnung der Gesellschaft übernommen worden sind; sind solche Aktien im Laufe des Geschäftsjahres verwertet worden, so ist auch über ihre Verwertung und Verwendung des Erlöses zu berichten." Das ist also im Geschäftsbericht anzugeben. Sie sagten vorher, es vollziehe sich alles im dunkeln.
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MR Quassowski: Ja, der Akt der Verwertung! Der nachträgliche Bericht kann den Schaden nicht wiedergutmachen, der schon durch die Verwertung an sich angerichtet ist. Vorsitzender: Damit auch die Versammlung darüber unterrichtet bleibt: In der jetzt durch die Notverordnung eingeführten Bestimmung ist das ausdrücklich vorgeschrieben. Man hat also vorgesehen, daß derartige Vorratsaktien vorkommen. Auch an späterer Stelle, ζ. B. bei der erleichterten Kapitalreduktion, ist ebenfalls wieder auf diese Vorratsaktie abgehoben. Also in der Notverordnung spielt die Vorratsaktie noch immer eine gewisse Rolle. Dr. Solmssen: Wenn die Ausführungen des Herrn Regierungsvertreters richtig sind, dann müßte doch die Konsequenz sein, daß jede Aktiengesellschaft sofort ihr Statut ändert, denn man kann dann nicht warten, bis das praktisch wird, sondern man müßte dann sofort dazu schreiten, das Statut daraufhin umzustellen. Darin sind wir, glaube ich, alle einig, daß Fälle tatsächlich eintreten, in denen eine gewisse Ermächtigung erforderlich ist, eine gewisse Bewegungsfreiheit geschaffen werden muß. Dieser Notwendigkeit dient auch die Vorratsaktie. Mir ist aber folgendes nicht ganz klar: auf der einen Seite haftet der Zeichner hier, als wenn er selbst allein Zeichner wäre. Auf der anderen Seite wird gesagt: du kannst aber eine Vereinbarung mit der Gesellschaft treffen, die dich wieder schadlos hält. (Zuruf: Nein!) - Ja, was heißt denn das: „ohne Rücksicht auf...?" (ORR Schmölder: Alle internen Abmachungen gelten! - Zuruf: Die werden nicht berücksichtigt!) - Ach, die werden nicht berücksichtigt! Vorsitzender: Auch wenn man ausmacht: ich zeichne für Rechnung der Gesellschaft, gilt der Zeichner für eigene Rechnung. Dr. Solmssen: Dann schlagen Sie die Vorratsaktie natürlich tot. Ein Repierungsvertreter: Ja, das wollen wir auch! Dr. Solmssen: Dann können Sie hineinschreiben: Vorratsaktien sind nichtig. Vorsitzender: Es findet sich dann eben einfach niemand, der das macht! Die Frage ist doch wirklich sehr klar: Die Aktiengesellschaften sollen eigene Aktien, und zwar rechtlich wirksam, kaufen dürfen, aber - wir kommen jetzt auf §26 - nur beschränkt. Wenn es also so vor sich geht, daß der HerrX, die Bank die Aktien für eigene Rechnung zeichnet, aber nachher ohne vorherige Abrede die Gesellschaft ihm 10% von diesen Aktien wieder abkauft, dann ist nichts dagegen zu sagen. Wenn er aber direkt für ihre Rechnung die Zeichnung gemacht hat, sie präsentiert werden und sie sie abnehmen muß - das darf er nicht. Solche Fragen sind aber nur in konkreten Fällen zu entscheiden. Aber darüber ist gar kein Zweifel: wenn eine Bank für Rechnung einer Aktiengesellschaft das Geld vorlegt, die Aktien zeichnet, so hat sie keinen Anspruch gegen die Gesellschaft. Dr. Solmssen: Die Konsequenz würde sein, daß jeder verantwortliche Vorstand sofort sein Statut ändern müßte. Es würde die Wirksamkeit der Maßnahme von dem Zufall abhängen, ob die Dreiviertelmehrheit dafür jetzt zusammenzubringen ist, denn die Leute werden vielleicht unter Umständen sagen: nein, wir wollen nicht, oder warum? oder wieso? Andere werden einfach ja sagen. Die Sache liegt doch ganz anders. Eine Aktien-
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gesellschaft ist in der Entwicklung begriffen und braucht neues Kapital in absehbarer Zeit, sie muß Vorsorgen, kann aber heute nicht übersehen, wann der Markt dafür reif sein wird; sie muß unter Umständen auch schnell zugreifen können. Sie will die Ermächtigung in der Form haben, wie sie die Judikatur herausgebildet hat. Ich glaube, wir versteifen uns hier zu sehr auf den Gesichtspunkt, daß, wenn es nicht im Statut steht, es überhaupt nicht geht. Ich sehe auf der anderen Seite die großen Hemmnisse, das Statut umzuändern. In dem einen Fall wird es leicht, in dem andern schwer gehen. Dann werden diejenigen Gesellschaften außerordentlich geschädigt, deren Aktionäre das nicht kapieren. ORR Schmölder: Wenn ich die Ausführungen richtig verstehe, gehen sie darauf hinaus, daß es ja doch sehr schwierig sei, das genehmigte Kapital überhaupt im Einzelfalle durchzusetzen, jedenfalls die Genehmigung der Aktionäre mit Dreiviertelmehrheit im Einzelfall zu bekommen, daß aber andererseits doch ein wirtschaftliches Bedürfnis vorliege, für gewisse Fälle im Wege der Ermächtigung eine solche Autorisierung zu erlangen. (Dr.Solmssen: Ja!) Dazu ist zu sagen, daß ja doch die Form der normalen Kapitalerhöhung neben dieser Autorisierung nebenher geht. Und wenn die Gesellschaft in einer Situation ist, daß sie genau übersehen kann, innerhalb der nächsten 6 Monate tritt das Bedürfnis auf, für irgendeinen Zweck neue Aktien parat zu haben, dann würde sie ja doch ad hoc das Kapital erhöhen können noch einmal auf dem normalen Wege und dann für diesen Zweck die Aktien bereit halten können. Das ist aber ein Fall, an den der Entwurf nicht denkt, sondern der Entwurf denkt bei dem Vorschlag der Einführung des autorisierten Kapitals an die Möglichkeiten, in denen die Gesellschaft noch nicht in der Lage ist, genau zu überblicken, ob ein solches Bedürfnis eintritt. Und wenn Sie glauben, daß dafür auch ein Mittel und ein Weg gefunden werden muß, um diese Sache zu ermöglichen, so sehe ich keine andere Möglichkeit, als daß man eben den Weg des Entwurfs geht. Vorsitzender: Ich möchte nur die Herren, wenn sie sich endgültig schlüssig machen, doch noch einmal auf folgendes aufmerksam machen: Erstens: Bei der Frage der Beschränkung des autorisierten Kapitals auf den Fall einer Satzungsänderung, nicht bei der Gründung, ist es selbstverständlich möglich, daß, wenn heute die Gesellschaft im Handelsregister eingetragen ist und die Aktien noch den fünf Gründern gehören, man morgen vor dem Notar eine Generalversammlung abhält und einen derartigen Beschluß faßt. Also Sie sehen, wie alle diese Bestimmungen auch wieder illusorisch gemacht werden können. Und zum andern: Wenn Sie das autorisierte Kapital einführen, und man legt Wert darauf, nach dem Antrage Wussow, sofort die Aktien, aber nur als Vorratsaktien zeichnen zu lassen, so ist der Unterschied wieder nur der: a tempo werden die Aktien gezeichnet, eingetragen, die Urkunden ausgefertigt; nach dem Regierungsvorschlag dagegen muß das erst nachträglich geschehen. Das scheint mir der einzig praktische Unterschied zu sein: die Aktien sind bereits gedruckt. Das, was weiter hervorgehoben wird, nicht im Statut oder nur im Generalversammlungsbeschluß, scheint mir ziemlich gleichgültig zu sein.
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Und darum glaube ich, wir kommen nicht mehr viel weiter, nachdem Sie vorhin den grundsätzlichen Standpunkt eingenommen haben. Sie werden sich jetzt schlüssig machen müssen: soll es bei dem vorhin gefaßten Beschluß bleiben, wollen Sie nicht die volle Streichung der Vorratsaktie oder wollen Sie doch wieder in irgendeiner Form das von der Regierung gewünschte Institut des genehmigten Kapitals? Ich bin gern bereit, das als zweite Lesung zu betrachten und noch einmal abstimmen zu lassen, wenn es beantragt wird. - Es scheint aber nicht der Fall zu sein. Also konstatiere ich, daß es auch in der zweiten Lesung bei den Beschlüssen der ersten Lesung geblieben ist. Dr. August Müller schlägt vor, die ganzen Beschlüsse noch einmal einer Revision in der Form einer zweiten Lesung zu unterwerfen. - Der Ausschuß stimmt dem zu. Hierauf erstattet über die Frage: Sind die Vorschriftenfür den Erwerb eigener Aktien zweckentsprechend? (§ 56 E, § 226 HGB) Berichterstatter Marx folgendes Referat 1 : Zunächst sind hier zwei Gesichtspunkte zu prüfen, und zwar ob der Erwerb eigener Aktien a)grundsätzlich verboten, b) unter Kautelen gestattet sein soll. Zu a) sind die Vorschriften über den Erwerb eigener Aktien keinesfalls zweckentsprechend. Die frühere Fassung den §226 H G B " enthielt in Form einer Sollvorschrift das Verbot des Erwerbs eigener vollbezahlter Aktien im regelmäßigen Geschäftsbetrieb. Die Absicht des Gesetzgebers war klar und richtig. Der Erwerb eigener vollbezahlter Aktien sollte grundsätzlich verhindert werden. Ob die alte Fassung wirklich so schlecht war, daß die Auslegung der Worte „im regelmäßigen Geschäftsbetrieb" den Sinn des Gesetzes in sein Gegenteil verkehren durfte, mag dahingestellt sein. Keinesfalls berechtigt dieser Umstand dazu, von dem Verbot zu der positiven Gestattung des Erwerbs eigener vollbezahlter Aktien überzugehen. Wenn der positiven Erlaubnis des Erwerbs eigener vollbezahlter Aktien die Auflage gemacht wird, daß sie „zur Abwendung eines schweren Schadens von der Gesellschaft notwendig" sein muß, so genügt diese Einschränkung ebensowenig, wie die Begrenzung des gesamten Nennbetrages der zu erwerbenden Aktien auf höchstens 10 von Hundert des Grundkapitals, um den Übergang vom Verbot zur Erlaubnis zu begründen und zu rechtfertigen. Die Tatsache, daß sich die Praxis um die Vorschrift des § 226 HGB nicht gekümmert hat, dürfte als logische Begründung zu einem so einschneidenden Systemwechsel kaum ausreichen. Man muß vielmehr nach wie vor den Standpunkt mit grundsätzlicher Schärfe vertreten, daß der Erwerb eigener vollbezahlter Aktien verwerflich und mit dem Sinn des Aktienwesens unvereinbar ist. Denn er schafft der Aktiengesellschaft nur eine Beteiligung an einem Vermögen, das ihr bereits gehört; der Erwerb stellt also keinen neuen Vermögenswert dar. Er führt eine ErmäßiP 18
Teilbericht in N r . 1677/32 (vollständig im Protokoll enthalten). § 226 H G B v o n 1897 lautet: „Die Aktiengesellschaft soll eigene Aktien im regelmäßigen Geschäftsbetriebe, sofern nicht eine Kommission z u m Einkauf a u s g e f ü h r t wird, weder erwerben noch z u m P f ä n d e nehmen. — Eigene Interimsscheine kann sie im regelmäßigen Geschäftsbetrieb auch in A u s f ü h r u n g einer Einkaufskommission weder erwerben noch zum Pfände nehmen. Das Gleiche gilt von eigenen Aktien, auf welche der N e n n b e t r a g oder, falls der Ausgabepreis höher ist, dieser noch nicht voll geleistet ist."
