Didaktik des wirtschaftsinstrumentellen Rechnungswesens [Reprint 2013 ed.] 9783486801880, 9783486252408

Der "wirtschaftsinstrumentelle Ansatz" als neuer Ansatz des Rechnungswesenunterrichts ist ein "Meilenstei

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German Pages 509 [512] Year 1999

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Table of contents :
1. Wirtschaftsinstrumentelles Rechnungswesen als Innovation in der kaufmännischen Bildung
1.1. Allgemeine Innovationserfordernisse in der kaufmännischen Bildung
1.2. Spezielle Innovationserfordernisse im Rechnungswesenunterricht
1.3. Grundzüge des wirtschaftsinstrumentellen Ansatzes
1.4. Zielsetzung und Aufbau der Darstellung
2. Curriculare Bezugspunkte des wirtschaftsinstrumentellen Rechnungswesenunterrichts
2.1. Veränderte Qualifikationserfordernisse in der kaufmännischen Ausbildung
2.1.1. Zielvorgaben in Ausbildungsordnungen, Rahmenlehrplänen, landesspezifischen Richtlinien und Prüfungsstoffkatalogen
2.1.2. Orientierungspunkte fachdidaktischer Zielpräzisierung
2.1.3. Konsequenzen des Wandels der Arbeitsbedingungen im Rechnungswesen
2.1.4. Internationale Reformbemühungen in der Rechnungswesenausbildung
2.2. Orientierung an fachwissenschaftlichen Forschungs- und Ausbildungskonzeptionen
2.2.1. Zum Verhältnis fachwissenschaftlicher und beruflicher Inhalte
2.2.2. Die „systemorientierte Betriebswirtschaftslehre“ als Ausgangspunkt integrativer Überlegungen
2.2.3. Einbeziehungen von Grundgedanken anderer betriebswirtschaftlicher Ansätze
2.2.4. Rechnungswesen-, bilanz- und kontentheoretische Grundlagen
2.3. Das „Allgemeine Unternehmensmodell“ als Hilfsmittel zum Verständnis der Buchungstechnik und ökonomischer Zusammenhänge
2.3.1. Modellierungsobjekte und -Subjekte sowie Zusammenhänge verschiedenartiger Modelle
2.3.2. Güter- und Geldströme in volkswirtschaftlichen Kreislaufmodellen
2.3.3. „Wertkette“ und „Wertschöpfungskette“ als Verknüpfung volkswirtschaftlicher und betriebswirtschaftlicher Perspektiven
2.3.4. Die Teilprozesse innerhalb eines Unternehmens und ihre monetäre Aspektuierung im Rechnungswesen
2.4. Vergleich der Modellierungsmethode mit traditionellen Konzeptionen des Rechnungswesenunterrichts
2.4.1. Vergleich mit anderen Einstiegskonzeptionen
2.4.2. Hervorhebung des Leistungsprozesses
2.4.3. Beginn mit einer Kapitalgesellschaft
2.4.4. Darstellung der Bilanzen als normierte, stichtagbezogene, externe Rechnungslegung
2.4.5. Erläuterung von Form und Inhalt der Konten sowie deren Ausdifferenzierung im Kontensystem
2.4.6. Intentionale Mehrdimensionalität und Interdependenz
2.5. Elaborative und integrative Makrosequenzierung
2.5.1. Die „Curriculumspirale“ als Leitgedanke der Lehrstoffabfolge
2.5.2. Integrationserfordernisse in Abhängigkeit von der Lehrplanorganisation
2.5.3. Skizzierung einer sequenztheoretischen Strategie für die Entwicklung kaufmännischer Curricula
2.6. Gestaltung der Lernmaterialien, Lernprozesse und Lernerfolgskontrollen im Sinne konstruktivistischer Prinzipien
2.6.1. Grundsätze des Lernhandelns
2.6.2. Gestaltung und Einsatz der Arbeitsmittel
2.6.3. Systematisierungen: Lehrbücher, Lernprogramme
2.6.4. Lehrerverhalten
2.6.5. Lernerfolgskontrollen und Leistungsbewertung
3. Didaktische Konkretisierung der „Einführung in das betriebliche Rechnungswesen“
3.1. Erarbeitung formaler und inhaltlicher Grundlagen anhand ganzheitlicher Vorformen der doppelten Buchführung
3.1.1. Lektion 1. Der Kassenbericht als Grundmodell des Buch-Ist-Vergleichs
3.1.2. Lektion 2: Von der Inventur zur Bilanz - die monetäre Erfassung und normierte Darstellung eines Unternehmens zu einem bestimmten Zeitpunkt
3.1.3. Lektion 3: Das Unternehmen hinter der Bilanz – Modellierung der Finan- zierungs- und Leistungsprozesse und der Beziehungen zu anderen Wirtschaftseinheiten
3.2. Erarbeitung des Systems der doppelten Buchführung über die betriebswirtschaftliche Sicht der Leistungs- und Finanzierungsprozesse
3.2.1. Lektion 4: Die Hauptbuchkonten als Modell der Wertbewegungen und -bestände zwischen den Bilanzierungszeitpunkten
3.2.2. Lektion 5: Funktion der Bestände im Leistungsprozess und die Erfassung ihrer Veränderung
3.2.3. Lektion 6: Die Belastung des Konsums durch die Besteuerung des Umsatzes bei der verkaufenden Unternehmung
3.2.4. Lektion 7: Berichtigung des Leistungswertes bei Nichtinanspruchnahme berechneter Leistungen
3.2.5. Lektion 8: Leistungsaustausch über die Staatsgrenzen (innergemeinschaftlich und mit Drittländern)
3.3. Systematisierung und Festigung anhand der Organisation des Rechnungswesens
3.3.1. Lektion 9: Die Organisation der Konten im Hauptbuch und die Ergänzung des Hauptbuchs durch andere Instrumente
3.3.2. Lektion 10: Rationalisierung und Effektivierung der Buchführung durch Finanzbuchhaltungsprogramme
4. Curriculare Möglichkeiten zur Elaboration modellierter Grundstrukturen
4.1. Ausdifferenzierung und Erweiterung des Beschaffungs- und Absatzbereichs im Unternehmensmodell
4.1.1. Bezugskosten - Anschaffungsnebenkosten
4.1.2. Kosten des Absatzes und Nebenleistungen
4.1.3. Sonderformen der Bezahlung
4.2. Ausdifferenzierung und Erweiterung der Modellierung in der Personal Wirtschaft
4.2.1. Modellierung der sozial abgesicherten Arbeitsbeziehungen
4.2.2. Buchung der Entgeltabrechnung
4.2.3. Sonstige Personalaufwendungen, insbesondere Reisekostenabrechnung
4.2.4. Pensionszusagen und Pensionsleistungen
4.3. Umstrukturierung der Modellierung des Leistungsprozesses durch die Kostenrechnung
4.3.1. Kostenrechnung als Neumodellierung des Leistungsprozesses
4.3.2. Die Aufspaltung des Leistungsprozesses
4.3.3. Einzelkosten und Gemeinkosten
4.4. Ausdifferenzierung und Erweiterung im Zusammenhang mit langfristigen Finanzierungsentscheidungen
4.4.1. Rechtsform und Eigenkapitalveränderungen
4.4.2. Unternehmensaufspaltung und Beteiligungen
4.4.3. Ausdifferenzierung der Eigen- und Fremdfinanzierung sowie der Finanzanlagen
4.5. Ausdifferenzierung und Erweiterung der Modellierung im Rahmen der Anlagenwirtschaft
4.5.1. Anlagenwirtschaft und periodenübergreifende Modellierungen
4.5.2. Erster Geschäftsgang
4.5.3. Zweiter Geschäftsgang (Folgeperiode)
4.5.4. Miete und Vermietung von Anlagevermögen
4.6. Ausdifferenzierung, Erweiterung und Zusammenfassung im handelsrechtlichen Jahresabschluss
4.6.1. Bilanzierungs- und Bewertungswahlrechte bei Anlage- und Umlaufvermögen sowie bei Schulden
4.6.2. Zeitliche Abgrenzung
4.6.3. Der vollständige Jahresabschluss (Einzelabschluss)
4.6.4. Der Konzernabschluss
5. Ausblick auf Implementation und Evaluation
5.1. Bisherige Schritte der Dissemination
5.2. Erfordernisse in der Lehreraus- und -Weiterbildung
5.3. Weitere Entwicklungs- und Forschungsarbeiten
Literatur
Sachregister
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Didaktik des wirtschaftsinstrumentellen Rechnungswesens [Reprint 2013 ed.]
 9783486801880, 9783486252408

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Lehren und Lernen Herausgegeben von Universitätsprofessor Dr. Dr. h.c. Frank Achtenhagen Bisher erschienene Werke: Preiß, Didaktik des Wirtschaftsinstrumentellen Rechnungswesens

Didaktik des wirtschaftsinstrumentellen

Rechnungswesens Von

Dr. Peter Preiß Seminar für Wirtschaftspädagogik Georg-August-Universität Göttingen

R. Oldenbourg Verlag München Wien

Die Deutsche Bibliothek - dP-Einheitsaufnahme Preiß, Peter: Didaktik des wirtschaftsinstrumentellen Rechnungswesens / Peter Preiß. - München ; Wien : Oldenbourg, 1999 (Lehren und Lernen) ISBN 3-486-25240-2

© 1999 Oldenbourg Wissenschaftsverlag GmbH Rosenheimer Straße 145, D-81671 München Telefon: (089) 45051-0, Internet: http://www.oldenbourg.de Das Werk einschließlich aller Abbildungen ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Bearbeitung in elektronischen Systemen. Gedruckt auf säure- und chlorfreiem Papier Gesamtherstellung: WB-Druck, Rieden ISBN 3-486-25240-2

Was ein Dach wert ist, wissen wir nicht mehr, wenn wir wissen, was es kostet. Gert Heidenreich: Die Nacht der Händler.

VII

Geleitwort Peter Preiß wagt, mit diesem Buch einen großen Schritt zu gehen: die Entwicklung einer fachdidaktischen Konzeption fur einen zentralen Bereich der kaufmännischen Aus- und Weiterbildung: das Rechnungswesen. Jeder, der im Rahmen der beruflichen Erstausbildung und -Weiterbildung, in kaufmännischen Vollzeitschulen oder in wissenschaftlichen Hochschulen selbst dieses Fach unterrichtet hat oder unterrichtet, kann auf vielfaltige Weise davon berichten, welche Schwierigkeiten es bereitet, den Lernenden vor allem diejenigen ökonomischen Bezüge des Rechnungswesens zu verdeutlichen, die über ein schematisches Aufstellen von Buchungssätzen hinausgehen. Je mehr Abrechnungsprozeduren über Datenverarbeitungssysteme abgewickelt werden, desto mehr schwinden Möglichkeiten einer Veranschaulichung, was das Verstehenlernen einerseits erschwert, andererseits aber ein Verständnis der zugrundeliegenden betrieblichen Prozesse in noch höherem M a ß e als bisher erfordert. Hinzu kommt, dass die am weitesten verbreiteten Lehrbücher für den Rechnungswesenunterricht in zu hohem M a ß e ein schematisches Buchen unterstützen und kaum ein ökonomisches Denken fördern. Die Unzufriedenheit mit den eingeführten Lehrbüchern und der zumeist hierauf abgestellten Ausbildung hat immer wieder dazu geführt, dass alternative Ansätze für den Rechnungswesenunterricht gefordert oder auch vorgestellt wurden. Allerdings zeigte sich durchgängig sehr schnell, dass alle diese Ansätze, so berechtigt sie von ihrer Zielsetzung her auch waren, zu kurz griffen. Das gilt sowohl für die fachwissenschaftliche Aufbereitung als auch fur die didaktische und lernpsychologische Fundierung. Genau hier setzt die Konzeption von Peter Preiß an: Er zeigt mit seiner Arbeit beispielhaft, wie perspektivenreich eine Fachdidaktik angelegt sein sollte. Um derart aspektreich schreiben zu können, müssen viele Voraussetzungen erfüllt sein: eingehende wissenschaftliche Studien, umfangreiche Erfahrungen in der schulischen und betrieblichen Praxis sowie Engagement in der Aus- und Weiterbildung von Lehrern an kaufmännischen Schulen und von betrieblichen Ausbildern. Peter Preiß hat in den letzten Jahren viele Weiterbildungsseminare gehalten und ist dabei mit der Unzufriedenheit der Lehrer und Ausbilder konfrontiert gewesen. So konnte er aber auch seine Lösungsvorschläge vorstellen und sie im Detail mit den Praktikern diskutieren. Wie überzeugend seine Ideen und Vorschläge wirken, kann man daran ermessen, dass der "wirtschaftsinstrumentelle Ansatz" zur Zeit Grundlage der Lehrplanentwicklung fur kaufmännische Schulen in Niedersachsen ist. Im Rahmen eines Modellversuchs werden gerade umfangreiche Materialien erprobt. Andere Bundesländer planen ebenfalls, auf diesen Ansatz zurückzugreifen. Mit aller gebotenen Zurückhaltung kann man den vorgelegten Text als einen "Meilenstein" im Hinblick auf die erforderliche Anpassung der kaufmännischen Aus- und Weiterbildung an die

Vili

betrieblichen Erfordernisse kennzeichnen. Dabei ist unter einer pädagogischen Akzentsetzung wichtig, dass nicht die Unterordnung unter betriebliche Zwänge, sondern vielmehr die aktive W a h r n e h m u n g betrieblicher Probleme und das verantwortungsbewußte und

sachkundige

Ziehen von Schlussfolgerungen die zentralen Erziehungsziele sind - Zielsetzungen,

die

letztendlich auch am besten betrieblichen Notwendigkeiten entsprechen, wie es der T o p o s von der "Koinzidenz ökonomischer und pädagogischer Vernunft" zum Ausdruck bringt. Ich wünsche dem Buch eine weite Verbreitung - vor allem im Hinblick auf eine umfassende Neuausrichtung der Aus- und Weiterbildung auf dem Gebiet des Rechnungswesens.

Göttingen, im März 1999

Frank Achtenhagen

IX Vorwort D i e s e Arbeit ist nicht nur durch persönliche Erfahrungen und deren Aufarbeitung im Zusammenhang mit wissenschaftlichen Theorien und schulpraktischen Gegebenheiten entstanden, sondern auch das Ergebnis von Anregungen und Unterstützungen zahlreicher Personen aus dem universitären, schulischen und privaten Umfeld. Diesen Personen gilt mein Dank, auch wenn hier nicht alle namentlich erwähnt werden können. An erster Stelle möchte ich meinem akademischen Lehrer Herrn Prof. Dr. Dr. h. c. Frank Achtenhagen für die Ermutigungen und Ratschläge sowie die Geduld bei der Erstellung der Arbeit danken. Sein von der wirtschaftspädagogischen Tradition und modernen lehr-/lerntheoretischen Ansätzen geprägtes Engagement fur die Weiterentwicklung der Didaktik des Rechnungswesen war mir stets eine gute Orientierungshilfe. Herzlich bedanken möchte ich mich auch bei Herrn Prof. Dr. Lothar SchrufT. Der hier vorgestellte neue Ansatz des Rechnungswesenunterrichts ist durch die langjährige gemeinsame Arbeit mit Herrn Prof. Dr. Tade Tramm entscheidend geprägt. Seine kritischen Rückfragen und Hinweise auf mögliche Lösungswege sowie die gemeinsame Arbeit in Lehrplankommissionen und Lehrerfortbildungskursen haben dazu beigetragen, den „wirtschafisinstrumentellen Rechnungswesenunterricht" und die „Modellierungsmethode" zu begründen. Nach der ersten Präsentation des wirtschaftsinstrumentellen Ansatzes im Jahre 1989 führte die Zusammenarbeit mit Frau Dipl.-Hdl. Heidrun Bromberg zu den Grundzügen einer kognitionstheoretischen Modellierung des Rechnungswesenlehrstoffs. Ihr danke ich für die Unterstützung bei der Fassung eines bilanzunabhängigen Erklärungsmusters für die einfachsten und komplexesten Geschäftsvorfälle. Die 1996 vorgelegte Begründung der Modellierungsmethode veranlasste viele Referendarinnen und Referendare sowie Lehrerinnen und Lehrer, mich zu einer Weiterentwicklung und Präzisierung dieser Ideen zu drängen. Vor allem die ermutigenden Resultate der unterrichtlichen Umsetzung führten bei mir zu dem Entschluss, die begonnenen Teilarbeiten zusammenzufassen und auf einen Stand zu bringen, der die Gesamtkonzeption bis in den Weiterbildungsbereich hinein erkennen lässt. Meinem Kollegen Dr. Ulrich Getsch danke ich für die tatkräftige Unterstützung bei der Erstellung von Lernmaterialien und der Verbreitung der Ideen im schulischen Bereich. Und schließlich bedanke ich mich bei Frau Christel Schikora für die Hilfe und Geduld bei der technischen Fertigstellung der Arbeit. Göttingen, im März 1999

Peter Preiß

XI Inhaltsübersicht: 1

Wirtschaftsinstrumentelles Rechnungswesen als Innovation in der kaufmännischen Bildung

1

1.1 Allgemeine Innovationserfordernisse in der kaufmännischen Bildung

1

1.2 Spezielle Innovationserfordernisse im Rechnungswesenunterricht

2

1.3 Grundzüge des wirtschaftsinstrumentellen Ansatzes 2

13

Curriculare Bezugspunkte des wirtschaftsinstrumentellen Rechnungswesenunterrichts

16

2.1 Veränderte Qualifikationserfordernisse in der kaufmännischen Ausbildung

16

2.2 Orientierung an fachwissenschaftlichen Forschungs- und Ausbildungskonzeptionen

39

2.3 Das „Allgemeine Unternehmensmodell" als Hilfsmittel zum Verständnis der Buchungstechnik und ökonomischer Zusammenhänge

57

2.4 Vergleich der Modellierungsmethode mit traditionellen Konzeptionen des Rechnungswesenunterrichts

3

7

1.4 Zielsetzung und Aufbau der Darstellung

88

2.5 Elaborative und integrative Makrosequenzierung

127

2.6 Gestaltung der Lernmaterialien, Lernprozesse und Lernerfolgskontrollen im Sinne konstruktivistischer Prinzipien

147

Didaktische Konkretisierung der „Einführung in das betriebliche Rechnungswesen"

165

3.1 Erarbeitung formaler und inhaltlicher Grundlagen anhand ganzheitlicher Vorformen der doppelten Buchführung

165

3.2 Erarbeitung des Systems der doppelten Buchführung über die betriebswirtschaftliche Sicht der Leistungs- und Finanzierungsprozesse

244

3.3 Systematisierung und Festigung anhand der Organisation des Rechnungswesens..357 4

Curriculare Möglichkeiten zur Elaboration modellierter Crundstrukturen

376

4.1 Ausdifferenzierung und Erweiterung des Beschaffungs- und Absatzbereichs im Unternehmensmodell

376

4.2 Ausdifferenzierung und Erweiterung der Modellierung in der Personalwirtschaft..394 4.3 Umstrukturierung der Modellierung des Leistungsprozesses durch die Kostenrechnung

406

4.4 Ausdifferenzierung und Erweiterung im Zusammenhang mit langfristigen Finanzierungsentscheidungen

416

4.5 Ausdifferenzierung und Erweiterung der Modellierung im Rahmen der Anlagenwirtschaft 429 4.6 Ausdifferenzierung, Erweiterung und Zusammenfassung im handelsrechtlichen Jahresabschluss 5

445

Ausblick auf Implementation und Evaluation

455

5.1 Bisherige Schritte der Dissemination

455

5.2 Erfordernisse in der Lehreraus- und -Weiterbildung

456

5.3 Weitere Entwicklungs- und Forschungsarbeiten

459

Literatur

463

Sachregister

485

XIII

Inhaltsverzeichnis: 1

2.

Wirtschaftsinstrumentelles Rechnungswesen als Innovation in der kaufmännischen Bildung

1

1.1 Allgemeine Innovationserfordernisse in der kaufmännischen Bildung

1

1.2 Spezielle Innovationserfordernisse im Rechnungswesenunterricht

2

1.3 Grundzüge des wirtschaftsinstrumentellen Ansatzes

7

1.4 Zielsetzung und Aufbau der Darstellung

13

Curriculare Bezugspunkte des wirtschaftsinstrumentellen Rechnungswesenunterrichts

16

2.1 Veränderte Qualifikationserfordernisse in der kaufmännischen Ausbildung

16

2.1.1 Zielvorgaben in Ausbildungsordnungen, Rahmenlehrplänen, landesspezifischen Richtlinien und Prüííingsstoffkatalogen

16

2.1.2 Orientierungspunkte fachdidaktischer Zielpräzisierung

19

2.1.3 Konsequenzen des Wandels der Arbeitsbedingungen im Rechnungswesen ....28 2.1.4 Internationale Reformbemühungen in der Rechnungswesenausbildung 2.2 Orientierung an fachwissenschaftlichen Forschungs- und Ausbildungskonzeptionen

33

39

2.2.1 Zum Verhältnis fachwissenschaftlicher und beruflicher Inhalte

39

2.2.2 Die „systemorientierte Betriebswirtschaftslehre" als Ausgangspunkt integrativer Überlegungen

43

2.2.3 Einbeziehungen von Grundgedanken anderer betriebswirtschaftlicher Ansätze

48

2.2.4 Rechnungswesen-, bilanz- und kontentheoretische Grundlagen

51

2.3 Das „Allgemeine Unternehmensmodell" als Hilfsmittel zum Verständnis der Buchungstechnik und ökonomischer Zusammenhänge

57

2.3.1 Modellierungsobjekte und -Subjekte sowie Zusammenhänge verschiedenartiger Modelle

57

2.3.2 Güter- und Geldströme in volkswirtschaftlichen Kreislaufmodellen

69

2.3.3 „Wertkette" und „Wertschöpfiingskette" als Verknüpfung volkswirtschaftlicher und betriebswirtschaftlicher Perspektiven

72

2.3.4 Die Teilprozesse innerhalb eines Unternehmens und ihre monetäre Aspektuierung im Rechnungswesen

75

2.3.4.1 Die systemorientierte Betrachtung des Unternehmens in seiner marktlichen, sozialen und ökologischen Umwelt 2.3.4.2 Das repräsentative Modellunternehmen als Konkretisierung eines „Allgemeinen Unternehmensmodells" (Rechtsform, Größe, Branche, Produkte) 2.3.4.3 Die leistungs- und finanzwirtschaftlichen Teilprozesse im Unternehmensmodell

75

79 82

XIV

Inhaltsverzeichnis

2.4 Vergleich der Modellierungsmethode mit traditionellen Konzeptionen des Rechnungswesenunterrichts

88

2.4.1 Vergleich mit anderen Einstiegskonzeptionen

88

2.4.2 Hervorhebung des Leistungsprozesses

95

2.4.2.1 Wertmäßige Abbildung der Faktorkombination 2.4.2.2 Eigenkapitalunabhängige Einfuhrung der Erfolgskonten 2.4.2.3 Güterwirtschaftliche Interpretation von Aufwendungen, Erträgen, Gewinnen und Verlusten 2.4.3 Beginn mit einer Kapitalgesellschaft

95 99 104 112

2.4.4 Darstellung der Bilanzen als normierte, stichtagbezogene, externe Rechnungslegung

114

2.4.5 Erläuterung von Form und Inhalt der Konten sowie deren Ausdifferenzierung im Kontensystem

120

2.4.6 Intentionale Mehrdimensionalität und Interdependenz

122

2.5 Elaborati ve und integrative Makrosequenzierung

127

2.5.1 Die „Curriculumspirale" als Leitgedanke der Lehrstoffabfolge

127

2.5.2 Integrationserfordernisse in Abhängigkeit von der Lehrplanorganisation

137

2.5.3 Skizzierung einer sequenztheoretischen Strategie für die Entwicklung kaufmännischer Curricula

144

2.6 Gestaltung der Lernmaterialien, Lernprozesse und Lernerfolgskontrollen im Sinne konstruktivistischer Prinzipien

3

147

2.6.1 Grundsätze des Lernhandelns

147

2.6.2 Gestaltung und Einsatz der Arbeitsmittel

153

2.6.3 Systematisierungen: Lehrbücher, Lernprogramme

158

2.6.4 Lehrerverhalten

161

2.6.5 Lernerfolgskontrollen und Leistungsbewertung

162

Didaktische Konkretisierung der „Einführung in das betriebliche Rechnungswesen"

165

3.1 Erarbeitung formaler und inhaltlicher Grundlagen anhand ganzheitlicher Vorformen der doppelten Buchführung

165

3.1.1 Lektion 1: Der Kassenbericht als Grundmodell des Buch-Ist-Vergleichs 3.1.1.1 3.1.1.2 3.1.1.3 3.1.1.4

Zielsetzung und Aufbau der Lektion Belegbasierte Aufgaben und Arbeitsmittel Reflexion und Systematisierung Erweiterung zum privaten Haushaltsbuch

165 165 169 172 174

XV

Inhaltsverzeichnis

3.1.2 Lektion 2: Von der Inventur zur Bilanz - die monetäre Erfassung und normierte Darstellung eines Unternehmens zu einem bestimmten Zeitpunkt 3.1.2.1 Zielsetzung und Überleitung von der „täglichen" zur Jährlichen" Istaufnahme 3.1.2.2 Inventur beim Vorratsvermögen 3.1.2.3 Inventur bei den anderen Vermögensgegenständen und Schulden 3.1.2.4 Das Inventar als Abstrahierungshilfsmittel 3.1.2.5 Erarbeitung des Kapitalbegriffs anhand einer Nebenrechnung zum Inventar 3.1.2.6 Aufstellung und Interpretation der Bilanz 3.1.3 Lektion 3: Das Unternehmen hinter der Bilanz - Modellierung der Finanzierungs- und Leistungsprozesse und der Beziehungen zu anderen Wirtschaftseinheiten 3.1.3.1 Zielsetzung und Teilschritte 3.1.3.2 „Dynamisierung" der Bilanz mit Hilfe des „Allgemeinen Unternehmensmodells" 3.1.3.3 Verknüpfung von Einzelbilanzen in einer volkswirtschaftlichen Perspektive 3.2 Erarbeitung des Systems der doppelten Buchführung über die betriebswirtschaftliche Sicht der Leistungs- und Finanzierungsprozesse 3.2.1 Lektion 4\ Die Hauptbuchkonten als Modell der Wertbewegungen und -bestände zwischen den Bilanzierungszeitpunkten 3.2.1.1 Zielsetzung und Teilschritte 3.2.1.2 Eröffnung der Bestandskonten und Begründung der Buchungsregeln 3 .2.1.3 Die Erfolgskonten zur Erfassung des wertmäßigen Inputs und Outputs des Leistungsprozesses 3.2.2.4 Überwachung zentraler Größen während des Geschäftsjahres 3.2.2.5 Der erste Jahresabschluss ohne Bestandsveränderungen beim Vorratsvermögen 3.2.2 Lektion 5: Funktion der Bestände im Leistungsprozess und die Erfassung ihrer Veränderung 3.2.2.1 3.2.2.2 3.2.2.3 3.2.2.4 3.2.2.5

Zielsetzung und Teilschritte Wiederholung und Gewinnverwendung Bestandserhöhungen im Vorratsvermögen Bestandsminderungen im Vorratsvermögen Ermittlung und Ausweis eines Verlustes

175 175 180 184 192 199 211

220 220 224 241 244

244 244 252 262 276 281 295 296 301 305 309 314

3.2.3 Lektion 6: Die Belastung des Konsums durch die Besteuerung des Umsatzes bei der verkaufenden Unternehmung

316

3.2.3.1 Zielsetzung, Teilschritte und Zusammenhang mit anderen Lektionen 3.2.3.2 Verkauf an inländische Endverbraucher (Haushalte) 3.2.3.3 Verkauf an inländische Wiederverkäufer (Unternehmen) 3.2.3.4 Einkauf von inländischen Unternehmen 3.2.3.5 Umsatzsteuervoranmeldung und Begleichung der Zahllast 3.2.3.6 Vorsteuerüberhang und -erstattung

316 318 322 324 326 331

Inhaltsverzeichnis

XVI

3.2.4 Lektion 7: Berichtigung des Leistungswertes bei Nichtinanspruchnahme berechneter Leistungen 3.2.4.2 Zielsetzung und Teilschritte 3.2.4.2 Vollständige und teilweise Rücksendungen von Kunden 3.2.4.3 Nachträgliche Preisnachlässe gegenüber Kunden 3.2.4.4 Vorzeitige Bezahlung der Kunden mit Skontoabzug 3.2.4.5 Rücksendungen an und Gutschriften von Lieferanten 3.2.4.6 Bezahlung von Lieferantenrechnungen mit Skontoabzug 3.2.5 Lektion 8. Leistungsaustausch über die Staatsgrenzen (innergemeinschaftlich und mit Drittländern) 3.2.5.1 Zielsetzung und Teilschritte 3.2.5.2 Steuerfreier Export und EinfUhrumsatzsteuer beim Import aus Drittländern 3.2.5.3 Umsatzsteuer auf den innergemeinschaftlichen Erwerb 3.1.1.1 Erweiterung der volkswirtschaftlichen Betrachtung

336 336 339 341 343 345 347 349 349 350 353 3 56

3.3 Systematisierung und Festigung anhand der Organisation des Rechnungswesens..357 3.3.1 Lektion 9: Die Organisation der Konten im Hauptbuch und die Ergänzung des Hauptbuchs durch andere Instrumente 357 3.3.1.1 Zielsetzung und Teilschritte 357 3.3.1.2 Betriebsspezifische und normierte Gruppierung, Nummerierung und Vollständigkeitskontrolle von Konten durch Kontenplan und Kontenrahmen 359 3.3.1.3 Grundbuch (Journal, Prima Nota) und Hauptbuch 362 3.3.1.4 Nebenbücher innerhalb und außerhalb des Hauptbuchs 365 3.3.1.5 Die Hauptabschlussübersicht 367 3.3.2 Lektion 10: Rationalisierung und Effektivierung der Buchführung durch Finanzbuchhaltungsprogramme 3.3.2.1 Zielsetzung 3.3.2.2 Arbeit mit einem kommerziellen Finanzbuchhaltungsprogramm 3.3.2.3 Erklärung wichtiger Strukturen eines Finanzbuchhaltungsprogramms 4. Curriculare Möglichkeiten zur Elaboration modellierter Grundstrukturen 4.1 Ausdifferenzierung und Erweiterung des Beschaffungs- und Absatzbereichs im Unternehmensmodell

371 371 373 374 376

376

4.1.1 Bezugskosten - Anschaffungsnebenkosten

376

4.1.2 Kosten des Absatzes und Nebenleistungen

380

4.1.3 Sonderformen der Bezahlung

386

4.2 Ausdifferenzierung und Erweiterung der Modellierung in der Personalwirtschaft..394 4.2.1 Modellierung der sozial abgesicherten Arbeitsbeziehungen

394

4.2.2 Buchung der Entgeltabrechnung

395

4.2.3 Sonstige Personalaufwendungen, insbesondere Reisekostenabrechnung

402

4.2.4 Pensionszusagen und Pensionsleistungen

404

Inhaltsverzeichnis

XVII

4.3 Umstrukturierung der Modellierung des Leistungsprozesses durch die Kostenrechnung 4.3.1 Kostenrechnung als Neumodellierung des Leistungsprozesses

406

4.3.2 Die Aufspaltung des Leistungsprozesses

408

4.3.3 Einzelkosten und Gemeinkosten

412

4 . 4 Ausdifferenzierung und Erweiterung im Zusammenhang mit langfristigen Finanzierungsentscheidungen

416

4.4.1 Rechtsform und Eigenkapitalveränderungen

416

4 . 4 . 2 Unternehmensaufspaltung und Beteiligungen

426

4.4.3 Ausdifferenzierung der Eigen- und Fremdfinanzierung sowie der Finanzanlagen

428

4.5 Ausdifferenzierung und Erweiterung der Modellierung im Rahmen der Anlagenwirtschaft

429

4.5.1 Anlagenwirtschaft und periodenübergreifende Modellierungen

429

4.5.2 Erster Geschäftsgang

430

4.5.3 Zweiter Geschäftsgang (Folgeperiode)

440

4 . 5 . 4 Miete und Vermietung von Anlagevermögen

445

4 . 6 Ausdifferenzierung, Erweiterung und Zusammenfassung im handelsrechtlichen Jahresabschluss

5.

406

445

4.6.1 Bilanzierungs- und Bewertungswahlrechte bei Anlage- und Umlaufvermögen sowie bei Schulden

445

4.6.2 Zeitliche Abgrenzung

446

4.6.3 Der vollständige Jahresabschluss (Einzelabschluss)

452

4.6.4 Der Konzernabschluss

453

Ausblick a u f Implementation und Evaluation

455

5.1 Bisherige Schritte der Dissemination

455

5.2 Erfordernisse in der Lehreraus- und -Weiterbildung

456

5.3 Weitere Entwicklungs- und Forschungsarbeiten

459

Literatur

463

Sachregister

485

XIX

Abbildungsverzeichnis Nr.

Titel

2-1 : Zuordnung von Wertflüssen zu Kontenseiten

55

2-2:

Allgemeine monetäre Sicht des Unternehmens

57

2-3:

Referenzsystem mentaler Modelle

60

2-4:

Mentale Modelle im unterrichtlichen Referenzsystem

61

2-5:

Zusammenhang von Basis- und Informationssystem

62

2-6:

Rohstoffverbrauch

63

2-7:

Mathematische Modellbildung

65

2-8:

Wirtschaftsinstrumentelle Modellbildung im Rechnungswesenunterricht

66

2-9:

Rechnungswesen unter Einbeziehung informationstechnischer Modellierung

68

2-10: Güter- und Geldströme im einfachen Wirtschaftskreislauf

70

2-11 : Güter- und Geldströme im erweiterten Wirtschaftskreislauf

71

2-12: Einfache Wertkette über mehrere Unternehmen

73

2-13: Wertkette innerhalb eines Unternehmens

73

2-14: Die Wertkette im Leistungs- und Gegenleistungskreislauf

74

2-15: Das Unternehmen in seiner Umwelt

76

2-16: Real- und Nominalgüterströme durch die Unternehmung

77

2-17: Informations-, Güter- und Geldumlauf

77

2-18: ökologisch erweiterter betrieblicher Umsatzprozess

78

2-19: Bezugspunkte des Modellunternehmens

80

2-20: Prozesse und Bestände im .Allgemeinen Unternehmensmodell"

83

2-21 : Hinführung zum .Allgemeinen UnternehmensmodeH"

87

2-22: Abbildung des Leistungsprozesses auf dem Eigenkapitalkonto

101

2-23: Netz zur Erklärung der Eigenkapitalveränderung

112

2-24: Auszug aus dem Hauptbuch mit tabellarischen Konten

121

2-25: Die Curriculumspirale

129

2-26: Elaborationstheoretische Anordnung der Rechnungsweseninhalte

132

2-27: Betriebswirtschaftliche Abstraktion über Bilanzpositionen

135

2-28: Inventarverzeichnis im Planspiel Jeansfabrik

142

2-29: Querverweise zwischen den 16 Lerngebieten in den niedersächsischen Richtlinien für den Ausbildungsberuf „Bürokaufmann/Bürokauffrau" 144 2-30: Die Curriculumspiralen in der Curriculumspirale

146

3-1 :

Kassenbestand und Kassenbuch

167

3-2:

Kassendifferenzen

173

3-3:

Beispiel einer Anlagenkarte

186

3-4:

Auszug aus Inventurunterlagen zu den Forderungen

188

3-5:

Auszug aus den Inventurunterlagen zu den Verbindlichkeiten

190

3-6:

Vereinfachte Wertestruktur eines Modellunternehmens

198

3-7:

Mögliche Nebenrechnungen zum Inventar

204

Abbildungsverzeichnis

XX

3-8:

Herkömmliche Bilanzwaage

3-9:

W a a g e als Analogiemodell für Nebenrechnungen zum Inventar

208 209

3-10: Aufteilung des Vermögens

211

3-11: Bilanzstruktur

213

3-12: Aufbereitetes Bilanzschema des H G B

215

3-13: Kommunizierende Röhren als Analogiemodell zur Bilanz

218

3-14: Zeigerrnodell für die Bilanz

218

3-15: Wertströme bei der Bargründung

226

3-16: Wertströme der Aufbauphase eines Unternehmens

229

3-17: Wertströme zur Aufnahme der Betriebstätigkeit

231

3-18: Wertströme einschließlich des Umsatzprozesses

233

3-19: Wertströme bei voller Betriebstätigkeit

236

3-20: Wertströme zur Erklärung der Bilanz aus der Finanzierungssicht

239

3-21 : Wertströme zur Erklärung der Bilanz aus der Liquidierbarkeitssicht

240

3-22: Arbeitsblatt zur Verknüpfung von Einzelbilanzen

242

3-23: Ausgefülltes Arbeitsblatt zur Verknüpfung von Einzelbilanzen

243

3-24: Tabellarisches Hauptbuchkonto

253

3-25: Werteflüsse bei Konteneröffnung mit Eröffnungsbilanzkonto

255

3-26: Werteflüsse bei Konteneröffnung ohne Eröffnungsbilanzkonto

256

3-27: Werteflüsse bei Bankeinzahlung und Überweisung

258

3-28: Beispiel einer Kontierung

259

3-29: Wertefluss bei der Bezahlung von Ausgangsrechnungen

261

3-30: Werteströme bei Verkäufen auf Ziel

264

3-31 : Werteflüsse bei der Materialbeschaffung auf Ziel

267

3-32: Werteflüsse bei der Vergütung der Arbeitskraft

270

3-33: Grundzusammenhänge im Leistungsprozess

272

3-34: Werteflüsse bei Zins- und Tilgungszahlungen

275

3-35: Controlling-Arbeitsblatt .Quartalsübersicht"

277

3-36: Wertströme bei Investitionen mit Fremdfinanzierung

280

3-37: Vereinfachter, falscher Konten- und Bilanzzusammenhang

282

3-38: Vereinfachter, richtiger Konten- und Bilanzzusammenhang

283

3-39: Werteflüsse bei Abschreibungen auf Sachanlagen

284

3-40: Werteflüsse bei Arbeitnehmer-Gewinnbeteiligung

286

3-41 : Wertefluss für Körperschaftsteuer und Gewinn

288

3-42: Abbildung der wertmäßigen Leistungstransformation mithilfe des Gewinn- und Verlustkontos

290

3-43: Abbildung der Bestandsverrechnung mithilfe des Schlussbilanzkontos

293

3-44: Die Werteflüsse bei der Gewinnverwendung und Steuerzahlung

304

3-45: Die Werteflüsse im Leistungsprozess bei Bestandserhöhungen

306

3-46: Werteflüsse bei Werbeausgaben und Spenden

311

3-47: Werteflüsse im Leistungsprozess bei Bestandsverminderungen

312

Abbildungsverzeichnis

XXI

3-48: Arbeitsblatt zur Ermittlung der betrieblichen Leistung

313

3-49: Wertefluss zur Abbildung des Verlustes

315

3-50: Umsatzsteuer bei Verkäufen an Endverbraucher

321

3-51 : Umsatzsteuer bei Verkäufen an .Wiederverkäufer

323

3-52: Vorsteuererstattungsansprüche bei Einkäufen und Umsatzsteuer bei Verkäufen

325

3-53: Umsatzsteuerermittlung und Umbuchung

329

3-54: Zahlung der Umsatzsteuerzahllast

330

3-55: Erhalt der Vorsteuererstattung

332

3-56: Entstehung und Verteilung der Wertschöpfung

333

3-57: Entstehung und Verteilung d e s Mehrwerts

334

3-58: Wertkette im volkswirtschaftlichen Güterkreislauf

335

3-59: Umsatzsteuer im volkswirtschaftlichen Kreislauf

335

3-60: Wertflüsse bei den von Kunden zurückgesandten Erzeugnissen

340

3-61 : Werteflüsse bei Gutschriften für mangelhafte Lieferung

342

3-62: Lieferung auf Ziel und vorzeitige Bezahlung

343

3-63: Werteflüsse bei der Zahlung eines Kunden mit Skontoabzug

344

3-64: Anschaffungspreiskorrekturen bei Rücksendungen und Gutschriften

346

3-65: Werteflüsse bei Anschaffungspreiskorrekturen durch Lieferantenskonti

348

3-66: Umsatzsteuer beim Güteraustausch mit Drittländern

352

3-67: Umsatzsteuer im innergemeinschaftlichen Güteraustausch

355

3-68: Erweiterung des volkswirtschaftlichen Kreislaufs um Auslandsbeziehungen

356

3-69: Formaler Aufbau eines Grundbuchs

363

3-70: Vollständiger Zusammenhang von Inventur, Bilanz, Grund- und Hauptbuch

365

3-71: Einfache und doppelte Buchführung sowie Kostenrechnung

367

3-72: Abschlussübersicht

369

3-73: Aufbau einer vereinfachten schulischen Abschlussübersicht

369

4-1 :

Werteflüsse bei Material- und Warenbezugskosten

377

4-2:

Beschaffung von Büromaterial und sonstigen Leistungen

379

4-3:

Werteflüsse bei der direkten Abschreibung einer Forderung

382

4-4:

Bildung und Erhöhung von Wertberichtigungen zu Forderungen

384

4-5:

Auflösung von Wertberichtigungen zu Forderungen

385

4-6:

Werteflüsse bei Inzahlungnahme und Diskontierung eines W e c h s e l s

388

4-7:

Werteflüsse bei Inzahlungnahme und Weitergabe eines Wechsels

390

4-8:

Werteflüsse bei Ausstellung eines Schuldwechsels

391

4-9:

Werteflüsse bei Einlösung eines Schuldwechsels

392

4-10: Werteflüsse bei Wechselprotest und Rückrechnung

393

4-11 : Werteflüsse der Lohn- und Gehaltsabrechnung mit einbehaltenen Abzügen

396

4-12: Überweisung der einbehaltenen Sozialversicherung und Steuern

397

4-13: Werteflüsse bei Gewährungeines Lohn- bzw. Gehaltsvorschusses an Mitarbeiter

399

4-14: Werteflüsse bei Verrechnung eines V o r s c h u s s e s in der Lohn- und Gehaltsabrechnung

400

Abbildungsverzeichnis

XXII

4-15: Wertflüsse bei Verkäufen an Mitarbeiter

401

4-16: Werteflüsse bei der Reisekostenabrechnung

403

4-17: Werteflüsse bei Pensionsleistungen und Pensionszusagen

405

4-18: Aufspaltung des betrieblichen Leistungsprozesses

409

4-19: Einstufige Trennung von Einzel- und Gemeinkosten

413

4-20: Untergliederung des Kostenbegriffs

414

4-21: Mehrstufige Trennung von Einzel- und Gemeinkosten

415

4-22: Werteflüsse bei der Bargründung einer Einzelunternehmung

417

4-23: Werteflüsse bei Privatentnahme in Einzelunternehmen

418

4-24: Werteflüsse bei der Gewinnverwendung in Einzelunternehmen

420

4-25: Alternative Darstellung der Werteflüsse bei Einzelunternehmen

422

4-26: Unternehmensmodell der Kommanditgesellschaft

423

4-27: Werteflüsse beim Aufbau einer GmbH & Co. KG

424

4-28: Werteflüsse bei Mitarbeiterentlohnung in einer GmbH & Co. KG

425

4-29: Werteflüsse bei dem Aufbau einer Vertriebsgesellschaft

426

4-30: Leistungsbeziehungen einer Vertriebsgesellschaft

427

4-31 : Werteflüsse bei der Anlageninvestition mit Anschaffungsnebenkosten

431

4-32: Werteflüsse bei Anlagenverkäufen zum Buchwert

432

4-33: Werteflüsse bei eigener und fremder Instandhaltung der Anlagen

434

4-34: Werteflüsse bei aktivierten Eigenleistungen

436

4-35: Werteflüsse bei Anlagen im Bau und Anzahlungen auf Sachanlagen

438

4-36: Werteflüsse bei außerplanmäßigen Abschreibungen und Abschreibungen der geringwertigen Wirtschaftsgüter

439

4-37: Werteflüsse bei Zuschreibungen und Umbuchungen

441

4-38: Werteflüsse bei Anlagenverkäufen unter Buchwert

442

4-39: Werteflüsse bei Anlagenverkäufen über Buchwert

444

4-40: Werteflüsse bei Miete, Verpachtung und Kreditgewährung mit Disagio

448

4-41 : Werteflüsse bei der Bildung aktiver und passiver Rechnungsabgrenzungen

449

4-42: Zeitliche Abgrenzung über übrige sonstige Forderungen und Verbindlichkeiten

451

I

1.I Allgemeine Innovationserfordernisse in der kaufmännischen Ausbildung

1

Wirtschaftsinstrumentelles Rechnungswesen Innovation in der kaufmännischen Bildung

1.1

Allgemeine Innovationserfordernisse schen Bildung

in der

als

kaufmänni-

In den letzten Jahrzehnten haben verschiedene fachdidaktische Untersuchungen die Notwendigkeit curricularer Veränderungen in der kaufmännischen Berufsausbildung hervorgehoben. Analysen von Lehrplänen, Lehrbüchern, Prüñingsaufgaben und Unterrichtseinheiten (Krumm 1973, Reetz/Witt 1974, Achtenhagen 1984, Holzmann 1978, Seemann/Tramm 1988, Rebmann 1994) lassen dabei fur den schulischen Teil der kaufmännischen Berufsausbildung ein Bedürfnis nach konstruktiven Alternativen zu tradierten Lernzielen, -Inhalten und Unterrichtsformen erkennen. Die aufgezeigten Defizite sowie die im vergangenen Jahrzehnt in der Unterrichtsforschung eingeleitete „konstruktive Wende" (Achtenhagen 1982, S. 9ff.) unter Berücksichtigung der Inhaltskomponente der Lehr-Lern-Prozesse (Achtenhagen 1991) bilden die Grundlagen fur die konstruktiv-evaluatorische (Tramm 1992) Ausrichtung der Fachdidaktik Wirtschaftslehre. Dabei gehen starke Impulse von der Kognitions- und Handlungstheorie (Aebli 1980, 1981) sowie von Vorschlägen im Rahmen ihrer Rezeption (Gerdsmeier 1980; Halfpap 1983, Söltenfuß 1983, Neumann/Dröge 1983, Reetz 1984, Achtenhagen 1984, Sievers 1984, Tramm 1984, Giesbrecht/Reinisch 1984, Kaiser 1987) aus.

Diesen auf die kaufmännische Ausbildung bezogenen Forderungen entsprechen die derzeitigen internationalen pädagogischen Bemühungen zur Verbesserung der schulischen Ausbildung durch „konstruktivistische Lernumgebungen", die auf dem Ansatz „Situated Cognition" (Brown/Collins/Duguid

1989) aufbauen. In ihnen soll schulisches Lernen sowohl methodisch

als auch inhaltlich stärker auf den Verwendungskontext des zu erwerbenden Wissens und Könnens hin ausgerichtet werden. Markante Ausprägungsformen dieser Überlegungen sind die Ansätze des „Cognitive Apprenticeship" {Collins/Brown/Newman

1989), „Anchored In-

struction" (Cognition and Technology Group at Vanderbilt 1990, 1993), „Problem-Based Learning" ( S a v a r y / D u j f y 1995; Gijselaers

et al. 1995) und

„Goal-Directed-Learning"

(Schank/Cleary 1995, S. 157ff ).

Begleitet, gefordert und gefordert werden diese aus psychologischer und pädagogischer Sicht notwendigen Veränderungen schulischen Lernens durch veränderte Qualifikationserfordernisse in der beruflichen und außerberuflichen Lebenswelt. Die Zielsetzungen liegen dabei in

1. \Vi>1sci tuftsinst run Witti! Iles Rechnungswesen als Innovation in tier kaufmännischen Bildung

2

der Verbesserung der Flexibilität, des Transfers, der Behaltensleistung, der Vernetzung des Wissens und Könnens sowie der Motivation zum Lernen und Arbeiten.

Diese Neuorientierung bedarf neben der programmatischen Ausrichtung, die in Schlagworten wie „Schlüsselqualifikationen" oder „Handlungskompetenz" zum Ausdruck kommt, vor allem einer Umsetzung in konkrete didaktische Konstruktionen, die sich deutlich vom traditionellen Vorgehen unterscheiden. Dabei sind die normativen und theoretischen Bezugspunkte solcher Neukonstruktionen offenzulegen, zu begründen und gegebenenfalls zu rechtfertigen. Die Effektivität solcher Innovationen ist über empirische Forschung zu evaluieren. Dass dabei die Gefahr besteht, durch methodische Neuarrangements die curriculare Dimension aus den Augen zu verlieren, zeigt die Diskussion um die Konzeption der „Handlungsorientierung", die oft auf das Methodenrepertoire bzw. auf ein „Umsortieren" alter Inhalte verkürzt wird. Deshalb sind vor allem auch inhaltlich neue Wege aufzuzeigen.

1.2

Spezielle Innovationserfordernisse im Rechnungswesenunterricht

Das Rechnungswesen ist aus historischer Sicht ein Kernelement kaufmännischer Bildung1, das in seinen Ursprüngen weit in die Menschheitsgeschichte zurückreicht. Wenn man seine ersten Dokumentationen nicht schon in der Höhlenmalerei der Steinzeit sieht, taucht es erstmals in den Hochkulturen Mesopotamiens und Ägyptens auf, die über die Erbringung und Verwendung von Ressourcen detaillierte Aufzeichnungen benötigten. Aus dem administrativreligiösen Kontext wurden die Aufzeichnungstechniken in den Handel übernommen, der zu seiner Verbreitung und Weiterentwicklung beitrug. Dabei ist die zwischen dem 12. und 15. Jahrhundert n. Chr. erfolgte Erfindung der doppelten Buchführung (vgl. Reitlisch 1991, S. 51) ein bedeutender Markstein in der Entwicklung des Rechnungswesens (zur historischen Entwicklung der Buchhaltung vgl. Stiegler 1958; Schaub 1993, S. 5 ff. und Schiller 1998, S. 8ff).

Die Erfindung und Verbreitung von Zahlen- und Buchstabensystemen und somit des Rechnens, Schreibens und Lesens sind historisch eng mit der zunehmenden Notwendigkeit verknüpft, kaufmännisch-administrative Probleme zu bewältigen. Aus pragmatisch-ökonomi1

Schär (1913, S. 4) bezcichnct den Unterricht in Buchhaltung als „den eisernen Bestandteil des Leluplans" kaufmännischer Schulen. Bei dieser Übernahme betriebswirtschaftlicher Terminologie in einen curricularen Zusammenhang konnte er nicht alinen, dass die heutigen Bestrebungen der Unternehmen zur Reduzierung der Bestände im Vorratsvennögen mit curricularen Bestrebungen zur Reduktion des Rechnungswesenunterrichts zusammentreffen.

/. 2 Spezielle Innovationserfordernisse

im

Rechnungswesenunterricht

3

sehen Kontexten heraus haben sich nicht nur diese allgemeinen Kulturtechniken entwickelt, sondern auch speziellere kaufmännische Instrumente und Verfahrensweisen. Rechnungswesen und Schriftverkehr (heute: Bürokommunikation) sind die ältesten kaufmännischen Ausbildungsinhalte. Sie sind zugleich von den organisatorischen und technischen Veränderungen in der Berufspraxis stark betroffen. .Die Buchhaltung ist die e r s t e d e r v e r s c h i e d e n e n k a u f m ä n n i s c h e n Disziplinen, die literarisch b e a r b e i t e t und a u c h s c h u l m ä ß i g , d. h. a u ß e r h a l b d e s Kontors, vermittelt wurde. E s ist nicht Zufall, d a ß d a s E r s c h e i n e n d e s e r s t e n g e d r u c k t e n W e r k e s ü b e r Buchhaltung und die Errichtung d e r e r s t e n k a u f m ä n n i s c h e n S c h u l e u n g e f ä h r in die gleiche Zeit fallen. Bekanntlich hat L u c a s Paccioli, d e r e r s t e Schriftsteller d e r Buchhaltung, im J a h r e 1494 in Venedig ein W e r k veröffentlicht: , S u m m a d e Arithmetica G e o m e t r í a Proportioni et Proportionally', in d e s s e n XI. T r a k t a t u s e i n e vollständige Darstellung d e r .doppelten Buchf ü h r u n g ' enthalten ist, und in Venedig hat a u c h a m A u s g a n g d e s 15. J a h r h u n d e r t s die e r s t e H a n d e l s s c h u l e b e s t a n d e n , a n d e r e n Unterricht a u c h a b und zu d e u t s c h e Kaufleute teilnahmen" ( S c / i â r 1 9 1 3 , S. 3ff.) 2 .

In Deutschland kann ab 1530 von einem Buchführungsunterricht an Schreib- und Rechenschulen ausgegangen werden, der aber den Rückstand der Buchführung deutscher Kaufleute gegenüber Italien nicht überwinden konnte (vgl. Reinisch 1991, S. 171 ff.). Die Anfang des 16. Jahrhunderts bekannteste deutsche Buchhaltung der Fugger und die darauf aufbauende Musterbuchhaltung des Matthäus Schwarz3 legte den Schwerpunkt auf die Aufzeichnung und Kontrolle der Wertbewegungen und weniger auf den regelmäßigen und die Erfolgsquellen aufweisenden Abschluss.

Als eine Verbesserung der Buchführungsausbildung kann die „Verschulung" der Berufsbildung infolge der im 18. Jahrhundert gegründeten Handelsschulen und Handelsakademien und der damit einhergehenden Professionalisierung der Lehrer gesehen werden (vgl. Reinisch 1991, S. 404 ff , und 1996, S. 50).

Eine besonders hervorzuhebende Innovation stellt der Ansatz von Philipson dar, der darauf abzielt, nicht durch mechanisches Auswendiglernen, sondern durch verständnisfördernde Lernangebote, das System der doppelten Buchführung zu vermitteln. Dieser Ansatz geht von dem Modellunternehmen des Tucheinzelhändlers Cosmus und seinen ersten 23 Geschäften im Zusammenhang mit dem Warenverkehr aus. Über die Korrespondez mit einem fiktiven Sohn,

2

Reinisch (1996. S. 77) weist darauf hin, dass Benedclto Colrugli aus Ragusa (Dubrovnik) bereits 1458 eine knappe und unsystematische Darstellung der doppelten Buchführung verfasst halle.

3

M. Schwartz halte in Venedig die doppelte Buchführung erleml und musste bei seinem Eintritt in Fuggers Dienste erkennen, dass seine Kenntnisse gering waren und er besser in Augsburg die Buchführung erlernt liälte. Die von ihm nach zweijähriger Dienstzeil verfasste und auf die Fuggerschcn Verhältnisse zugeschnittene Musterbuchlialtung solile primär eine Gedächtnishilfe sein.

4

J. Wirtschaftsinstrumentelles Recìmungswesen als Innovation in der kaufmännischen Bild

der auswärts seine kaufmännische Lehre absolviert, werden über 24 Briefe problembezogene Lernhilfen geboten (Remisch 1991, S. 532 ff ).

Wesentliche inhaltliche Innovationen im Rechnungswesen und in der Ausbildung der Diplom-Handel slehrer gingen von den ab 1898 gegründeten Handelshochschulen und der damit erfolgenden Etablierung der Betriebswirtschaftslehre als eigenständiger wissenschaftlicher Disziplin aus. Die wissenschaftliche Bearbeitung der Buchführung hat die Entwicklung der Rechnungslegungsvorschriften und der Kostenrechnung entscheidend vorangetrieben. Diese Beschäftigung erfolgte unter dem Aspekt der Industrialisierung, Inflation und Problemen bei der Kapitalbeschaffung. Begleitet wurde die Entwicklung des Rechnungswesens von einer fortschreitenden manuellen, mechanischen und elektronischen Rechentechnik.

In der heutigen Zeit des Übergangs von der Industrie- zur Dienstleistungs- und Informationsgesellschaft mit den Begleiterscheinungen des sinkenden Arbeitskräftebedarfs infolge von Automatisierung, Unternehmenskooperationen und -fusionen, Globalisierung und europäischem Binnenmarkt mit einheitlicher Währung sowie der stärkeren Erhaltung natürlicher Ressourcen wird das Rechnungswesen sowohl in der Wissenschaft als auch in der Praxis weiterentwickelt. Insbesondere die Automatisierung infolge der Verbreitung der neueren Informations· und Kommunkationstechnologien und die damit einhergehende Verringerung der anfallenden Routinearbeiten bis hin zur vollständigen elektronischen Abwicklung des Geschäftsverkehrs wirft derzeit ganz deutlich die Frage nach der Stellung der Rechnungswesenausbildung in den verschiedenen kaufmännischen Ausbildungsgängen auf.

Hinzu kommt, dass die zum Rechnungswesenunterricht vorliegenden Analysen, insbesondere für den Anfangsunterricht, eine starke formalistische Ausrichtung des Rechnungswesenunterrichts aufzeigen. Diese wird auch im Fortgeschrittenenunterricht nur begrenzt überwunden. Auch der unterrichtliche Einsatz des Computers mit Finanzbuchhaltungsprogrammen verstärkt oft noch diese Gefahr, wenn die Formalismen um die Bedienung eines speziellen Programms erweitert werden.

Die historische Entwicklung des Rechnungswesens und die aktuellen Herausforderungen können unterschiedlich interpretiert werden. Traditionalisten sehen die doppelte Buchführung als Hauptbereich des Rechnungswesens eher als einen gesicherten Wissensbestand, der eine feste logische Struktur hat und in der Weise unterrichtet werden muss, wie sie ihn selbst erlernt haben. Dies gilt insbesondere für den Anfangsunterricht, wo sie den geringsten Veränderungs-

1.2 Spezielle Innovationserfordernisse im Rechnungswesenunterricht

J

b e d a r f sehen. E i n e g e g e n t e i l i g e Sicht betont die v e r ä n d e r t e n A r b e i t s b e d i n g u n g e n und dabei den g e r i n g e r e n „ B u c h u n g s b e d a r f ' in der k a u f m ä n n i s c h e n Praxis. D a r a u s ergibt sich d i e F o r d e r u n g nach einer zeitlichen und inhaltlichen R e d u k t i o n der A u s b i l d u n g in d i e s e m Inhaltsbereich. D a n a c h soll w e n i g e r „ g e b u c h t " u n d m e h r „ a u s g e w e r t e t " w e r d e n .

D i e traditionalistische Position legt sehr viel G e w i c h t auf die B u c h u n g s - u n d R e c h e n t e c h n i ken, v o r allem in der A n f a n g s p h a s e . Ü b e r die E i n z e l f ä l l e u n d V a r i a n t e n w e r d e n d e r Sinn dieser T e c h n i k e n und d i e F o l g e n fur ö k o n o m i s c h e E n t s c h e i d u n g e n vernachlässigt. Diejenig e n , die w e n i g e r „ b u c h e n " und m e h r „ a u s w e r t e n " w o l l e n , v e r k e n n e n hingegen, d a s s die A u s w e r t u n g v o n D a t e n K e n n t n i s s e ü b e r ihr Z u s t a n d e k o m m e n verlangt. W e n n a g g r e g i e r t e D a t e n als F a k t e n und nicht als Interpretationen v o n Wirklichkeit g e s e h e n w e r d e n , wird die Kritikund H a n d l u n g s f ä h i g k e i t vermindert. Ein innovatorischer A n s a t z m u s s deshalb T e c h n i k und V e r s t ä n d n i s in ein a u s g e w o g e n e s Verhältnis bringen. Dazu m ü s s e n traditionelle (interpretiert als „ k l a s s i s c h e " ) C u r r i c u l u m e l e m e n t e identifiziert und von kritiklos tradierten u n t e r s c h i e d e n w e r d e n . Damit ist das generelle Anliegen dieser Arbeit umrissen: die klassischen E l e m e n t e d e s k a u f m ä n n i s c h e n C u r r i c u l u m s , zu denen u n z w e i f e l h a f t die d o p p e l t e B u c h f ü h r u n g zählt, in eine d e n h e u t i g e n Q u a l i f i k a t i o n s e r f o r d e r n i s s e n und d e m heutigen Stand der L e h r - L e r n f o r s c h u n g e n t s p r e c h e n d e K o n z e p t i o n zu bringen.

Im k a u f m ä n n i s c h e n R e c h n u n g s w e s e n v e r g e g e n s t ä n d l i c h e n sich in d i e s e m S i n n e d i e v o n einer B e r u f s g r u p p e e n t w i c k e l t e n Hilfsmittel zur E n t f a l t u n g und V e r b e s s e r u n g der Rationalität ö k o n o m i s c h e n H a n d e l n s . P r o f e s s i o n e l l e s k a u f m ä n n i s c h e s D e n k e n und H a n d e l n

unterscheidet

sich v o n n a i v e m w i r t s c h a f t l i c h e n H a n d e l n v o r allem d a d u r c h , dass E n t s c h e i d u n g e n auf der G r u n d l a g e quantitativ a u f b e r e i t e t e r I n f o r m a t i o n e n g e t r o f f e n w e r d e n . D i e in der k a u f m ä n n i schen A u s b i l d u n g e r f o r d e r l i c h e E r z i e h u n g zu k o m p e t e n t e m und v e r a n t w o r t l i c h e m ö k o n o m i schen H a n d e l n verlangt deshalb auch g a n z wesentlich, dass k a u f m ä n n i s c h e A u s z u b i l d e n d e s o l c h e quantitativen I n f o r m a t i o n s s y s t e m e w i e das betriebliche R e c h n u n g s w e s e n z u r E r f ü l l u n g ihrer A r b e i t s a u f g a b e n , zur intellektuellen D u r c h d r i n g u n g ihres T u n s und schließlich a u c h zur W a h r n e h m u n g ihrer e i g e n e n Interessen nutzen k ö n n e n . D e r R e c h n u n g s w e s e n u n t e r r i c h t darf d e s h a l b w e d e r bei d e r f o r m a l e n u n d m e c h a n i s c h e n

Bearbeitung von Informationen

im

R a h m e n isolierter A u f g a b e n stehen bleiben noch erst bei der A u s w e r t u n g v o n D a t e n ansetzen, s o n d e r n m u s s das E n t s t e h e n dieser I n f o r m a t i o n e n in ihrem ö k o n o m i s c h e n K o n t e x t vollziehen und thematisieren.

6

1. Wirtschaftsinstrumentelles Rechnungswesen als Innovation in der kaufmännischen Bildung

Angesichts der bisher stattgefundenen und in der Zukunft zu erwartenden Veränderungen im Berufsleben darf die Beherrschung der Rechen- und Buchungstechniken nicht das primäre Ziel des Rechnungswesenunterrichts sein. Diese Techniken und ihre Anwendung im Unterricht müssen jedoch als Handlungselement zur Herausbildung stabiler kognitiver Strukturen dienen. Der Rechnungswesenunterricht soll nicht zum „Buchhalter"4, sondern zum „Kaufmann" qualifizieren. Kaufleute müssen aber „kalkulieren" und „kontrollieren" können. Diese und andere kaufmännischen Fähigkeiten werden nicht durch Reproduktion von Wissen oder unreflektiertes Anwenden von Regeln erworben, sondern durch zielbezogene Informationsverarbeitung unter Nutzung der vorhandenen Technologien.

Die traditionelle Ausbildung im Rechnungswesen, insbesondere im Anfangsunterricht, ist im Grundsatz vielfach noch an dem autonomen Handelsunternehmen des „königlichen Kaufmanns" (vgl. hierzu Zabeck 1984, S. 182fF.) orientiert, wobei dem „Buchhalter" nur die Gehilfenrolle („Kaufmannsgehilfe") ohne Entscheidungsbefugnis zufällt. Korrekte Dokumentation, richtiges Rechnen und Einhaltung teilweise nicht mehr benötigter Formalismen stehen oft im Vordergrund. Das System der doppelten Buchführung 5 wird als Selbstzweck gelehrt und gelernt. Die Einsicht, für welche Probleme es die Lösung ist, steht entweder hintenan oder diese Zwecke werden verbal vorweggestellt ohne Bezugnahme zu der zu vermittelnden Technik, d. h. das Instrumentarium des Rechnungswesens und sein ökonomischer Sinnbezug werden getrennt vermittelt. Dies geschieht in der Absicht, das Lernen zu erleichtern. Dabei wird jedoch nicht berücksichtigt, dass durch diesen Entzug von Sinnhaftigkeit nur das kurzfristige Memorieren erleichtert, das Verknüpfen mit anderen Inhalten und damit auch das Behalten jedoch erschwert werden.

Nach kognitiven Lerntheorien kann dauerhaftes Behalten am besten durch einen sorgfältigen Wissensaufbau über Handlungen, deren Reflexion und vielfache Einbindung in vorhandene kognitive Strukturen erreicht werden. Im Sinne behavioristischer Lerntheorien kann es am besten durch Übung mit gelegentlicher Verstärkung vermittelt werden. Die behavioristische Methode stabilisiert sich dadurch selbst, dass wegen der Zeit für die notwendige Übung der Problemkontext vernachlässigt werden muss. Erklärungen fur bestimmte Verfahrensweisen verbleiben innerhalb der Technik (ζ. B. „keine Buchung ohne Gegenbuchung" statt „mit wel-

4

5

Aus Griinden der besseren Lesbarkeit wird iin Text die männliche Form in gcschlcchtsneutralcm Sinne gebraucht. Die späteren Ausführungen werden zeigen, dass es auch inhaltlich falsch gelehrt wird, wenn es ohne die Einbeziehung der Erfolgskonten als System von Eröflnungsbilanz(konlo), Bestandskonten und Schlussbilanz(konto) dargestellt wird.

7

1.2 Spezielle Innovationserfordernisse im Rechnungswesenunterricht

e h e r L e i s t u n g wird die G e g e n l e i s t u n g b e w i r k t " ) D i e B i l a n z als h o c h g r a d i g a b s t r a k t e s R e c h nungslegungsinstrument

stellt den B e z u g s p u n k t

der B u c h u n g s r e g e l n

dar, w o b e i f u r die

B u c h u n g a u f E r f o l g s k o n t e n noch die a b s t r a k t e s t e K o m p o n e n t e der Bilanz, das Eigenkapital, h e r a n g e z o g e n wird.

E i n e v e r b e s s e r t e Inhaltsauswahl, -strukturierung und - a u f b e r e i t u n g s o w i e v e r b e s s e r t e Lernund T e s t m e t h o d e n sind auch erforderlich, u m L e r n s c h w i e r i g k e i t e n zu beheben, w i e sie sow o h l v o n Schülern ( P a w l i k 1979 und 1980) als a u c h von e r f a h r e n e n Lehrern ( T r a m m / H i n richs/Langenheim

1996) und U n t e r r i c h t s f o r s c h e r n ( V e r n o o i j 1993 und 1996) b e n a n n t w e r d e n .

N a c h der E i n s c h ä t z u n g von Fachleitern treten L e r n s c h w i e r i g k e i t e n im A n f a n g s u n t e r r i c h t bes o n d e r s bei der „ E i n f ü h r u n g in das System der doppelten B u c h f ü h r u n g " und bei d e r „ E i n f ü h r u n g der E r f o l g s k o n t e n " auf ( T r a m m / H i n r i c h s / L a n g e n h e i m 1996, S. 177). F ü r diese Inh a l t s b e r e i c h e wird mit d e m w i r t s c h a f t s i n s t r u m e n t e l l e n A n s a t z und der M o d e l l i e r u n g s m e t h o d e eine A l t e r n a t i v e zu d e m traditionellen V o r g e h e n der „ A u f l ö s u n g d e r Bilanz in K o n t e n " und der „ E i n f u h r u n g der E r f o l g s k o n t e n " vorgestellt. D e m e n t s p r e c h e n d liegt in diesen B e r e i c h e n ein S c h w e r p u n k t dieser Arbeit.

1.3

Grundzüge des wirtschaftsinstrumentellen Ansatzes

G r u n d l e g e n d für den in dieser Arbeit w e i t e r e n t w i c k e l t e n w i r t s c h a f t s i n s t r u m e n t e l l e n A n s a t z ist der G e d a n k e , dass d i e N o r m e n und V e r f a h r e n s t e c h n i k e n des R e c h n u n g s w e s e n s z w a r ein eig e n s t ä n d i g e r I n h a l t s k o m p l e x sind, d a s s diese j e d o c h sowohl aus qualifikations- als auch aus lerntheoretischen E r f o r d e r n i s s e n nicht losgelöst von anderen ö k o n o m i s c h e n Inhalten betrachtet w e r d e n k ö n n e n . D a s Instrument „ R e c h n u n g s w e s e n " ist v o n B e g i n n an im Z u s a m m e n h a n g mit s e i n e m Z w e c k , d e m „ W i r t s c h a f t e n in e i n e m U n t e r n e h m e n " , zu unterrichten. S o ist den S c h ü l e r n über d i e G e s t a l t u n g der L e r n a u f g a b e n zu vermitteln, d a s s „ p r o f e s s i o n e l l e s W i r t s c h a f t e n " nicht o h n e R e c h n u n g s w e s e n m ö g l i c h ist, und dass die zu erlernenden T e c h n i k e n u n d R e c h t s n o r m e n ihren U r s p r u n g in ö k o n o m i s c h e n P r o b l e m s t e l l u n g e n und Z i e l s e t z u n g e n haben. D a s o l c h e ö k o n o m i s c h e n Z i e l s e t z u n g e n nicht nur von der U n t e r n e h m e n s l e i t u n g , sondern von allen M i t a r b e i t e r n zu beachten sind, sind auch G r u n d k e n n t n i s s e des R e c h n u n g s w e s e n s bei allen M i t a r b e i t e r n erforderlich. K o s t e n - und L e i s t u n g s b e w u s s t s e i n ( a u c h i. S. einer „ K u n d e n o r i e n t i e r u n g " ) als Z i e l e k a u f m ä n n i s c h e r A u s b i l d u n g v e r l a n g e n e n t s p r e c h e n d e W a h r n e h m u n g s - und D e n k k a t e g o r i e n , die im R e c h n u n g s w e s e n u n t e r r i c h t nicht über „ m e c h a n i s c h e s L e r n e n " , sondern nur handlungsorientiert a u f g e b a u t w e r d e n k ö n n e n .