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gung des Grundkapitals und damit eine Beseitigung der Kapitalbindung herbei, deren Gefahr durch §227 Abs. 4 zwar für den Fall gebannt ist, daß der Erwerb eigener Aktien zur Einziehung erfolgt, nicht aber, wenn er zu anderen Zwecken erfolgt. Nicht zu übersehen ist dabei die Schädigung derjenigen Aktionäre, deren Stücke nicht zurückgekauft werden, und die also aus dem Risiko des Aktienbesitzes nicht entlassen werden. Der Schädigung dieser Aktionäre steht die Begünstigung derjenigen gegenüber, denen durch den Rückkauf ihrer Stücke Vorteile verschafft werden können. Die Perspektive auf irreguläre Geschäfte zugunsten von der Verwaltung nahestehenden Personen braucht nur angedeutet zu werden. Minderheiten können durch den Rückkauf eigener vollbezahlter Aktien ausgeschaltet, neue Mehrheiten gebildet werden. Die Verwaltung der Gesellschaft ist in der Lage, das Dividenden-, Stimm- und Bezugsrecht durch den Besitz eigener Aktien zu beeinflussen. Die Verbuchung der eigenen Aktien führt möglicherweise zum Ausweis von Gewinnen, deren Realisierung eine Verteilung aus der Substanz zum Nachteil der Gläubiger bedeutet. Es wird nun behauptet, daß der Erwerb eigener Aktien wirtschaftlich nützlich, in vielen Fällen sogar wirtschaftlich notwendig sein könne. Man vergißt nur hinzuzufügen, wer der Nutznießer des Erwerbs eigener Aktien in jedem Falle ist. Die sogenannte Kurspflege oder Kursstützung ist ein Vorgang, der die Zulässigkeit des Erwerbs eigener Aktien durchaus nicht begründen kann. Der Preis der Aktie muß nun einmal nach dem inneren Wert der Aktiengesellschaft und nach den den Markt beherrschenden Gesetzen festgesetzt werden. Daran hindert auch nicht das Angebot von ganzen Aktienpaketen oder der Aufkauf von Aktien durch Konkurrenten oder Ausländer. Alle diese Erscheinungen sind mit dem Aktienrecht und der darauf fußenden Kapitalwirtschaft untrennbar verbunden. Man kann nicht grundsätzlich auf die Anonymität der Anteilseigner einer Aktiengesellschaft eingestellt sein und nach Hilfsmaßnahmen rufen, wenn sich diese Anonymität bei einzelnen Trägern in persönlich überraschender Weise enthüllt. Ausnahmen vom Verbot des Erwerbs eigener Aktien sind nur zu dulden, wenn a) die Gesellschaft damit eine Einkaufskommission ausführt oder b) der Erwerb entweder unentgeltlich durch Schenkung, Vermächtnis und dergleichen oder c) im Wege des Zwangsvergleichs oder der Zwangsvollstreckung erfolgt. Zu b): Wenn man sich auf den oben vertretenen grundsätzlichen Standpunkt, der ein völliges Verbot des Erwerbs von eigenen Aktien vorsieht, nicht stellt, sondern zwar grundsätzlich den Erwerb von eigenen Aktien gestattet, ihn aber auf das möglichste Mindestmaß beschränken will, so kann und muß von dem Entwurf bzw. der jetzt geltenden Fassung des §226HGB ausgegangen werden. Denn auch diese neue Fassung des § 226 stellt tatsächlich, wenn auch vielleicht nicht theoretisch, einen Fortschritt gegenüber dem bisherigen Zustand dar. Bisher war zwar generell gesagt, daß eigene Aktien nicht erworben werden sollen; diese Sollvorschrift ist aber praktisch nicht wirksam geworden, sondern in der Praxis bestand, insbesondere auf Grund der Rechtsprechung und der Rechtslage, ein uneingeschränktes Recht zum Erwerb eigener Aktien. Wenn gegenüber diesem tatsächlich herrschendem Zustand der neue §226 den Erwerb auf 10% beschränken will, so liegt deshalb darin ein sehr beachtlicher Fortschritt.
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Aber auch dann wird es notwendig sein, mehr noch als es in dem jetzigen § 226 geschehen ist, zu versuchen, Mißbräuche auch innerhalb dieser 10%-Freigrenze zu beseitigen oder zu verhindern. Hierbei muß von der Erwägung ausgegangen werden, daß die Zulässigkeit eines Erwerbes „zur Abwendung eines schweren Schadens von der Gesellschaft" praktisch eine Generalklausel zum Erwerb innerhalb der 10%-Grenze darstellt; nur können eben die Mißbräuche, die bisher in vollem Umfange möglich waren, jetzt nur innerhalb der 10%-Grenze ausgeübt werden. An Einschränkungen und Sicherungen der 10%-Grenze kommt folgendes in Betracht bzw. ist folgendes zu erörtern: 1) Es fragt sich, ob man den Erwerb zur Einziehung auch ausdrücklich zulassen soll. Es scheint hier vielleicht geboten, die Zulässigkeit auf den unentgeltlichen Erwerb zu beschränken, oder ihn nur zu einem sehr niedrigen Kurse zuzulassen, w o tatsächlich Vorteile für die Gesellschaft entstehen; auch könnte hier die vorherige Zustimmung des Aufsichtsrats zum Erwerb eigener Aktien zum Zwecke der Einziehung zur Bedingung gemacht werden, sofern man sie überhaupt zuläßt. Denn gerade bei dem Erwerb eigener Aktien zur Einziehung ist die Gefahr einer Bevorzugung einzelner Aktionäre durch Zahlung eines hohen Aufgeldes besonders groß. 2) Es soll nicht formuliert bleiben, daß der Gesamtnennbetrag der zu erwerbenden Aktien 10% des Grundkapitals nicht übersteigen darf, sondern es muß festgelegt werden, daß höchstens 10% der Summe des Grundkapitals \um Erwerb eigener Aktien verwendet werden dürfen-, bei Unterparikurs muß die jetzt formulierte Grenze angewendet werden. 3) Jeder Erwerb eigener Aktien schließt die Gefahr in sich, daß einzelne Aktionäre bevorzugt werden, und zwar sowohl beim Kauf als auch beim Verkauf. Beim Kauf zur Abwendung von Gefahren wird die Festlegung eines Mindestkurses schwierig oder gar unmöglich sein, jedoch wird man einen solchen Höchstpreis dann festlegen können, wenn man, entgegen der hier vertretenen Auffassung, auch den entgeltlichen Erwerb eigener Aktien zur Einziehung zulassen will. Die Formulierung einer solchen Kautele muß der Erörterung vorbehalten bleiben. 4) Eine Bevorzugung einzelner Aktionäre kann aber auch eintreten beim Verkauf der einmal erworbenen eigenen Aktien; diese könnten weit unter dem Tageskurs verkauft werden und damit dem Käufer auf Kosten der Gesellschaft die Herrschaft über die Gesellschaft erleichtern oder verschaffen. Deshalb wird die Festlegung eines Mindestverkaufspreises zu erwägen sein. 5) Der jetzt geltende §226 geht selbst davon aus, daß seine Bestimmungen durch Tochtergesellschaften (abhängige Gesellschaften) umgangen werden könnten. (§226 Abs. 4) Hier muß zweierlei ergänzend zur Sicherheit angefügt werden: a) Es müssen den abhängigen Gesellschaften auch abhängige Einzelpersonen gleichgestellt werden, b) es muß der Begriff der Abhängigkeit genauer definiert werden. Gerade bei der Definition der Abhängigkeit zeigt es sich wiederum, daß man mit allgemeinen Formulierungen in Wirklichkeit mehr zuläßt als verbietet. Es genügt deshalb nicht, als abhängige Gesellschaft oder Einzelperson eine solche zu
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bezeichnen, die unter dem beherrschenden Einfluß der Aktiengesellschaft steht, sondern es muß außerdem gesagt werden, daß als abhängig eine Gesellschaft oder Person insbesondere dann anzusehen ist, wenn die Aktiengesellschaft an ihrem Grundkapital zu mehr als 30% beteiligt ist oder ihr Kredite gewährt hat, die höher sind als 30% des Grundkapitals bzw. des Vermögens. 1st die Regelung der Einziehung der Aktien im Zusammenhang mit den Vorschriften über die Herabsetzung des Grundkapitals genügend? (§ 57 E, §227 HGB) Die Regelung erscheint ausreichend, wenn man den Erwerb eigener Aktien nicht grundsätzlich verbieten will. Vorsitzender: Ich danke sehr! - Bei dieser Gelegenheit ist auch zu erwähnen, was für die Mitglieder von Interesse ist, daß in der Notverordnung - § 260 a — beim Geschäftsbericht Vorschriften enthalten sind, wonach der Bestand an eigenen Aktien der Gesellschaft, die ihr oder einem anderen für ihre Rechnung gehören, in dem Geschäftsbericht anzugeben ist, daß weiter Rechnung zu legen ist, was mit diesen Aktien vorgenommen wurde und daß die gezeichneten Aktien besonders in der Bilanz aufgeführt werden müssen. Das gehört auch mit zu diesen Vorsichtsmaßnahmen. Dann weiß ich nicht, ob ich Sie vollständig richtig verstanden habe. Ihr erster Antrag geht dahin: jeden Erwerb eigener Aktien zu verbieten. Das ist Ihr Grundgedanke. Mit anderen Worten: es wäre also nicht nur wie bei den nicht vollbezahlten, sondern bei allen Aktien der Erwerb nichtig. Berichterstatter Marx: Ja! Weil ich keinen Mitberichterstatter hatte, der eine andere Auffassung hätte vertreten können, habe ich die beiden Standpunkte herausgestellt, die in der Frage eingenommen werden können, damit hier der Ausschuß zunächst nun über die Grundfrage diskutieren kann. Dr. Solmssen: Es ist klar, daß die Erscheinungen, die zu den Mißbräuchen geführt haben, Erscheinungen sind, die mit der Krise zusammenhängen, denn der Erwerb der eigenen Aktien kommt als Gefahr ersten Ranges bei der Haftbarkeit des Kapitals in Frage, das in dem Statut verbrieft ist und das unter den Händen der Aktionäre dahinschwindet und dann nachher nicht mehr da ist. Uber diese Gefahr braucht kein Wort verloren zu werden. Aber ich möchte davor warnen, daß man aus den Tatsachen, wie sie sich unter unseren Augen vollzogen haben, nun den Schluß zieht, daß das die Regel ist und immer so bleibt, sondern diese Erscheinungen sind Krisenerscheinungen. Es hat keine Krise gegeben, in der nicht Mißbräuche vorgekommen sind. Man darf hier nicht vergessen, daß sich die wirtschaftlichen Verhältnisse ändern und daß man Möglichkeiten totschlägt, die unbedingt aufrechterhalten werden müssen. Ich kann dem Antrage des Herrn Marx nicht zustimmen, daß jede Möglichkeit des Erwerbs eigener Aktien zu verurteilen ist und ausgeschaltet werden muß. Im Gegenteil, gerade um die Aktien zu einem Wertpapier zu machen, das in breiten Kreisen Verwendung finden kann, ist es unbedingt erforderlich, daß die Möglichkeit einer Kurspflege besteht. Sie können unmöglich ein Kind in die Welt setzen und nachher sich nicht mehr darum kümmern. Wenn diejenigen Menschen, die sich um ein Unternehmen gruppieren, die ein dauerndes Interesse an ihm zu nehmen verpflichtet sind, gezwungen werden durch das Gesetz, mit gefalteten Händen dabeizuste-
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hen, es mag passieren, was da wolle, so schaden Sie diesen Menschen viel weniger als denjenigen Menschen, die ihr Geld in dem Unternehmen angelegt haben. Wir erleben doch täglich sensationelle Überschriften in den Zeitungen, durch die man einen Schreck bekommt. Allerdings steht dann in den Artikeln etwas ganz anderes. Aber jedenfalls hat das die Wirkung, daß die Öffentlichkeit allen möglichen Bearbeitungen ausgesetzt ist, die ziemlich kritiklos entgegengenommen werden. Und da muß ein gewisser Rückhalt bestehen, den man einsetzen kann, wenn es erforderlich ist. Nun gebe ich ohne weiteres zu, daß Hemmungen eingebaut werden müssen. Die Lösung, die jetzt die Notverordnung gebracht hat, ist meiner Ansicht nach eine Zwischenlösung. Uber Einzelheiten, ob 10, 15, 20 oder 5 % , kann man endlos streiten. Es ist gut, wenn eine höhere Instanz sagt: Schluß damit, so wird es gemacht. Dann hört das Diskutieren auf. Ich würde aber warnen, daß man daran viel ändert, denn ich wüßte nicht, was man an die Stelle setzen sollte. Nun kommt die andere Frage, die Herr Marx angeregt hat: man muß aufpassen, daß keine Begünstigungen stattfinden. Sie brauchen auf der anderen Seite aber auch wiederum Kreise, die sich in die Bresche stellen. Sie können nicht Herrn Schulze von der Straße plötzlich sagen, er soll in einem solchen Falle einmal eintreten. Dazu brauchen Sie Interessenten in dem Sinne, daß diese ein Interesse daran haben, daß das Unternehmen erhalten bleibt und keinen Schaden erleidet. Diese müssen ihren K o p f in die Schlinge stecken können in der Erwartung, daß sie ihn einmal wieder herausbekommen. Ich habe eine ganze Menge Fälle erlebt, in denen die Betreffenden sehr viel verloren haben. Ich bitte auch da, in der Angst nicht zu weit zu gehen, daß damit nun immer nur Mißbrauch getrieben werden könnte. Sie müssen sich die viel größere Zahl der Fälle auch vor Augen halten, in denen es außerordentlich schwer wird, überhaupt etwas zu machen, wenn Sie nicht Menschen dazu bekommen, sich für ein Unternehmen in diesem Sinne zu interessieren, auch einmal für das Unternehmen etwas zu tun, wenn man ihnen sagen muß: hier heißt es aufhalten, damit kein Malheur passiert, es wird hoffentlich besser werden, aber eine Garantie können wir dafür nicht übernehmen. Das wollte ich als allgemeine Präambel für die Diskussion hinstellen. Man kann wirklich grobe Fehler begehen, wenn man Einzelerscheinungen der letzten Vergangenheit zur Regel erklärt. Davor möchte ich warnen. Vorsitzender: Vielleicht interessiert die Herren folgendes: Bis zum Jahre 1884 war der Erwerb eigener Aktien durch die Gesellschaft verboten, und zwar von dem Gesichtspunkt aus, keine Gesellschaft soll ihr eigener Gesellschafter sein. Nun haben sich Handel, Industrie und Banken vor 1884 vor der Novelle mit aller Energie dafür eingesetzt, daß es eine praktische Unmöglichkeit sei, den Erwerb eigener Aktien unbedingt zu verbieten; und man hat die Bestimmung, die Sie vorhin beanstandet haben, mit dem regulären Geschäftsbetrieb deshalb aufgenommen, weil man sagte, eine Aktiengesellschaft soll nicht mit ihren Aktien Geschäfte machen; wenn sie dagegen außerhalb des regulären Geschäftsbetriebes Aktien erwirbt, so wollen wir es nicht verbieten. Und nun hat man nach den Ereignissen der allerletzten Zeit - in dem ersten Referentenentwurf war ja die Bestimmung gar nicht enthalten - aus dieser Krisenstimmung diese Vorschrift von §226
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gemacht. Man hat hier auch eine Mittellösung versucht. O b sie gelungen ist, darüber kann man verschiedener Meinung sein. Ich habe beinahe das Gefühl, daß man auch in den Kreisen der Regierung nicht so absolut davon überzeugt ist, denn man hat hineingeschrieben, daß die Regierung das Recht hat, einen niedrigeren Hundertsatz des Kapitals festzusetzen. Bei der Beratung im Ausschuß der Rechtsanwaltschaft hat man gesagt: man muß aber auch das Gegenbild hineinnehmen und der Regierung auch das Recht geben, einen höheren Hundertsatz einmal festzustellen, denn alle solche Sätze sind mehr oder weniger willkürlich und können fehlerhaft sein. Wenn wir auch zunächst bei diesem Gedanken bleiben, Beschränkung auf einen gewissen Prozentsatz, so sollte man doch der Regierung Spielraum nach oben und nach unten lassen. Infolgedessen werde ich meinerseits den Antrag stellen, das Recht der Regierung zur Änderung des Hundertsatzes auch nach der anderen Richtung einzuführen; sie soll auch einen höheren festsetzen können. Wir dürfen hier nicht nur unter dem Druck der heutigen Verhältnisse und der letzten Ereignisse handeln. Im übrigen, glaube ich allerdings, würden wir wohl an der jetzigen Ordnung, der Beschränkung einmal auf die Abwendung eines schweren Nachteils und der Beschränkung mit den 10%, zunächst festhalten müssen. Sie werden sich allerdings darüber klar sein, daß unter Umständen zur Abwendung eines schweren Nachteils auch mehr erforderlich ist. Deshalb gerade der Wunsch, daß die Regierungsverordnung hier eingreifen könnte. Das müßte natürlich immer sehr sorgsam geprüft werden. Die weiteren Wünsche, die Herr Marx vorgeschlagen hat, sind nicht ohne Berechtigung. D a s bezieht sich auf Absatz 4 des §226 zum Beispiel. Hier schlägt Herr Marx zwei Änderungen vor. Einmal sagt er, es muß auch eine Einzelperson sein können - an sich eine gewisse L o g i k . Eine Handelsgesellschaft ist auch eine offene Handelsgesellschaft. Ich nehme an, daß das so zu verstehen ist. (Ein Regierungsvertreter: Ja!) Also wenn die Herren Müller und Schulz in einer offenen Handelsgesellschaft unter Absatz 4 fallen, warum soll nicht Herr Müller allein oder der Herr Schulz ebenso allein darunter fallen?! Das wäre die Konsequenz, oder man müßte umgekehrt die ganze Bestimmung nur auf juristische Personen beschränken. (Ein Regierungsvertreter: Der Gedanke des Konzerns!) - Aber man müßte versuchen, eine allgemeine Formel zu finden, die dem Gedanken Rechnung trägt, daß überall da, wo eine Einfügung in einen Konzern stattfindet, diese Bestimmung entsprechend Anwendung findet. Die Schwierigkeiten liegen nur wieder darin, wie Herr Marx zum Teil schon angedeutet hat: die abhängige Gesellschaft darf Aktien der herrschenden Gesellschaft nur nach Maßgabe der Bestimmung des Gesetzes, also nicht mehr als 10% der Aktien der herrschenden Gesellschaft, erwerben. Die Konsequenz wäre weiter, wenn es doch geschieht, daß zum Beispiel eine Einzelfirma, der Herr Müller, nun 2 0 % kaufen würde - das können Sie natürlich nicht hindern - , daß ich aber dann nicht mit meiner herrschenden Gesellschaft auf dieser Basis abrechnen kann. Der Gedanke, wie ihn eben Herr Marx angeregt hat, ist durchaus zutreffend. Man sollte versuchen, hier eine solche allgemeinere Lösung herbeizuführen. Weiter wünscht Herr Marx eine Definierung des Begriffs der Abhängigkeit. Nun bin ich grundsätzlich ein Feind von Definitionen von Begriffen. Jede Definition ist ein
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höchst gefahrliches Ding, denn man bleibt an den Worten hängen. Es kann jemand mit 30% beteiligt sein und hat gar nichts zu sagen. Es läßt sich gar nicht in der Weise machen. Wir werden bei dem Vorschlag der Regierung praktisch bleiben können. Endlich die Frage der Bevorzugung! Man kann hier keine Vorschrift geben. Selbstverständlich kann der Vorstand, wenn er gewissenlos handelt, dem Aufsichtsrat oder irgend jemandem etwas zuschustern. Das berührt die allgemeinen Bestimmungen über die Verpflichtungen des Vorstandes, die Interessen der Gesellschaft zu wahren. Aber generell zu sagen: kauft eine Gesellschaft irgendwie eigene Aktien zur Abwehr eines schweren Nachteils - Sie können ihr doch nicht zumuten, daß sie nun überall öffentlich bekanntmacht: wir suchen zur Abwehr eines schweren Nachteils 10% unseres Grundkapitals, jeder Aktionär kann usw. - , das ist undurchführbar. Durchführbar ist es in dem Falle, wenn es zur Herabsetzung des Grundkapitals geschieht. Dann wird es in der Regel auch so gemacht, daß man dann die Aktionäre ersucht: wer bereit ist, zu dem und dem Kurse seine Aktien einzuliefern usw. Unter Umständen kann sogar eine schwere Pflichtverletzung des Vorstandes darin liegen, wenn er hier jemandem eine besonderen Vorteil zuschiebt. Aber gesetzlich läßt sich das nicht fassen. Dann die letzte Frage, die Herr Marx nur mittelbar berührt hat, die aber von Bedeutung ist, betrifft den Zusammenhang des Einzugs der Aktien mit dem Erwerb der Aktien. Nun, glaube ich, wird man sagen können: wenn die Generalversammlung beschließt: wir wollen unser Grundkapital um soundso viel Prozent herabsetzen, namentlich zur Ausgleichung von Unterbilanzen usw., so ist die Beschränkung auf die 10% unpraktisch, dann wird man wohl, wenn die Generalversammlung es beschließt, das Vertrauen haben können, zu sagen: beim Beschluß der Generalversammlung auf Aktienerwerb zum Zwecke der Einziehung sollte man die Beschränkung auf 10% fallenlassen. Ich resümiere mich dahin: Antrag des Herrn Marx in erster Linie auf völlige Streichung. Vielleicht hat er sich aber auch überzeugt, daß er damit nicht durchkommt. Wir treten wieder auf den gemeinsamen Boden. Zweiter Gedanke: es bleibt beim Regierungsentwurf, nur mit dem von mir vorgeschlagenen Amendement, der Regierung auch die Ermächtigung zu geben, nicht nur den Prozentsatz nach unten, sondern auch notwendigerweise in die Höhe zu setzen. (Zuruf: Im Einzelfall!) - Nein, generell! Gemeint ist eine allgemeine Regierungsverordnung, den Satz auch heraufzusetzen. Dann der Antrag Marx, daß man auch die Bestimmungen von Ziffer4 in eine allgemeinere Fassung bringt. Und im übrigen war ich der Meinung, daß man die Frage der Bevorzugung gesetzgeberisch nicht regeln könnte. Naphtali: Unter den Fragen, die Sie eben zusammengestellt haben und die zu entscheiden sind, ist nach meinem Dafürhalten eine vergessen worden, die mir wichtig erscheint, nämlich die Frage, gleichviel, ob 10% herauf- oder herabgesetzt werden können, ob sich die Summe immer nur auf das Nominalkapital oder auf die Aufwendungen beziehen soll. Der Berichterstatter hat ziemlich ausführlich dargelegt, worum es sich dabei handelt, daß, wenn man die 10% des Aktienkapitals bei einem Kurs von 300 aufkauft, man dann
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30% des Aktienkapitals in eigenen Aktien anlegt. Deshalb ist hier in den schriftlichen Bemerkungen des Berichterstatters daraufhingewiesen worden - und das scheint mir richtig und beachtenswert daß die Abgrenzung der Summe, die für den Erwerb eigener Aktien aufgewandt werden darf, nach oben als ein Prozentsatz des Kapitals festgesetzt werden muß, d. h., wenn ich ein Aktienkapital von 100 Millionen habe, so darf ich nicht mehr als 10 Millionen für den Erwerb eigener Aktien aufwenden und nicht dafür 10 Millionen nominale eigene Aktien kaufen, was unter Umständen 40 oder 50 Millionen, also bis zur Hälfte oder noch mehr des Aktienkapitals bedeuten kann. Ich glaube, daß hier die Einschränkung doch sehr angebracht wäre, wenn man überhaupt eine praktisch wirksame Einschränkung haben will, um das Ziel des Gesetzgebers zu erreichen, daß man die Aufwandssumme im Verhältnis zum Kapital beschränkt. Hier liegt ja die entscheidende Gefahr - man denke an praktische Fälle wie Schultheiss u s w . - , das eine Verwaltung zu hohem Kurse zu hohe Aufwendungen macht in einem Optimismus, der eben zu einer Spekulation verführt. Das sind nun nicht nur ganz augenblickliche Erfahrungen dieser Krise, sondern hierfür liegen geradezu historisch berühmte Fälle vor. Die Sitten und Gebräuche im Aktienwesen haben in den verschiedenen Ländern manchmal Ähnlichkeit. Diese Fälle werden selbstverständlich nicht aktuell in Hochkonjunkturen, aber sie sind auch nicht nur aktuell in dieser Krise, sondern sie sind immer dann aktuell, wenn ein plötzlicher Kurssturz vorangeht. Deshalb scheint mir doch der Gesichtspunkt, daß, wenn man überhaupt eine Grenze schaffen will, man sie nicht nach dem Nominale des Kapitals begrenzen darf im Erwerb, sondern nach dem anteiligen Aufwand, außerordentlich wichtig. M R Quassowski: Ich habe doch eigentlich gewisse Bedenken gegen diesen Vorschlag. Dieser Vorschlag kann doch dazu führen, daß dann, wenn die Aktien niedrig stehen, ein Aufkauf von Aktien in sehr großem Umfange zugelassen wird ( N a p h t a l i : Bis 10% immer! (Die 10% nominale Begrenzung würde ich immer bestehen lassen!) - Das würde dann aber doch unter Umständen die Interessen der Gesellschaft an dem Erwerb eigener Aktien, die die Gesellschaften haben, doch nicht genügend wahren. Man würde also gegenüber der Verordnung die Zulässigkeit des Erwerbs eigener Aktien unter Umständen in sehr großem Umfange beschränken. Ich möchte doch bitten, zu berücksichtigen, daß die Interessen der Gesellschaft an dem Erwerb eigener Aktien unter Umständen sehr groß sein können. Ich erinnere hier zunächst an den Fall der Kursstützung, w o es sich auch um erhebliche Aufkäufe unter Umständen handeln kann. Ich erwähne den Fall der Abwendung einer Überfremdung. Wenn die Gefahr einer Überfremdung entsteht, wenn die Gesellschaft Mitteilungen erhält, daß z.B. ihre Aktien ins Ausland verkauft werden sollen, muß ihr doch die Möglichkeit gegeben sein, dagegen Vorkehrungen zu treffen und diese Aktien, die von Dritten unter Umständen erworben werden sollen, auch ihrerseits nun zu erwerben. Ein Hauptbeispiel bildet auch der Fall von Fusionsverhandlungen. Es ist möglich und soll wohl auch in der Praxis vorgekommen sein, daß bei Fusionsverhandlungen der andere Teil Baisseangriffe ausübte, um den Kurs der Aktien zu drücken und die Gesellschaft geneigt zu machen, auf das Fusionsangebot einzugehen. Da muß wohl auch der Gesellschaft die Möglichkeit gegeben sein, diese Angriffe dadurch zu parieren, daß sie nun in angemessenem Umfange ihrerseits Aufkäufe tätigt. Ich glaube,