8

Í. Wirtschaftsinstrumentelles Rechnungswesen als Innovation in der kaufmännischen Bildung

Damit über Verständnis für Techniken und Normen bessere Behaltens- und Reproduktionssowie Transfer- und Problemlöseleistungen erzielt werden, ist es unerlässlich, deren Nützlichkeit für ökonomisches Denken und Handeln in der Weise erkennbar zu machen, dass im Unterricht die Techniken selbst vollzogen und dabei die Rechtsnormen beachtet werden. Der wirtschaftsinstrumentelle Ansatz zielt jedoch nicht nur darauf ab, das Rechnungswesen, sondern insbesondere auch die betriebs- und volkswirtschaftlichen Inhalte besser zu erlernen und die Ausbildung von Schlüsselqualifikationen im Sinne einer ganzheitlichen ökonomischen Kompetenz zu fördern (vgl. hierzu Achtenhagen 1996a). Sloane (1994, S. 26) bezeichnet den über die Qualifizierung zur Tätigkeit im Rechnungswesen hinausgehenden Beitrag des Rechnungswesenunterrichts zur Gewinnung von Einsicht in betriebliche Abläufe als einen „Katalysator fur eine allgemeine betriebswirtschaftliche Kompetenzerweiterung".

Bezüglich der Thematisierung ökonomischer Zusammenhänge unterscheidet sich der wirtschaftsinstrumentelle Ansatz deutlich von folgenden Auffassungen 6 : 1.

Ökonomische Reflexionen sind erst nach der Beherrschung der grundlegenden Techniken angebracht (Propädeutikthese);

2.

Betriebs- und volkswirtschaftliche Erkenntnisse sind in anderen Fächern oder Lernfeldern zu erarbeiten (Separierungsthese);

3.

Ökonomisches, vernetztes, kritisches und logisches Denken sowie Problemlösefähigkeiten stellen sich als Nebenwirkung der Aneignung der Techniken und isolierter Wissenselemente ein (Selbstentfaltungsthese).

Daraus folgt, dass ökonomisches Denken und die anderen fachübergreifenden Fähigkeiten auch im Rechnungswesenunterricht von Anfang an im Zusammenhang mit ökonomischen Fragestellungen und spezifischen professionellen Techniken gelehrt und gelernt werden müssen, allerdings in abgestufter und den Lernern angemessenen Komplexität. Die Herausbildung ökonomischer Denkweisen kann im Rechnungswesenunterricht dadurch geschehen, dass authentische Daten und Datenstrukturen durch Entscheidungen und Berechnungen erzeugt und interpretiert werden müssen. Die im Unterricht zu diesem Zweck eingesetzten Daten und 6

Gegensätzliche Positionen bezüglich der grundsätzlichen Ausrichtung des Rechnungswesenunterrichts bestehen schon längere Zeil (vgl. hierzu Reinisch 1996). Zwei aus dein Jahr 1518 überlieferte Darstellungen belegen dies eindrucksvoll. Die rechcntechnische Auflassung wird vertreten durch den Wiener Universitätslelirer und Rechenmeister Henricus Grammateus, der seinem Rcchenbüchlein ein Buchhaltungskapitel zuiiigte, aus dem erkennbar wurde, dass er selbst nur wenig von Buclihaltung verstand (Löffelholz 1935, S. 158). Die ökonomische und praxisorientierte AulTassung wird vertreten durch Matthäus Schwarz, Hauptbuchhalter der Fugger in Augsburg, mit seiner kleinen Buchhaltungslelire, die aber wegen der Gefahr des Einblicks in Geschäftsgeheimnisse zunächst nicht für den Druck und die Öflentliclikcit bestimmt war, aber dennoch eine gewisse Verbreitung fand (Penndorf 1913, S. 49; Weitnauer 1931, S. 36).

1.3 Grundzüge des wirtschaßsinstrumenteUen Ansatzes

9

durchzuführenden Tätigkeiten sind jedoch nicht ungeprüft der Berufspraxis zu entnehmen bzw. nachzubilden, sie müssen pädagogisch begründet aufbereitet werden. Hier ist sowohl an die Vermeidung zu großer Zahlen, zu großer Ausdifferenzierung und zu vieler Einzelfälle als auch an die Aufhebung zu starker betrieblicher Arbeitsteilung zu denken. So sollte ζ. B. eine Verkäuferin oder ein Verkäufer erkennen können, dass die Ausstellung eines Kassenzettels am Anfang der Buchhaltung steht und die Anbringung einer Preisauszeichnung als Abschluss einer Kette buchhalterischer Tätigkeiten angesehen werden kann, damit sie/er diese Tätigkeiten mit der nötigen Sorgfalt und in dem richtigen ökonomischen Bewusstsein wahrnimmt.

Dies bedeutet aber, dass die im Unterricht eingesetzten Geschäftsgänge im Hinblick auf ökonomische Problemstellungen zu modellieren sind. Der Transfer auf „echte Daten aus der Wirtschaft" muss erlernt werden. Der ökonomische Bezug darf weder auf Bilanzanalysen eingeschränkt werden, noch als theoretischer Vorspann zu den Teilbereichen und Aufgaben des Rechnungswesens vorweg erscheinen, sondern er muss in dem situativen Kontext der zu lösenden Aufgaben und als systematisierender Aspekt im Anschluss an die Reflexion des Handelns der Lernenden erkennbar sein. Die Lerninhalte des Rechnungswesens bieten hier ein Potential, das durch entsprechende Lehr-Lern-Arrangements zu nutzen ist (vgl. hierzu Reeker 1985).

Im wirtschaftsinstrumentellen Ansatz wird die Finanzbuchfiihrung nicht nur dem „externen Rechnungswesen" zugeordnet, sondern sie bildet die Grundlage des internen und externen Rechnungswesens. Das interne Rechnungswesen mit der Kostenrechnung, Finanz- und Investitionsrechnung sowie der Kennzahlenermittlung und das externe Rechnungswesen mit dem handels- und steuerrechtlichen Jahresabschluss basieren auf den Daten der Finanzbuchhaltung. Der Aufbau der Finanzbuchhaltung, deren Kern die Hauptbuchkonten bilden, ist somit nicht nur aus den Vorschriften zur externen Rechnungslegung zu erschließen. Daraus folgt auch, dass die Bilanz nicht zum dominanten Bezugspunkt der Buchungsregeln gemacht werden kann. Kontenrahmen und Kontenpläne werden in ihrer Untergliederung von Bilanzund GuV-Positionen erst aus den Erfordernissen der Unternehmenssteuerung verständlich.

Der wirtschaftsinstrumentelle Ansatz steht in sehr enger Beziehung zur Konzeption eines „praxisorientierten Rechnungswesens" (Weller 1987; Weller/Fischer 1992b, 1993a; Weller/ Fischer/Peissner 1994). Die Vermittlung grundlegender technischer Kenntnisse über das System der Buchhaltung steht dabei nicht im Widerspruch zu der Vermittlung ökonomischer In-

1. Wirtschaftsinstrumentelles Rechnungswesen als Innovation in der kaufmännischen Bildung

10

terpretationen, sondern beide Teilaspekte begünstigen sich wechselseitig. Praxisorientierung beinhaltet beide Aspekte. Dabei ist jedoch wichtig, dass die technischen Kenntnisse nicht auf ein eigenständiges System der Schulbuchführung, sondern auf die geltenden Rechtsnormen und die von der Praxis gehandhabten Verfahrensweisen bezogen werden (vgl. hierzu Brunner 1990). Praxisorientiertes Rechnungswesen ist demnach von Anfang an ein auf die Realität bezogenes Denken in ökonomischen Zusammenhängen, das sich der Buchführungstechnik bedient. Im Unterricht wird diese Technik schrittweise vermittelt. Über die vom Lehrer zu initiierende kognitive Regulation der Tätigkeiten des Buchens und Auswertens wird bei den Schülern fachliches Wissen aufgebaut und ökonomisches Denken weiterentwickelt.

Im wirtschaftsinstrumentellen Ansatz ist ökonomisches Denken fur den Rechnungswesenunterricht sowohl inhaltlich als auch formal konstitutiv. Inhaltlich sind die zu erfassenden Informationen und die mit den Instrumenten aufbereiteten Daten in ihrem wirtschaftlichinhaltlichen Gehalt zu reflektieren; formal sind der Aufbau der Instrumente und die Bearbeitungsregeln neben ihrer mathematischen Grundlage aus deren ökonomischer Funktionalität herzuleiten und damit verständlich zu machen. Den theoretischen Hintergrund fur diesen formalen Aspekt liefern u. a. Konten- und Bilanztheorien sowie Konzeptionen der Kostenrechnung. Diese theoretischen Grundlagen sind in einer der Zielgruppe angemessenen Weise im Unterricht als Erklärung fur bestimmte Verfahrensweisen anzubieten.

Dafür, dass die Doppik nicht nur mathematisch und formal erklärt wird, hat sich insbesondere Schmalenbach

eingesetzt und die Auffassung vertreten, dass „die Buchhaltung ganz als ein

Wirtschaftsinstrument" anzusehen sei, „und alle ihre Eigentümlichkeiten aus der Betriebswirtschaft, und nur aus ihr, entwickel[t]" werden könnten (Schmalenbach 1919, S 256). Diese Einschränkung auf die Betriebswirtschaftslehre ist im Hinblick auf die damalige Abgrenzungsproblematik zur Volkswirtschaftslehre zu sehen. Dieses „nur aus ihr" kann heute nicht mehr aufrecht erhalten werden, weil damit die Sicht auf volkswirtschaftliche Modellierungen der Geld- und Güterkreisläufe sowie deren finanz-, wirtschafts- und sozialpolitische Steuerung verbaut würde.

Die auf philosophische Grundkategorien „Inhalt und Form" sowie „Wesen und Erscheinung" zurückgehende untrennbare Einheit von Form und Sache wird von Goethe in Wilhelm Meisters Lehrjahre der doppelten Buchführung zugeschrieben. Im Dialog mit Wilhelm Meister versucht sein Schwager Werner ihm die Vorzüge der bürgerlich-ökonomischen Welt gegenüber der Theaterwelt - die fur die Welt des Adels und Hofes steht - zu schildern:

ì. 3 Grundzüge des wirtscliq/ìsiiistrunieiitelleu Ansatzes

11

„Von der Handlung hattest du damals keinen Begriff; ich wüßte nicht, wessen Geist ausgebreiteter wäre, ausgebreiteter sein müßte, als der Geist eines echten Handelsmannes. Welchen Überblick verschafft uns nicht die Ordnung, in der wir unsere Geschäfte führen! Sie läßt uns jederzeit das Ganze überschauen, ohne daß wir nötig hätten, uns durch das Einzelne verwirren zu lassen. Welche Vorteile gewährt die doppelte Buchhaltung dem Kaufmanne! Es ist eine der schönsten Erfindungen des menschlichen Geistes, und ein jeder gute Haushalter sollte sie in seiner Wirtschaft einführen.' .Verzeih mir", sagte Wilhelm lächelnd, ,du fängst von der Form an, als wenn das die Sache wäre; gewöhnlich vergeßt ihr aber auch über eurem Addieren und Bilanzieren das eigentliche Fazit des Lebens.' .Leider siehst du nicht, mein Freund, wie Form und Sache hier nur eins ist, eins ohne das andere nicht bestehen könnte. Ordnung und Klarheit vermehrt die Lust zu sparen und zu erwerben. Ein Mensch der übel haushält, befindet sich in der Dunkelheit sehr wohl; er mag die Posten nicht gerne zusammenrechnen, die er schuldig ist. Dagegen kann einem guten Wirte nichts angenehmer sein, als sich alle Tage die Summe seines wachsenden Glückes zu ziehen. Selbst ein Unfall, wenn er ihn verdrießlich überrascht, erschreckt ihn nicht; denn er weiß sogleich was für erworbene Vorteile er auf die andere Waagschale zu legen hat. Ich bin überzeugt, mein lieber Freund, wenn du nur einmal einen rechten Geschmack an unseren Geschäften finden könntest, so würdest du dich überzeugen, daß manche Fähigkeiten des Geistes auch dabei ihr freies Spiel haben können.' ,Es ist möglich, daß mich die Reise, die ich vorhabe, auf andere Gedanken bringt.' ,Oh gewiß! Glaube mir, es fehlt dir nur der Anblick einer großen Tätigkeit, um dich auf immer zu dem unsem zu machen; und wenn du zurück kommst, wirst du dich gern zu denen gesellen, die durch alle Arten von Spedition und Spekulation einen Teil des Geldes und Wohlbefindens, das in der Welt seinen notwendigen Kreislauf führt, an sich zu reißen wissen. Wirf einen Blick auf die natürlichen und künstlichen Produkte aller Weltteile, betrachte, wie sie wechselsweise zur Notdurft geworden sind! Welch eine angenehme geistreiche Sorgfalt ist es, alles, was in dem Augenblicke am meisten gesucht wird und doch bald fehlt, bald schwer zu haben ist, zu kennen, jedem, was er veiiangt, leicht und schnell zu verschaffen, sich vorsichtig in Vorrat zu setzen und den Vorteil jedes Augenblickes dieser großen Zirkulation zu genießen! Dies ist, dünkt mich, was jedem, der Kopf hat, eine große Freude machen wird.' Wilhelm schien nicht abgeneigt, und Werner fuhr fort: .Besuche nur erst ein paar große Handelsstätte, ein paar Häfen, und du wirst gewiß mit fortgerissen werden. Wenn du siehst, wie viele Menschen beschäftiget sind; wenn du siehst, wo so manches herkommt, wo es hingeht, so wirst du es gewiß auch mit Vergnügen durch deine Hände gehen sehen. Die geringste Ware siehst du im Zusammenhange mit dem ganzen Handel, und eben darum hältst du nichts für gering, weil alles die Zirkulation vermehrt, von welcher dein Leben seine Nahrung zieht'" (Goethe 1797/1992, S. 32ff.). Goethe stellt hier nicht nur die strukturgebende und zusammenhangstiftende Funktion des R e c h n u n g s w e s e n s heraus, sondern deutet auch eine dazugehörende

Ausbildungskonzeption

an, die von der konkreten Erfahrung und Tätigkeit ausgeht, aus der betriebs- und volkswirtschaftliche Zusammenhänge erschlossen werden. D i e von Goethe betonte Bedeutung der Buchführung für die Erkenntnis wirtschaftlicher Zusammenhänge hat im Bereich der Waldorfpädagogik zu der Forderung nach einem „allgemeinbildenden" richt gefuhrt {Brater/Mum

Rechnungswesenunter-

1994). Diese programmatisch durchaus wirtschaftsinstrumentelle

Konzeption wird allerdings in der Umsetzung durch den B e z u g auf den privaten und schulischen Lebensbereich und die Überhöhung des formalen Bildungsgedankens ihrem Ziel der Erkenntnis betriebs- und volkswirtschaftlicher Zusammenhänge nicht gerecht.

12

1. Wirlschaßsinslrumentelles Rechnungswesen als Innovation in der kaufmännischen Bildung

Für den kaufmännischen Unterricht sah Buize (1936) - wenn auch in der Terminologie seiner Zeit - es als primäre Aufgabe des Buchhaltungsunterrichts an, den Schülern zu vermitteln, „daß es nicht auf den mechanischen Ablauf der einzelnen Buchhaltungsarbeiten ankommt, sondern darauf, daß jeder, der sich praktisch mit Buchhaltung beschäftigt, durch die Einblicke, die er durch sie in das Leben des Betriebes gewinnt, an seinem Teil zu einer planmäßigen, verantwortungsbewußten Betriebsgestaltung mitzuwirken hat. Das gilt nicht allein vom Betriebsführer, der in allen Fragen des Betriebsgeschehens den Ausschlag gibt, sondern auch vom einzelnen Angestellten des Betriebes, und sei es auch nur dadurch, daß er auf Grund seiner Beobachtungen und Berechnungen notwendig gewordene Entscheidungen herbeiführen hilft. Schon der Schüler muß mit dem ernsten Willen zur inneren Anteilnahme am Leben des Betriebes aus der Schule in die Praxis entlassen werden, und das große Gebiet der Buchhaltung kann in seiner neuzeitlichen Gestaltung besonders vorteilhaft als Mittel zur Erzeugung von Betriebsbewußtsein und Gemeinschaftssinn dienen" ( B u t z e 1936, S. 35).

Die Konzeption des „wirtschaftsinstrumentellen Rechnungswesenunterrichts" geht von der Annahme aus, dass bisher keine hinreichende Umorientierung zugunsten ökonomischen Verständnisses erfolgt ist. Weder die Verwissenschaftlichung der Buchführung noch der Entwurf von Methodenkonzeptionen fur den schulischen Unterricht konnten trotz programmatischer Bekundungen eine hinreichende Umorientierung bewirken. Die derzeit noch dominierende Bilanzmethode wird nicht im Sinne ihrer Begründer (Butze 1936; Butze/Butze

1944) prakti-

ziert.

Diese Arbeit geht von der These aus, dass dieser Umstand nicht an mangelnden Fähigkeiten und mangelndem Willen der Lehrer liegt, sondern in den Grundannahmen der Bilanzmethode selbst begründet ist. Der von Waltermann vorgebrachte Alternativentwurf durch eine Neufassung der Kontenmethode (Wallermann 1975 und 1976) hat zu viele Elemente der Bilanzmethode übernommen. Die von Gross (1981) vorgestellte „Neue Didaktik des Rechnungswesens" hat ähnlich wie ihr wissenschaftliches Ausgangssystem, der pagatorische Ansatz Kosiols (1967 und 1977), infolge ihrer besonderen Terminologie keine Akzeptanz gefunden. Dementsprechend herrscht im Bereich der Rechnungswesendidaktik ein „Innovationsstau". Eine Veränderung der kaufmännischen Ausbildung in diesem Inhaltsbereich ist aber dringend notwendig und derzeit auch besser möglich (vgl. hierzu die Beiträge in Achtenhagen

1990).

Die Notwendigkeit der Veränderung ergibt sich aus den veränderten Qualifikationserfordernissen, den empirischen Befunden zum gegenwärtigen Unterricht und den neueren Erkenntnissen der Lehr-Lern-Forschung. Eine Möglichkeit der Veränderung ergibt sich aus der Umsetzung der Modellierungsmethode.

Mit der Bezeichnung „wirtschaftsinstrumenteller Ansatz" wird - durchaus im Sinne Schwalenbachs - hervorgehoben, dass das System des Rechnungswesens auch im Unterricht im

1.3 Grundzüge des wirtschafisinstrumenteììen

Ansatzes

13

Dienst ökonomischer Überlegungen und des übrigen kaufmännischen Ausbildungsprogramms zu stehen hat. Die Bezeichnung „Modellierungsmethode" verweist auf die inhaltlichen und methodischen Elemente, mit deren Hilfe dies geschehen soll, indem im Unterricht Modelle von betriebs- und volkswirtschaftlichen Zusammenhängen von Lehrern und Schülern gemeinsam zu entwickeln und mit ihren Vor- und Nachteilen kritisch zu würdigen sind. Diese ökonomischen Modelle sollen sowohl die Form der Instrumente des Rechnungswesens als auch seinen Inhalt, d. h. die über Zahlen abgebildeten ökonomischen Sachverhalte, erklären helfen. Dies bedeutet, dass mathematische und ökonomische Modellierung wechselseitig aufeinander zu beziehen sind. Dabei muss keine neue Terminologie in den Unterricht eingeführt werden, da auf anderweitig zu lehrende volks- und betriebswirtschaftliche Modelle zurückgegriffen werden kann.

1.4

Zielsetzung und Aufbau der Darstellung

Die vorliegende Arbeit stellt einen weiteren Entwicklungsschritt der 1989 erstmals vorgestellten (Achtenhagen 1990) und 1996 fortgeschriebenen (Tramm/Preiß 1996; Preiß/Tramm 1996) „Göttinger Unterrichtskonzeption des wirtschaftsinstrumentellen Rechnungswesens" dar. So formulierten Preiß/Tramm (1996, S. 317f.) im letzten Kapitel als Ausblick:

„Für die weitere Entwicklungs- und Erprobungsarbeit halten wir folgende Schritte für notwendig: 1.

2. 3. 4. 5. 6.

Kritik des hier vorgestellten Konzeptes aus der Schulpraxis, Berufspraxis und Wissenschaft, damit dieses weiterentwickelt und von breiten Kreisen akzeptiert werden kann; Konkretisierung der Konzeption für die Fachstufe I und II auf dem hier vorgestellten mittleren Abstraktionsniveau; Erarbeitung neuer Lernmaterialien zur Umsetzung der Konzeption; Einbringung der Konzeption in die Aus- und Weiterbildung der Lehrer; Umsetzung der Konzeption im regulären Unterricht mit formativer Evaluation sowie summative Evaluation am Ende der Ausbildung und Überprüfung der Langzeiteffekte nach einem Jahr.

... Diese Schritte müssen nicht in der vorgestellten Reihenfolge durchgeführt werden, sondern können teilweise verzahnt werden. Wichtig ist jedoch, daß vor einer Umsetzung im regulären Unterricht die Lernmaterialien für die Grundstufe und die vollständige Konzeption für die gesamte Ausbildung vorliegen".

Die 1996 neugefasste „Göttinger Konzeption" ist in der Zwischenzeit in verschiedene Lehrplankommissionen, in denen der Verfasser teilweise auch mitarbeitete, hineingetragen worden. Es erfolgten etliche Präsentationen im Rahmen der Lehrerfortbildung sowie in der zweiten Phase der Lehrerausbildung. Auf dieser Grundlage wurden zahlreiche Gespräche gefuhrt, und einige Lehrer erprobten Elemente dieser Konzeption. Daraus entwickelte sich eine drän-

14

1. Wirtschafisiiistrunientelles Rechnungswesen als Innovation in der kaufmännischen Bildung

gende Nachfrage nach neuem Lernmaterial sowie der Aktualisierung und Weiterentwicklung der Konzeption einschließlich einer Präzisierung bei der didaktisch-methodischen

Um-

setzung.

Mit der vorliegenden Arbeit sollen die beiden letzten Punkte geleistet werden, wobei die didaktisch-methodische Präzisierung auch gleichzeitig konkrete Gestaltungshinweise für das zu entwickelnde Lernmaterial, vor allem Beleggeschäftsgänge und Lehrbuch, abgibt. Diese Präzisierung wird hier zunächst für einen Grundlagenkurs zur Einführung in das betriebliche Rechnungswesen geleistet. Für darauf aufbauende Rechnungswesenkurse und für die Integration von Rechnungswesen in betriebs- und volkswirtschaftliche Inhaltsbereiche wird die Konzeption weiterzuentwickeln sein.

Im zweiten Kapitel dieser Arbeit werden die fachlichen und pädagogischen Orientierungspunkte des wirtschaftsinstrumentellen Ansatzes detaillierter dargestellt. Vor dem Hintergrund gegenwärtiger und zukünftig zu erwartender Qualifikationserfordernisse werden fachwissenschaftliche Bezugspunkte offengelegt, von denen her pädagogische Auswahl-, Sequenzierungs- und Aufbereitungsentscheidungen zu legitimieren sind. Den zentralen Bezugspunkt der Inhaltsauswahl und -aufbereitung sowie der Integrationsüberlegungen mit den anderen ökonomischen Inhalten bildet das „Allgemeine Unternehmensmodell", dessen formaler Aufbau zunächst erläutert wird. Dieses „Allgemeine Unternehmensmodell" wird auch im Unterricht die „Bilanz" als zentralen Bezugspunkt zur Begründung der Buchungsregeln ersetzen. Weitere didaktische Bezugspunkte für die unterrichtliche Konkretisierung bilden die elaborative Makrosequenzierung und die Gestaltungskriterien für konstruktivistische Lernumgebungen.

Im dritten Kapitel wird dann ein auf der Modellierungsmethode basierender Entwurf für einen Grundkurs mit zehn Lektionen zur Einführung in das betriebliche Rechnungswesen vorgestellt. Dieser auch wiederum nach der Elaborationstheorie entworfene Lehrgang besteht aus vier Hauptabschnitten: Vorformen der doppelten Buchführung System der doppelten Buchführung Umsatzsteuer und ihre Buchung Organisation der Buchführung.

1.4

Zielsetzung undAußau

der Darstellung Grumizäge des Wirtschaftsinstrumentellen Ansatzes

15

Der hier vorgestellte Entwurf einzelner Lektionen weist einige Freiheitsgrade bei seiner Umsetzung in konkrete Lehrpläne und Unterrichtsplanungen auf. Er wird begleitet von einer Lernmaterialentwicklung, die im Rahmen dieser Arbeit nur konzeptionell dargestellt und arbeitsteilig realisiert wird. Der Grundkurs kann curricular sowohl einem Lernfeld (ζ. B. „Rechnungswesen als Kontroll- und Steuerungsinstrument") als auch der Grundstufe eines Unterrichtsfaches „Rechnungswesen" (bzw. „Rechnungswesen/Controlling" oder „Finanz- und Rechnungswesen") zugeordnet sein (zur Diskussion über Unterrichtsfächer und Lernfelder vgl. Goldbach 1998).

Im vierten Kapitel wird gezeigt, wie die Inhalte des Grundkurses im weiteren Verlauf der kaufmännischen Ausbildung erweitert und vertieft sowie mit anderen ökonomischen Inhalten verknüpft werden können. Die hier gezeigten Strukturen möglicher Ausdifferenzierungen sollen dazu dienen, Entscheidungen darüber zu treffen, ob bestimmte Inhalte in der Ausbildung oder in der Weiterbildung berücksichtigt werden sollten. Ferner sollen die Strukturierungen dazu beitragen, rational bei der Zusammenführung und Trennung von Rechnungsweseninhalten auf der einen Seite sowie betriebs- und volkswirtschaftlichen Inhalten auf der anderen Seite zu argumentieren. Wenn diese Entscheidungen getroffen sind, kann der im dritten Kapitel begonnene Lektionenentwurf fur verschiedene Ausbildungsgänge fortgeführt werden.

Im fünften Kapitel werden die bisherigen Ansätze der Verbreitung sowie die weiteren Schritte zur Implementation und Evaluation dargestellt. Dabei wird auch aufgezeigt, welche Folgerungen fur andere Teilbereiche des kaufmännischen Curriculums und die Lehrerbildung als notwendig erachtet werden.

Neben der konkreten Zielsetzung der curricularen Innovation ergibt sich noch eine weitere abstraktere Zielsetzung dieser Arbeit aus der Prüfling der Frage, ob ein neues didaktisches Modell zum Entwurf und Realisierung komplexer Lehr-Lern-Arrangements entwickelt werden kann. Hauptbausteine dieses Modells können die Elaborationstheorie von Reigeluth/Stein sowie die didaktischen Modelle der „Lehr-lerntheoretischen Didaktik" von Schulz (1980), des „Cognitive Apprenticeship" von Collins/Brown/Newman

(1989) und des „Anchored Instruc-

tion" der Cognition and Technology Group at Vanderbilt (1990 und 1993) sein.

16

2.

2. Curriculare Bezugspunkte des wirlschaflsinstrumenlellen

Rechnungswesenunterrichts

Curriculare Bezugspunkte des wirtschaftsinstrumentellen Rechnungswesenunterrichts

2.1

Veränderte Qualifikationserfordernisse s c h e n Ausbildung

in der

kaufmänni-

2.1.1

Zielvorgaben in Ausbildungsordnungen, Rahmenlehrplänen, landesspezifischen Richtlinien und Prüfungsstoffkatalogen

Die a u f den Rechnungswesenunterricht bezogenen Vorgaben in Rahmenlehrplänen

und

Richtlinien stellen den konkreten Inhaltsangaben Ziele vorweg, die den Instrumentalcharakter des R e c h n u n g s w e s e n s im Hinblick auf die Fundierung ökonomischer Entscheidungen und z u m Verständnis des wirtschaftlichen Geschehens betonen. Ein Beispiel dafür ist der Rahmenlehrplan für den 1991 neugeordneten Ausbildungsberuf „Bürokaufmann/Bürokauffrau". Für den schulischen Teil der Berufsausbildung werden als grundlegende Ziele des Rechnungswesenunterrichts angesehen: .Die Schülerinnen und Schüler sollen wirtschaftliche Tatbestände und Entwicklungen mit Hilfe von Zahlen beurteilen lernen, die Notwendigkeit einer laufenden Überwachung der betrieblichen Leistungserstellung und Leistungsverwertung einsehen, die Struktur des Rechnungswesens und den Zusammenhang zwischen seinen Teilbereichen kennenlemen, d. h. das System der Buchführung verstehen und erkennen, daß Kosten- und Leistungsrechnung, Statistik und Planungsrechnung auf der Buchführung basieren und alle 4 Teilbereiche sich gegenseitig ergänzen und beeinflussen, Zielsetzung und Einfluß der Gesetzgebung auf das Rechnungswesen verstehen, die Bedeutung des Rechnungswesens für Unternehmen, Mitarbeiter, Staat, Geschäftspartner und interessierte Öffentlichkeit einsehen und erkennen, daß ökologische Zwänge es nötig machen, die Kostenverursachung unter betrieblicher und unter gesamtwirtschaftlicher Verantwortung zu betrachten, zu Sorgfalt und Genauigkeit als unverzichtbarer Voraussetzung für die Arbeit im Rechnungswesen bereit sein, in der Lage sein, Arbeitsaufgaben im Betrieb zu übernehmen und sie in einem größeren organisatorischen Zusammenhang zu sehen, befähigt werden, die Verfahren des Rechnungswesens unter Nutzung der kaufmännischen Rechentechniken und des Einsatzes von Informations- und Kommunikationstechniken anzuwenden, die beim Jahresabschluß notwendigen Berechnungen und Buchungen vorbereiten, ausführen und auswerten, Kenntnisse in der Zielsetzung und Abwicklung der Kosten- und Leistungsrechnung erwerben, Grundzüge der betrieblichen Planungsrechnung/Controlling kennen, verstehen, daß sich neben der Marktorientierung auch die Orientierung an der Umwelt oder den Mitarbeitern eines Unternehmens - ζ. B. in Form von Sozialbilanzen - im Rechnungswesen niederschlagen kann" (Kultusministerkonferenz 1991).

2. l Veränderte Qualifikationserfordernisse

in der kaufmännischen

A usbildung

17

Mit dieser im Konsens von Bund, Ländern, Arbeitgeber- und Arbeitnehmervertretungen entstandenen Ausrichtung finden sich ähnliche Ziele auch in Rahmenlehrplänen anderer kaufmännischer Ausbildungsberufe7. Diese auf „Verständnis", „Einsicht" und „Bereitschaft" ausgerichteten Leitziele sind mit dem Wirtschaftsinstrumentellen Ansatz des Rechnungswesenunterrichts (Preiß/Tramm und die darauf bezogenen Beiträge in Achtenhagen Preiß/Tramm

1990 sowie

1996) nicht nur in hohem Maße kompatibel, sondern sind dessen zentraler

Bezugspunkt. Gerade die ersten beiden Ziele dieser Lernzielliste können als Abkehr von der rein technischen „Abschlussorientierung" des traditionellen Unterrichts mit seinen „MiniGeschäftsgängen" ohne ökonomische Reflexion interpretiert werden.

Nach den Vorarbeiten einiger Bundesländer (insbesondere Hessen und Niedersachsen) bei der Umsetzung der Rahmenlehrpläne in landesspezifische Richtlinien werden neuere Rahmenlehrpläne für den berufsbezogenen Unterricht im dualen System gemäß den Handreichungen der Kultusministerkonferenz

(1996) nach dem Lernfeldprinzip strukturiert, um dabei die

Ausbildung einer ganzheitlichen Handlungskompetenz zu ibrdern. Der handlungsorientierte Unterricht stellt dabei ein fur unterschiedliche Unterrichtsmethoden offenes Konzept dar, mit

7

Der Ralunenlehrplan fiir den Ausbildungsberuf zum Kaufmann im Einzelhandel/zur KaulTrau im Einzelhandel nennt folgende allgemeine Ziele fiir den Rcchnungswescnunterriclil: .Um .Rechnungswesen' als Informationssystem zur Planung, Steuerung und Überwachung eines Betriebes zu verstehen, soll der Schüler die systematische Aufbereitung und Auswertung der Daten kennen, die das Rechnungswesen eines Einzelhandelsbetriebes liefert, und die Möglichkeiten der elektronischen Datenverarbeitung (DV) besonders berücksichtigen lernen. Dazu ist es notwendig, daß in der Berufsschule - gesicherte Grundkenntnisse in Wirtschaftsrechnen an Beispielen aus dem Rechnungswesen der betrieblichen Praxis genutzt werden; - betriebliche Funktionen und die Beziehungen des Betriebes nach außen durch Vermittlung von Buchführungskenntnissen aufgezeigt werden; - Kenntnisse über die Erfassung und Verrechnung von Kosten und Leistungen vermittelt und als Grundlage für die Kalkulation verwandt werden; - die Ermittlung und Auswertung wichtiger betriebswirtschaftlicher Kennzahlen, insbesondere unter warenwirtschaftlichen Aspekten, dargestellt werden" (Kultusministerkonferenz 1987). In dem Ralimenlehrplan fiir die in Verwaltungen des öffentliclien Dienstes auszubildenden Fachangcslellten fiir Bürokommunikalion finden sich fiir den Lembercich „Haushalts-, Kassen- und Rechnungswesen" folgende allgemeine Zielangaben: .Die Schülerinnen und Schüler sollen wirtschaftliche und gesellschaftliche Tatbestände und Entwicklungen mit Hilfe von Zahlen rechnerisch und grafisch darstellen und beurteilen, die Notwendigkeit zur Planung und Überwachung in den öffentlichen Haushalten erkennen, die Bedeutung des Haushalts als Mittel zur Durchsetzung politischer Ziele erkennen und die Problematik langfristig festgelegter Einnahmen- und Ausgabenstruktur als Einschränkung politischer Handlungsfähigkeit verstehen, lernen, im Ausbildungsbetrieb Arbeitsaufgaben aus dem Haushalts-, Kassen-, und Rechnungswesen zu übernehmen und sie in einem größeren organisatorischen und politischen Zusammenhang zu sehen, befähigt werden, die Verfahren des Haushalts-, Kassen- und Rechnungswesens unter Nutzung der kaufmännischen Rechentechniken und gegebenenfalls des Einsatzes von Informations- und Kommunikationstechniken anzuwenden" (Kultusministerkonferenz 1992).

18

2. Curriculare Bezugspunkte des wirtschqflsinstrumentellen

Rechnungswesenunterrichts

dem fach- und handlungssystematische Strukturen verschränkt werden sollen (Kultusministerkonferenz 1996, S. 18).

Die inhaltliche und methodische Umsetzung der allgemeinen Zielvorgaben der Rahmenlehrpläne und Richtlinien für den Rechnungswesenunterricht ist weder bei der traditionellen fächerorientierten Strukturierung noch bei der neueren lernfeldorientierten Strukturierung abgesichert. Die im spezifischen Teil der Lehrpläne folgenden sequenzierten und mit Zeitrichtwerten versehenen Lernziele und -inhalte berücksichtigen i. d. R. nicht genügend den ökonomischen Zweckbezug des Rechnungswesens; sie können somit auch weiterhin im Sinne tradierter Unterrichtskonzeptionen interpretiert werden.

Die lernfeldorientierte Strukturierung beruflicher Curricula eröffnet den Lehrenden und Lernenden einen erweiterten Handlungsraum, weil die beschriebenen Kompetenzen und Inhalte sehr offen gehalten sind, damit der Berufsbezug betriebs- und schülernah hergestellt werden kann (vgl. Bader 1998, S. 73f ). Die weder eindeutig als Kompetenz oder Qualifikation bezeichnete Zielformulierung 8 sind nicht einzelnen Lerninhalten direkt (als Lernziel) zugewiesen, sondern diesen vorangestellt. Durch die lineare Auflistung der Inhalte und die Möglichkeit einer ausschließlich fachsystematischen Interpretation der grundlegenden Inhalte wird einem Rückfall in überwunden geglaubte Zeiten der reinen Stoffkataloge Tür und Tor geöffnet. Soll ein solcher Rückfall vermieden werden, sind konkrete didaktische Konzeptionen einschließlich alternativer Unterrichtsmaterialien für einzelne Lernfelder erforderlich.

Die nach den Handreichungen der Kultusministerkonferenz erstellten Rahmenlehrpläne sollten danach beurteilt werden, ob sie dem dort formulierten Anspruch genügen: „In jedem Fall ist auch fur solche [fachsystematisch gegliederte] Lernfelder der Berufsbezug in den Zielformulierungen des Lernfeldes deutlich zu machen" (Kultusministerkonferenz 1996, S. 22). In dem Entwurf des neuen Rahmenlehrplans fur die Bankkaufleute im Lernfeld 3 „Unternehmensleistungen erfassen und dokumentieren" ist folgende Zielformulierung zu finden:

„Kompetenz bezeichnet den Lernerfolg in bezug auf den einzelnen Lernenden und seine Befähigung zu eigenverantwortlichem Handeln in privaten, bcruflichcn und gesellschaftlichen Situationen. Demgegenüber wird unter Qualifikation der Lernerfolg in bezug auf die Verwertbarkeit, d. h aus der Sicht der Nachfrage in privaten, beruflichen und gesellschaftlichen Situationen, verstanden" (Kultusministerkonferenz 1996, S. 16). Ziclformulierungen als Elemente beruflicher Handlungskompctenz „sollen sich an konkreten beruflichen Aufgabenstellungen und Handlungsabläufen orientieren. Indem die Berufsschule solche beruflichen Handlungsabläufe didaktisch aufbereitet, werden auch fachwissenschaftliehe Anteile in den Erklärungszusammenhang des Lemfeldes einbezogen. Dabei können solche Inhalte, z.B. wenn es sich uin Grundlagenwissen zu Beginn der Ausbildung handelt, so umfangreich sein, daß einzelne Lernfcldcr auch ausschließlich fachsystematisch gegliedert sein können" (Kultusministerkonferenz 1996, S. 22).

19

2.1 Veränderte Qualifikationserfordernisse in der kaufmännischen Ausbildung

.Die Schülerinnen und Schüler erfassen und dokumentieren Werteströme in Kreditinstituten. Sie stellen Auswirkungen erfolgsneutraler und erfolgswirksamer Geschäftsfälle auf Vermögen und Kapital dar. Sie bewerten ausgewählte Gegenstände des Anlage- und Umlaufvermögens und beschreiben Bewertungsansätze" (.Kultusministerkonferenz 1998). Eine solche Zielformulierung enthält nicht den Handlungszusammenhang, in dem diese Tätigkeiten stehen. Sie übernimmt eine tradierte bilanzorientierte Sicht des Buchfuhrungsunterrichts, nach der es „erfolgswirksame" und „erfolgsneutrale" Geschäftsvorfälle gibt. Die Begriffe „erfolgswirksame" und „erfolgsneutrale" Geschäftsvorfälle sind ohne Bezug auf die Bilanz nicht geeignet, als Klassifikation zu dienen, da auch gerade „erfolgsneutrale" Geschäftsvorfälle getätigt werden, um Erfolg zu erzielen. Die Tatsache, dass es genau der Bewertungsansatz für bezogene Leistungen ist, der buchungstechnisch - aber nicht ökonomisch - eine „Erfolgsneutralität" herstellt, wird so eventuell vernachlässigt. Solche die Bilanzmethode bevorzugenden Zielformulierungen begünstigen die Isolierung der Inhalte im Unterricht, statt sie zusammenzufuhren; denn die Lernenden müssten erkennen, dass die Geschäftsvorfälle in ihrem Zusammenhang, d. h. in ihrer Kombination, zum Erfolg des Unternehmens beitragen. Insbesondere fur die Ausbildung der Bankkaufleute ist es wichtig zu erkennen, dass die geldlichen Wertströmen der Zinszahlungen in Verbindung mit gegenläufigen leistungsmäßigen Wertströme fur Kapitalnutzungsrechte stehen, und eine Hauptleistung der Banken in der Transformation der Fristigkeit von Kapitalnutzungsrechten besteht. Der Aufbau von Zusammenhangswissen verlangt, dass die ökonomischen Zusammenhänge im Unterricht richtig dargestellt werden.

2.1.2

Orientierungspunkte fachdidaktischer Zielpräzisierung

Veränderte Curricula sind im beruflichen Bereich primär auf veränderte Qualifikationsanforderungen und bildungspolitische Gestaltungsvorstellungen zurückzuführen. Letztere sind teilweise auf Analysen von Lehrplänen, Lernmaterialien und Prüfungsaufgaben, auf allgemeinere lern- und entwicklungspsychologische Forschungsergebnisse sowie auf neuere didaktische Modelle bzw. Instruktionstheorien gestützt. Hierbei nimmt die handlungsorientierte Unterrichtskonzeption eine zentrale Stelle ein. Im internationalen Kontext sind dies konstruktivistische Lehr-Lernkonzeptionen auf der Basis des situierten Lernens. In diesen Konzeptionen wird auch der Zusammenhang von weiterer wirtschaftlicher und gesellschaftlicher Entwicklung mit einer Veränderung konkreter Bildungsprozesse gesehen. Berryman/Baìley beschreiben dies bildlich als die „Doppelhelix von Bildung und Wirtschaft".

(1992)

20

2. Curriculare Bezugspunkte des wirtschaftsmstrumentellen Rechnungswesenunterrichts

Die Gleichgerichtetheit der Qualifikationserfordernisse und der pädagogischen Intentionalität bezüglich der Zieldimension beruflicher Bildung wird auch als „Koinzidenz ökonomischer und pädagogischer Vernunft" (Senatskommission der DFG 1990, S. VII) bezeichnet. Für die Gestaltung des schulischen Unterrichts und der betrieblichen Ausbildung bedeutet dies, dass nicht vom Handlungsvollzug abgelöste verbale Reproduktionen und unreflektiertes Nachvollziehen gehandhabter Praxis, sondern kooperative und selbstgesteuerte Tätigkeiten und Problemlösungen in Verbindung mit professionellen Fertigkeiten und Werthaltungen unterrichtet und beurteilt werden müssen. Orientierung in und Verständnis von komplexen Systemzusammenhängen sowie die Förderung von selbständigem Lernen sind dazu ebenfalls erforderlich. Der Rechnungswesenunterricht muss in stärkerem Maße zum Erwerb strukturierten Grundlagenwissens, zur Förderung des vernetzten und integrierten Denkens und zum autonomen Lernen beitragen, d. h. den Erwerb von Schlüsselqualifikationen fördern (vgl. Rickenbacher

1991, S. 2 7 0 f f „ A c h t e n h a g e n 1996a, S. 2 4 f f ) .

In diesem Sinne muss der Rechnungswesenunterricht über die Vermittlung von Techniken zum Verstehen komplexer Sachverhalte fuhren, d. h. nicht nur ein Verständnis der Rechenund Buchungstechniken, sondern auch der durch diese perspektivisch erfassten zugrundeliegenden komplexen Sachverhalte. Ein solches Verständnis begünstigt das Erlernen der Techniken, fuhrt aber auch zum Begriffserwerb, zur Kenntnis von ökonomischen Gesetzmäßigkeiten und zur Beurteilung von Fakten. Der Lehrstoff „Rechnungswesen" eignet sich vorzüglich zur Förderung mehrperspektivischen Denkens, das verschiedene Sichten auf ein und denselben Sachverhalt nutzt, da das Rechnungswesen selbst im Hinblick auf verschiedene Zwecke und Adressatengruppen gestaltet ist. Ferner kann vernetztes Denken, das Neben- und Fernwirkungen berücksichtigt, ausgebildet werden, insbesondere, wenn

mehrperiodische

Betrachtungen erfolgen. Dazu ist es notwendig, dass die Unterrichtsinhalte von Anfang an nicht isoliert, sondern in übergreifenden Zusammenhängen dargeboten werden. Dies erfordert Unterrichtsplanungen, die über die Planung von Einzelstunden in einzelnen Unterrichtsreihen hinausgehen. Dementsprechend ist die Fachdidaktik herausgefordert, die gegenwärtige Unterrichtspraxis kritisch zu überprüfen, in theoretisch begründeter Weise alternative Konstruktionen zu entwickeln und diese schließlich bei der Implementation zu begleiten und zu evaluieren.

Die fachdidaktische Unterstützung zur Erstellung neuer und zur Umsetzung vorhandener Curricula darf sich jedoch nicht auf den methodischen Bereich und innerhalb dieses Bereichs auf die Frage der Grundkonzeption des Lehrgangs (vgl. Waltermann

1976, S. 198) sowie auf die

2.1 Veränderte Qualißkalionserfordernisse

in der kaufmännischen A usbildung

21

Diskussion von Spezialproblemen, wie ζ. B. die Behandlung der Veräußerung von Gegenständen des Anlagevermögens, beschränken. Primär ist die Frage nach der curricularen Funktion und Ausrichtung dieses Inhaltsbereichs aufzuwerfen, um vor diesem Hintergrund entscheiden zu können, welche konkreten Inhalte sich Schüler in welcher Sequenz mit welchen Lehr-Lernformen und unter Nutzung welcher Medien aneignen sollen. Dies darf aber nicht zu einer abstrakt-abgehobenen Diskussion fuhren, bevor „konkrete" inhaltliche und methodische Fragen angegangen werden; denn das curriculare Problem wird erst unter konkreten inhaltlichen und methodischen Fragestellungen plastisch.

Entsprechend den veränderten Qualifikationserfordernissen und den Erkenntnissen der LehrLern-Forschung zur effektiven Unterrichtsgestaltung (vgl. Achtenhagen/Tramm/P mann-Weymar/John/Schunck

1992; Achtenhagen

reiß/See-

1996b) ist der wirtschaftsinstrumentelle

Rechnungswesenunterricht von Anfang an im Hinblick auf die Integration mit anderen ökonomischen Lerngebieten angelegt (Tramm/Preiß 1996). Das Rechnungswesen soll aus seinem ökonomischen Sinnzusammenhang, der sich aus der Planung, Steuerung und Kontrolle betrieblichen Geschehens zur Erreichung der Unternehmensziele ergibt, erfahren und erlernt werden. Im Hinblick auf diese Aufgaben ist der Soll-Ist-Vergleich in seinen verschiedenen Varianten (Buch-Ist, Plan-Ist, Erwartungen von Kapitalgebern und Abgabenempfängern vs. Erfüllung dieser Erwartungen) auch im Unterricht über die verschiedenen Inhaltsbereiche hinweg ein durchgängiges Thema.

Neben der Legitimation der Lerngegenstände des Rechnungswesens im Hinblick auf berufliche und außerberufliche Verwendungssituationen können diese auch hinsichtlich ihrer Stellung innerhalb eines fachsystematischen Kurses sowie im Hinblick auf ihre Leistung für das Verständnis von Inhalten und Zusammenhängen anderer Lernbereiche begründet (vgl. hierzu Preiß/Tramm

1990 und 1996 mit Bezug auf Robinsohn

1967). Beide Aspekte stehen in einem

engen Zusammenhang; denn die inhaltliche Ausprägung anderer Lernbereiche wirkt ihrerseits auf den Rechnungswesenunterricht zurück.

Daraus ergibt sich die Frage nach der inhaltlichen Abstimmung des Rechnungswesenunterrichts mit den anderen Lerngebieten der Wirtschaftslehre aus einer bisher vernachlässigten Perspektive: Rechnungswesen wird zu einem Integrationsfach bzw. in einem nach Lernfeldern organisierten Curriculum zu einem zusammenhangstiftenden Element fur die über verschiedene betriebliche Funktionen verteilten Inhalte,

22

2. Curriculare Bezugspunkte des Wirtschaftsinstrumentellen

Rechnungswesenunterrichts

für die Verbindung konkreter Einzelheiten mit abstrakter Begrifflichkeit, für die Ausbildung operativer und dispositiver Fähigkeiten, in Verbindung mit mathematischen Formalismen und angewandten Informationsverarbeitungstechniken.

Diese Sichtweise ist schon in den Ursprüngen der doppelten Buchführung begründet. So weist v. Korlzßeisch

(1971b, S. 6) in Bezug a u f P a c i o H s „Summa" d a r a u f h i n , dass

.hier ein Werk vorliegt], in dem das betriebswirtschaftliche Wissen seiner Zeit sauber zusammengefügt und in mathematischer Sprache als Theorien gefaßt worden ist zur Erklärung von Wertbewegungen durch Güteraustausche". Über das Rechnungswesen lernen die Auszubildenden, den Zusammenhang einzelner kaufmännischer Tätigkeitsbereiche sowohl im Hinblick auf den Unternehmenszweck (horizontaler Zusammenhang) als auch im Hinblick auf die Unternehmensziele (vertikaler Zusammenhang) zu verstehen. Dabei muss jedoch beachtet werden, dass das Rechnungswesen nur eine im Rahmen seiner Modellierungsprämissen begrenzte Rationalität ermöglicht (vgl. 1993; Brüning

Schneider

1996). Die Zielsetzung, den Auszubildenden die Leistung des Rechnungswe-

sens zur Planung, Kontrolle und Dokumentation des gesamten betrieblichen Geschehens von Anfang an deutlich zu machen, schließt ein, dass die Grenzen des Rechnungswesens erkannt werden sollten. Auch diejenigen, die nach ihrer Ausbildung keine spezifischen Buchhaltungstätigkeiten ausüben wollen, sollten erkennen, wie zentral diese Materie fur jede Tätigkeit im kaufmännischen Bereich - aber auch darüber hinaus - qualifiziert.

Die grundlegende Umorientierung in der Didaktik des Rechnungswesens ergibt sich dadurch, dass die Ausbildung in diesem Lernbereich p r i m ä r nicht im Hinblick auf die Tätigkeit als Buchhalter in einer Rechnungswesenabteilung erfolgt, sondern im Hinblick auf eine Vielzahl von S a c h b e a r b e i t e r f u n k t i o n e n im Innen- oder Außendienst. Diese Tätigkeiten umfassen in erheblichem U m f a n g selbständige und kooperative Entscheidungen, die präzise Terminologie und komplexe mentale Modelle relevanter betrieblicher Zusammenhänge erfordern. Über das spezifische Zusammenhangswissen, das in den Modellierungen des Rechnungswesens seinen Ausdruck findet, wird es möglich, die eigene Tätigkeit in den Zusammenhang des gesamten Geschäftsablaufs zu stellen und zugleich die Voraussetzungen und die (wahrschein-

2.1 Veränderte Qualifikationserfordernisse

in der kaufmännischen

Ausbildung

23

liehen) Konsequenzen des eigenen Tuns besser abzuschätzen 9 . Zudem wird hiermit eine Voraussetzung dafür geschaffen, neuere, umfassende Steuerungsinstrumente der Unternehmensfuhrung in ihrer Funktionsweise zu verstehen.

Der Rechnungswesenunterricht dient somit dem Auf- und Ausbau kognitiver Strukturen und kommunikativer Kompetenzen. In handlungsorientiertem Sinne werden über die informationsverarbeitenden Tätigkeiten der Reduktion, Klassifizierung und Aggregierung einzelner Fakten (Zustände, Ereignisse) ökonomische Begriffe aufgebaut, die über kausale und zeitliche Beziehungen zu mentalen Modellen verknüpft werden. Erst die Verfahren und Begriffe des Rechnungswesens erlauben es somit, Vorgänge innerhalb und außerhalb des Unternehmens in ihrem ökonomischen Sinngehalt zu interpretieren und sie letztlich auf die Zielebene wirtschaftlichen Handelns zu beziehen.

Die Vermittlung der Fachbegriffe und ihres richtigen Gebrauchs ist wesentlicher Bestandteil beruflicher Bildung. Begriffe sind Instrumente des geistigen Lebens (Aebli 1985, S. 245). Mit Begriffen wird es möglich, bei ständig neuen Wahrnehmungen Vertrautes zu entdecken (vgl. Hoffmann

1986, S. 10). Begriffsbildung und -anwendung sind ein wichtiges Feld philoso-

phischer, psychologischer und pädagogischer Forschung; dementsprechend existieren zahlreiche Theorien (vgl. Niegemann

1978, S. 34ff, Aebli 1981, S. 89fif,

Wannenmacher/Seiler

1985, S. 3ff.; Claar 1989, S. 3ff). Aus curricularer Sicht nimmt die Vermittlung von Begriffen eine herausgehobene Stellung ein, weil andere Lerninhaltstypen, wie Fakten, Theorien (Prinzipien) und Verfahren (vgl. Merrill 1983, S. 286fif), auf Begriffen basieren.

Ein Begriff darf nicht mit seinem Namen, dem Wortzeichen, verwechselt werden. Begriffe sind auch keine bloßen Vorstellungsbilder (Aebli 1985, S. 245). Begriffe werden über ihren Inhalt (intensional) und über ihren Umfang (extensional) beschrieben. In dem Begriffsinhalt sind Merkmalsbündel in einem Zusammenhang erfasst. Der Begriffsumfang beinhaltet die Elemente, die unter ihn subsumiert werden können. Zum Aufbau eines Begriffs gehört neben der Bestimmung des Inhalts und des Umfangs als weiteres Element die Intentionalität, d. h. der Zweck, die Funktion oder der Nutzen des Begriffs (Achtenhagen et al. 1992, S. 115ff.).

9

So sollte jedem Mitarbeiter z. B. bewusst sein, dass das Übersehen von Quantitäts- und Qualitätsmangeln bei Güterbewegungen und -beständen nicht nur zur Minderung des Umsatzes, sondern auch zu Fehlem bei der Preisfestsetzung fuhren kann. Im Sinne eines einheitlichen Erscheinungsbildes des Unternehmens nach innen und außen sollten die kaufmännischen Mitarbeiter erkennen, dass die Einhaltung geltender Normen bei der schriftlichen und mündlichcn Kommunikation sowie auch im Rechnungswesen ein Indikator für die Qualität der Erzeugnisse und damit für den Erfolg des Untenielunens auf den Märkten ist.

24

2. Curriculare Bezugspunkte des wirtschaftsinstrumenlellen Rechnungswesenunlerrichls

Grundlegende ökonomische Begriffe existieren nicht isoliert, sondern hängen in Begriffssystemen zusammen. Mit einer in sich logischen und dem Vorstellungsvermögen adäquaten Vermittlung kann Verständnis angestrebt werden. Didaktische Innovationen sind deshalb nicht nur dort notwendig, w o Verständnisschwierigkeiten letztendlich auftreten, sondern das ganze Curriculum ist auf mögliche Ursachen dafür abzusuchen. Der Rechnungswesenunterricht ist in diesem Sinne auf das Verständnis der betriebswirtschaftlichen und mathematischen Modellierung sowie der dabei berücksichtigten bzw. nicht berücksichtigten Interessen hin auszurichten. Curriculare Leitideen sind dabei flexibler Wissens- und Fertigkeitserwerb sowie Förderung vernetzten Denkens. Die Reproduktion von Definitionen oder das Ausführen detaillierter Anweisungen sind von diesen Zielen her zu legitimieren und nicht Selbstzweck. Vernetztes Denken muss durch die Begriffswahl und den Begriffsaufbau gefordert werden; es darf auch nicht auf eine Unterrichtseinheit oder ein Fach begrenzt bleiben.

Voraussetzung für den Aufbau funktionsfähiger Wissensnetze ist die kohärente Verwendung zentraler Begriffe (Aebli 1985, S. 261). Weitere qualitative Verbesserungen der Lernprozesse können in der Erarbeitung transferfähiger Inhaltsstrukturen, d. h. in der Schaffung von MetaWissen, liegen (vgl. hierzu Witt 1992a, S. 315ff. und 1992b, S. 2 3 4 f f ) . Die kohärente Verwendung der Begriffe ist zugleich Voraussetzung für die Unterstützung der Lernprozesse durch Hypertexte und Multimedia. Die Lehrer und die didaktische Forschung sind aufgefordert, sich verstärkt diesem Kohärenzproblem zu widmen, damit Wissensteile nicht als „beziehungslose Brocken" (Aebli

1985, S. 261) vermittelt werden. Dazu müssen flexible

didaktische Modelle entwickelt werden, die über die von Heimami

(1965, S. 11) geforderte

Planung von Einzelstunden im Rahmen einer größeren Unterrichtseinheit hinausgehen, d. h. die die Makrosequenzierung eines Kurses aus mehreren Lektionen beschreiben und begründen. Die Konstruktion von Lernumwelten, in denen die Lernenden teilweise die Steuerung des Lehrprozesses übernehmen, trägt dem Qualifikationsleitbild des Mitarbeiters in teilautonomen Arbeitsgruppen Rechnung. Das Lernangebot ist daher nicht nur methodisch, sondern auch inhaltlich so zu gestalten, dass die Lernenden Teile der traditionell dem Lehrer vorbehaltenen Aufgaben (ζ. B. die Zeit und den U m f a n g der Zuweisung von Lernobjekten) selbst übernehmen können, d. h. das Lernen lernen.

Ein gelungener Aufbau kognitiver Strukturen und ihr Gebrauch im vernetzten Denken zeigt sich darin, dass Lerninhalte nicht nur im fachlichen Kontext der Lernsituation, sondern über Fächer- und Lernortgrenzen hinaus flexibel verfügbar sind. Die Zielkategorie des „vernetzten Denkens" bzw. „Förderung des Zusammenhangwissens" erfordert, dass Begriffe in verschie-

25

2.1 Veränderte Qualifikationserfordernisse in der kaufmännischen A usbitdung

denen Zusammenhängen benutzt werden können. Haben die gleichen Wörter jedoch unterschiedliche Bedeutungen, so wird ihr richtiger Gebrauch erschwert. Gelingt es nicht, in verschiedenen Inhaltsbereichen mit gleichen Bedeutungen der Begriffe zu arbeiten, so müssen die Unterschiede explizit gemacht werden (vgl. hierzu Vernooij

1996). Bezogen auf diese

Zielsetzung und die damit verbundene Förderung kommunikativer Fähigkeiten ist auch die Methodik des Rechnungswesenunterrichts so weiterzuentwickeln, dass die in diesem Fach vorherrschende Lehrerdominanz (vgl. Remisch

1981, S. 38f.) zurückgedrängt wird.

Im Hinblick auf die Zusammenfuhrung von Buchführung und Mathematik im Fach Rechnungswesen ist festzuhalten, dass zahlreiche Forschungsergebnisse zum Mathematikunterricht die Notwendigkeit des Aufbaus von tiefem, strukturellem Wissen in Abgrenzung zu einer bloßen Vermittlung von Formeln und Rechentechniken sehen. „Für die Mathematikdidaktik stellt sich die Frage, wie man den Aufbau von abstrakten Problemmodellen fördern und die Verwendung

von

, Oberflächenstrategien',

wie

Raten

oder

Schlüsselwortstrategien,

verhindern kann" (Stern

1989, S. 283, und Vernooij

1996, S. 141 f.). Besonders erwähnt sei

hier die Kritik Wittmanns

(1981, S. 146f.) an der Aufgabendidaktik im Mathematikunterricht.

Diese führe fachlich dazu, dass die prozesshaften und die systematischen Züge der Mathematik unberücksichtigt bleiben. Sie sei psychologisch den behavioristischen Ansätzen zuzuordnen, stelle pädagogisch gesehen eine Vernachlässigung kognitiver Strategien dar und wirke sich infolge des mit ihr verbundenen Lehrverfahrens ungünstig auf die Persönlichkeitsentwicklung der Schüler aus. Die in der Mathematikdidaktik erfolgte Abkehr von der Aufgabendidaktik (im Anchored Instruction-Ansatz werden isolierte Aufgaben als „microcontexts" bezeichnet) hin zur Problem- und Anwendungsorientierung („macrocontexts") kann auf den Rechnungswesenunterricht übertragen werden. Indem die Anzahl der zu bearbeitenden ökonomisch oft unmöglichen „Mini-Geschäftsgänge" reduziert wird, können dafür umfangreichere und ökonomisch sinnvollere Geschäftsgänge behandelt werden. Diese können dann fachlich intensiver und im Hinblick auf den Erwerb fachübergreifender Fähigkeiten (Schlüsselqualifikationen) bearbeitet werden.

Der Rechnungswesenunterricht hat die Aufgabe, sowohl wirtschaftliche als auch mathematische Problemmodelle zu erarbeiten. Dabei ist das Verständnis von Formeln und Techniken und nicht deren Auswendiglernen anzustreben. Der lebensweltliche Bezug und die Thematisierung modellbildender Annahmen sind für einen problemorientierten Unterricht zwingend erforderlich. Unterbleibt dies, so besteht die Gefahr, dass ein Lernen ohne Einsicht

(Roth

1973, S. 185ff.) erfolgt. Entsprechend sind diese modellbildenden Annahmen für das System

26

2. Curriculare Bezugspunkte des wirtschaflsinstrumentelien

Rechnungswesenunterrichts

des Rechnungswesens im Hinblick auf drei Funktionen zu vermitteln, die inhaltlich den Bereich der Haupt- und Nebenzwecke der Buchführung nach Lefjson (1972, S. 49ff.) abdecken: Rechenschaftslegung (gegenüber Geldgebern, Arbeitnehmern, Öffentlichkeit) einschließlich der Dokumentation; Unternehmenssteuerung (Logistik, Kalkulation, Liquidität); Ermittlung entziehbarer Mittel (Gewinnausschüttung, Steuern, Arbeitnehmerbeteiligung, Kapitalrückzahlung). Im Hinblick auf ökologische und soziale Fragen wird die Einseitigkeit des klassischen, nur monetär ausgerichteten betrieblichen Rechnungswesens deutlich. Die Idee der ökologischen Buchhaltung (Miiller-Wenk 1978, Schaltegger/Sturm 1992) lässt erkennen, dass der Grundgedanke der Buchhaltung für ökologische Betrachtungen mit „bewerteten" In- und OutputRechnungen genutzt werden kann.

Aus diesen Überlegungen ergeben sich drei zentrale didaktischen Konsequenzen: 1. Das Rechnungswesen darf weder seinen Bezug zu den logistischen Prozessen bzw. zur operativen Basis des Unternehmens (Güter- und Geldbewegungen) noch zu den übergeordneten Entscheidungs-, Steuerungs-, und Kontrollprozessen (Management) verlieren. -

Konstrukte und Zahlen des Rechnungswesens sind Abstraktionen von Güter- und Geldbewegungen bzw. -beständen. Diese müssen für die Schüler erschließbar bleiben, damit sie Abstraktionen aus der konkreten Anschauung heraus gewinnen können.

-

Die Entstehung der Daten in ihrer Struktur und konkreten Ausprägung muss für die Schüler nachvollziehbar bleiben. Die meisten Begriffe des Rechnungswesens sind über Rechenoperationen definierte Komplexionen. Die Entstehung solcher Komplexionen muss den Schülern nicht nur bekannt sein; sie sollten sie selbst problemlösend und handelnd vollzogen haben.

-

Die logistischen Vorgänge im guter- und geldwirtschaftlichen Bereich müssen als von Kaufleuten zu optimierende, administrativ abzuwickelnde und zu kontrollierende und nicht nur zu buchende Sachverhalte gesehen werden. Dabei sind die Prämissen und Grenzen von Optimierungs- und Kontrollmaßnahmen auch in Abhängigkeit von der Verfügbarkeit weiterer Informationen zu thematisieren.

-

Eine entsprechende Schrittfolge könnte etwa lauten: Verständnis der Vorgänge auf der logistischen Dimension, der korrespondierenden Vorgänge auf der wertmäßigen Di-

2.1 Veränderte Qualifikationserfordernisse in der kaufmännischen Ausbildung

27

mension, der begleitenden Informationsströme und dann der Konzepte des Rechnungswesens und ihrer konkreten (d. h. in Zahlen gefassten) Ausprägung. 2.

Die Daten des Rechnungswesens stehen zueinander in spezifischer Beziehung; insbesondere gehen sie selbst wieder in bestimmter Weise als Elemente in Abstraktionen und Komplexionen höherer Ordnung ein, ζ. B. in Urteile über ein Unternehmen und dessen Management. Meist erweist sich der Zweck bestimmter Daten erst dann, wenn bezüglich wirtschaftlicher Formalziele operiert wird. Diese Zweckbindung der Konstrukte des Rechnungswesens muss von den Schülern erschlossen werden und ihnen erkennbar bleiben.

3. Über den Einsatz der elektronischen Datenverarbeitung wird eine zusätzliche Stufe der Abstraktion realisiert, und auch die Prozesse der Erzeugung von Komplexionen sind dann fur die Schüler nicht mehr unmittelbar erfahrbar (ζ. B. Automatisierung der vorbereitenden Abschlussbuchungen in manchen Finanzbuchhaltungsprogrammen, automatische Buchung der Umsatzsteuer u. a. m ). Hier muss über den Rechnungswesenunterricht die im alltäglichen Arbeitsvollzug nicht mehr gegebene Transparenz erzeugt werden.

Detaillierte curriculare Fragen, ζ. B. welche konkreten Rechnungswesenkenntnisse und -fertigkeiten in welchem Ausbildungsgang anzustreben sind, können nicht isoliert beantwortet werden, wenn der Rechnungswesenunterricht im Dienste der Optimierung des Gesamtcurriculums stehen soll. Aufgrund ihrer relativ leichten Quantifizierbarkeit darf die monetäre Dimension betrieblichen Geschehens andere Bereiche nicht an den Rand drängen. Andererseits ist aber die Zusammenhang stiftende Funktion der monetären Dimension nicht zu unterschätzen. Die curricularen Fragen lauten deshalb: -

Welche Teilbereiche der curricularen Gesamtkonstruktion können vom Rechnungswesen und seinen Strukturen her erschlossen werden und welche nicht? Welches ist die optimale Sequenzierung der Rechnungsweseninhalte und wie passen die anderen curricularen Inhaltsbereiche dazu?

Aus diesen Überlegungen ergibt sich, dass der Rechnungswesenunterricht in der kaufmännischen Berufsausbildung nicht zurückgedrängt, sondern substantiell gestärkt werden muss. Er ist zu diesem Zweck in Richtung auf den Aufbau kohärenter Wissensnetze, konsequenter Problem- und Entscheidungsorientierung unter verstärkter Einbeziehung

kommunikativer

Elemente zu verändern. Der Rechnungswesenunterricht bekommt damit auch den Charakter einer Methodik zur Vermittlung einer ökonomischen Handlungskompetenz.

28

2.1.3

2. Curriculare Bezugspunkte des wirtschaflsmstrumentellen Rechnungswesenuntemchts

Konsequenzen des Wandels der Arbeitsbedingungen im Rechnungswesen

Die kaufmännische Berufsausbildung würde zu kurz greifen, wenn sie nur auf den Aufbau von Wissen, die Förderung des Denkens und Problemlösens abzielte, denn die Fähigkeit zur Bewältigung administrativer Aufgaben, denen das Rechnungswesen zuzuordnen ist, muss auch vermittelt werden. Diese Techniken sollten nicht nur als Hilfsmittel im Sinne der anderen Zielsetzungen, sondern auch als eigenständige Ziele gesehen werden. Dabei muss aber berücksichtigt werden, dass sich das Instrumentarium des Rechnungswesens und die damit verbundenen Tätigkeiten in den letzten Jahrhunderten in vielfältiger Weise geändert haben.

Als vor über 500 Jahren der Franziskanermönch, Mathematiker und Hauslehrer Luca (Penndorf

Pacioli

1933, S. 49ff.) die erste ausfuhrliche Darstellung über die doppelte Buchführung

nach venezianischer Art veröffentlichte, war diese ein Instrument, mit dem man Fehler beim Abschreiben von Texten und beim Rechnen mit den immer noch ungewohnten arabischen Ziffern durch ein mathematisches System entdecken und auch beseitigen konnte. Mit den ersten Rechenmaschinen und der Durchschreibebuchführung standen dann Hilfsmittel zur Verfugung, die die Fehleranfälligkeit und den Arbeitsumfang reduzierten. Der wissenschaftliche Fortschritt und dessen Transfer in die Praxis sorgten im 20. Jahrhundert dafür, dass neue Verfahren im Bereich der Abrechnung und vor allem der Planung eingeführt wurden. Mit der Übernahme dieser Verfahren auf EDV und dem weitgehenden Wegfall wiederholter Datenerfassung infolge der Integration in die betrieblichen Funktionen oder des zwischenbetrieblichen Datenaustausches hat sich der direkte Arbeitsaufwand fur die Bewältigung der Routinefälle entscheidend vermindert.

Weitere Impulse zur Veränderung der Qualifikationsanforderungen in dieser Richtung sind zu erwarten, denn noch immer wird ein Großteil der vielfältigen zusätzlichen Möglichkeiten, die sich durch den Computereinsatz bieten, durch die klassischen Finanzbuchhaltungsprogramme nicht genutzt werden (Miiller-Merbach 1994).

Kennzeichnend für die heutige Situation ist eine Herauslösung buchhalterischer Tätigkeiten aus dem institutionellen Rahmen der Rechnungswesenabteilung in die Aufgabenbereiche verschiedener Fachabteilungen. Dies vollzieht sich einerseits über die Integration der Nebenbuchhaltungen in die betrieblichen Funktionsbereiche, also beispielsweise der Debitoren- und Kreditorenbuchfuhrung in die Absatz- und Beschaffungsabteilungen. Die Buchungen werden

2.1 Veränderte Qualifikationserfordernisse in der kaufmännischen A usbildung

29

hierbei automatisch in die Hauptbuchhaltung übernommen, so dass auch hier klassische Grenzziehungen verschwinden. Andererseits sind viele Buchhaltungsdaten fur betriebswirtschaftliche Auswertungen auf der Ebene der Fachabteilungen über direkten Datenbankzugriff verfügbar und können so unmittelbar in wirtschaftliche Planungen und Entscheidungen einbezogen werden.

Der Rechnungswesenunterricht sollte vor diesem Hintergrund darauf abzielen, entsprechende buchhalterische Fähigkeiten für eine Tätigkeit in den kaufmännischen Fachabteilung zu vermitteln, ohne dabei jedoch eine mögliche Tätigkeit im Kernbereich des Rechnungswesens, der Hauptbuchfuhrung (Sachkonten) und der Kostenrechnung, zu vernachlässigen. Die Berücksichtigung dieser Tätigkeitsbereiche ist gerade deshalb auch weiterhin notwendig, weil im Hauptbuch und in der Kostenrechnung die Integration und die Umgruppierung der aus den verschiedenen Funktionsbereichen kommenden und fur diese zu liefernden Daten erfolgt, d. h. es wird die Gesamtsicht des Unternehmens erschlossen. Die schulische Ausbildung muss zudem berücksichtigen, dass infolge der Automatisierung und der möglichen externen Erledigung der Finanzbuchfiihrung und Kostenrechnung die Ausbildungsmöglichkeiten am Arbeitsplatz in diesen fur ein ganzheitliches ökonomisches Denken wichtigen Bereichen stark eingeschränkt sind.

Durch den fiinktionsintegrativen EDV-Einsatz im Zuge systemischer Rationalisierung (vgl. Baelhge/Oberbeck

1986, S. 20ff.) haben sich Arbeitsinhalte und -verfahren in allen betrieb-

lichen Abteilungen verändert. Für die Anpassung der Ausbildungsinhalte sind dabei die quantitative Ausdehnung, die integrativen Anwendungen und die qualitativen Erweiterungen des betrieblichen Rechnungswesens von besonderer Bedeutung.

Die quantitative Ausdehnung des Informationssystems durch Erfassung von Detailinformationen über Bestände und Bewegungen im Bereich der Industrie (Produktionsplanungs- und steuerungssysteme) und des Handels (Warenwirtschaftssysteme) hat fur die Mitarbeiter im Einkauf, Lager und Verkauf zur Folge, dass sie Veränderungen im Realitätsbereich (ζ. B. ordnungsgemäßer oder fehlerhafter Wareneingang, Verderb oder Abgang von Materialien, Erzeugnissen oder Waren) unverzüglich in das Informationssystem übertragen müssen, damit Dispositionen auf der Grundlage des gespeicherten Datenbestands (ζ. B. Nachbestellung, Sortimentsänderung u. v. a. m.) ökonomisch sinnvoll vorgenommen werden können.

2. Curriculare Bezugspunkte des wirtschoßsinstrumentellen

30

Rechnungswesenunterrichts

D i e A u s w e i t u n g der integrative·) A n w e n d u n g e n , bei d e r bisher g e t r e n n t e betriebliche F u n k tionen ü b e r A b t e i l u n g s g r e n z e n und z u m Teil a u c h ü b e r U n t e r n e h m e n s g r e n z e n h i n w e g z u s a m m e n g e f a s s t w e r d e n , verlagert F u n k t i o n e n der D a t e n e r f a s s u n g und der J o u r n a l e r s t e l l u n g v o m R e c h n u n g s w e s e n in d i e A u f g a b e n g e b i e t e d e r F a c h a b t e i l u n g e n (ζ. B. A u f t r a g s b e a r b e i t u n g , B e s t e l l w e s e n , L o h n - und G e h a l t s a b r e c h n u n g ) . D a m i t lösen I n f o r m a t i o n s v e r a r b e i t u n g s p r o z e s se in d i e s e n A b t e i l u n g e n u n m i t t e l b a r die P r o z e s s e der F i n a n z b u c h h a l t u n g und K o s t e n r e c h n u n g aus. Z u g l e i c h k ö n n e n die F a c h a b t e i l u n g e n im R a h m e n ihrer A u f g a b e n l ö s u n g e n a u c h auf d i e D a t e n d e r F i n a n z b u c h h a l t u n g und K o s t e n r e c h n u n g direkt z u g r e i f e n (ζ. B. P r ü f u n g v o n K r e d i t w ü r d i g k e i t , L i e f e r f ä h i g k e i t und P r e i s u n t e r g r e n z e bei d e r A u f t r a g s a n n a h m e ) . Die Sachb e a r b e i t e r aller A b t e i l u n g e n w e r d e n somit ü b e r die k a u f m ä n n i s c h e n A n w e n d u n g s p r o g r a m m e a u c h zu „ B u c h h a l t e r n " . Die s a c h g e m ä ß e E r f a s s u n g und A u s w e r t u n g d e r Daten verlangt dann ein g r u n d l e g e n d e s V e r s t ä n d n i s der in den I n s t r u m e n t e n des R e c h n u n g s w e s e n s s t a t t f i n d e n d e n A g g r e g a t i o n s - und D i s a g g r e g a t i o n s p r o z e s s e , w e n n A u s n a h m e f ä l l e a u f t r e t e n o d e r S t ö r u n g e n b e h o b e n w e r d e n m ü s s e n . D a Routinetätigkeiten z u n e h m e n d w e g f a l l e n , verbleiben ü b e r w i e g e n d A u s n a h m e n und Störungen, die v o n den M i t a r b e i t e r n manuell und k o g n i t i v zu bearbeiten sind.

D i e q u a l i t a t i v e E r w e i t e r u n g der F u n k t i o n e n und R e s s o u r c e n des I n f o r m a t i o n s s y s t e m s d u r c h z u n e h m e n d e U n t e r s t ü t z u n g v o n P l a n u n g s - , A u s w e r t u n g s - und P r ä s e n t a t i o n s a u f g a b e n erfolgt nicht nur a u f der E b e n e der U n t e r n e h m e n s f u h r u n g , sondern bei allen Stellen, die in a b g e g r e n z t e n T e i l b e r e i c h e n E n t s c h e i d u n g s b e f u g n i s s e haben. D a R e c h n u n g s w e s e n k e n n t n i s s e bei fast j e d e r k a u f m ä n n i s c h e n E n t s c h e i d u n g e r f o r d e r l i c h sind, g e w i n n e n a u c h Selbständigkeit und K o o p e r a t i o n der k a u f m ä n n i s c h e n S a c h b e a r b e i t e r einen neuen Stellenwert. D a z u ist es n o t w e n dig,

dass

sie

die

wirtschaftliche

Lage

des

Unternehmens

anhand

der

fur

ihren

T ä t i g k e i t s b e r e i c h relevanten Daten a d ä q u a t einschätzen und zugleich innerhalb des v o n ihnen (mit-)zuverantwortenden

Teilbereichs ö k o n o m i s c h b e g r ü n d e t a r g u m e n t i e r e n

können.

Das

D e n k e n in q u a n t i f i z i e r t e n I n p u t - / O u t p u t - R e l a t i o n e n ist h i e r f ü r e b e n s o elementar, wie das O p e r i e r e n in Soll-/Ist-Beziehungen. Ein w e i t e r e r Aspekt qualitativer E r w e i t e r u n g folgt aus der

Globalisierung

der Märkte

und

dem

damit

verbundenen

stärkeren

internationalen

E n g a g e m e n t der U n t e r n e h m e n . Nicht zuletzt im Z e i c h e n des e u r o p ä i s c h e n

Binnenmarktes

und der E i n f ü h r u n g des E u r o wird hier ein Desiderat deutlich.

W ä h r e n d die quantitative und integrative A u s w e i t u n g v o r w i e g e n d mit zentralisierter D a t e n v e r a r b e i t u n g über G r o ß r e c h n e r und T e r m i n a l s erfolgt, geschieht die qualitative E r w e i t e r u n g ü b e r dezentralisierte - und o f t individualisierte - I n f o r m a t i o n s v e r a r b e i t u n g mit leistungsfähi-

2.1 Veränderte Qualifikationserfordernisse

in der kaufmännischen

Ausbildung

31

gen Personal-Computern. Modellrechnungen, Simulationen, Soll-Ist-Vergleiche, spezielle Auswertungen nach verschiedenen Kriterien, Ergebnisaufbereitungen in Text, Datentabellen, Grafiken und Kommunikation werden von einem großen Softwareangebot an „Endbenutzerwerkzeugen" unterstützt.

Ohne Rechnungswesenkenntnisse können kaufmännische Mitarbeiter keine rational begründeten Entscheidungen treffen; sie wären dann nur noch Ausfuhrende der von anderen Personengruppen getroffenen Entscheidungen. Durch Kenntnisse des Rechnungswesens werden sie in die Lage versetzt, selbständig Entscheidungen im Sinne der Unternehmensziele zu treffen, an Entscheidungen des Managements mitzuwirken und sich mit diesen kritisch auseinanderzusetzen.

Für die Heranbildung einer diesen Veränderungen gerecht werdenden Kompetenz und beruflichen Verantwortung bei allen kaufmännischen Mitarbeitern erscheint es notwendig, schon im Rahmen der kaufmännischen Grundbildung Verständnis für die Bedeutung von Mengenund Wertinformationen zur Steuerung betrieblicher Prozesse im Hinblick auf ökonomische Ziele zu vermitteln. Hierfür bietet der Rechnungswesenunterricht deshalb besondere Chancen, weil dort real-operatives betriebliches Geschehen über die Handlungen und Reflexionen der Schüler mit den finanziellen Zielgrößen Umsatz, Gewinn und Zahlungsfähigkeit verbunden werden kann.

Die kaufmännische Ausbildung in einem anerkannten Ausbildungsberuf ist mit Ausnahme der sogenannten Querschnittsberufe nach Wirtschaftssparten spezialisiert. Unter der Leitidee der Schlüsselqualifikationen ist diese Spezialisierung jedoch so auszulegen, dass am Beispiel des Ausbildungsbetriebes und unter Berücksichtigung der Besonderheiten seiner Sparte (z. B. der Banken) die Ausbildung nicht nur berufsbezogene, sondern auch berufsübergreifende Handlungsfähigkeit vermitteln sollte (vgl. hierzu Laur-Ernst

1990, S. 37ff ). Für den Rechnungs-

wesenunterricht kann daraus gefolgert werden, dass die Besonderheiten des Rechnungswesens eines Wirtschaftszweigs nur als spezifische Ausprägung einer allgemeinen Rechnungswesengrundkonzeption anzusehen sind. So ist aus der Perspektive der beruflichen Qualifizierung den Gemeinsamkeiten der Buchführung von Industrie-, Einzelhandels-, Großhandelsund Bank- oder sonstigen Dienstleistungsbetrieben eine größere Bedeutung zuzumessen als deren Unterschieden. Die Besonderheiten des Rechnungswesens einzelner Wirtschaftszweige

2. Curriculare Bezugspunkte des Wirtschaftsinstrumentellen

Rechnungswesenunterrichts

dürften in Verbindung mit der jeweiligen speziellen Betriebslehre leichter verständlich werden.

Ein weiteres Argument fur den stärkeren Bezug des Rechnungswesens auf ein repräsentatives allgemeines Unternehmensmodell liefert die Berufstätigkeit des kaufmännischen Sachbearbeiters selbst. Sie ist u. a. dadurch gekennzeichnet, dass die Mitarbeiter viele Außenkontakte haben; sowohl bei der Pflege bestehender als auch bei der Anbahnung neuer Geschäftsbeziehungen. Vor allem aber in Verhandlungssituationen haben sich Führungskräfte und die sie dabei unterstützenden Sachbearbeiter mit den ökonomischen Daten von Kunden, Lieferanten, Banken, Mitbewerbern etc. auseinander zu setzen. Damit fachliche Kommunikation gelingt und auch externe Daten sachgemäß interpretiert werden können, ist es zweckmäßig, wenn die Kommunikationspartner das Rechnungswesen des jeweils anderen in seinen Grundzügen verstehen. Dies wird noch wichtiger, wenn neuere Organisationsformen die Einbeziehung von Lieferanten und Kunden sowie sogar deren dauerhafte Präsenz im Unternehmen vorsehen (vgl. hierzu die Diskussion um „virtuelle Unternehmen", z. B. Davidow/Maloue 1993; Picot/Reichwald

1994). Nach dieser neuen Betrachtung des Unternehmens ist die

Kenntnis des Rechnungswesens der Kunden, Lieferanten oder anderer Geschäftspartner nicht nur zum Verständnis für deren Verhalten oder zum Ausloten ihres Verhandlungsspielraums notwendig, sondern deren Rechnungswesen liefert Informationen für die eigenen Entscheidungen und wird auch durch die eigenen Entscheidungen und Handlungen beeinflusst (unternehmensübergreifendes Rechnungswesen, unternehmensübergreifende Geschäftsprozesskoordination). Kaufmännische Sachbearbeiter müssen also das Rechnungswesen nicht nur institutionell, sondern vorwiegend funktionell sehen. Der Gedanke eines über traditionelle Unternehmensgrenzen hinausgehenden Rechnungswesens kommt derzeit auch in der Diskussion um die „ökologische Buchhaltung" zum Ausdruck (vgl. hierzu Müller-Wenk 1994).

Neben der Betrachtung des virtuellen Unternehmens, die die Unternehmensgrenze nach außen verschiebt, gibt es eine zweite, nach innen gerichtete organisatorische Sichtweise: die fraktale Unternehmung (Warnecke 1993). Nach dieser besteht das Unternehmen auch in seinen Bestandteilen wieder aus unternehmensähnlichen Gebilden (sog. Teilunternehmen). Diese Betrachtungsweise überträgt die Idee der Profit-Center-Organisation auf noch kleinere Einheiten. Dahinter steht der Gedanke, dass kleinere Organisationseinheiten flexibler auf Umweltveränderungen reagieren und durch geeignete Anreizsysteme effektiver agieren können. Damit sie das können, müssen sie über geeignete Informationssysteme verfügen und ihre Steuerung primär an den Zielen des gesamten Unternehmens ausrichten. Solche organisatorischen

2.1 Veränderte Qualifikationserfordernisse

in der kaufmännischen

Ausbildung

33

Einheiten benötigen damit sowohl Informationen über den Grad der Zielerreichung des Gesamtunternehmens als auch über den Status und die Prozesse in ihrem „Teilunternehmen". Teilunternehmen können verschiedene Funktionen erfüllen: Produktion, Handel, Bank, Beratung etc. Nach der fraktalen Auffassung von der Selbstähnlichkeit komplexer Strukturen sind die Teilunternehmen untereinander und im Verhältnis zum Gesamtunternehmen ähnlich, nicht jedoch gleich. Ein fraktales Informationssystem hat deshalb auch in seinen Teilen ähnliche Strukturen.

Für die Ausbildung folgt daraus, dass in jeder kleineren Unternehmenseinheit in Kategorien des Rechnungswesens unter Nutzung der vorhandenen Informationsinstrumente gedacht und gehandelt werden sollte. Dabei muss ein Rechnungswesensystem in seinen Grundzügen so verstanden werden, dass fiinktions- oder branchenspezifische Besonderheiten integriert werden können. In einem „Beschaffungsfraktal" des Industriebetriebes muss demnach sowohl in Kategorien der Handels- als auch der Industriebuchfiihrung gedacht werden können. Über die Führung durch Zielvereinbarung (Management by Objectives) wird die teilautonome Steuerung ermöglicht, da so Ziele des Gesamtsystems mit den Zielen untergeordneter Systeme koordiniert werden können (vgl. hierzu Stachle 1989, S. 785 ff ).

2.1.4

Internationale Reformbemühungen in der dung

Rechnungswesenausbil-

Auch auf internationaler Ebene ist die Reformbedürftigkeit der Rechnungswesenausbildung erkannt worden. Wenn man davon ausgehen kann, dass der wirtschaftliche Erfolg der Unternehmen eines Landes sowohl durch Kreativität als auch durch Rationalität bestimmt wird und rationales Agieren auf den nationalen und internationalen Märkten durch ein gut ausgebautes Rechnungswesen gestützt wird, kommt der Ausbildung im Rechnungswesen ein hoher Stellenwert zu. Für die Diskussion notwendiger Veränderungen in der deutschen Berufsausbildung ist deshalb die Sicht auf andere exportabhängige Industrienationen mit fortgeschrittener Informationstechnologie lohnenswert.

Bei einer Neukonzeption des Rechnungswesenunterrichts im Hinblick auf veränderte Qualifikationsanforderungen infolge veränderter Rechnungswesenpraxis, gewachsenem Fachwissen und neueren lernthoretischen Erkenntnissen ist die Entwicklung in den Vereinigten Staaten von besonderem Interesse. Nach ersten kritischen Auseinandersetzungen mit der Rechnungswesenausbildung an Colleges und Universitäten in den siebziger Jahren (vgl. den Sammel-

34

2. Curriculare Bezugspunkte

des wirtschaflsinslrumentellen

Rechnungswesenunterrichts

band von Edwards 1974, insbes. den Beitrag von Fertakis; Ferrara 1975; Flaherty 1979) wurde durch den Bericht des nach ihrem Vorsitzenden benannten „Bedford Committee" (The American Accounting Association Committee on the Future Structure, Content, and Scope of Accounting Education 1986) die traditionelle Ausbildung in der Weise kritisiert, dass tradierte Curricula den Lehrstoff nicht praxisadäquat darböten und dabei nicht effektive Lehrmethoden vorsähen (S. 177). Mit 28 spezifischen Empfehlungen werden zwei Hauptziele verfolgt:

1. Rechnungswesen soll in seiner Funktion zur Informationsgewinnung und -Verbreitung zur Stützung ökonomischer Entscheidungen unterrichtet werden und

2. die Fähigkeit des Lernens des Lernens soll als primäres Unterrichtsziel gefördert werden. Dem Bedford Committee folgten ein „Nachfolgecommittee" (1987-88), ein „Professional Environment Committee" (1986-87) und das „Changes in Accounting Education Committee" (Schultz 1989). Ein wichtiger Punkt wurde dann das Positionspapier der damaligen „Big Eight" der Wirtschaftsprüfungsgesellschaften „Perspectives on Education: Capabilities for Success in the Accounting Profession", das sich auf die Qualifikationen zukünftiger Prüfer konzentrierte und zu einer Revision des Rechnungswesencurriculums aufforderte. Mit den bereitgestellten Mitteln wurde die Accounting Education Change Commission (AEEC) ins Leben gerufen und die curriculare Reform an den Colleges und Universitäten gefördert {Francis/Mulder/Stark

1995, S. viii).

Die ursprünglich auf 5 Jahre befristete, aber auf sieben Jahre verlängerte AEEC hat bisher zahlreiche Initiativen zur Ausführung ihres Auftrags unternommen und dabei zwei „Position Statements" und sechs „Issues Statements" verfasst (Flaherty/Diamond

1996). Gegenstand

der Publikationen sind Zustandsbeschreibungen und Anforderungen an neue Curricula.

Für die später im Rechnungswesen tätigen Berufsanfänger („Accounting Professionals") wird fehlendes konzeptionelles Verständnis des Rechnungswesens und fehlendes Beurteilungsvermögen konstatiert. Die Ausbildung konzentriere sich zu stark auf das Auswendiglernen von Regeln, Vorschriften und Techniken. Statt dessen müsse die Rolle des Rechnungswesens als Informationslieferant fur ökonomische Entscheidungen stärker herausgearbeitet und das Lernen des Lernens vermittelt werden: .Das Lösen von Lehrbuchproblemen mit ausschließlich richtigen numerischen Lösungen reicht nicht aus, um Untersuchungs- und Entdeckungsfähigkeiten zu entwickeln.... Die zu starke Konzentration auf das Erlernen des Wissens, das zum Bestehen einer amtlichen

2.I Veränderte Qualifikalionserfordernisse

in der kaufmännischen A usbildung

35

Prüfung benötigt wird, führt grundsätzlich nicht zum schrittweisen Aufbau der Bereitschaft zum lebenslangen Lernen" (Sundem/Williams 1992, S. 598).

Ein g r u n d l e g e n d e s Verständnis v o m R e c h n u n g s w e s e n .beinhaltet: - die Fähigkeit, Ziele, Probleme und Chancen zu identifizieren; - die Fähigkeit, finanzielle und nichtfinanzielle Daten, die für die Auseinandersetzung mit Zielen, Problemen und Chancen nützlich sind, zu identifizieren, zu sammeln, zu vergleichen, zu aggregieren, zu verifizieren, zu analysieren und zu interpretieren; - die Fähigkeit, Daten zu nutzen, Beurteilungen vorzunehmen, Risiken zu bewerten und konkrete Probleme zu lösen. Der Ausbildungsschwerpunkt sollte bei der Entwicklung des analytischen und konzeptionellen Denkens liegen, nicht aber beim Auswendiglernen von Regeln und Vorschriften" (Sundem/Williams 1992, S. 598).

D i e s nicht, weil B u c h u n g s r e g e l n und Vorschriften unwichtig seien, sondern weil sie im G e genteil als s o zentral eingeschätzt werden, dass sie „verstanden" werden müssen. D e n konkreten Tätigkeiten, d. h. der Buchungstechnik, k o m m e dabei eine d i e n e n d e Funktion zur A u s bildung kognitiver Strukturen zu. „Die tiefgreifendsten Veränderungen sind bei der Ausbildung in den allgemeinen Grundlagen des Rechnungswesens erforderlich. Zunächst einmal sollte die Rechnungslegung als ein Prozeß der Informationsgewinnung und Informationsübermittlung dargestellt werden. Die im Bereich des Rechnungswesens beschäftigten Personen müssen wissen, wie Informationen von unterschiedlichen Entscheidungsträgern verwendet werden. Außerdem müssen sie davon ausgehen, daß es alternative Informationsquellen gibt, so daß Informationen des Rechnungswesens entsprechend relativiert werden können. ... Schließlich sollten die Ausbildungskurse auf dem Gebiet des Rechnungswesens so gestaltet werden, daß sie grundlegende Konzepte sowie Kenntnisse zu deren Anwendung in unterschiedlichen konkreten Situationen vermitteln" (Sundem/Williams 1992, S. 599). D a z u zählen auch Situationen, die ethische Urteile erfordern (ebenda).

D i e s e A u s s a g e n lassen sich w e i t g e h e n d auch auf die Situation der beruflichen Bildung in Deutschland übertragen, da sich die professionelle Tätigkeit im R e c h n u n g s w e s e n i n f o l g e des z u n e h m e n d e n E D V - E i n s a t z e s ähnlich verändert hat. In der S c h w e i z durchgeführte A n a l y s e n der E n t w i c k l u n g e n im B e s c h ä f t i g u n g s s y s t e m und der Anforderungen im R e c h n u n g s w e s e n bel e g e n dies (vgl. hierzu Rickenbacher

I991, S. 182ff ).

V o n den Anforderungen an veränderte Curricula zur Erreichung der beiden schon erwähnten Hauptziele sind mehrere Punkte besonders interessant:

1.

die auf das Gesamtcurriculum b e z o g e n e Argumentation b e z ü g l i c h des R e c h n u n g s w e s e n unterrichts,

2.

die B e t o n u n g der zentralen Funktion des ersten Kurses im R e c h n u n g s w e s e n ,

2. Curriculare Bezugspunkte

36

des Wirtschaftsinstrumentellen

Rechnungswesenunterrichts

3.

die Hervorhebung der „überfachlichen" Fähigkeiten der Rechnungswesenausbildung und

4.

die Einforderung von aktiven Lernmethoden.

Das „Position Statement No. Two" von 1992 beschäftigt sich explizit mit dem ersten Kurs und fordert für diesen nicht nur fur angehende „Accounting Professionals", sondern fur alle Berufsanfänger in der Wirtschaft konzipierten Kurs eine „Einführung in das Rechnungswesen" statt eines „einfuhrenden Rechnungswesens". Damit wird einer eigenständigen bzw. verselbständigten (Hoch-)Schulbuchfuhrung eine Absage erteilt. Der Anfangsunterricht soll zu einem Verständnis des tatsächlich praktizierten Rechnungswesens und der dabei anfallenden Arbeiten und Probleme führen und nicht ein formales System vermitteln. Für die konzeptionelle Neuorientierung des Rechnungswesenunterrichts ist es besonderes interessant, dass in den Vereinigten Staaten drei verschiedene Innovationsansätze verfolgt werden (vgl. hierzu CHICO FIPSE Accountig-ProjecUeam

1997):

der modifizierte traditionelle Ansatz (Modified Traditional Approach) der systembetrachtende Ansatz (Survey of Accounting Approach) und der entscheidungsfallintegrierte Ansatz (The Just-In-Time Decision Case Approach). Im modifizierten traditionellen Ansatz wird das schrittweise Vorgehen durch die einzelnen Punkte der Finanzbuchhaltung (financial accounting) und der Kostenrechnung (management accounting 10 ) beibehalten. Es werden jedoch einige Themengebiete zugunsten der Diskussion von Entscheidungen auf der Basis von Rechnungsweseninformationen ausgelassen. Im Unterricht werden nach dem Durcharbeiten von Texten kurze Aufgaben gelöst. Gruppenarbeit und Computereinsatz können integriert werden. Diese Konzeption kommt Lernenden entgegen, die gerne gut-strukturierte Puzzles zusammensetzen ( C H I C O FIPSE

Accounting-Projectteam

1997, Overview). Der systembetrachtende Ansatz zeigt ein größeres Ausmaß der Veränderung gegenüber dem herkömmlichen Unterricht. Die Lernenden werden in alle wichtigen Teilgebiete (Finanzbuchhaltung, Kostenrechnung, Besteuerung, Revision, gemeinnützige Institutionen, internationale Geschäftstätigkeit, öffentliche Verwaltung) und den institutionellen und rechtlich-organisatorischen Rahmen des Rechnungswesens überblicksartig eingeführt, wobei sie einen Großteil der Zeit nach der Lektüre von Texten die Kernprobleme des Rechnungswesens in dem sie

10

Zur begrifflichen Abgrenzung von Management Accounting und Financial Accounting im amerikanischen Sprachgebrauch und in Relation zur Kostenrechnung und dem Controlling siehe Mussnig( 19%, S. 13Π).

2. y Veränderte Quaiißkationserfordernisse

in der kaufmännischen A uxbildung

37

umgebenden wirtschaftlichen Problemzusammenhang diskutieren. Wegen der Breite des Stoffgebiets überwiegt hier das Lernen über das Verstehen von Texten. Gelegentlich erfolgt auch Gruppenarbeit und Computereinsatz. Dieser Ansatz kommt Lernenden mit abstraktem Denkvermögen entgegen. Somit lassen hier hohe SAT-Werte gute Rechnungswesenleistungen vorhersagen (CHICO FIPSE AccowUig-Projectleam

1997, Overview).

Im entscheidungsfallintegrierten Ansatz wird die herkömmliche Stoffanordnung durchbrochen. Die Rechnungsweseninhalte werden um wirtschaftliche Entscheidungen gruppiert, d. h. die Rechnungswesenkonzepte (Begriffe und Techniken) werden dann eingeführt, wenn sie die Lernenden zur Lösung eines Falles benötigen. Ein solches Vorgehen war bisher nur im fortgeschrittenen Betriebswirtschaftslehrestudium üblich. Dieser nun auch für die Einfuhrung in das betriebswirtschaftliche Rechnungswesen aufbereitete und von der CHICO-Projektgruppe bevorzugte Ansatz kommt Lernenden entgegen, die am besten lernen, wenn sie die praktische Anwendung des Rechnungswesens sehen, d. h. eher den Weg über das Tun statt über das Lesen gehen. Der pädagogische Schwerpunkt liegt im Analysieren von Fällen, zu denen der vorgelegte Text nur einen Bezugspunkt bildet. Der Nachteil besteht darin, dass die Bearbeitung der Fälle selber sehr zeitintensiv ist. Somit können weniger Rechnungsweseninhalte als in den beiden anderen Innovationsansätzen behandelt werden. Gruppenarbeit und Computereinsatz sind auch hier eingebunden. Die Gruppenarbeit mit dem Einbringen mehrerer Sichtweisen kann dann besonders effektiv sein, wenn eine gute Wissensbasis vorhanden ist und die Lernenden eine Abneigung gegen unstrukturierte Entscheidungen haben. Für „was-wäre-wenn"-Scenarien ist ein arbeitsanaloger Einsatz von Tabellenkalkulationsprogrammen angebracht ( C H I C O FIPSE Accoimting-Projectteam

1997, Overview).

Im Vergleich zu diesen drei Innovationsansätzen lässt sich der wirtschaftsinstrumentelle Ansatz als eine weitere Variante kennzeichnen, die mit jedem der vorigen Ansätze einige Grundgedanken gemeinsam hat, jedoch in einem Punkt auch über diese Ansätze hinausgeht. Dieser weiterfuhrende Aspekt liegt darin, dass über das Rechnungswesen die monetäre und zielorientierte Sichtweise des Systems „Unternehmung in ihrer wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Umwelt" erschlossen werden soll. Die Gemeinsamkeit mit dem modifizierten traditionellen Ansatz besteht darin, dass das Rechnungswesen einen logischen und historisch gewachsenen Aufbau besitzt. Dies bedeutet aber, dass es nicht nur eine einzige Strukturierung der Inhalte gibt. Eine in einem bestimmten historischen Kontext vorgenommene didaktische Aufbereitung, wie die Bilanzmethode, darf nicht mit der Struktur des Rechnungswesens verwechselt werden. Alternative didaktische und

2. Curriculare Bezugspunkte des Wirtschaftsinstrumentellen Rechnungswesenunterrichts

38

neuere fachwissenschaftliche Ansätze müssen dahingehend überprüft werden, ob aus ihnen innovative Sequenzierungen und Verständnishilfen begründet werden können. Mit dem systembetrachtenden und dem entscheidungsfallintegrierten Ansatz teilt das wirtschaftsinstrumentelle Rechnungswesen die Einbettung in authentische Problemkontexte. Die Breite und die Methodik des systembetrachtenden Ansatzes sind jedoch fur die kaufmännische Erstausbildung weniger erstrebenswert, wohl aber das Verständnis zentraler rechtlicher und organisatorischer Regelungen. Im Grundanliegen und in der Methodik hat das wirtschaftsinstrumentelle Rechnungswesen die größte Nähe zum entscheidungsfallintegrierten Ansatz. Der Erwerb neuer Rechnungswesenkenntnisse und Fertigkeiten wird jedoch nur dann in andere wirtschaftliche Fälle integriert, wenn es um eine Ausdifferenzierung einer schon vorhandenen Struktur geht (ζ. B. neue Konten im Kontensystem, spezielle Bewertungsvorschriften). Geht es um den Aufbau einer grundlegenden Rechnungswesenstruktur (ζ. B. einfache Buchführung, doppelte Buchführung, Umsatzsteuer, Kostenrechnung, Jahresabschluss) so erfolgt die Integration in der anderen Richtung: Die ökonomischen Überlegungen und Hintergründe für rechtliche Regelungen werden um die Rechnungsweseninhalte angelagert. Daraus ergeben sich zwei Integrationsregeln im wirtschaftsinstrumentellen Ansatz: 1. Integration des Rechnungswesens in die Wirtschaftslehre bei Wiederholung und geringfugiger Erweiterung von Rechnungsweseninhalten und 2.

Integration von zu wiederholenden oder geringfügig auszudifferenzierenden Wirtschaftslehreinhalten in das Rechnungswesen bei neuen Verfahrensweisen.

Neben der Programmatik und den Umsetzungsprogrammen können aus den amerikanischen Reformen der Rechnungswesenausbildung auch Anregungen für eine Methodologie zur Evaluation der Programme gewonnen werden (vgl. hierzu insbes. AbJal-Khalik/Ajinkya Ingram/Frazier

1980 und Gainen/Locatelli

1995).

1979,

2.2 Orientierung an fachwissenschaßlichen

Forschungs- und

Ausbildungskonzeptionen

39

2.2

Orientierung an fachwissenschaftlichen Forschungs- und Ausbildungskonzeptionen

2.2.1

Zum Verhältnis fachwissenschaftlicher und beruflicher Inhalte

Die Wirtschaftswissenschaften und die kaufmännische Berufspraxis sind pluralistische, ausdifferenzierte und in wechselseitiger Abhängigkeit stehende Bezugssysteme für die inhaltliche Legitimation kaufmännischer Curricula (vgl. hierzu insbes. Ä f f 1996, S. 365fF.). Der Umfang beider Referenzsysteme erfordert, tragfähige Selektionskriterien zu entwickeln. Als ein wichtiges Kriterium kann die wechselseitige

Relevanz angesehen werden. Damit sollte

sowohl geprüft werden, ob fachwissenschaftliche Theorien gegenwärtige Verfahren und Normen der kaufmännischen Berufspraxis in hinreichendem Maße beschreiben, erklären und beeinflusst haben, als auch, ob praxisrelevante Verfahrensweisen und Regeln hinreichend allgemein sind und eine schlüssige theoretische Grundlage haben.

Bei der Auswahl von praktizierten Verfahrensweisen und theoretischen Grundlagen sollte bedacht werden, ob diese im Fachkontext und auch fächerübergreifend im Hinblick auf den Aufbau kohärenter, in sich stimmiger Wissensstrukturen verträglich sind. Innerhalb des Rechnungswesens ist zu diskutieren, welche Bilanz- und Kontentheoriensowie Kostenrechnungskonzeptionen untereinander und bezüglich der geltenden Vorschriften kombinierbar sind. Dabei kann sich herausstellen, dass ein bedeutender Teil der auf sachlogische Zwänge zurückgeführten Sequenzierungsentscheidungen tatsächlich durch eine verborgene und zugleich unreflektierte Kombination von bilanz- und kontentheoretischen Annahmen geprägt ist.

In einem auf Pluralismus angelegten Wissenschaftssystem generell und in den Wirtschaftswissenschaften insbesondere gibt es eine Vielzahl wissenschaftlicher Ansätze, die als Forschungskonzeptionen das Bild der Disziplinen prägen und die Grundlage für die entsprechenden wissenschaftlichen Lehrwerke bilden (neben Darstellungen in Standardwerken vgl. insbes. v. Kortzfleisch

1971a, Köhler 1977, Chmielewicz

1979, F. Witt 1995). In der wissen-

schaftlichen Ausbildung werden die Studenten mit diesen verschiedenen Ansätzen im Überblick bekannt gemacht. Über ihre Studienort- und -fächerwahl lernen sie einzelne Ansätze näher kennen. In der kaufmännischen Ausbildung hingegen, die auf der Schülerseite i. d. R. im Vorfeld und auf der Lehrerseite i. d. R. im Nachfeld eines wissenschaftlichen Studiums angesiedelt ist, kann bestenfalls nur ansatzweise dieser Pluralismus bei der Abgrenzung des

40

2. Curriculare Bezugspunkte des wirtschaßsinstrumentellen

Rechnungswesenunlerrichts

Gegenstandsbereichs, der verschiedenen Begrifflichkeiten, Systematisierungen und Theorien geboten werden. Die Frage der Ausrichtung an Fach- oder Handlungssystematik wird dadurch erschwert, dass es weder nur eine Fachsystematiknoch nur eine Handlungssystematik gibt und diese zudem nicht unabhängig voneinander sind. Bei der Gestaltung von Lehrplänen und Prüfungsanforderungen sind Einigungen über die fachliche Ausrichtung der Lerninhalte zu treffen, die dann von Lernmaterialautoren und Lehrern weiter zu präzisieren sind. Hinter den Schlagworten Fach- und Handlungssystematik bleiben oft die tatsächlichen Auswahlkriterien verborgen.

Für die inhaltliche Ausgestaltung kaufmännischer Curricula wird die Konzeption der „Abbilddidaktik", nach der das Schulfach ein reduziertes Abbild einer gleichnamigen Wissenschaftsdisziplin ist, generell abgelehnt. Auf der anderen Seite steht aber die Forderung der Wissenschaftsorientierung, nach der die Schüler vor allem befähigt werden sollen, zu erkennen, wie die Arbeits- und Lebenswelt von den Wissenschaften bestimmt wird; teilweise sollen sie auch wissenschaftliche Arbeitsmethoden und Darstellungsweisen im Hinblick auf ein späteres Studium kennenlernen. Wissenschaftsorientierte Curricula bedeuten nicht, dass die Gliederung und Fachbezeichnungen korrespondierender Wissenschaften übernommen werden (Disziplinorientierung), sondern dass die Fachwissenschaften ihre Methoden und inhaltlichen Aussagen für die Fachdidaktik und die Lehrer „bereitstellen". Diese Inhalte müssen dann geprüft und im Hinblick auf die Adaptation andersartiger kognitiver Strukturen (Wissen, Fertigkeiten und Einstellungen der Schüler) aufbereitet werden, damit qualitativ hochwertige Lernangebote entstehen können (vgl. Duhs 1996, S. 43ff). Um es mit einer Analogie auszudrücken: Die Fachdidaktik ist - ebenso wie die Fachwissenschaft selbst - kein Handels-, sondern ein Industriebetrieb, der von seinen Vorlieferanten „Fachwissenschaften" Inhalte nach bestimmten Produktionsplänen bezieht und daraus Unterrichtsinhalte in Verbindung mit didaktischen Handlungsempfehlungen herstellt und vertreibt. Bei einer solchen Sichtweise werden die Einwände von Reetz (1984a, S. 90) gegen das Prinzip der Wissenschaftsorientierung berücksichtigt.

Auch in situationsorientierten, d. h. auf die Berufs- und Lebenswelt hin ausgerichteten Curricula stellt sich die Frage nach der Dokumentation und Auswahl relevanter Inhalte - evtl. in noch stärkerem Maße, weil Situationen noch vielfältiger als wissenschaftliche Aussagen sind und nicht immer dokumentiert vorliegen. Wenn man davon ausgeht, dass die von den Fachwissenschaften getroffenen Aussagen über vergangene, gegenwärtige sowie zukünftig erwartbare und mögliche Lebenswelten aufgrund wissenschaftlicher Forschungsmethodik

von

2.2 Orientierung an fachwissenschaftlichen Forschungs- und Ausbildungskonzeplionen

41

subjektiven Einflüssen weitestgehend befreit und schon verdichtet sind, so kommt man nicht umhin, die Fachwissenschaften als potentielle „Inhaltslieferanten" fur die berufliche Bildung anzusehen. Als Alternative zur Fachwissenschaft kämen nur subjektive Inhaltslieferanten wie Lehrer, Schüler, Journalisten und Experten aus der Wirtschaft oder eine eigenständige, inhaltlich konkret werdende Qualifikationsforschung in Betracht. Diese „subjektiven Inhaltsquellen" und die Qualifikationsforschung können andererseits jedoch für die notwendige Auswahl fachwissenschaftlicher Inhalte genutzt werden. Daneben werden für die Auswahlentscheidungen die normativen Vorgaben aus dem politischen System und die erziehungswissenschaftliche Diskussion relevant, wie dies auch in dem „normativen Qualifikationsbegriff' 1 1 deutlich wird. In einer solchen situations- und handlungsorientierten Curriculumkonzeption haben die Wirtschaftswissenschaften nach Reetz (1984b, S. 222f.) drei Funktionen:

1. eine heuristische Funktion bei der Ermittlung relevanter Situationen des (beruflichen) Handelns,

2. die Funktion eines Informationslieferanten zur Gestaltung der kasuistischen Ebene des Unterrichts und ihrer Vermittlung mit den Ebenen des kategorialen und hypothetischen Wissens sowie

3.

die Funktion des systematisierenden Rahmens zur Verbindung des episodisch-pragmatischen mit dem wissenschaftsbetonten Bezugssystem über ein kognitions- und handlungstheoretisches Konzept.

Unterbleibt die Auseinandersetzung mit fachwissenschaftlichen Aussagensystemen, so bestehen die Gefahren unzweckmäßiger Inhaltsentscheidungen infolge Tradierung überholter Inhalte auf der einen Seite und Subjektivierung durch die Mitglieder von Lehrplankommissionen und jeweiligen Lehrkräfte auf der anderen Seite. Unangebrachte Tradierung und Subjektivierung schränken in erheblichem M a ß e die Anwendbarkeit erworbener Kenntnisse und Fertigkeiten in beruflichen und außerberuflichen Lebenssituationen ein. Dies fuhrt leicht zu dem Vorwurf der Praxisferne beruflicher Ausbildung. Wissenschaftsorientierung ist gerade im Bereich des Rechnungswesens ein Beitrag zur Praxisorientierung, da die berufliche Praxis

"

Nach dein Ansatz von Reetz liegt (1984, S. 129ÍT.) das Primat auf der Situations- und Persönlichkeitsorientierung. Den Wissenschaften kommt nur die Aufgabe eines Priilkriteriums zu, nach dem nichts gelehrt werden sollte, was den Standards und Erkenntnissen modemer Wissenschaftliclikeit zuwiderläuft (S. 106). Eine zu spezielle Situationsorientierung läuft Gcfalir, die siluationsübergreifcnden Elemente nicht genügend zu berücksichtigen und damit einen Leni- und Anwendungstransfer zu erschweren. Die Situationsoricnticrung muss also liinreichend allgemein sein. Dies bedeutet, dass sie wissenschaftlich abzusichern ist.

42

2. Currìcutare Bezugspunkte

des Wirtschaftsinstrumentellen

Rechnungswesenunterrichts

und das normative Regelwerk der Praxis seit Anfang dieses Jahrhunderts durch die Betriebswirtschaftslehre entscheidend geprägt wurden.

Bei der Auswahl und Strukturierung der Inhalte des Rechnungswesenunterrichts ist es sehr nützlich, deren aktuelle und historische Stellung im wissenschaftlichen Lehrgebäude zu kennen (vgl. Reinisch 1991). Für den Rechnungswesenunterricht bedeutet dies insbesondere eine didaktisch geleitete fachliche Auseinandersetzung mit den Bilanz- und Kontentheorien, verschiedenen Kostenrechnungskonzeptionen sowie auch Konzeptionen der sozial- und ökologisch orientierten Rechnungslegung (Sozial- und Ökobilanzen). Diese Theorien erschließen oft erst den Sinn fur bestimmte Verfahrensweisen. Zugleich jedoch sind für den Unterricht fachdidaktisch begründete Auswahl-, Synthese- und Transformationsentscheidungen zu treffen. Dabei sind tradierte Auswahlentscheidungen im Hinblick auf ihre heutige curriculare und lernpsychologische Adäquatheit zu hinterfragen.

Für den wirtschaftsinstrumentellen Rechnungswesenunterricht ist eine von Dieter Schneider (1995, S. 20ff.) getroffene Unterscheidung des Rechnungswesens als Regelsystem und des Rechnungswesens als Handlungssystem von Bedeutung. Handlungssysteme bestehen aus Handlungsabläufen (Handlungen und Folgehandlungen) und werden strukturiert durch Regelsysteme. Institutionen wie die Unternehmung oder das Rechnungswesen können danach als Regel- und als Handlungssysteme begriffen werden. .Das Rechnungswesen bezeichnet ein Regelsystem, wenn es darum geht, wie Wisssenswünsche über Geschehenes oder zu Planendes mittels Zahlen abzubilden sind, z. B. mit welchem Inhalt ein Gesetzgeber Vorschriften erläßt über die Rechnungslegung gegenüber dem Finanzamt (Steuererklärungen) oder gegenüber Kapitalmarktteilnehmern (Jahresabschluß, u. U. Lagebericht, bzw. die Veröffentlichung von Tatsachen, die den Börsenkurs erheblich beeinflussen können ...). Rechnungswesen wird zum Namen für ein Handlungssystem, wenn die Gesamtheit der Tätigkeiten gemeint ist, um die auf einen Rechnungszweck (z. B. Bemessung des Einkommens) bezogenen Folgen durchgeführter oder geplanter Handlungen in Zahlen abzubilden und zu beurteilen" (Schneider 1995, S. 23f.).

Im traditionellen Rechnungswesenunterricht wird das Rechnungswesen vorwiegend als isoliertes Handlungssystem gesehen, in dem das Regelsystem zu beachten ist. Im wirtschaftsinstrumentellen Ansatz wird sowohl ein Verständnis des geltenden Regel systems12 als auch ein Verständnis des Handlungssystems „Unternehmung" angestrebt. Dieses umfassende Handlungssystem, das im Hinblick auf den Unternehmenszweck und die Unternehmensziele aufgebaut und in den Abläufen zentral und dezentral koordiniert wird, verlangt bei seinen teilauto-

12

Ein Verständnis alternativer Regelsysteme wäre im Bereich der Hochschulausbildung anzustreben.

2.2 Orientierung an fachwissenschaftlichen

Forschungs- und

Ausbildungskonzeptionen

43

nomen Mitarbeitern eine gemeinsame Kommunikationsbasis. Die Kategorien und einzelne Instrumente des Rechnungswesens sind ein Teil dieser Kommunikationsbasis. Damit Kommunikation im Hinblick auf die Unternehmensziele gelingt, muss Rechnungswesen somit nicht nur ein Informationssystem für die Unternehmensleitung und externe Adressaten sein, sondern in den zentralen Kategorien fur alle Mitarbeiter Orientierungen liefern können. Dies bedeutet, dass es über das auf einem Rechnungszweck begrenzte „Handlungssystem" Schneiders hinaus ein „Denksystem" zur Verknüpfung anderer „Handlungssysteme" werden muss.

Für eine dem handlungsorientierten Grundgedanken verpflichtete Fachdidaktik ergeben sich daraus zwei Fragestellungen: a) Wie sind Rechnungsweseninhalte in das gesamte kaufmännische Curriculum einzubeziehen und b) wie können wirtschaftliche Kenntnisse über Lernhandlungen im Rechnungswesen vermittelt werden?

Dies bedeutet, dass es keine isolierte Fachdidaktik des Rechnungswesens geben kann. Die Fachdidaktik des Rechnungswesens hat sich auch damit zu beschäftigen, welche volks- und betriebswirtschaftlichen Inhalte - eventuell sogar darüber hinausgehend: Politik, Deutsch, Englisch, Informatik, Mathematik, Religion, Ethik - und „Schlüsselqualifikationen" über den „Zugangsweg" des Rechnungswesens erworben werden können. Die Bezugsdisziplinen der Fachdidaktik des Rechnungswesens werden damit erheblich ausgeweitet, was ein arbeitsteiliges Vorgehen erfordert.

2.2.2

Die „systemorientierte Betriebswirtschaftslehre" als Ausgangspunkt integrativer Überlegungen

In dem wirtschaftspädagogischen Forschungs- und Entwicklungsansatz einer „Lehr-LernForschung mit curricularer Komponente" (Achtenhagen et al. 1992), bzw. einer „evaluativkonstruktiven Curriculumstrategie" (Tramm 1992) erfolgt im fachwissenschaftlichen Referenzsystem eine primäre Orientierung an der Forschungs- und Ausbildungskonzeption der von H. Ulrich begründeten „systemorientierten Betriebswirtschaftslehre", da dieser Ansatz formal sowohl in der Abgrenzung des Gegenstandsbereichs als auch in der Forschungsmethodologie sehr weit gefasst ist und inhaltlich mit pädagogischen Überlegungen, die den (unvollkommenen) Menschen im Betrieb als entscheidendes Element sehen, die gleichen Prämissen teilt.

44

2. Curriculare Bezugspunkte des wirtschaflsinstrumentellen Rechnungswesenunterrichts

Der Rückgriff auf eine systemorientierte Konzeption erlaubt eine integrative Sicht von Betriebswirtschaftslehre und Rechnungswesen, wie sie sowohl der fortgeschrittenen betrieblichen Praxis als auch neueren wissenschaftlichen Konzepten entspricht. Zugleich wird es damit möglich, nicht nur dem curricularen Grundsatz der Wissenschaftsorientierung zu genügen, sondern auch weitere wesentliche Aspekte der allgemeinen Curriculumdiskussion systematisch zu berücksichtigen: So erfordern die berufliche und gesellschaftliche Praxis in immer stärkerem Maße kognitive Orientierungsleistungen in komplexen Systemzusammenhängen, d. h. die Fähigkeit zum „Systemdenken" (Ulrich 1985) bzw. zum „ganzheitlichen Denken" 1988, Gomez

(Ulrich/Probst

1993).

Diese Fähigkeit zum Systemdenken in ökonomischen Zusammenhängen beruht auf Prinzipien, die weit über den ökonomisch-beruflichen Bereich hinaus Gültigkeit haben. Beispiele hierfür sind Anwendungen der systemtheoretisch-kybernetischen Denkweise auf ökologische, Verkehrs- und siedlungspolitische, auf technische, biologische und gesellschaftspolitische Fragestellungen (vgl. ζ. B. Vester 1984 und 1988). Der systemorientierte Ansatz ist auf eine recht begrenzte Anzahl von inhaltlichen und formalen Grundprinzipien zurückzufuhren, die auch fur die formale Konstruktion des Rechnungswesensystems Geltung beanspruchen und die schon am Beispiel recht einfach modellierter Systeme erarbeitet werden können (ζ. B. System, Umsystem, Subsystem; Austauschbeziehungen, d. h. Input-Output-, Kreislauf-Betrachtungen; Dynamik, Gleichgewicht u. a. m ) . Schließlich weist der systemorientierte Ansatz eine normative Ausrichtung auf, die mit pädagogischen Menschenbildannahmen und Leitvorstellungen in hohem Maße verträglich ist (vgl. Ulrich 1984; Werhahn 1989, 25Iff.).

Damit kann die im vorhergehenden Abschnitt entfaltete Spannweite curricularer Argumentation in ein bezugswissenschaftliches Grundmodell integriert werden 1 3 . Darauf aufbauend sind Unterrichtsinhalte und -methoden in angemessener Komplexität fur unterschiedliche Lernergruppen zu bestimmen. Dieses Verfahren zur Erzeugung lernerangemessener Komplexität geht über bisherige Verfahren der didaktischen Reduktion/Transformation hinaus, weil

13

Damit soll nicht behauptet werden, dass andere betricbswirtscliartlich Ansätze prinzipiell nicht lur die faclididaktische Grundlegung in Frage kämen. Allerdings hat sich der St. Gallcncr Ansatz bei einer Fülle fachdidaktischer Entwürfe als der am einfachsten und zugleich am umfassendsten zu Itandliabcnde erwiesen.

2.2 Orientierung an fachwissenschaftlichen Forsch ungs- und Ausbildungskonzeptionen

45

nicht die Vereinfachung wissenschaftlicher Aussagen in der Form relativ isolierter Lerninhalte erfolgt, sondern ein in sich stimmiger, komplexer Lerninhaltsbereich im Sinne einer „kleinen Ganzheit" (Ulrich 1985) als Modell geschaffen wird (vgl. Achtenhagen

et al. 1992,

S. 66ff., Preiß 1992). Dabei ist die Verträglichkeit der Einzelbeziehungen in diesem Modell mit wissenschaftlichen Aussagen und der allgemeinen Lebenserfahrung notwendig, um gegenwärtiges und zukünftiges Lernen nicht zu behindern.

Die systemorientierte Betriebswirtschaftslehre versteht sich als pragmatische Wissenschaft, als „notwendige Vorstufe zu einem sinnvollen praktischen Handeln" fur alle Menschen, die „mit-gestaltend auf die Unternehmung und mit-bestimmend auf die Unternehmungsaktivitäten einwirken" wollen (vgl. Ulrich 1984, S. 32). Sie nutzt zur Beschreibung, Erklärung und Prognose wirtschaftlicher Strukturen und Prozesse das Instrumentarium der Kybernetik bzw. der allgemeinen Systemtheorie (Ulrich 1971, S. 45). Hierin ist der wesentliche Grund dafür zu sehen, dass die Überlegungen der systemorientierten Betriebswirtschaftslehre und die der Handlungs- und Kognitionstheorie, aus denen heraus sich das Konzept handlungsorientierten Lernens begründet, durchaus stimmig aufeinander zu beziehen sind {Achtenhagen et al. 1992, S. 28ff).

Die Charakteristika der inhaltlichen Rekonstruktion des Systems Betrieb im Rahmen dieses Ansatzes lassen sich in einigen Punkten zusammenfassen: 1.

Die Unternehmung wird formal als ein offenes, komplexes, dynamisches sowie ziel- und zweckorientiertes System aufgefasst, das in seiner Verflechtung mit der Umwelt beschrieben und analysiert wird; inhaltlich wird die Unternehmung als „produktives soziales System" gekennzeichnet (Ulrich 1970), also als strukturierter Sozialverbund „zur Erzeugung von Leistungen fur Institutionen und Individuen ihrer Umwelt" (Ulrich 1984, S. 24). Unter dem Aspekt der Formalzielorientierung der Unternehmung ließe sich diese inhaltliche Kennzeichnung noch um den Gesichtspunkt der intendierten Wertschöpfung ergänzen.

2.

Die einzelnen Funktionsbereiche der Unternehmung können als „inputverarbeitende und outputorientierte (Sub-)Systeme" beschrieben werden (Ulrich 1984, S. 40).

3.

Es werden verschiedene „Dimensionen der Unternehmung" unterschieden, „um das Unternehmungsgeschehen und die entsprechenden Gestaltungsprobleme in materieller, sozialer, kommunikativer und wertmässiger Sicht herausarbeiten zu können" (ebenda). Aus

46

2. Curricuìare Bezugspunkte des Wirtschaftsinstrumentellen

Rechnungswesenunterrichts

der Perspektive des Rechnungswesens sind vor allem die kommunikative Dimension und die Wertdimension des Unternehmungsgeschehens interessant: - „Durch die Unterscheidung einer .kommunikativen Dimension' wird die Unternehmung als informationsverarbeitendes System dargestellt und die Betriebswirtschaftslehre für die Aufnahme von Erkenntnissen und Methoden der modernen Datenverarbeitung geöffnet" (Ulrich 1984, S. 26). Im Subsystem „Informations-Versorgung" überlagern Informationsnetzwerke die „materiellen und sozialen Dimensionen" vor allem zur Lenkung der entsprechenden Subsysteme. Dadurch wird erreicht, „dass beispielsweise das Rechnungswesen nicht mehr als etwas fur sich, sondern als wesentlicher Bestandteil des Informationssystems der Unternehmung erscheint" (Ulrich 1984, S. 39 ). - „Der klassisch-wirtschaftswissenschaftliche Ansatz kann in der ,wertmässigen Dimension' voll entwickelt werden, wobei dem Studierenden jedoch nicht nur die Notwendigkeit, sondern auch die Grenzen der monetären Betrachtung gezeigt werden können und dargestellt werden kann, dass auch ethische, in Lebensanschauungen und gesellschaftlichen Wertsystemen verankerte Normen im Unternehmungsgeschehen eine wichtige Rolle spielen" (Ulrich 1984, S. 26). 4.

Es werden „drei Kategorien von Gestaltungs- und Lenkungsproblemen" unterschieden, um typische Probleme der Unternehmungsfuhrung herausarbeiten zu können: Probleme der Bestimmung der Ziele, welche das System erreichen soll, Probleme der Gestaltung eines zielentsprechend handlungsfähigen Systems (Organisation) und Probleme der Abwicklung der zielorientierten Handlungen im System (operatives Management) (ebenda, S. 40f.). Diese Problemkategorien finden sich sowohl auf der Ebene des Gesamtsystems als auch bei allen funktionalen Teilsystemen der Unternehmung.

Dies soll hier zur Charakterisierung des systemorientierten Ansatzes der Betriebswirtschaftslehre genügen, um die didaktische Auswahlentscheidung zugunsten dieses Ansatzes mit folgenden Argumenten zu begründen: 1.

Die systemorientierte Betrachtung ermöglicht eine funktional-integrative Darstellung der verschiedenen Leistungsbereiche einer Unternehmung. Insbesondere hebt sie den hand-

2.2 Orientierung an fachwissenschaftlichen Forschungs- und Ausbildungskonzeptionen

47

lungslogischen Zusammenhang der betrieblichen Basisprozesse mit Steuerungs-, Regelungs- und Anpassungsprozessen des Gesamtsystems hervor sowie die Verknüpfung von Güter-, Geld- und Informationsströmen. 2.

Die Heraushebung relativ dauerhafter formaler Strukturmerkmale der betrieblichen Prozesse wird Prinzipien exemplarischen Lernens gerecht. Die Transfermöglichkeiten auf der Grundlage struktureller Erkenntnis dürften wesentlich größer sein als beim Erlernen unverbundener Sachverhalte (Messner 1978).

3.

Der Systemansatz steht in engem Zusammenhang mit entscheidungsorientierten Ansätzen der Betriebswirtschaftslehre (vgl. ζ. B. Heinen 1971, S. 34; 1991, S. 12ff); er ermöglicht eine integrative Sicht der unterschiedlichen betriebswirtschaftlichen Entscheidungsprobleme. Damit trägt der Systemansatz zur Einheitlichkeit des Erkenntnisgegenstandes bei.

4.

Die systemorientierte Betriebswirtschaftslehre versteht die Unternehmung als zweck- und zielorientiertes System; damit sind die Wertorientierung wirtschaftlichen Handelns sowie der Bereich ethischer und gesellschaftlich-normativer Fragen und Begründungen integrale Bestandteile dieses Ansatzes.

5.

Der Ansatz der systemorientierten Betriebswirtschaftslehre fördert nicht nur ein „Systemdenken", das im Gegensatz zum verbreiteten „linearen Denken" den Anforderungen komplexer, vernetzter, intransparenter und normativ ambivalenter Situationen eher gerecht wird (vgl. Ulrich 1984, S. 52ff., Dörner et al. 1983), sondern er bietet auch eine darauf bezogene „ganzheitliche Problemlösemethodik" an (vgl. Gomez/Probsl

1987, Ulrich/

Probst 1988). 6.

Die systemorientierte Betriebswirtschaftslehre ist mit den in den gegenwärtigen Rechnungslegungsvorschriften verwirklichten Ideen der statischen, dynamischen und organischen Bilanzauffassungen verträglich, kann aber auch genutzt werden, um Weiterfuhrungen im Sinne stärkerer finanzwirtschaftlicher, sozialer und umweltorientierter Rechenschaftslegung durchzufuhren.

In der systemorientierten Betriebswirtschaftslehre wird die Bedeutung der Informationsströme für die Steuerung und Rechenschaftslegung des Systems Unternehmung betont. Die Autoren des systemorientierten Ansatzes haben sich bisher darauf begrenzt, das klassische Rechnungswesen als die anderen Informationssysteme ergänzendes Subsystem in das systemorientierte Denken einzubringen, ohne es selbst zu verändern (vgl. Ulrich/Hill/Kunz Rieder/Siegwart

1985 und

1992). Dass systemorientiertes Denken aber auch zu umfassenderen Rech-

•18

2. Curriculare Bezugspunkte des wirtschaßsinstrumentellen

Rechnungswesenunterrichts

nungswesenkonzeptionen unter Einbeziehung sozialer und ökologischer Quantifizierungen fuhren kann, wird von Fopp/Riittiman (1994) gezeigt.

Auch im wirtschaftsinstrumentellen Ansatz wird das klassische Rechnungswesen selbst nicht verändert oder ausgeweitet. Es werden nur von den Leitideen her andere Auswahl-, Sequenzierungs-, Aufbereitungs- und Vermittlungsentscheidungen als in bisherigen Unterrichtskonzeptionen getroffen. Die instrumenteile Bedeutung des Rechnungswesens eröffnet die Chancen, handlungs- und problemorientiert zu unterrichten und von verschiedenen Perspektiven her ein einheitliches Verständnis des Systems Unternehmung aufzubauen, um damit die begrenzte und monetär akzentuierte Sicht des Rechnungswesens in einen größeren Zusammenhang einzubringen. Der Betriebswirtschaftslehre selbst soll es überlassen bleiben, Vorschläge für einen die Grenzen des klassischen Rechnungswesens überwindenden Ansatz zu entwerfen und zu diskutieren (vgl. hierzu Brüning 1996).

2.2.3

Einbeziehungen von Grundgedanken anderer betriebswirtschaftlicher Ansätze

Wenn über das Rechnungswesen zu einem Grundverständnis des Systems Unternehmung hingeführt werden soll, muss dieses so unterrichtlich aufbereitet werden, dass betriebswirtschaftliche Modellierungen und Theorien aus dem güter- und finanzwirtschaftlichen Bereich integriert werden können. Dies betrifft insbesondere die im faktortheoretischen Ansatz entwickelten Aussagen über die Produktions-, Absatz- und Finanzierungsprozesse und die im entscheidungstheoretischen Ansatz entwickelten Optimierungsmethoden und Aussagen über das Zielsystem der Unternehmen. Im Rechnungswesenunterricht sollten Modellierungen erarbeitet werden, die mit dem durch den faktortheoretischen Ansatz geprägten Modell des Leistungsprozesses mit Produktionsfaktoreneinsatz und dem ausgebrachten Faktorertrag verträglich sind.

Gutenberg (1929) greift fur die Begründung des faktortheoretischen Ansatzes die von Schmalenbach artikulierten Grundgedanken der Bestimmung innerbetrieblicher Verrechnungspreise und der Selbstkostenrechnung auf, bringt dabei aber deutlich zum Ausdruck, dass solche „organisatorischen Fragen des Rechnungswesens" nicht losgelöst von den „eigentlichen betriebswirtschaftlichen Güter-Vorgängen" betrachtet werden können (Gutenberg 1929, S. 15f.). Er kritisiert damit, dass die Beschränkung auf die rechentechnische Erfassung der Kosten die zentrale Frage der Kostenverläufe und der funktionalen Beziehungen zwischen den Kosten-

2.2 Orientierung

an fachwissenschaftlichen

Forschungs-

und

Ausbildungskonzeptionen

49

arten ausblendet. Fragen der theoretischen Betriebswirtschaftslehre werden nach Gutenberg in vereinfachender und isolierender Abstraktion von der Buchhaltungstechnik behandelt, um nach ihrer theoretischen Lösung die Buchhaltungstechnik zu verbessern. Dieser letzte Aspekt wird jedoch von Gutenberg nicht als bedeutender Gegenstand seiner Arbeit gesehen, da er den „wissenschaftlichen Charakter" dieser konstruktiven organisatorischen Arbeiten bezweifelt und mit dem Ausdruck „Kunstlehre" belegt (ebenda, S. 19ff).

Diese „Entwissenschaftlichung" der Buchhaltungstechnik dürfte wohl mit eine der Ursachen sein, dass der faktortheoretische Ansatz weder in der Betriebswirtschaftslehre (Schneider 1987, S. 154) noch im Schulunterricht zur Veränderung des tradierten Rechnungswesens beigetragen hat. Die Weiterentwicklung des Rechnungswesens im Hinblick auf die Kostenrechnung und die Entwicklung der Bilanzmethode zur Einfuhrung in die Buchführung erfolgte deshalb lange Zeit neben der theoretischen Weiterentwicklung der Betriebswirtschaftslehre. So ist der Buchfuhrungsunterricht bisher sowohl in den Hochschulen als auch an den Schulen von der Entwicklung der Betriebswirtschaftslehre „verschont" geblieben. Auch Dieter Schneiders (1994) theoretische Auseinandersetzung mit dem Rechnungswesen und seinen grundlegenden Begrifflichkeiten haben nicht zu einer dem faktortheoretischen bzw. neoklassischen Ansatz der BWL entsprechenden Neuorientierung geführt. Mit der Modellierungsmethode wird eine Konzeption vorgelegt, deren Grundannahmen mit faktortheoretischen Vorstellungen vom Leistungs- und Finanzierungsprozess der Unternehmung verträglich sind.

Infolge der Erweiterung des methodischen Repertoires (insbes. lineare Programmierung und Simulationen im Operations Research) zur theoretischen Durchdringung und Lösung ökonomischer Probleme entwickelte sich die „entscheidungsorientierte Betriebswirtschaftslehre", mit der eine komplexere Modellierung des Objektbereichs sowie eine Einbeziehung der Entscheidungssubjekte ermöglicht wurde. Der entscheidungsorientierte Ansatz hat zur verhaltenswissenschaftlichen Öffnung der Betriebswirtschaftslehre beigetragen, ohne auf formalwissenschaftliche Entscheidungs- und Quantifizierungsverfahren zu verzichten (Äff 1997, S. 22): „Mit der entscheidungsorientierten Betrachtungsweise der in Betriebswirtschaften ablaufenden Prozesse gelingt es, die Position mathematischer Erklärungs- und Problemlösungsversuche in individuellen und kollektiven Entscheidungs- und Verhandlungsprozessen zu bestimmen und Empfehlungen für ihren Einsatz im Prozeß betrieblicher Willensbildung und -durchsetzung abzuleiten" ( H e i n e n 1971, S. 25).

Bezogen auf eine Auswertung des universitären Lehrangebots konstatiert Dieter Schneider (1987, S. 157) „(e]in starkes Zurückdrängen des unternehmenskundlichen Teils und der

50

2. Currículare Bezugspunkte des wirlschaßsinslrumenlellen

Rechnungswesenunterrichts

Bilanzierung zugunsten eines formalisierten, die Rechentechniken der Unternehmensforschung teilweise stark in den Vordergrund stellenden Unterrichts" (Hervorhebung im Original). Die Rechentechniken der entscheidungsorientierten Betriebswirtschaftslehre treten überwiegend neben die buchhalterischen Rechentechniken. Somit wird auch durch die Entwicklung der entscheidungsorientierten BWL der tradierte Buchfuhrungsunterricht nicht grundlegend verändert.

Für den wirtschaftsinstrumentellen Rechnungswesenunterricht liefert der entscheidungsorientierte Ansatz in mehrfacher Hinsicht Orientierungspunkte. So sind die Aussagen zur Präzisierung des unternehmerischen Zielsystems mit der Einordnung und Relativierung der monetär-quantifizierbaren Ziele (vgl. hierzu Heinen 1976, S. 59fF) Bezugspunkte fur die Interpretation von Daten der Buchführung. Die Aussagen zum Rechnungswesen konzentrieren sich in erster Linie auf die handelsrechtliche Rechnungslegung und deren Ergänzung (zur „ergänzten Mehrzweckbilanz" und zu „Sozialbilanzen" vgl. Heinen 1986, S. I04ff.) sowie auf die Kostenrechnung (Heinen/Dietel 1991).

Neuere betriebswirtschaftliche Ansätze sind stark von dem Einsatz und der Gestaltung computergestützter Informationssysteme und den dadurch ausgelösten inner- und überbetrieblichen Veränderungen geprägt. Aus diesen Schwerpunktsetzungen ist der eng mit der Wirtschaftsinformatik verbundene

Ansatz

der

„EDV-orientierten

Betriebswirtschaftslehre"

{Scheer 1990) mit der prozessorientierten Unternehmensmodellierung

(Krcmar/Schwarzer

1994) ein weiterer Bezugspunkt des wirtschaftsinstrumentellen Rechnungswesenunterrichts.

Die im Rechnungswesen zu buchenden Geschäftsvorfälle können dabei solchen Geschäftsprozessen zugeordnet werden; man kann sie sogar als deren Kernelemente (Kernfunktionen und Kernereignisse) ansehen. Über die Thematisierung der den Geschäftsvorfällen vorausgehenden und nachfolgenden Ereignisse und Funktionen kann der betriebswirtschaftliche Zusammenhang erschlossen werden. Das Rechnungswesen leistet andererseits die horizontale Verknüpfung verschiedener Teilprozesse und die vertikale Verknüpfung einzelner Geschäftsprozesse mit den monetären Unternehmenszielen (z. B. in Management-Informationssytemen). Auch die unternehmensübergreifende Geschäftsprozesskoordination kann über die Verknüpfung des Rechnungswesens verbundener und autonomer Unternehmen in einer über die Logistik hinausgehenden Weise erschlossen werden.

2.2 Orientierung an fachwissenschaßlichen

Forschungs- und

Ausbildungskonzeptionen

51

Eng mit dem systemorientierten Ansatz, aber auch mit wirtschaftspädagogischem Denken, verbunden sind betriebswirtschaftliche und organisationssoziologische und -psychologische Forschungsansätze, die den Wissensbestand und die Motivation der Mitarbeiter einbeziehen und Fragen des Wissensmanagements und „knowledge sharings" in Verbindung mit Fragen der Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit behandeln. Für die Rechnungswesendidaktik sind die dort entwickelten Vorstellungen von „Qualitätsmanagement", „Wert-, Wertschöpfungsbzw. Leistungsketten" sowie „Kern- und Supportprozessen" Bezugspunkte, deren Herausbildung es zu fördern gilt (ζ. B. Porter 1989, Gomez 1993, Goldman et al. 1996, Osterloh/Frost 1996). Die Teilung gemeinsamer Wissensbestände und Koordination teilautonomer Tätigkeiten verlangt auf die Unternehmensziele ausgerichtete, kompatible Kognitionen, wie sie durch Rechnungswesenkenntnisse gefördert werden können. 2.2.4

Rechnungswesen-, bilanz- und kontentheoretische Grundlagen

Neben allgemeinen betriebswirtschaftlichen Forschungskonzeptionen und -ergebnissen sind auch spezielle, auf das Rechnungswesen hin ausgerichtete Forschungen fur die Begründungs-, Auswahl- und Sequenzierungsentscheidungen in einem Rechnungswesencurriculum relevant. Dies betrifft einerseits grundsätzliche Theoriebildungen zum Gegenstand des Rechnungswesens und zu einzelnen Teilbereichen und andererseits die konkreteren Aussagen zu einzelnen Normen und Verfahrensweisen. Während die konkreteren Aussagen jeweils zur Begründung einzelner Unterrichtsabschnitte herangezogen werden können, sind die allgemeinen Aussagen zur Theorie des Rechnungswesens, zu Bilanz- und Kontentheorien sowie zu Konzeptionen der Kostenrechnung mit der Begründung einer didaktischen Konzeption in Verbindung zu bringen.

Ein besonders problematischer Punkt ist die in vielen Lehrplänen, Stoffkatalogen und Schulbüchern an den Anfang gestellte, aus der Zeit nationalsozialistischer14 Kontrolle des Unternehmensgeschehens stammende Einteilung des Rechnungswesens in die vier Teilbereiche „Buchführung", „Kosten- und Leistungsrechnung", „Statistik" und „Planungsrechnung" (beispielhaft: Schmolke/Deitermann

1996, S. 7f). Die nur terminologisch veränderte Einteilung

(damals: „Buchführung", „Selbstkostenrechnung oder Kalkulation", „Vergleichsrechnung

14

H.K. Weber (1993, S. 2) weist daraufhin, dass dieser Erlass auf Vorarbeiten von Schmalenbach zurückgeht und nach 1945 in den Empfehlungen der Verbände der deutschen Wirtschaft weitgehend übernommen wurde. Hier wäre eine genauere Aufarbeitung der Interessenlage der damaligen Machthaber, der Wirtschaftsverbände in der Nachkriegszeit und des unkritischen Tradierens dieser Einteilung in die Lehrbücher und Lehrpläne der heutigen Zeit wünschenswert.