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daß dieser Prozentsatz von 10 in keinem Falle hier jedenfalls von Gesetzes wegen unterschritten werden darf. Ich darf ferner daran erinnern, daß der Erwerb von eigenen Aktien nicht nur dem Interesse der Gesellschaft als solcher, als Unternehmen dienen kann, sondern auch dem Interesse der Aktionäre, nämlich dann, wenn es sich um die Einziehung von Aktien handelt. Würde man den Erwerb eigener Aktien zum Zwecke der Einziehung allzusehr beschränken, wie es doch auch schließlich die Auswirkung dieses Vorschlages ist, so wäre die Gesellschaft gezwungen, eine notwendige Kapitalreduktion herbeizuführen im Wege der Kapitalzusammenlegung oder der Herabsetzung des Nennbetrages der Aktien. Dadurch würden alle Aktionäre betroffen werden, also vor allem auch die Minderheitsaktionäre, während jetzt die Gesellschaft die Möglichkeit hat, von Aktionären, die ihr freiwillig die Aktien zur Verfügung stellen, diese einzuziehen und die Aktien der freien Aktionäre vollkommen intakt zu lassen. Also ich würde doch Bedenken tragen, der Gesellschaft die Möglichkeit des Erwerbs eigener Aktien, die an sich hier schon sehr beschränkt ist, nun noch weiter zu beschränken. Andererseits möchte ich eigentlich auch nicht empfehlen, der Reichsregierung die Möglichkeit zu gewähren, diesen Prozentsatz von 10 nun auch noch ihrerseits zu erhöhen. Ich glaube, daß das doch für die Regierung ein Danaergeschenk ist, daß dann die Anträge und Wünsche der beteiligten Gesellschaften sehr zahlreich sein werden, daß da eine Konkurrenz der einzelnen Gesellschaften möglich ist und daß dann auf diese Weise die Begrenzung, namentlich wenn man nach oben überhaupt keine Grenze setzt, unter Umständen in der Praxis ganz fortfallt. {Vors.:
Es ist nur eine generelle Erhöhung, aber
nicht für die einzelne Gesellschaft!) - Aber die Schwierigkeiten, denen sich jetzt der Gesetzgeber gegenübersieht, hier einen richtigen Höchstsatz zu finden, würden dann doch auch auf die Reichsregierung abgewälzt werden. Ich glaube nicht, daß die Reichsregierung diese Verantwortung tragen kann. Wir sind der Meinung, daß es einstweilen bei dieser Regelung sein Bewenden haben sollte. Sicherlich kann dieses oder jenes gegen diese Regelung eingewendet werden. Aber etwas Besseres an die Stelle zu setzen, ist schließlich auch schwer. Ich glaube, es muß zunächst einmal überhaupt abgewartet werden, wie diese Vorschriften sich in der Praxis bewähren und ob da tatsächlich Schwierigkeiten und Mißstände entstehen sollten. Man muß zunächst einmal einige Zeit verstreichen lassen, ehe man den Wert oder den Unwert dieser Vorschrift richtig beurteilen kann. O R R Schmölder: Würde nicht dieser Vorschlag von Herrn Naphtali auch zu einer Differenzierung der Ankaufsmöglichkeiten bei den einzelnen Gesellschaften, je nach dem Kursstand, führen? (Zuruf: Natürlich!) Bei Gesellschaften, deren Kurs hoch liegt, würden die Gesellschaften sehr viel weniger aufkaufen können als bei Gesellschaften, wo der Kurs niedrig ist. ( N a p h t a l i : Es ist bis zu einem gewissen Grade die Absicht, eine künstliche Hochhaltung von Kursen zu verhindern!) - Ich kann nur das nicht anerkennen. Man kann sich nur auf den grundsätzlichen Standpunkt stellen, daß jeder Gesellschaft, einerlei, wie der Kurs ist, nun aus bestimmten wirtschaftlichen Erwägungen heraus die
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Möglichkeit eröffnet werden muß, in gewissem Rahmen solche Aufkäufe zu tätigen. Aber ich kann es nicht als entscheidend anerkennen, daß nun bei Gesellschaften, die einen höheren Kurs haben, eine niedrigere Grenze gezogen werden soll als bei Gesellschaften, die einen niedrigeren Kurs haben. Der Kursstand selbst kann doch nicht entscheidend sein für das Ausmaß der Ankaufsmöglichkeiten von eigenen Aktien. Ich kann also diese differenzierte Behandlung der Gesellschaften nicht als gerechtfertigt anerkennen. Dr. Grund: Es kommt noch ein weiterer Gesichtspunkt hinzu, daß das ausgewiesene Aktienkapital nicht immer ganz entscheidend ist für die Potenz der Gesellschaft. Es gibt beispielsweise kleine Familiengesellschaften mit einem verhältnismäßig kleinen ausgewiesenen Aktienkapital, die außerordentlich potent sind, bei denen sich der Kurs außerordentlich hoch auswirken würde. Ich würde es doch für einen wirtschaftlichen Fehler halten, wenn man hier einen derartigen schematischen Eingriff vornehmen würde. Vielleicht zieht Kollege Naphtali diesen Vorschlag zurück. Naphtali: Natürlich ist es richtig, daß bei diesem Vorschlag gerade eine Erschwerung der Stützung von ganz hohen Kursen erreicht wird. Nun ist es doch aber so: die Gesellschaft, die eigene Aktien übernimmt, übernimmt doch damit das Risiko, wenn sie die Aktien später vielleicht wieder einmal verwerten kann. Dieses Risiko ist natürlich bei 10 Millionen bei einem Kursstand von 300 das Dreifache als bei 10 Millionen bei einem Stand von 100. Diese ganzen Dinge sind doch aus den aktuellen Erlebnissen der Mißbräuche dieser Krise entstanden. Da war doch das entscheidende Unglück nicht, daß in den verschiedensten Formen interveniert worden ist, sagen wir einmal bei Schultheiß, sondern das wirtschaftliche Unglück für die Gesellschaft war, daß diese Intervention gemacht worden ist zur Erhaltung eines Kurses, der viel zu hoch war, während er den wirklichen Marktverhältnissen gar nicht mehr entsprach. Also es ist doch nicht so, daß ein lebenswichtiges Interesse der Gesellschaft darin liegt, einen jeweils erhaltenen Kurs zu sichern, sondern ich glaube, man muß die Aktionäre, die Gesellschaft - auch die Gläubiger der Gesellschaft kommen hier in Frage - davor schützen, daß die Mittel der Gesellschaft in übermäßigem Maße zur Erhaltung hoher Kurse verwandt werden. Und um das zu erreichen, muß ich natürlich differenzieren in der Aufwandsmöglichkeit, je nachdem, ob ich mit 10% des Aktienkapitals das Einfache oder das Dreifache aufwenden muß. Fedisch: Ich möchte auf das Grundsätzliche eingehen. Ich stimme den Ausführungen, die Kollege Marx nach der Richtung gemacht hat, weitgehend zu. Man kann natürlich zu allen diesen Dingen so oder so stehen. Es sind hier auch eine Reihe Bemerkungen gemacht, die gegen die Auffassung des Kollegen Marx sprechen. Trotzdem möchte ich sagen, daß im Interesse eines gesunden Aktienwesens und eines gesunden Vertrauens zum Aktienwesen Grundsatz sein muß, daß der Erwerb eigener Aktien verboten ist. Man könnte diesem Verbot durchaus leichter zustimmen, wenn hier nicht die Frage der Herabsetzung des Aktienkapitals in Betracht käme. Infolgedessen wird man bereit sein müssen, eine Begrenzung, die ich allerdings auch nicht über 10% festgelegt haben möchte, hier festzulegen. Dann bin ich weiter der Auffassung, daß, wenn man Mißbräuche auf diesem Gebiete ausschalten will - und sie sind auch tatsächlich in erheblichem Ausmaße vorgekommen - ,
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man schon Sicherungen nach der Richtung schaffen müßte, daß entweder nur der Aktienrückkauf an der Börse oder, falls sie an der Börse nicht gehandelt werden, auf dem freien Markte getätigt werden kann. Es scheint mir weiterhin noch eine Bestimmung getroffen werden zu müssen, in welcher Form eigene Aktien wirklich einzuziehen sind, um eine Umgehung des Verbots der Vorratsaktien, das wir ja vorhin mit unserer Stellungnahme gewissermaßen ausgesprochen haben, hintanzuhalten. Berichterstatter Marx (Schlußwort): Zunächst zur Kurspflege! Ich sehe nicht ein, daß die eigene Gesellschaft den Kurs ihrer Aktien zu pflegen hat. Nehmen wir an, ein an sich durchaus gesundes Unternehmen wird von anderer Seite dadurch bedroht, daß Aktien, ganz gleich, aus welchen Motiven, um sie vielleicht zur Fusion willig zu machen, auf den Markt geworfen werden. Das kann die Gesellschaft an sich gar nicht tangieren. Ist sie in sich gesund, so wird sich nachher zeigen, daß dieser Baisseangriff sich totläuft. Aber ich sehe die Kurspflege als eine Pflicht desjenigen an, der die betreffenden Werte emittiert hat. Das Emissionshaus hat sich um die Kurse der von ihm emittierten Werte zu kümmern. Das muß auch das Haus, nachdem es die Emission vorgenommen hat, weil es ja sonst das Vertrauen in seinem Kundenkreis verliert. Daß an sich mit solchen Stützungen und Interventionen nicht immer etwas auszurichten ist, sondern in den meisten Fällen derartige Maßnahmen gar nicht zum Ziele führen, das hat uns doch die Vergangenheit bewiesen. Was haben denn alle diese vielen Kursstützungen, in die in manchen Fällen dreiviertel des eigenen Kapitals hineingesteckt worden sind, genützt? Heute ist erwiesen, daß es praktisch gar nichts genützt hat, daß die Kurse trotzdem gestürzt sind. Es hat sich aber gezeigt, daß gerade bei derartigen Maßnahmen einzelne Kreise zum Schaden der betroffenen Gesellschaft und zum Schaden der Aktionäre, die nicht in diesem Kreise gewesen sind, enorm bevorzugt wurden dadurch, daß man ihnen, als die Dinge schon sehr im Rutschen waren, noch zu guten Kursen die Werte abgenommen hat. Also zur Kursstützung würde ich einer Gesellschaft nicht die Erlaubnis geben, ihre eigenen Aktien zu erwerben. Ich bin auch der Ansicht, daß man diese Erlaubnis auch nicht zur Einziehung der Aktien geben sollte. Welche Fälle können eintreten, um Aktien einziehen zu wollen? Der eine Fall ist der der Sanierung, der ungünstige, der zweite Fall ist der der Ausschüttung, wenn es einer Gesellschaft so gut geht, daß sie von ihrem Grundkapital zurückzahlen kann oder weil sie auch Betriebe abgestoßen hat, weil sie diese Beträge nicht mehr braucht. Wieder zwei Seiten! Aber da sage ich: in beiden Fällen ist es richtiger, wenn man die Aktionäre gleichmäßig behandelt, indem man nun sagt: schön, wir setzen das Kapital um 10 oder 20% herab, und jede 1000-Mark-Aktie stempele ich auf 800 Mark herunter. Das ist auch sauber. Gerade der Aktionär draußen hat das Gefühl, daß er heute ein Spielball ist und daß andere Kreise mit seinem eingezahlten Gelde machen, was sie wollen. Sie können auch gar nicht das Vertrauen zur Aktie wieder schaffen, wenn Sie nicht dem einzelnen Aktionär das Gefühl wiedergeben, daß tatsächlich alle Aktionäre nach den gleichen Grundprinzipien behandelt werden. Aus diesen Erwägungen bin ich dafür, daß man die Gesellschaft nicht ermächtigt, eigene Aktien zur Einziehung zu erwerben. Sollen Aktien eingezogen werden, dann soll
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man den Weg der Kapitalherabsetzung wählen, bei dem dann alle Aktionäre in gleicher Weise behandelt werden. Nun die 10%-Grenze! Da habe ich eigentlich dem nichts hinzuzufügen, was Kollege Naphtali schon gesagt hat. Es ist doch nicht so, daß nun bei den Gesellschaften das Geld da liegt, sondern es ist im gewerblichen Unternehmen investiert. Es handelt sich praktisch dann schon um den Bankkredit. Nun heißt es: jetzt sind Aufwendungen zum Ankauf von eigenen Aktien erforderlich. Es ist möglich, daß die Gesellschaft so gut fundiert ist, daß sie sich den Ankauf eigener Aktien leisten kann. Das wird der Ausnahmefall sein. Aber hier im Gesetz wird dieser Ausnahmefall zur Regel gemacht. Allgemein werden die eigenen Mittel nicht vorhanden sein, weil sie investiert sind, weil sie für den Geschäftsbetrieb gebraucht werden. Dann wird ein Kreditspielraum, der noch da ist, aber für die Interessen des Betriebes verwendet werden müßte, für diesen dem Wesen der Aktiengesellschaft fremden Zweck in Anspruch genommen und damit für den eigentlichen Geschäftsbetrieb der Gesellschaft entzogen. ( M a x Cohen: Dann wird die Gesellschaft es eben nicht machen!) - Das sagen Sie! Ich ziele auf ganz andere Dinge ab. Wenn in jeder Hinsicht so verfahren würde, wie es Herr Cohen annimmt, dann ließe sich über die Dinge reden. Man muß aber verhüten können, daß es anders geschieht. So muß auch dieses Aktienrecht aufgebaut sein, daß Dinge, die mit dem Sinn der ganzen Institution der Aktie nicht zu vereinbaren sind, ausgeschlossen werden. Vorsitzender: Der Herr Referent hat beantragt, generell ein Verbot des Erwerbs eigener Aktien auszusprechen. Zuletzt hat er sich auch gegen den Erwerb zum Zwecke der Einziehung ausgesprochen. Somit bleibt von den zugelassenen Erwerbsmöglichkeiten nur der unentgeltliche Erwerb oder der Erwerb im Wege der Zwangsversteigerung oder des Zwangsvergleichs. Diese beiden wollen Sie allein bestehen lassen. Ich bin der Meinung, man sollte, wenn die Generalversammlung die Herabsetzung beschließt, den Erwerb der eigenen Aktien zum Zwecke der Einziehung unbegrenzt zulassen. Aber ich will gleich zur Beruhigung hinzufügen: in diesem Falle muß jedem Aktionär die Übernahme dieser Aktien angedient sein, damit hier Parität herrscht. Herrn Marx möchte ich sagen, es ist nicht jedermanns Sache, seine Aktien abstempeln zu lassen. Es gibt Fälle, bei denen die Herabsetzung des Grundkapitals von 1000 auf 800, wie Sie sagten, nicht jedem angenehm ist. Mancher behält seine Aktien und wartet aufbessere Zeiten. Andere wieder geben sie gern ab, weil sie sagen: ich nehme das, was ich jetzt bekommen kann. D e m soll man sich nicht entziehen. E s gibt Fälle, bei denen Sie zweifellos recht haben. Es gibt aber auch wieder Fälle, wo das nicht durchführbar ist wegen der Zahl der Aktien. Ich meine, wenn Sie sagen: beschließt die Generalversammlung, das Grundkapital wird um soundso viel herabgesetzt, und es wird jedem Aktionär die Möglichkeit gegeben, seine Aktien zu dem Kurse, den wir festsetzen, loszuwerden, dann ist allen Bedürfnissen Rechnung getragen. Das trifft die Fälle, von denen Sie sprachen, in denen überschüssiges Kapital ist. Und da gibt es wieder zwei Möglichkeiten, von denen die erste leider heute nicht mehr vorhanden ist, daß die Gesellschaft so wahnsinnig viel verdient hat, daß sie das Kapital hergeben will. Der Fall wird kaum praktisch werden, denn sie
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schreibt dann innerlich ab usw. Dagegen kommen in der letzten Zeit Fälle vor, daß ein Aktienkapital überkapitalisiert ist und daß man dieses Kapital, das ja nicht nur in Grundstücken, sondern auch in Bankguthaben besteht, abstößt. Sagt nun der Aktionär: ich bin gern bereit, zum Kurse von 55 oder 60, der geboten ist, meine Aktien zur Einziehung herzugeben, so mag er sie in Gottes Namen hergeben. Andere sagen: ich behalte lieber den Wert für bessere Zeiten. In dem Falle wird man es zugeben können. Ich meine also, wir könnten uns auf dieser Basis verständigen. Wird das Grundkapital herabgesetzt, um eine Unterbilanz zu beseitigen, kauft die Gesellschaft keine Aktien auf, wohl aber kommen dann die Fälle vor, bei denen zur Vermeidung von Regreßansprüchen Aufsichtsräte und Vorstand ihre Aktien, wie man sagt, zur Verfügung stellen. Auch da soll man dieser Einziehung, die in dem Fall außerordentlich praktisch ist, nicht einen Riegel vorschieben. Es bleibt noch der weitere Fall, der in der Regierungsvorlage vorgesehen ist, zur Abwendung eines schweren Nachteils. Da möchte ich das Mißverständnis beseitigen: eine einfache Stützungsmaßnahme gehört nicht unter den Begriff der Abwendung eines schweren Nachteils. Also wenn Sie sagen, es sollen nicht Stützungskäufe vorgenommen werden, so ist das durch die Regierungsvorlage bereits vollständig gedeckt. Wenn Sie sagen: vollständig verboten, dann können Sie auch die Ankäufe, die trotzdem gemacht werden, nicht annullieren. Sie können nicht Käufe, die an der Börse geschlossen worden sind, hinterher für nichtig erklären, weil sie gegen dieses Verbot erfolgt sind. Es bleibt immer nur die Ersatzpflicht des Vorstandes und des Aufsichtsrats. Die ist auch gegeben, wenn diese entgegen der Vorschrift der Notverordnung einfach aus Spekulationsgründen größere sogenannte Stützungskäufe vornehmen, um den hohen Kurs zu halten. Wenn dann Aufsichtsrat und Vorstand nichts mehr haben, dann ist in dem einen wie in dem anderen Falle die Gesellschaft die Geschädigte; dagegen können wir nichts machen. Also ich meine, die Frage der Stützungskäufe ist bereits in Ihrem Sinne erledigt. Es kann aber auch einmal ein Fall vorkommen, wo in der Tat ein schwerer Nachteil droht. Da ist es nicht so, wie Sie meinen, daß wenn der Kurs durch irgendeinen Baissier gedrückt wird, dann die Gesellschaft kein Interesse hat, etwas zu tun. Wenn die Aktien durch derartige Maßnahmen herunterrasseln, so kann das der Gesellschaft ihren ganzen Kredit kosten. Dann werden die kreditgebenden Banken fragen: was geht vor, bitte, kläre auf?! Wir können dir den Kredit nur noch gegen Sicherheit geben. Das kann außerordentlich lebensgefährlich werden. (Marx: Braucht aber nicht!) Ein vorsichtiger Bankmann wird in dem Falle sich nicht damit begnügen, daß der Vorstand der Gesellschaft sagt: ja, diese Leute da haben irgendwelches Manöver gemacht, denn in dem Moment kommen die Kunden der Bank gelaufen. Dann gibt es Panik. Hier kann gerade unter gewissen Umständen ein Vorgehen zur Notwendigkeit werden. Und dann müssen Sie bedenken: wir dürfen nicht allzu ängstlich werden. Die Vorstände einer Verwaltung sind doch schließlich auch, sagen wir einmal vorsichtig, im Durchschnitt anständige Leute. (Fürstenberg: Es sind solche dabei!) - Ich bin sogar optimistisch genug, zu sagen, es ist sogar der größere Prozentsatz. Man hört immer nur von
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denen, die etwas Dummes und Schlechtes gemacht haben. Von denen, die das Gute gemacht haben, spricht man nicht. Aus diesem Grunde möchte ich die Herren bitten, den Gedanken, wie er im Regierungsentwurf durchgreift, beizubehalten. Ob er sich bewährt, das weiß ich nicht; das wird sich zeigen. Aber ich möchte, bis man zur endgültigen Gestaltung des Aktienrechts kommt - es wird wohl noch einige Jahre dauern - , daran festhalten. Ich glaube, wir können zunächst einmal die Notverordnung in dieser Beziehung als wenigstens für heute tragbar ansehen. Es kann die Zeit in ein paar Jahren kommen, w o man durchaus gegenteiliger Meinung ist, wo die Erinnerung an diese Mißbräuche sich wieder vollständig verflacht hat und ganz gegenteilige Interessen vorliegen. Es bleibt dann noch die letzte Frage: sollen die 10% weiter beschränkt werden, so daß unter allen Umständen, wenn der Kurs höher steht, nie mehr an Vermögen der Aktiengesellschaft aufgewendet werden darf als 10% des Nennbetrages. Hier sind die Bedenken der Regierung bereits geltend gemacht. Ich habe auch schwere Bedenken dagegen, denn man würde damit gerade für die Fälle, bei denen unter Umständen verhütet werden muß, daß ein Aktienpaket in fremde Hände kommt, das Eingreifen vollkommen unmöglich machen. Hinter diesem Hinausgeben eines größeren Betrages als 10% Aktienkapital steht dann immer die schwere Verantwortung von Vorstand und Aufsichtsrat; und die bitte ich nicht leichtzunehmen. Meine Anregung, daß die Regierung auch die Möglichkeit der Heraufsetzung hat, stößt nicht auf Gegenliebe. Ich will dann den Antrag nicht stellen. Dagegen habe ich den anderen Antrag dahin formuliert: „Der Erwerb eigener Aktien ist unbeschränkt zulässig, wenn die Generalversammlung beschlossen hat, im Wege der Kapitalherabsetzung sie einzuziehen oder umgekehrt eine Kapitalherabsetzung vorzunehmen im Wege der Einziehung. In diesem Falle muß jedem Aktionär die Übernahme seiner Aktien angeboten sein." MKQuassowski: Wir halten dies für zulässig schon nach der Verordnung, daß also eine Einziehung der Aktien im Wege der normalen Kapitalherabsetzung zulässig ist, denn diese normale Kapitalherabsetzung erfolgt ja unter völliger Sicherheit der Gläubiger und der Aktionäre. Da ist nicht zu befürchten, daß die Beteiligten irgendwie zu kurz kommen. Das sind die normalen Sicherungen des Handelsgesetzbuches, bei denen es sein Bewenden haben kann. Vorsitzender: Für den Fall, daß darüber Mißverständnisse entstehen können! Sie sind bereits entstanden, daher die Kontroverse unter den Juristen. Deshalb dieser Antrag. Aber es handelt sich in der Tat nur um eine Klarstellung des Gesetzes. Wollen wir abstimmen, oder sind die Herren Antragsteller vielleicht doch damit einverstanden, daß wir uns auf der Basis des Regierungsentwurfs wieder einigen? {Marx: Wir haben ja eine zweite Lesung noch!) Der Antrag des Berichterstatters Marx auf Verbot des Erwerbs eigener Aktien schlechthin wird gegen seine eigene Stimme abgelehnt. Der Antrag Marx — Naphtali, „daß die Beschränkung auf 10% dahin ausgedehnt wird, daß die Aufwendung für diese 10% des Vermögens der Aktiengesellschaft nie mehr als
Vorstaad und Aufsichtsrat
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10% des Nennbetrages betragen darf', wird mit 9 gegen 5 Stimmen abgelehnt vorbehaltlich der zweiten Lesung. Folgender Antrag von Dr. Hachenburg wird einstimmig angenommen: „Der Erwerb eigener Aktien ist unbeschränkt zulässig, wenn die Generalversammlung beschlossen hat, diese im Wege der Kapitalherabsetzung einzuziehen. In diesem Falle muß jedem Aktionär die Übernahme seiner Aktien angeboten werden." (Schluß:3ie Vergütung ber SRitglieber be§ Slufficijtgratä mit einfatfjer Stimmenmehrheit fieftfjloffen »erben. (2) Slmt ber gemähten 2Kitglieber be§ 2lufft^t§rat§ erlifdfjt mit SBeenbigung ber im Slbf. 1 bezeichneten ©eneraloerfammlung. (3) ®ie ©efamtjahl ber SKitglieber be3 2luffidjt3rat§ barf ηαφ ber SReuroahl nicE)t mehr al§ brafjtg bettagen. (4) Sum ÜDHtglieb be§ 3luffi(i)t§rat§ Jann nicht gemäfjlt »erben, toer bereits in jtoanjig Slttiengefelt^aften ober fommanbitgefet^aften auf Slitien SKitglieb be§ SluffidjtäratS ift. S l r t i l e l IX 1. Qn 6efonber§ lotteren Ratten beä § 312 (§anbeln junt 9ϊαφίείΙ ber ©efel^aft) fotoie beä § 314 Slbf. 1 Kr. 1 (unwahre ©arftellung ober Sk^leierung) Jann auf 3u$thau3 bi§ ju 5 fahren erfannt toerben. 2. hinter § 318 be§ ift al§ § 318 a folg8nb8 S5or= {φπίΐ einäufügen: § 318 a. 2Jiit ©efängniS ober mit ©elbftrafe toirb beftraft: 1. »er al§ Prüfer ober a 13 ©eljilfe eine§ Prüfers über ba3 ©rgebniS
Verordnung über Aktienrecht
bet P r ü f u n g falftf) b e r i e t e t ober e r l j e b ^ e Umftänbe i m ffleric^te »erf Z w e i g t ; 2. » e r entgegen ben SBorft^riften biefeä 9lbfd&nitt3 feine Sßfltdfjt j u r Serfc^toiegen^eit öerlefct ober ©efdjäftg* unb SBetriebigeheimniffe, bie e r bei 2Bai)rne^mutig feiner Obliegenheiten erfahren f)at, unbe» fugt öerroertet; 3 . toer a l i Slufft(f)tiratiöorfifcenber einer 5ßrüfung3gefeII[d|aft ober a l i fein ©tetfoertreter entgegen ber » o r f d j r i f t be§ § 262 g Slbf. 3 ©a& 2 Me buref) ©infidjt eines S e r i c | t ä erlangten t e n n t n i f f e Der» teertet, oljne ba& eä bie ©rfütlung ber Über»adjung3pflion fec^S SDionaten η α φ bem 3 n t r a f t t r e t e n biefei SEeilei η α φ ÜHafsgabe b e i § 2 2 7 Sibf. 2 Dir. 3 eingejogen toerben. Slrtiiel ΧΠ 3 m § 63 Slbf. 2 bei ©efefcei über bie Skauffidfitigung ber prioateit SJer^erungiuntemehmungen unb S a u f p a r l a f f e n öom 6. 3 u n i 1931 (SRetdjSgefetjbl. I ©. 3 1 5 ) rottb b a i SBort jmeihunbertffinfjigtaufenb burrf) b a i SBort tjimberttauifenb erfejjt. S l r t i i e l XIII ( 1 ) $ i e SSorfd^riften biefei E e i l e i treten a m 1 . Dltober 1 9 3 1 in Shaft. (2) ® i e SReidh^regierung beftimmt ben S e t t y u n f t / mit bem bie SBor* [ T r i f t e n bei Slrtiiel V i n Sfraft treten, © i e erlä&t bie j u r Überleitung erforberlidhen SRedjti» unb allgemeinen S e r m a l t u n g S t i o r f ^ r i f t e n . (3) ® i e SReidh§regierung beftimmt ferner ben S e i t p u n l t , mit bem bie ißorfdhriften b e i Slrtiiel V I unb bie fldj a u s Slrtiiel V I I biefei SEeilei er» gebenbe neue R a f f u n g bei § 266 Slbf. 1 ©afc 1 in Sfraft treten. ®er 3 e i t p u n ! t l a n n je η α φ bem © e ^ ä f t i j f t j e i g u n b ber rairtfcf)üftücf)ett S3ebeu» tung ber ©efeUfchaften öerfc^teben beftimmt toerben. ©otoeit in bem * ) ©ingefügt b u r φ Kapitel V Slrtiiel 1 § 2 ber Vierten S e r o r b n u n g b e i SReit^ipräfibenten j u r © ί φ e r u π g Oon SGBtrtfcfjaft unb g i n a n j e n unb j u m ©φη&ε b e i inneren ftriebeni, öom 8. SDejember 1 9 3 1 (SRÖSI. I e . 699/715).