2. Curriculare Bezugspunkte des wirtschaßsinstrumentellen Rechnungswesenunterrichts

52

oder Statistik" und „betriebliche Vorschaurechnung oder Planung") der vom Reichskuratorium fur Wirtschaftlichkeit (RKW) herausgegebenen Buchfuhrungsrichtlinien (vgl. Butze

1944,

S. 15f.) wird trotz wissenschaftlicher Bedenken weiter tradiert. Beispielhaft ist folgende Kritik: .... Das betriebliche Rechnungswesen ist ein Instrument zur quantitativen Abbildung betriebswirtschaftlicher Sachverhalte. Einer Verordnung des Relchswirtschaftsministeriums aus dem Jahre 1937 entsprechend wurde das betriebliche Rechnungswesen lange Zeit in die Finanzbuchführung, Betriebsbuchführung (Kosten- und Leistungsrechnung), Planung und Betriebsstatistik unterteilt. Diese Systematisierung ermöglicht keine überzeugende Abgrenzung, da beispielsweise Planung sowohl in der Finanzbuchhaltung als auch in der Kosten- und Leistungsrechnung zu finden ist (Planbilanz, Plan-GuV, Plankosten, Planerlöse usw.). Aufgrund der vielfältigen Überschneidungen, die u. a. darin zum Ausdruck kommen, daß nicht alle Aktivitäten innerhalb eines Unternehmens, die als Planung oder Statistik bezeichnet werden, dem Rechnungswesen zuzuordnen sind (ζ. B. Produktionsplanung, Absatzstatistiken), wird die erwähnte Systematisierung weder wissenschaftlichen noch anspruchsvollen praktischen Anforderungen gerecht" (Heinen/Dietel 1991, S. 1159). Heinen/Dietel

(1991, S. 1159) schlagen dafür die Einteilung in externes und internes Rech-

nungswesen vor, die sich in etwa auch mit der Einteilung Kosiols (1977, S. 13ff.) in „Finanzbuchhaltung" und „Betriebsbuchhaltung" und der englischsprachigen Einteilung in „financial accounting" und „management accounting" deckt. Dem wirtschaftsinstrumentellen Ansatz entspricht jedoch besser eine Dreiteilung in „Finanzbuchhaltung", „Kosten- und Leistungsrechnung" und „Jahresabschluss". Ergänzend zu diesen Teilgebieten kann man auch noch die „Investitionsrechnung" und „Finanzplanung" (vgl. W. Weber 1991, S. 200) hinzunehmen. Die Finanzbuchhaltung ist dann als „Basisbuchhaltung" sowohl dem externen als auch dem internen Rechnungswesen zuzuordnen. Bussiek

(1987, S. 102) bezeichnet die Buchführung in

seinem primär an der Kostenrechnung ausgerichteten Ansatz nicht als Teil, sondern als die Grundlage des gesamten Rechnungswesens 1 5 .

Indem die Finanzbuchfuhrung somit auch als Grundlage des internen Rechnungswesens gesehen wird, kann auch deren über die gesetzlichen Rechnungslegungserfordernisse hinausgehende Ausdifferenzierung des Kontensystems und der Auswertungen erklärt werden. Somit wird die Finanzbuchführung selbst zu einem wesentlichen Teil des Controlling. Der handelsund steuerrechtliche Jahresabschluss einschließlich des Konzernabschlusses und des Lageberichts kann als ein auf die Anspruchsgruppen des Unternehmens hin ausgerichtetes Rechenschafts- und Kommunikationsinstrument verstanden werden.

15

Diese Auffassung macht deutlich, dass Forderungen nach mehr Kostenrechnung und weniger Buchführung in der kaufmännischen Ausbildung diesen Zusammenhang der Teilbereiche nicht sehen.

2.2 Orientierung an fachwissenschafllichen

Forschungs- und

Ausbildungskonzeptionen

53

In allgemeinen Theorien über das Rechnungswesen wird sich auch mit der Frage beschäftigt, was im Rechnungswesen und wozu es abgebildet wird (insbes. Kosiol 1977, H. K. Weber 1993, Schneider 1994, Lehmann/Moog

1996). In den Kontentheorien werden der Aufbau und

die Gliederung eines Kontensystems sowie die Funktionsweise der doppelten Buchhaltung (Kosiol

1967, S. 123) begründet. Bilanztheorien beschäftigen sich mit den Fragen der

Bilanzierung und Bewertung, der Gliederung des Jahresabschlusses sowie den Aufgaben der Bilanz (ebenda, S. 129), und in den Konzeptionen der Kostenrechnung geht es um die Frage, welches Kostenrechnungssystem und welche Verfahrensweisen am zweckmäßigsten sind.

Im wirtschaftsinstrumentellen Rechnungswesenansatz wird eine enge Verbindung zwischen dem Zweck des Rechnungswesens (ζ. B. Ermittlung des Einkommens = Reinvermögenszugang während eines Zeitraums nach Dieter Schneider

1995, S. 5) und den Unternehmens-

zwecken und -zielen (Erzielung des Einkommens) gesehen: Ohne das Messinstrument „Rechnungswesen" können in der Ferne liegende Unternehmensziele weder konkret definiert noch erreicht werden. Alle Teilbereiche des Rechnungswesens werden auch zu Controllinginstrumenten: In den Kategorien des Rechnungswesens wird sowohl der angestrebte Sollzustand als auch der erreichte Istzustand der Unternehmung als Ganzes, aber auch einzelner Handlungen ausgedrückt. Rechnungswesen ist nicht nur ein Handlungssystem, in dem andere Handlungen geplant und abgerechnet werden. Die Kategorien des Rechnungswesens werden zu einem Aspekt jeder zielgerichteten unternehmerischen Handlung; damit wird das Rechnungswesen auch zu einem Denksystem aller selbständig handelnden Personen in einem Unternehmen. Didaktisch bedeutet dies, dass ein handlungsorientierter Ökonomieunterricht ohne die Einbeziehung der Kategorien des Rechnungswesens um die Sinndimension verkürzt ist. Nur über die Rechnungswesenkonzepte können Schlagworte wie „Kundenorientierung", „Qualitäts-", „Leistungs-,, oder „Kostenbewusstsein" inhaltlich im Sinne des Unternehmens gefüllt werden, weil die Frage nach dem „Warum?" nachvollziehbar beantwortet werden kann

Für die konkretere inhaltliche Füllung des Rechnungswesenunterrichts sind Konten- und Bilanztheorien sowie Rechnungswesenkonzeptionen relevant. Im derzeitigen Rechnungswesenunterricht dominieren statische Bilanzauffassungen, die Reinvermögens-Kontentheorie und die Ist-Vollkostenrechnung. Die dynamische Bilanzauffassung und deren Weiterentwicklung in der pagatorischen Bilanztheorie konnte sich trotz einer didaktischen Konzeption von Gross (1981) und der Tatsache, dass die gegenwärtig geltenden Rechnungslegungsvorschriften auch Elemente der dynamischen Bilanztheorie enthalten, nicht durchsetzen. In Verbindung mit der statischen Bilanzauffassung dominiert weiterhin bei der Einführung der Erfolgskonten die

54

2. Currtcuìare Bezugspunkte des wirtschaßsi η.slrunien teilen

Rechnungswesenunterrichts

Reinvermögens-Kontentheorie, nach der die Aufwands- und Ertragskonten mit ihren Buchungsregeln aus vermeintlichen Veränderungen des Eigenkapitals abgeleitet werden (vgl. hierzu Markt

1949, Holler 1964, Eise le 1981, Rickenbacher

1990, Weilenmann

1993 und

Dubs 1996). Es deutet jedoch vieles daraufhin, dass es genau diese theoretische Ausrichtung des Buchfuhrungsunterrichts ist, die das Verständnis für die in der Unternehmung ablaufenden Prozesse und für die im Abschluss vorzunehmende Periodenabgrenzung behindert (vgl. hierzu Tramm/Hinrichs/Langenheim

1996).

Die Gleichartigkeit der Zugänge im Anlagevermögen und aller Güterzugänge im Leistungsprozess (auch der Dienstleistungen und Nutzungsrechte) kommt in der statodynamischen Vierkontenreihentheorie von Burri (1935, zit. n. K. Weber 1981, S. 1482) mit der Grundgleichung „Aktiva + Aufwendungen = Passiva + Erträge" zum Ausdruck. Diese Kontentheorie hat zwei Hauptkontenreihen (Bestands- und Erfolgskonten) mit je 2 Unterkontenreihen (aktive und passive Bestandskonten; Aufwands- und Ertragskonten). Kosiol (1981, S. 247; 1967, S. 128) ordnet sie deshalb den Zweikontenreihentheorien im Gegensatz zu den Einkontenreihentheorien zu. Im Rahmen dieser (2 mal 2)-Kontentheorie sind Aufwendungen wertmäßiger Verbrauch an Betriebswerten und Erträge Geldwerterlöse während einer Betriebsperiode (Rickenbacher

1990, S. 139).

In der Konzeption der Modellierungsmethode (Preiß/Tramm 1996) stützt sich die Einführung des Kontensystems formal auf die stato-dynamische Vierkontenreihentheorie, nach der die aktiven und passiven Bestandskonten sowie die Aufwands- und Ertragskonten gleichberechtigt sind. Dies steht im Gegensatz zu der Reinvermögens-Kontentheorie, bei der die Erfolgskonten Unterkonten des Eigenkapitals sind. Materiell stützt sich die Betrachtung auf die Kreislauf- und Äquivalenz-Kontentheorien, die den Wertekreislauf im Unternehmen in Verbindung mit den Märkten bzw. die Gleichwertigkeit von Leistung und Gegenleistung als Grundlage fur die Buchungsregeln beschreiben (vgl. hierzu Biedermann 1949, S. 67ff„ Brüning

1948, S. 22fT. Markt

1993, Sp. 278fT.; und Dubs 1996, S. 119ff). In der Modellierungs-

methode wird berücksichtigt, dass es im Bestandsbereich auch Konten gibt, die die Bilanzseite wechseln können (Bank, Eigenkapital u. v. a. m ). Aktiv- und Passivkonten sind deshalb nur nach ihrem normalen Erscheinen in der Bilanz zu unterscheiden.

Nach der Äquivalenztheorie ist die buchungstechnische Gleichung „Soll = Haben" auf die betriebswirtschaftliche Grundformel „Leistung = Gegenleistung" rückführbar und in die Buchungsregel: Eingang = Soll, Ausgang = Haben überführbar (Biedermann 1948, S. 20f). Die-

2.2 Orientierung an fachwissenschaftlichen Forschungs- und Ausbildungskonzeptionen

55

se b e t r i e b s w i r t s c h a f t l i c h e G r u n d g l e i c h u n g s c h a f f t einerseits das V e r s t ä n d n i s f u r z a h l r e i c h e B u c h u n g e n , die bei m e c h a n i s c h e m L e r n e n g r o ß e S c h w i e r i g k e i t e n bereiten, und ist andererseits g u t zu v e r a n s c h a u l i c h e n durch e i n e n W e r t e f l u s s v o n links n a c h rechts, also einen Pfeil v o n links a u f d i e Sollseite des K o n t o s und einen Pfeil v o n der H a b e n s e i t e des K o n t o s nach r e c h t s ( A b b i l d u n g 2-1).

Bei d e m W a r e n e i n k a u f a u f Ziel erfolgt somit der E i n g a n g im Soll und die Z u n a h m e der V e r b i n d l i c h k e i t als W e r t e a b g a n g im H a b e n . Bei der B e z a h l u n g der Verbindlichkeit erfolgt der W e r t e a b g a n g im H a b e n des B a n k k o n t o s und d e r W e r t e z u g a n g in F o r m des E r l ö s c h e n s einer S c h u l d im Soll d e s K o n t o s Verbindlichkeiten. K o m p l i z i e r t e B u c h u n g s r e g e l n , die mit der U n t e r s c h e i d u n g v o n A k t i v - und Passiv- s o w i e A u f w a n d s - und E r t r a g s k o n t e n operieren, w e r d e n überflüssig.

Wertezugänge SOLL C¿)

λλ yjij

Warenlieferung von Lieferanten

Anspruchsminderung

ER 101 SOLL

Wareneingang

HABEN

1.000,-· Verbindlichkeiten

HABEN (Τ). Reçhtauf

Überweisung 1.000,— ER 101

1.000,-

SOLL

HABEN

Bi»nk

Geld

0>Rech t a uf

Geld

Werteabgänge

Überweisung 1.500,— Überweisung

1.000,-

SOLL

HABEN

AR 2002 SOLL

Forderungen

Q) ,-j*.

1 . 5 0 0 , - Überweisung 1.500,— Umsal zerlöse AR 2002

Geld f _

Geld

Anspruchsminderung an Kunden

HABEN ß l 1.500,- ;

Warenlieferung an Kunden

Abbildung 2-1 : Zuordnung von Wertflüssen zu Kontenseiten

D i e s e generellen E r f a s s u n g s p r i n z i p i e n des W e r t e z u g a n g s im Soll und des W e r t e a b g a n g s im H a b e n k ö n n e n a u c h a u f die B u c h u n g nachträglicher Leistungs- und E n t g e l t m i n d e r u n g bei S k o n t o a b z u g o d e r R ü c k s e n d u n g e n mit deren u m s a t z s t e u e r l i c h e n K o n s e q u e n z e n

übertragen

w e r d e n . D i e a u f d e m Ä q u i v a l e n z p r i n z i p a u f b a u e n d e Doppik ist nicht nur a u f die u m w e l t b e z o g e n e n T r a n s a k t i o n e n beschränkt, sondern auch ü b e r t r a g b a r auf d i e innerbetrieblichen V e r r e c h n u n g s v o r g ä n g e , ζ. B. B u c h e n von A b s c h r e i b u n g e n , B e s t a n d s v e r ä n d e r u n g e n bei E r z e u g -

56

2. Curriculare Bezugspunkte des wirtschoßsinstrumentellen

Rechnungswesenunterrichts

nissen und Rechnungsabgrenzungen im Rahmen der periodenorientierten Erfolgsermittlung (vgl. hierzu Brüning 1993, S. 278f).

Der Unterschied zwischen Bestands- und Erfolgskonten ergibt sich nach der hier vorgestellten Konzeption aus der Interpretation des Saldos. Die Salden von Bestandskonten referieren gemäß statischer Bilanztheorien auf die zu einem Stichtag nachprüfbare Realität. Die Salden von Erfolgskonten referieren gemäß dynamischer Bilanzauffassung auf die monetären Inputund Outputgrößen des Leistungsprozesses in einer Periode. Die sachliche Richtigkeit der Erfolgskontensalden kann nur indirekt über die summierte Übereinstimmung der Erfolgskontensaldendiflerenz mit der über die Bestandskontensaldendifferenz ermittelten Veränderung des Eigenkapitals festgestellt werden. Die Eigenkapitalkonten haben wesensmäßig einen mit den anderen Bestandskonten nur bedingt vergleichbaren Charakter; sie sind deshalb besonders zu behandeln (Gross 1981, S. 38). Dieser Besonderheit kann bei der hier dargelegten Konzeption dadurch Rechnung getragen werden, dass die Salden sämtlicher anderen Bestandskonten zum Geschäftsjahresende mit den ihnen zugeordneten Beständen laut Inventur abgeglichen werden müssen, das neue Eigenkapital wegen seiner variablen Komponenten (Jahresüberschuss) jedoch nur rechnerisch ermittelt werden kann.

Obwohl die auf formale Aspekte ausgerichteten Buchhaltungs- und Kontentheorien sich von den auf inhaltliche Interpretationen abzielenden Bilanztheorien unterscheiden (Risele 1981, S. 342), besteht dennoch eine gewisse Verbindung zwischen beiden. So passt die Einkontenreihentheorie, die die Erfolgskonten als Unterkonten des Eigenkapitalkontos sieht, zur statischen BilanzaufTassung. Die Zweikontenreihentheorie fugt sich besonders gut in das Gebäude der dynamischen Bilanzauffassung ein und teilt damit auch deren Probleme im Bereich der periodenbezogenen Erfolgsermittlung. Die Weiterentwicklung der dynamischen Bilanzauffassung in der pagatorischen Bilanztheorie (Kosiol 1981, S. 236) und deren Umsetzung in einer „Neuen Didaktik des Rechnungswesens" (Gross 1981) konnten vor allem wegen der ungewohnten Terminologie bisher nicht genügend überzeugen. Interessant sind die Vorschläge von Biedermann

(1948) und von Brüning (1978), die die dynamische Zweikontenreihe um

eine dritte Kontenreihe erweitern. Biedermann (1948, S. 25ff.) fuhrt Kapital-, Geld- und Betriebskonten. Brüning (1978, S. 306fF.) schlägt Zahlungsmittel-, Real Vermögens- und Erfolgskonten vor.

Im wirtschaftsinstrumentellen Ansatz wird davon ausgegangen, dass im Rechnungswesen reale Gegebenheiten abgebildet werden. Die Modellierung des Unternehmens über Konten

2.2 Orientierung an fachwissenschaftlichen Forschungs- und Ausbildungskonzeplionen

e n t s p r i c h t s o w o h l einer D r e i k o n t e n r e i h e n t h e o r i e

mit drei m o n e t ä r b e w e r t e t e n

( A b b i l d u n g 2 - 2 ) als auch der abschlussorientierten

„aktive

Bestandskonten",

„passive

57

Bestandskonten",

stato-dynamischen

Prozessen.

Viererkontenreihe

„Aufwandskonten"

und

„Ertrags-

k o n t e n " , w o b e i d i e b e i d e n letzten nur in d e m L e i s t u n g s p r o z e s s zu f i n d e n sind.

2.3

Das „Allgemeine Unternehmensmodell" als Hilfsmittel zum Verständnis der Buchungstechnik und ökonomischer Zusammenhänge

2.3.1

Modellierungsobjekte u n d -Subjekte sowie Z u s a m m e n h ä n g e v e r s c h i e denartiger Modelle

D e r M o d e l l b e g r i f f wird sowohl im w i s s e n s c h a f t l i c h e n als a u c h im a u ß e r w i s s e n s c h a f t l i c h e n S p r a c h g e b r a u c h h ä u f i g und a u c h u n p r ä z i s e v e r w a n d t ( S t a c h o w i a k 1973, S. 1). Ein M o d e l l impliziert, dass es ein „ O r i g i n a l " gibt, zu d e m es in einer A b b i l d - o d e r V o r b i l d b e z i e h u n g steht. D i e Arbeit mit d e m M o d e l l verspricht g e w i s s e Vorteile g e g e n ü b e r der Arbeit mit Original.

dem

58

2. Curriculare Bezugspunkte des Wirtschaftsinstrumentellen

Rechnungswesenunterrichts

Modelle können in den Wirtschaftswissenschaften sowohl Gegenstand als auch Hilfsmittel der Erkenntnisgewinnung, -darstellung und -weitergäbe sein. Die Vielfalt der Darstellungen und Differenzen in der Begrifflichkeit in der wirtschaftswissenschaftlichen und modelltheoretischen Literatur kann hier in einem wirtschaftspädagogischen Kontext nicht reproduziert werden. Wesentlich ist, dass ein Zugang zu wirtschaftlichem Wissen über Modelle von der „wirtschaftlichen Wirklichkeit" oder über „Gedankenmodelle" möglich ist, und diese in hohem Maße ausbildungsrelevant sind.

Neben diesen „wirtschaftswissenschaftlichen Modellen", d. h. den Modellen in der wirtschaftswissenschaftlichen Literatur, sind aber auch in der Wirtschaftspraxis Modelle von „vergangener" und „möglicher wirtschaftlicher Wirklichkeit" gebräuchlich. Das Rechnungswesen gehört zu dieser Kategorie. Das Rechnungswesen einer Wirtschaftseinheit kann als ein gemeinsames Modell vieler Personen über die Vergangenheit, Gegenwart oder Zukunft dieser Wirtschaftseinheit betrachtet werden.

Neben den Modellen der Wirtschaftswissenschaften und der Wirtschaftspraxis gibt es die individuellen Modelle einzelner Personen. Diese „internalen" und „individuellen" Modelle sind die Basis und das Resultat menschlicher Erkenntnis. Sie sind das Ergebnis der Auseinandersetzung mit der wirtschaftlichen Wirklichkeit und der Kommunikationsprozesse mit anderen Personen, wozu auch institutionalisierte Lehr-Lernprozesse und wissenschaftliche Lektüre gehören. Das „interne" oder „mentale" Modell erlaubt seinem „Konstrukteur oder Benutzer nicht nur, die Welt bzw. spezifische Ausschnitte daraus besser zu verstehen, sondern auch Vorhersagen zu treffen und Interferenzen (Schlussfolgerungen) ohne Begründung in der Beobachtung zu vollziehen" (See! 1991, S.VTI). Die didaktische Intention zur Förderung des Aufbaus interner Modelle wird von O 'Malley/Draper

(1992, S. 75) auf die Formel „mental

models versus knowledge-in-pieces" gebracht. Dies bedeutet, dass ein Unterricht, der nicht auf die Wiedergabe listenförmigen Wissens und unreflektierter Fertigkeiten abzielt, die Förderung mentaler Modelle anstreben und dabei auch Fehlvorstellungen korrigieren muss.

Das modelltheoretische Problem liegt darin, dass die wirtschaftliche Wirklichkeit, d. h. „das Original", nur über Modelle zugänglich ist und damit nicht das Original mit einem Modell, sondern nur Modelle untereinander verglichen werden können. Im „Radikalen Konstruktivismus" wird deshalb die Existenz „eines Originals" gänzlich bezweifelt.

2.3 Das „Aligemeine

Unternehmensmodell"

als Hilfsmittel

59

Das wirtschaftspädagogische Problem liegt im verantwortungsvollen, effektiven und kontrollierbaren Aufbau mentaler Modelle bei den Lernenden durch die Gestaltung von Lehrplänen, Lernmaterialien und Unterrichtsprozessen. Da diese fachdidaktisch abgesicherte Ausbildung nicht primär in der wirtschaftlichen Wirklichkeit oder den wirtschaftspraktischen Modellen geschieht, gewinnen die im Unterricht eingesetzten „externalen" Modelle eine große Bedeutung. Es kommt darauf an, dass über die Verwendung von Anschauungsmodellen, also von Analogiemodellen16, Symbolmodellen und Nachbildungsmodellen (vgl. Seel 1991, S. 2ff ), an denen gedankliche Operationen vollzogen werden können, die Lernenden interne Modelle über die betriebs- und volkswirtschaftlichen Zusammenhänge sowie mögliche Einflussfaktoren aufbauen, damit sie in beruflichen und privaten Lebenssituationen kompetent agieren können.

Über Anschauungsmodelle aufgebaute interne Modelle dienen dabei sowohl der Begründung der Buchungstechnik als auch der Integration anderer wirtschaftsberuflicher Inhalte. Buchungs- und Abschlusstechniken werden als unverzichtbare Hilfen zum Aufbau solcher interner Modelle über ökonomische Zusammenhänge angesehen, da über diese von den Lernenden zu beherrschenden Techniken Informationen zu konkreten Einzelheiten (ζ. B. eine Warenauslieferung) in wirtschaftswissenschaftliche Begrifïlichkeiten (Umsatzerlöse, Ertrag, Gewinnrealisierung, Forderung, Verbesserung der Liquidität 2. Grades) transformiert und daraus wiederum Schlussfolgerungen für ökonomisches Handeln (ζ. B. Absatzplan erfüllt, Zahlungsmittelengpass nicht beseitigt) gezogen werden.

Eine weitere Art von Modellen wird im Rahmen psychologischer und pädagogischer Forschung sowie der Forschung und Entwicklung im Rahmen der „Künstlichen Intelligenz" relevant. Es sind die Rekonstruktionen mentaler Modelle mit wissensdiagnositischen Verfahren. Nur wenn die Validität und Réhabilitât solcher Rekonstruktionen überprüft wurde, können Aussagen über die internen Modelle gemacht werden. In der KI-Forschung ist diese Frage jedoch nicht von primärem Interesse, da die oft gemeinsam von einem Fachexperten und Wissensingenieur (re-)konstruierten Modelle in Computer übertragen werden, um dort für Schlussfolgerungen zur Verfügung zu stehen.

In Abbildung 2-3 wird der von Norman (1983, S. 7f.) gesehene Zusammenhang mentaler Modelle mit den Referenzsystemen „target system" und „conceptual model" (wissenschaft-

16

Zur Eignung der Waage als Analogiemodcll der Bilanz siehe Preiß/Weller (1996, S. 342 IT.).

60

2. Curriculare Bezugspunkte ties wirischaftsmstrumeniellen

Rechnungxwesenunlerrichls

liches und u n t e r r i c h t l i c h e s [ A n s c h a u u n g s - ] M o d e l l ) s o w i e seiner R e k o n s t r u k t i o n im p s y c h o l o g i s c h e n „ c o n c e p t u a l m o d e l of t h e mental m o d e l " dargestellt.

Abbildung 2-3: Referenzsystem mentaler Modelle nach Norman (1983, S. 7f.)

B e z o g e n a u f curriculare u n d didaktische A r g u m e n t a t i o n e n scheint es z w e c k m ä ß i g , diesen von Norman

aufgezeigten Zusammenhang

etwas

d i f f e r e n z i e r t e r zu

fassen.

Die

didaktische

Z i e l s e t z u n g mit d e r F ö r d e r u n g mentaler M o d e l l e d e r Schüler ü b e r unterrichtliche A n s c h a u u n g s m o d e l l e und a n d e r w e i t i g d a r g e b o t e n e n L e h r s t o f f und der K o n t r o l l e des L e r n p r o z e s s e s wird in A b b i l d u n g 2 - 4 dargestellt. Dabei w i r d davon a u s g e g a n g e n , dass Schüler ihre internen M o d e l l e und a n d e r e (isolierte, separierte) W i s s e n s b e s t ä n d e a u c h ü b e r den direkten K o n t a k t mit L e b e n s s i t u a t i o n e n v e r ä n d e r n , aber sich nicht direkt mit f a c h w i s s e n s c h a f t l i c h e n A u s s a g e n a u s e i n a n d e r s e t z e n . W i s s e n s d i a g n o s t i s c h rekonstruierte mentale M o d e l l e k ö n n e n dabei sowohl ein Hilfsmittel f u r den Unterricht als a u c h z u r E r k l ä r u n g v o n L e r n e r f o l g s k o n t r o l l e n sein.

2.3 Das „Allgemeine Unternehmensmodell" als Hilfsmittel

61

Bisher sind sie noch nicht soweit entwickelt, dass sie auch als bewertbare individuelle Lernerfolgskontrolle dienen können.

Abbildung 2-4: Mentale Modelle im unterrichtlichen Referenzsystem

Im traditionellen Rechnungswesenunterricht wurde das betriebliche Geschehen überwiegend in den sprachlich standardisierten Geschäftsvorfällen, Buchungssätzen, T-Konten und Bilanzen abgebildet. T-Konten wurden u. a. deshalb bevorzugt, weil in Tafelbildern mit Pfeilen die zusammengehörenden Buchungen aufgezeigt werden konnten. Die den Buchungen zugrunde-

2. Curriculare Bezugspunkte des wirtschaflsinstrumentellen Rechnungswesenunterrichts

62

liegenden Vorgänge wurden nicht veranschaulicht. Da die fur Lebenssituationen notwendige sinnvolle Interpretation der im Informationssystem „Rechnungswesen" abgebildeten betrieblichen Strukturen und Prozesse jedoch die vorausgehende Konstruktion von Modellen verlangt (vgl. Sloane 1996, S. 13) ergibt sich daraus ein Defizit.

In der von Sloane

(1996) vorgelegten „Didaktik des Rechnungswesens" wird die Notwen-

digkeit des wechselseitigen Bezugs des wirtschaftswissenschaftlichen Analysemodells „Informationssystem"

in

Kontenform

mit

dem

wirtschaftswissenschaftlichen

Betriebsmodell

„Basissystem" in Form von betrieblichen Funktionen dargestellt (Abbildung 2-5).

:

(Wirtschaftswissenschaftliches) Analysemodcll Informationssystem

J

ψ

Aufwand Ertrag

Mengen

t

t

Einkauf

Produktion

i

Mengen

Verkauf

Finanzierung/Zahlung Ausgaben

Einnahmen ¿

;

(Wirtschaftswissenschaftliches) Betriebsmodell

Basissystem ;

Abbildung 2-5: Zusammenhang von Basis- und Informationssystem nach Sloane (1996, S. 15)

Auf diesem theoretischen Hintergrund aufbauend werden dann Vorschläge fur die unterrichtliche Veranschaulichung des Abbildungscharakters des Kontensystems entwickelt. In Abbildung 2-6 wird ein Tafelbild im Rahmen der Unterrichtseinheit zur Einführung der Erfolgskonten (Sloane

1996, S. 92f.) gezeigt.

In den Beispielen von Sloane

verbleiben beide Modelle nebeneinander. Somit wird nur

schwer erkennbar, welche Werteflüsse zusammengehören. Die doppelte Darstellung hat somit auch einen entsprechenden Platzbedarf. In den folgenden Ausführungen soll deshalb eine

2.3 Das „Allgemeine Unternehmensmodell" als Hilfsmittel

63

alternative und integrative Modellierung gezeigt werden, die bis hin zu den komplexesten B u c h u n g e n a n w e n d b a r ist.

Abbildung 2-6: Rohstoffverbrauch nach Sloane (1996, S. 93)

Das betriebliche und auch das volkswirtschaftliche Rechnungswesen sind abstrakte und mathematisch-formale Modelle betrieblicher bzw. volkswirtschaftlicher Realität. D a s Rechnungswesen als Modell akzentuiert einzel- und gesamtwirtschaftliches Geschehen unter einer monetären Perspektive. Soziale, ökologische und ethische Aspekte werden im klassischen R e c h n u n g s w e s e n nur insoweit berücksichtigt, wie sie monetäre Auswirkungen haben. Eine weitere Reduktion liegt darin, dass in der Finanzbuchhaltung und Kostenrechnung

die

Vergangenheitsorientierung dominiert. Die für ökonomisches Denken und Handeln besonders notwendige Modellierung zukünftigen Geschehens über Planungsrechnungen und Frühwarnsysteme ist sowohl in der Berufspraxis als auch im Unterricht unterrepräsentiert.

Die Schüler sollten im Unterricht die spezifische Reduktion ökonomischer Realität (Sachverhalte und Ereignisse) im mathematischen Informationssystem „Rechnungswesen" erkennen, dessen Instrumente und Begrifflichkeiten jedoch bei der Bewältigung und Gestaltung betrieblicher, öffentlicher und privater Lebenssitutationen nutzen und um die Berücksichtig u n g anderer Perspektiven ergänzen können. Da dies nicht als Nebenprodukt beim „Buchen und Abschließen" quasi von selbst entsteht, ist dies im Unterricht explizit zu üben. Dazu sol-

64

2. Curriculare Bezugspunkte des wirtschaßsinslrumenlellen Rechnungswesenunlerrichts

len die Schüler auch mentale Modelle über ökonomische Zusammenhänge entwickeln und mithilfe dieser Modelle sowohl Zusammenhangswissen als auch exaktes begriffliches Wissen erwerben.

Dem Rechnungswesenunterricht fällt nicht nur die Aufgabe zu, betriebswirtschaftliche Denkweisen und betriebswirtschaftliche Begriffe zu erschließen, sondern auch das Verständnis volkswirtschaftlicher Terminologie und Modellbildungen zu fördern. So kann ζ. Β der volkswirtschaftliche Investitionsbegriff mit Zugängen beim Sachanlagen- und Vorratsvermögen verknüpft werden. Wird der Unternehmensgewinn nicht nur als rechnerisches Residuum, sondern als Entgelt für die von den Unternehmerhaushalten den Unternehmen bereitgestellten Produktionsfaktoren angesehen, so wird deutlich, dass eine Gewinnveränderung ceteris paribus auch eine Änderung des Volkseinkommens bedeutet. Andererseits können die Schüler erkennen, dass aus der rechnerischen Bestimmung des Gewinns als Restgröße die Gleichheit von I = S im einfachen Wirtschaftskreislauf resultiert.

Die Förderung der Entwicklung mentaler Modelle verlangt, dass die Schüler im Unterricht hinreichend komplexe Lernsituationen bewältigen und bei der Strukturierung dieser Situationen veranschaulichende und erfahrungsoffene Hilfen (ζ. B. in Form von Strukturskizzen und ,,was-wäre-wenn"-Überlegungen) erhalten. Abbildungen im Kontensystem mit Pfeilen fur zusammengehörende Buchungen reichen dazu nicht aus.

Damit die Reduktions- und Modellierungsleistung des Rechnungswesens im Unterricht deutlich wird, empfiehlt sich der Einsatz von Belegen. Abbildung 2-7 zeigt in Anlehnung an den in der Mathematikdidaktik entwickelten „anwendungsorientierten Ansatz" (vgl. Blum 1985, S. 5) die grundsätzlichen Schritte im wirtschaftsinstrumentellen Ansatz.

Aus der Sicht des Rechnungswesens ist die Überführung einer komplexen Lebenssituation in einen Beleg der erste Reduktionsschritt. Die Geschäftsvorfälle in einem realen Unternehmen oder in einem Modellunternehmen haben eine wesentlich höhere Komplexität als die „verkürzten und standardisierten" Geschäftsvorfälle in Lehrbüchern (vgl. Reimers 1987). In den Belegen ist somit mehr Komplexität als in den Geschäftsvorfällen der Lehrbücher enthalten, d. h. Belege erleichtern die Rekonstruktion der zu Grunde liegenden komplexen Sachverhalte.

2.3 Das „Allgemeine Unternehmensmodell" als Hilfsmittel

REALITÄT

65

MATHEMATIK

Abbildung 2-7: Mathematische Modellbildung

M i t d e m z w e i t e n Schritt der Ü b e r f u h r u n g des B e l e g e s in B u c h u n g e n im G r u n d - und H a u p t b u c h wird das „ r e a l e M o d e l l " o d e r „ n a t ü r l i c h s p r a c h l i c h e M o d e l l " „ B e l e g " in das „ m a t h e m a t i s c h e M o d e l l " d e r B u c h u n g s g l e i c h u n g (Soll = H a b e n ) und in die A b s t r a k t i o n der a n g e s p r o c h e n e n K o n t e n ü b e r f u h r t . Die m a t h e m a t i s c h e T r a n s f o r m a t i o n der g e b u c h t e n S a c h v e r h a l t e zu S u m m e n , Salden und Q u o t i e n t e n fuhrt im dritten Schritt zu den zu interpretierenden S a c h v e r halten, die w i e d e r u m ü b e r n e u e H a n d l u n g e n w e i t e r e G e s c h ä f t s v o r f ä l l e b e w i r k e n . Erst bei der R e f l e x i o n , also d e r L ö s u n g einer m a t h e m a t i s c h e n A u f g a b e o d e r der A u s w e r t u n g des Z a h l e n w e r k s d e s R e c h n u n g s w e s e n s , zeigt sich, ob d a s E r g e b n i s b r a u c h b a r ist und zu w e l c h e n H a n d l u n g e n es b e f ä h i g t .

W i r d die A u s g a n g s s i t u a t i o n nicht g e n ü g e n d entfaltet (extrem k u r z e T e x t a u f g a b e , extrem verk ü r z t e und w e n i g a b w e c h s l u n g s r e i c h e G e s c h ä f t s v o r f ä l l e ) , so kann auch der vierte Schritt nicht mit der n o t w e n d i g e n Intensität v o r g e n o m m e n w e r d e n . D e s h a l b sollte die A u s g a n g s s i t u ation bei E i n f ü h r u n g einer neuen T h e m a t i k nicht nur in einer B e l e g s a m m l u n g , sondern im K o n t e x t eines „ d u r c h g ä n g i g e n M o d e l l u n t e r n e h m e n s " erfolgen. D i e s e s M o d e l l u n t e r n e h m e n sollte den Schülern in audio-visueller R e p r ä s e n t a t i o n z u g ä n g l i c h g e m a c h t w e r d e n k ö n n e n , damit sie A n h a l t s p u n k t e f u r die in B e l e g e n repräsentierte Realität erhalten (vgl. Sieman 6f.)

1998, S.

2. Cumculare Bezugspunkte des Wirtschaftsinstrumentellen Rechnungswesenunterrichts

66

Belege sollten somit generell bei der Einfuhrung einer neuen Thematik eingesetzt werden, damit der zu Grunde liegende Sachverhalt hinreichend „präsent" wird. Bei

ergänzenden

Übungsaufgaben können auch Belegbeschreibungen eingesetzt werden. Vermieden werden sollten „standardisierte Geschäftsvorfalle" nach dem Muster „Wareneinkauf auf Ziel", da diese zu einem Reiz-Reaktionslemen fuhren. Belege können ferner die Integration des Rechnungswesens mit den anderen betrieblichen Funktionen deutlich werden lassen. Belege sollten nicht nur der Repräsentation der Geschäftsvorfälle dienen; sie sollten vor allem zu tatsächlichen Handlungen und geistigen Operationen anregen, d. h. sie sollten im Hinblick auf ein Ziel bearbeitet (erstellt, gesucht, gebucht, geprüft, geordnet abgelegt etc.) werden. Diese zielgerichteten manuellen und geistigen Operationen an den Belegen können exemplarisch um gegenständliche Handlungen (ζ. B. körperliche Inventur, Verkaufsgespräch, Preisauszeichnung) ergänzt werden.

Im wirtschaftsinstrumentellen Ansatz wird die formale mathematische Modellierung der betrieblichen Realität durch eine ökonomische Modellierung ergänzt und gestützt. In Abbildung 2-8 wird dieser Zusammenhang dargestellt. Das Rechnungswesen beinhaltet sowohl die sprachliche Abbildung des Geschäftsvorfalls im Beleg, ökonomische Begrifflichkeiten und Modellvorstellungen als auch das mathematische Regelsystem zum Buchen und Abschließen der Konten.

©

frltapretlffOl, Anwenden

REALITÄT

ÖKONOMIE

MATHEMATIK

Abbildung 2-8: Wirtschaftsinstrumentelle Modellbildung im Rechnungswesenunterricht

2.3 Das,.Allgemeine

Unternehmensmodell"

als Hilfsmittel

67

Die zu erarbeitenden ökonomischen Modelle der Realität und deren informatorische Abbildungen (Belege im weitesten Sinn) dienen einerseits der Überführung in das formale mathematische Modell der Buchführung, andererseits aber auch zur Ergänzung der quantitativen Schlussfolgerungen (mathematisches Arbeiten) durch Einbeziehung qualitativer und unscharfer Komponenten (ökonomische Expertise im weitesten Sinn) zum Fällen von Entscheidungen, die individuell und im Team getroffen werden. Damit wird den Entscheidenden die Verantwortung für das ökonomische Handeln übertragen. Diese Entscheidung betreffen sowohl die Gestaltung der Realität als auch über die Ausübung von Bilanzierungs- und Bewertungswahlrechten die Abbildung der Realität im formalen System der Buchführung.

Durch den Einsatz der EDV im kaufmännischen Anwendungsbereich wird die kaufmännische Tätigkeit in elektronischen Informationssystemen auf einer zweiten Abstraktionsebene abgebildet. Diese „doppelte Abstraktion" wird von Achtenhagen

(1986, S. 152) wie folgt erläutert:

„Reale und monetäre Prozesse, d. h. der konkrete Umgang mit Menschen, Waren und Geld, werden über Belege mit Hilfe des Rechnungswesens (und ggf. sonstiger herkömmlicher Informationssysteme) abgebildet (1. Abstraktionsstufe); über den Einsatz der EDV werden dann Bearbeitungsprozesse auf Ein- und Ausgaberoutinen begrenzt, wobei die in den maschinellen Bereich verlagerten Verarbeitungsalgorithmen sowie die Zwischenergebnisse und zwischengespeicherten Daten dem Sachbearbeiter verborgen bleiben, was in der EDV-Fachsprache als Information-Hiding bezeichnet wird (2. Abstraktionsstufe)".

Kaufmännische Realität ist in diesem Sinne nicht nur das konkret gegenständliche und personale Handeln, sondern auch das Handeln auf der sichtbaren und unsichtbaren Ebene der Informationssysteme. Computerhard- und -software prägen weitgehend die heutige Realität kaufmännischer Sachbearbeiter. Hinter den Benutzeroberflächen stehen jedoch spezielle wirtschaftsinformatorische Modellierungen (ζ. B. Geschäftsprozesse mit Datenbank- und Programmstrukturen) und allgemeine mathematisch-informatorische Theoreme und Theorien (formale Informationsverarbeitungsalgorithmen, abstrakte Datentypen). In Abbildung 2-9 wird diese zweite Abstraktionsebene in der Realität, Ökonomie und Mathematik dargestellt.

68

2. Curriculare Bezugspunkte des wirtschnflsinstrumentellen

Mathematische

Binäre

und T h e o r i e n (Zahlensyitemefioalsche AtgebraJCommu- (Λ nikaúonstheorie, 3 Eitscheidungstheiirie)

informa to rischi (Text-, Dnen-, Bild- undSprach dreien)

Modelle (Geschäftsprozess-, Datenbank-md Progmmmstruktureni

Speichern. Abmfen, Eigtrzen

Program m i er en, Syáemantwicldung

-iLkSprachliche Modelle (sichtbare Texte auf Papier und Büdsdttnn)

®

Vereinfachen, Struüurieren, Präzisieren

Interpret Ökonomische

Β

η Mathe- M a t h e m a t i s c h e matiModelle sieren

Modelle

(Fonnebt, Tabellen, Graphen, Kontemystenie)

ι Auflau- und Ablaufstrukturen, Datenkonsteilat innen) ilcononische Expertise

Mathematiktes Arbeiten

Ökonomische

Reale Situation, Umwelt (Geschäfte von Menschen mit Gütern und Geld)

REALITÄT

Ζ O

Theoreme

Wirtschafts-

Codierung

©

Rechnungswesenunterrichts

Entscheidung (indh'idudie und soziale VerantH'ortungsüba·nahme) Rü ekln ter pretieren. Anwenden

ÖKONOMIE

Kombi

Mathematische Resultate (Ergebnisse) Ζ §

MATHEMATIK

Abbildung 2-9: Rechnungswesen unter Einbeziehung informationstechnischer Modellierung

D i e z w e i t e A b s t r a k t i o n s e b e n e stellt dabei j e d o c h nicht nur eine E r g ä n z u n g der ersten A b s t r a k t i o n s s t u f e dar, sondern sie verändert diese erste A b s t r a k t i o n s e b e n e e n t s p r e c h e n d den t e c h n i s c h e n M ö g l i c h k e i t e n . S o w i e die e r s t e A b s t r a k t i o n s e b e n e die K o n k r e t h e i t s e b e n e nicht nur abbildet, sondern auch verändert, so modifiziert auch die z w e i t e A b s t r a k t i o n s e b e n e die erste. D e s h a l b k a n n auch im R e c h n u n g s w e s e n nicht einfach so getan w e r d e n , als ob der E D V E i n s a t z keine K o n s e q u e n z e n f ü r das S y s t e m der doppelten B u c h f ü h r u n g hat. Dies betrifft i n s b e s o n d e r e die F r a g e n d e r Datenintegration und -aktualität. Die M o d i f i k a t i o n e n b e t r e f f e n nicht nur r e c h n u n g s w e s e n i n t e r n e A s p e k t e , w i e Z u s a m m e n f u h r u n g von G r u n d - , H a u p t - , N e b e n b ü c h e r und K o s t e n r e c h n u n g , sondern h e u t e v o r w i e g e n d d i e E i n b i n d u n g in a n d e r e betrieb-

2.3 Das „Allgemeine Unternehmensmodell " als Hilfsmittel

69

liehe Prozesse, wie Auftragsabwicklung und Bestellwesen. Daraus folgt, dass die Modellierungen des Rechnungswesens mit Modellierungen der Logistik kompatibel sein müssen; dies gilt nicht nur für die Systementwickler, sondern auch für die Systemnutzer.

2.3.2

Güter- und Geldströme in volkswirtschaftlichen Kreislaufmodellen

Wirtschaftsinstrumentelles Rechnungswesen bedeutet nicht nur die Hinführung zu betriebswirtschaftlichen, sondern auch zu volkswirtschaftlichen Theorien und Sachverhalten und somit auch zu deren grundlegenden Modellvorstellungen. In Abbildung 2-10 ist der einfache Wirtschaftskreislauf mit einigen Konzepten des Rechnungswesens angereichert dargestellt. Dabei ist die Darstellung des Unternehmenssektors im Hinblick auf die Grundstruktur der betriebswirtschaftlichen Modellierung im „Allgemeinen Unternehmensmodell"

vorstruktu-

riert. Obwohl betriebswirtschaftlich noch eine Aufteilung der Bestände im Produktionsbereich in Anlage- und Vorratsvermögen erfolgt, darf diese Aufspaltung zum Verständnis des volkswirtschaftlichen Investitionsbegriffs nicht vorgenommen werden.

Damit diese Skizze fur einfache geistige Operationen genutzt werden kann, werden die Vermögensänderungen durch Zunahme oder Verminderung der Bestände in den beiden Sektoren abgebildet. Anhand dieses Modells mit den beiden separaten Güter- und Geldkreisläufen kann den Schülern die Gleichung „Investition = Ersparnis" veranschaulicht werden, wenn auf einen Absatzrückgang infolge von Konsumeinschränkungen bei gleichbleibender Produktion hingewiesen wird. Damit kann ihnen auch gleichzeitig die in der Ökonomie wichtige Denkweise „ceteris paribus" verdeutlicht werden. Über den Fall eines dauerhaften Konsumrückgangs können sie dann auch in die Kritik der „ceteris paribus"-Annahme hin zu einem systemischen Denken gefuhrt werden. Von der Organisationsform der Lehrpläne wird es abhängen, an welcher Stelle dieses einfache Kreislaufmodell eingeführt wird. Damit Schüler ein integratives mentales Modell erlangen können, ist es wichtig, dass aus volkswirtschaftlicher Perspektive zentrale Prämissen dieses Modells herausgearbeitet werden. Dies kann im Vorgriff oder im Rückgriff auf den Rechnungswesenunterricht geschehen.

70

2. Curriculare Bezugspunkte des wirlschaftsmslrumenlellen Rechnungswesenunterrichts

fr-

Produkt ionsfak bren' Arfceit,Boden, Kipial Löhne, üchilfcr, Gewmc, Zina®. Pacht, Miete

Ν / U n tcrnehmcn V Bar-+ Buchgeld. Investitionen in Anlagen- und Forderungen Vorrat s vermögen Verb η dl ich keilen. Eigenkapifel iv« M sfea

Fini

Haushalte Ν f/ncuerung Ersparnisse in {Rep-odiictioi) Form von Sparder Produkten*· und Gaogutiahen. Tak turen \ktienund anderen Werl papi ere

rung

FtauιΛr Ting

Ken su mausga ben "

Κ ins jni

Geldkreis lau Γ-

GOterkreLslauf

Koisum^lkr: SachgQt er, Di enstleistifigen, Nutzung 9vchte

Abbildung 2-10: Güter- und Geldströme im einfachen Wirtschaftskreislauf

Für den Rechnungswesenunterricht ist besonders die wertmäßige Äquivalenz der Güter- und Geldströme wichtig, d. h. die Bewertung der Güter durch die nominelle Gegenleistung in Geld. Ferner ist der fachsprachliche Güterbegriff in Abgrenzung zu dem umgangssprachlich auf Sachgüter reduzierten Güterbegriff von Bedeutung. Im Normalfall wird bei der Arbeit mit diesem Modell auch nicht der hier unterlegte „ G e l d b e g r i f f ' reflektiert, der sich nicht nur auf Bar- und Buchgeld erstreckt, sondern auch Forderungen und Anteilsrechte beinhaltet. Der Geldstrom dieses Modells basiert auf der „Einnahmen-Ausgaben-" und nicht auf der „Einzahlungs-Auszahlungs-Begrifflichkeit".

Ein besonders zentraler Punkt dieses volkswirtschaftlichen Modells ist die Erkenntnis, dass G e w i n n e nicht nur eine Rechengröße sind, sondern materiell die Entlohnung fur einen Faktoreinsatz von (Unternehmer-)Haushalten darstellen. Aufgrund der Residualbestimmtheit der Faktorentlohnung der von Unternehmerhaushalten in die Unternehmen eingebrachten Leistungen kann in diesem Modell auch räsoniert werden, was geschieht, wenn für die gleiche m e n g e n m ä ß i g e Arbeitsleistung eine höheres Entgelt gewährt wird (entweder höhere K o n s u m ausgaben oder niedrigere Gewinne). In diesem Kreislaufmodell wird der Wertschöpfungsbegriff als Güterstrom von den Haushalten zu den Unternehmen deutlich, damit

wird

Fehlvorstellungen begegnet, die die W e r t s c h ö p f u n g als eine aus dem „Nichts" entstehende G r ö ß e in den Unternehmen sehen.

2. J Das „A IIgemeine Unternehmensmodell " als Hilfsmittel

71

Für den Rechnungswesenunterricht ist die Erweiterung des Modells des einfachen Wirtschaftskreislaufs um den staatlichen Sektor im Hinblick auf die Behandlung der Steuern und anderen Abgaben sowie der Spenden von Bedeutung, weil auch hier das Äquivalenzprinzip von Leistung und Gegenleistung thematisiert werden kann. In Abbildung 2-11 wird diese Erweiterung unter Einbeziehung der Nutzung natürlicher Ressourcen dargestellt. Dem staatlichen Sektor werden dabei alle Institutionen zugerechnet, die ihre als öffentliche Güter abgegebenen Leistungen nicht über den Markt finanzieren

Abbildung 2-11: Güter- und Geldströme im erweiterten Wirtschaftskreislauf

Die Aufgabe dieser staatlichen Einrichtungen (im weitesten Sinne) wird also in der Erbringung öffentlicher Güter und der Erhaltung natürlicher Ressourcen, die als freie Güter in den Wirtschaftskreislauf eingehen, gesehen. Zur Erfüllung dieser Aufgaben beziehen die staatlichen, kulturellen und mildtätigen Einrichtungen Produktionsfaktoren von den Haushalten und Sachgüter von den Unternehmen gegen Entgelt. Das dafür aufgebrachte Entgelt müssen sie ihrerseits wieder über zwangsweise (Abgaben) oder freiwillige (Spenden) Umlagen von den Haushalten und Unternehmen beziehen. In diesem Modell werden natürliche Ressourcen den Unternehmen nur mittelbar über die Haushalte als Produktionsfaktoren (ζ. B. angeeigneter Boden) oder die staatlichen Einrichtungen als öffentliche Güter (ζ. B. auch angeeigneter Boden und Luftraum im Verbindung mit gebauten Verkehrswegen) zur Verfügung gestellt.

72

2. Curriculare Bezugspunkte des wirlschaflsmslrumentellen Rechnungswesenunlerrichts

Aus volkswirtschaftlicher Perspektive ist die dargestellte Äquivalenz von Abgaben und Spenden auf der einen Seite und öffentlichen Gütern auf der anderen Seite zunächst nur ein Problem für die Aufteilung der Belastung von Unternehmen und Haushalten. Die Erhebung von Abgaben ist dabei nur für die nicht durch Spenden finanzierten Leistungen notwendig, wenn von der Kreditaufnahme fur Investitionen abgesehen wird. Aus einzelwirtschaftlicher und damit auch aus betriebswirtschaftlicher Perspektive stellt sich die Frage nach dem Abgabensystem, d. h. nach Abgabearten, Bemessungsgrundlagen, Steuersätzen, Beitrags- und Gebührenhöhe.

Für die authentische Modellierung im Rechnungswesen ist wichtig, dass Abgaben sowohl anknüpfend an Konsumausgaben als auch an Faktoreinkommen erhoben werden. Die individuelle Höhe der Belastung sollte dabei nur als der Versuch einer Annäherung an die individuelle Inanspruchnahme öffentlicher Güter dargestellt werden. Damit kann aufgegriffen werden, dass auch andere Leistungen im Kreislaufmodell nur annähernd durch die verrechnete monetäre Gegenleistung bewertet werden. Dies gilt nicht nur für den Gewinn, sondern auch fxir über Einzel- und Kollektivverträge ausgehandeltes Entgelt für Arbeitsleistungen. Auch bei Preisdifferenzierung im Absatzbereich kann gezeigt werden, dass die gleiche Leistung unterschiedlich entgolten werden kann. Somit muss deutlich werden, dass Güter nicht „objektiv", sondern über das Äqualenzprinzip nur „objektiviert" bewertet werden.

2.3.3

„Wertkette" und „Wertschöpfungskette" als Verknüpfung volkswirtschaftlicher und betriebswirtschaftlicher Perspektiven

Für die betriebswirtschaftliche Modellierung muss der in volkswirtschaftlichen Kreislaufmodellen als Block vorhandene Unternehmenssektor in einzelne Wirtschaftseinheiten aufgelöst werden. Hierfür bietet die von Porter (1989, S. 59ff.) zur Analyse und Verbesserung von Wettbewerbsvorteilen entwickelte Modellvorstellung der Wertkette sowohl für das Zusammenwirken von einzelnen Unternehmen in der Gesamtwirtschaft als auch fur das innerbetriebliche Geschehen eine Grundlage, die mit der didaktischen Intention zum Erkennen von Gesamtzusammenhängen und der Herausbildung von Verantwortungs- und Qualitätsbewusstsein verträglich ist. Die Wertkette kann als eine fur betriebswirtschaftliche Zwecke standardisierte Form der Darstellung der Aktivitäten einer strategischen Geschäftseinheit angesehen werden. Sie unterscheidet sich von der nicht-standardisierten und auf einzelne Produkte ausgerichteten „Wertschöpfungskette" (vgl. hierzu auch Volk 1997).

2.3 Das „Allgemeine Unternehmensmodell " als Hilfsmittel

73

In dem Gedanken der Wertkette kommt die Einheit von Kosten und Leistung in dem Wertbegriff, der sich aus Tätigkeiten ergibt, zum Ausdruck. Weiterhin wird hervorgehoben, dass der Wert nicht nur durch das technische Produkt, sondern auch durch viele andere Faktoren bestimmt wird (Porter S. 59). Damit wird der Dienstleistungsgedanke in jeder Wirtschaftsstufe und der Beitrag kaufmännischer „Wertaktivitäten" hervorgehoben.

In Abbildung 2-12 wird die Wertkette eines Unternehmens im Zusammenwirken mit vor- und nachgelagerten Wertketten in einer Branche zur Erstellung einer gemeinsamen Leistung mehrerer produzierender Wirtschaftseinheiten dargestellt.

Wert kette des Unternehmens

Lieferantenwenk eu en

Veitriehskanalwertkdten

Abnehmerwert ketten

Abbildung 2-12: Einfache Wertkette über mehrere Unternehmen (Porter 1989, S. 60)

Die Beschreibung des innerbetrieblichen Leistungsprozesses als Wertkette wird in Abbildung 2-13 gezeigt. Diese beginnt mit der Logistik des Materialeingangs, die schon von vielen anderen Aktivitäten unterstützt wird, und endet mit den dem Kundendienst und dessen Unterstützenden Aktivitäten. Der Gesamtwert beinhaltet außer den Kosten der primären und unterstützenden Aktivitäten auch noch die Gewinnspanne. l INTERNE! [MENSINFRASTRUKTUR

\ c \

PHRSONALWIRTSqiAIT

UNTERSTÜTZENDE ι AKTIVITÄTEN

TECHNOÍOGIEENTWÍC1CLUNG m SCHAFFUNG

EINGANGSLOGISTIK

OPERATIONEN

MARKETING AUSGANGS& VERTRIEB LOGISTIK

KUNDENDIENST

/

/ g , § /

β/ // PRIMÄRE AKTIVITÄTEN

Abbildung 2-13: Wertkette innerhalb eines Unternehmens (Porter 1989, S. 62)

Das Denken in der Wertkette fuhrt zu der Erkenntnis, dass Kosten, d. h. notwendige Aufwendungen zur Leistungserstellung, unmöglich das Kapital eines Unternehmens mindern können,

74

2. Curriculare Bezugspunkte des wirlschaßsinstrumentellen Rechnungswesenunterrichts

da bei der Leistungserstellung eine Werterhaltung vorgelegt. Eine Wertetransformation ist somit keine Wertvernichtung; Kosten sind Bestandteil der Leistung.

In Verbindung mit dem volkswirtschaftlichen Kreislaufmodell lässt sich die Wertkette zu einem Wertkreislauf weiterentwickeln, in dem auch der Wertschöpfungsaspekt in der Verknüpf u n g der einzelnen Unternehmen mit den Haushalten hervorgehoben werden kann. In Abbildung 2-14 wird dieser Zusammenhang dargestellt, bei dem die einzelnen Unternehmen dieser Kette Vorleistungen von anderen Unternehmen sowie als Wertschöpfüng Produktionsfaktoren von den Haushalten beziehen. Die Wertkette wird durch den über den Konsum ermöglichte Reproduktion der Produktionsfaktoren geschlossen. Nur durch den Konsum werden Werte vernichtet, die dann durch die Abgabe neuer Produktionsfaktoren wieder geschaffen werden.

Der grundlegenden „Leistungskette" des Güterkreislaufs entspricht dabei eine gleichwertige „Gegenleistungskette" (in Abbildung 2-14 aus Gründen der Übersichtlichkeit nicht in gleicher Breite dargestellt) mit dem Entgelt bzw. der Vergütung. Aus pagatorischer Sicht ergeben sich die Wertansätze in der Leistungskette aus dem Nominalwerten der „Entgeltkette".

Abbildung 2-14: Die Wertkette im Leistungs- und Gegenleistungskreislauf

Im Unterricht können an einer solchen Darstellung verschiedene Sachverhalte herausgearbeitet werden. So kann deutlich werden, dass die Leistungswerte auf den Ursprung der

2.3 Das „Allgemeine Unternehmensmodell" als Hilfsmittel

75

Entgeltkette und damit auf die Nutzenpräferenzen der Haushalte zurückzuführen sind. Auch können Quellen für das Wirtschaftswachstum identifiziert werden, die sowohl im „Konsumverzicht" als auch im in den Haushalten erzielten „Reproduktionsüberschuss" liegen können.

Dieser doppelte Wertekreislauf kann auch als Grundlage fur die Erklärung des Systems der Umsatzbesteuerung dienen. Dazu ist der Staat mit seinen fur den Konsum bereitgestellten öffentlichen Gütern einzubeziehen. Die schrittweise Einfuhrung dieses Wertekreislaufs im Zusammenhang mit der Umsatzsteuer wird in Abschnitt 3.2.3.5 gezeigt. 2.3.4

Die Teilprozesse innerhalb eines Unternehmens und ihre monetäre Aspektuierung im Rechnungswesen

2.3.4.1

Die systemorientierte Betrachtung des Unternehmens in seiner marktlichen, sozialen und ökologischen Umwelt

Die ökonomische Modellierung im Wirtschaftsinstrumentellen Ansatz ist an der systemorientierten Betriebswirtschaftslehre sowie an ökologisch und sozial orientierten volkswirtschaftlichen Ansätzen in Sinne eines „Sustainable Development" ausgerichtet (vgl. van Dieren 1993; Heister/Schneider

1993). Innerhalb dieser wirtschaftswissenschaftlichen Theorien wird

das die Märkte umgebende soziale und natürliche Umfeld nicht ausgeblendet. Die Natur erscheint nicht nur in Form des von den Haushalten angeeigneten Bodens oder in Form der sog. „freien Güter"; die Menschen erscheinen nicht nur in Çorm des Produktionsfaktors „Arbeit" oder der zu organisierenden „Stelleninhaber"; Staat und Sozialsysteme sind nicht Empfänger von Abgaben und Spenden, fur die sie keine Gegenleistung erbringen (zur Einbeziehung ökologischer Aspekte in verschiedenen Wirtschaftstheorien siehe auch Jaeger 1993).

In Abbildung 2-15 wird in einer vereinfachten Form des St. Gallener Unternehmensmodells die Einbettung des Unternehmens und der Märkte in die soziale und natürliche Umwelt dargestellt. Während die Beziehungen des Unternehmens zu den Partnern auf den Märkten überwiegend durch den Transaktionsgedanken „Leistung gegen Entgelt" gekennzeichnet sind, dominiert in den Beziehungen zu den anderen Sphären der Partizipationsgedanke: „Umlage, Wiederherstellung, Aufrechterhaltung und Verbesserung für gemeinsame Nutzung".

76

2. Curriculare Bezugspunkte des Wirtschaftsinstrumentellen

Rechnungswesenunterrichts

Im St. Gallener Unternehmensmodell wird die Unternehmung selbst als „produktives soziales System" (Ulrich 1970) gekennzeichnet, also als strukturierter Sozial verbünd „zur Erzeugung von Leistungen fur Institutionen und Individuen ihrer Umwelt" (Ulrich 1984, S. 24). Bei der Betrachtung werden verschiedene „Dimensionen der Unternehmung" unterschieden, „um das Unternehmensgeschehen und die entsprechenden Gestaltungsprobleme in materieller, sozialer, kommunikativer und wertmässiger Sicht herausarbeiten zu können" (ebenda, S. 40).

Der Kern der unternehmerischen Tätigkeit erfolgt durch ökonomische Transaktionen auf verschiedenen Märkten, wobei der Gütermarkt wiederum im Vordergrund steht. In einer einfachen Form wird diese Stellung der Unternehmung zwischen dem Beschaffungsmarkt und dem Absatzmarkt von Kosiol (Abbildung 2-16) und Heinen (Abbildung 2-17) dargestellt.

2.3 Das „Allgemeine Unternehmensmodell" als Hilfsmittel

77

Nominalgüterstrom fein» Rnargbewagurg

Unternehmung

Abbildung 2-16: Real- und Nominalgüterströme durch die Unternehmung (Kosiol 1966, S. 118)

Schon hier zeigt sich ein didaktisches Problem: die eigenartige Terminologie Kosiols,

in der

Geld als Güter (Nominalgüter) und immaterielle Güter als Realgüter (Kosiol 1966, S. 111) ausgewiesen werden. Umwelt ein flüsie

M itiel einsät z

rfungsmarkt

Informationen Geldausgänge (Ausgaben)

Le istung sc igeb ni s

Ρ roduk t io ns prozeß

Informationen

Absatzmarkt

Geldeingängc (Einnahmen)

Abbildung 2-17: Informations-, Güter- und Geldumlauf (Heinen 1985, S. 68)

Auf der Basis systemorientierter Überlegungen erweitert Hopfenbeck Modelle von Kosiol und Heinen

(1995, S. 97ff.) die

im Hinblick auf die Einbindung in die Arbeits-, Geld- und

Kapitalmärkte sowie die Darstellung der Unternehmung in ihrer natürlichen und sozialen Verflechtung (Abbildung 2-18).

78

2. Curriculare Bezugspunkte des wirtschaflsinstrumentellen Rechnungswesenunterrichts

Abbildung 2-18: Ökologisch erweiterter betrieblicher Umsatzprozess (Hopfenbeck 1995, S. 98)

Die in diesen einfachen Modellen dargestellten Geld- und Güterströme durch das Unternehmen bilden die Grundlage fur das dem Rechnungswesen zu Grunde zu legende „Allgemeine Unternehmensmodell". Da dieses Modell zum Verständnis aller Unternehmen und nicht nur eines Wirtschaftszweiges dienen soll, ist es so gehalten, dass sowohl Industrie- als auch Handels- und Dienstleistungsunternehmen damit strukturiert werden können. Dieses Modell ist im Hinblick auf die im Rechnungswesen abzubildenden monetären Elemente und Relationen akzentuiert. Es wird in seiner einfachsten Form anhand der Bilanz erarbeitet und im Verlauf des Rechnungswesenunterrichts erweitert, verfeinert und umstrukturiert.

Die Modellierung Hopfenbecks

(1995, S. 97 ff.) mit Aufwand/Kosten als Input und Leis-

tung/Ertrag als Output der Unternehmung ist die Basis fur die stimmige Einbeziehung des Rechnungswesens. Sie ist kompatibel mit der fur die bei der Thematik Umsatzsteuer und in der volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung verwendeten Terminologie der Vorleistungen, die mit von den Haushalten bezogenen Produktionsfaktoren (= Wertschöpfung 1 7 ) kombiniert und

17

Auch der WertschöpfungsbegrifT macht deutlich, welche Probleme die Sichtwcise, dass Aurwendungen Mittclabflüsse bzw. Eigenkapitalmindenwgen darstellen, bereitet. Bei der Betrachtung der Aufwendungen als Werteinput hingegen, kann gut deutlich gemacht werden, dass die von den Haushalten direkt (Arbeitsleistung, Faktoreinsatz der Unlcrnchmcnshauslialle, Nutzungsrechte gegen Miete und Pacht) und indirekt über das Bankensystem (Kapitalnutzungsrechte gegen Zinsen) bezogene Leistungen den Wert der erzeugten Gütererhöhen.

79

2.3 Das „Allgemeine Unternehmensmodell " als Hilfsmittel

d a n n w i e d e r a u f den M a r k t a b g e g e b e n w e r d e n . A u c h die in der K o s t e n r e c h n u n g b e n ö t i g t e n M o d e l l v o r s t e l l u n g e n v o m D u r c h l a u f der K o s t e n t r ä g e r durch die K o s t e n s t e l l e n bzw. P r o z e s s e stützen eine s o l c h e B e t r a c h t u n g .

D e r z e n t r a l e P u n k t besteht in der A n n a h m e , d a s s d e r F a k t o r e i n s a t z z w a r einen A b g a n g an fin a n z i e l l e n Mitteln, aber keinen K a p i t a l a b g a n g verursacht. Realgüter (einschließlich Dienstl e i s t u n g e n und N u t z u n g s r e c h t e n ) bleiben somit i n f o l g e der l e i s t u n g s w i r t s c h a ñ l i c h e n T r a n s f o r m a t i o n in E r z e u g n i s s e und a n d e r e L e i s t u n g e n in ihrer abstrakten F o r m als Kapital erhalten. In d i e s e m Z u s a m m e n h a n g ist a u c h die T e r m i n o l o g i e Heitlern

mit der G l e i c h s e t z u n g v o n Bin-

d u n g u n d F r e i s e t z u n g von G e l d m i t t e l n mit K a p i t a l b i n d u n g - und - f r e i s e t z u n g (1985, S. 67f.) d i d a k t i s c h äußerst bedenklich. Geld und Kapital sollten in der F a c h s p r a c h e v o n A n f a n g an deutlich a u s e i n a n d e r gehalten w e r d e n . Eine A b g a b e von Geld b e w i r k t somit e n t w e d e r eine G e l d u m s c h i c h t u n g ( Z u g a n g andersartigen G e l d e s ) , K a p i t a l b i n d u n g ( Z u g a n g von G ü t e r n ) o d e r K a p i t a l h e r a b s e t z u n g ( S c h u l d e n t i l g u n g , H e r a b s e t z u n g des Eigenkapitals).

2.3.4.2

D a s repräsentative Modellunternehmen als Konkretisierung eines „Allgemeinen Unternehmensmodells" (Rechtsform, G r ö ß e , Branche, Produkte)

D a m i t das R e c h n u n g s w e s e n als M o d e l l i e r u n g betrieblichen G e s c h e h e n s e r k a n n t w e r d e n kann, b e d a r f es eines B e z u g s o b j e k t s . Dies kann ein reales o d e r ein fiktives U n t e r n e h m e n sein. F ü r d e n A n f a n g s u n t e r r i c h t ist die K o m p l e x i t ä t j e d e s realen U n t e r n e h m e n s und der zu b e a c h t e n d e n V o r s c h r i f t e n viel zu hoch, somit m u s s das R e c h n u n g s w e s e n a u f fiktive U n t e r n e h m e n b e z o g e n w e r d e n . Damit d i e Z a h l e n des R e c h n u n g s w e s e n s ü b e r dieses hinaus interpretiert w e r d e n k ö n nen, b e d a r f es z u s ä t z l i c h e r K o n k r e t i s i e r u n g e n (z. B. Mitarbeiterzahl,

Eigentümerstruktur).

S o l c h e K o n k r e t i s i e r u n g e n e r m ö g l i c h e n die V e r k n ü p f u n g mit anderen Inhaltsbereichen und a u c h d i e A u s f ü h r u n g von H a n d l u n g e n . Eine s o l c h e K o n k r e t i s i e r u n g eines U n t e r n e h m e n s soll als ein „ M o d e l l u n t e r n e h m e n mit einem D a t e n k r a n z " bezeichnet w e r d e n . Modell steht hier sow o h l als A b b i l d u n g s r e l a t i o n zu realen U n t e r n e h m e n als auch als Instanz b e t r i e b s w i r t s c h a f t licher T h e o r i e n und M o d e l l e .

In A b b i l d u n g 2 - 1 9 w e r d e n die B e z u g s p u n k t e des M o d e l l u n t e r n e h m e n s dargestellt. Die im U n t e r r i c h t s s y s t e m e i n g e f ü h r t e n M o d e l l u n t e r n e h m e n und U n t e r n e h m e n s m o d e l l e b e z i e h e n ihre inhaltliche L e g i t i m a t i o n aus den sich w e c h s e l s e i t i g b e e i n f l u s s e n d e n B e z u g s s y s t e m e n „ k a u f m ä n n i s c h e B e r u f s p r a x i s " und „ W i r t s c h a f t s w i s s e n s c h a f t e n " . D a s R e c h n u n g s w e s e n als m o n e t ä r a k z e n t u i e r t e s I n f o r m a t i o n s s y s t e m ist sowohl ein Teil j e d e s U n t e r n e h m e n s als auch ein S y s t e m

80

2. Curriculare Bezugspunkte des wirtschaftsinslrumenlellen Rechnungswesenunterrichts

ökonomischer Konzeptionen aus dem Bereich der Wirtschaftswissenschaften. Das „Allgemeine Unternehmensmodell" fuhrt das schon länger bekannte „Modell des Wirtschaftskreislaufes" (zunächst einfach, dann erweitert) auf der betriebswirtschaftlichen Ebene fort. Beide sind Hilfsmittel, über die ökonomische Konzeptionen und Denkweisen aufgebaut werden können. Fachwissenschaften

abstrakt:

Volkswirtschaftslehre Allgemeine Betriebswirtschaftslehre

Unterricht

+yAVirtschaftskreislaufmodell τ • Allgemeines Unternehmensmodell

Rechnungswesen Informationssysteme

konkret:

Reale Unternehmen Haushalte

Modellunternehmen

Berufspraxis Abbildung 2-19: Bezugspunkte des Modelluntemehmens

Das Modellunternehmen als erfahrungsoffenes Lernobjekt ist sowohl ein didaktisch aufbereitetes Abbild realer Unternehmen als auch eine Konkretisierung des Allgemeinen Unternehmensmodells und wirtschaftswissenschaftlicher Aussagen. Von einem „durchgängigen Modellunternehmen" soll dann gesprochen werden, wenn dieses nicht nur in einem oder wenigen Fällen benutzt wird, sondern sich durch das gesamte Curriculum hindurchzieht. Durchgängigkeit bedeutet dabei nicht Ausschließlichkeit.

Das für den Rechnungswesenunterricht benötigte Modellunternehmen sollte zumindest in der Anfangsphase in allen Ausbildungsgängen ein kleiner bis mittlerer Industriebetrieb in der Rechtsform einer G m b H sein. Die Rechtsform der GmbH hat mehrere Vorteile, die didaktisch genutzt werden können, ohne die Authentizität der Lernsituation zu vermindern:

2.3 Das „Allgemeine

Unternehmensmodell"

als

Hilfsmittel

81

klare Trennung von Unternehmens- und Privatsphäre und damit von Betriebs- und Privatvermögen, auf Buchungen der Privatvorgänge (Privatentnahmen und -einlagen) kann zumindest in der Anfangsphase verzichtet werden, der ermittelte Gewinn wird eindeutig als Entgelt für den Kapitaleinsatz interpretierbar, leichte Hinfuhrung zu den ausfuhrlichen handelsrechtlichen Gliederungsvorschriften, ohne an sie gebunden zu sein, Flexibilität bei der Gewinnverwendungsentscheidung, plausible Umwandlungsmöglichkeit in eine Aktiengesellschaft. An der Rechtsform der GmbH kann zu den sowohl in beruflichen als auch in privaten Lebenssituationen benötigten „Fähigkeiten der Interpretation veröffentlichter Jahresabschlüsse" hingeführt werden. Im Ausbildungsberuf „Steuerfachangestellte" kann der GmbH relativ früh eine oHG (bzw. einer Ein-Personen-GmbH eine Einzelunternehmung) zur Seite gestellt werden, damit die Verknüpfungen zur Einkommenssteuer hergestellt werden können.

Der Industriebetrieb hat einen relativ anschaulichen Leistungsprozess, an ihm werden in der Betriebs- und Volkswirtschaftslehre große Teile des Theoriegebäudes aufgebaut. Der Industriebetrieb kann sehr flexibel modelliert werden, so dass er sowohl eine starke Handels-, Dienstleistungs-, Bankkomponente 18 haben kann. Lediglich der Versicherungsbetrieb scheint kaum im Industriebetrieb abbildbar. Dies ist in der Ausbildung von Versicherungskaufleuten aber auch nicht notwendig, da die Rechnungswesenausbildung auf der Grundlage des Dienstleistungsbetriebs der „Versicherungsagentur" (Versicherungsmaklers) ausgerichtet ist.

Mit der Modellierung des Industriebetriebes kann damit zur jeweiligen Buchführung eines Wirtschaftszweiges hingeführt werden. Andererseits erhalten die Auszubildenden in Handels-, Dienstleistungs- und Bankbetrieben damit auch eine Grundorientierung an ökonomischen Kategorien ihrer Geschäftspartner, was im Zuge der Markt- und Kundenorientierung eine erforderliche Qualifikation darstellt.

18

Industriebetriebe im Großanlagenbau lui ben einen stark ausgeprägten Finanzicrungsaspckt, sie übernehmen nicht selten die Funktion einer „Bausparkasse".

2. Curriculare Bezugspunkte des wirtschaflsinstrumentellen Rechnungswesen Unterrichts

82

2.3.4.3

Die leistungs- und finanzwirtschaftlichen Teilprozesse im Unternehmensmodell

Ein Unternehmensmodell muss in die wichtigsten Komponenten seiner Umwelt eingebettet sein. Dies sind die Eigentümer, Arbeitnehmer, Lieferanten, Kunden und Banken sowie verschiedene staatliche, vom Staat geschaffene oder geförderte Einrichtungen. Diese marktliche und sozialen Umwelten tauschen mit dem Unternehmen Leistungen gegen monetäre Gegenleistungen aus.

Entsprechend der volks- und betriebswirtschaftlichen Vorstellung vom Güter- und Geldkreislauf erscheint es zweckmäßig, diese Zweiteilung auch zur Grundlage der Modellierung innerbetrieblichen Geschehens zu machen. In der betriebswirtschaftlichen Betrachtung kommt jedoch dem zeitlichen Aspekt im Hinblick auf die Disponierbarkeit über Güter und Geldmittel stärkere Bedeutung zu. Dauerhaft bzw. langfristig gebundene Mittel sind deshalb von kurzfristig disponiblen Mitteln zu trennen. Während diese Trennung im finanzwirtschaftlichen Bereich mit Fristigkeitsüberlegungen nur willkürlich vorzunehmen ist, kann die Trennung im güterwirtschaftlichen Bereich funktional vorgenommen werden.

Die grundlegende Einteilung des Unternehmensgeschehens in einen Leistungs- und einen Finanzierungsprozess kann deshalb durch Abtrennung eines Prozesses für die Verfugbarhaltung dauerhaften Leistungspotentials vom dann auf die aktuelle Leistungserstellung konzentrierten Leistungsprozess

in ein

Drei-Prozess-Modell

erweitert

werden.

Der

neben

dem

Fi-

nanzierungs- und Leistungsprozess entstehende dritte Prozess fur die Zugänge und Abgänge an Systempotential beinhaltet die wirtschaftlich nicht beliebig teilbaren Beschaffungsgüter bis zu ihrem Verbrauch, d. h. das Sach- und immaterielle Anlagevermögen. Finanzanlagen und ausstehende Einlagen hingegen sind dem Finanzierungsprozess zuzuordnen. Der „dritte Prozess" kann auch als ein „Hilfsprozess" angesehen werden, da dieses Systempotential auch über Dauerschuldverhältnisse (Miete, Pacht) gesichert werden kann.

In Abbildung 2-20 wird Aufbau dieses dreiteiligen „Allgemeine Unternehmensmodell" mit den Bilanzpositionen für den Einstieg in das betriebliche Rechnungswesen dargestellt. Die Werteflüsse zu bzw. von diesen Bilanzpositionen werden in Abschnitt 3.1.3 ausfuhrlicher erläutert. Die Finanzbuchhaltung als der Kernbereich des Rechnungswesens umfasst alle diese Teilprozesse und die finanziellen Beziehungen zur Umwelt. Den einzelnen Teilprozessen können spezielle Instrumente des Rechnungswesens zugeordnet werden.

2.3 Das „Allgemeine Unternehmensmodell" als Hilfsmittel

83

staatliche Einrichtungen dauerhaft reserviertes Lelstunaspotentlal Grundstück· (Grund und Boden + Gebäude) Technische Anlagen und Maschinen Betriebs- und Geschäftsausstattung

H

Leistungsprozess

g

s

Fremd'. É Unfertige bautelle Erzcugnl···

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;

: Produktion

Fertige nlss·

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Beschaffung

Handelswaren

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I

Finanzierungsprozess

Forderungen

• S

au« Lieferung·!) und Lahtungan

Zahlungsmittel •e

V.

• Kasse • Bank

Verbindlichkeiten

«in Lieferungen und UtatunQM

s S •SP

Langfristige Bankverbindlichkeiten

pltal Eigen kapital

inetes Kapital • Gezelcnn

Abbildung 2-20: Prozesse und Bestände im .Allgemeinen Unternehmensmodeli"

84

2. Currìculare Bezugspunkte des wirtschaßsinstrunientellen Rechnungswesenunterrichts

Mit dem betrieblichen Teilprozess „dauerhaft reserviertes Leistungspotential" und einer diesem zugeordneten Kontenreihe (Sachanlagen, immaterielle Vermögenswerte) kann die in den dynamischen und pagatorischen Bilanztheorien übliche Abgrenzung des Leistungsprozesses über den Zahlungsprozess vermieden werden. Diese Betrachtung hat auch den Vorteil, dass Zu- und Abgänge von Gütern nicht als (Depot-) Einnahmen und Ausgaben bezeichnet und damit in finanzielle Kategorien umgedeutet werden müssen. Güterbestände stellen bezogene bzw. selbsterstellte, aber noch nicht abgesetzte Leistungen dar. Nutzungsrechte des „dauerhaft reservierten Leistungspotentials" sind von vornherein im Hinblick auf die Nutzung in mehreren Perioden beschafft worden. Sie repräsentieren „Nutzungsbündel", die an mehrere periodisierte Leistungsprozesse abgegeben werden. Alternativ könnten diese Nutzungsrechte auch über Miete und Pacht fortlaufend bezogen werden. Die Beschaffung von Sachanlagen wird aus betriebswirtschaftlicher Sicht primär als Investitionsproblem gesehen, sie ist somit nicht dem regulären Beschaffungsprozess zugeordnet. Diesem betrieblichen Prozess kann das Instrumentarium der Investitionsrechnung zugeordnet werden.

Im Zentrum des „Allgemeinen Unternehmensmodells" ist der Leistungsprozess mit seinen Teilfunktionen „Beschaffung", „Produktion" und „Absatz" entsprechend einer kaufmännischen und nicht einer technischen Sicht, die sich nur auf die „Produktion" beschränkt, modelliert. Dabei soll auch deutlich gemacht werden, dass es verschiedene Möglichkeiten der Bewertung von Vorräten gibt, wobei die Bewertung der Materialien und Handelswaren zu Anschaffungspreisen eine vorsichtige Bewertung darstellt, da interne Beschaffungskosten (Sach- und Personalkosten des Einkaufs) nicht berücksichtigt werden. Die Bestände an fertigen Erzeugnissen und Handelswaren werden so ausgewiesen, dass an diesen Beständen deutlich wird, dass noch in die Produkte eingehende Absatzleistungen zu erbringen sind; diese Bestände sind somit zwar technisch „fertig"; aus kaufmännischer Sicht ist die Leistungserstellung jedoch noch nicht beendet. Dem betrieblichen Leistungsprozess ist speziell das Instrumentarium der Kostenrechnung zugeordnet.

Als dritter Teilprozess des „Allgemeinen Unternehmensmodells" wird der Finanzierungsprozess ausgewiesen. Ziel dieses den Leistungsprozess ermöglichenden Finanzierungsprozesses ist die Sicherung der aktuellen und künftigen Zahlungsfähigkeit. Diesem betrieblichen Teilprozess sind als Inputgrößen die Einnahmen (Bareinnahmen = Einzahlungen und Netto-Forderungszugänge = Voreinnahmen) und als Outputgrößen die Ausgaben (Barausgaben = Auszahlungen und Netto-Verbindlichkeitenzugänge = Vorausgaben) zugeordnet. Dem Finanzierungsprozess kann das spezielle Instrumentarium der Finanzplanung zugeordnet werden.

2.3 Das „Allgemeine Unternehmensmodell " als Hilfsmittel

85

Im normalen Betriebsgeschehen werden aus dem Reservierungsprozess lediglich Leistungen sukzessive an den Leistungsprozess abgegeben und über diesen nach außen verwertet. Werden jedoch Gegenstände des Anlagevermögens neben der betrieblichen Hauptleistung veräußert, so hat dieser Prozess auch einen eigenständigen Leistungsoutput (mit einer Korrekturposition zu den Beständen, dem Konto „Erlöse aus Abgängen von Sachanlagen"). Bei Beibehaltung sprachlicher Genauigkeit ist es sinnvoll, weder die Bruttogröße des Abgangs (Veräußerungserlöse) noch die Nettogröße (Differenz zwischen Veräußerungserlös und Buchwert) als Ertrag zu bezeichnen. Die Begriffe „Erträge aus dem Abgang von Anlagevermögen" und „Verluste aus dem Abgang von Anlagevermögen" sollten durch Bezeichnungen wie „Überschuss aus dem Abgang von Anlagevermögen" oder „Fehlbetrag aus dem Abgang von Anlagevermögen" erläutert werden. Diese im Rahmen des Betriebes, aber außerhalb des Betriebszweckes, erzielten Überschüsse und Fehlbeträge werden erst durch Interpretation als Berichtigung bisheriger Abschreibungen zu Komponenten des Leistungsprozesses und damit zu Erträgen oder Aufwendungen.

Die hier gewählte Darstellung geht von der kaufmännischen Betrachtung aus, dass Zugänge an Fertigungsmaterial, Handelswaren, Dienstleistungen und Nutzungsrechten direkt zum Zeitpunkt des Gefahrübergangs vom Lieferanten an den Kunden auch bei dem einen den Leistungsprozess verlassen und bei dem anderen in diesem eingehen. Dies steht im Gegensatz zur fertigungstechnischen Sicht, bei der der Leistungsprozess erst zum Zeitpunkt des Einsatzes der Güter in der Produktion beginnt. Die fertigungstechnische Sicht des Leistungsprozesses führt dann zu der bei Handelswaren nur schwer vermittelbaren Tatsache, dass erst mit dem Abgang der Waren, d. h. dem „Wareneinsatz", der Leistungsprozess beginnt.

Der Sichtweise, dass die Beschaffung und auch die Lagerung der beschafften Güter bereits ein Teil der Leistungserstellung ist, entspricht auf der buchungstechnischen Ebene dem aufwandsrechnerische Verfahren. Die ebenfalls gebräuchliche Bezeichnung „Just-in-time-Verfahren" ist dabei irreführend, da das aufwandsrechnerische Verfahren auch bei hohen Beständen im Beschaffungslager angewendet werden kann. Dieses Buchungsverfahren ist im einführenden Unterricht dem bestandsrechnerischen Verfahren gegenüber vorzuziehen, weil es -

sowohl die Einheitlichkeit der Industrie- und Handelsbuchfuhrung sichert,

-

gut auf den Dienstleistungsbetrieb übertragbar ist, da diese Betriebe zwar keine Rohstoffe, gelegentlich aber Hilfsstoffe, fast immer aber Betriebsstoffe, zur Erzielung ihrer Leistun-

2. Curriculare Bezugspunkte des wirtschaftsmstrumentellen

86

Rechnungswesenunterrichts

g e n e i n s e t z e n und statt E r z e u g n i s s e n „ n i c h t a b g e r e c h n e t e A u f t r ä g e " im V o r r a t s v e r m ö g e n führen, keine k a l k u l a t o r i s c h e n E l e m e n t e (interne V e r r e c h n u n g s p r e i s e f ü r den M a t e r i a l v e r b r a u c h ) in d i e p a g a t o r i s c h e B e t r a c h t u n g e i n f u h r t , -

nur in einer V a r i a n t e v o r k o m m t , d a s b e s t a n d s r e c h n e r i s c h e V e r f a h r e n h i n g e g e n s o w o h l mit der durch M a t e r i a l e n t n a h m e s c h e i n e zu b u c h e n d e n V e r b r a u c h s - als auch mit der I n v e n t u r m e t h o d e zwei V a r i a n t e n a u f w e i s t und

-

es a u c h gut mit v o l k s w i r t s c h a f t l i c h e n M o d e l l i e r u n g des W e r t s c h ö p f u n g s p r o z e s s e s ( M a t e r i a l z u g a n g = V o r l e i s t u n g e n ) verträglich ist.

In ä h n l i c h e r W e i s e , w i e die F i n a n z b u c h h a l t u n g die m o n e t ä r e D i m e n s i o n des U n t e r n e h m e n s g e s c h e h e n s a u f d a s G e s a m t s y s t e m b e z o g e n modelliert, leistet dies die ö k o l o g i s c h e B u c h h a l t u n g im H i n b l i c k a u f d i e U m w e l t b e l a s t u n g b z w . den N u t z e n f ü r die natürliche U m w e l t , die mit den U n t e r n e h m e n s p r o z e s s e n v e r b u n d e n sind (vgl. hierzu Mittler-Wenk

1978 und 1994).

D a eine s o l c h e ö k o l o g i s c h e B u c h h a l t u n g nicht G e g e n s t a n d g e g e n w ä r t i g e r C u r r i c u l a ist, sollte d i e F i n a n z b u c h h a l t u n g so unterrichtet w e r d e n , d a s s durch die T h e m a t i s i e r u n g n i c h t - m o n e t ä r e r A s p e k t e v e r n e t z t e s D e n k e n ü b e r die finanzielle D i m e n s i o n hinaus g e f ö r d e r t wird. D i e s setzt v o r a u s , d a s s a u c h s c h o n in der finanziellen D i m e n s i o n selbst vernetzt g e d a c h t wird, d a s s also die L e r n e n d e n b e i s p i e l s w e i s e erkennen, d a s s es nicht d a r a u f a n k o m m t , isoliert

einzelne

A u f w a n d s k o m p o n e n t e n zu minimieren o d e r einzelne E r t r ä g e zu m a x i m i e r e n , sondern d a s s A u f w a n d s - u n d ETtragskombiiiationen

optimal zu gestalten sind.

Ein f u r den R e c h n u n g s w e s e n u n t e r r i c h t

entwickeltes „ A l l g e m e i n e s

Unternehmensmodell"

m u s s als A b s t r a k t i o n v o n k o n k r e t e n Z u s t ä n d e n erkannt w e r d e n . V o r allem m u s s deutlich w e r den, d a s s d i e W e r t e f l ü s s e Interpretationen k o n k r e t e r G ü t e r - und G e l d f l ü s s e darstellen. A l s ein H i l f s m i t t e l z u r H e r l e i t u n g des abstrakteren M o d e l l s ist deshalb ein an den L e i s t u n g s s t r ö m e n orientiertes M o d e l l , w i e in A b b i l d u n g 2-21 dargestellt, n o t w e n d i g . D i e s e s M o d e l l zeigt d a s U n t e r n e h m e n s c h e m a t i s c h in seiner U m w e l t . A u s G r ü n d e n der Übersichtlichkeit sind die G e g e n l e i s t u n g s s t r ö m e in dieser Darstellung nicht abgebildet.

2.3 Das „Allgemeine Unternehmensmodell " als Hilfsmittel staatliche

87

Einrichtungen

S. öffentliche Güler: Straßen, Bildung. Sicherheit, Recht usw. Norddeutsche Jeansfabrik GmbH Gnin dstücke mi Gebs len\ Tech isdie Anlagen um Nfaschft^

Anlagen

I'aKrl;euge, Β Oto- u nd Lage dnrehking

= Betriebsmittel

ζ ci arteiliger Einsatz zur Leistm^er ïellung Ä Nufeung 9-

Jcansstoflc Rciß\eiscl I iisse Knöpfe une Nieten Zwirn Maschine· ] illegani 11ι

9. f» 5Γ ία o

s>

Heizöl, Di : >elöl. Gas, Wass : r. Strom

Jeansliosen

Vorräte im Leistungsprozess

§M w Β

Jeansjackcn

entwerfen einkaufen zuschneiden

Ζ S Β9Γ ί

leansheind :n Ρ ti lover

Jeanslicmden Pul lover

S A ibe itskraf ί A ηgp ste ¡¡ le Aibeitskral 'Arbeiter.

^uai

"^ausliefern

Geld zur Finanzierung der Anlagen und Vorräte

natürliche

Umwelt

Abbildung 2-21: Hinführung zum .Allgemeinen Unternehmensmodell"

88

2. Curriculare Bezugspunkte des Wirtschaftsinstrumentellen

Rechnungswesenunterrichts

2.4

Vergleich der Modellierungsmethode mit traditionellen Konzeptionen des Rechnungswesenunterrichts

2.4.1

Vergleich mit anderen Einstiegskonzeptionen

Als die älteste Methode sowohl in der beruflichen Ausbildung insgesamt als auch im Rechnungswesenunterricht speziell kann die Imitationsmethode gelten. In der kaufmännischen Ausbildung ist sie eng verbunden mit dem Einsatz von „Musterbelegen" bzw. „Mustergeschäftsgängen" und Abschreibübungen „für den Papierkorb" bzw. „für das Feuer". Im Buchhaltungsunterricht dominierte diese am „Weg des ausführlichen Geschäftsganges" (Butze 1936, S. 45) orientierte Methode bis zum Anfang des 20. Jahrhunderts (Dauenhauer 1977, S. 195). Diese Methode hatte ansatzweise eine „ganzheitliche" Ausrichtung. Erstens war der Buchhaltungsunterricht mit dem Schreib- und Rechenunterricht integriert, zweitens war Belegerstellung und Belegverarbeitung zusammengefasst und drittens waren die Mustergeschäftsgänge selbst von Anfang an ganzheitlich, d. h. Beginn mit einem ausfuhrlichen Inventar, Eintragung der Geschäftsvorfälle in Memorial, Grundbuch und Hauptbuch sowie unter Einbeziehung der Erfolgskonten im Hauptbuch. Der Integrationsgedanke in Form der Verbindung buchhalterischer Techniken mit kaufmännischem Wissen wird durch die 1518 entstandene Musterbuchhaltung des Matthäus Schwarz (Weitnauer 1931) belegt.

Ein wesentliches Merkmal des heutigen Verständnisses von „Ganzheitlichkeit", nämlich die Einheit von Planung, Durchführung und Kontrolle der Handlung des Lernenden, fehlte jedoch. „Wenn dabei auch immer wieder betont wird, daß Wert auf gründliche Kenntnisse und klares Verständnis der einzelnen Buchhaltungsarbeiten gelegt wird, so geht aus den Darstellungen in den betreffenden Buchhaltungslehrbüchern doch deutlich hervor, daß sich der Buchhaltungsunterricht im wesentlichen auf Aneignung und Anwendung von Buchungsregeln erstreckt" (Butze 1936, S. 45). Bei diesem Regeltraining und der Nachahmung der Tätigkeit eines „Meisters" war also nur inhaltliche, aber nicht qualifikatorische und methodische Ganzheitlichkeit gegeben.

Die methodische Grundlegung der Kontenmethode wird von Dauenhauer (1977, S. 196) dem Werk von Schär (1913) zugeschrieben, weil dieser sich gegen die damals dominierende Imitationsmethode wandte und in verschiedenen Lehrwerken und Veröffentlichungen eine

2.4 Vergleich der Modellierungsmethode mit traditionellen Konzeptionen

89

alternative Methodik entwickelte. Der Grundgedanke der Kontenmethode, entsprechend der genetischen Entwicklung die Konten vor der Bilanz einzuführen, ist dementsprechend schon vorher zu finden, so natürlich auch schon bei Pacioli (1494), wo die Posten des Inventars zuerst im Journal eingetragen und dann in das Hauptbuch übertragen werden (vgl. Penndorf 1933, S. 104ff.). Auch in Darstellungen, die genetisch die einfache Buchführung vor der doppelten darstellen, werden die Konteneintragungen unabhängig von der Bilanz erläutert (als ein Beispiel: Bonn/Cüppers 1911).

In den letzten Jahrzehnten hat sich insbesondere Waltermann mit von ihm vorgenommenen Modifikationen für diese Methode sowohl theoretisch (1976) als auch durch die Entwicklung entsprechender Lehrbücher (Wallermann 1975 und Waltermann/Speth/Hartmann

1989) ein-

gesetzt. Ein neuerer Ansatz der Kontenmethode, der näher an Schärs Sequenzierungsvorstellungen liegt, wird in dem Lehrbuch von Voth et al. (1994) verfolgt. Alle diese Versuche mit der Kontenmethode sind an dem Leitbild des Handelsbetriebes orientiert.

Schär (1913, S. 3ff.) betont die Notwendigkeit eines der Sache und dem Erkenntnisvermögen der Schüler angemessenen methodischen Aufbaus des Buchführungsunterrichts in „konzentrischen Kreisen". Sein Sequenzierungsvorschlag beginnt in der ersten Makrosequenz mit einer einfachen Rechnungsführung mit den Elementen „Kassenrechnung", „Personenrechnung (Kontokorrentbuch)", „Warenrechnung", „Rechnungsführung über die übrigen Vermögensbestandteile", „Inventur" und „kombinierte Rechnungsführung oder einfache Buchhaltung" bevor in der zweiten Makrosequenz die „Einführung in die doppelte Buchhaltung" erfolgt, die dann in weiteren konzentrischen Kreisen variiert und ausgebaut wird. Das „Konto" wird im Anschluss an die Kassenrechnung entwickelt und in seiner Begriff] ichkeit und Funktion anhand der Kontokorrentbuchführung erklärt.

.Häufig wird der Buchhaltungsunterricht mit der Inventur angefangen. Nach meinen Erfahrungen ist dies unrichtig, weil zuviel neue Begriffe erklärt werden müssen. Sicher ist methodisch mit der Geldrechnung anzufangen, weil einerseits das Verständnis für die Kassaverwaltung und Kassarechnung allgemein vorausgesetzt werden kann und andererseits, weil die Kassarechnung die unterste und erste, aber auch die notwendigste Stufe der einfachen Buchführung darstellt" (Schär 1913, S. 13).

Im wirtschaftsinstrumentellen Ansatz mit der Modellierungsmethode wird sowohl Schärs Grundidee von der Verknüpfung buchhalterischer und ökonomischer Inhalte (1913, S. 6) als auch bezüglich der ausführlichen Beschäftigung mit Vorformen der doppelten Buchführung gefolgt, und ganz speziell mit dem Einstieg über den Kassenbericht. Auch die schon in der Imitationsmethode und bei Schär vorgenommene gleichzeitige Einführung von Bestands- und

90

2. Curriculare Bezugspunkte

Erfolgskonten 19

im Hauptbuch wird

des Wirtschaftsinstrumentellen

in der Modellierungsmethode

Rechnungswesenunterrichts

übernommen.

Die

Abweichungen während der einführenden Makrosequenz bestehen darin, dass -

andere Geldkonten (Bankguthaben und -schulden), Kontokorrent-, Artikel- und Anlagenkonten in dieser Einfuhrungssequenz nicht aktiv geführt, sondern nur als Unterlagen in die Inventurthematik eingebaut sind,

-

die Inventur und die Aufstellung des Inventars dafür ausfuhrlicher vorgenommen wird, um die Bilanz als Kurzfassung der Ist-Rechnung einzuführen und daran anknüpfend

-

ein allgemeines Unternehmensmodell über die betriebswirtschaftlichen Zusammenhänge zu entwickeln, die materiell im nachfolgenden Kontensystem in mathematischer Form abzubilden sind.

Ein Problembereich

der Kontenmethode ist die insbesondere bei der Eröffnung von

Passivkonten schwer verständliche Buchungsregel: .Wer empfängt

-

oder verliert

-

Wer gibt

-

oder gewinnt

-

der .Soll!' der ,Hat'" (Schär

1913, S. 18).

Hier zeigt sich auch, dass die Einbeziehung der Aufwands- und Ertragsbuchungen (verliert, gewinnt) den Bezug zu einer Vermögensgröße verlangt. Ein weiterer Problembereich ist die Verwendung gemischter Konten (gemischtes Warenkonto) und die damit verbundene Orientierung am Handelsbetrieb. Diese Problembereiche werden in der Modellierungsmethode vermieden. Die Kontenmethode konnte sich bisher bei der Erklärung der Buchungen auf den Erfolgskonten nicht von dem Bezug auf die relativ abstrakte Größe des Eigenkapitals lösen. Ihr Anspruch auf einen erfahrungsnahen Einstieg versagte deshalb an dem zentralen Punkt der doppelten Buchführung. Mit der Modellierungsmethode und dem damit

verbundenen

Wechsel zum industriellen bzw. handwerklichen Leistungsprozess als Ausgangspunkt wird dieser kritische Punkt der Kontenmethode behoben.

Die Bilanzmethode wurde in ihrer methodischen Teilschritten von Blitze (1936) formuliert. Einige ihrer Gundgedanken sind jedoch schon früher zu finden. So sieht das Handbuch für den Buchführungsunterricht von Wewer/Becker

(1909) schon den Weg von der Inventur über

das Inventar zur Bilanz und dann erst zu den Konten vor. Die Bilanzmethode ist trotz ihrer offensichtlich erkannten Mängel derzeit immer noch die dominierende Methode.

19

In der Konzeption der Kontemnetliode von Waltermann (1976, S. 201 und Waltermann/Speth/Hartmann 1989, S. 78) werden die Erfolgskonten erst nach dem Aulbau des Systems der doppelten Buchhaltung, das dieser als nur aus den Bestandskonten versteht, eingelulul.

2.4 Vergleich der Modellierungsmethode mit traditionellen Konzeptionen

91

D i e G r u n d e l e m e n t e d e r B i l a n z m e t h o d e sind: 1. B e g i n n mit der Inventur zur E n t w i c k l u n g d e r ersten Bilanz

(Inventarverzeichnisse

w e r d e n später nicht m e h r eingesetzt); 2.

A u f l ö s u n g d e r Bilanz in B e s t a n d s k o n t e n , E r k l ä r u n g der B u c h u n g s r e g e l n in e r f o l g s neutralen G e s c h ä f t s g ä n g e n a n h a n d der V e r ä n d e r u n g der B i l a n z p o s i t i o n e n ( K o n t e n u n d B i l a n z p o s i t i o n e n sind somit identisch);

3.

E r k l ä r u n g d e r B u c h u n g e n a u f E r f o l g s k o n t e n im H i n b l i c k a u f d i e V e r ä n d e r u n g des in d e r Bilanz a u s g e w i e s e n e n E i g e n k a p i t a l s ( d a s Eigenkapital wird als variabel verstanden, K a p i t a l h e r a b s e t z u n g und A u f w e n d u n g e n haben d i e g l e i c h e W i r k u n g ) .

D u r c h O r i e n t i e r u n g an der Bilanz und d e r über die durch S a l d i e r u n g ( E r r e c h n u n g d e s E i g e n kapitals) hergestellte B i l a n z g l e i c h u n g wird d i e B u c h f ü h r u n g im H a u p t b u c h e b e n f a l l s zu ein e m m a t h e m a t i s c h - f o r m a l i s t i s c h e n S y s t e m . „ E r k l ä r u n g s p r i n z i p f u r die K o n t e n a r t e n und - f ü h r u n g ist d i e S t e l l u n g der K o n t e n in der Bilanz: Weil das K a s s e n k o n t o auf d e r Bilanz links steht, b u c h e n w i r A n f a n g s b e s t ä n d e plus V e r m e h r u n g e n a u f d e m K o n t o auch links u s w . " CDauenhauer 1977, S. 197).

In d e r B i l a n z m e t h o d e wird im A n f a n g s u n t e r r i c h t nicht mit der derzeit gültigen h a n d e l s r e c h t lichen B i l a n z g l i e d e r u n g gearbeitet, da sie eine l : l - Z u o r d n u n g f ü r B i l a n z p o s i t i o n e n und K o n ten benötigt. Für Ausdifferenzierungen müssen Unterkonten (oder Nebenbücher) eingeführt w e r d e n . D i e Beliebtheit der B i l a n z m e t h o d e d ü r f t e v o r allem mit ihren g e g e n ü b e r d e r K o n t e n methode verständlicheren Buchungsregeln zusammenhängen. Allerdings müssen bestimmte „ A u s n a h m e n " zu d i e s e n bilanzorientierten Regeln mitgelernt w e r d e n . S o ist einer d e r h ä u f i g sten F e h l e r der Schüler darin zu finden, dass die V e r k ä u f e v o n W a r e n und E r z e u g n i s s e n a u f d e n B e s t a n d s k o n t e n als A b g ä n g e g e b u c h t w e r d e n . W ä h r e n d m a n in der H a n d e l s b u c h f ü h r u n g d i e s e Schwierigkeit mit der U m b e n e n n u n g des U m s a t z e r l ö s k o n t o s in W a r e n v e r k a u f s k o n t o t e i l w e i s e u m g e h t , ist dies in der I n d u s t r i e b u c h f ü h r u n g weiterhin eine H ü r d e f u r viele Schüler.

In d e r B i l a n z m e t h o d e wird das S y s t e m der doppelten B u c h f ü h r u n g o f t nur als ein S y s t e m von B e s t a n d s k o n t e n dargestellt. Die D o p p i k wird aus der V e r ä n d e r u n g v o n zwei B i l a n z p o s i t i o n e n a u f g r u n d eines G e s c h ä f t s v o r f a l l s hergeleitet. Dabei wird ü b e r s e h e n , d a s s diese Art d e s d o p pelten B u c h e n s a u c h in der e i n f a c h e n B u c h f ü h r u n g der Fall ist. D e s h a l b wird die E r f o l g s e r m i t t l u n g ü b e r die I n v e n t u r und die e i n f a c h e B u c h f ü h r u n g in d i e s e m Z u s a m m e n h a n g nicht dargestellt.

92

2. Curriculare Bezugspunkte des wirtschaflsinslrumentellen Rechnungswesenuntemchts

Ein Hilfsmittel der Bilanzmethode ist die „fiktive Bilanz nach einem einzigen Geschäftsvorfall". Diese Bilanz wird rein rechnerisch ohne Inventur aufgestellt oder gedacht, um die Buchung auf dem richtigen Konto und der richtigen Kontoseite zu begründen. Bilanz und Kontensystem werden somit konfundiert, was zu einem Fehlverständnis der Bilanz fuhren kann.

Zur Einfuhrung der Erfolgskonten über die Eigenkapitalveränderung benötigt die Bilanzmethode den „Trick" der Isolation oder die Unterstellung 20 der Unwirksamkeit von Aufwendungen. So wird bei der Zahlung der Löhne und Gehälter von der durch die Arbeitskraftzugang ausgelösten Wirkung (hergestellte und abgesetzte Güter), der „Wertschöpfüng", abgesehen oder es wird unterstellt, dass die „bezahlten" Mitarbeiter nichts getan hätten. Auch bei dem Erhalt von Entgelt für Nebenleistungen, wie Zinsen und Provisionen, wird unterstellt, dass dafür keine bilanzierungsfähigen Leistungen abgegeben wurden. Damit wird ein späteres Verständnis der zeitlichen Abgrenzung erschwert. Der „Isolationstrick" fuhrt zwar zur richtigen Buchung, gefährdet aber ein betriebswirtschaftliches Verständnis.

In der Modellierungsmethode wird die Buchführung auch als ein formales-mathematisches System mit Buchungsregeln gesehen. Die Buchungsregeln sind jedoch weniger umfangreich. Die Grundregel „Wertzugang = Soll" und „Wertabgang = Haben" bedarf nur bei der Schuldentilgung, Kapitalherabsetzung und den außerordentlichen Aufwendungen und Erträgen einiger Stützungen. Für den Grundkurs bedeutet dies nur die Stützung der Interpretation der Verminderung einer Schuld als einem Wertzugang.

Dauenhauer

erkannte die Unzulänglichkeiten der bisherigen Methoden und entwickelte da-

raus die Kombinationsmethode als Synthese der Bilanz- und Kontenmethode, um deren jeweilige spezifischen Schwächen zu überwinden: „Der Kontenmethode gebricht es letztlich an betriebswirtschaftlicher Klarheit, während die Bilanzmethode diese Klarheit nur durch einen weitreichenden Verzicht auf Induktion und Anschauung erreichen kann" (Dauenhauer 1977, S. 198). In gewisser Weise kann auch schon der Ansatz Wallermanns (1975 und 1976) als eine solcher Kombinationsversuch verstanden werden, da er - ähnlich wie Dauenhauer - Kontenübungen an den Anfang stellt und die Einführung der Erfolgskonten nach der Bilanzme-

20

Welche gedanklichen Anforderungen ein solches Vorgehen bedeutet, kann mit einem Vergleich aus dem rechtlichen Bereich veranschaulicht werden: Ein Täter schießt mit einer Pistole auf ein Opfer und die Kugel verlässt den Lauf Isoliert betrachtet wird nur der Schuss ausgelöst und ein Vcrmögcnsverlust in Forin der Kugel bewirkt. Die andere isolierte Betrachtung fulirt dann dazu, dass die Kugel das Opfer LrifTt, weil dieses sich nicht aus der Flugbahn der Kugel entfernte. Konsequenz: das Opfer wird zum Schuldigen. Es liât sich cvtuell sogar eine Kugel des Täters angeeignet. An diesem Beispiel wird deutlich, dass eine isolierende Betrachtung zu einem Fehlverständnis führt.

2.4 Vergleich der Modellierungsniethode

mit traditionellen

Konzeptionen

93

thode vornimmt. Dauenhauer (1977, S. 198) vertritt die Auffassung, dass die Kontenübungen induktiv und anschaulich sind, und die Kombination der Konten- und Bilanzmethode einen ganzheitlichen Unterricht ergäbe, der schüler- und sachgemäß sei. Die Anschaulichkeit wird durch die Interpretation der Kontenseiten Soll als „Eingangsseite" und Haben als „Ausgangsseite" bei den „Besitzkonten" hergeleitet (ebenda, S. 199Í), aber später bei den Erfolgskonten zugunsten einer rein technischen Erklärung (Erträge rechts, Aufwendungen links) aufgegeben (ebenda, S. 202). Die Erfolgskonten werden als Unterkonten des Eigenkapitalkontos an Beispielen aus dem Nebenleistungsbereich und Personalaufwendungen eingeführt.

In den Vorarbeiten zur Modellierungsmethode wurde unter der Kennzeichnung „modifizierte Bilanzmethode" (vgl. hierzu Achlenhagen/Preiß

et al. 1987, Bd.l, S. 327ff. und Bd. 2,

S. 158fT., Preiß/Tramm 1990, S. 13ff, Achtenhagen et al. 1992, S 202ff), der Einstieg mit dem Kassenbericht aus der Kontenmethode ähnlich wie in Dauenhauers „Kombinationsmethode" übernommen. Eine weitere Gemeinsamkeit dieser Vorarbeiten bestand in der Einbeziehung aller Inventurwerte bei dem Abschluss des ersten Geschäftsganges. Allerdings wurde in der „modifizierten Bilanzmethode" der erste Geschäftsgang auf die aus der Bilanz abgeleiteten Bestandskonten beschränkt.

Hans Fritz Gross (1978/81) entwickelte als didaktische Umsetzung der pagatorischen Theorie Kosiols einen pagatorischen Ansatz. Der auf der Unterscheidung von Nominalgüter- und Realgüterströmen durch die Unternehmung aufbauende Entwurf einer „Neuen Didaktik des Rechnungswesens" hat sich bisher nicht in schulischen Lehrbüchern niederschlagen können. Dieser Ansatz stellt die Einnahmen und Ausgaben in das Zentrum der Betrachtungen und geht dementsprechend von einer Aufzeichnung der Kassen-Einnahmen und Kassen-Ausgaben (Barzahlungen im engsten Sinne) eines Betriebes aus. Er fuhrt allerdings eine Gleichsetzung des Einnahmeüberschusses mit dem Gewinn ein, weil er das Prinzip der doppelten Erfolgsermittlung schon am Beispiel eines Kontos darstellen will (Gross 1981, S. 39). Danach wird die Betrachtung auf andere Geldkonten (Postscheck und Banken; zunächst allerdings ohne Überziehung) sowie Kreditkonten (Forderungen, Schulden) ausgeweitet. Anstelle der ursprünglichen A'o.no/schen Terminologie mit „Bar-, Vor-, Tilgungs-, Rück- und Nachausgaben bzw. -einnahmen setzt Gross die genauso unübliche neue Terminologie von „Bar-, Kredit-, Depot-, (Depot-)Kredit- und Abgrenzungseinnahmen bzw. -ausgaben (1981, S. 35ff.). Wenn diese Terminologie konsequent durchgehalten wird, fuhrt sie dazu, dass jeder geldwertmäßige Input in das System Unternehmung als Einnahmen und jeder geldwertmäßige Output als Ausgaben bezeichnet werden. Besonders kritischste Elemente dieser Terminologie liegen in der

94

2. Curriculare Bezugspunkte des wirtschaßsinstrumentellen

Rechnungswesenunterrichts

Bezeichnung der Zugänge im Anlage- und Vorratsvermögen als „Rückeinnahmen" (Kosiol) bzw. „Depoteinnahmen" {Gross) sowie der Abgänge aus dem Anlagevermögen und Abschreibungen und der Warenverkäufe als „Nachausgaben" (Kosiol) bzw. „Depotausgaben" (Gross). Diese Schwierigkeiten werden noch übertroffen bei den „Abgrenzungseinnahmen" und „Abgrenzungsausgaben".

Die Verwirrung tritt jedoch ein, wenn die Terminologie nicht konsequent durchgehalten wird. So erläutert Gross (1990, S.-205): „Dem Zufluß realer Güter und Dienstleistungen entspricht auf der Beschaffungsseite des Betriebes der Abfluß von nominalen Gütern als Zahlungsmittel (Ausgaben). Der Abgabe von realen Gütern und Dienstleistungen (in der Regel) zu höheren Preisen entspricht auf der Absatzseite der Zufluß nominaler Werte (Geldeinnahmen)". In seiner Terminologie hätte er jedoch differenzierter ausdrücken müssen, dass dem Zufluss an realen Gütern und Dienstleistungen (Depoteinnahmen) ein Abfluss an Zahlungsmitteln (Baroder Kreditausgaben) und der Abgabe von realen Gütern und Dienstleistungen (Depotausgabe) ein Zufluss nominaler Werte (Bar- oder Krediteinnahmen) entspricht. Eine solche Erklärung hätte aber Schwierigkeiten bereitet, da hier die Dienstleistungen als Depoteinnahmen mit den realen Gütern (wie auch in der Volkswirtschaftslehre üblich) gleichgesetzt werden. Bei Kosiol (1966, S. 11 Iff.) werden Realgüter jedoch nicht nur in Form von Sachgütern, sondern auch als Leistungswerte, insbes. Arbeits- und Dienstleistungen, ökonomische Potenzen, Kapital sowie Ansprüche auf Realgüter, definiert. Eine weitere Schwierigkeit der Ausweitung der Einnahmen- und Ausgabenbegrifflichkeit ergibt sich aus der Erläuterung der Zielsetzung des Unternehmens in Form der Erwirtschaftung eines Überschusses der Einnahmen über die Ausgaben, da dies nur fur die Totalperiode (Gesamtlebensdauer) gilt.

Ein damit zusammenhängendes Problemfeld bietet die Unterscheidung von „einseitigen zweiseitigen Zahlungen" bzw. „einseitigen und zweiseitigen Ausgaben" und „einseitigen und zweiseitigen Einnahmen". Die einseitigen Ausgaben und Einnahmen sind erfolgswirksam und ihre Gegenbuchung sind die Aufwendungen und Erträge. Damit dieses System stimmig bleibt, muss der Warenverkauf in zwei „einseitige Zahlungen" aufgelöst werden: in den Forderungszugang mit der Gegenbuchung des Ertrages und in den Wareneinsatz als Depotausgabe aus dem Warenkonto mit der Gegenbuchung des Aufwands. Für die Abgrenzung der einseitigen und zweiseitigen Zahlungen bzw. der erfolgswirksamen Geschäftsvorfälle von den erfolgsunwirksamen greift Gross (1981, S. 127) wieder auf die Eigenkapital Veränderung bei den einseitigen Zahlungen zurück, Aufwendungen und Erträge werden bei dieser Betrachtung zu reinen Rechengrößen, denen weder ein Nominalgüter- noch ein Realgüterstrom entspricht.

2.4 Vergleich der Modellierungsmethode

mit traditionellen

Konzeptionen

95

Der Begriff der Realgüter beschränkt sich somit auf die Sachgüter und schließt Dienstleistungen und Nutzungsrechte aus. In dieser Systematik muss dann der Kauf immaterieller Anlagegüter sofort erfolgswirksam werden. Ferner kann diese Systematik nicht zur Erklärung des aufwandsrechnerischen Verfahrens bei der Buchung des Material- und Wareneingangs genutzt werden.

Gross erkennt, dass der Ausgang von der Einzelunternehmung oder einer Personengesellschaft „nicht glücklich" ist, da privatbedingte Eigenkapitalveränderungen neben die Erfolgsauswirkungen gestellt werden. Ferner erkennt er, dass sämtliche Bestandskonten im Soll jeweils Einnahmen und im Haben jeweils Ausgaben aufweisen (1981, S. 35). Hätte er jedoch gesehen, dass die Aufwendungen und Erträge auch Güterstrome, nämlich den Faktoreinsatz und den Faktorertrag abbilden, so wäre die Buchungsregel der Modellierungsmethode mit „Wertzugänge im Soll" und „Wertabgänge im Haben" vorbereitet gewesen.

Die Modellierungsmethode geht von den gleichen fachwissenschaftlichen und didaktischen Prämissen wie der pagatorische Ansatz aus. Die pagatorische Konten- und Bilanztheorie mit ihrer Analyse der Stoff- und Systemstrukturen schafft sowohl einen Entwurf für den Einstieg und den curricularen Aufbau des Lernbereichs Rechnungswesen als auch dessen Verankerung in grundlegenden Ideen {Gross 1988, S. 140). In der Modellierungsmethode wird der Kreditund Geldbereich in einem Finanzierungsprozess zusammengefasst. Damit verbunden werden die Begriffe „Einnahmen" und „Ausgaben" auf diesen Prozess begrenzt. „Aufwendungen" und „Erträge" entsprechen dem In- und Output des Leistungsprozesses, dem damit eine zentrale Stellung sowohl fur das Verständnis des Systems der doppelten Buchführung als auch für das Verständnis unternehmerischer Optimierungsentscheidungen zukommt.

2.4.2 2.4.2.1

Hervorhebung des Leistungsprozesses Wertmäßige Abbildung der Faktorkombination

Im wirtschafisinstrumentellen Ansatz wird die Industriebuchführung als allgemeiner Ausgangspunkt zur Einführung in das betriebliche Rechnungswesen gewählt. Diese Präferenz ergibt sich daraus, dass Leistungsprozesse in einem Industriebetrieb in der Regel anschaulicher als in einem Handels- oder Dienstleistungsbetrieb sind. Die Industriebuchführung liefert das umfassendere Modell, in dem sowohl industrielle und handwerkliche Leistungserstellungsals auch Handels- und Dienstleistungsprozesse abbildbar sind. Weiterhin sprechen die

96

2. Curnculare

Bezugspunkte

des wirtschaßsinstrumenteilen

Rechnungswesenunterrichts

Chancen zur leichteren Integration der betriebs- und volkswirtschaftlichen Terminologien und Theorien sowie die besseren Möglichkeiten bei der Einfuhrung in die Kostenrechnung fur die Industriebuchfuhrung, da sowohl in der „Volkswirtschaftslehre" und der „Allgemeinen Betriebswirtschaftslehre" als auch in den Rechnungslegungsvorschriften des HGB der Industriebetrieb den Prototyp der Wirtschaftseinheit „Unternehmen" bildet. Ähnliche Überlegungen haben dazu beigetragen, dass die Lehrpläne für Berufsfachschulen (Niedersächsisches Kultusministerium

1996d) und für die Büroberufe (Niedersächsisches Kultusministerium

1996b,

1996c) in Niedersachsen an der Industriebuchfuhrung ausgerichtet wurden.

Die besondere Stellung der Vorratskonten im Kontensystem wird am Beispiel des Industriebetriebes besonders deutlich, da sich der Zustand der Vorräte, insbesondere der „unfertigen Erzeugnisse" gegenständlich und wertmäßig fortlaufend ändert, dies aber nicht innerhalb einer Periode gebucht werden muss. Nicht nur der Verkauf, sondern auch der Einkauf und die Produktion werden als Leistungen sichtbar. In der Industriebuchführung wird somit exemplarisch besonders deutlich, dass nicht das gesamte interne betriebliche Geschehen gebucht wird, sondern nur bestimmte „markante" Ereignisse, die Geschäftsvorfälle.

In der Modellierungsmethode wird an eine in der Volkswirtschaftslehre und in dem faktortheoretischen Ansatz der Betriebswirtschaftslehre gebräuchliche Sicht des Leistungsprozesses angeknüpft. Dieser Leistungsprozess hat einen mengen- und wertmäßigen Faktoreinsatz (Input), der einem Kombinationsprozess unterzogen wird, und als Faktorertrag eine mengen- und wertmäßige Ausbringung (Output). Produktionsfunktionen allgemein und das Ertragsgesetz als eine besondere Produktionsfùnktion beschreiben mengenmäßige Zusammenhänge zwischen dem Faktoreinsatz und dem Faktorertrag. In der Produktions- und Kostentheorie werden diese Zusammenhänge unter Einbeziehung der wertmäßigen Dimension systematisch untersucht. Mit Hilfe mathematischer Verfahren kann die Faktorkombination optimiert werden.

Die Integration volkswirtschaftlichen Denkens, insbesondere des Geld- und Güterkreislaufs, in das betriebliche Rechnungswesen ist schon in der „dynamischen Bilanztheorie" von Schmalenbach mit den Sätzen angedeutet: .Unsere Vorstellung vom Erfolg muß ausgehen von der Natur des wirtschaftlichen Betriebes. Der wirtschaftliche Betrieb ist ein Bestandteil der Gesamtwirtschaft, dazu berufen, zu seinem Teil von den Aufgaben der Gesamtwirtschaft einen Teil zu übernehmen. Als Bestandteil der arbeitsteiligen Gesamtwirtschaft entnimmt er ihr Materialien und andere Leistungen und gibt dafür Fabrikate und andere Leistungen an die Gesamtwirtschaft zurück. Dabei soll ein Mehrwert erzielt werden; denn der Betrieb soll sich mehrend und nicht mindernd an der Gesamtwirtschaft beteiligen.

2.4 Vergleich der Modellierungsmethode

mit traditionellen

Konzepiionen

97

Was der Gesamtwirtschaft entzogen wird, ist Aufwand. Was an die Gesamtwirtschaft geleistet wird in Waren, Diensten und anderen Leistungen, ist Ertrag. Aus Ertrag und Aufwand ergibt sich der Erfolg. Ihn zu bestimmen, ist Aufgabe der kaufmännischen Erfolgsrechnung" (Schwalenbach 1962, S. 58).

Nach der sowohl betriebs- als auch volkswirtschaftlichen Sicht des Leistungsprozesses einer Unternehmung fuhrt die mengenmäßige Kombination und Transformation der eingesetzten Produktionsfaktoren zu einem neuen Wert, der ausgebrachten Leistung. Kosten stellen eine analytische Sicht, Leistungen eine synthetische Sicht auf den gleichen Sachverhalt dar. Die Grenzen einer mathematischen Sichtweise ergeben sich aus systemorientiertem Denken, d. h. der Erkenntnis, dass das Ganze mehr ist als die Addition der Teile (Entstehung eines Mehrwertes 21 ). Somit kann auch der Wert der erbrachten Leistung nur hilfsweise durch den Wert der eingesetzten Produktionsfaktoren beschrieben werden. Er wird in einer Marktwirtschaft von den Abnehmern, in der Planwirtschaft von der Planungsbehörde bestimmt. Ebenso wird der Wert der Produktionsfaktoren hilfsweise durch das fur sie gezahlte Entgelt plus Verrechnungswerte fur nicht vom Markt bezogene Leistungen (kalkulatorische Kosten) bestimmt.

In der Modellierungsmethode wird an die betriebs- und volkswirtschaftliche Sicht eines getrennten, aber aufeinanderbezogenen Güter- und Geldkreislaufes angeknüpft, ohne dass eine neue Terminologie eingeführt bzw. die schwierige Terminologie der „dynamischen" und „pagatorischen" Bilanztheorien übernommen werden muss. Es wird die faktortheoretische Terminologie von Faktoreinsatz und Ausbringung von der mengenmäßigen Betrachtung in die wertmäßige Betrachtung übernommen. Der wertmäßige Faktoreinsatz wird als Aufwand und der Wert der Ausbringungsmenge wird als Ertrag bezeichnet. Ob die Einteilung der Produktionsfaktoren nach betriebs- oder volkswirtschaftlicher Terminologie erfolgt, ist dabei unerheblich.

Somit wird der Güterstrom durch das Unternehmen nicht nur als ein Mengen-, sondern auch als ein Werteinput gesehen. Der Kombination und Transformation der Mengen im Leistungsprozess entspricht ein hilfsweiser Additionsprozess auf der Wertebene. Diese „rechnerische" Bewertung ersetzt eine explizite Bewertung, wie sie bei der Inventur vorgenommen werden kann. Bei genauer Betrachtung müsste man bei fehlender Inventur den Wert der Bestände

21

Somit wird deutlich, dass es fiir den Mclirwcrtbegriff, aber auch den GcwinnbcgrifT, entscheidend davon abhängt, welche Teile (Kosten) inan erfasst und addiert. Über „kalkulatorische Kosten" kann man somit große Teile des Mehrwertes (hier nicht zu verwechseln mit dem umsalzstcuerlichen Mclirwcrt begriff) bzw. Gewinns „wegdrücken" (vgl. hierzu die Kritik D. Schneiders (1994, S. 61(T.| an den kalkulatorischen Kosten).

98

2. Curriculare Bezugspunkte

des wirtschaflsinstrumentellen

Rechnungswesenunterrichts

zwischen Beschaffung und Absatz als „Undefiniert" 22 bezeichnen. Durch den Abgang der Güter wird die hilfsweise über die Kostenrechung vorgenommene Bewertung zugunsten einer Neubewertung der bisher addierten Wertkomponenten aufgegeben. Die vom Markt vorgenommene Neubewertung der abgebebenen Leistung beinhaltet dabei auch die in der hilfsweisen, additiven Bewertung nicht erfassten Faktoreinsätze. Diese Neubewertung beim Absatz ist dabei nicht endgültig, sie kann später korrigiert werden (Rücksendungen, Gutschriften, Skonti, Boni, Gewährleistungsverpflichtungen).

In der hilfsweisen, additiven Wertermittlung der Leistung bis zum Absatz fehlen insbesondere Vorleistungen mit nicht fest ausgehandelten Preisen fur eingebrachte Produktionsfaktoren, wie Kapitalnutzungsrechte für unbefristet überlassenes Kapital, Risikoübernahme und Arbeitseinsatz der Eigentümer, Einsatz öffentlicher und freier Güter sowie ein über die vertraglich vereinbarte Arbeitsleistung der Mitarbeiter hinausgehendes Engagement.

Eine Differenz zwischen dem Wert der vom Markt bewerteten Gesamtleistung und den hilfsweise addierten Faktorwerten kann aber auch darauf zurückgeführt werden, dass der „objektive Wert 23 - falls es diesen überhaupt geben sollte - der Faktorleistungen nicht dem fur sie gezahlten Entgelt (günstiger oder ungünstiger Einkauf), d. h. nicht dem „objektivierten" Wert entsprach. Ebenso ist eine Interpretation in anderer Richtung denkbar: Der Wert der Leistung entsprach nicht dem für sie auf dem Markt erzielten Entgelt (günstiger oder ungünstiger Verkauf). Die Werteadditionsvorstellung ist also immer mit der Problematik der Bewertung von Gütern verbunden. Eine im Hinblick auf gute Nachprüfbarkeit am monetären Tauschwert ausgerichtete Güterbewertung macht deutlich, dass der Wert nicht eine messbare Eigenschaft der Güter, wie Qualität oder Quantität, sondern eine die Nutzensvorstellungen von Wirtschaftssubjekten zum Ausdruck bringende Größe ist.

22

Die mit der Quantenphysik vertrauten Leser können gewisse Parallelen des „Wertes der Materialien iin Leistungsprozess" init „Schrödingers Katze" entdecken. Ökonomisch gesellen kann der Wert sowohl 0 (Aufwand = Eigenkapitalminderung) als auch ein dem Fcrtigstellungsgnid des Er¿eugnisscs entsprechenden Anteil des Marktpreises (Eigenkapitalerhaltung + anteilige Gewinnrealisation) annehmen. Nach der Kopenhagener Deutung der Quantenphysik gleicht eine Undefinierte Situation „einer .Überlagerung von Zuständen', oder wie Schrödinger es ausdrückt, als sei ,die lebende und die tote Katze zu gleichen Teilen gemischt oder verschmiert'" (Gribbin 1996, S. 42).

23

Hier sei nur auf die umfangreiche Diskussion zur Wcrtlclire verwiesen. Didaktisch kann dieser „objektive" Wert in Annäherung an das umgangssprachliche Begriffsverständnis als der Preis bezeichnet werden, den man oline besondere „Beziehungen", d. h. in Absehung von allen subjektiven Einnussfaktoren, bezahlen musste.

2.4 Vergleich der Modellierungsmethode mil traditionellen Konzeptionen

99

Im Gegensatz zur Werteadditionsvorstellung der Modellierungsmethode steht die Kapitalvernichtungsvorstellung der Bilanzmethode, bei der mit dem Einsatz von Produktionsfaktoren im Kombinationsprozess die Vernichtung (Verminderung) von (Eigen-)Kapital einhergeht. Werden Produktionsfaktoren gegen Entgelt beschafft, so verschwindet mit dem Abgang des Geldes, der Ausgabe, und dem fehlenden Zugang eines bilanzierungsfähigen Vermögensgegenstandes auch Eigenkapital in entsprechender Höhe. Diese Betrachtung ist bilanzorientiert und impliziert somit Annahmen über die Bilanzierungsfähigkeit von Vermögensgegenständen 2 4 . Aufwendungen können dann nur auf dem Weg der Bilanzierungshilfen bzw. Rechnungsabgrenzungsposten in die Bilanz gelangen. Dabei wird nicht berücksichtigt, dass Aufwendungen in Form von Beständen an unfertigen und fertigen Erzeugnissen, nicht 25

Aufträgen und selbsterstellten Anlagen indirekt bilanzierungsfähig sind .

abgerechneten Betriebswirt-

schaftlich nicht bilanzierungsfähig sind nur solche Aufwendungen, die entweder in Form der transformierten Leistung oder anderweitigen Verschwindens am Bilanzstichtag schon abgegangen sind. Handels- und steuerrechtlich nicht bilanzierungsfähig sind ferner Aufwendungen (Vorleistungen), deren Wirkung fraglich ist, d. h. nicht in einem Rechtsanspruch konkretisiert werden kann (Werbemaßnahmen). In besonderem Maße unverträglich ist die „Kapitalvernichtungsvorstellung" im Zusammenhang mit den aktiven Rechnungsabgrenzungsposten, ζ. B. Disagio. Es ist deshalb nicht verwunderlich, dass auch gute Schüler hier Verständnisschwierigkeiten bekommen, wenn die Aufwendungen als Eigenkapitalminderung eingeführt werden.

2.4.2.2

Eigenkapitalunabhängige Einführung der Erfolgskonten

Im traditionellen Buchfuhrungsunterricht werden die Erfolgskonten oft über den Nebenleistungsbereich, d. h. anhand von Miet- oder Provisionszahlungen, bzw. mit einigen naheliegenden Aufwandskonten und relativ unbedeutenden Ertragskonten eingeführt 2 6 (vgl. hierzu die Kritik von Käseborn/Siekerkölter/Waltermann

1987, S. 45). Damit ist die Vorstellung verbun-

den, dass bei den sog. „erfolgswirksamen" Geschäftsvorfällen eine Veränderung des Eigen-

24

Zu der Problematik des VcnnögcnsgcgcnslandsbcgrifTs vgl. Knopp ( 1971 ), Roland ( 1979), Roß ( 1996), Koch (1992, S. 54Π).

25

Zu den weiteren Möglichkeiten der Aktivierung von Aufwendungen in US-amerikanischen Jahrcsabsclilüscn vgl. DuenbosteU 1998, S. 75ÍT ).

26

Ein Beispiel dafür ist das Lehrbuch von Wedelt (1998 S. 106ΙΓ). Dort werden die Erfolgskontcn an den Beispielen Zinsgutschrift, Mietzalilung, Gcliältcr, bezogene Dienstleistungen für Erlialtungsaufwendungen eingefühlt. In der vorausgegangenen Auflage fiilirte Wedell (1993, S. 121 f.) sogar den Gütcrverbrauch am Beispiel des Verderbs bezogener Waren ein. Obwohl er schon Aufwandskonten eingeführt halte, buchte er diesen Aufwand noch direkt als Eigenkapilalminderung. In der neuen Auflage nimmt Wedell (1998, S. 116f.) den Warenverkauf mit in die Einführung der Erfolgskontcn vor, fuhrt dazu aber ein spezielles und ungebräuchliches Konto „ Warenerlrag" ein, auf dem er nur den Rohgewinn bucht.

too

2. Curriculare Bezugspunkte des wirlschaftsinstrunientellen

Rechnungswesenunlerrichls

kapitals eintritt. Die Buchungsregeln fur Aufwendungen und Erträge werden dann über die Buchungsregel für das Eigenkapitalkonto hergeleitet (Soll = Eigenkapitalminderung, Haben = Eigenkapitalmehrung). Aufwand wird somit als eine Eigenkapitalminderung, meist in Verbindung mit dem Abgang von Zahlungsmitteln, gesehen. Die Eigenkapitalminderung ergibt sich aus dem Zugang einer nicht-bilanzierungsfähigen Gegenleistung 2 7 oder dem Fehlen einer Gegenleistung. Erträge werden als Eigenkapitalerhöhung gesehen, denen kein Abgang oder der eines nicht-bilanzierten Vermögensgegenstandes entspricht. 28

Die Vorwissenserhebungen von S. Weber

( 1 9 9 4 ) zeigen, dass Schüler die Kategorien „Auf-

wendungen" und „Erträge" leistungsbezogen auf der Mengenebene definieren. Bei dem B e griff „Aufwendungen" kann durch die Gleichsetzung mit dem Begriff „Kosten" schon eine Wertbetrachtung erkenntlich werden. So definierte ein Schüler bei der Eingangserhebung die Aufwendungen als „Kosten, die der Händler fur (bestimmte) Produkte hat, ζ. B . Produktionskosten, Lieferkosten,

..." und „Erträge sind die von ihm in Arbeit genommenen

und

verarbeiteten Produkte, die er sofort nach der Produktion 'fertiggestellt 1 verkaufen kann" (S. 154 ff.). Eine solche mengenorientierte, vage Vorstellung dürfte leichter in eine wertbezogene Input-Output-Relation

zu überfuhren sein als die im traditionellen

Ansatz

notwendige

Umstrukturierung auf die abstrakten Größen „Eigenkapitalminderung" bzw. ,,-mehrung".

Einen auf die Integration mit der Betriebswirtschaftslehre ausgerichteten Ansatz zur Einführung der Erfolgskonten in Verbindung mit dem Produktionsfaktoreinsatz und Erzeugnisausbringung, also den Hauptleistungsbereich, verfolgen Blank 1996, S. 94ff.;

Hahn/Meyer,

el al. (1995,

S. 123ff;

Hahn et al.

1997, S. 8 I f f ). In dieser Variante der Bilanzmethode werden die

Bewegungen auf dem Eigenkapitalkonto als Abbild des betrieblichen Leistungsprozesses verstanden (vgl. Abbildung 2-22). Das Eigenkapitalkonto wird auch hier, wie sonst in der Bi-

27

Prinzipiell sind jedoch alle Aufwendungen bilanziemngsßhig, sei es als Bestandserhöhungen des Vorialsvcrmögens oder als Aktive Recluiungsabgrenzungspostcn. Ob ein Aufwand bilanziert wird, cnlsclieidct sich deshalb nicht aus der Aufwandsall, sondern nur daraus, ob er der Leistungserstellung der abgeschlossenen Periode oder der folgenden zugerechnet werden soll. Die Betrachtung des Aufwandes als Eigenkapitalminderung widerspricht sogar handelsrechlichen Vorschriften, da sonst in dem Fall, dass Aufwendungen höher als das Eigenkapital sind (bei Dienstleistungsbetrieben mit geringer Eigcnkapitalausstattung nicht ungewöhnlich), sofort wegen Überschuldung Konkurs beantragt werden müsste.

28

Die Verwendung des ErtragsbegrilTs zur Bezeichnung eines Zugangs steht im Widerspruch zur inikroökonomischen und zur landwirtschaftlichen Terminologie Im Ertragsgesetz stellt der Erlrag die Variation des Produktionsergebnisses in Abhängigkeit von der Variation des Faktorcinsatzcs dar. In der Landwirtschaft sind Erträge die abgeernteten Früchte, also auch ein Output des Produktionsprozesses, dessen Input die Saat, der Dünger die Arbeitskraft und die Maschinennutzung sowie die natürlichen Ressourcen in Foin der Bodenbeschaffenlieit, des Klimas und des Wetters sind.

2.4 Vergleich der Modellierungsmethode mil traditionellen Konzeptionen

101

lanzmethode, zunächst als gemischtes Konto (Bestands- und Erfolgskonto) genutzt. Im Text erklären die Verfasser: „Alle Ausgaben für die eingesetzten Produktionsfaktoren wie Ausgaben für Werkstoffe (Materialeinkäufe), Mietzahlungen für Betriebsmittel, Lohn- und Gehaltszahlungen für die Arbeitsleistungen mindern letztlich das Vermögen und zugleich das Eigenkapital. Solche Werteverzehre an Produktionsfaktoren werden als Aufwendungen bezeichnet" (Hervorhebungen im Original; Blank et al. 1995, S. 124, Hahn et al. 1996, S. 94).

eingesetzte Produktionslaktoren

O

Prozeß der Leistungserstellung und Leistungsverwertung

Löhne. Gehälter für PersonalMiete für Anlagen

verkaufte Erzeugnisse

Umsatzerlöse für Erzeugnisse

Aufwendungen Erträge

Roh·. Hills-, Betriebsstoffe

Umsalzerlöse für Dienstleistungen

Eigenkapital Aufwendungen = Eigenkapitalminderungen

Anfangsbesland Erträge = Eigenkapital· mehrungen

Abbildung 2-22: Abbildung des Leistungsprozesses auf dem Eigenkapitalkonto (Blank et al. 1995, S. 125; Hahn et al. 1996, S. 95)

In diesem Ansatz bleibt ungeklärt, warum nicht auch die Ausgaben fur gekaufte Betriebsmittel das V e r m ö g e n mindern. Es bleibt ferner unklar, warum eine Vermögensminderung automatisch eine Eigenkapitalminderung und nicht eine Vermögenserhöhung bei einer anderen Position (z. B. unfertige Erzeugnisse) ist 29 . Im Text entsteht der Eindruck als seien die Aufw e n d u n g e n ein Werteabfluss, im Bild werden sie jedoch als Wertezufluss dargestellt. Es wird somit nicht erschlossen, dass aus der Unternehmenssicht die Reduzierung der Verpflichtungen gegenüber den Anteilseignern einen Wertezufluss darstellt.

Eine weitere Ungenauigkeit in der schematischen Darstellung des Leistungsprozesses besteht in den Pfeilspitzen bei den Komponenten der verkauften Leistungen: Während der Hauptpfeil in der richtigen Richtung einen Output des Leistungsprozesses darstellt, weisen die kleineren Pfeile bei den Umsatzerlösen in die entgegengesetzte Richtung. Somit wird die Identifikation des materiellen Prozesses mit seinem wertmäßigen Abbildungen erschwert.

29

Von der Möglichkeit der Ausgabe als Schuldzimahmc (beim Einkauf auf Ziel) wird hier abgesehen.

102

2. Curriculare Bezugspunkte des wirlschaflsinslrunienlellen Rechnungswesenunterrichls

Noch deutlicher werden die Probleme der Einfuhrung der Erfolgskonten an Vorgängen des Hauptleistungsbereichs im R a h m e n der Bilanzmethode in den Europa-Lehrbuch von Nitz: „Jeder Betrieb ist Teil des gesamtwirtschaftlichen Kreislaufs. Betriebe treten auf den Märkten als Nachfrager auf und geben für die Beschaffung von Leistungsfaktoren Geld aus. Dadurch fließen Werte von außen in den Betrieb. Diese werden für die Erstellung der eigenen betrieblichen Leistungen aufgewendet" (Nitz 1994, S. 66). „Die für die Leistungserstellung eingesetzten Werte sind verbraucht, d. h. diese gehen in das Produkt, die Ware oder die Leistung ein" (Nitz 1994, S. 67). Hier liegt der „produktionsorientierte V e r b r a u c h s b e g r i f f ' , der an der Transformation von Gegenständen mit der „Werterhaltung" angelehnt ist, zu Grunde. Deshalb bleibt es unverständlich, w a r u m ein Wertezufluss, der in ein konkretes Produkt eingegangen ist, das Eigenkapital vermindert. Nitz fuhrt dazu aus: „Betriebliche Handlungen vollziehen sich auf Veranlassung des Inhabers. Alle Aufwendungen gehen zu seinen Lasten. Das von ihm aufgebrachte Eigenkapital wird dadurch verringert" (Nitz 1994, S. 67). Diese am Leitbild der Einzelunternehmung ausgerichtete Darstellung berücksichtigt ebenfalls nicht die geringe Mitwirkung der Kleinaktionäre bei Aktiengesellschaften. Die Eigenkapitalminderung wird mit einem „konsumorientierten VerbrauchsbegrifT', der an Vernichtung von Gegenständen angelehnt ist, begründet.

Hier wird deutlich, dass der traditionelle Rechnungswesenunterricht die Rechtsform der Einzelunternehmung bevorzugen muss, denn im Fall der Kapitalgesellschaft (in gewisser W e i s e auch bei Personengesellschaften) müsste j a ein konkretes Eigenkapitalkonto ausgewählt werden. Dies w ü r d e zu großen Erklärungsschwierigkeiten fuhren, wenn keine Rücklagen- oder Gewinnvortragskonten vorhanden wären, da das gezeichnete Kapital nicht durch normale Ausgaben und Einnahmen verändert werden kann. Für den Handelsbetrieb wird das Verständnis des Wareneingangskontos als A u f w a n d s k o n t o erschwert, wenn nicht gar verbaut, da es v o l l k o m m e n erkenntniswidrig ist, im Wareneingang die gleiche Eigenkapitalminderung zu sehen, wie sie durch einen nicht versicherten Diebstahl hervorgerufen würde.