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Verordnung über Aktienrecht
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§ 2 6 6 SlBf. 7 auf bie § § 2 6 2 c unb g öettot^ett ift, gelten biefe Bereits a l ä a n bem im 2I&[. 1 Bejeidjneten S a g e in S t a f f getreten. St r t i ! e I X I V (1) $ i e 9leicf)§regierung wirb ermächtigt, bie j u r Surcf>füljrung biefeS S e i l e ä e r f o r b e t l i ^ e n 9letf>t3öerorbnungen unb allgemeinen 93er= toaltungSöorfcfiriften j u etiaffen. © i e ! a n n tn§6e[onbere 1. bie S3efäf)igung j u r 9Iu§üBung her S ö t i g i e i t a l § © r ü n b u n g S * ober SBilanjprüfer ö o n Befonberen SBorauSfejjungen a B p i t g i g madden, 2 . allgemeine Sliuoetfungen für bie 2)urd>füljrung ber Q)rünbuttg§* ober S J i l a n j p r ü f u n g auffteHen. (2) © i e wirb ferner ermächtigt, 1. j u Beftimmen, b a f j für ba3 j u r 3 e i t be§ 3 n t r a f t t r c t c n § biefes S e i l e s Iaufenbe ©efd^äftäjja^r bie 83ilanaprufer Dom SluffirfjtSrat gemä^U »erben, 2 . burcf> allgemeine Stnorbnung für 2Htienge[eHfcf>aften u n b Sfom= manbitgefettfefjaften auf S l l t i e n geringeren U m f a n g e t ober öon Be= fonberer 2lrt 9lu§naf)men öon ben Sßorjdjriften j u j u l a f f e n , i>te bie © l i e b e r u n g ber 3 a £ ) " S b i I a n j unb ber ©etoinn» unb S8erluftrecf)nung ober bie P r ü f u n g be§ SafjreäaBfdjluffeS buret) SBilanjprfifer Be= treffen, 3.
burdE) aEgemeine Slnorbnung j u Beftimmen, toeldje ©efeEfdjaften a l § ( ο ί φ ε geringeren Umfangeg ober öon Befonberer 2 l t t a n j u * fe^en finb, 4 . Big j u m g n i r a f t t r e t e n ber 93or[d^riften ber § § 2 6 2 a Bis g unb ber ftdj a u § S l r t i l e t V I I biefeS S e i l e ? ergeBenben neuen R a f f u n g b e i § 2 6 6 StBf. 1 ©afc 1 einfttoeilige SSorfcfiriften für bie P r ü f u n g be§ 3a^reäaBfd^Iuffe§ ber ©efeUfd^aft unter ©inBejieljung ber j u « grunbe Iiegenben SBudjfüfjrung unb be§ ©e[cf)äft§&erier S t e U o e r t r e t e r beS SRetcr 9Uidj£tnimfter bed I n n e r n D r . 3 8 i r t Ij $ t r 9Uid)Sminiftir ber S u f t i j SDKt 2Baf>rne§mung bet @e|d}ä[te teauftragt Dr. 3 ο e I Staatsjetretät $ e r 9UUf|3iotrt|($aft3intmftit Kit 3Ba§rne§mung bei @e|c^äfte beauftragt Dr. S r e n b e l e n B u r g Staatäjettetär
Entwurf II
g t t t n m r f c i « e § (SefefceS ü b e r 9IfttettgefeHfif)aften m t b Somtttan&ttgefeiifdjaftett auf
9lftten.
S e x SReidjätag Ijat baS folgenbe ©efefe befdjloffen, bal mit 3uf'i>wntuug be§ 5Retcf)§tat3 hiermit bertünbet toirb: 6rfte3 »udj aitiengefettfdiaft E l f t e r StBfcfjnitt S t i l g e m e i n e 3} ο r f dj r i f t e η § 1. S e g t i f f b e t S ! t i e π g e f e I I f φ a f t (1) ©ämtlidje ©efeUfdjafter bei SHttengefellfdjaft Beteiligen fid> mit einlegen auf baS ©tunblapital. g ü t bie SBerbtnbItcf>ieiten ber ©efellfdjaft Soften bie ©efellföafter nit^t. (2) S a S ©runbtapttal toirb in Sitten äetlegt. @S beträgt minbeftenS fünf» jigtaufenb Sleidjiämatf.
§2. Slltien. 3toifeme.
§4. U n t e x j e i d j n u n g bet S i t t e n 3 u t Unterjeidjnung bon S i t t e n unb 3&>tfilaffung§= ftellen bie .ßulaffung ober baä gortbefteljen bei 3«Ioffung bon SBettpapieren ber ©efellfdjaft sunt Sörfenbartöel babon abhängig g e m a l t , bag ein ettoa beftefycnbct S o r j u g im S t i m m t e s t aufgehoben ober eingefdjräntt toirb, fo (ann oljne SRü(I= ftdEjt b a t a u f , ob bie ©efettfebaft tn ber golgejeit auf bie .Sulaffung betätigtet, bte Etnjtebung ber ©timmredjtäaftien ober bte Entstehung ober E i n f d j t ä n l u n g beä SJorjugä im ©timmredjt bot Slblattf ber im Slbf. 1 bejeidjneten g r t f t erfolgen. § 99. 6. S o t s u g ä a t t t e n ο Ij η e S t i m m t e i t (1) 3 ü r Slftien, bie mit einem nadjjat)(baren SSoxjug bet bet Verteilung beä ©etoinnä unb mit einem Sßotjug bet ber Verteilung beä ©efeüfiiiaftäbermögcnä auägeftattet finb, t a n n baä Stimmrec^t auägef^Ioffen toerben (SBorsugäattien o^ne S t i m m t e s t ) . (2) ©er ©efamtbetrag bet SBotäugäaltten oljne S t i m m t e s t barf ben btetten SetI beä ©runbfapitatä nit^t überfteigen. § 100. Set ber Sered^nung ber $u einet SSefdjlujjfaffung erfotberli^en 3ReI)t= bett beä ©tunblapitalä toitb bet auf bte SSotäugäaftien o^ne © t i m m r e i t ent= fallenbe SBetrag nid>t mitgeja^tt. § 101. (1) Stuf Söorjugäaftien o^ne © t i m m r e ^ t finben bte SJorfcötiften beä ©efefceä, betteffenb bte gemetnfamen Siebte ber SBeftfeer bon ©i^ulbeerf^tetbun» gen, born 4. SJejember 1899 (iReti^ägefe^bl. ©. 697) entfpredjenbe Slntoenbung, auc^ toenn bet Nennbetrag ober bte ber auägegebenen SSot}ugäaftten otine ©timmredit η ϊ φ ί bie tn biefent ©efefc botgef^ttebene SBlinbeftfumme e r t e i l t . (2) © e t SBorjug l a n n n u r mit 3 « i t ' i t m u n g ber ®oräugäa!tionäte aufgehoben
E n t w u r f II obex befdjrättlt toerben; bet SBefdjluB ber V o r j u g g a f t t o n ä t e bebarf bei 2JieIjri)eit bort bret Vierteln bet abgegebenen S t i m m e n . (3) Stud) j u t SluSgabe neuer Slttien mit borgeheitben obet gieid&fte^cnben SRe^ten bebatf eg bet ä u f ^ m m u n g bet Votäuggaltionäre; ber S e f d j l u ß ber Vor» äuggattionäre bebatf ber SJiehrbeit bon bret Vierteln ber abgegebenen S t i m m e n . Ohrte biefe 3 u f t i m m u n g tonnen foldje Slttien n u t auggegeben toetben, tbenn bte§ bet bet (Einräumung beg V o t j u g g obet, Ibenn bag ife ber ©efeHf^aft ftattfinben. ©inb bie Slttien ber ®efeK= f ^ a f t an einer beutfdjen Vörfe j u m ©ötfenbanbel eingeführt, fo l a n n , toenn bie ©afcung nicht ein anbereg befttmmt, bie Jpauptbetfammlung auth a n bem ©ifc biefet Vörfe ftattfinben. § 105.
b.
Verufungggrüitbe
(1) S i e § a u p t b e r f a m m l u n g ift außer ben im ®efet) ober in ber ©afcung a u g b t ü d ^ beftimmten f ä l l e n j u berufen, toenn baS ^ n t e t e f f e ber ©JefeHfc^aft e8 erforbert. (2) S i e § a u p t b e r f a m m l u n g ift ferner j u berufen, toenn Slftionate, beten Mitteile j u f a m m e n ben ätoanjigften j e t l beg ® r u n b t a p i t a l g « ι ε ί φ ε η , bie Ve» rufun'g ft^iiftlici) u n t e r Stngabe bei S t o e i S unb ber ® r ü n b e berlangen. Qft in bet ©afeung bag 9tedE)t, bie B e r u f u n g bei Jpauptberfamntlung j u bexlangen, an ben Vefife eineg geringeren Slnteiig a m © t u n b f a p i t a l geinüpft, fo hot eg hierbei fein Vetoenben. (3) ftn g l e t $ c r S e i f e haben bte Slftioitäre bag 91εφί, j u beriangen, ba& ©egenftänbe j u t einet ^ a u p t b e r f a m m l u n g angelünbigt toerben. (4) Sötrb bem Verlangen toebet b u t d j ben V o t f t a n b η ο φ b u t $ ben Stuffic^tS» t a t εη1[ριοφεη, fo l a n n bag ®etid)t beg ©tfceg ber ©efellfc^aft bte Slttionäre, bte bag V e r l a n g e n geftetlt hoben, j u r © e r u f u n g ber ^ a u p t b e r f a m m l u n g ober j u t ä n l ü n b i g u n g beg ®egenftanbeg β η η α φ ϋ ς β η . 3 " β ί ε ί φ f a n n bag S c r i p t übet bte R ü h r u n g beg Sßoifitjeg in ber SSetfommlung ©eftimmung treffen. Stuf bte @ ι ι η ά φ ϋ ς υ η ς m u 6 bei ber B e r u f u n g obet Slnfünbtgung S e j u g genommen toerben. (δ) Qfn ben g ä t l e n ber 9lbf. 2 big 4 befd^Iiegt bte S e r f a m m t u n g boritber, ob bte entftanbenen Äoften bon ber ©efcllfcfjaft getragen toerben follen.
Anhang § 106. c. S c t u f u it g g f t i ft (1) ®te §aut)töctfammlung ift in bet burcfp bie Safeung beftimmten SEÖeife miitbeftenS biet 2Botf)en bor bcm Sage bei SBerfammlung ju berufen. S e i S a g bei ^Berufung unb bei S a g bei ^auptberfammlung ftnb Reibet nidjt mitju= rechnen. (2) 3 f t in bei Siafeung bte SluSübung be2 ©ttmmredjtS baöott abhängig gemacht, bafe bte Slttien bis 3« einem beftimmten 3eit>mnft B 0 I j) Ct gjerfammlung hinterlegt toerben, fo ift bte g r i f t fo 31t bemeffen, bafj f ü i bte Hinterlegung minbeftenS 3toei Sßodjen frei bleiben. ftn biefem gälte genügt bte Hinterlegung bet einem 9iotar obei bet einei bon bei MeidjSregtetung bterju f ü i geeignet erllärten (Effeftengiiobanf. (3) 3 f t in bei ©afcung eine Seftimmung bei im Slbf. 2 bejeidineten Slrt nidjt getioffen, fo müffen bte Slnmelbungen 3m Seilnahme an bei S e t f a m m l u n g suge* Iaffen loetben, toenn fie nidjt fpäter als am biitten Sage bot bei SBeifammtung erfolgen. § 107. d. S l n l ü n b i g u n g b e r S a g e S o r b n u n g (1) ® e t 3toecf bet Imuptberfammiung foti bei bet B e r u f u n g betanntgemadjt loetben. ^ebem Slftionäi ift auf Serlangen eine Slbfdjrift bet Slnträge 3U erteilen. (2) ü b e t ©egenftänbe, beien SBethanblung nicht otbnungSmäfetg mtnbeften§ eine SBoche bot bem Sage bet SBetfammlung angefünbigt ift, lönnen Sefdjlüffe nid)t gefafjt toetben; ift f ü t bie Sefdjlufefaffung nach ben SSotfdjriften biefeä ®e= fefceä obet bei ©afcung bte einfache Stimmenmehrheit nidjt auSreicfjenb, fo mu& bte Stnlünbigung minbeftenS brei SBochen bor bem Sage ber SJetfammlung er= folgen. Sin bte Stelle beS Sageä bei SBerfammlung tritt, fade bte Ausübung be§ @timmrecht8 bon bet Hinterlegung ber Slttien abhängig ift, ber Sag, bis 3« beffen Slblauf bte Slttien 31t hinterlegen ftnb. (8) S u r 33efd)Iu6faifung übet ben in ber SUerfammlung gefteüten Slntrag auf B e r u f u n g einet aufjetotbentlidjen Haufctbetfammlung fotoie 3m (Stellung bon Anträgen unb 3U Sßerbanblungen ohne SBefcblufefaffung bebatf e§ bei Slntünbi» gung nicht. § 108. e. © o n b e i m t t t e i l u n g (1) Sebet Stltionät, bet eine S i t t e bei bet ©efeUfdjaft hinterlegt, lann ber= langen, bajj ihm bte © e i u f u n g bet Hauptbetfammlung unb bte ©egenftänbe ber SBethanblung, fobalb beten öffentliche 8efanntmad)ung erfolgt, burdj etnge» fdjiiebenen SJttef mitgeteilt toetben. S i e gleise Mitteilung l a n n ei übet bte in bet 83erfammlung gefaxten Sefd}Iüffe berlangen. (2) ©te im Slbf. 1 beeeidjneten Weihte ftehen auch ben 2Jlttgltebern be8 Sluf* fidjt8rat8 ohne iRüiftdht barauf ju, ob fie Slttionäre finb. § 109. f. S J e r s e t d j n t S b e r e r f d j i e n e n e n o b e r b e r t t e t e n e n Slttionäre unb b e3 b e r t r e t e n e n S C f t i e n l a f i t a l d 3fn ber ^auptbethanblung ift etn Skrjeichntä bei erfdjienenen Stltionäre obei Vertretet bon Sittionären mit Slngabe threä 9lamen8 unb SBohnortS foioie beg SBetragg ber bon jebem bertretenen Slttien unter Slngabe ihrer ©attung auf» aufteilen. ®a8 SBet3eid>ntS ift bot bet etften Slbftimmung 3ut 6tnfi l u f f e ä (1) ffite tnt § 111 Hbf. 2 bejetdjneten SBorlagen ftnb minbeftenä toäljrenb bet legten $h>ei SBodjen bor bent läge ber Hauptberfammlung tn bent ©efdjäftätaum bet ©efeilfdjaft jut Sinfidjt ber Slltionäre auääulegen. (2) 3luf Verlangen ift jebem SHtionär fpäteftenä bret Sßodjen bot bem l ä g e bet Hauptberfammlung eine äbfdjrift beä Qfa&reäabfdjluffeä, beä ©efdjäfiöbcrtc^tä unb ber Semetiungen beä Stufficfytäratä j« erteilen. (3) Sin bie Stelle beä £ageä ber Hauptberfammlung tritt, toenn bie 2tu§» Übung beä 8timmrecbt3 bon bet Hinterlegung ber Slttien abhängig ift, ber l a g , bi§ ju beffen SIblauf bie Hinterlegung ju gefdjeljen bot. § 128.
11. S B e r t a g u n g b e t S J e r l j a n b l u n g ü b e r b e n 3 α ί ϊ e 5 » abfdjlufc (1) ®te SBeriianblung übet ben ftabteäabfdjlulj ift, audj toenn bie SSorauä» fefeungen beä § 89 nidjt botliegen, 31t bettagen, toenn bic§ in ber Hauptberfamtn» iung mit einfadjer ®timntenmei)rbeit Befi^Ioffen ober bon einer SDiinberbeit, beten Slnteile äufantnten ben jebnten Seil beä ©runbfapitalä erreichen, betlangt toirb.
Entwurf II S a ä Verlangen bet 2JltnberIjeit ift n u t su betücifidjtigen, fotoeit bon ibt be» fttmmte Soften bc8 QabtesSabfdjlufieiS bemängelt toetben. (2) ,3ft bie SBerbanblung bettagt, fo lann eine erneute Vertagung nidjt ge* fotbert toetben. ©ie S$otfd)rift be§ § 89 Slbf. 2 bleibt unbetiiljrt. § 1 2 9 . 12. 5 8 e l a n n t m a d ) u n g b e 3 , 3 ; a l j t e § a b f < f | I u f f e ä (1) ©et S o r f t a n b i>at η ο φ bet SBefdjIufefaffung b u t $ bie §auptberfammlung ben 3faire§abfd)Iufe unbetäüglidj tn ben ©efetlfdjafiablättern befanntjumadjcn. (2) S i e SBefanntmadpung unb bet int § 111 2lbf. 2 bejeicfinete ©cfc&äftSbexid^t nebft ben SSemetfungen be3 2Iuffidjt3rat§ finb j u m §anbel§tegiftet bet §aupt= niebetlaffung einjutetdjen. ©a§ Siegiftetgeridjt bat nidjt s« prüfen, ob bei bet SluffteKung be§ Qa^teSabfc^IuffeS unb be§ ©efc^äftöbetic^tä bie Sßorfcbtiften ber §§ 112 big 119 befolgt finb. § 130.
13. 5 ß r ü f u n g 8 a u § f d ) u j j
O f t burd» bie Heufaffung beä § 266 im » r t i t e l VII bet »ttienred)tiinoOefle geregelt.) § 131 O f t burd) ben neuen § 267 » 6 f · 7 im S r t i t e l VII ber attienre^tänobeUe geregelt.) § 132 O f t burd) bie Äeufaffung best § 267 im « r t i f e l VII ber Sttienred)tenobelle geregelt.) § 133.
SBerpflidjtung jur (Seltenbnta^ung anfpriidpen
O f t burd) bit geregelt.)
fteufaffung
b ο it £ a f t u η g 8 =
bed § 268 im S r t i t e l VII ber aitienredjtönobelle § 134
O f t burd) bit ÜReufaffung bed § 269 im Hrtilel VII ber Httienreci|tslnot)etle geregelt.) § 135. 93 e r $ i dj t a u f § a f t u n g § a n f p r ü d j e O f t burd) bit X t u f a f f u n g bed § 270 im Slrtifcl VII ber äftienred)t3notoelie geregelt.) § 136. 3t i φ t i g ! e i t b o n $ a u p t b t x f a m T n I u i i g e & e f ( $ l ü f f t n S i n SSefciilufe bet $auptberfammlung ift n u t bann nii^tig, toenn er: 1. gfoifdj'xiften berieft, bie auSfdjliefilidj ober bottoiegenb im öffentlidjen ^ntereffe gegeben finb, ober 2. auf SlnfedptungSflage b u r ^ Urteil f ü r nidjtig erflätt ift. § 137. 1. S l n f e d j t u n g S l I a g e (1) e i n Sefdjlufs ber §auptberfammlung lann toegeit S3erlefeung beS ©efefeeS obet bet @a$ung im SBege bet ftlage angefochten toetben. S i e Slnfeditung ift auä) bann juläffig, toenn bet SHtionät mit bet etimmrei^täauäübung, auf toeId)et bet S e f ^ t u ß beruht, gefetffc^aftäfc^äbltc^e Sonberborteile f ü r | ί φ obet einen ©ritten betfolgt unb ber ®efd)Iufj geeignet ift, biefem 3toed ju bieneit. (2) S i e Älage mufs innerhalb eines 2Jlonat3 erhoben toetben. § 138. a. 3 l n f e ^ t u n g ä b e r e d h t i g t e (1) 3 u t älnfedhtung ift befugt: 1. jeber in bet ijauptberfammlung erfd^ienene Slftionär, toenn er gegen ben Sefdjlufs SBibetforud) JUI SRtebetfdjttft e t l l ä t t bat;
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Anhang
2. jeber in bcr ^auptöexfainmlung ntdjt crfd^icnene Slltionät, tocitn ex su ber f m u p t ö e t f a m m l u n g j u Untet^t nid^t jugelaffen tootben ift, ober toenn et bie Stnfed^tung barauf grünbet, bafs bie S e r f a m m l u n g nid^t gehörig berufen ober ber ©egenftanb ber S e f ^ I u l f a f f u n g n i $ t gehörig angelünbigt fei. (2) ®tne 2lnfe$tung, bte barauf gegrünbet tottb, bafe burc^ ben SBefi)Iu6 2tt>fchrctbungen, Stüdlagen ober SRüdftetlungen über bag η α φ bent ©efefe ober π α φ ber ©afeung ftatthafte aJiafe h i n a u s angeorbnet feien, ift n u r juläffig, toenn bie Slnteile beä SlftionärS ober ber Stitionäre, bie bie Slnfe^tungSlIage erheben, ben 3toanjigften S e i l beS ©runblatiitals erreichen . . . (bgl. Ijitrjn bett neuen § 261e im Slrtitel V ber Slltien^tSnotJelle). § 139 3 u r 2lnfed)tung finb ferner Befugt: 1. ber SBorftanb; 2. jebeg 2Witglteb beg SorftanbeS unb beg 2tuf[ic^täratä, toenn ber Söefdjiufj eine 2Jiaf)tegel 3um ©egenftanbe hat, b u r ^ beten Slugführung fid) bie 2Kit» gltebet beg Sßorftanbeä unb beg Sluffidjtgratä ftrafbar ober ben © l a u b i g e m ber ©efeUfdjaft haftbar ιηαφεη toürben. § 140. b. 3 I n f e d E | t u n g § g e g n e r 3uftänbigfeit. SSerfaljren (1) S)ie Ä l a g e ift gegen bte ©efeHf$aft 3U r i e t e n . S i e ©efetlfdjaft toitb b u ^ ben SJorftanb unb ben Sluffid^tSrat, toenn ber SSorftanb flagt, b u ^ ben äuffid&tetat bertreten. (2) 3 « f t ä n b i g f ü r bie fllagc ift auSf^Iie^Iic^ bag S a n b g c ^ t , in beffen SBcjtif bie ©efeUfdjaft ihren ©ife hat. S i e τηϋηΜίφε Skrhanbluttg erfolgt η ί φ ί bor bent Slblauf ber im § 137 Slbf. 2 Βείβίφηβίεη g r i f t , «Mehrere Slnfedjtunggprojcffe finb j u r flleid^aeitigen SJerhanbluitg unb C n t f $ e i b u n g j u berbtnben. (3) 9ΚαφΙ bie © 8 f e l ^ a f t glaubhaft, bafc ihr auf ©runb beg § 141 Slbf. 2 ober toon 33orfd)riften beg b ü r g e r t e n 91 εφteg gegen ben Hagenben Stftionär ein ffitfafeanfpn^ juftebt ober ετίοαφίβη fann, fo fann bag © ε π φ ΐ anorbnen, bafs ber ©efeQfcijaft toon bent Hagenben Slftionär ©it^er^eit j u letften ift. Slrt unb ööfje ber ©ic^ertpeit beftimmt bag © ε π φ ί η α φ freiem ßrmeffen. S i e S B o ^ r i f t 8 n bcr 3totIptoaefsorbnung über bie geftfe^ung einer g r i f f 3 « @id)etf)eit3[eiftung unb über bie f o l g e n ber S e t f ä u m u n g ber g r i f t ftnben Sintoenbung. (4) S e r SBorftanb bot bie Erhebung ber fllage unb ben J e t n t t n j u r ntünb* Ι ί φ ε η SBerhanbluttg unöerjüglid) in ben ® e f e t ^ a f t § b l ä t t e r n βείαη^3ηιπαφεη. (5) SBirb bie Silage auf eine Sktlcfeung beä § 88 ober beä § 95 Slbf. 6 gc» grünbet, fo i|"t, toenn bte Sprudjftellc angerufen toitb, bcr S l n ^ t u n g S p t o 3 8 B bis 511t Gpntfcfyeibung b u r φ bie ©ρηιφί^Κε auSsufeljen. § 141. c. U r t e i l S t o i r f u n g (1) ©otoeit bcr Ϊ Μ φ ί η Β burφ rcd^täträftigeS Urteil f ü r ηίφΗβ erflärt ift, toirtt bag Urteil α η φ für unb gegen bte Slftionäre, bie η ί φ ί g a r t e t ft»b. S c r iJotftanb hat bag Urteil u n b e r j ü g ^ 3um ipaitbelgtegifter ε ί ^ η κ ί φ ε η . 353ar ber δ ε ϊ φ ΐ ι ι δ in bag §aitbelgregifter eingetragen, fo ift αυφ bag Urteil cinju« tragen; bte (Eintragung beg Urteils ift in βΙείφβΓ S e i f e toie bte beg S e f φ l u ί f c g bctannt3unta$en. (2) g ü t einen b u r φ unbegrünbete Stnfeφtung beg SBefctjtufi'cä bcr ö c f c n f d j a f t entftebenben ®φaben haften ihr bte S l ä g c r , benen ®otfa^ ober grobe gahrläffig* feit j u r Saft fällt, αί£ ©είαιηΙίφηΛηει. § 142. 2. 3 i i c ^ t i g i c i t § r r a f l c (1) SÜJirb auf geftftcUung bcr 9itdötiafctt etneg .ί)aut)tbetfamnιIungsbefφIuffcg (§ 130 9Jr. 1, § 140 Slbf. 1) filage erhoben, fo ftnben bte » o ^ r i f t e n bcr § 140 Slbf. 1, Slbf. 2 Safe 1, Slbf. 4, § 141 entf}>K$cnbc Slntocttbttng.
Entwurf II (2) 2Rebtere Siidjtigfeitgprosefie finb j u r gleicbaeitigen S3erbanblung unb flidjtung bettoffenen Slfttonäte be» gtünbet toetben. § 146. (1) S i e ©afcunggänberung ift äut Eintragung in bag §anbelSregifter anjumelben. ©otoeit ftdj nidjt au§ ben nadjfolgenben SBorfdjrtften ein anbereg etgibt, bot bet SBorftanb bie a n m e l b u n g j u betoirfen. (2) ©otoeit ntcf)t bie Anbetung bie im § 22 bejeidjneten angaben betrifft, genügt bei ber (Eintragung bie SSejugnabme auf bie bei bem ©etidjt eingereihten Urtunben. S i c Anbetungen finb Belanntjumactjen, fotoeit fte Seftimmungen betreffen, beten S e f a n n t m a d j u n g botgefdjrieben ift. (3) S i e Anbetung bat leine SBttlung, bebot fie in bag $anbeI8regtftct beg ©etidjtg, in beffen SBejitl bie ©efeDfdjaft ibten ©ifc bot, eingettagen toorben ift. § 147.