Diese Beispiele machen deutlich, dass die Einfuhrung der Erfolgskonten an Vorgängen des Hauptleistungsbereichs im Rahmen der Bilanzmethode deutliche Unstimmigkeiten aufweist. In der Modellierungsmethode wird deshalb die Einführung der Erfolgskonten nicht über das Eigenkapitalkonto vorgenommen. Das K o n t o „gezeichnetes Kapital (Grundkapital/Stammkapital)" und alle anderen später eingeführten Eigenkapitalkonten bleiben reine Bestandskonten, die sich durch die Gewinnverwendungs- bzw. durch Kapitalerhöhungs- oder Kapital-

2.4 Vergleich der Modellierungsmethode mit traditionellen Konzeptionen

103

herabsetzungsentscheidungen verändern. Somit kann auch die Begrifïlichkeit der handelsrechtlichen Gliederung der Bilanz in der „Eigenkapital" ein Oberbegriff fur verschiedene Positionen ist, von Anfang an genutzt werden.

Nach der Modellierungsmethode und der Vierkontenreihentheorie (vgl. Biedermann 1948, S. 22ff.; Märki 1949, S. 67ff.) gehören die Erfolgskonten zum festen Bestandteil des Systems der doppelten Buchführung. Sie sind das informatorische Abbild für den Input (Aufwand) und Output (Ertrag) des Leistungsprozesses. Der Leistungsprozess wird dabei nach dem „aufwandsrechnerischen Verfahren" modelliert. Nach dieser kaufmännischen Sicht beginnt der betriebliche Leistungsprozesses mit der Teilleistung „Beschaffung" und endet mit der Teilleistung „Absatz". Das stärker an einer technischen Sicht orientierte „bestandsrechnerische Verfahren" sieht den Beginn des Leistungsprozesses im Industriebetrieb mit der Entnahme des Materials aus dem (Einkaufs-) Lager und im Handelsbetrieb mit dem Verkauf der Ware (Wareneinsatz). Nach dem bestandsrechnerischen Verfahren werden die handels- und steuerrechtlichen Bewertungsvorschriften fur Roh-, Hilfs- und Betriebsstoffe sowie Handelswaren eher als deren tatsächlicher Wert interpretiert. Nach dem aufwandsrechnerischen Verfahren sind diese Bewertungsvorschriften eher Ausfluss des Vorsichtsprinzips; denn ökonomisch betrachtet könnten Beschaffungsgemeinkosten aktiviert werden. Eine prozessorientierte Kostenrechnung würde dies ebenso sehen.

Die Sichtweise, dass der Absatz ein wesentlicher Bestandteil des betrieblichen Leistungsprozesses ist, entspricht einer kundenorientierten Ausrichtung der Qualifikation kaufmännischer Sachbearbeiter. Beratungs- und Unterstützungsaufgaben zur Absatzvorbereitung während und nach dem Absatzvorgang sind ein Merkmal hoher Wettbewerbsfähigkeit und Teil der betrieblichen Leistungskette (vgl. hierzu Schwarz 1996). Damit wird die von Gutenberg (1958) verwandte Bezeichnung des Absatzes als „Leistungsverwertung" zur Abgrenzung von der Produktion als „Leistungserstellung" obsolet. Die Leistungen im Bereich der Beschaffung und des Absatzes sind auch im Industriebetrieb als Teil der erbrachten Gesamtleistung wesentliche Elemente der Wertkette. Aus kaufmännischer Sicht sind die „Fertigerzeugnisse" nur der gegenständliche Teil der an die Kunden verkauften Leistungen. Kreditgewährung, Beratung, Garantie etc. sind nicht sichtbarer Komponenten der Gesamtleistung.

Nach der Modellierungsmethode werden Bestands- und Erfolgskonten zusammen im ersten Geschäftsgang eingeführt. Erfolgskonten sind die informatorischen Abbilder von Werteflüssen in Form von Gütern (Sachgütern, Dienstleistungen, Nutzungsrechten), deren Wert sich

104

2. Curriculare Bezugspunkte des Wirtschaftsinstrumentellen

Rechnungswesenunterrichts

aus den monetär äquivalenten finanziellen Wertflüssen der Gegenrichtung ergibt. Die Erfolgskonten werden anhand der Konten des Hauptleistungsbereichs (Umsatzerlöse und Materialaufwendungen) eingeführt. Die Aufwandskonten repräsentieren die Produktionsfaktoren Arbeit, Betriebsmittel, Werkstoffe; die Ertragskonten repräsentieren die abgesetzten Leistungen, die in der Einfuhrungsphase wegen der höheren Anschaulichkeit auf Sachgüter begrenzt bleiben.

Die simultane Einführung der Bestands- und Erfolgskonten mit Elementen der Industrie- und Handelsbuchführung verlangt eine gründliche inhaltliche Vorbereitung in den beiden vorausgehenden Lektionen „Der Kassenbericht als Grundmodell des Buch-Ist-Vergleichs" und „Von der Inventur zur Bilanz - Schritte zur monetären Modellierung der Unternehmung" (Achtenhagen et al. 1987, Bd. 1, S. 338 ff. und Bd. 2, S. 58 ff.; Achtenhagen

et al. 1992, S. 206 ff.;

Preiß/Tramm

1996\ Preiß/Weller

1996).

2.4.2.3

Güterwirtschaftliche Interpretation von Aufwendungen, Erträgen, Gewinnen und Verlusten

Die nach der Bilanzmethode am Geldstrom und damit am Finanzierungsprozess ausgerichtete Sichtweise, dass Aufwendungen periodisierte Ausgaben und Erträge periodisierte Einnahmen sind, impliziert eine Gleichgerichtetheit der Flussrichtung von Ausgaben und Aufwendungen auf der einen Seite und Einnahmen und Erträgen auf der anderen Seite. Diese Sicht ignoriert den Güterstrom und baut darauf, dass Aufwendungen nur zeitlich anders als die Ausgaben anfallen. Dieter Schneider (1994, S. 52) geht sogar soweit, nur den Zahlungen die Qualität beobachtbarer Sachverhalte zuzuschreiben: „Nur wenn Ertrag/Erlös und Aufwand/Kosten Begriffen für beobachtbare Sachverhalte, also Zahlungen, entsprächen, wäre der Gewinn die ursächliche Folge aus der Differenz von Ertrag und Aufwand bzw. Erlös und Kosten". Diese Aussage basiert auf den Prämissen, dass die Wertvereinbarung für eine Leistung zwischen dem Verkäufer und Käufer sowie die Lieferung nicht beobachtbar, die eventuelle spätere vollständig elektronisch abgewickelte Zahlung jedoch beobachtbar und dass Geld der Wertträger sei. Einnahmen und Ausgaben hingegen spricht er die Qualität „beobachtbar" ab, diese definiert er sogar unter Einbeziehung der Kategorien „Geldwert des Güterzugangs" bzw. „Geldwert des Güterabgangs" (ebenda, S. 53). Wenn aber diese Geldwerte und auch der mengenmäßige

2.4 Vergleich der ModMerungsmeihode

mit traditionellen

Konzeptionen

105

Produktionsfaktoreinsatz sowie die Ausbringungsmengen beobachtbar sind, so ist auch deren wertmäßige Ausprägung beobachtbar, d. h. Aufwendungen und Erträge sind beobachtbar. Im Finanzierungsprozess werden die dem Güterstrom entgegenlaufenden Zahlungsprozesse erfasst. Die Mehrung des Zahlungsmittelbestands wird deutlich von dem Gewinn abgegrenzt. Die in der Modellierungsmethode an Schäfer (1988, S. 13ff.) angelehnte Betrachtung ordnet die Begriffspaare „Einzahlungen und Auszahlungen" sowie „Einnahmen und Ausgaben" dem Finanzierungsprozess, „Aufwand und Ertrag" sowie „Kosten und Leistung" dem Leistungsprozess zu. Die relativ schwierigeren Begriffspaare „Einnahmen und Ausgaben" sowie „Kosten und Leistungen" werden in der Anfangsphase zunächst nicht erarbeitet.

Die in der betriebswirtschaftlichen Literatur dominierende Sicht der Aufwendungen und Erträge zwischen den Begriffspaaren „Ausgaben und Einnahmen" und „Kosten und Leistungen" (ergänzt durch das vorgelagerte Begriffspaar „Auszahlungen und Einzahlungen") wird im traditionellen Rechnungswesenunterricht meist erst im Zusammenhang mit der Thematik Kostenrechnung erschlossen. Eine in den Wirtschaftswissenschaften und der Wirtschaftspraxis ursprünglich nicht vorgenommene Differenzierung von Einnahmen und Einzahlungen bzw. von Ausgaben und Auszahlungen (Κ. Weber 1990, S. 209) findet im Unterricht vorher selten statt, obwohl von diesen „Grundgrößen des Rechnungswesens" die ersten drei Begriffspaare (Ein- und Auszahlungen, Ein- und Ausgaben, Aufwendungen und Erträge) die Rechnungselemente fur Buchhaltung und Jahresabschluss bilden (K. Weber 1990, S. 208).

Ein Hauptproblem der betriebswirtschaftlichen Bestimmung der Aufwands- und Ertragsbegriffe liegt nach K. Weber (1990, S. 210) in der Unbestimmtheit des Wertbegriffes, auf den in der Definition der Aufwendungen als Wertverbrauch innerhalb einer Periode und der Erträge als Wertzuwachs innerhalb einer Periode jeweils Bezug genommen wird. M. E. liegt das Hauptproblem jedoch in der undifferenzierten Verwendung des Verbrauchsbegriffs. Verbrauch ist im wirtschaftlichen Kontext des Haushaltssektors synonym für Konsum. In diesem Zusammenhang werden Güter und damit Werte „vernichtet", wenn auch mit der Absicht der Reproduktion von Produktionsfaktoren. In einem Unternehmen träfe aber hier die Terminologie „Werteeinsatz" für den bewerteten Faktoreinsatz im Leistungsprozess und „Werteausbringung" fur den Faktorertrag den Sachverhalt besser. Die Ausbringung geschieht dann sowohl auf der mengenmäßigen als auch auf der wertmäßigen Ebene durch die Kombination der Werte.

106

2. Curriculare Bezugspunkte

des wirtschaflsinstrumenlellen

Rechnungswesenunlerrichls

Bei Verwendung des „produktionsorientierten Verbrauchsbegriffs" bleiben die Leistungsprozess eingehenden Werte der Teilleistungen in diesem erhalten, auch wenn sich die Erscheinungsform der kombinierten Leistungen ändert. I. d. R. entsteht im Zuge der Faktorkombination sogar ein Wertzuwachs, der infolge des Realisationsprinzips allerdings erst mit dem Erbringen der letzten Teilleistung, dem Absatzvorgang, ausgewiesen wird. Eine Gütertransformation ist im Normalfall keine Eigenkapitalminderung. Diese tritt wirtschaftlich gesehen nur dann ein, wenn der Wert der erbrachten Leistung niedriger als der Wert der eingesetzten Faktoren ist oder Faktoren fehlgelenkt werden. Faktoreinsatz und Faktorertrag sind nicht zu isolierende Größen, da mit jedem Einsatz schon eine Teilleistung „ausgebracht" wird. Nur der letzte Faktoreinsatz (technisch gesehen i. d. R. die Auslieferung) bewirkt die (wahrscheinlich) vollständige Leistungserbringung. Bis dahin schlägt sich der Faktorertrag in den Beständen an unfertigen und fertigen Erzeugnissen, nicht abgerechneten Aufträgen, Handelswaren nieder.

Aufwendungen werden getätigt, um die Unternehmensziele zu verfolgen. Dazu kann auch gehören, das Eigenkapital zu erhöhen. Aufwendungen sollten auch aus diesem Grund nicht als Eigenkapitalminderung eingeführt werden. Eine handlungsorientierte Erarbeitung des Aufwandsbegriffs muss diese Intentionalität berücksichtigen. Wenn eine isolierte Betrachtung 30 von vornherein vermieden werden soll, dürfen Aufwendungen nicht brutto im Soll des Eigenkapitalkontos gebucht werden. Von diesem Prinzip sollte keinesfalls - auch nicht nur vorübergehend - abgewichen werden, weil damit das Verständnis des betrieblichen Leistungsprozesses als Werteumformungsprozess behindert wird. Diese als Aufwand erfassbare Kombination von Gütern und Dienstleistungen vermindert normalerweise nicht das Gesamtvermögen; es wird nur dessen Zusammensetzung verändert. Wenn sich aber durch die regulären Aufwendungen nicht die Summe des Vermögens vermindert, so vermindert sich auch nicht das Kapital.

Werden im herkömmlichen Unterricht Erträge als Eigenkapitalmehrung und Aufwendungen als Eigenkapitalminderung dargelegt, so wird bereits durch Buchen der Aufwendungen und Erträge das Eigenkapital verändert. Der Abschluss der Erfolgskonten darf dann nur noch rechnerisch diesen Sachverhalt nachvollziehen. Wird der Gewinn dann zusätzlich als Eigenkapi-

30

WedelH 1993, S. 114) wies ausdrücklich auf den isolierenden Ansatz einer über die Eigenkapitalveränderung vorgenommenen Erklärung der Aufwendungen und Erträge liin: „Und wenn die Erfolgswirksamkeit unternehmerischer Maßnahmen und Handlungen dem Eigcnkapital als Gewinn oder Verlust liinzugerccluict werden soll, müssen auch die crfolgsbestimmcndcn Vorgänge isoliert als Mehrung oder Minderung des Eigcnkapitals begriffen werden". Wedcll geht dabei nicht auf die Problematik ein, wie die Erfolgswirksainkeit unternehmerischen Handelns hinsichtlich hoher Ausschüttungen, hohen Arbcitnchmcrgewinnbeteiligungen oder gar in der Verfolgung geineinwirtschafUichcr Zielsetzungen (ζ. B. niedrige Preise) zu beurteilen ist.

2.4 Vergleich der Modellierungsmethode

mil traditionellen

107

Konzeptionen

talmehrung interpretiert, besteht die Gefahr, das Eigenkapital gedanklich doppelt zu vermehren. Zu einer sinnvollen Interpretation des Gewinn- und Verlustkontos gehört es, zu erkennen, dass Erträge in ihrer Ganzheit nicht das Eigenkapital vermehren. Gegen die Einfuhrung der Erträge als Eigenkapitalmehrungen spricht überdies, dass ein einzelner Ertrag sogar das Eigenkapital mindern kann, wenn beispielsweise eine Ware oder ein Erzeugnis unter ihrem/seinem Anschaffungs- oder Herstellungswert abgegeben wird.

In einem marktwirtschaftlichen System gilt der Grundsatz, dass Leistungen von Wirtschaftseinheiten auf dem Markt bewertet werden. Eine abgegebene Leistung hat den Wert der dafür gewährten monetären Gegenleistung (Äquivalenzprinzip). Das Realisationsprinzip besagt, dass Gewinne erst dann als verwirklicht gelten, wenn der Markt diese Bewertung vollzogen hat und die Leistung erbracht wurde. Dies bedeutet andererseits, dass Gewinne durchaus schon vor diesem Zeitpunkt - zumindest teilweise - durch den Kombinationsprozess verursacht werden.

Wenn man davon ausgeht, dass auf dem Beschaffungsmarkt das marktwirtschaftliche Bewertungsprinzip Leistung = Gegenleistung gilt, und der Wertzuwachs während des Kombinationsprozesses nicht aus dem „Nichts" kommt, bleibt als einzige Möglichkeit fur die substantielle Erklärung des Gewinns der Verbrauch von nicht auf dem Markt entgeltlich erworbener Produktionsfaktoren. In der neoklassischen Betriebswirtschaftslehre, dem faktortheoretischen Ansatz, bietet sich dafür der dispositive Faktor an, wobei der irrationalen Schicht (vgl. Gutenberg

1969, S. 13Of.) die Ursache für eine Restgröße der nicht zu erklärenden Faktoren

zugeschrieben werden kann.

Im Rahmen systemorientierter Betrachtungen kann jedoch ein Wertzuwachs neben dem Verbrauch an dem Nutzungsrecht fur unentgeltlich bereitgestelltes Kapital auch auf nicht abgegoltenen Verbrauch sozialer und natürlicher Ressourcen zurückgeführt werden. Ein Gewinn unterhalb der marktüblichen Verzinsung für Risikokapital oder gar ein Verlust kann als eine Leistung der Kapitaleigner an das Umsystem interpretiert werden. Der Gewinn lässt sich bezüglich seiner Zins- und Wagniskomponente als die Gegenleistung fur das Nutzungsrecht an einem ohne feste RückZahlungsverpflichtung übertragenen Kapital ansehen. Ein über die marktübliche Verzinsung von Risikokapital hinausgehender Gewinn kann als die Aneignung von Leistungen aus dem Umsystem klassifiziert werden. Für die als nicht spezielle Vorleistung erfolgende Nutzung der natürlichen Ressourcen und der gesellschaftlich geschaffenen Infrastruktur werden durch hoheitliche Akte Gegenleistungen

in Form von

Abgaben

108

2. Curriculare Bezugspunkte des wirtschnflsinstrumentellen

Rechnungswesenunterrichts

festgesetzt. Ebenso können Leistungen, die Mitarbeiter über ihre durch Lohn und Gehalt abgegoltene Arbeitskraft hinaus erbringen (ζ. B. Identitätsbildung), mit Gratifikationen und Gewinnbeteiligungen ausgeglichen werden.

Gewinn erscheint somit weder als unerklärbare noch als „unverdiente" Größe, sondern als Entgelt fur eine mit Risiken behaftete Übertragung von Kapitalnutzungsrechten. Bei Einzelunternehmen und Personengesellschaften ist die nicht vergütete Arbeitsleistung der Geschäftsinhaber ebenfalls enthalten. Gewinnhöhe und -Zurechnung sind Einschätzungen der bis zum Jahresabschluss nicht bewerteten Leistungen der Eigentümer an das Unternehmen. Da diese Bewertungen kritisierbar sind, kann auch thematisiert werden, ob sie „gerecht" sind, d. h. der eingebrachten Leistung angemessen erscheinen. Eine politische Diskussion über die Höhe von Steuern auf Vermögen, einbehaltene und ausgeschüttete Gewinne sowie über Arbeitnehmerbeteiligungen kann auf der Basis solcher Interpretationen fachlich kompetent gefuhrt werden.

Verluste entstehen bei dieser Betrachtung, wenn Leistungen nicht so bewertet werden, wie sie sich aus der Summe der bereitgestellten und eingesetzten Produktionsfaktoren rechnerisch ergeben. Verluste sind somit auch nicht nur eine Rechengröße, sondern eine Aussage über den Leistungsprozess. Durch die Aufhebung der isolierten Betrachtung von Aufwendungen und Erträgen erkennt man die Vermögensumschichtung (vgl. Wöhe 1992a, S. 74). Während es sich bei den Aufwendungen um eine reine Vermögensumschichtung handelt, ist diese bei den Erträgen üblicherweise mit einer Vermögensmehrung (bei Veräußerungen unter dem bisherigen Wert jedoch mit einer Vermögensminderung) verbunden. Aufwendungen wirken nur dann eigenkapitalmindernd, wenn ihnen keine Erträge in gleicher Höhe gegenüberstehen. Nach dieser Auffassung resultieren Erträge aus dem betrieblichen Leistungsprozess und nicht aus einer externen Mittelzufuhrung. Dieser Ertragsbegriff ist inhaltlich ähnlich gefüllt wie der landwirtschaftliche, der auch dem Ertragsgesetz zu Grunde liegt. Insgesamt stellen Aufwendungen eine mehr analytische Sicht und Erträge eine synthetische Sicht des betrieblichen Leistungsprozesses dar. Das isolierte Argumentieren mit nur einer Sichtweise verhindert die Ausbildung vernetzten und mehrperspektivischen Denkens.

Materialaufwand ist Verbrauch an Roh-, Hilfs- und Betriebsstoffen. Durch den Einsatz des Materials in der Produktion verschwindet weder das Material noch der Vermögenswert, lediglich die Erscheinungsform ändert sich. Bei einer Inventur würde dieser Vermögenswert nach dem Verbrauch sofort in der Position „unfertige Erzeugnisse" erscheinen. Auch bei der ,just-

2.4 Vergleich der Modellierungsmethode mit traditionellen Konzeptionen

109

i n - t i m e " - B u c h u n g s w e i s e w ü r d e ein als A u f w a n d erfasster M a t e r i a l e i n g a n g bei einer I n v e n t u r als B e s t a n d s e r h ö h u n g bei d e n Materialien z u m V o r s c h e i n k o m m e n . G l e i c h e s gilt f u r j e n e n H a n d e l s b e t r i e b , der den W a r e n e i n g a n g sofort als A u f w a n d behandelt. N o c h s c h w i e r i g e r w ä r e es, Schülern v e r s t ä n d l i c h zu m a c h e n , d a s s ein W a r e n e i n s a t z als A u f w a n d das Eigenkapital m i n d e r t . E s ist d e s h a l b nicht v e r w u n d e r l i c h , d a s s im traditionellen U n t e r r i c h t die E r f o l g s k o n t e n ü b e r N e b e n l e i s t u n g e n e i n g e f ü h r t w e r d e n , bei d e n e n d a s Prinzip „ L e i s t u n g = G e g e n l e i s t u n g " w e g e n d e r f e h l e n d e n A n s c h a u l i c h k e i t v o n D i e n s t l e i s t u n g e n und N u t z u n g s r e c h t e n leicht u n t e r s c h l a g e n w e r d e n kann.

L ö h n e und G e h ä l t e r sind als P e r s o n a l a u f w a n d V e r b r a u c h an A r b e i t s k r a f t . O h n e Personaleinsatz sind keine E r t r ä g e erwirtschaftbar. Die v e r b r a u c h t e A r b e i t s k r a f t erscheint als A u f w a n d , d e r den E r t r ä g e n g e g e n ü b e r g e s t e l l t wird, u n a b h ä n g i g v o n d e m Z a h l u n g s z e i t p u n k t . Nicht verb r a u c h t e A r b e i t s k r a f t , f u r die bereits Z a h l u n g e n erfolgt sind, erscheint in F o r m v o n V o r s c h ü s sen ( F o r d e r u n g e n an M i t a r b e i t e r ) in der Bilanz. Somit m i n d e r n L o h n - und G e h a l t s z a h l u n g e n nur d a n n das E i g e n k a p i t a l , w e n n k e i n e Arbeit geleistet w u r d e o d e r noch wird.

A b s c h r e i b u n g e n sind d i e V e r r e c h n u n g des V e r b r a u c h s v o n S u b s t a n z v o r h a n d e n e r V e r m ö g e n s g e g e n s t ä n d e . E i n e E i g e n k a p i t a l m i n d e r u n g durch den A b s c h r e i b u n g s a u f w a n d tritt j e d o c h n u r d a n n ein, w e n n ü b e r die E r t r ä g e keine A b s c h r e i b u n g s g e g e n w e r t e e r w i r t s c h a f t e t w e r d e n . Z i n s a u f w a n d ist d e r V e r b r a u c h an K a p i t a l n u t z u n g s r e c h t e n , d e r das Eigenkapital nur bei f e h l e n d e n E r t r ä g e n o d e r Nichtaktivierung in R e c h n u n g s a b g r e n z u n g s p o s t e n ( D i s a g i o ) o d e r E r z e u g n i s s e n ( E i n b e z i e h u n g in die H e r s t e l l u n g s k o s t e n ) mindert.

S t e u e r a u f w a n d k a n n als verrechneter V e r b r a u c h an der gesellschaftlich bereitgestellten Infras t r u k t u r betrachtet w e r d e n . A u c h dieser durch die G e s e t z g e b u n g q u a n t i f i z i e r t e A u f w a n d mindert d a s Eigenkapital nur bei f e h l e n d e r Ü b e r w ä l z u n g durch eine e n t s p r e c h e n d e P r e i s k a l k u l a tion. E b e n s o kann d e r durch S p e n d e n v e r u r s a c h t e A u f w a n d als die nicht s p e z i f i s c h e L e i s t u n g v o n Institutionen d e s U m s y s t e m s g e s e h e n w e r d e n , die d i e s e mit den ihnen ü b e r g e b e n e n f i n a n z i e l l e n Mitteln f u r die Allgemeinheit und d a m i t auch für d a s U n t e r n e h m e n erbringen.

D a A u f w e n d u n g e n im n o r m a l e n G e s c h ä f t s b e t r i e b - a b g e s e h e n v o n den hoheitlich f e s t g e s e t z ten A b g a b e n - im R a h m e n von V o r t e i l h a f t i g k e i t s ü b e r l e g u n g e n getätigt w e r d e n , ist die erhalt e n e L e i s t u n g m i n d e s t e n s so hoch w i e d i e h e r g e g e b e n e G e g e n l e i s t u n g . Bei dieser A u s g e g l i c h e n h e i t k ö n n e n A u f w e n d u n g e n nicht das Eigenkapital mindern. In ähnlicher W e i s e sind E r t r ä g e nur dann E i g e n k a p i t a l m e h r u n g e n , w e n n ihnen kein A b g a n g v o n L e i s t u n g e n g e g e n ü b e r -

110

2. Curriculare Bezugspunkte des wirtschaßsinstrumentellen Rechnungswesenunterrichts

steht. Interne Erträge (Bestandserhöhungen, aktivierte Eigenleistungen) mehren deshalb auch nicht das Eigenkapital. Externe Erträge (Umsatzerlöse) mehren nur in Höhe des Gewinnanteils das Eigenkapital. Wenn im Unterricht nicht ausfuhrlich erarbeitet wird, dass Umsatzerlöse einen Abgang an Leistungen darstellen, erscheint gelegentlich der Fehler, dass der Verkauf von Erzeugnissen auf den entsprechenden Bestandskonten gebucht wird. Dieser Verständnisfehler bleibt in der Handelsbuchführung wegen der Bezeichnung „Warenverkaufskonto" und der dazu passenden Geschäftsvorfallformulierung „Warenverkauf auf Ziel" häufig unentdeckt.

Die hier vorgestellte Auffassung von Aufwendungen und Erträgen steht konträr zu der von Ulrich/Hill/Kmiz

(1985, S. 13) gegebenen Darstellung des Aufwandes als Wertabgang und

des Ertrages als Wertezugang. Auch die von Weilenmann

(1988, S. 21) vertretene Auffas-

sung, dass die Unbestimmtheit der Gegenwirkung, eine Ausgabe zum Aufwand und eine Einnahme zum Ertrag macht, erscheint unangebracht, da diese Aussage in noch viel größerem U m f a n g fur die Beschaffung des Anlagevermögens gelten müsste. In den Investitionsrechnungen wird diese Unsicherheit deutlich hervorgehoben.

Durch die konsequente Trennung von Ausgaben und Aufwendungen bzw. Einnahmen und Erträge kann es gelingen, dass auch Aufwendungen, für die noch keine Ausgaben, also weder Auszahlungen noch Verbindlichkeiten, angefallen sind, als in der Abrechnungsperiode bezogene Leistungen antizipativ begriffen werden (z. B. Personalaufwand für im Geschäftsjahr über die vereinbarte Arbeitszeit hinaus verbrauchte und nicht entgoltene Arbeitskraft, für die Rückstellungen wegen nicht in Anspruch genommenen Urlaubs gebildet werden).

Die ordentlichen Aufwendungen bewirken Erträge aus Umsatzerlösen, aus Bestandserhöhung bei Erzeugnissen oder aus Nebenleistungen. Gewinne vermehren bei dieser

Sichtweise

buchungstechnisch nur dann das Eigenkapital, wenn sie infolge von Gewinnverwendungsbeschlüssen im Unternehmen belassen werden. Von den Gewinnverwendungsbeschlüssen hängen sowohl Eigenkapital als auch Steueraufwendungen ab. Somit wird verständlich, dass weder Eigenkapital noch Nettovermögen im Inventar errechnet werden können.

Der Aufwandsbegriff sollte zentral über ordentliche Aufwendungen aufgebaut werden. Außerordentliche Aufwendungen, die zufallsbedingt und in ungewöhnlicher Höhe anfallen, z. B. für Feuer-, Sturm-, Diebstahlschäden oder Verluste aus Bürgschaften (vgl. Wöhe 1992b, S. 885), eignen sich erst zur Erweiterung des Aufwandsbegriffs. Bei dieser Begriffserweite-

2.4 Vergleich der Modellierungsmethode

mit traditionellen

Konzeptionen

III

rung kann dann thematisiert werden, dass diese Risiken zum normalen Geschäftsbetrieb gehören und im Sinne einer periodenbezogenen Gewinnermittlung eigentlich als versicherungsmathematisch kalkulierbarer, teilweiser Verbrauch des Vermögens erfasst werden müssten. Der nach den Wahrscheinlichkeitsgesetzen eintretende durch die betriebliche Tätigkeit bedingte Verbrauch würde dann nicht mehr zum Zeitpunkt des zufälligen Schadensfalles eintreten. Die Bezahlung einer Versicherungsleistung kann als eine Form der Periodisierung dieser Risiken durch Transformation in ordentlichen Aufwand gesehen werden.

Die hier vorgestellte Interpretation der Aufwendungen ist notwendig, damit kaufmännische Auszubildende die Gewinnerzielung nicht über das Vermeiden von Aufwendungen verstehen lernen, sondern über das Tätigen möglichst vieler Aufwendungen, die geeignet sind, die gewünschte Leistung möglichst effektiv zu erbringen31. Bei Betrachtung von Geschäftsberichten der Unternehmen dürfte die Aussage ,je größer der Aufwand, desto größer der Gewinn" den Zusammenhang zwischen beiden Größen besser wiedergeben als die rechentechnische, nur unter der ceteris-paribus-Klausel gültige Relation ,je größer der Aufwand, desto kleiner der Gewinn". Aufwand ist schließlich kein Verlust, Ertrag ist nicht gleich Gewinn. Lernende sollten erkennen, dass bei Aufwendungen im Regelfall somit keine realen, sondern nur buchmäßige „Vermögensverluste" (vgl. Schwalenbach

1962, S. 82) vorliegen, die aber gleichzei-

tig buchmäßige Vermögenszugänge bereits bewirkt haben oder in Folgeperioden noch bewirken werden. Auf diesem Weg kann auch vermittelt werden, dass ζ. B. Werbeaufwendungen infolge eines größeren Werbefeldzuges, die nicht über Rechnungsabgrenzungen oder Bilanzierungshilfen aktiviert werden können, „stille Reserven immaterieller Art" darstellen. Ähnliches gilt fur nichtaktivierungsfähige Forschungs- und Entwicklungsaufwendungen.

Abbildung 2-23 zeigt in einer Netzwerkdarstellung die angestrebte Verknüpfung der ökonomischen Größen im Hinblick auf die Ausbildung von vernetztem Denken. Aufwand und Ertrag werden in einer solchen Netzstruktur nicht isoliert betrachtet. Die Korrelation aufgrund gemeinsamer Ursache wird deutlich. In der Ausrichtung auf ein zu lösendes Problem kann anhand solcher zielgerichteter Netzwerke im Unterricht das vernetzte Denken ausgebildet werden (Dubs 1989, S. 50ff ). Im Hinblick auf die Zielsetzung der Verbindung ökonomischer und rechtlicher Inhalte kann ein Argumentieren in diesen Netzstrukturen zum Verstehen und

31

Im traditionellen Unterricht nach der Bilanzmethode wird undifferenziert gelehrt: Aufwendungen vermindern das Eigenkapital. Nach dem wirtschaflsinstiumentellen Ansatz wird dies umgekehrt und ergänzt: Die richtigen Aufwendungen erhöhen das Eigenkapital.

2. Curriculare Bezugspunkte des wirlschaflsinstrumentellen

112

Rechnungswesenunterrichts

z u r M e i n u n g s b i l d u n g ü b e r w ü n s c h e n s w e r t e V e r ä n d e r u n g e n nationaler R e c h n u n g s l e g u n g s v o r s c h r i f t e n in ihrer A u s s c h ü t t u n g s s p e r r f u n k t i o n u n d S i c h e r u n g des G e w i n n a n s p r u c h s beitragen.

J· h ö h «

detto niedrig»

Abbildung 2-23: Netz zur Erklärung der Eigenkapitalveränderung

2.4.3

Beginn mit einer Kapitalgesellschaft

T r a d i t i o n e l l e r w e i s e ist der A n f a n g s u n t e r r i c h t im R e c h n u n g s w e s e n a m Leitbild „ E i n z e l u n t e r n e h m u n g " orientiert, weil diese vermeintlich d a s e i n f a c h s t e R e c h n u n g s w e s e n a u f w e i s t . Bei dieser U n t e r n e h m e n s f o r m stellt sich der G e w i n n als S u m m e der V e r g ü t u n g f u r das e i n g e s e t z t e Kapital ( V e r z i n s u n g und R i s i k o p r ä m i e ) und der v o m U n t e r n e h m e n s i n h a b e r selbst geleisteten Arbeit ( U n t e r n e h m e r l o h n ) dar. Diese v e r k n ü p f t e E n t l o h n u n g der P r o d u k t i o n s f a k t o r e n K a pital u n d Arbeit e r s c h w e r t j e d o c h die ö k o n o m i s c h e B e t r a c h t u n g des J a h r e s a b s c h l u s s e s ζ. B. in F o r m der E r m i t t l u n g d e r Rentabilitätskennzahlen. E i n z e l u n t e r n e h m e n und

Personengesell-

s c h a f t e n b r i n g e n zusätzlich die P r o b l e m a t i k der T r e n n u n g von Betriebs- und P r i v a t v e r m ö g e n in den A n f a n g s u n t e r r i c h t . P e r s o n e n g e s e l l s c h a f t e n w e r f e n z u d e m d i e N o t w e n d i g k e i t der F ü h r u n g v o n Kapital- und P r i v a t k o n t e n f ü r j e d e n G e s e l l s c h a f t e r einschließlich der G e w i n n v e r t e i l u n g s r e g e l n auf.

2.4 Vergleich der Modellierungsmethode mit traditionellen Konzeptionen

113

A u s diesen Gründen und im Hinblick auf die mögliche Einbringung veröffentlichter Jahresabschlüsse erscheint es sinnvoller, den Unterricht primär an einer Kapitalgesellschaft zu orientieren. Die Unternehmensform „ G m b H " hat dabei

flexiblere

Rechnungslegungsvor-

schriften als die „ A G " , die es erlauben, die Gewinnverteilung (Ausschüttung, Rücklagenbildung) sowohl im R a h m e n des Jahresabschlusses als auch in der Folgeperiode vorzunehmen.

Die Ausrichtung an einer Kapitalgesellschaft bietet den weiteren Vorteil, den Lehrplan von den B u c h u n g e n der Privatentnahmen und Privateinlagen und damit dem Abschluss des Privatkontos zu entlasten. In der Anfangsphase, d. h. in Verbindung mit dem Inventar und der Bilanz, kann so auch viel leichter eine einfache Gewinnermittlung über den Vergleich des Nettovermögens zu zwei Stichtagen mit ökonomischer Interpretation (ζ. B. Eigenkapitalrentabilität) durchgeführt werden.

Die G r ö ß e der Kapitalgesellschaft sollte so dimensioniert sein, dass einerseits die Zahlen fur Bestände und B e w e g u n g e n glaubhaft werden, andererseits aber nicht so groß werden, dass sie f u r Schüler unübersichtlich werden. U m den Einsatz von Taschenrechnern problemlos zu gestalten, sollten darauf geachtet werden, dass die S u m m e n (ohne Nachkommastellen) nicht über 8 Stellen hinausgehen (99 Mill ). Mit dieser Beschränkung können auch große Kapitalgesellschaften, die die Kriterien des § 267 H G B erfüllen, modelliert werden. Mit dem Übergang zur Währungseinheit „Euro" wird der Modellierungsspielraum somit erhöht.

Entscheidend f ü r die Wahl der Kapitalgesellschaft und der Rechnungslegungsvorschriften des H G B als Bezugspunkt des Rechnungswesenunterrichts ist das Ziel der schulischen Ausbildung, auch im Hinblick auf die Verwendungssituation „Wirtschaftsbürger", „Geldanleger" und „Arbeitnehmer" zu qualifizieren und in diesem Z u s a m m e n h a n g das Lesen veröffentlichter Jahresabschlüsse zu fördern. Da die Rechnungslegungsvorschriften des H G B auf europaweiten Vereinbarungen basieren, wird hiermit ein normiertes Bezugssystem gewählt, das die Vorteile von Normen fur die Auswahl der Unterrichtsinhalte einbringt.

In der Ausbildung zum „Steuerfachangestellten" ergibt sich die Notwendigkeit, schon im G r u n d k u r s die Einzelunternehmen bzw. Personengesellschaften einzuführen, da diese die V e r k n ü p f u n g der B u c h f ü h r u n g mit dem Einkommensteuerrecht und die Vertiefungen der Eigenverbrauchsproblematik bei der Umsatzsteuer frühzeitig erlernen müssen. In allen anderen Ausbildungsgängen kann die Kapitalgesellschaft bis zu vertieften Behandlung der Unternehmensformproblematik das ausschließliche Unternehmensmodell sein.

114

2.4.4

2. Curriculare Bezugspunkte des wirtschaßsinstrumentellen

Rechnungswesenunterrichts

Darstellung der Bilanzen als normierte, stichtagbezogene, externe Rechnungslegung

Ein im gegenwärtigen Rechnungswesenunterricht viel zu wenig beachtetes Wesensmerkmal der handelsrechtlichen Bilanz ist deren Stichtagsbezogenheit und die zeitliche Differenz vom Bilanzstichtag bis zur Bilanzerstellung und ihrer eventuellen Veröffentlichung.

Preiß/Tramm

(1990, S. 73) kritisieren auch die Begriffswahl in Unterrichtseinheiten wie „Bilanzveränderungen" oder „Auflösung der Bilanz in Konten" (vgl. auch Weller/Fischer 1993a, S. 52ff. und Weller/Fischer/Peissner

1988, S. 347ff;

1992, S. 1485ff), die mit dazu beitragen, den

wirklichen Sachverhalt zu verschleiern. Wenn man die Bilanz als Information über den Status an einem Stichtag und den Vergleich zweier Bilanzen als Aussage über die Veränderungen in dem dazwischen liegenden Zeitraum erarbeitet, so muss man erkennen, dass die tatsächliche Eigenkapitalveränderung nur durch das Aufstellen einer neuen Bilanz nach einer Inventur festgestellt werden kann.

Im wirtschaftsinstrumentellen Ansatz kommt der Bilanz eine andere Funktion als im traditionellen Unterricht nach der Bilanzmethode zu. Da das „Allgemeine Unternehmensmodell" die Funktion der Erklärung der Buchungen im Kontensystem übernimmt, kann die Bilanz in ihrer Funktion der verkürzten, strukturierten Information über den Status eines Unternehmens zu einem bestimmten Zeitpunkt deutlicher zum Vorschein treten. Die Erklärung des Kontensystems und der Prinzipien der doppelten Buchführung setzt voraus, dass deutlich wird, wie und wozu eine Statusdarstellung gewonnen und aufbereitet wird. Das Kontensystem muss dann als Ergänzung und nicht als Teil dieser Statusdarstellung angesehen werden. In der Bilanzmethode mit der „Auflösung der Bilanz in Konten" und der Ermittlung der Schlussbestände über Kontensalden (Ausnahme: Vorratskonten) vermischen sich Buch- und Ist-Rechnung in einer verständnisbehindernden und praxiswidrigen Weise.

Wie sollen Schüler verstehen, dass in der Praxis die Bilanz des Vorjahres erst nach einigen Monaten aufgestellt wird, auf den Konten aber schon vorher gebucht wird, und dass das Hauptbuch des Vorjahres (evtl. nach einem 13. Buchungsmonat) mit Schlussbilanz- und Gewinn und Verlustkonten erst abgeschlossen werden kann, nachdem der Jahresabschluss (Bilanz, Gewinn- und Verlustrechnung) aufgestellt wurde? Auch das Verständnis der erforderlichen Prüftätigkeiten bleibt bei Ausblendung der Istbestände einseitig auf die Belegebene beschränkt.

2.4 Vergleich der Modellierungsmethode

mil traditionellen

Konzeptionen

IIS

Noch bevor das Prinzip der rechentechnisch begründeten doppelten Verbuchung (vgl. Schneider 1987, S. 97f.) erarbeitet wird, muss den Schülern klar werden, welche Funktion und welchen systematischen Status die buchmäßige Bestandsfortschreibung aber auch die stichtagsbezogene Bestandserhebung im wertebezogenen Informationssubsystem der Unternehmung einnimmt.

Im Zentrum sollte hierbei die Frage stehen, in welcher Weise Daten der Inventur (Ist-Bestände) und Daten der Buchführung (Soll-Bestände oder in Abgrenzung zu Planungsdaten: Buchbestände) aufeinander bezogen sind und handelnd aufeinander bezogen werden. „Ohne Inventur kann ein Jahresabschluß nur formell, nicht aber materiell ,richtig' sein" (Seicht 1986, S. 351). Schneider (1987, S. 98) verweist darauf, dass das Rechenergebnis „Gewinn" erst infolge der Inventur zum Indikator für die Vermögensmehrung wird. Damit verbindet sich die technische Problemstellung des Kontenabschlusses mit einer wirtschaftlichen Sicht.

In der betriebswirtschaftlichen Literatur wird oft die Auffassung vertreten, dass der Gewinn auch alleine aus der Buchhaltung zu ermitteln sei. Dies träfe unter der Prämisse der vollständigen und richtigen Erfassung der Geschäftsvorfälle zu. Mit dieser idealisierenden Prämisse wird aber genau das Problem, dass Informationssysteme hinsichtlich der Adäquatheit ihrer Realitätsabbildung zu überprüfen sind, beseitigt. Im Sinne kritischer Erziehung gegenüber Informationssystemen ist eine solche Darstellung der Buchführung im Unterricht äußerst bedenklich. Deshalb kann auch entgegen der von Baelge (1996, S. 95) vertretenen Auffassung in der doppelten Buchführung die Bilanz nicht aus dem Inventar oder den Konten, d. h. dem Schlussbilanzkonto, entwickelt werden, sondern nur aus diesen beiden Teilen. 32

Welche Probleme gute Schüler mit dem Verständnis der wechselseitigen Kontrolle von „statischer Istaufnahme" und „dynamischer Bestandsfortschreibung" haben, wird sehr pointiert von Weller (1987, S. 176) anhand des folgenden Beispiels dargestellt, wobei die Problematik der zeitlichen Buchungsunterschiede unberücksichtigt bleibt: .Ein renommierter Unternehmer aus meinem Erfahrungsbereich hatte mich vor wenigen Monaten gebeten, an einem Vorstellungsgespräch mit Bewerbern um einen Ausbil32

Baetge (1996, S. 95) bezeichnet diese Wahlmöglichkeit zur Entwicklung der Bilanz als den Unterschied zur einfachen Buchführung, bei der die Bilanz nur aus dein Inventar zu entwickeln sei. Seine Ausführungen zur Entwicklung der Bilanz aus dein Sclilussbilanzkonto sind jedoch völlig unplausibcl, da er das Schlussbilanzkonto in der Funktion einer Probebilanz beschreibt: „lin Schlußbilanzkonto schlagen sich alle Erfassungs-, Buchungs- und RechenTehler, die im Laufe des Jahres in den Konten auftreten, nieder. Ferner werden Schwund, Bruch und Diebstahl in den Lägern norinalerweise nicht auf den Konten und damit nicht im Schlußbilanzkonto erfaßt" (ebenda). Diese Ausführungen zu den „Differenzen" belegen aber, dass die Bilanz auch in der doppelten Buchführung nicht nur aus den Konten entwickelt werden kann.

116

2. Curriculare Bezugspunkte des Wirtschaftsinstrumentellen Rechnungswesenunterrichts

dungsplatz teilzunehmen. Es hatten sich achtzehn kaufmännisch vorgebildete Jugendliche (überwiegend Absolventen des Wirtschaftsgymnasiums und des Kfm. Berufskollegs) vorgestellt. Ich habe den Kandidaten, die im Unterrichtsfach Rechnungswesen Höchstnoten vorweisen konnten, folgende Aufgabe vorgelegt: Sollsaldo Konto Bank Guthaben laut Kontoauszug der Bank Bilanzansatz Bank

2 . 0 0 0 , - DM, 1 . 0 0 0 , - DM. ?

Nicht ein einziger Bewerber war in der Lage, auch nur annähernd die richtige Lösung aufzuzeigen. Wenn überhaupt eine Antwort gegeben werden konnte, so diese: In der Bilanz stehe der Saldo vom Konto Bank mit 2.000,- DM."

Weller kommt zum Schluss, die Bewerber hätten hiermit gezeigt, dass sie die Bilanz als Sammelbecken von Kontensalden der Buchführung missverstehen würden. Persönliche Versuchswiederholungen mit Studenten der Wirtschaftswissenschaften mit abgeschlossenem Vordiplom bestätigen diesen Befund und die Interpretation Wellers. Es liegt auf der Hand, diese Fehlleistung nicht den Lernenden anzulasten, sondern nach dem „Defekt" im Lehrgang der Buchführung zu suchen. Hier lassen sich eine Reihe von Merkmalen finden, die als „falsche Weichenstellungen" für den Lernprozess interpretiert werden können:

In den meisten Buchführungsbüchern werden die Geschäftsgänge von Beginn an in der Weise zum Abschluss geführt, dass die Salden der einzelnen Konten in eine „Abschlussbilanz" übertragen werden („von der Eröffnungsbilanz bis zur Schlussbilanz"). Die Bilanz dient allein dazu, die Richtigkeit der Buchungen rechnerisch zu überprüfen.

Eine teilweise Richtigstellung erfolgt in der Regel im Zuge der Einführung von „Eröffnungsbilanzkonto" und „Schlussbilanzkonto"; dies ist oft auch der Ort, an dem das Verhältnis von Ist- und Buchrechnung angesprochen wird. Allerdings wird in dieser Unterrichtseinheit i. d. R. überwiegend darauf geachtet, rein formal-buchungstechnisch die Funktion dieser Hilfskonten zu erarbeiten. Selbst wenn das Buch-Ist-Verhältnis thematisiert wird, scheint es schwierig, die zuvor erlernte Fehlorientierung aufzuheben. Dies auch deshalb, weil in der Regel weiterhin die Salden der Konten ohne einen Bezug zur Inventur (Ausnahme: Vorratskonten) rechnerisch zusammengestellt werden; nur heißt das „Sammelkonto" nun nicht mehr „Bilanz", sondern „SBK". Dass es Unterricht geben soll, in dem ein Geschäftsgang nur dann als abgeschlossen betrachtet wird, wenn die Schüler direkt aus den Werten des SBK eine „Abschlussbilanz" erstellen, kann angesichts dieser Fehlorientierung nicht überraschen. Diese „Abschlussbilanzen" sind meistens noch nicht einmal gegliedert, die Unterschiede liegen lediglich in der Überschrift, der bezeichnung und der Unterschrift.

Seiten-

2.4 Vergleich der Modellierungsmethode mit traditionellen Konzeptionen

-

117

„Die sog. Vorbereitenden Abschlussbuchungen' werden den Schülern stets schematisch und pauschal vorgegeben (ζ. B. Abschreibungen auf Anlagen) und nicht aus den Ergebnissen der Inventur entwickelt" (Weller 1987, S. 177). Problematisch ist dabei vor allem, dass Bewertungsfragen ausgeblendet werden und somit ein zentraler unternehmerischer Handlungsspielraum nicht nur nicht thematisiert, sondern systematisch verdeckt wird.

In die gleiche Richtung zielt der Hinweis darauf, dass beim Abschluss der Konten die Werte der Inventur grundsätzlich unbeachtet bleiben. Daran ändern auch salvatorische Klauseln, wie ζ. B. „Die übrigen Buchwerte entsprechen den Inventurwerten", nichts. Solange derartige Formeln für die Schüler praktisch folgenlos bleiben, d. h. die von ihnen erwartete Art der Aufgabenbearbeitung nicht verändern, werden sie auch für die Schüler im wahrsten Sinne des Wortes bedeutungslos bleiben. Die Konsequenzen liegen auf der Hand: Da Differenzen zwischen Inventurwerten und den Kontensalden nicht auftreten, erübrigt sich die Frage nach möglichen Ursachen solcher Differenzen. Und es erübrigt sich die Notwendigkeit, derartige Differenzen über Korrekturbuchungen auszugleichen. Somit wird hier eine Chance vertan, immer wieder auf den Primat der Ist-Bestände gegenüber den Buchbeständen und damit auf ein zentrales Wesens- und Funktionsmerkmal der Buchführung einzugehen. Die unmittelbaren Konsequenzen zeigt das Wellersens

Beispiel

nachdrücklich. Seicht (1970, S. 24ff.) verweist darauf, dass Bilanzen aus dem Hauptbuch ohne Berücksichtigung der Inventur nur Probebilanzen oder unechte Vermögensbilanzen sind. Historisch gesehen wurde eine „entscheidende Verbesserung der Bilanz bzw. der Bilanzierung ... mit der Einfuhrung der Inventur und deren Verwendung zur Kontrolle der Buchsalden erreicht" (ebenda, S. 25).

Da die Werte der Inventur faktisch keine Rolle spielen, da weder Bewertungsfragen von Beginn an systematisch einbezogen werden noch Differenzen zwischen Ist- und Buchbeständen auftreten, erweist es sich als äußerst schwierig, die Hauptabschlussübersicht funktions- und zweckbezogen einzuführen. Tatsächlich handelt es sich hierbei wohl auch um eine relativ „unbeliebte" Unterrichtseinheit, die eher den fatalen Ruf der Buchführung festigt, ein blutleeres, formalistisches Unterrichtsfach zu sein, als dass die Chance genutzt würde, die Verbindung zu datengestützten betriebswirtschaftlichen Entscheidungsprozessen

herzustellen.

Als „Probebilanz" und Instrument zur Ausübung von Wahlrechten erlangt sie jedoch einen formellen und materiellen Sinn.

118

2. Curriculare Bezugspunkte des Wirtschaftsinstrumentellen

Rechnungswesenunterrichts

Die Schüler müssen bei ihren Abschlüssen erkennen, wie einerseits durch die Istermittlung die Bestandsfortschreibung und andererseits durch die Bestandsfortschreibung die Istermittlung und das tatsächliche betriebliche Geschehen kontrolliert werden. Die Buchhaltung und damit jedes Informationssystem muss als „Hypothese" und nicht als „Fakt" erlebt werden. Dieses auch im Hinblick auf fachübergreifende Bildungsprozesse wichtige Lernziel des kritischen Umgangs mit Informationen kann nicht annähernd durch eine abstrakt-systematische Unterrichtslektion zum Thema „Notwendigkeit und Aufgaben der Buchführung" o. ä. zu Beginn des Lehrgangs allein erreicht werden.

Wenn dieses Grundschema einmal aufgebaut ist, sollte im Fortgang des Lehrgangs darauf beständig Bezug genommen werden. Hieraus lassen sich die Aufgaben der Inventur, der Charakter der Buchführung sowie die Modalitäten des Abschlusses einschließlich erforderlicher Korrekturbuchungen begründen.

Eine sachgemäße Einführung der Konten als Instrumente der Bestands- und Erfolgskontrolle kann dementsprechend nicht über die Auflösung der - im Normalfall noch nicht aufgestellten - Jahresbilanz erfolgen. Geschäftsvorfälle werden erfasst, um buchmäßig Auskunft über den vermutlichen Bestand bzw. über die bisher angefallenen Aufwendungen und Erträge zu erhalten. Konten müssen damit als die Fortschreibung der Inventarbestände oder der mit Inventurwerten abgestimmten Kontensalden aus der Vorperiode entwickelt werden.

Der von Gross (1981, S. 30f.) vorgebrachten Kritik an dem „Spiel" mit den reinen Tauschvorgängen in der Bilanz selbst oder auch auf immer wieder neu zu schreibenden Bilanzen kann sich voll angeschlossen werden. Mit der Erarbeitung von „Aktivtausch", „Passivtausch", „Bilanzverlängerung" und „Bilanzverkürzung" anhand von Geschäftsvorfällen wird der Charakter der Bilanz als primär auf der Istaufnahme basierendem Rechenschaftsinstrument verfälscht und somit eine sachfremde Einsicht in das System der doppelten Buchhaltung vermittelt. „Die Realität kennt keine Wertveränderungen in der Bilanz" (Weller/Fischer 1993a, S. 52ff.), jedenfalls keine, die durch den regulären Geschäftsbetrieb hervorgerufen werden. Bilanzveränderungen kommen dann vor, wenn eine Bilanz berichtigt werden muss oder Gesellschafter über Gewinnverwendung entscheiden. Veränderungen sind Merkmale von „Probebilanzen" (oder vorläufigen Bilanzen aus dem Hauptbuch) und damit als Bestandteil der Jahresabschlussarbeiten der Bilanzaufstellung vor- und nicht nachgelagert.

2.4 Vergleich der Modellierungsmethode

mit traditionellen

Konzeptionen

119

Gegen die Bilanzveränderungsübungen an aufgestellten Bilanzen spricht außerdem, dass nicht alle Sachverhalte eindeutig in dieses vermeintlich vollständige Klassifikationssystem passen. Dies betrifft die Konten, die die Bilanzseite wechseln können (Wechselkonten), ζ. B. das Bankkonto bei der Überziehung. Die starre Einteilung in Aktiv- und Passivkonten wird zudem problematisch bei Konten, die Korrekturen zu einer bestimmten Bilanzposition aufnehmen und dementsprechend mit negativem Vorzeichen auf der „anderen Bilanzseite" erscheinen müssen, wie ζ. B. die Wertberichtigungskonten als Korrekturkonten zum Forderungskonto.

Ferner lassen sich prinzipiell die Sammelpositionen der Bilanz nicht ohne weitere Informationen in verschiedene Konten aufteilen. Im herkömmlichen Unterricht wird diese Problematik dadurch umgangen, dass die Gliederung der Bilanz an dem Kontenplan statt am dem HGB ausgerichtet wird. Durch die Auflösung der Bilanz in Konten wird auch das Verständnis für die praxisnahe und computergerechte Lösung des Übertrags der Salden aus der alten Rechnung erschwert. Die Einrichtung von Konten sollte aus dem jeweiligen speziellen Informationsbedürfnis und nicht aus der Schwierigkeit einer „Bilanzfortschreibung" entwickelt werden. Bestandskonten sind somit aus dem Bedürfnis der Bestandsfortschreibung, d. h. Auskunft über die mutmaßlichen Bestände ohne erneute Inventur, einzurichten. Die doppelte Buchung eines Geschäftsvorfalls sollte nicht daraus hergeleitet werden, dass sich zwei Positionen der Bilanz ändern (Weller/Fischer

1989, S. llOff). Sie kann einfach als die Konse-

quenz von Leistung und Gegenleistung gesehen werden.

Schüler sollten die systemimmanente Kontrolle der Buchführung durch die körperliche und buchmäßige Inventur (Istrechnung) und die des fortgeschriebenen Bestandes durch die Buchfuhrung (Sollrechnung) keinesfalls nur in der Anfangsphase des Rechnungswesenunterrichts erleben. Dies bedeutet, dass bei jedem Abschluss gesetzeskonform auf ein Inventar zurückgegriffen werden muss, um damit die Salden der Bestandskonten zu überprüfen. Inventurdifferenzen müssen aufgeklärt und mit Korrekturbuchungen erfasst werden.

In welchem Umfang und in welcher Form anschließend die eigentlichen Kontenabschlüsse mit Gewinn- und Verlustkonto und Schlussbilanzkonto noch erforderlich sind, muss auch im Hinblick auf den EDV-Einsatz im Unterricht ausschließlich didaktisch begründet werden. Exemplarisch sind vollständige Abschlüsse zur Vermittlung der systemimmanenten Kontrolle der Doppik jedenfalls erforderlich. Ein solcher Jahresabschluss mit Bilanz und staffeiförmiger

120

2. Curriculare Bezugspunkte des Wirtschaftsinstrumentellen

Rechnungswesenunterrichts

Gewinn- und Verlustrechnung kann nach dem Abgleich mit dem Inventar aus dem Kontensystem oder der Hauptabschiussübersicht erstellt werden. Die Kontrolle der Bestandskontensalden über das Inventar ersetzt nicht nur die im traditionellen Unterricht übliche rechentechnische Kotrolle über das „Aufgehen" des Schlussbilanzkontos, sondern erweitert diese entscheidend um den Aspekt der sachlichen Richtigkeit. Bei diesem rechnerischen und sachlichen Abgleich der Bestandskontensalden wird das Schlussbilanzkonto genauso überflüssig wie das Eröffnungsbilanzkonto. Berliner (1924, S. 391) bezeichnet das Bilanzkonto als „ein ganz überflüssiges Stück des Rechnungsapparates der doppelten Buchführung ..., das sein Vorhandensein nur einer buchhalterischen Pedanterie kein Posten ohne Gegenposten - verdankt".

Besonders wichtig ist jedoch, dass die Tätigkeit des Jahresabschlusses als unternehmensinternes Entscheidungsproblem deutlich und dementsprechend auch im Unterricht handlungsorientiert unterrichtet wird. Die betriebswirtschaftliche Interpretation des Jahresabschlusses sollte dabei aus mehreren Perspektiven (Unternehmensleitung, Arbeitnehmer, Eigentümer, Gläubiger, Staat) erfolgen. Die verbale (vgl. Weller/Fischer 1993b, S. 379ff.) und grafische Aufbereitung des Jahresabschlusses kann in diesen Zusammenhängen Gegenstand des Rechnungswesenunterrichts werden. 2.4.5

Erläuterung von Form und Inhalt der Konten sowie deren Ausdifferenzierung im Kontensystem

Im Buchfuhrungsunterricht hat sich als Vereinfachung der Folioform des Kontos das sog. „TKonto" durchgesetzt. In der kaufmännischen Berufspraxis ist spätestens mit der Einfuhrung der Durchschreibebuchführung von der Folioform auf die tabellarische Kontenform gewechselt worden. Da Schüler weder im Berufs- noch im Privatleben den T-Konten begegnen, gilt das T-Konto als Symbol fur die Lebensferne und Eigenständigkeit der Schulbuchführung. Sein Gebrauch muss deshalb in besonderer Weise als Vereinfachung der Schreibarbeit begründet werden. Im Anfangsunterricht bringt es Vorteile, eine tabellarische Kontenform gegenüber dem traditionellen T-Konto einzusetzen, da so zusätzliche Informationen über Buchungsdatum und Buchungstext in die Konteneintragung mit aufgenommen werden können. Sobald diese Informationen in einem Journal erscheinen, kann auf die T-Kontenform gewechselt werden, damit die Schüler nicht mit unnötiger Schreibarbeit belastet werden. Die Formulierung eines Bu-

¡21

2.4 Vergleich der Modellierungsmethode mit traditionellen Konzeptionen

chungstextes verlangt die Transformation des Geschäftsvorfalls (Belegs) in verbaler Hinsicht. Ferner erleichtert sie die Rekonstruktion des hinter der Konteneintragung stehenden einzelnen Geschäftsvorfalls als auch der gesamten durch die Konteneintragungen repräsentierten Wertbewegungen. Die in Abbildung 2-24 gezeigte Kontendarstellung ist an die den Schülern vertrauten Bankkontenauszüge angelehnt, sie entspricht der im Kassenbuch (siehe Abschnitt 3.1.1) gewählten Darstellung, die hier lediglich um die Gegenkontospalte erweitert wurde. Diese Gegenkontospalte wurde vor die Betragsspalten gesetzt, damit später die vereinfachte T-Kontenform hergeleitet werden kann. Diese Kontendarstellung lässt eine hohe Ähnlichkeit mit der Durchschreibebuchführung und der Kontendarstellung in kommerziellen Finanzbuchhaltungsprogrammen, die im Ausbildungsbetrieb oder im Lernbüro eingesetzt werden, erkennen. Bei der tabellarischen Kontenform kommt in jede Zeile nur eine Buchung; deshalb fehlt beim Abschluss die sogenannte „Buchhalternase". Ferner unterscheidet sich das Schlussbilanzkonto auch optisch stärker von der (Schluss-) Bilanz.

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Abbildung 2-24: Auszug aus dem Hauptbuch mit tabellarischen Konten

Sowohl das Wort „Konto" als auch die „Kontoform" sollten im Anfangsunterricht erläutert werden. Die Bezeichnung der beiden Seiten „Soll" und „Haben" und ihre englischen Übersetzungen sowie ihre italienische Herkunft können zwar erläutert werden, sollten jedoch weder als Erklärungshilfen für Wertbewegungen noch als Lernziel benutzt werden. Die Kontoform ist von der Staffelform abzugrenzen. Bei den Bestandskonten kann die Kontrollfunktion der beidseitigen Summengleichheit erläutert werden, wenn der Schlussbestand als Istbestand und nicht als rechnerischer Saldo in das Konto übernommen wird.

122

2. Currtculare Bezugspunkte des wirtschaflsinstrumentellen Rechnungswesenunterrichts

In der Modellierungsmethode gibt es für alle Konten nur ein universales Erklärungsprinzip: Auf der Sollseite werden Wertzugänge und auf der Habenseite Wertabgänge erfasst. Dementsprechend werden auch weitergeleitete Werteflüsse als Salden auf den Habenseiten und zum Ausgleich erhaltene Werteflüsse als Salden auf der Sollseite der Konten ausgewiesen. Positive Bestände (Vermögen) können am Ende einer Rechnung mit oder ohne Verrechnungskonten (Schluss- und Eröffnungsbilanzkonten) auf eine neue Rechnung übertragen werden. Negative Bestände (Schulden und Eigenkapital) können entsprechend von der neuen Rechnung ausgeglichen werden. Nach einem solchen Bestandsübertrag verbleibende Salden bilden einen Überschuss oder Fehlbetrag. Somit kann auch jedes Bestandskonto bei Vorhandensein einer nicht aufgeklärten Inventurdifferenz einen Erfolgsbeitrag aufzeigen.

Welche einzelnen Bestands- und Erfolgskonten eingerichtet werden, hängt von den internen und externen Informationsbedürfnissen ab. Auf dieser Basis kann auch verdeutlicht werden, warum zu jedem Bankkonto ein Gegenkonto in der eigenen Buchführung geführt wird. Die Einrichtung von Personenkonten fur die Debitoren- und Kreditorenbuchhaltung lässt sich ebenfalls aus der spezifischen Überwachungsaufgabe herleiten. „Konto" und „Controlling" müssen im Unterricht nicht nur als vom Klangbild, sondern auch von der

Funktion

zusammengehörig empfunden werden.

2.4.6

Intentionale Mehrdimensionalität u n d Interdependenz

Der Sinn der Methoden und Instrumente des Rechnungswesens lässt sich am besten aus einer konkreten betrieblichen Problemstellung erarbeiten. Da die Instrumente des Rechnungswesens überwiegend aus der Sicht der Unternehmer bzw. des Managements geformt sind, wird somit auch im Unterricht vorwiegend die Unternehmens- oder die Managementperspektive eingenommen. Im Wirtschaftsinstrumentellen Ansatz wird der daraus resultierenden Gefahr einer einseitigen Ausrichtung durch die Einbeziehung weiterer Perspektiven Rechnung getragen. Diese Erweiterung berücksichtigt zugleich lernpsychologische Erkenntnisse, um die erworbenen Kenntnisse und Fertigkeiten zu festigen und zu flexibilisieren.

Ein entscheidungsorientierter und auf die allgemeine kaufmännische Berufstätigkeit hin ausgerichteter Rechnungswesenunterricht bietet grundsätzlich gute Voraussetzungen dafür, die im beruflichen Kontext erworbenen Fähigkeiten in andere Verwendungssituationen zu übertragen. Da aber aus der pädagogisch-psychologischen Forschung bekannt ist, dass Transfer sich nicht von selbst einstellt, muss dieser im Unterricht gelernt und geübt werden.

2.4 Vergleich der Modellierungsmethode mit traditionellen Konzeptionen

123

In der beruflichen Sphäre kommt zu der Sachbearbeiterperspektive noch die Arbeitnehmerperspektive hinzu. Sowohl für individuelle Entscheidungen eines Arbeitnehmers als auch kollektive Entscheidungen der Arbeitnehmervertretungen ist es nützlich, betriebsinterne und veröffentlichte Zahlen des Rechnungswesens adäquat interpretieren zu können. In der schulischen Ausbildung sind schließlich auch noch die Perspektiven des Konsumenten und Anlegers finanzieller Mittel sowie des in Vereinen und politischen Gremien aktiven Wirtschaftsbürgers zu berücksichtigen (vgl. hierzu auch Gross 1987).

Die traditionelle monetäre Ausrichtung des Rechnungswesens ist weiterhin um die soziale und ökologische Perspektive zu ergänzen. Diese zusätzlichen Perspektiven im Rechnungswesenunterricht können in verschiedener Weise zur Geltung kommen. Zum einen ist der Grundgedanke des Rechnungswesens auch auf die soziale und ökologische Betrachtungen übertragbar: Die Erreichung sozialer und ökologischer Ziele erfordert nicht nur „gute Absichten" und eine „richtige Einstellung" sowie ein fundiertes theoretisches und praktisches Wissen um Wirkungszusammenhänge und Fakten, sondern setzt die Fähigkeit zur Messung, Erfassung und Aggregation der Informationen sowie zu deren Aufbereitung für die Kontrolle und Steuerung wirtschaftlicher Abläufe voraus. Damit wird erkennbar, dass umweltbewusstes Handeln auch die Quantifizierung und rechnerische Behandlung von Haupt-, Neben- und Fernwirkungen verlangt.

Zwar gibt es derzeit noch kein ausgebautes und allgemein anerkanntes Instrumentarium ökologischer und sozialer Rechnungslegung, jedoch liegen mit Vorschlägen für „Sozialbilanzen" {Hebten 1986, S. 113ff.) sowie einer „ökologischen Buchhaltung" (Müller-Wenk

1978 und

1994), „Ökobilanzen" (Bratmschweig/Müller-Wenk 1993), einem „ökologischen Rechnungswesen" (Schaltegger/Sturm 1992), einer „integrierten Legitimationsrechnung" (Fopp/Riittimann 1994) und einer „betriebswirtschaftlichen Umweltkostenrechnung" (Pio 1992) Ansätze vor, die auch in didaktische Überlegungen zur Mehrperspektivität einzubeziehen sind. Die Abbildung ökologischer Be- und Entlastung durch das betriebliche Geschehen ist derzeit durch das Fehlen einer einheitlichen, wertmäßigen Quantifizierungseinheit („ökologische Währung") erschwert, aber nicht unmöglich gemacht.

Der Rechnungswesenunterricht bietet spezifische Chancen, ökonomisches Denken und ökologisches Denken zu verknüpfen und damit einen Beitrag zur Umweltbildung zu leisten. Dies fängt bei einer die Umweltbelastung einbeziehenden Repräsentation sowohl der in der Buchfuhrung zu erfassenden als auch der nicht zu erfassenden Tatsachen und Ereignisse an. In

2. Curriculare Bezugspunkte des Wirtschaftsinstrumentellen Rechnungswesenunterrichts

124

diesem Sinne wären ζ. B. Transportmittel und -strecken nicht länger irrelevante Merkmale eines Beschaffungs- oder Absatzvorganges; Beschaffungs- und Produktionsleistungen wären auch hinsichtlich der entstehenden Umweltbelastungen zu betrachten.

Über die Zusammenstellung und Interpretation der Veränderungen von Summen und Salden umweltsensitiver Konten im Vergleich mehrerer Perioden kann ökonomisches und ökologisches Denken gefördert werden. So können am Beispiel der Verpackungsaufwendungen ökonomische Daten als Indikatoren für ökologische Belastungen interpretiert werden. Die Ausdifferenzierung des Kontensystems lässt sich unter ökonomischem und ökologischem Steuerungsinteresse thematisieren. Im Rahmen des Jahresabschlusses lassen sich die aus dem ökologischen Bereich resultierenden Risiken erfassen und ökonomisch bewerten. Damit einer einseitig negativen Sichtweise begegnet wird, lassen sich ζ. B. in einer Unternehmensbewertung auch positive ökologische Sachverhalte thematisieren. Bei der Behandlung der Steuern und Sozialabgaben bietet sich die Chance zu zeigen, wie die sogenannten „externen Effekte" als Fernwirkungen wieder auf die Verursacher und die soziale Gemeinschaft zurückkommen.

Eine weitere Perspektive des Rechnungswesenunterrichts liegt in der Erweiterung der Thematik unter Einbeziehung informatorischer Aspekte. Am Beispiel des Rechnungswesens können den Lernenden generelle Probleme von manuellen und elektronischen Informationssystemen erschlossen werden. Sie sollten wissen: welche Ereignisse in welchem Teil des betrieblichen Informationssystems abzubilden sind, wie Ereignisse in einem Informationssystem zu erfassen sind, -

welche Konsequenzen eine unterlassene oder fehlerhafte Erfassung hat,

-

wie die Ereignisse im Informationssystem transformiert werden, warum Informationssysteme bestimmte Konventionen haben, welche Auswertungen ein Informationssystem liefern kann,

-

wie Entscheidungen durch die Gestaltung des Informationssystems beeinflusst werden,

-

welche Interessen durch das Informationssystems begünstigt werden.