II. flapitaletböbung 1. a l l g e m e i n e S . (1) (Eine (Erhebung beg ©tunblapitalg burdj auggabe neuer a t t i e n foil η ϊ φ ί bor ber bollen S t n j a b l u n g beg bisherigen ftapitalg erfolgen, g u t SBetfidjetungg* gefeHfdjaften l a n n in bet ©afcung ein anbeteg beftimmt toetben. S u r d ) SRüd« ftänbe, bie auf einen betfjältmgntäfjig unetbeblidjen Zeil bet eingefotbetten förifttn ber §§ 36, 37 bleiben unberührt. § 149. 3. S l n m e l b u n g be§ ffitIjöljungSbcfd&luffcg jum §anbel3regiftet (1) Ser Sorftanb unb ber Sorfifeenbe beS Sluf^tSratS obet beffen Stellber» tretet Ijaben ben SBefdjlufe übet bie (Etljöljung beS ®runbfapitalS jur eintragung in baä ®anbel§regifter anjumelben. (2) Qn ber Slnmelbung ift bie SSetftdjerung abjugeben, bafe baS bisherige ®tunb(apital eingejaiilt ift, ober, fotoett bie Stnjafjtung ηίφί ftattgefunben Ijat, bafj barauf toeitete als bte tn bet Slnmelbung bejei^neten Seträge nicbt rütf= ftänbig finb. § 150. 4. ^ c i i n u n f l b e t n e u e n 21 f t i e η (1) Sie bet neuen Slftien erfolgt buttb fdjnftüdjc Srftärung, aus bet bie 3U überneljmenbe Seteiligung ηαφ bet Slnjaiil unb, falls berf$iebene Slftien ausgegeben toerben, ηαφ bem Setrag obet bet ©attung bet Slftien ber= Dorgelpen rnufj. Sie ©rflärung (3είφηη^3ίφείη) foH boppelt auSgeftetlt toerben; fie bat ju enthalten: 1. ben Sag, an bem ber Sefilufe übet bie ©rljöljung beä ®tunbfapttalä ge» fafet ift; 2. ben Settag, für ben bie SluSgabe ber Slftien ftattfinbet, unb ben ©etrag ber feftgefefcten Sinjablungen; 3. bie im § 148 borgefeljenen ^ftfefeungen unb, toenn mehrere ®attungen bon Slftien mit be^tebener ausgegeben toetben, ben ©efamt= Betrag einet jeben; 4. ben 3'itpunft, nttt bent bte 3«Φ"«"9 unberbtn&Iii toitb, toenn ηίφΐ bis baljtn bie etfolgte ©rljöljung beS ©tunbfapitals in baS §anbelStegifter ein« getragen ift. (2) 3 ^ n u n g ^ e i n e , beren Snfjatt ηίφί ben $Borfd)ttften beS SIbf. 1 genügt ober bie auger bem unter SIbf. 1 9lt. 4 βείβϊφηείεη Sorbeljalte 33ef{fjtänfungen in ber SJerpf^tung beS 3ei$netS enthalten, finb η ί φ ^ . (3) $ft bie StpDung beS ©runbfapitalsi υηςβαφίβί bet STlic^ttgieit obet Un= betbtnblic^Ieit etneS in baS §anbelSregiftet eingetragen, fo ift ber 3^ίφηβΓ ber ©efel^aft tote aus einem gültigen 3ei$nung^etn t>ert3fli«^tet, toenn et auf ©tunb beä 3ίίφη"Π9^ίφείη8 als SlfHonät 9ie$tc ausübt ober 33erpfliφtungen erfüllt.
Entwurf II (4) ^cbe nidjt in bem 3 e i i n « n 0 8 f i e i n enthaltene ® e f 4 r ä n f u n g ift bet ®e* fcHfei3 auf bie befdjloffene §etab= fefcung bei © r u n b t a p i t a l s η α φ bet (Eintragung beS VefdjluffeS bie ©laubiger bet © e f e l ^ a f t a u f j u f o r b e t n , ibre Slnfprüche a n j u m e l b e n . S i e Sluffotberung ift bteiinal in ben ©efeIIfd)aft$Mättetn b e f a n n t j u m ^ e n . (3) ®en © I ä u b i g e t n , beten Sforberungen b o t bet legten öffenttidjen Sluf-forberung begrünbet finb, ift, toenn fie (ίφ au biefem melben, a n bte ©teile beS befdjluffeS über bie (Erhöhung beS © r u n b l a p i t o l S bie ßr= mä n i d ) t a u 8 b e n n a d j f o l g e n b e n S S o t f i t i f t e n o b e t a u s b e m gfebleit e i n e s SSor^ f t a n b e ä e i n a n b e r e S e r g i b t , bie S S o r f c b r i f t e n b e S © r f t e n S&ufyeg ü b e t bie S H t i e n « gefeüfiaft. § 198.
6 1 1 i φ t u η g
( 1 ) S e t S f n b a l t ber © a ^ u n g m u f j b o n m i n b e f t e n 8 f ü n f Sßetfonen t n g e r i e t « Ι ί φ ε ι o b e t n o t a r i e l l e r S e r i j a n b l u n g feftgefteUt toerben. S i e petfonlitö baften» b e n © e f e I I f φ a f t e t m ü f f e n f i d j ί δ τ η ί ΐ ί φ b e i b e r g e f t f e f c u n g b e t e i l i g e n ; aufeer i b n e i t t o n n e n n u t Sßerfonen m i t t e i l t e n , bte aI8 Ä o m m a n b i t i f t e n S i t t e n ü b e t n e b m e n . 3 n b e t S S e t b a n b l u n g ift b e t S e t t a g bet b o n jebem b e t e i l i g t e n ü b e r n o m m e n e n Slltien anjugeben. als
( 2 ) S i e © e f e l ^ a f t e t , bie ben S r i & a l t b e r © a f c u n g feftgeftellt h a b e n , © t ü n b e t bet ©efeHfchaft. §
199.
gelten
© a f c u n g S i n b a l t
( 1 ) S i e © a f e u n g m u f j aufeer b e n i m § 5 SIbf. 2 S i t . 1 b i § 3 , 5 , 6 b o r « g e f e b e n e n f j e f t f e j j u n g e n b e n W a r n e n , S S o r n a m e n , © t a n b u n b Sffiofjnort jebcö Ijetfönlt^ baftenben ©efettfiafterä enthalten. (2) S J e t m ö g e n S e i n l a g e n bct perfönlicb b a f ^ n b e n © e f e l l f ^ a f t e r m ü f f e n , toenn fie n i d j t a u f b a 3 © r u n b f a p t t a i e r f o l g e n , η α φ f l ö h e u n b 3 I r t i n b e r © a f e u n g feftgefefct toetben. ( 3 ) S i e S J o t f d ^ r i f t beS § 1 0 H b f . 1 f i n b e t a u f alle j u g u n f t e n e i n e « p e r * ( ϋ η ΐ ϊ φ b a f t e n b e n ©efettfehaftersi b e b u n g e n e n b e f o n b e t e n S o r t e i l e Slntoenbung.
Entwurf II § 200. SI η in e l b u η g u n b Eintragung (1) Qn ber mit ber Slnmelbung bet ©efeUfchaft sunt ^artbclsregiftcr ηαφ § 21 Slbf. 2 ©afc 1 ju berbtnbenben Erflärung ift, fotoeit Einlagen bat ju leiften ftnb, anjugeben, bafc bei eingeforberte ©ettag bat o b « in bet int § 20 Hbf. 2 bejeidjneten SBeife eingejagt ift unb enbgültig j u t freien ©erfüguitg bet ferfönlic^ baftenben ©efeHf^after ftcljt. 2In bie ©telle bet Einjablung auf ein Äonto be§ ©orftanbeS tritt in ben gälten be§ § 20 Slbf. 2 bie tberfammlung bebatf cS, toenn Αφ ber SSefcblufe auf einen im erften Qiabr ηαφ bet Eintragung ber ©efeQfdjaft gefdjioffenen ©ertrag bejtebt, einer 3Rebtbeit, beren einteile min» beftenä ein ©iertel be§ ηίφι auf Slftien bet ϊιετίοηϋφ baftenben ©cfellfd^aftet entfallenben £eil§ be§ ©runblapitalS barfteHen. S i c ©otfehrift bcS § 36 Slbf. 4 ©afe 1 bleibt unberührt. § 202. © e r f ö η I i φ b a f t e n b e 3efeIIf$aftct 3)te ben ©orftanb bet SHtienflefeUfd^aft betteffenben Sorf^xiften: 1. übet bie Slnmelbungen, Etntetcbungen unb ©rflärungen $um .^anbeteregifter, 2. über bie ©riinbungSprüfung, 3. über bie Obliegenheiten gegenüber bent S l u f ^ t S r a t , 4. über bie ©erufung bet ^auptberfantmlung, 5. übet bie 3 u Iäffigfeit einer ßrebitgetoäbrung, 6. übet bie Slufftellung, ©orlegung, ©εϊαηηίιηαφΜ^ unb Prüfung bei •Sabresjabfcblufieä fotote übet bie ©orlegung, ben I n h a l t unb bie ©tüfung beS ©efdjäft3berid)tg, 7. übet bie 31η{εφΐΗης bon ©efc^Iüfiett bct §auptbetfammlung, 8. übet ba8 ©erfahren im Salle ber ©eftellung bon ©tüfem jur ©tüfung bon ©ergangen bei ber ©rünbung ober ©efdjäftsfübrung fotote übet bie Obliegenheiten gegenüber ben ©rüfetn, 9. übet bie SluSgabe bon ©ejugSaltieit im Salle ber bebingten Äapttat» erböbung, 10. über bie im Salle einet Ermäßigung ober $erabfefcuitg be§ ©runbfapitalS ober einer ©e^meläung an bie ©läubtget ju tidjtenbe äufforberung, 11. übet bie Slitienauggabe im Salle beS genehmigten ftapttals, 12. übet bie ©βΐΐο^ιηαφη^ bon Erfafcanfprüchcn bct Oefeilfthaft tocgen ber ©efiäftsfübrung, 13. über bie ©tellung be3 SlntragS auf Eröffnung be§ flonfurfeS ober be§ getiφtIiφen ©erglettbäbexfahtenS finben auf bie ρειίοηΐίφ baftenben ©efellfiafter β^ίρτεφε^β Stntoenbung. § 203. ä S e t t b e t o e t b S b e t b o t (1) ©in ρειίοηΚφ haftenber ©efellfc^aftet batf ohne Eintotlliguitg bet ©e» feüf^aft toebet in bem ©efiäftSjtoeig ber OcfeUfc^aft ®ef$äfte machen ηοφ an einet anbeten βίείφαι^βη §anb8läg8fel^aft al8 (jerfonlicf) haftenber ©efeH« {φα^ετ teilnehmen. S)tc (Einlotlligung toirb !>ι«φ bie übrigen ^exfönltd^ haf» tenben ©efel^after unb, toenn ηίφι bie ©efugnis j u t Erteilung butdj bie
Anhang
890
Safcung ober butd) einen S3efd)Iuf) b e i ipauptbetfammlung beut Stuffidjtsrat übertragen ift, butch bie § a u p t b e r f a n t m l u n g erteilt. (2) Serlefct ein petfonlidj fjaftenbet Oefenf fidjtätat bon bent Slbfdjlufc be8 ©efd)äft$ ober bon ber i c i l n ö b i n c b e i pcriönHd) baftenben ©efeHfdjafterä a n ber anberen ©efeKfdjaft Ä e n n t n i S e r l a n g e n ; fie b e t j ä h t e n ohne SRürffi^t auf biefe ftenntniS in fünf f a h r e n feit ibrer ®nt» ftehung. § 204. Sauptbcrfamniluug (1) 3fn ber § a u p t b e r f a n t m l u n g haben bie pcrfönlich ijaftenbeit ©cfellfthaftcr, aud? teenn fie Stftten befifeen, für SBablen sunt SXuffidptärat fotote f ü r bie SBafji bon S3tlan$ptüfern unb fonfttgen Sßrüfent lein S t i m m t e s t . (2) S i e 33efd)lüffe ber .§auptbetfaminlung bebürfen ber 3 u f t ü " i t t u " f l b " perfönlid) baftenben ©efellfcbaftei, fotoeit fie Angelegenheiten betreffen, f ü r bie bei e i n e t ÄommanbttgefeUfdjaft baä S i n b e r f t ä n b n i ä ber perfönlidi) baftenben ©efellfdjafter u n b bet Äommanbitiften erforberlidj ift. (3) 3 u r SluSübung ber SBefugniffe, bie i n SInfebung ber SefteHung bon P r ü f e r n unb ber ©eltenbmadjung bon älnfptüdjen ber ©efeQfdjaft a u 8 ber © t ü n b u n g ober ber ©efdjäftgführung itadj ben §§ 130 b i s 134 bet § a u p t = berfantntlung ober einer SNinberheit bon S l f t i o n ä t e n suftepen, bebarf e§ ber 3 u f t i m n t u n g ber perfönlich baftenben ©efeUfdjafter nidjt. (4) SSefd)Iüffe ber § a u p t b e r f a m n t l u n g , bie ber 3 u f t i i n m u n n ber pcrfönKdj baftenben ©efelifdjaftex bebürfen, finb j u m § a n b e l § r c g i f t e r erft eitijureidjen, toenn bie 3 u f t i n t m u n g erfolgt ift. ®ei SBefdjlüffen, bie in baä § a n b e l 3 r e g i f t c r e i n j u t r a g e n finb, tft bie 3 u f t i n t m u n g ber perfönlidj baftenben ©efellfdjafter t u b e t ü b e t bie SBethanblung aufjunebmenben 9lieberfdjrift ober in einem ä n b a n g j u bet Slieberfdjrift j u beutfunben. § 205. SluffidjtSrat (1) S i e SBefdjlüffe ber Äommanbitiften toetben burdj ben 2luffidjt§rat au§* geführt, fotoeit ni