Die anwendungsorientierte Integration der EDV in den Rechnungswesenunterricht erfolgt unter curricularen und unterrichtsmethodischen Gesichtspunkten. Das curriculare Element liegt primär in der Vermittlung von Auswirkungen des EDV-Einsatzes auf die Arbeitsbedingungen und in der grundsätzlichen Befähigung zur Nutzung des Computers als Hilfsmittel für fachliche Aufgaben. Die Auswirkungen des Computereinsatzes erstrecken sich auf die Über-

2.4 Vergleich der Modellierungsmethode

mil traditionellen

Konzeptionen

125

nähme von Algorithmen in Programme, die nur mittelbare Zugänglichkeit von Informationen und die Verlagerung fort von Routinearbeiten und hin zu dispositiven und interpretierenden Tätigkeiten. Diese Verschiebungen sind nur erfahrbar, wenn auch die herkömmlichen Arbeitstechniken erworben werden. Allerdings sind beide Arbeitstechniken unter didaktischen Gesichtspunkten aufeinander abzustimmen.

Durch die anwendungsbezogene Integration der EDV in die kaufmännischen Kernfächer kann deutlich werden, dass betriebswirtschaftliche Problemstrukturen durch den EDV-Einsatz beeinflusst werden. Die computergestützte Finanzbuchhaltung als spezifische fachliche Anwendung sollte nicht in einem gesonderten Lernbereich „EDV/Organisation" vorgenommen werden. Die fachlich ausgerichtete Integration der Datenverarbeitung sollte durch eine mehr die hard- und softwaretechnische Seite berücksichtigende Kern- und Vertiefüngsinformatik (Dubs 1985, S. 318) in auf die jeweiligen Ausbildungsziele abgestimmten eigenständigen Lernbereichen ergänzt werden. Eine solche Aufteilung der Datenverarbeitungsinhalte entspricht einer von Scheer (1990, S. 5) fur die Hochschulausbildung getroffene Aussage, die auch auf die kaufmännische Berufsausbildung übernommen werden kann: „Die alleinige Behandlung des EDV-Einsatzes durch die Wirtschaftsinformatik würde diese wegen der Stoffülle nicht nur überfordern, sondern vor allem den falschen Schluß erzeugen, daß die Stoffinhalte der Allgemeinen und der anderen speziellen Betriebswirtschaftslehrein) unverändert bleiben könnten" (Scheer 1990, S. 5).

Die curriculare Herausforderung und die Chancen dieser EDV-Integration in die kaufmännischen Kernfächer (bzw. berufsspezifischen Unterricht) liegen in einer Qualifikationsstrategie, die neueren Konzeptionen der EDV-Nutzung (z. B. CIM, Warenwirtschaftssysteme) entspricht. Die ganzheitliche Gestaltung von Prozess- oder Vorgangsketten und die ganzheitliche Vorgangsbearbeitung am einzelnen Arbeitsplatz entspräche zudem den Prinzipien einer handlungsorientierten Didaktik; wesentlich wäre hierbei die Verknüpfung anspruchsvoller arbeitsanaloger Lernaufgaben mit Prozessen der Reflexion, Verallgemeinerung und Systematisierung, d. h. in der konzeptionellen Einheit des Lernens im und am Modell (vgl. Tramm 1984).

Die auch der CIM-Konzeption zugrundeliegende Sicht des Rechnungswesens als Abbildung wertorientierter Prozesse, die auf operativen Prozessen aufbauen und im Dienste von Berichts- und Kontrollsystemen stehen (Scheer 1989), entspricht der intendierten Verbindung

126

2. Curriculare Bezugspunkte des wirtschaßsinstrumentellen

Rechnungswesenunterrichts

der Buchungen mit der betrieblichen Realität einerseits und deren wirtschaftlicher Interpretation andererseits. Die curriculare Integration im Sinne einer Handlungsorientierung ver

langt auch, dass Schüler befähigt werden, den Computer als Werkzeug für verschiedene Aufgaben zu nutzen. Hard- und Software sollten allgemeinen Standards entsprechend gestaltet sein, damit die Bedienung leicht erlernbar und die erworbenen Fertigkeiten vielseitig transferierbar sind (vgl. Preiß 1988a und 1988b).

Mit der Softwaregestaltung eng verbunden sind die methodischen Chancen des EDV-Einsatzes. Für Lernprozesse sind an die Software Anforderungen zu stellen, die in der Berufspraxis nicht immer erfüllt werden müssen. Umgekehrt kann es auch sein, dass bestimmte Datenschutz- und Datensicherheitsvorkehrungen der Berufspraxis beim Lernen störend wirken würden. Der didaktische Vorteil von Finanzbuchhaltungsprogrammen liegt in der Routinisierung von Tätigkeiten, wie dem automatischen Abschluss. Sobald die Schüler die entsprechende Routine bei diesen Tätigkeiten entwickelt haben, ergibt sich durch die Verlagerung dieser Arbeit auf den Computer die Möglichkeit des Zeitgewinns. Diese Zeit kann dann genutzt werden, um die erzielten Ergebnisse genauer zu analysieren und in Grafiken oder Text zu transformieren. Für die Interpretation dieser Ergebnisse ist es aber notwendig, dass die Schüler erklären können, wie sie auch buchungstechnisch zustande gekommen sind, d. h. dass sie den von einem Programm durchgeführten Abschluss mental nachvollziehen können.

Für den schulischen Rechnungswesenunterricht im Klassenverbund ergibt sich kein Sinn in dem Einsatz von Lernprogrammen, die für das Selbststudium konzipiert wurden. Solche Programme können aber durchaus in individuellen Förderprogrammen, im Rahmen verkürzter Ausbildung zum Beseitigen von Kenntnislücken oder zur Einweisung in ein spezielles Computerprogramm sinnvoll sein. Solche Lernprogramme sollten jedoch entsprechend neueren instruktionstheoretischen Überlegungen konzipiert sein, d. h. relativ komplexe Aufgabenstellungen enthalten, systemimmanente Kontrollen (Soll-Haben-Gleichheit, Plausibilitätsprüfungen etc.) von fachlichen Prüflingen der Eingaben mit den richtigen Lösungen unterscheiden und auch Interpretationen der Ergebnisse verlangen.

2.5 Elnborative und integrative Makrosequenzierung

127

2.5

Elaborative und integrative Makrosequenzierung

2.5.1

Die „Curriculumspirale" als Leitgedanke der Lehrstoffabfolge

Entgegen dem begrifflichen Kern des Wortes „Curriculum", der die Abfolge von Lehr-Lernprozessen beinhaltet, liegt in der curriculumtheoretischen Literatur das Schwergewicht auf der Auswahl und Legitimation von Lernzielen und -inhalten. Der Frage der zeitlichen Anordnung der Inhalte wird nachrangige Bedeutung beigemessen (vgl. Sievers

1984, S. 7) oder als Pro-

blem der didaktischen Umsetzung (vgl. hierzu die Methodenkonzeptionen bei Schulz 1965, S. 31) und der Lehr-Lern-Forschung angesehen.

Innerhalb des Inhaltsbereiches Rechnungswesen ist die aus mehreren Unterrichtsstunden bestehende einzelne Unterrichtseinheit (Lektion) im Hinblick auf die vorausgegangenen und nachfolgenden Unterrichtseinheiten zu strukturieren. Die im Berliner Didaktikmodell besonders hervorgehobene Grundannahme, dass die Einzelstunde nur im Rahmen einer größeren Unterrichtseinheit geplant werden kann (Heimamt/Otto/Schulz

1965, S i l ) , ist sequenztheo-

retischer Sicht dahingehend zu ergänzen, dass größere Unterrichtseinheiten nur im Rahmen einer fachdidaktischen Strukturierung des gesamten Ausbildungsganges zu planen sind. Im Hinblick auf die im Hamburger Modell ausgewiesene langfristige didaktische Planungsebene, der Perspektivplanung (Schulz 1980, S. 28ff ), bedeutet dies, dass Lerninhalte im Hinblick auf den Erwerb komplexer Fähigkeiten nicht nur unter dem Aspekt der Persönlichkeitsentwicklung, sondern auch im Hinblick auf ihre Vernetzung und inhaltliche Integration anzuordnen sind.

In der Lehr-Lern-Forschung wird die Notwendigkeit der Kontrolle der Inhaltsdimension, des Vorwissens, der konkreten Lernobjektzuweisungen und der Abfolge von Unterrichtsschritten betont. Untersuchungen zu Makrosequenzierungen setzen voraus, dass verschiedene Konzeptionen der Lehrstoffanordnung identifiziert und überprüft werden können. Untersuchungen zu Konzeptionen des Anfangsunterrichts, insbes. im Lesen und Schreiben (Ganzwortmethode), Fremdsprachen (Einsprachigkeit) oder der Mathematik (Mengenlehre) beschränken sich entweder auf pauschale Vergleiche oder syntaktische Deskriptionen; sie vernachlässigen meist die semantischen und pragmatischen Aspekte sowie die Fragen der langfristigen Abfolge der Inhalte. Zum Rechnungswesen sind bisher keine empirischen Vergleiche der verschiedenen Anfangskonzeptionen (z. B. Bilanzmethode vs. Kontenmethode) durchgeführt worden,

f

12H

2. Curriculare Bezugspunkte des wirtschaflsinslrunientellen Rechnungswesenunlerrichls

Für curriculumtheoretische Behandlung der Sequenzierungsproblematik (zu Prinzipien der Sequenzierung vgl. Eigenmann

1975, Posner/Strike

1976 und Sievers

1984) kommen auch

die flir die Behandlung der Relevanzproblematik wichtigen Bezugssysteme in Betracht: die Lebenssituationen, die Fachwissenschaften und die Schülerpersönlichkeiten (vgl.

Sievers

1984, S. 63f.). Während die Analyse von Handlungen in Lebenssituationen primär Anhaltspunkte flir die interne Strukturierung thematischer Einheiten bieten kann, können den Fachwissenschaften langfristige Inhaltsabfolgen sowohl im Hinblick auf die Entwicklung der Disziplin als auch auf die Darstellung des jeweiligen Forschungsstandes in Standardlehrwerken entnommen werden. Für eine an der Schülerpersönlichkeit ausgerichtete Sequenzierung sind entwicklungspsychologische und auch anthropologische Forschungen relevant.

Sowohl bei der Ausrichtungen an der Fachwissenschaften als auch an Handlungssituationen ist jedoch zu bedenken, dass es nicht nur eine „Standardstrukturierung" gibt, sondern viele einzelne voneinander abweichenden Sequenzierungen. Ein Beispiel flir die Unterschiedlichkeit des Aufbaus und der Sequenzierung im Bereich der Betriebswirtschaftslehre liefert Rossbach

(1969). Die unterschiedlichen organisatorischen Strukturen in Betrieben zeigen, wie

unterschiedlich Handlungssituationen gestaltet werden können. Für didaktische Sequenzierungsentscheidungen müssen somit primär curriculare, lern- und kognitionstheoretische Kriterien herangezogen werden. Schlagworte wie „Wissenschaftsorientierung" und „Situationsorientierung" helfen hier nicht.

Eine Kombination aus lehrstofibezogener und schülerorientierter Argumentation stellt Bruners (1979, S. 53fF.; 1980, S. 6Iff.) Konzeption der Curriculumspirale dar. In einem Spiralcurriculum werden die großen Themen der Erkenntnis als Fragen, Begriffe und Theorien im Verlaufe der Schuljahre mehrmals aufgegriffen und - entsprechend dem höheren Ausbildungs- und Erkenntnisstand des Schülers - in immer größerer Tiefe durchdrungen und in immer umfassendere Zusammenhänge eingeordnet (Aebli 1987, S. 322). Der Grundgedanke ist dabei, dass Disziplinen ihre Strukturen haben und dass die grundlegendsten Ideen eines Faches in einer dem Entwicklungsstadium des Schülers entsprechend anschaulicher Weise am Anfang unterrichtet und in Variation immer wieder aufgegriffen, mit neuen Inhalten vernetzt, in verschiedenen Auflösungsgraden und von verschiedenen Perspektiven betrachtet werden müssen. In Abbildung 2-25 wird die Curriculumspirale nach Aehli dargestellt.

2.5 Elaboraiive

und integrative

Makrosequenzierung

129

Î

Zelt (Schuljahre)

Them· C . . . Thema A

Thema 8

Abbildung 2-25: Die Curriculumspirale (Aebli 1987, S. 323)

Ein in der Berufspädagogik entwickeltes formales Hilfsmittel zur langfristigen Inhaltsstrukturierung, das auch auf der Grundannahme des mehrmaligen Aufgreifen eines Themas zu verschiedenen Zeiten mit zunehmender Vertiefung basiert, ist die Konzeption der von Hering (1958 und 1959) entwickelten „didaktischen Vereinfachung" (später als „didaktische Reduktion" bezeichnet) im Zusammenhang von „Vereinfachungsreihen". Diese Vereinfachungsreihen beziehen sich nicht nur über Schuljahre, sondern auch über verschiedene Ausbildungsgänge. Herings Beispiele (insbesondere das bekannte Hochofenbeispiel) und auch andere in der Folgeliteratur vorgelegte Beispiele zeigen, dass die Beschreibung der Reduktionsschritte mit Hilfe von Modellen erfolgen kann.

Im Hinblick auf den Entwurf von Lehrgängen wurde die Idee der Curriculumspirale in der Elaborationstheorie (Reigeluth/Stein 1983; Reigeluth

1987) aufgegriffen und formalisiert.

Diese auf den mehr mikrosequentiellen Instruktionstheorien von Gagné (1980) und Merrill (1983) aufbauende Instruktionsdesign-Technik zur Makrosequenzierung beinhaltet auch motivationsstrategische Komponenten. Sie ist zwar im Kontext von Theorien des lernzielorientierten Instruktionsdesigns entwickelt worden, fugt sich aber gut in neuere konstruktivistische Planungsansätze ein, insbesondere durch die spezifische Form der „Vom-Einfachen-zumKomplexen-Sequenz" 33 als Erweiterung von Ausubels „subsumptive sequencing", 33

Bruners

Das „Einfache" ist in diesem Zusammenhang nicht das „Isolierte", solidem eine kleine und überscliaubare Ganzheit mit geringer Komplexität, also auch eine „Koinplexion" und keine „Abstraktion".

130

2. Curriculare Bezugspunkte des wirtschaflsinstrunientellen

„spiral c u r r i c u l u m " und Normans

„ w e b l e a r n i n g " (Reigeluth

Rechnungswesenunterrichts

1983, S. 337). Die E l a b o r a t i o n s -

t h e o r i e k a n n d u r c h a u s als eine P r ä z i s i e r u n g der im M o d e l l des „ c o g n i t i v e a p p r e n t i c e s h i p " v o r g e s c h l a g e n e n S e q u e n z i e r u n g s i d e e n „ i n c r e a s i n g c o m p l e x i t y " , „ i n c r e a s i n g diversity" und „global b e f o r e local skills" a n g e s e h e n w e r d e n (vgl. hierzu Colltns/Brown/Newman

1989, 4 8 3 f f . ) .

K e r n e l e m e n t e dieser M a k r o s e q u e n z i e r u n g s s t r a t e g i e sind: 1. e i n e e l a b o r a t i v e S e q u e n z , 2.

eine L e r n v o r a u s s e t z u n g s s e q u e n z o d e r Lernhierarchie,

3.

Zusammenfassungen (Summarizer),

4.

I n t e g r i e r e n d e Ü b e r s i c h t e n (Synthesizer),

5.

Analogien,

6.

Lern-, D e n k - und P r o b l e m l ö s e s t r a t e g i e - A k t i v i e r e r ( C o g n i t i v e - S t r a t e g i e A c t i v a t o r ) und

7.

S e l b s t s t e u e r u n g s m ö g l i c h k e i t e n f u r die L e m e r .

In der e l a b o r a t i v e n S e q u e n z w e r d e n z u n ä c h s t a l l g e m e i n e Ideen nicht in einer Z u s a m m e n f a s s u n g o d e r V o r a n k ü n d i g u n g , sondern in einer e l e m e n t a r e n G a n z h e i t , der E p i t o m e , v o r w e g gestellt. Diese wird d a n n b e z ü g l i c h der wichtigsten I n h a l t s d i m e n s i o n ( B e g r i f f e , V e r f a h r e n , G e s e t z m ä ß i g k e i t e n 3 4 ) g e n a u e r in der A b f o l g e strukturiert. Ein K u r s b e k o m m t dabei e n t w e d e r eine b e g r i f f l i c h e , eine p r o z e d u r a l e o d e r eine t h e o r e t i s c h e G r u n d s t r u k t u r . Die anderen b e i d e n I n h a l t s d i m e n s i o n e n und d i e Inhaltsklasse „ F a k t e n " k ö n n e n in dieses G r u n d s t r u k t u r unterstütz e n d e i n g e b u n d e n w e r d e n . Die E p i t o m e stellt eine K o n k r e t i s i e r u n g w e n i g e r zentraler Ideen a u f d e r A n w e n d u n g s e b e n e dar ( R e i g e l u t h / S t e i n 1983, S. 343). D a die E l a b o r a t i o n s t h e o r i e s o w o h l f ü r die S t r u k t u r i e r u n g einer einzelnen Lektion als a u c h f ü r d i e S t r u k t u r i e r u n g eines g a n z e n L e h r g a n g s dienen kann, ist die erste Lektion eines L e h r g a n g s z u g l e i c h die E p i t o m e f u r diesen. D e r Einstieg in der ersten Lektion ist somit ein g a n z zentraler P u n k t .

I m R e c h n u n g s w e s e n - G r u n d k u r s nach der M o d e l l i e r u n g s m e t h o d e ü b e r n i m m t der K a s s e n b e richt d i e s e F u n k t i o n der E p i t o m e f u r das g e s a m t e R e c h n u n g s w e s e n . Z e n t r a l e T h e m e n sind die A b b i l d u n g von Realität in B e l e g e n und deren A b b i l d u n g in e i n e m f o r m a l e n - m a t h e m a t i s c h e n S y s t e m , die o r d n u n g s m ä ß i g e und k o n t i n u i e r l i c h e n B e s t a n d s f o r t s c h r e i b u n g in K o n t e n und deren Interpretation b e i m T r e f f e n von E n t s c h e i d u n g e n , die I s t a u f n a h m e mit d e m B u c h - I s t V e r g l e i c h s b e i m A b s c h l u s s s o w i e der Ü b e r t r a g des S c h l u s s b e s t a n d e s als A n f a n g s b e s t a n d in eine n e u e R e c h n u n g . 34

Im Original wird diese Inhaltsklasse als „principles" bezeichnet. Diese Klasse beinhaltet in erster Linie Kausalrelationen, also Theorien. Da es in der Elaborationstheoric und in der ergänzenden Component

2.5 Elaboralive und integrative

Makrosequenzierimg

131

In der Lektion „Kassenbericht" selbst kommt der Eintragung des ersten Kassenbelegs im Kassenbuch diese Funktion der Epitome zu. An der Eintragung einer Einzahlung aus einem Verkauf wird das konkrete Geschehen und dessen Abbildung im Beleg, der Aufbau des Kassenbuches, die separate Erfassung von Einzahlungen und Auszahlungen nach der Kontentechnik in Abgrenzung zur Staffeltechnik sowie die Abbildung des Belegs in einer Kassenbucheintragung erarbeitet. Ein solcher Einstieg steht dem mehr abstrakten und auf Deduktion hin angelegten Verfahren mit „Advance Organizern" (Ausubel 1978, Ausubel/Novak/Hanesian

1980)

gegenüber, bei dem versucht wird, verbal mit Themen wie „Aufgaben der Buchführung" oder „Teilgebiete des Rechnungswesens" einen Überblick zu vermitteln. Die grundlegenden Ideen werden aus der Epitome abstrahierend gewonnen und nicht abstrakt vorgegeben.

Eine nicht in der Epitome „Kassenbericht" repräsentierte grundlegende Idee der Buchführung ist die hypothetische Wertgleichheit von Leistung und Gegenleistung (Aquivalenzhypothese) 35 . Sie wird erst mit der Umformung der Bilanz zu einem „Allgemeinen Unternehmensmodell" explizit gemacht. Die Werteäquivalenzvorstellung ist bei Schülern am Anfang einer kaufmännischen Ausbildung nicht sehr ausgeprägt vorhanden (vgl. Wirth 1998).

Auf die Epitome folgen dann Erweiterungen und Wiederholungen, somit wird die geringe Anfangskomplexität zunehmend erhöht. Dabei können mehrere Elaborationsstufen (in Abbildung 2-26 tabellarisch dargestellt) unterschieden werden. Die erste Elaborationsstufe erweitert den in der Epitome enthaltenen Inhalt. In der zweiten Elaborationsstufe wird dann die erste erweitert usw. (Reigeluth/Stein 1983, S. 346ff ). Bezogen auf den in Kapitel 3 vorgestellten Grundkurs bilden die Lektionen 2 und 3, die Inventur, das Inventar, die Bilanz, das Unternehmensmodell und die Verknüpfung von Bilanzen, diese erste Elaborationsstufe. Bis hierhin handelt es sich um Vorformen der doppelten Buchführung, des handelsrechtlichen Jahresabschlusses, der hier als vereinfachte, handelsrechtlich gegliederte Bilanz erarbeitet wird. Das „Allgemeinen Unternehmensmodells" beinhaltet hier noch nicht die Kategorien „Aufwendungen" und „Erträge".

35

Display Theorie (Merrill 1983) keine eigene Inlialtsklasse fur Nonnen gibt und diese auch dieser Klasse zugeordnet sind, wurde die Übersetzung mit „Gesetzmäßigkeiten" gewählt Mit der Äquivalenzhypotlicse werden aus zwei sich widersprechenden und scliwcr nachprüfbaren Ungleichungen über „Wert der abgegebenen Leistung < Wert der erhaltenen Gegenleistungen" zwei Gleichungen „Weit der Leistung = Wert der Gegenleistung" erzeugt. Sowohl der Verkäufer als auch der Käufer erfassen also zunächst in ihrer Buchhaltung nicht den Vorteil, der sie zu dem Geschäftsschluss gerührt liai. Die Werteäquivalenz ist die Grundlage fur die mathematische Soll- und Habengleichhcit.

132

2. Curricuhre Bezugspunkte des wirtschaflsinstrunienlellen

Rechnungswesenunterrichts

Stufe

Elaborationsproblematik

Zusätzliche Inhalte

Stufe 5 Fachstufe II

Der handelsrechtliche Jahresabschluss

Jahresabschluss aus Bilanz, Gewinn- und Verlustrechnung sowie Anhang, Lagebericht, Geschäftsbericht; Konzernabschluss und -rechnungslegung.

Stufe 4b Lektion 10, Fachstufe I

Erweiterung der Technik und der betrieblichen Entscheidungen

Rechnungswesen in den betrieblichen Funktionen: Absatz, Beschaffung, Finanzierung und Personalwesen; Kostenrechnung; Anlagenwirtschaft, Rechtsformbesonderheiten.

Stufe 4a

Erweiterung der Technik

EDV-gestützte Finanzbuchführung, Übernahme von Daten aus betriebsw. Anwendungen; Anschaffungspreis- und Erlöskorrekturen; Einfuhrumsatzsteuer, innergemeinschaftl. Erwerb.

Vertiefung und Ordnung des Systems der doppelten Buchführung

Bestandsveränderungen im Vorratsvermögen, Verlust; Umsatzsteuer, Vorsteuer, Zahllast, Vorsteuererstattung; Grundbuch, Nebenbücher, Hauptabschlussübersicht, Kontenrahmen und Kontenplan.

Lektion 4

Das System der doppelten Buchführung

Hauptbuch, Konteneröffnung, Bestandskonten, Aufwendungen, Erträge, Erfolgskonten, Hauptbuchabschluss, Jahresabschluss (Bilanz und Gewinn- und Verlustrechnung); Gewinnverwendung, Körperschaftssteuer, Steuerrückstellung.

Stufe 1 Lektionen 2+ 3

Der Status des Unternehmens

Inventur, Inventar, Vermögen, Kapital, Eigenkapital, Bilanz; Unternehmensmodell, Leistung = Gegenleistung, Anspruchsgruppen, Verknüpfung von Einzelbilanzen.

Kassenbericht

Realität - Beleg, Konto- und Staffelform, ordnungsgemäße Aufzeichnung, Saldieren, Zählliste, Buch-Ist-Vergleich, Abschluss und Übertrag.

Lektionen 7. 8, 10 Stufe 3 Lektionen 5, 6 , 9

Stufe 2

Epitome Lektion 1

Abbildung 2-26: Elaborationstheoretische Anordnung der Rechnungsweseninhalte

D i e Lektion 10 (EDV-gestiitzte Finanzbuchfuhrung) stellt eine spezifische Elaboration der Lektion 9 (Organisation der Buchführung) dar. Wenn in dieser Lektion nicht die Verknüpfung der Finanzbuchfuhrungsprogramme

mit anderen betrieblichen Anwendungen

thematisiert

wird, bekommt sie aus der Sicht des systematischen Lehrgangs eine g e w i s s e „Abseitsstellung". In der in Kapitel 3 vorgestellten Konzeption eines Rechnungswesen-Grundkurses übernimmt die Lektion 10 zugleich die Funktion einer Zusammenfassung, die mit einem Wechsel der medialen Repräsentation verbunden ist. In informationstechnisch akzentuierten Ausbildungsgängen kann diese Lektion jedoch vorgezogen werden. Dann kann sich eine Lektionenf o l g e 4 - 9 - 1 0 - 6 - 5 - 7 - 8 ergeben.

2.5 Elaborative und integrative

Makrosequenzierung

133

Das in „Büchern" organisierte und um die Umsatzsteuer vertiefte „System der doppelten Buchführung" wird auf der vierten Elaborationsstufe auch in betriebswirtschaftlicher Hinsicht elaboriert. Dazu sind die kaufmännischen Standardsituationen, wie sie Gegenstand der Betriebswirtschaftslehre sind, in dem System des Rechnungswesens abzubilden. Eine besondere Stellung kommt dabei der Einführung der Kostenrechnung zu, da sie eine spezifische Rechnungswesenelaboration darstellt, die mehrere betriebliche Funktionen (Absatz, Produktion und Beschaffung) umfasst. Sie ist gleichzeitig Voraussetzung für die Bewertung des Vorratsvermögens im handelsrechtlichen Jahresabschluss.

Der handelsrechtliche Jahresabschluss ist auf der Elaborationsstufe 5 angesiedelt, weil sowohl ein bestimmter Umfang an Buchfuhrungstechnik als auch an der Kenntnis wirtschaftlicher Zusammenhänge für diesen Inhaltsbereich erforderlich ist. Dieser Inhaltsbereich kann gleichzeitig als Zusammenfassung des gesamten Rechnungswesencurriculums konzipiert werden. In einem Curriculum für Steuerfachangestellte wird er inhaltlich umfangreicher sein, da hier auf untergeordneten Elaborationsstufen spezielle steuerrechtliche Elaborationen zu erfolgen haben (im Zusammenhang mit Bewertungsvorschriften und Steuern der einzelnen Rechtsformen).

Eine die Bildung von Elaborationsstufen unterstützende Komponente der Elaborationstheorie ist die Bildung von Lernvoraussetzungssequenzen bzw. Lernhierarchien. Eine solche Lernstruktur zeigt, welche Voraussetzungen gegeben sein müssen, damit ein neuer Inhalt gelernt werden kann. So können ζ. B. Begriffe und Kausalrelationen kritische Komponenten im Hinblick auf die Erkenntnis von Gesetzmäßigkeiten sein. Kritische Komponenten von Begriffen können wiederum Attribute und ihre logischen Verknüpfungen (und, oder) sein. Und kritische Komponenten von zu erlernenden Verfahrensweisen können sowohl die internen detaillierteren Schritte in einem groben Schritt (Detailablaufplan in einem Modul) als auch die verwendeten Begriffe, entscheidungsbeeinflussende Faktoren und darauf bezogene Begriffe und Entscheidungsregeln sein (Reigelulh/Stein 1983, S. 356ff).

Formale Hilfsmittel für die Beschreibung von Inhaltsstrukturierung können unter Rückgriff auf fachwissenschaftlich und wissenspsychologisch begründete Lehrstoffbeschreibungsverfahren die Komplexität der Inhaltskomponente des Lehrstoffs deutlich machen (Bromberg 1990). Auf der Basis dieser schemabasierten LehrstofTbeschreibungen (vgl. hierzu

Preiß

1990, 1993 und 1994b) wurde das „Allgemeine Unternehmensmodell" entwickelt. Schematheoretische Beschreibungen erscheinen deshalb besonders angebracht, weil damit sowohl be-

134

2. Curriculare Bezugspunkte des wirtschaßsinstrumentellen

Rechnungswesenunterrichts

griffliche als auch prozedurale Strukturen dargestellt werden können. Für Beschreibung theoretischer Strukturen (ζ. B. Produktions- und Marktgesetzmäßigkeiten) werden andere Hilfsmittel zur Ergänzung modellhafter Darstellungen heranzuziehen sein (eventuell Formeln).

Mit der strategischen Komponente „summarizer" (Zusammenfassungen) wird dem Vergessen vorgebeugt. Eine solche Zusammenfassung enthält einen kurzen Merksatz, ein prägnantes Beispiel und ein Item zur Selbstüberprüfling. Zusammenfassungen sind sowohl am Ende einer Lektion für die Inhalte der jeweiligen Lektion („internal summarizer") als auch zwischendurch über in verschiedenen Lektionen bisher gelernten Inhalte („within-set summarizer") angebracht. Letztere sind sehr stark an dem Elaborationsgedanken orientiert, da sie den Lernfortschritt bei einer bestimmten Thematik aufzeigen (vgl. Reigeluth/Stein

1983, S. 358).

Mit der Komponente „synthesizer" (integrative Übersichten) soll zu einem tieferen Verständnis des Lehrstoffes gefuhrt werden indem aufgezeigt wird, wie der jeweilige Stoff in einen größeren Zusammenhang passt, wie er mit anderen Inhalten verglichen und kontrastiert werden kann. Diese - im fragend-entwickelnden Unterricht oft als Tafelbilder (Dominanz der Systematik) überbetonten und im handlungsorientierten Unterricht oft vernachlässigten (Dominanz der Kasuistik) - integrativen Elemente sorgen für die Vernetzung verschiedener Inhaltstypen untereinander und mit dem Vorverständnis. Die Zusammenfuhrung von Inhaltselementen wird geschaffen durch die Darbietung von Lehrstoffstrukturen, integrierenden Beispielen und Verständnisfragen (vgl. Reigeluth/Stein turen i. S. v. Posch/Schneider/Mann

1983, S. 358f.). Thematische Struk-

(1983 S. 9f.) sowie konzeptuelle Modelle und Opera-

tionsdiagramme von Vernooij (1996, S. 142ff) können als solche integrativen Komponenten angesehen werden, die dann besonders wichtig werden, wenn verschiedene Strukturen explizit gemacht werden müssen.

Der in Abbildung 2-21 dargestellte Zusammenhang von Input- und Outputleistungen eines Unternehmens kann als eine solche integrierende Übersicht bezüglich (produktions-) theoretischer Zusammenhänge gesehen werden. Ablaufpläne und Schrittfolgen können prozedurale Zusammenhänge darstellen. Eine Beispiel fur die Darstellung begrifflicher Zusammenhänge wird in Abbildung 2-27 mit einer thematische Struktur bezüglich betriebswirtschaftlicher Produktionsfaktoren und verschiedener Bilanzpositionen gezeigt, wobei gleichzeitig auch deutlich wird, welches Leistungspotential nicht in der Bilanz steht.

2.5 Elaborative und integrative Makrosequenzierung

135

Betriebswirtschaftliche Produktionsfaktoren

leitende Angestellte (z. B. GeschàftsfUlre r) (normale) Angestellte nicht ah nutz bore

Betriebsmittel

(Anlage vffmôgal)

Betriebsmittel

Grund und Boden

}

Bauten (Gebäude). ab nutz bare Betriebsmittel

Grundstücke

technische Anlagen und Maschinen andere Anlagen,Betriebsuid Geschäftsausstattung zurFertiging

Haupt/ bestand direkt indie /

teflc

Erzeugnisse \ / eingehende

Werkstoffe (Einsatzstoffe )

der Teile von -

Roh-

Erzeugnissen

ste, ffc

von anderen Unternehmen

\

vorgefertigt

Komponerten \

Frcindbuuteile

\ technisch wichtige, aber wert- und mengenmäßig



uibedeUtende Komponente

Hilfsstoffe

\indirekt über die Ntlztrig der Betriebslittel in die Erzeugnisse oder Handels-

Betriebs-

waren eingehende Komponenten

stoffe

\ zur itiveränderten Weitcrver-



äußerung bestinvnte Materialien

Handelswaren

Nutzung gesel Isella ti li citer Hinrichtung Nutzung natürlicher Ressourcen

Abbildung 2-27: Betriebswirtschaftliche Abstraktion über Bilanzpositionen

Mit der Komponente der Analogie soll der neue Lehrstoff leichter verständlich gemacht werden, indem auf vertraute Wissensbestände bezug genommen wird. Analogien liegen außerhalb des jeweiligen Inhaltsbereichs. Je mehr Ähnlichkeiten die Analogie mit dem zu lernenden Inhalten aufweist, umso effektiver wird sie sein, je vertrauter sie den Lernenden ist, umso nützlicher wird sie sein (Reigeluth/Stein 1983, S. 360f.). Für den volkswirtschaftlichen Wirtschaftskreislauf ist eine bekannte Analogie der Wasserkreislauf (vgl. hierzu auch die Untersuchungen von Seel 1997).

136

2. Curriculare Bezugspunkte des Wirtschaftsinstrumentellen Rechnungswesenunterrichts

Das hier vorgestellte „Allgemeine Unternehmensmodell" kann im Hinblick auf die Bildung solcher Analogien weiterentwickelt werden, indem die Wertflüsse auch analog zu Flüssigkeiten dargestellt werden. Die Bilanzpositionen und Konten müssen dann mit Gefäßen verglichen werden. Dabei können die Kontenseiten als „Wasserzähler" für Zuflüsse und Abflüsse interpretiert werden. Der Leistungsprozess selbst muss dann aber als ein umfassenderes Gefäß interpretiert werden, da in diesem nicht jede einzelne „Umflillaktion" gemessen wird. Bei einer solchen Betrachtung wird aber ein Problem deutlich, Analogien können an bestimmten Stellen versagen. Da der kaufmännische Fachbegriff „flüssige Mittel" selbst schon eine eingeführte Analogie ist und inhaltlich nur die Zahlungsmittel betrifft, wäre die Analogie von „Flüssigkeiten" fur den Güterstrom und auch fur Forderungen/Verbindlichkeiten evtl. störend, d. h. Güterströme sollten aus kaufmännischer Sicht nicht durch Flüssigkeiten analogisiert werden. Forderungen/Verbindlichkeiten könnten bestenfalls durch sehr zähe Flüssigkeiten veranschaulicht werden, was auch die Nähe zu den Zahlungsmitteln aufzeigen würde.

Sehr reizvoll wäre ein Unterrichtsversuch, in dem der Güterstrom analog zu dem „elektrischen Strom" erklärt würde, bei dieser Betrachtung könnte die Zähleranalogie für Konten beibehalten, der Leistungsprozess kann als Transformationsprozess (von vielen kleinen Eingangsspannungen zu einer höheren Ausgangsspannung) und das „dauerhaft reservierte Leistungspotential" kann mit einer „Spezialbatterie zur Grundversorgung, wie sie bei langen Raumflügen eingesetzt wird," analogisiert werden. Auch der Umweltbezug könnte so thematisiert werden (Sonnenenergie, elektrische Felder etc.).

In der Elaborationstheorie wird ferner der Einsatz von „cognitive-strategy activators" empfohlen. Kognitive Strategien beinhalten Lern- und Denkstrategien, sie werden als „generic skills" (allgemeine Fähigkeiten) bezeichnet. Einerseits können im Lernmaterial Elemente wie Bilder, Diagramme u. ä. so präsentiert werden, dass sich der Lernende damit auseinandersetzen muss („embedded strategy activators") und andererseits kann er gezielt zur Benutzung von Lern- und Denkstrategien gefuhrt werden („detached strategy activators")

(¡ieigeluth/

Stein 1983, S. 3 6 I f ) . Im Sinne der Diskussion in der Berufsbildung müsste man diese Komponente generell ausbauen im Sinne der Förderung von Schlüsselqualifikationen. Im Rechnungswesenunterricht kann hier sowohl die Diskussion um die Förderung der „Kommunikationsfähigkeit", wie sie von der American (Ingram/Frazier

Accounting

Education

Change

Commission

1980) gefordert wird, als auch die Frage der Förderung mathematischer

Fähigkeiten und des kritischen Denkens aufgegriffen werden.

2.5 Elaboralive und integrative Makrosequenzierung

¡37

Mit der Komponente „learner control" (selbstgesteuertes Lernen) wird die Freiheit der Schüler bezeichnet, die sie bei der Auswahl der Inhalte, der Bearbeitungsfolge, -zeit und -Intensität sowie der Lehrmethoden und ihres eigenen Lernstils haben. Lehrgänge können im Hinblick auf die Freiheiten, die sie den Lernenden bezüglich der Mitsteuerung lassen, in drei Gruppen eingeteilt werden: lernergesteuerte, systemgesteuerte und fixe Lehrgänge. Bei den fixen Lehrgänge ist nur eine Sequenzierung vorgesehen, die Lernenden können nur innerhalb dieser Struktur Lernzeit und -intensität steuern. In systemgesteuerten Lehrgängen werden vom Lehrer oder vom „intelligenten" tutoriellen System entsprechend dem Verhalten der Lernenden alternative Sequenzen vorgeschlagen. In lernergesteuerten Lehrgängen wird die Sequenzierung vom Lernenden selbst bestimmt.

Motivierte Lerner mit guten metakognitiven Fähigkeiten auf der einen Seite und gut strukturierte Lernmaterialien auf der anderen Seite sind Voraussetzungen fur fur selbstgesteuertes Lernen (Reigeluth/Slein 1983, S. 362f ). Dennoch muss auch hier bedacht werden, dass die Schüler aufgrund naiver Lerntheorien ihr eigenes Lernen steuern. Ein Beispiel für Fehlsteuerungen zeigt Jonassen (1986, S. 269fF.) auf, indem der darauf verweist, dass hochbegabte Schüler eher anweisendes und strukturiertes Lehren bevorzugen, jedoch mehr von dem nichtanweisenden Lehren und dem Selbststrukturieren profitieren. Damit ergibt sich die Situation, dass die Lerner, die am ehesten die Fähigkeit zur Selbststeuerung haben, nicht die für sie besten Methoden wählen. Zudem wählen Schüler mit unterdurchschnittlichen Leistungen oft zu wenig instruktionale Unterstützung, während Schüler mit überdurchschnittlichen Leistungen zu viel davon wählen (Jonnassen/Grabinger 1990, S. 16).

2.5.2

Integrationserfordernisse in Abhängigkeit von der Lehrplanorganisation

Der Rechnungswesenunterricht kann wegen den veränderten Qualifikationserfordernissen und der Einheitlichkeit der angestrebten Lernprozesse nicht unabhängig von den anderen Lernbereichen der kaufmännischen Ausbildung betrachtet und konzipiert werden. Dies bedeutet, dass das Rechnungswesen von Anfang an in seinem Charakter als Steuerungs- und Kontrollinstrument fur wirtschaftliche Sachverhalte erfahrbar sein muss. Die zu erlernenden Vorschriften und Techniken erhalten damit ihren ökonomischen Sinn durch ihren Bezug auf die Zielsetzungen der zu steuernden und zu kontrollierenden Wirtschaftseinheit. Ferner werden im wirtschaflsinstrumentellen Ansatz über die Tätigkeiten des Rechnungswesens betriebsund volkswirtschaftliche Begriffe eingeführt und theoretische Zusammenhänge erschlossen.

138

2. Curriculare Bezugspunkte des wìrtschaflsinstrumentetlen Rechnungswesenunlerrichls

Dies bedeutet, dass der Entwurf eines Rechnungswesenlehrgangs nicht unabhängig von dem restlichen kaufmännischen Curriculum betrieben werden kann, d. h. die Makrosequenzierung des Rechnungswesenunterrichts muss mit der Makrosequenzierung anderer Inhaltsbereiche koordiniert werden. Die Frage der Organisationsform des Lehrplans in Form von Fächern oder Lernfeldern ist dabei zwar zu beachten, jedoch sekundär.

Der wirtschañsinstrumentelle Rechnungswesenunterricht bietet eine auf das monetär akzentuierte Informationssystem „Rechnungswesen" und das „Allgemeine Unternehmensmodell" sowie volkswirtschaftlicher Kreisläufe bezogene verfahrensorientierte (prozedurale) Elaborierung. Diese Elaborierung unterscheidet sich von der fünktionsorientierten theoretischen Elaborierung, wie sie dem Grundgedanken nach in einer „Allgemeinen Wirtschaftslehre" ( V W L und Allg. B W L und V W L 3 6 ) erfolgen sollte, die jedoch in diesen Curricula stark rechtlich geprägt ist (zur Kritik der Wirtschaftslehre vgl. Krumm

1973, Achlenhagen

1984), ohne dass

in juristisches Wissen und Denken unter Nutzung juristischer Hilfsmittel (Kommentare, Urteile) eingeführt wird. Dies bedeutet, dass in der Wirtschaftslehre vorwiegend eine begriffliche statt einer theoretischen Elaborierung erfolgt. Die rechtlichen 3 7 Inhalte (insbes. Kaufvertrag und gestörte Erfüllung) werden nur dann in eine prozedurale Elaboration gebracht, wenn sie als Standardisierungen der Abläufe beim Güter- und Zahlungsverkehr erarbeitet werden. Dies ist bei einer am kaufmännischen Schriftverkehr ausgerichteteten Sequenzierung, wie sie auch in der Lernbüroarbeit zu finden ist, möglich.

Sollen in den Inhaltsbereichen des Absatzes, der B e s c h a f f u n g und Finanzierung stärker ökonomische Entscheidungskriterien und kaufmännisch-kommunikative Problemlösungen statt formal-rechtlicher erarbeitet werden, so muss die Elaboration dieser Wirtschaftslehreinhalte primär theoretisch ausgerichtet werden und auf die prozeduralen Elaborationen der Rechn u n g s w e s e n · und Bürokommunikationslehrgänge abgestimmt werden. So wie in den folgenden Kapiteln die Elaboration von Werteflussmodellen im Rechnungswesenunterricht gezeigt wird, ist ein Bürokommunikationsunterricht mit einer Elaboration von Modellen zum Arbeitsz u s a m m e n h a n g ( „ W o r k f l o w " ) zu entwickeln. Dabei können Techniken der Geschäftsprozessmodellierung, wie sie im Z u s a m m e n h a n g mit der Entwicklung und Adaption von Softwaresystemen entwickelt wurden, auf ihre unterrichtliche Eignung hin überprüft werden. Analog 36

Auch Reigelulh (1983, S. 368Γ) sieht für einen Einfiilirungskurs in „Economics" cinc Ihcorctische Stmktuherung vor, während er einem Statistikkurs prozedural strukturieren würde.

37

In der faclididaktischcn Literatur wird oft fiUschlischerweise von .juristischen" Inltalten gesprochen. Juristische, also rechtswisscnschafUiche, Inhalte wären Aussagen über das Recht und rcchtlichc Tcchnikcn (z. B. Subsumtionen).

2.5 Elaborative und integrative Makrosequenzierung

139

d e r m o n e t ä r e n B e w e r t u n g v o n G e l d - und G ü t e r b e s t ä n d e n k a n n in einem s o l c h e n Teilcurric u l u m „ B ü r o k o m m u n i k a t i o n " eine ü b e r die f o r m a l r e c h t l i c h e B e t r a c h t u n g h i n a u s g e h e n d e B e w e r t u n g d e r sozialen V e r b i n d l i c h k e i t v o n I n f o r m a t i o n s b e s t ä n d e n 3 8 erfolgen.

In d e r d i d a k t i s c h e n S t r u k t u r i e r u n g m ü s s e n s o l c h e M o d e l l e expliziert und in ihrer E l a b o r a t i o n s o w o h l a u s f a c h l i c h e r ( f a c h w i s s e n s c h a f t l i c h e r und b e r u f s p r a k t i s c h e r ) als a u c h a u s k o g n i t i o n s p s y c h o l o g i s c h e r Sicht b e g r ü n d e t w e r d e n . F ü r die H e r a u s b i l d u n g m e n t a l e r M o d e l l e g e n ü g t es nicht, d i e s e M o d e l l e im Unterricht zu präsentieren, es m ü s s e n v i e l m e h r L e r n s i t u a t i o n e n g e s c h a f f e n w e r d e n , in d e n e n b e r u f s p r a k t i s c h g e h a n d e l t , d. h. arbeitsanalog g e r e c h n e t , gebucht, g e s c h r i e b e n und g e l e s e n wird. D i e s e T ä t i g k e i t e n b e a n s p r u c h e n Unterrichtszeit und k ö n n e n nicht d u r c h D i s k u s s i o n und Präsentation ersetzt, sondern nur ergänzt w e r d e n . Bei einer u n strukturierten Integration des R e c h n u n g s w e s e n s und der B ü r o k o m m u n i k a t i o n in d i e W i r t s c h a f t s l e h r e besteht deshalb die G e f a h r , dass e n t w e d e r der p r o z e d u r a l e o d e r der theoretische A s p e k t v e r n a c h l ä s s i g t wird. Eine strukturierte Integration ist aber m ö g l i c h und auch n o t w e n dig, w e n n klar ist, in w e l c h e r H i n s i c h t elaboriert wird. S o k ö n n e n ζ. B. R e c h n u n g s w e s e n inhalte in d i e A b s a t z p r o b l e m a t i k e i n g e b u n d e n w e r d e n , w e n n eine b e s t e h e n d e S t r u k t u r nur u m ein o d e r w e n i g e K o n t e n erweitert wird (ζ. B. spezielles U m s a t z e r l ö s k o n t o f ü r eine Artikelg r u p p e ) , nicht aber, w e n n die K o s t e n r e c h n u n g e i n g e f ü h r t w e r d e n muss. In d i e s e m letzten Fall w ü r d e n die theoretischen Z u s a m m e n h ä n g e im A b s a t z b e r e i c h in d e n H i n t e r g r u n d g e d r ä n g t werden.

Ein m e h r s c h i c h t i g e s curriculares P r o b l e m sind die B e s o n d e r h e i t e n j e d e s A u s b i l d u n g s b e r u f s im Z u s a m m e n h a n g mit den B e s o n d e r h e i t e n einzelner W i r t s c h a f t s z w e i g e , die in f ä c h e r o r i e n tierten C u r r i c u l a v o m A n s p r u c h her in einer „Speziellen B e t r i e b s l e h r e " z u m A u s d r u c k k o m m e n . In d e r curricularen Praxis w u r d e n j e d o c h in d i e s e m F a c h in den g r o ß e n A u s b i l d u n g s b e r u f e n ( G r o ß - und Einzelhandel, B ü r o - und Industriekaufleute), o f t a l l g e m e i n e Inhalte aus den B e r e i c h e n B e s c h a f f u n g , L a g e r u n g , A b s a t z und F i n a n z i e r u n g ) behandelt. D a gleichzeitig die „ A l l g e m e i n e W i r t s c h a f t s l e h r e " in j e d e m A u s b i l d u n g s b e r u f auf d e s s e n B e s o n d e r h e i t e n hin a u s g e r i c h t e t war, erscheinen die Inhalte dieser L e h r p l ä n e recht willkürlich a u f diese beiden F ä c h e r verteilt. Willkürlichkeit ergibt sich auch, w e n n sich die A b f o l g e der Inhalte an e i n e m

38

So kann ein „unverbindliches Angebot" eines guten Liereratnen durcliaus „sozial wertvoller" als das „verbindliche Angebot" einer neuen Bezugsquelle sein, zumal das verbindliche Angebot im Nonnalfall nur eine kurze Zeit verbindlich ist. Ein auch im Hinblick auf die neuen Kommunikationmedien weiterentwickelter Bürokoinmuiiikationsunterricht kann gerade bezüglich der sozialen Dimension betrieblichen Gcschehens ein Kontrast zu der monetären Sicht des Rechnungswesens sein.

140

2. Curriculare Bezugspunkte des wirtschaflsinstrumentellen Rechnungswesenunterrichts

ausgewählten wissenschaftlichen Lehrwerk orientiert und nicht begründet wird,

warum

andere Abfolgen in anderen Lehrwerken nicht berücksichtigt wurden.

In den lernfeldorientierten Curricula wird das Sequenzierungsproblem innerhalb eines Lernfeldes betrachtet, jedoch nicht zwischen den Lernfeldern. Daraus ergibt sich ein Kernproblem dieser Lehrplanorganisation. Die Inhalte eines Lernfeldes sollen der Handlungssystematik folgen. Die Handlungssystematik soll dem Aufbau stabiler Kenntnisse und

Fertigkeiten

dienen. Der Aufbau von Kenntnissen und Fertigkeiten ist aber an Voraussetzungen gebunden und sollte im Sinne einer ganzheitlichen Handlungskompetenz nicht isoliert geschehen. Die Interpretation eines Lehrplanes und die Umsetzung in ein Lehr-Lern-Arrangement ist deshalb abhängig von den vorausgegangenen, parallel unterrichteten und nachfolgenden Lernfeldern.

Für den Prozess des Aufbaus kohärenter Wissensstrukturen und die optimale Lernzeitausnutzung ist es wichtig, dass diese in Fächern oder systematischen Kursen bzw. Lernfeldern inhaltlich organisierten Elaborierungen aufeinander abgestimmt werden. Bei arbeitsteiligem Lehrereinsatz muss auch im Unterricht wirklich verlangt werden, dass etwas bei einem anderen Lehrer und zu früherer Zeit Gelerntes eingebracht wird 39 . Langfristige Behaltensleistungen und Transfer sind die Zielkategorien handlungsorientierten Unterrichts. Der Unterrichtserfolg zeigt sich deshalb genau an dieser Stelle, d. h. nicht unmittelbar nach einem Lernprozess, sondern erst ein einem späteren Lern- oder Anwendungsprozess. In einem auf kurzund mittelfristige verbale Reproduktion hin angelegten Unterricht können Lücken relativ schnell geschlossen werden (und auch schnell wieder aufreißen), in einem erfolgreichen handlungsorientierten Unterricht ist dies nicht der Fall.

An einem Beispiel kann die Integration von „Rechnungswesen" und „Allgemeiner Wirtschaftslehre" verdeutlicht werden. So kann der handlungsorientierte Aufbau des betriebswirtschaftlichen Kapitalbegriffs über Inventur, Inventar und Bilanz in der Anfangsphase des Rechnungswesenunterrichts (im Detail siehe Abschnitt 3.1.2) durch die Verknüpfung mit den gleichzeitig zu erarbeitenden Inhalten der „Allgemeinen Wirtschaftslehre" zur „Grundstruktur betrieblicher Leistungsprozesse" und zu den „Zielen ökonomischen Handelns" gestützt und ergänzt werden.

39

Allzuselir bekannt sind die Redewendungen der Schüler in dem Sinne: „Das liabcn wir nie gcniaclit" oder „Das ist schon so lange her".

2. S Elaborative und integrative

Makrosequenzierung

141

Wird in der Unterrichtseinheit zur Wirtschaftslehre der Aufbau der Rentabilitäts- und Liquiditätsbegriffe zur Vermittlung fundamentaler Ideen des Faches angestrebt, so muss sowohl mit dem Kapitalbegriff als auch mit einem Inventar oder einer Bilanz operiert werden. Wie dies unter Nutzung des Planspiels Jeansfabrik (Preiß 1994a, 1995) geschehen kann, wird ausfuhrlich dargestellt in Achtenhagen et al. (1992, S. 158ff ). Soll der Rentabilitätsbegriff verstanden werden, d. h. nicht nur als Formel reproduziert oder angewandt werden, so setzt dies ein Verständnis seiner beiden Komponenten, des Kapital- und des Gewinnbegriffs, voraus. Hinzu kommt, dass der Ermittlung dieser relativen Kennzahl ein Sinn im Vergleich von Unternehmensergebnissen und/oder alternativer Kapitalanlageformen gegeben wird.

In dem Unternehmensplanspiel Jeansfabrik werden in einer groben Auflösung die Unternehmensziele und die darauf bezogenen Leistungs- und Finanzierungsprozesse thematisiert (Preiß 1994b, S. 2ff). Dabei wird der Leistungsprozess sowohl einer mengen- als auch wertmäßigen Betrachtung mit den Input/Output-Relationen unterzogen. Die mengenbezogene Betrachtung des Inputs an Produktionsfaktoren (insbesondere an Arbeitsstunden) und des Outputs an fehlerfreien Erzeugnissen wird über Produktivitätskennzahlen analysiert. Über die Bewertung des Faktoreinsatzes und der Ausbringungsmenge wird zur Erörterung der Größen Aufwand und Ertrag hingeführt. Gewinn und die damit verbundene Eigenkapitalerhöhung wird über die Differenz von Erträgen und Aufwendungen erarbeitet und über die Eigenkapitalrentabilität in Relation zu dem anfänglichen Eigenkapital gesetzt. Die Ergebnisse in Kennzahlenform werden mit der Verzinsung bei bekannten Geldanlageformen verglichen.

In dem Planspiels Jeansfabrik ist es möglich, am Ende jeder Periode ein Inventarverzeichnis mit Nebenrechnungen abzurufen. Wegen der im Modell unterlassenen Konkretisierung einzelner Gegenstände des Anlage- und Vorratsvermögens wird in diesem Verzeichnis auf besondere Unterlagen verwiesen. Abbildung 2-28 zeigt ein solches Bestandsverzeichnis, hier in einer Situation, in der das Bankgirokonto überzogen wurde. Im Wirtschaftslehreunterricht wird dieses Inventar als Informationsinstrument genutzt, im Rechnungswesenunterricht wird es in seinem Aufbau entwickelt. Die Erarbeitung und erste ökonomische Interpretation erfolgt jedoch an einem anderen Modellunternehmen und auch mit einer veränderten Zielperspektive, dem Buch-Ist-Vergleich. In den Kategorien der Transferforschung handelt es sich noch um einen nahen Transfer.

142

2. Curriculare Bezugspunkte des wirtschnftsinslrunientellen Rechnungswesenunterrichts

Seminar fUr Wirtschaftspädagogik, Göttingen, Standardklasse

31.05.94 A W L /

Unternehmen 1 I N V E N T A R zum Ende des Monats

5

der Firma Georgia Bekleidungswerke GmbH Platz der Göttinger Sieben 7, D-37073 Göttingen

A. V E R M Ö G E N S T E I L E

Vorspalte

I . A n l a g e v e r m ö g e n DM 1. Bebaute Grundstücke lt. Grundbuchauszügen " Grund und Boden 2.635.200,00 " Gebäude für Fabrik und Büro 4.318.800,00 2. Maschinen lt. besonderem Verzeichnis 3. Betriebs- und Geschäftsausstattung laut besonderem Verzeichnis II.

U m l a u f v e r m ö g e n 1. Vorräte Material laut Zähllisten " Erzeugnisse laut Zähllisten 2. Forderungen aus Lieferungen und Leistungen laut besonderer Liste 3. Zahlungsmittel " Kassenbestand laut Kassenbericht

S u m m e

DM

6.954.000,00 2.781.600,00 1.854.400,00

3.439.064,42 4.403.212,00 7.565,00

V e r m ö g e n s

19.439.841,42

I. Langfristige Schulden 1. Bank-Darlehen laut Kontoauszug

3.017.009,00

B.

d e s

439.200,00 2.999.864,42

Summenspalte

S C H U L D E N

II. Kurzfristige Schulden 1. Kurzfristige Bankschulden laut Kontoauszug 2. Verbindlichkeiten aus Lieferungen und Leistungen laut besonderer Liste

1.668.960,00

S u m m e

4.706.093,06

der

S c h u l d e n

N e b e n r e c h n u n g e n zum a) Berechnung des Eigenkapitals Summe des Vermögens - Summe der Schulden =

Eigenkapital

b) Berechnung des Monatsgewinns Eigenkapital am Monatsende - Eigenkapital am Monatsanfang = Gewinn des letzten Monats

20.124,06

I N V E N T A R 19.439.841,42 DM 4.706.093,06 DM

= 100,0 % « 24,2 %

14.733.748,36 DM

=

14.733.748,36 DM 14.620.235,15 DM

= 100,8 % = 100,0 %

113.513,21 DM

Abbildung 2-28: Inventarverzeichnis im Planspiel Jeansfabrik (Preiß 1994a)

=

75,8 %

0,8 %

2.5 Elaborative und integrative

Makrosequenzierung

143

In der Anfangsphase des Rechnungswesenunterrichts wird von den konkreten Erscheinungen zu den abstrakteren Konzepten und zu schematischen Verfahren gefuhrt. In der curricularen Sequenz zu den betrieblichen Leistungsprozessen in der Wirtschaftslehre werden diese Konzepte aufgegriffen und in einem anderen funktionalen Zusammenhang, der von dem Wettbewerb auf einem Markt gekennzeichnet ist, erlebt. Dies sind Voraussetzungen fur eine Dekontextualisierung des Wissens.

Eine vollständige Integration der Einfuhrung in das Rechnungswesen in den Planspieleinsatz hätte hingegen entscheidende Nachteile. Einerseits verschwindet der Aggregationscharakter der Instrumente des Rechnungswesens über viele Einzelereignisse und andererseits geht die Grundidee des Buch-Ist-Vergleichs verloren. Eine Integration der Wiederholung der Dreisatz·, Prozent- und Zinsrechnung in den Planspieleinsatz hingegen durchaus sinnvoll, da es sich hierbei ja um eine Wiederholung des Lehrstoffes aus vorangegangenen Schulformen handelt.

Ein Aufeinanderbeziehen von Inhaltsstrukturen ist aber nicht nur in fächergegliederten Lehrplänen, sondern auch in lernfeldgegliederten Lehrplänen sowie in den Lehrbücher erforderlich. Derzeitig vorliegende Lehrpläne und Lehrbücher (vgl. hierzu Kunze 1992; Rebmann 1994) machen dies nur unzureichend deutlich. Einen Schritt zu Hervorhebungen der Inhaltszusammenhänge stellen die in den letzten Jahren in Niedersachsen entwickelten Richtlinien für den berufsspezifischen Unterricht dar, wo explizite Querverweise aufgeführt werden. Abbildung 2-29 zeigt die grafische Aufbereitung der Querverweise zwischen einzelnen Lerngebieten (= damalige niedersächsische Terminologie fur Lernfelder) in den Richtlinien fur Bürokaufleute {Niedersächsisches Kultusministerium

1996b).

144

2. Curriculare Bezugspunkte des Wirtschaftsinstrumentellen Rechnungswesenunterrichts

Abbildung 2-29: Querverweise zwischen den 16 Lerngebieten in den niedersächsischen Richtlinien für den Ausbildungsberuf „Bürokaufmann/Bürokauffrau"

Auch fur lernfeldstrukturierte Lehrpläne gilt, dass die Didaktik sich nicht darauf verlassen darf, dass die Schüler die Zusammenhänge und Beziehungen zwischen den Lerninhalten selbst herstellen. „Dies erweist sich . . . häufig als eine Illusion. Wenn es schlecht geht, bildet sich im Geiste die Zerstückelung, ja das Chaos der einzelnen Teilergebnisse, ab. Der unzusammenhängenden Anhäufung von Wissen in einem unkoordinierten Lehrplan entsprechen unverdaute und unzusammenhängende Wissensmassen im Geiste des Schülers" (Aebli 1987, S. 293).

Für die Strukturierung der Lerninhalte in Lehrplänen und Lernmaterialien sowie fur ihre Evaluation ist deshalb die wirtschaftspädagogische Forschung gefordert (vgl.

Achtenhagen

1996b). Die fachdidaktische Strukturierung muss sowohl die Verteilung der konkreten fachlichen Inhalte mit ihren Vernetzungen als auch die der fachübergreifenden Fähigkeiten betreffen.

2.5.3

Skizzierung einer sequenztheoretischen Strategie für die Entwicklung kaufmännischer Curricula

Die Elaborationstheorie (Reigeluth/Stein 1983, Reigeluth

1987) ist sowohl zur Makrostruk-

turierung einzelner Kurse (Lernfelder) als auch zur Sequenzierung ganzer Lehrgänge (Fächer) einsetzbar, wobei sie eine Verknüpfung des „ganzheitlich-analytischen" mit dem „elementen-

2.5 Elaboralive und integrative Makrosequenzierung

145

h a f t - s y n t h e t i s c h e n " V o r g e h e n leistet. D i e s k o m m t in d e m A u s g a n g s p u n k t v o n d e r „ E p i t o m e " und d e m E n d p u n k t , d e m „ S u m m a r i z e r " , z u m A u s d r u c k . D i e E l a b o r a t i o n s t h e o r i e sieht z w a r s c h o n die Integration n e u e n W i s s e n s und K ö n n e n s mit a n d e r e n Inhaltsbereichen vor, ist a b e r k e i n e Strategie z u r E n t w i c k l u n g eines aus m e h r e r e n F ä c h e r n o d e r L e r n f e l d e r n b e s t e h e n d e n G e s a m t c u r r i c u l u m s , weil sie nicht a u f d a s Z u s a m m e n w i r k e n v e r s c h i e d e n e r

Inhaltsklassen

abstellt. Sie k a n n a b e r in eine s o l c h e ü b e r g r e i f e n d e curriculare Strategie e i n g e b r a c h t w e r d e n .

M i t den f ü r den R e c h n u n g s w e s e n u n t e r r i c h t präzisierten s e q u e n z t h e o r e t i s c h e n Ü b e r l e g u n g e n und d e r e n U m s e t z u n g in Kapitel 3 und 4 dieser Arbeit wird gezeigt, wie eine p r o z e d u r a l e ( v e r f a h r e n s o r i e n t i e r t e ) Elaboration v o n R e c h n u n g s w e s e n t e c h n i k e n mit der E l a b o r a t i o n ö k o n o m i s c h e r M o d e l l e v e r k n ü p f t w e r d e n kann. D i e s e im R e c h n u n g s w e s e n e i n g e s e t z t e n ö k o n o m i s c h e n M o d e l l e sind w i e alle M o d e l l e im H i n b l i c k a u f ein Ziel akzentuiert. E s handelt sich hier u m m o n e t ä r e Einseitigkeit.

W e n n in e i n e m z w e i t e n Schritt ein e n t s p r e c h e n d e r S e q u e n z i e r u n g s e n t w u r f f ü r den Inhaltsb e r e i c h „ B ü r o k o m m u n i k a t i o n " ü b e r die Elaboration der t e c h n i s c h e n und

kommunikativen

V e r f a h r e n präzisiert w e r d e n kann 4 0 , ü b e r den die soziale D i m e n s i o n der U n t e r n e h m u n g u n t e r E i n b e z i e h u n g rechtlicher und organisatorischer Inhalte modelliert wird, sind die

beiden

h i s t o r i s c h e n K e r n e l e m e n t e k a u f m ä n n i s c h e r Curricula integrativ ausgerichtet.

I m H i n b l i c k a u f d i e B e g r ü n d u n g v o n I n h a l t s e n t s c h e i d u n g e n im g e s a m t e n k a u f m ä n n i s c h e n C u r r i c u l u m stellen d a s Teilcurriculum „ R e c h n u n g s w e s e n " und d a s T e i l c u r r i c u l u m

„Büro-

k o m m u n i k a t i o n " v e r f a h r e n s e l a b o r i e r t e Inhaltsstrukturen bereit, die im H i n b l i c k a u f t h e o r e tische Z u s a m m e n h ä n g e ( a l l g e m e i n e W i r t s c h a f t s l e h r e ) und b e r u f s s p e z i f i s c h e Inhalte (spezielle B e t r i e b s l e h r e n , I n f o r m a t i k , Steuerlehre, R e c h t s l e h r e etc.) zu ergänzen o d e r zu v e r k ü r z e n sind.

D a r a u s ergibt sich f o l g e n d e curriculare Strategie: D a s in dieser Arbeit skizzierte b e r u f s n e u trale R e c h n u n g s w e s e n c u r r i c u l u m s o w i e eine in ä h n l i c h e r W e i s e zu e n t w i c k e l n d e s B ü r o k o m m u n i k a t i o n s c u r r i c u l u m k ö n n e n als D i s k u s s i o n s b a s i s in eine L e h r p l a n e n t w i c k l u n g eingebracht w e r d e n , die sich p r i m ä r a u f die a n g e s t r e b t e n Q u a l i f i k a t i o n e n b e z ü g l i c h d e s E r k e n n e n s t h e o retischer Z u s a m m e n h ä n g e u n d e m p i r i s c h e r I n f o r m a t i o n e n aus der W i r t s c h a f t k o n z e n t r i e r e n kann. S o l c h e a u f F a k t e n g e s t ü z t e n theoretischen Z u s a m m e n h ä n g e k ö n n e n das Z i e l s y s t e m d e r U n t e r n e h m u n g o d e r einer V o l k s w i r t s c h a f t , die M a r k t f o r m e n l e h r e mit

40

Preis-Absatz-Funk-

Als eine Vorarbeit dazu kann der Entwurf eines sozio-technisclten Ansatzes der Didaktik der Biirokominunikation von Preiß( 1997 und 1998) gesellen werden.

146

2. Curriculare Bezugspunkte des wirtschaftsinslrumentellen Rechnungswesenunterrichts

tionen, Produktionsfunktionen usw. sein. Weiterhin sind die spezifischen Inhalte eines Ausbildungsberufs festzulegen. Diese theoretischen Zusammenhänge sollten dabei über Handlungssituationen identifiziert und in ihrer inhaltlichen Ausprägung über wissenschaftliche Aussagen legitimiert werden, damit sich eine praktische Relevanz und sachliche Richtigkeit ergibt. Denn aus einzelnen Handlungssituationen lassen sich nur mit wissenschaftlichen Methoden allgemeine Erkenntnisse und damit schulrelevante Lehrstoffe gewinnen.

Nach der Festlegung von Handlungssituationen zugeordneten theoretischen Kenntnissen kann dann überprüft werden, welche Fertigkeiten in diesen Handlungssituationen benötigt werden. Diese identifizierten Fertigkeiten können dann dahingehend überprüft werden, mit welchen Rechnungswesen- oder Bürokommunikationsinhalten sie verbunden werden können und welchen Elaborationsstand sie somit voraussetzen. Daran anschließend kann dann über den jeweiligen konkreten U m f a n g der „Rechnungswesen-" und „Bürokommunikationstränge" in einem Curriculum entschieden werden.

Für die Umsetzung der identifizierten Inhalte kann sowohl eine Lernfeldstruktur-, eine koordinierte Fachstruktur, eine mit „Projekten" oder „handlungsorientierten Themen" durchsetzte Fachstruktur oder eine Matrixstruktur (Fach χ Projekt) gewählt werden. Für die zeitliche Abfolge einzelner Lernfelder oder Projekte muss dabei der Elaborationsgedanke des Spiralcurriculums erkennbar bleiben. Dieses kann dann in etwa wie in Abbildung 2-30 veranschaulicht werden.

'itile AuKÜflcrcnzic·

Thema A

Abbildung 2-30: Die Curriculumspiralen in der Curriculumspirale

2.5 Elaborative und integrative

Makrosequenzìerung

147

Die Rechnungswesen- und Bürokommunikationsinhalte bilden eine jeweils eigene spiralförmig angeordnete Dimension im ebenfalls spiralförmig angeordneten Gesamtcurriculum. Die anderen Fächer oder Lerngebiete werden in der Gesamtspirale an ihrer optimalen Stelle platziert. Der Rechnungswesenunterricht ist somit durch die ständige Ausweitung der Problematik elaborativ und als System erkennbar. Über die damit verbundene Ausdifferenzierung des „Allgemeinen Unternehmensmodells" und der Verknüpfung mit volkswirtschaftlichen Modellierungen ist er ein Kernelement des gesamten kaufmännischen Curriculums. Dabei können Teilbereiche des Rechnungswesenunterrichts, auch im Zusammenhang betrieblicher Funktionen (Beschaffung, Absatz etc.) oder Projekte (Sonderaktionen, Umorganisation etc.) unterrichtet werden. Eine solche Integration neuer Rechnungsweseninhalte in andere Themengebiete ist dann sinnvoll, wenn die prozedurale Elaboration minimal ist, d. h. keine neuen Informationsinstrumente eingeführt werden, sondern nur die bekannte Struktur gefestigt und ausdifferenziert wird, z. B. durch neue Konten.

2.6

Gestaltung der Lernmaterialien, Lernprozesse und Lernerfolgskontrollen im Sinne konstruktivistischer Prinzipien

2.6.1

Grundsätze des Lernhandelns

Dem wirtschaftsinstrumentellen Rechnungswesenunterricht liegt das didaktische Konzept des handhmgsorientierten

Lernens zu Grunde. Aus ihm ergeben sich sowohl curriculare als auch

unterrichtsmethodische Anforderungen. Während die curricularen Bezugspunkte in den vorangegangenen Abschnitten schon dargelegt wurden, erstrecken sich die unterrichtsmethodischen Bezugspunkte vor allem auf die inhaltliche und formale Qualität des Lernhandelns, die Qualität der medialen Repräsentation von Lerngegenständen und die Sequenzierung der Lernerfahrungen innerhalb einzelner Unterrichtseinheiten.

Mit der Kennzeichnung des Ansatz als „handlungsorientiert" wird auch hervorgehoben, dass sowohl bei der Planung und Durchführung von Unterricht als auch bei dessen Analyse das Handeln der Schüler, die individuelle aktive Auseinandersetzung der Lernenden mit dem Lerngegenstand unter den Bedingungen der jeweils konkreten Lernumwelt, in den Mittelpunkt zu stellen ist. Die zum Zwecke des Wissens- und Kompetenzerwerbs erfolgende Aktivität der Schüler können als „Lernhandeln" bezeichnet werden (vgl. Tramm 1984 und 1992).

148

2. Curriculare Bezugspunkte des wirtschaflsinstrumentellen Rechnungswesenunterrichts

Zentral ist dabei die Betonung der äußeren und inneren Aktivitäten der Lernenden. Die Bedeutung der äußeren Komponente liegt darin begründet, dass Lernen immer den Kontakt mit der Umwelt voraussetzt, weil es ja letztlich darauf zielt, den Lernenden zur Bewältigung und Gestaltung von Lebenssituationen zu befähigen. Die gegenständliche und soziale Umwelt liefert in vielfältiger Form die Impulse, die Herausforderungen und Anforderungen, die Informationen und Hilfestellungen und schließlich die Rückmeldungen fur dieses Lernhandeln. Vor allem aber liefert sie die Lerngegenstände, die sich die Lernenden aneignen sollen. Der Begriff der Aneignung verweist auf die innere Komponente des Lernhandelns, also darauf, dass die äußeren Bedingungen nur insofern lernbedeutsam werden, als sie intern verarbeitet werden. Lernhandeln umfasst also neben motorischer immer auch wesentlich kognitive Aktivität. Auf der Grundlage der bereits erworbenen individuellen Wissenssysteme werden Situationen wahrgenommen und gedeutet, werden Handlungsziele definiert, Handlungspläne entworfen oder bereits bewährte Handlungswege aus dem Gedächtnis abgerufen, wird die Handlungsausführung reguliert und wird schließlich das Handlungsergebnis wahrgenommen und beurteilt.

Im Zuge dieser miteinander verbundenen äußeren und inneren Aktivitäten machen die Lernenden Erfahrungen mit ihrer Umwelt, mit sich selbst und mit der Qualität ihrer Handlungen. Sie stoßen auf Materialien, auf Ideen, auf Probleme, die ihnen bisher unbekannt waren; sie bemerken Lücken, Widersprüche in ihrem Wissen, haben aber auch „Aha-Erlebnisse"; sie fühlen sich immer sicherer beim Kontieren von Belegen und anderen Tätigkeiten. Kurz: Sie gewinnen Anstöße, die dazu fuhren, dass sich die Wissensbasis ihres Handelns weiterentwickelt und dass ihnen künñig qualifizierteres Handeln und weiteres Lernen möglich sind.

In dieser Hinsicht sind plakativ verwandte pädagogische Grundsätze wie „vom Leichten zum Schweren", „vom Bekannten zum Unbekannten" oder „vom Einfachen zum Komplexen" in Frage zu stellen (vgl. Willmann

1989, S. 235fT ). Forschungsergebnisse und darauf basierende

Modelle aus dem Bereich der Motivationspsychologie zeigen, dass nicht die leichten Aufgaben am meisten motivieren (Heckhausen 1988, S. 2 6 6 f f ) . Informationstheoretische Modelle erklären, dass nicht das Vorfinden von Bekanntem, sondern ein mittlerer Grad von erstmaliger und bestätigender Information ein Optimum für die Informationsaufnahme schafft (v. Weizsäcker

1986, S. 98ff ). Deshalb ist es plausibel, dass auch nicht das „Einfache" im

Gegensatz zum „Komplexen" per se fur die Gestaltung von Lernaufgaben bevorzugt werden darf. Man sollte berücksichtigen, dass Lernprozesse auch außerhalb der Schule in äußerst komplexen Umwelten stattfinden. Die Problematik dieser außerschulischen Lernprozesse

2.6 Gestaltung der Lernmaterialien, Lernprozesse und Lernerfolgskontrollen

149

liegt weniger in der Überforderung der Lernenden, als vielmehr in den damit häufig verbundenen hohen zeitlichen und materiellen Kosten und Risiken sowie in der begrenzten Verallgemeinerbarkeit derartiger Erfahrungen. Demgegenüber bestehen Defizite schulischer Lernprozesse im Bereich der Umsetzung theoretischer Kenntnisse in praktische Handlungen und in der Sicherung von Lerneffekten, die über Klassenarbeits- und Prüfiingstermine hinausreichen (vgl. ζ. B. Renkl/Gruber/Matidl/Hinkofer

1994).

Diese - hier nur angedeuteten - Überlegungen fuhren dazu, die Frage nach der inhaltlichen und formalen Qualität des Lernhandelns in den Mittelpunkt der Argumentation zu stellen (vgl. Tramm 1992, S. 171ff.). Bezogen auf die Gestaltung von Unterricht ergeben sich folgende Fragen: Welche inhaltlichen und sozial-kommunikativen Erfahrungen werden den Lernenden im Unterricht ermöglicht, d. h. welche Phänomene, Objekte, Vorgänge, Begriffe, Zusammenhänge etc. werden in welcher Form und in welchem Zusammenhang zugänglich gemacht (vgl. Seemann/Tramm 1988); Wie anspruchsvoll sind die Handlungsanforderungen, die die Schüler im Zuge des Lernhandelns zu bewältigen haben. Das Anspruchsniveau lässt sich dabei unter vier Aspekten präzisieren (Preiß/Tramm 1996, S. 243): Wie vollständig sind die Handlungen im Sinne der Einheit von Zielbildung, Handlungsplanung, Handlungsausfuhrung und Handlungskontrolle sowie ihrer Bewertung? Wie problematisch sind die Handlungen i. S. der Notwendigkeit, selbständig neue Lösungen gedanklich entwerfen zu müssen? Wie komplex sind die Handlungen in dem Sinne, dass sie sich aus einer unterschiedlich langen Abfolge von Teilhandlungen zusammensetzen? Wie ganzheitlich sind die Handlungen im Sinne einer Einheit kognitiver, affektiver und psychomotorischer Aspekte? Wie ausgeprägt ist das Reflexions- und Systematisierungsniveau des Lernhandelns, d. h. in welchem Maße gelingt es, ein Wechselspiel von handlungs- und problembezogener Erfahrung und begrifflich-abstrakter Reflexion und Systematisierung zu verwirklichen? Erst über solche Prozesse wird es möglich, im unmittelbaren Erfahrungskontext gewonnenes Wissen in bestehende Strukturen einzuordnen, zu generalisieren und fur zukünftige Situationen anwendbar zu machen (ebenda).

150

2. Curriculare Bezugspunkte des wirtschaflsinstrumentellen Rechnungswesenunterrichts

Einige weitergehende Präzisierungen soll unmittelbar auf den Rechnungswesenunterricht bezogen werden (vgl. Tramm 1992, S. 171ff., Achtenhagen et al. 1992, S. 113ff. und 202ff.): Die Schüler sollen sich Begriffe, Konzepte, Theorien, Techniken und Operationen des Rechnungswesens sowohl inhaltlich erschließen - d. h. ihre Bedeutung, ihre inhaltliche Substanz erarbeiten - als auch in ihrer Bedeutsamkeit erfahren - d. h. sich diese aus ihrem pragmatischen Sinnbezug heraus als Mittel zur Beurteilung und Steuerung von Unternehmensprozessen erschließen. Die Schüler sollen dementsprechend von Beginn an mit komplexen Problemen und Situationen konfrontiert werden, deren Struktur realitätsnah, deren Inhalt subjektiv bedeutungsvoll und deren Präsentation auf den Erfahrungs- und Erwartungshorizont der Schüler bezogen ist. Dabei ist es zulässig, dass derartige Situationen auch Elemente enthalten, die noch außerhalb des aktuellen Lernhorizonts der Schüler liegen. Das didaktische Dogma, dass im Unterricht nichts unaufgeklärt bleiben dürfe, fuhrt entweder zu künstlich simplifizierten und damit den Lerngegenstand verfälschenden Lernsituationen oder aber dazu, dass der Unterricht in einer Vielzahl von Erklärungsversuchen zerfasert, die meist die Schüler überfordern und die Lehrer frustrieren. Alltäglicher Lernerfahrung entspricht es dagegen durchaus, sich damit zu begnügen, dass nur Teile bzw. Aspekte einer Situation voll verstanden sind und dass andere Bereiche zunächst einmal als gegeben hingenommen werden. Die Schüler sollen die Lösung dieser Probleme bzw. die Bewältigung oder Gestaltung dieser Situationen sowohl gedanklich antizipativ als auch operativ handelnd vollziehen und schließlich begrifflich-systematisch generalisieren und beurteilen. Begriffliche Reflexion, gedankliche Antizipation und operative Ausführung sind aufeinander bezogene Aspekte eines einheitlichen Lernprozesses. Um ein derartiges Lernhandeln zu ermöglichen, ist es wichtig, die Lerngegenstände in anschaulicher, erfahrungsoffener, realistischer und kontinuierlicher Weise zu modellieren und im Unterricht zu repräsentieren. Anschaulich bedeutet, dass die Inhalte und Strukturen der Lerngegenstände dem erkennenden Zugriff seitens der Schüler zugänglich sind. Dieser Zugriff kann im praktischen Handeln und Problemlösen, in der eher distanzierten Analyse oder auch in der deutenden Betrachtung erfolgen. Deshalb ist Anschaulichkeit mehr als nur „Bildhaftigkeit"; wesentlich ist vielmehr, dass die zu vermittelnde Struktur tatsächlich in der medialen Repräsentation enthalten ist und dass sie durch das Lernhandeln erschlossen werden kann. Konkret bedeutet dies:

2.6 Gestaltung der Lernmaterialien, Lernprozesse und Lernerfolgskontrollen

151

Wenn Prozesse Gegenstand des Unterrichts sind, sollten sie auch prozesshaft-dynamisch abgebildet werden; wenn es um das Verstehen von Systemstrukturen geht, sollte auch die Ganzheit dieser Struktur zugänglich sein; wenn es um operative Handlungsvollzüge geht, sollte über diese nicht nur gesprochen werden, sondern die Schüler sollten sie ausführen. Es genügt nicht, die Verbalisierung auf die Schüler in Form von Gruppenarbeit und Präsentationen zu verlagern. Der Aspekt der Erfahrungsoflenheit fuhrt diese Überlegung fort: Insbesondere in Abhängigkeit von der medialen Repräsentation der Lerngegenstände variiert die Möglichkeit der Schüler, den U m f a n g und die Art der bereitgestellten Informationen selbst zu definieren; und damit verbunden variiert auch die Anforderung, selbst Informationen zu beschaffen, zu erzeugen, zu verarbeiten oder auszuwählen. Deutlich wird dies, wenn man etwa einen Beleg und eine schriftliche Beschreibung eines Geschäftsvorfalls („Zielverkauf von Waren") unter diesem Aspekt miteinander vergleicht. Realistisch bezieht sich auf den Aspekt, dass die Lernobjekte des Unterrichts exemplarische Verkörperungen von Lerngegenständen sind, anhand derer die Schüler ein inneres Modell, d. h. strukturiertes Wissen über Funktion, Merkmale und Eigenschaften dieser Gegenstände erwerben. Lernerfolg ist nur möglich, wenn die Lernobjekte tatsächlich die wesentlichen materiellen und strukturellen Merkmale des Lerngegenstandes abbilden. Darüber hinaus sollten sie den lebensweltlichen Originalen (das können Objekte, Handlungen, Systeme, Begriffe, Ideen u. a. m. sein) in der Präsentation und Verwendung so ähnlich wie möglich sein, um Interesse zu wecken, das Wiedererkennen zu erleichtern und auch eine ganzheitlich-sinnliche Wahrnehmungs- und Erfahrungskomponente zu berücksichtigen. Seine Grenzen findet dieser Grundsatz vor allem dann, wenn es um die didaktisch erforderliche Akzentuierung und Reduktion von Lerngegenständen aber auch um die Erzeugung von in der Realität nicht vorhandener Transparenz geht. Ein wichtiger Teilaspekt dieses Postulats liegt in der Forderung, bei der Modellierung des Bezugsunternehmens, also auch bei der Fall- und Aufgabengestaltung, realistische Zahlen zu verwenden. Hinter dieser Forderung steht die Überlegung, dass durch diese Zahlen die Wertebene des Modellunternehmens ausgeformt wird und dass entsprechend diese Daten in sich (im Verhältnis der Zahlen zueinander) und im Verhältnis zu den abzubildenden Prozessen und Beständen stimmig sein müssen. Weiterhin sollten diese Zahlen nicht im eklatanten Widerspruch zu den Alltagserfahrungen der Schüler stehen, und sie sollten nicht falsche empirische Annahmen oder Schlussfolgerungen nahelegen.

152

-

2. Curriculare Bezugspunkte des Wirtschaftsinstrumentellen Rechnungswesenunterrichts

Als Lerngegenstand des Rechnungswesenunterrichts kann die abstrakte und komplexe Abbildung des Leistungspotentials und der Leistungsprozesse einer Unternehmung auf der monetären - und bei einer weiten Fassung auch auf der ökologischen - Wertebene in einem formal-mathematischen System mit vorgegebenen Transformationsregeln und dessen Rückübersetzung in natürlichsprachliche Aussagen und Urteile angesehen werden. Dabei kommt dem Wechsel der Abstraktionsebene zwischen konkreten Objekten und Leistungen in der Unternehmung und ihren abstrakten Äquivalenten im Zahlensystem des Rechnungswesens erhebliche Bedeutung zu. Wenn dabei das konkrete Unternehmensmodell, auf das der Unterricht Bezug nimmt, ständig wechselt, so ist zu erwarten, dass es den Schülern schon auf der konkreten Vorstellungsebene kaum gelingen kann, ein bedeutungshaltiges, gut strukturiertes inneres Abbild dieser Modellunternehmung(en) aufzubauen. Vor diesem Hintergrund ist es angebracht, den Rechnungswesenunterricht möglichst kontinuierlich auf ein Modellunternehmen zu beziehen, dessen Struktur- und Leistungsmerkmale sich die Schüler in zunehmendem Maße vorstellen können. Dies schließt nicht aus, dass bereits aufgebaute Inhalte auf andere „Beispielunternehmen" bezogen und damit „dekontextualisiert" (Mandl/PrenzeUGräsel 1992, S. 136) werden, grundsätzlich jedoch sollte beim Aufbau neuer Inhalte Bezug auf vertraute Modellunternehmen genommen werden. Da sich diese Anbindung idealiter durch den gesamten Lehrgang zieht, zahlen sich auch Bemühungen aus, den Vorstellungsgehalt, der sich mit diesem Unternehmen verbindet, durch besondere didaktische Maßnahmen zu steigern.

Die Lernprozesse sind von Anfang an so zu gestalten, dass der Sinn der jeweiligen Technik erkennbar wird, -

dass das praktische Tun der Ausbildung kognitiver Strukturen dient,

-

dass der Kontext der Handlung variiert wird,

-

dass die Lernenden über die Steigerung der Komplexität zu anspruchsvolleren Leistungen zu fuhren sind und

-

Verknüpfungen zu anderen Lernprozessen hergestellt werden.

Die zu selbständigem und verantwortungsvollem Handeln zu erziehenden jungen Menschen dürfen nicht Techniken - sei es auch nur vorläufig - ohne ihren sinnstiftenden Hintergrund vermittelt werden. Ein auf mechanischem Lernen basierender Anfangsunterricht im Rechnungswesen ist nicht nur pädagogisch fragwürdig, sondern auch im Hinblick auf Transfer und dauerhafte Behaltensleistung uneffektiv. Vermutlich ist ein Großteil der Lernwiderstände und Lernschwierigkeiten in der „Buchungssatzdressur" und ihren kurzschlüssigen Erklärungs-

2.6 Gestaltung der Lernmaterialien, Lernprozesse und Lernerfolgskontrollen

153

versuchen (ζ. B. Bilanzveränderungsübungen) begründet. In der oft abwechslungsarmen Darbietung der „Reizklasse Geschäfts Vorfälle" und der zu bekräftigende „Reaktionsklasse Buchungssatz" wird ein besonders negatives Beispiel kaufmännischer Ausbildung deutlich, nämlich die Vermittlung isolierter Verbalkompetenz. Es kann nicht Sinn der kaufmännischen Ausbildung sein, dass vor Klassenarbeiten und Prüflingen das Gedächtnis kurzfristig „aufgefrischt" wird, das Wissen jedoch im Anwendungszusammenhang oder anderen Lernzusammenhängen nicht zur Verfugung steht.

2.6.2

Gestaltung und Einsatz der Arbeitsmittel

Im Zentrum des Lernhandelns steht die Bearbeitung arbeitsanaloger Lernaufgaben mittlerer Komplexität, deren Zusammenhang über den durchgängigen Bezug auf den Geschäftsablauf eines einheitlichen Modellunternehmens zu sichern ist. Die Bearbeitung der arbeitsanalogen Lernaufgaben sollte möglichst unter Einsatz praxisadäquater Arbeitsmittel erfolgen; dies betrifft vor allem die Verwendung realitätsnaher Belege sowie den Einsatz der elektronischen Datenverarbeitung.

Bei der Konstruktion derartiger Lernaufgaben ist zu bedenken, dass auch umfangreiche Arbeiten mit Routineelementen, wie sie im Rahmen einer realistischen Modellierung entstehen, ein didaktisches Potential besitzen. Beispielsweise können dadurch Vereinfachungs- und Verkürzungsschritte, wie sie im Rechnungswesenunterricht häufig plausibel gemacht werden müssen - etwa beim Übergang vom Inventar zur Bilanz -, besser verständlich werden. Zum anderen liegen hier Gelegenheiten, das Gelernte zu üben und Fertigkeiten auszuprägen.

Bei der Bearbeitung sehr umfassender Lernaufgaben bietet es sich zudem an, arbeitsteilig vorzugehen und Teilergebnisse anschließend gemeinsam zu integrieren. Dabei ist die objektbezogene Arbeitsteilung der funktionalen vorzuziehen, weil sie die ganzheitliche Vorgangsbearbeitung ermöglicht. Ein solches arbeitsteiliges Vorgehen bringt auch die Chance mit sich, erleben zu können, wie Aggregationen auf höherer Ebene von der Qualität der Einzelarbeit abhängig sind.

Eine zentrale Aufgabe des Rechnungswesenunterrichts liegt darin, den Schülern den Wechselbezug zwischen dem Zahlenwerk des Rechnungswesens auf der einen sowie dem zu Grunde liegenden tatsächlichen Leistungspotential und den real ablaufenden Transformationsprozessen auf der anderen Seite verständlich zu machen. Die Schüler sollten dieses Abbildungs-

154

2. Curriculare Bezugspunkte des wirtschaftsmslrumenlellen Rechnungswesenunterrichts

Verhältnis durch ständige „Obersetzungsleistungen" weitestgehend internalisieren. Die Erreichung dieses Ziels wird wesentlich dadurch beeinflusst, in welcher Weise Geschäftsvorfalle im Unterricht medial präsentiert werden. Hierbei kommt der Verwendung realitätsnaher Belege besondere Bedeutung zu. Da die Möglichkeiten der Repräsentation von Realität im normalen Unterricht ohnehin gering sind, sollte diese Diskrepanz nicht durch den Verzicht auf Belege verstärkt werden. Belege sind selbst noch nicht die „eigentliche Realität", sie stellen einen Mittler zwischen dem Eintrag auf einem Hauptbuchkonto und einem Vorgang in der Realität. Die Frage, inwieweit Belege (ζ. B. Überweisungsträger, Wechselabrechnung) im Rechnungswesenunterricht durch die Schüler erstellt bzw. geprüft werden sollten, muss in Zusammenhang mit der Integration von Inhalten aus den Bereichen „Wirtschaftsrechnen" und „Informationsverarbeitung" beantwortet werden. Die didaktische Hilfe beim Arbeiten mit Belegen ergibt sich aus der leichteren Vorstellbarkeit der realen Vorgänge aufgrund der Konkretheit des Beleges (Absender, Empfänger, Gegenstand, Termin etc.). Dazu ist es allerdings notwendig, Belege nach didaktischen Kriterien aufzubereiten.

Im wirtschaftsinstrumentellen Ansatz erfolgt die Einführung eines neuen Themas belegorientiert unter Bezug auf ein vertrautes Modellunternehmen. Damit ist sowohl eine gewisse Konstanz auf der formalen Ebene der Belege gewährleistet als auch eine geordnete Ablage dieser Belege möglich. Nach einfuhrenden Beleggeschäftsgängen kann bei der Aufgabenstellung in Differenzierungs-, Anwendungs- und Übungsphasen auch mit verbalen Belegbeschreibungen gearbeitet werden. Ob man danach noch zu den abstrakteren Formulierungen der Geschäftsvorfälle nach dem Muster „Wareneinkauf auf Ziel" übergehen sollte, hängt von den jeweiligen Prüflingsanforderungen ab. An den Belegen kann i. d. R. die Leistungs-Gegenleistungs-Relation wesentlich besser erkannt werden als an den abstrakten

Geschäfts-

vorfallbeschreibungen.

Im Grunde lassen sich zwei Phasen der Repräsentation der Modellunternehmung im Unterricht unterscheiden. Die erste Phase betrifft die Abbildung der Vermögens- und Schuldenposten im Zuge der „Istaufnahme", der Inventur. An das Modellunternehmen kann dabei herangeführt werden: durch körperliche Inventur in kleinen, abgegrenzten Teilbereichen (vorzugsweise Kassenund Lagerbestand);

2.6 Gestaltung der Lernmaterialien, Lernprozesse und Lernerfolgskontrollen

155

durch medial gestützte Veranschaulichung des Anlagevermögens, wobei sowohl realitätsnahe Arbeitsunterlagen, wie ζ. B. Anlagekarteikarten, als auch didaktisch ergänzende Medien, wie Bilder, Filme, Grundrisse etc. des Modellunternehmens, in Frage kommen; durch den Einsatz realitätsanaloger Unterlagen im Zusammenhang mit der Buchinventur, vor allem bei Forderungen und Verbindlichkeiten.

Die zweite Phase der Repräsentation betrifft die fortlaufende Veränderung der Vermögensund Schuldenposten, also die Geschäftsvorfälle. Hierbei werden bekanntlich die Prozesse nicht direkt verfolgt, sondern anhand von Belegen erfasst, die als Teil des Informationssystems die Güter- und Geldströme bzw. -transformationen begleiten und dokumentieren. Diese Belege haben mithin eine gewisse Drehscheibenfunktion: Sie übersetzen Vorgänge von der Ebene konkreter Güterströme bzw. Gütertransformationen auf die Ebene des Informationssystems, d. h. sie leisten eine Abstraktion von den Besonderheiten des jeweiligen Vorgangs auf das unter dem Aspekt der Vermögens- und Kapitalveränderung Bedeutsame. Sie verdichten durch die Verwendung der Fachterminologie komplexe Sachverhalte. Und sie dokumentieren, d. h. objektivieren, schließlich Ansprüche der Unternehmung gegenüber Dritten bzw. Ansprüche Dritter gegenüber der Unternehmung. Immer jedoch lassen sie den Rückschluss auf die zugrundeliegenden Vorgänge mehr oder weniger eindeutig zu. Zugleich sind die Belege Ausgangspunkt weiterer Abstraktions- und Verdichtungsvorgänge, die im Rahmen der Buchführung bis hin zur Buchung im Hauptbuch fuhren. Beide Aspekte sind untrennbar miteinander verbunden und scheinen gleichermaßen bedeutsam. In der gängigen Unterrichtspraxis wird demgegenüber vorwiegend mit verbal präsentierten Geschäftsvorfällen nach dem Muster „Wareneinkauf auf Ziel" gearbeitet. Diese Praxis fuhrt sehr leicht dazu, dass die tatsächlichen Ereignisse, die den Geschäftsvorfall begründen, hinter das begrifflich-abstrakte Stereotyp zurücktreten. Vor allem aber werden die Schüler nicht mehr zur eigenständigen Analyse des relativ komplexen Belegs und des hierüber dokumentierten betrieblichen Geschehens, zur Unterscheidung des Wesentlichen vom Unwesentlichen oder zur Abstraktion angehalten. Unterbleibt dann beim Operieren auf der begrifflich-abstrakten Ebene eine veranschaulichende Konkretisierung, so wird einer bedeutungsarmen Vorgangsbeschreibung der entsprechende Buchungssatz nur schematisch zugeordnet. Der Bezug zum tatsächlichen Geschehen und seinen Auswirkungen in einer (wenn auch imaginär-modellhaften) Unternehmung droht damit verloren zu gehen

156

2. Curriculare Bezugspunkte des wirtschaflsinstrumenlellen

Rechnungswesenunterrichts

(Reimers 1987). Fehlendes Verständnis bei der Bildung von Buchungssätzen wird meistens erst dann entdeckt, wenn die Grenzen des Auswendiglernens erreicht werden.

Im Sinne eines arbeitsanalogen Vorgehens sollte von Beginn an konsequent mit Belegen gearbeitet werden. Damit wird gleichzeitig ein grundlegendes Prinzip ordnungsgemäßer Buchführung angewandt und nicht nur verbalisiert. Bei diesem Vorgehen sollte immer wieder gleichermaßen der Bezug zu den realen betrieblichen Vorgängen, die mit dem Beleg dokumentiert werden, und zu den daraus resultierenden Veränderungen in der Vermögens- und Kapitallage der Unternehmung hergestellt werden. Erst wenn die Schüler die Verknüpfung beider Aspekte relativ sicher beherrschen, sollte die abstraktere Form der Präsentation von Geschäftsvorfällen, die verbale Fallbeschreibung, verwendet werden. Die Integration des Wirtschaftsrechnens ist in vielen Fällen über das Erstellen und Prüfen von Belegen möglich.

Ferner wird mit diesem Vorgehen Entwicklungen der Berufspraxis bezüglich der integrierten Datenerfassung und des „beleglosen" Datenaustausches mit automatischer Buchung Rechnung getragen wird, da nicht der Buchungssatz und die Buchung, sondern das Verständnis für die realitätsgerechte Datenerfassung und deren Auswirkung zum Hauptziel der Ausbildung wird. Das Prüfen der Belege, deren Kontierung sowie das Buchen und Abschließen der Konten ist ein geeignetes Mittel, diese Zusammenhänge über die Tätigkeit des Schülers herzustellen.

Bei der Arbeit mit möglichst realitätsnahen Belegen ergibt sich fur die Anfangsphase des Rechnungswesenunterrichts das Problem, wie mit der auf Eingangs- und Ausgangsrechnungen auszuweisenden Umsatzsteuer verfahren werden soll. Wenn man sich der derzeit dominierenden Auffassung, dass die Buchung der Umsatzsteuer nicht gleichzeitig mit der Einfuhrung der Konten erarbeitet werden kann, anschließt41, verbleiben für die Unterrichtszeit bis zur Einfuhrung der Umsatzsteuer drei mögliche Verfahrensweisen: a) Auf den Rechnungsbelegen wird die Umsatzsteuer nicht ausgewiesen, sie wird dementsprechend zunächst nicht gebucht. b) Auf den Belegen wird die Umsatzsteuer zwar ausgewiesen, es wird jedoch nur der Nettobetrag gebucht. Forderungen bzw. Verbindlichkeiten werden nicht in der den Belegen entsprechenden Höhe gebucht. 41

Im Rahmen einer Schulungskonzeption zum Erlernen eines kommerziellen Finanzbuchhaltungsprogramms fur Personen, die bisher keine Buchfuliningskciuilnissc haben, könnten die Umsatzsteuerbuchungen von Anfang an einbezogen werden.

2.6 Gestaltung der Lernmaterialien, Lernprozesse und Lernerfolgskontrollen

157

c) Auf den Belegen wird die Umsatzsteuer ausgewiesen, die Güterbuchung (Umsatzerlöse bzw. Vorleistungen) werden brutto gebucht, d. h. nicht in der den Belegen entsprechenden Höhe.

Bei der Entscheidung für eine Verfahrensweise ist die Behandlung in einer kommerziellen Finanzbuchhaltung zu bedenken. Dort wird bei den Konten mit der Umsatzsteuerautomatik nach der Möglichkeit c) verfahren. Da die Möglichkeit c) somit im Bereich einer richtigen Belegbearbeitung liegt, spricht einiges für dieses Verfahren. Diese Verfahrensweise hat den Vorzug, dass von Anfang an mit authentischen Belegen gearbeitet werden kann. So können auch die bei der Inventur eingesetzten Eingangs- und Ausgangsrechnungen die Umsatzsteuer ausweisen. Diese Verfahrensweise hat jedoch den Nachteil, dass sie zu hohe Umsatzerlöse ausweist. Bei einer über mehrere Perioden angelegten ökonomischen Modellierung der Geschäftstätigkeit ergibt dies ein verzerrtes Bild, sobald in einer der folgenden Periode die Umsatzsteuer berücksichtigt wird.

Im Hinblick auf den späteren Einsatz eines kommerziellen Finanzbuchhaltungsprogramms ist es wichtig, dass die Schüler nach der Einführung der Hauptbuchkonten die nicht-automatische Umsatzsteuerbuchung erlernen, damit sie ein zutreffendes Bild der Wertströme beim Ein- und Verkauf erhalten. Erst wenn sie diese Buchungen in ihrer Grundstruktur beherrschen, sollte die Umsatzsteuerautomatik einer Finanzbuchhaltung benutzt werden.

Neben den durch Belege oder verbale Belegbeschreibungen zu präsentierenden Geschäftsvorfällen werden Arbeitsblätter für die Grund- und Hauptbucheintragungen einschl. der Hauptabschlussübersicht benötigt. Für die Arbeit mit dem „Allgemeinen

Unternehmens-

modell" ist es vorteilhaft, wenn eine Pinnwand und Kärtchen mit Kontenbezeichnungen und Streifen für Werteströme eingesetzt werden können.

Den Schülern sollte ferner ein ausbildungsgangspezifischer „Schulkontenplan" zur Verfügung gestellt werden. In diesem sollten alle bis zur Abschlussprüfung in dem jeweiligen Ausbildungsberuf (bei Vollzeitklassen: Industriekaufmann/Industriekauffrau) benötigten Konten mit der vollständigen Kontennummer aufgeführt sein. Ein Original-Kontenrahmen (nicht nur die verkürzten Versionen in den Schulbüchern) und ein Kontenplan eines realen Unternehmens sollte den Lernenden gezeigt werden können.

158

2. Curriculare Bezugspunkte des Wirtschaftsinstrumentellen Rechnungswesenunterrichts

Wie im vorigen Abschnitt beschrieben, kann ein kommerzielles Finanzbuchhaltungsprogramm eingesetzt werden. Dabei ist es wünschenswert, wenn die Daten dieses Programmes in Tabellenkalkulations- und Grafikprogramme übernommen werden können, bzw. diese Programme diese Funktionalität beinhalten. Der Einsatz einer Schul-Finanzbuchhaltung ist dann sinnvoll, wenn diese zur Benutzung eines kommerziellen Programmes hinfuhrt. Er ist nicht sinnvoll, wenn er als Ersatz eines kommerziellen Programms dient und damit die Ablösung der Schul-Buchführung von der Berufspraxis fördert. CBT-Programme können geeignet sein, individuelle Lerndefizite abzugleichen. Sie sind nicht geeignet, den regulären Unterricht zu ersetzen. 2.6.3

Systematisierungen: Lehrbücher, Lernprogramme

Bei der hier vorgestellten Konzeption wird davon ausgegangen, dass die Einfuhrung in eine neue Thematik durchgehend an einem einheitlichen Modellunternehmen mit entsprechenden Beleggeschäftsgängen erfolgt. Diese Beleggeschäftsgänge eines Modellunternehmens können im Lehrbuch enthalten sein oder bei Verwendung eines anderen Modellunternehmens als Belegsammlung vorliegen. Mit den Belegen ist die Problemstellung bezüglich der Belegbearbeitung (Erstellung und Prüfung), des Buchens und der Auswertung der Buchungsunterlagen zu entfalten. In dieser Konzeption kommen dem Lehrbuch fur die Hand des Schülers zwei Hauptfunktionen zu: a) Unterstützung der Lerntätigkeit bei der Bearbeitung von Aufgaben (Geschäftsgänge, Berichte etc.) durch Beispiele und Erklärungen, b) Unterstützung der Wiederholung des Stoffes und Vorbereitung fur Klassenarbeiten und Prüfungen. Nach Rückwart (1997) erfüllt ein „gutes" Rechnungswesen-Schulbuch folgende „vier Bedingungen: •

Es bietet ein begrenztes Maß an Identifikation an, indem es ζ. B. personenbezogenes Handeln in Situatioen aufnimmt.



Es erklärt über das nachkonstruierte Handeln von Personen sachliche Zusammenhänge und knüpft vernetzte Beziehungen.

2.6 Gestaltung der Lernmaterialien, Lernprozesse und



Lernerfolgskontrollen

159

Es strukturiert Fachinhalte und hilft damit beim Herausbilden von, situationsbereinigten Handlungsschemata.



Es generalisiert und symbolisiert und bietet damit die Grundlage fur den Aufbau von .verstandenen' Begriffen" (Rückwart 1997, S. 8).

Diese Kriterien sind in einer handlungsorientierten und auf Integration hin angelegten Rechnungswesenkonzeption unabdingbar. Wenn Rückwart (ebenda) dies verneint, so hat er ein Fehlverständnis von Handlungsorientierung. Im handlungsorientierten Unterrricht geht es nicht darum, die vorunterrichtlichen (naiven) Vorstellungen und Erfahrungen der Schüler, sondern die Entwicklungsstufen zu professionellen Vorstellungen und Erfahrungen darzubieten.

Für die Hinfuhrung zu einer neuen Thematik bietet es sich an, handelnde Personen über narrative Texte einzuführen (vgl. hierzu den Anchored Instruction-Ansatz der Cognition and Technology Group at Vanderbilt (1990 und 1993). Diese Personen sollten über bestimmte Charaktere sowohl verschiedene ökonomische Ausrichtungen (Profiterzielung, ökologisches und soziales Engagement, mathematisch-logische Exaktheit, administrative Korrektheit, Unkonventionalität und Kreativität etc.) vertreten. Damit die Lernenden besonders herausgefordert werden, sollten mindestens eine männliche und eine weibliche Person in der problemhaltigen Situation im Wettbewerb stehen und dabei auf Kooperation und die Unterstützung durch die Lernenden angewiesen sein. Sowohl im Hinblick auf die Glaubhaftigkeit als auch im Hinblick auf die Motivation sollten die Modellpersonen keine Auszubildende, sondern junge kaufmännische Sachbearbeiter sein, evtl. sogar „Jungunternehmer" in der Position von Geschäftsführern. Die Rahmenhandlung um die Geschäftsgänge kann auch im Sinne einer Fortsetzungsgeschichte mit verschiedenen Handlungssträngen konzipiert werden. Über solche Geschichten und die modellierten Geschäfts vorfalle kann ein Rechnungswesenlehrbuch nicht nur den Lehrstoff und Übungsaufgaben bereitstellen, sondern so wie einst die Musterbuchhaltung des Matthäus Schwarz einen Einblick in das Geschäftsleben seiner Zeit bieten (vgl. Weitnauer 1931, S. 35ff ).

Die Möglichkeiten einer selbständigen Arbeit der Schüler wird wesentlich durch die weiteren zur Verfugung gestellten Informationen auf Merk- und Arbeitsblättern sowie anderweitigen Quellen bestimmt. Je mehr die notwendigen Erläuterungen aus den Materialien entnommen

160

2. Curriculare Bezugspunkte des Wirtschaftsinstrumentellen

Rechnungswesenunterrichts

werden können, kann sich der Lehrer der individuellen Beratung und Unterstützung der Lernenden sowie der Organisation der Zusammenarbeit widmen.

Nach dem einfuhrenden Geschäftsgang, der Problemstellung, den fachlichen Erläuterungen und didaktischen Hilfen zur Bearbeitung der Geschäftsfälle werden in einem Lehrbuch noch Übungsaufgaben zu der jeweiligen Thematik erwartet. Diesen Übungsaufgaben können auch andere Beispielunternehmungen zu Grunde liegen. Die Belege können bei den zusätzlichen Übungen durch Belegbeschreibungen ersetzt werden. Wenn die in eine neue Thematik einfuhrenden Geschäftsgänge regelmäßig die Inhalte der vorausgehenden Lektionen integrieren, kann der Umfang der zusätzlichen Übungsaufgaben zu einer Thematik relativ gering gehalten werden. Nach diesen Übungsaufgaben sollte das Lehrbuch mit einer Systematisierung die wichtigsten Punkte der Thematik zusammenfassen, evtl. mit einer Beschreibung der neu erreichten Qualifikation 42 .

Im Rahmen eines Rechnungswesenlehrbuchs sollte auch eine systematische Darstellung der Inhalte zur Förderung fachübergreifender Fähigkeiten zu finden sein. Hier sollten Arbeitsund Lerntechniken, die einen besonders starken inhaltlichen Bezug zu dem Rechnungswesen aufweisen, so aufbereitet werden, dass sie als Hilfe bei der selbständigen Erarbeitung der Lernaufgaben sowie der Reflexion der Lernhandlungen dienen können. Im Bereich der Allgemeinen Wirtschaftslehre bietet das Lehrbuch „Spannungsfeld Unternehmung" (Saxer/Tobler/Rüfenacht 1994) dafür ein gelungenes Beispiel. Im Rechnungswesenlehrbuch könnten hier z. B. die Inhalte der „Modellbildung und Modellkritik", „Netzwerktechnik", „Präsentationstechniken", „Argumentationstechniken" und „Prüftechniken" sowie wirtschaftsethische Inhalte im Zusammenhang mit „lauterer Berichterstattung" und „angemessenem Gewinn" zu finden sein.

Bevor ein neues Lehrbuch nach der Modellierungsmethode erstellt wird, können vorhandene Lehrbücher nach der Einführung der Erfolgskonten - eventuell teilweise - weiter genutzt werden. Für die Darstellung der Abweichungen von der Bilanzmethode sind ergänzende Arbeitsund Merkblätter zu erstellen. Informationsblätter, die sich im Unterricht bewähren, können ein wesentlicher Bestandteil eines neuen Lehrbuchs werden.

42

Damit werden Forschungsergebnisse zur Te.xtverständliclikeit berücksichtigt, nach denen Lemzielangaben im Hinblick auf Prüfungen nützlich sind. Werden Lernziele an den Anfang gestellt, so engen sie den Lernprozess zu sehrein und fiihren zur Vernachlässigung von Verknüpfungen (vgl. Ballstedt 1991, S. 30ff ).

2.6 Gestaltung der Lernmaterialien, Lernprozesse und Lernerfolgskontrollen

2.6.4

161

Lehrerverhalten

Neben den Entscheidungen über die anzustrebenden Qualifikationen und der damit verbundenen Inhaltsauswahl und -Sequenzierung kommt in einem handlungsorientierten Ansatz der Entwicklung der Lernmaterialien - oder noch umfassender: der Gestaltung der Lernumgebungen - sowie der Lehreraus- und -Weiterbildung entscheidende Bedeutung zu, weil damit der U m f a n g des möglichen Methodenrepertoires bestimmt wird. Eine Abkehr von der lehrerzentrierten Wissens- und Fertigkeitsvermittlung verlangt, dass die Lernumgebung möglichst alle Schüler über längere Zeit motiviert, d. h. interessiert und herausfordert, dass dabei aber auch die zur Lösung der Aufgaben benötigten Informationen und Lernhilfen bereitgestellt werden. Eine Problematik bei der Erstellung und Optimierung dieser Lernumgebungen liegt darin, dass diese nur begrenzt partiell evaluiert werden können, da kurzfristige Erfolgskriterien im Gegensatz zu einem fachübergreifende und langfristigen Lernerfolg stehen können. Lernschwierigkeiten an einem Inhaltsbereich müssen nicht nur aus der Aufbereitung dieses Inhaltsbereiches resultieren, sie können auch durch eine inadäquate Vereinfachung in einem anderen Inhaltsbereich begründet sein.

Die Lehreraus- und -Weiterbildung muss so gestaltet sein, dass die Lehrer über ein breites Methodenrepertoire verfugen und dieses auch in einer den Lernprozess

fördernden

Reihen-

43

folge nutzen wollen . Denn eine Unterrichtsmethode ist nur dann erfolgreich, .wenn sie der Lehrer beherrscht, wenn er sie verbindet mit einer positiven Einstellung, wenn seine Absichten (Lernziele) in Uebereinstimmung damit stehen, wenn sie inhaltlichen Aspekten entspricht, wenn er sie von anderen Methoden klar unterscheidet und 'Methodenorchestration' d. h. einen sinnvollen Wechsel der Methoden eingeht, wenn er sie verbindet mit Gesetzmäßigkeiten des Lernens (ζ. B. Gedächtnisspeicherkapazität der Schüler), wenn er sie im Kontext von Lemqualität, positiver Einstellung und auch Humor sieht usw." (Oser 1986, S. 2f.). Neben der methodischen Kompetenz ist aber auch die fachliche Kompetenz der Lehrer bezüglich Fachwissenschaft und Berufspraxis erforderlich. Die Organisation und Begleitung selbstgesteuerter Lernprozesse verlangt von den Lehrern, dass sie im Bedarfsfall richtige Erklärungen und Anregungen geben. Gerade dann, wenn es nicht nur eine richtige Lösung fur

43

In einer handlungsorientierten Gesamtkonzeption haben schülerzentrierte Unterrichtsmethoden Vorrang gegenüber lehrerzentrierten. Schülerzentrierte Unterrichtsmethoden sind nicht primar zur Wissensvermittlung, sondern zur Förderung des selbständigen Lernens einzusetzen (Hilfe zur Selbstliilfe). In der Reflexions- und Systematisierungspliase des handlungsorientierten Unterrichts haben lehrerzentrierte Unterrichtsmethoden subsidiären Charakter (zur Bedeutung des Frontalunterrichts vgl. Meyer/Meyer 1997). Eine handlungsorienlicrtc Methodenzusammenstellung gelingt dann ain besten, wenn die Ziel- und Inhaltsentscheidungen auch handlungsorientiert getroffen werden.

162

2. Curricuìare Bezugspunkte des Wirtschaftsinstrumentellen Rechnungswesenunterrichts

ein gestelltes Problem gibt, müssen Lehrer in der Lage sein, zulässige Lösungen von unzulässigen, zweckmäßige Lösungen von unzweckmäßigen unterscheiden zu können.

Im handlungsorientierten Unterricht wird von den Schülern möglichst selbständig ein Produkt erstellt. Dieses Produkt ist aber nicht beliebig, sondern es muss eine objektive und subjektive Relevanz haben und die erarbeiteten Ergebnisse dürfen nicht dem Stand der Fachwissenschaft widersprechen. Während in einem auf die verbale Reproduktion listenformig angeordneter Wissenselemente angelegten Unterricht eine falsche Lösung unter vielen richtigen nicht sehr ins Gewicht fällt, kann in einem auf Denken in Wissensnetzen hin angelegten Unterricht eine falsche Relation oder ein fehlendes Wissenselement die Gesamtlösung unbrauchbar machen. Lehrer, die einen Teil der Unterrichtssteuerung aus der Hand geben, müssen fachlich, methodisch und sozial kompetent sein und diese Teilkompetenzen zusammenbringen können. Dabei dürfen diese Kompetenzen nur begrenzt substituierbar sein, so dass der Minimumsektor den Lehrerfolg bestimmt.

Während der ersten Lehrerausbildungsphase muss die Fachdidaktik unter dem Aspekt der Erschließung wissenschaftlicher Literatur akzentuiert werden. In der zweiten Phase muss der Kompetenzerwerb mit der Schwerpunktsetzung bezüglich der „handwerklichen" Vervollk o m m n u n g weitergeführt werden. Dazu gehört auch, dass die inhaltlichen Entscheidungen nicht ausschließlich aufgrund der vorhandenen „Lehrbücher für die Hand der Schüler" getroffen werden, sondern dass das im Studium erworbene Fachwissen und die Methoden zur Erschließung w i s s e n s c h a f t l i c h e n Wissens genutzt werden.

Die Lehrerweiterbildung muss wissenschaftliche und handwerkliche Aspekte zusammenbringen. So kann z. B. die Lektüre dieses Textes einerseits zur Beschäftigung mit fachwissenschaftlicher (Kontentheorien u. ä.) und/oder erziehungswissenschaftlicher Literatur (Theorien des Situated Learning u. ä.) als auch zur Erstellung von Belegen und Informationstexten fuhren.

2.6.5

Lernerfolgskontrollen und Leistungsbewertung

Im traditionellen Ansatz des Rechnungswesenunterrichts stand das Formulieren von Buchungssätzen nach gegebenen standardisierten Geschäftsvorfällen oder Belegen, das Übertragen der Buchungssätze in die T-Konten und das Abschließen dieser Konten im Vordergrund. Entsprechend den curricularen und methodischen Veränderungen des Rechnungs-

2.6 Gestaltung der Lernmaterialien, Lernprozesse und Lernerfolgskontrollen

163

wesenunterrichts müssen auch die Lernerfolgskontrollen angepasst werden. So muss vorallem das Verständnis von horizontalen und vertikalen Systemzusammenhängen getestet werden. Die Interpretation von Daten in Relation zueinander oder zu Vergleichswerten mit der Erklärung von Abweichungen sollte zur spezifischen Lernerfolgskontrolle im Rechnungswesenunterricht werden. Manuelle Fertigkeiten im Umgang mit der „Übertragung" von Informationen in und aus Informationssystemen sollten aber nicht vernachlässigt werden.

An die Stelle der Formulierung von Buchungssätzen tritt das praxisorientierte und kognitionsgerechtere Kontieren. Diese Tätigkeit ist sehr leicht standardisierbar. Unter Verwendung eines Kontenplans (nicht: Kontenrahmens) können die Angabe der Soll- und Habenkontennummern und -beträge auch leicht maschinell ausgewertet werden, ohne dass auf Multiple-choice-Items zurückgegriffen werden muss. Kontieren erfordert als kognitive Leistung das Klassifizieren von Ereignissen. Diese Ereignisse sollten aber nicht nur auf die klassischen Geschäftsvorfälle beschränkt bleiben, sondern es können durchaus auch Belege oder Beschreibungen von nicht zu buchenden Ereignissen vorgegeben werden, z. B. einer Bestellung. Dies kann ergänzt werden durch die Frage, wann welche Buchungen durch einen Vorgang ausgelöst werden. So wird die Bestellung zu einem zu buchenden Material- oder Anlagenzugang mit dem Entstehen eines Vorsteuererstattungsanspruchs und einer Verbindlichkeit fuhren, die ihrerseits später durch eine Bezahlung, eventuell unter Aufnahme eines zu verzinsenden und zu tilgenden Kredites zu bezahlen ist. Dabei können auch die Konsequenzen fur den Bestandsausweis und die Erfolgsrechnung bis hin zur Steuerzahlung und Gewinnausschüttung erfragt werden. Die horizontalen Systemzusammenhänge können z. B. durch die Konsequenzen einer Bestellung für die Produktion und den Absatz abgefragt werden. Insgesamt bedeutet dies eine Abkehr von der L l - Z u o r d n u n g von Geschäftsvorfall und Buchung.

Lernerfolgskontrollen bezüglich der Übertragung von Kontierungen in das Buchungssystem (Grund-, Haupt-, Nebenbücher) sollten nicht gänzlich aufgegeben werden. Sie können auf traditionelle Weise oder auch unter Nutzung von Fianzbuchhaltungsprogrammen bzw. integrierter Software erfolgen. Mit diesen Lernerfolgskontrollen sind hauptsächlich psychomotorische Leistungen im konzentrierten und formal fehlerfreien Arbeiten sowie der Orientierung in umfangreichen Arbeitsmaterialien und Softwaresystemen abzutesten.

Lerntätigkeiten bezüglich der Übertragung von Daten innerhalb eines Informationssystems liegen im traditionellen Ansatz bei dem Abschluss der Konten vor. Im wirtschaftsinstrumentellen Ansatz kommen hier das Anfertigen von Zwischenauswertungen hinzu. Psychomoto-

164

2. Curriculare Bezugspunkte des wirtschoflsinslrumenlellen Rechnungswesenunterrichts

rische Lernerfolgskontrollen sind in diesem Bereich nicht sinnvoll, da diese Tätigkeiten im Gegensatz zu den Erfassungsarbeiten im beruflichen Tätigkeitsfeld bei E D V - E i n s a t z nicht manuell vollzogen werden müssen. Dies bedeutet aber nicht, dass auch auf kognitive Lernerfolgskontrollen bezüglich dieser Tätigkeiten verzichtet werden sollte. Die Kenntnisse der Schüler darüber, wie bestimmte Wertansätze im Jahresabschluss, in Kennzahlen und anderen Controllingdaten zustande g e k o m m e n sind, sind für betriebswirtschaftliche Interpretationen und die Herausbildung kritischer Urteilsfähigkeit erforderlich, und somit auch zu kontrollieren.

Entsprechend der Erweiterung der Lernprozesse um die Transformation von Daten des Rechnungswesens in sprachliche und grafische Dokumente ist auch diese Fähigkeit in Lernerfolgskontrollen zu überprüfen. Adressatengerechtes Argumentieren, Mehrperspektivität und vernetztes Denken können im Z u s a m m e n h a n g mit dem fachlichen Wissen getestet werden. Dabei können sowohl schriftliche als auch mündliche Präsentationsformen bewertet werden.

Auch im R e c h n u n g s w e s e n ist darüber nachzudenken, inwieweit affektive Lernerfolgskontrollen durchgeführt und in Bewertungen einbezogen werden können. Die Ü b e r p r ü f u n g von Einstellungen und Werthaltungen zum „monetär akzentuierten Informationssystem Rechn u n g s w e s e n " kann sowohl in der Z u s t i m m u n g oder Ablehnung bezüglich einzelner Instrumente, deren aktueller und fehlerfreien Führung, zu national oder international geltenden Rechnungslegungsvorschriften als auch zu einer gehandhabten Praxis erfolgen. Hier ist auch an den Einsatz moralischer Dilemmata zu denken, bei denen Mitarbeiter von nicht legalen Geschäftsvorfällen oder der nicht legalen Transformation von Geschäftsvorfällen im Informationssystem Kenntnis erhalten. Dies bedeutet, dass entsprechend ethische Lernziele zu formulieren sind.

3.1 Erarbeitung formaler und inhaltlicher Grundlagen

165

3

Didaktische Konkretisierung der „Einführung in das betriebliche Rechnungswesen"

3.1

Erarbeitung formaler und inhaltlicher Grundlagen anhand ganzheitlicher Vorformen der doppelten Buchführung

3.1.1 Lektion 1: Oer Kassenbericht als Grundmodell des Buch-Ist-Vergleichs 3.1.1.1

Zielsetzung und Aufbau der Lektion

In Anlehnung an die von Schär (1913, S. 12ff.) für die Kontenmethode vorgebrachte Begründung und methodischen Vorschläge wird auch in der Modellierungsmethode mit der Thematik „Kassenbericht" begonnen, weil damit -

den Erwartungen bezüglich berufsorientierter und auch sonst verwertbarer Qualifikationen entsprochen werden kann, ermöglicht wird, dass die Lernenden ihre Vorerfahrungen im Umgang mit Geld einbringen können,

-

bereits wesentliche Grundstrukturen des gesamten Inhaltsbereichs erkennbar werden (die Doppik bleibt hier allerdings verborgen), zentrale kaufmännischen Arbeitstechniken und -haltungen angewandt werden können und im Gegensatz zur Thematik „Inventur" und „Bilanz" so am Anfang nicht zu viele neue Begriffe erklärt werden müssen.

Ein Bezug zu dem privaten Haushaltsbuch oder öffentlichen Haushalten kann in einer Erweiterung der Thematik unter dem Transfergesichtspunkt erfolgen, sollte jedoch nicht ganz am Anfang stehen (im Gegensatz zu Reimers

1990, S. 107f). Haushaltsbücher werden nur in

wenigen Privathaushalten geführt. Da es durchaus keine Seltenheit ist, wenn in einer Klasse weder Schüler noch Lehrer Erfahrungen mit der Führung eines Haushaltsbuches haben, würde ein Einstieg mit diesem Anwendungsfall dem Kriterium der objektiven und subjektiven Bedeutsamkeit widersprechen. Ferner hat das private Haushaltsbuch eine andere Funktion als das betriebliche Kassenbuch. Während das Kassenbuch auf den Buch-Ist-Vergleich hin angelegt ist, wird das Haushaltsbuch mehr im Sinne eines Plan-Ist-Vergleichs geführt. Dieses gilt ebenfalls fur die Rechnungslegung der öffentlichen Haushalte. Die von Reimers

(1990, S.

166

3 Didaktische Konkretisierung der ., Einführung in das betriebliche Rechnungswesen "

107) vorgeschlagene Erkundung des Haushaltsplans einer K o m m u n e könnte im Poltikunterricht diese Thematik ergänzen.

Die Leitziele dieser ersten Lektion sind (vgl. Preiß/Tramm

1996, S. 268-273):

Die Schülerinnen und Schüler sollen am Beispiel des Kassenbuchs Sinn und Zweckmäßigkeit regelmäßiger und ordentlicher Aufzeichnungen über die Änderung von Vermögensgegenständen zur Kontrolle und Gewinnung handlungsrelevanter Informationen erfahren; am Kassenbuch exemplarisch die Grundidee der buchmäßigen Fortschreibung von Ist-Beständen und die Funktion des regelmäßigen Vergleichs der Ist-Bestände mit den Buch-Beständen erarbeiten; die fur die Erstellung eines Kassenberichts erforderlichen Arbeitsschritte sachlich und formal korrekt ausführen und in ihrem Zweckbezug erläutern können. Belege, Aufzeichnungen in Form der Staffel- und Kontorechnungen (in reiner und gemischter Form) und Zähllisten in manueller oder computergestützter Form sind einsetzbare Instrumente. Summenbildung (Addition) mit Hilfe der Zwei-Spalten-Technik (Einzahlungs- und Auszahlungsspalte im Kassenbuch; Vor- und Hauptspalte in der Zählliste), Saldierung (Subtraktion) und Abstimmung des Buch-Bestandes mit einem Ist-Bestand (einschließlich der Behandlung von Differenzen) und Berichtigung von fehlerhaften Aufzeichnungen sind einzuführende Techniken des Rechnungswesens.

Entscheidungen über zweckmäßige Bestandszusammensetzungen (Wechselgeld versus Risiko) können erörtert, aggregierte Werte (Summe der Einzahlungen, Bestandsveränderungen) können analysiert und interpretiert werden. Ferner kann die Behandlung auftretender Differenzen problematisiert und geübt werden. Durch EDV-Einsatz wird es möglich, solche Betrachtungen, Analysen und Interpretationen durch Grafiken zu stützen.

In Abbildung 3-1 wird der zu erlernende Zusammenhang von realen Sachverhalten (Bargeldbestand, Ein- und Auszahlungen), deren primäre informatorische Abbildung in Belegen und Zähllisten sowie deren sekundäre Abbildung im Kassenbuch gezeigt.

3. l Erarbeitung formaler und inhaltlicher Grundlagen

167

Auszahlungen

Vortag

heute

Einzahlungen Beleg Beleg

Bestand zihten und eintragen

[

Bestand zählen und eintragen

Kassenbuch Einzahlungen

Zählliste

Auszahlungen

Zählliste

Anfangsbestand

i gezahlter

gezählter

Bestand

Bestand

Schlussbestand Summe

-

Abbildung 3-1 : Kassenbestand und Kassenbuch

In die Thematik des Kassenberichts sind auch empirische Informationen über die Handhabung der Kassenbuchfuhrung bzw. des Kassenberichts in der betrieblichen Praxis einzubeziehen In Frage kommen hier Informationen darüber, welche Formulare in der Praxis verwendet werden, wie hoch der Umsatz einzelner Kassen in bekannten Geschäften ist, in welchem Maße tatsächlich Differenzen auftreten, was die wesentlichen Ursachen dafür sind, wie in diesen Fällen verfahren wird und wer das Risiko hierfür trägt. Ebenfalls kann deutlich gemacht werden, inwiefern auch moderne Kassensysteme das Grundschema des Buch-IstVergleichs realisieren.

Die inhaltliche und methodische Ausrichtung dieser Unterrichtseinheit erfolgt also mit der Intention, dass die Schüler über die Erstellung des Kassenberichts grundlegende Verfahrensweisen des betrieblichen Rechnungswesens erlernen und die Verwendung der so gewonnenen Informationen im betrieblichen Kontext aufzeigen können. Diese allgemeine Zielsetzung wird anhand der folgenden, nach vier Dimensionen gegliederten Lernziele inhaltlich präzisiert, wobei hier keine vollständige Operationalisierung (zu den Kriterien vollständiger Lernzielpräzisierung vgl. Mager

1973, S. lOfF, Achtenhagen

1984, S. 102ff.) erfolgt:

168

3 Didaktische Konkretisierung der „Einfahrung in das betriebliche

Rechnungswesen"

1. Begrifflichkeiten und Technik der Kassenbuchführung Die Schülerinnen und Schüler sollen wissen, dass die Bargeldbestände eines Unternehmens unabhängig von der konkreten rungsart als Kassenbestand oder Kasse bezeichnet werden;

Aufbewah-

Beispiele für arbeitstäglich anfallende Bareinnahmen und Barausgaben eines Unternehmens nennen können; die Eintragung des Anfangsbestandes, der Ein- und Auszahlungen und ggf. erforderliche Korrekturen in einem Kassenbuch nach Kontenform (Folioform oder tabellarisches Konto) sicher und formgerecht vornehmen und im Einzelfall begründen können; wissen, dass Einzahlungen den Kassenbestand erhöhen und buchmäßig zum Anfangsbestand diert werden müssen; wissen, dass Auszahlungen den Kassenbestand abgezogen werden müssen; die körperliche Zählung des Kassenbestandes erläutern können;

mindern und deshalb vom

ad-

(Anfangs-)Bestand

mit Hilfe einer Zählliste sicher durchführen

und

wissen, dass das Ergebnis der körperlichen Kassenzählung als Schlussbestand ins Kassenbuch zu übernehmen ist und begründen können, weshalb der Istbestand fiir die Abrechnung als Datum zu setzen ist; erklären können, dass bei korrekter Kassenführung und richtiger Aufstellung des Kassenberichts die Summe aus (gezähltem) Anfangsbestand und (buchmäßig erfassten) Einzahlungen die gleiche Höhe aufweisen muss wie die Summe aus (buchmäßig erfassten) Auszahlungen und (gezähltem) Endbestand; wissen, dass Kassendefizite als „Fehlbetrag" (Manko) auf der Auszahlungsseite des Kassenbuchs erfasst werden; wissen, dass Kassenüberschüsse als „Mehrbetrag " auf der Einzahlungsseite erfasst werden; mögliche Ursachen fur Kassenüberschüsse und Kassenfehlbeträge nennen können; den Kassenbericht, bestehend aus Zählliste und Kassenbuch, formgerecht abschließen erkennen, dass schriftliche Aufzeichnungen von Kassenbestandsbewegungen trolle des Bargeldbestandes und der Zahlungsvorgänge sind.

können;

ein Mittel der Kon-

2. Funktion einer ordnungsgemäß geführten Kasse im betrieblichen Zusammenhang Die Schülerinnen und Schüler sollen erkennen, dass Einzahlungen und Auszahlungen im Normalfall im Zusammenhang mit der Erfüllung des Geschäftszweckes stehen; erläutern können, wie der Bargeldbestand durch Einzahlungen auf und Auszahlungen vom Bankkonto in einer wünschenswerten Höhe und Zusammensetzung gehalten werden kann; das Vorkommen von Kassenüberschüssen und Kassenfehlbeträgen aus betrieblicher Sicht und aus der Sicht der kassenflihrenden Mitarbeiter beurteilen können; begründen können, weshalb in Unternehmen die Kassenfuhrung oft an viele Mitarbeiter wird; erklären können, weshalb die Führung der Kasse in besonderem Maße Sorgfalt, und Kontrolle erfordert;

delegiert

Aufmerksamkeit

begründen können, weshalb der arbeitstägliche Kassenabschluss aus betrieblicher und aus steuerrechtlicher Sicht sinnvoll und erforderlich ist.

3.1 Erarbeitung formaler und inhaltlicher Grundlagen

169

3. Empirische Information über einen Teilbereich der Wirtschaft Die Schülerinnen und Schüler sollen wissen und erläutern können, dass auch bei konventionellen Registrierkassen und modernen Computerkassen das Prinzip der Kassenbuchfiihrung angewandt wird; eine realistische Vorstellung darüber formulieren können, in welchem Maße in der Praxis auftreten und welche Ursachen dafür tatsächlich dominieren;

Kassenabweichungen

darüber informiert sein, wie in der Praxis bei Kassendefiziten und -Überschüssen verfahren wird (Haftungsfrage) ; wissen, in welchem Umfang und aus welchen Motiven in Privathaushalten fuhrt werden.

Haushaltsbücher

ge-

4. Kassenbericht als Anwendungsfall von Prinzipien des Rechnungswesens Die Schülerinnen und Schüler sollen -

verstehen, dass auch Dritte ein Interesse an einer ordnungsgemäßen Kassenführung

haben;

am Beispiel der Kassenauszahlung und Bankeinzahlung erklären können, dass ein Vorgang zwei Veränderungen in der Zusammensetzung des betrieblichen Vermögens auslöst; erkennen, dass Bestandsbewegungen in einem Unternehmen nicht nur die Kasse betreffen; andere veränderliche Bestandsgrößen des Unternehmens nennen können; in Analogie zur Kassenbuchfiihrung erkennen, dass und weshalb die buchmäßige aller Bestandsgrößen zweckmäßig ist;

Fortschreibung

in Analogie zur Kassenbuchführung sung notwendig ist.

Bestandserfas-

3.1.1.2

erkennen, dass eine regelmäßige körperliche

Belegbasierte Aufgaben und Arbeitsmittel

Da im Wirtschaftsinstrumentellen Ansatz ein durchgängiger Bezug der unterrichtlichen Buchungsarbeiten auf ein Modellunternehmen in Form einer kleinen industriellen GmbH gefordert wird, sollte die in dieser ersten Lektion eingesetzten „arbeitsanalogen Lernaufgaben" einen Teilbereich dieses Modellunternehmens erschließen. Im normalen Industriebetrieb ist die Kassenhaltung im Gegensatz zum Handelsbetrieb nebenrangig. Hat der Industriebetrieb jedoch einen Fabrikverkauf, so wird dort die Kasse in ähnlicher Weise wie im Handel geführt. Bei Modellunternehmen, die keine Konsumgüter herstellen, verbleibt nur die Modellierung von kleineren Auszahlungen für Bürobedarf und eventuell die Abrechnung von Kantinenverkäufen etc.

Die Lektion zum Kassenbericht sollte aus zwei bis vier „arbeitsanalogen Lernaufgaben" in Form von Kassenbeleg-Sammlungen zu aufeinanderfolgenden Arbeitstagen bestehen. Wenn mehr als zwei Aufgaben konzipiert werden, sollten die Daten des ersten Kassenberichts so modelliert sein, dass keine Differenzen zwischen Buchbestand und Istbestand auftreten.

170

3 Didaktische Konkretisierung der „Einführung in das betriebliche Rechnungs-wesen"

„Was-wäre-wenn"-Überlegungen können dann zur Behandlung von Differenzen (Fehlbetrag, M e h r b e s t a n d ) überleiten. Bei L e r n g r u p p e n mit g u t e m L e i s t u n g s v e r m ö g e n h i n g e g e n m ü s s e n n u r zwei K a s s e n b e r i c h t e g e f ü h r t w e r d e n . Hier kann d a n n im ersten ein F e h l b e t r a g und im z w e i t e n B e r i c h t ein M e h r b e t r a g modelliert w e r d e n . Z w e i K a s s e n b e r i c h t e sind

mindestens

e r f o r d e r l i c h , d a m i t der Z u s a m m e n h a n g v o n S c h l u s s b e s t a n d u n d A n f a n g s b e s t a n d d e s n ä c h s t e n K a s s e n b u c h s deutlich wird. D e r A n f a n g s b e s t a n d des n e u e n K a s s e n b u c h s m u s s identisch mit d e m g e z ä h l t e n S c h l u s s b e s t a n d des v o r a u s g e g a n g e n e n sein. S o wird am Beispiel d e s K a s s e n b u c h s d a s später f u r das H a u p t b u c h w i c h t i g e Prinzip d e s V o r t r a g s eines B e s t a n d e s in eine n e u e R e c h n u n g erlernt.

D i e K a s s e n b u c h f l i h r u n g beginnt mit d e m B e t r a c h t e n des f o r m a l e n A u f b a u s d e s K a s s e n b u c h s . In das d a f ü r b e n ö t i g t e Arbeitsblatt kann der A n f a n g s b e s t a n d bereits in d e r E i n z a h l u n g s s p a l t e e i n g e t r a g e n sein. D i e P r o b l e m s t e l l u n g f ü r die Schüler lautet, diesen A n f a n g s b e s t a n d n u n so f o r t z u f u h r e n , d a s s aus d e m K a s s e n b u c h j e w e i l s der aktuelle Bestand ermittelt w e r d e n könnte. E i n e P r o b l e m l ö s u n g k a n n d a f ü r in F o r m einer S t a f f e l r e c h n u n g fur die ersten B e l e g e v o r g e n o m m e n w e r d e n . Als k a u f m ä n n i s c h e Alternative zu dieser S t a f f e l r e c h n u n g wird d a n n d e r B e g r i f f der „ K o n t o r e c h n u n g " f u r das Arbeitsblatt mit g e t r e n n t e n Ein- und A u s z a h l u n g s s p a l t e n e i n g e f ü h r t . Dabei k a n n bei d e m E i n s a t z der tabellarischen K o n t o f o r m a u f eine M i s c h f o r m z w i s c h e n Staffel- und K o n t o r e c h n u n g h i n g e w i e s e n w e r d e n , bei der in einer dritten B e t r a g s spalte d e r j e w e i l i g e Saldo nach j e d e r B e w e g u n g a u s g e w i e s e n wird. S o k ö n n e n V o r - und N a c h t e i l e der j e w e i l i g e n A u f z e i c h n u n g s f o r m in einem ersten Z u g r i f f thematisiert w e r d e n . D e r H a u p t v o r t e i l b e z ü g l i c h der r e c h n e r i s c h e n und sachlichen K o n t r o l l e s o w i e der

Summen-

b i l d u n g f ü r gleichartige V o r g ä n g e wird erst beim A b s c h l u s s ersichtlich.

Im Idealfall p r o b l e m l ö s e n d e n und e n t d e c k e n d e n L e r n e n s w ü r d e das A r b e i t s b l a t t z u m K a s s e n b u c h nicht v o r g e g e b e n , sondern die S c h ü l e r müssten die K o n t o f o r m der A u f z e i c h n u n g quasi „ n a c h e r f i n d e n " . D a z u w ä r e das P r o b l e m v o n vornherein so zu stellen, dass einerseits d i e S u m m e n der Ein- und A u s z a h l u n g e n benötigt w ü r d e n und andererseits deutlich w ü r d e , d a s s der A n f a n g s b e s t a n d zu den E i n z a h l u n g e n und der Schlussbestand zu den A u s z a h l u n g e n g e rechnet w ü r d e . V e r m u t l i c h w ü r d e dann die „ P r o b l e m l ö s u n g " der Schüler eher zu den tatsächlich v o n der k a u f m ä n n i s c h e n B e r u f s p r a x i s v e r w a n d t e n F o r m u l a r e n mit der B e s t a n d s r e c h n u n g im A n s c h l u s s an d i e S u m m e n b i l d u n g f u h r e n , statt z u r reinen K o n t o f o r m .

N a c h d e m d e n S c h ü l e r n die K o n t o f o r m des K a s s e n b u c h s erläutert wurde, haben sie d i e ersten mit d e r S t a f f e l r e c h n u n g an der T a f e l v o r g e n o m m e n e n B u c h u n g e n in ihr K a s s e n b u c h zu

3.1 Erarbeitung formaler und inhaltlicher Grundlogen

171

übernehmen. Daran anschließend sollten sie weitgehend selbständig die restlichen Belege bearbeiten. Damit sie die richtige Eintragung vornehmen können, sollten die Lernenden zunächst die hinter diesem Beleg stehende Geldbewegung erschließen: Einzahlung oder Auszahlung. Eine Schwierigkeit kann dabei in Form eines Belegs fur eine Einzahlung auf das Bankkonto gegeben sein, da dies in eine Auszahlung aus der Kasse umgesetzt werden muss. Im Bedarfsfall sind die Schüler während der Bearbeitung auf die ordnungsgemäße Berichtigung von Fehleintragungen hinzuweisen. Dies sollte nicht vorweg als Belehrung über formale Ordnungsgemäßheit erfolgen.

Nach der Eintragung aller Belege kann das Problem gestellt werden, ob noch weiteres Geld zur Bank zu bringen ist, ζ. B. durch Vorschriften über die maximale Versicherungssumme des Tresors. Die Schüler können dazu den Saldo in einer Nebenrechnung ermitteln und evtl. einen Einzahlungsbeleg ausfüllen. Damit die notwendige Ermittlung des Schlussbestandes über einen Zählvorgang erkannt wird, ist die Frage aufzuwerfen, wieviel Geld nun tatsächlich in den Tresor zu bringen ist und wie man dies der Versicherung gegenüber am besten glaubhaft machen könnte. Die Schüler sollen so erkennen, dass zwar fur betriebliche Entscheidungen die Buchrechnung (Saldieren) hinreichend genau ist, dass aber zum Nachweis fur Außenstehende eine tatsächliche Istaufnahme erforderlich ist.

Bei dem Abschluss eines Kassenbuches darf deshalb der Schlussbestand nicht als Saldo ermittelt werden. Es muss vielmehr von Anfang an deutlich werden, dass Schlussbestände im Kassenbuch - wie später auch im Hauptbuch - über ein zweites Informationsinstrument (Zählliste) aus der „Realität" gewonnen und nicht errechnet werden. Erst im Anschluss an die (evtl. zunächst probeweise) Eintragung des gezählten Istbestands erfolgt dann die Aufsummierung beider Kassenbuchspalten. Liegen Abweichungen in den Summen vor, so ist eine Überprüf u n g der Rechnung und der Zählung und ggf. die Buchung nicht aufgeklärter Fehl- bzw. Mehrbeträge sowie schließlich der formgerechte Abschluss des Kassenbuchs erforderlich.

D a es in dieser Lektion nicht um die Vorbereitung auf eine praktische Tätigkeit bei der Führung einer Kasse geht, werden keine Zahlungsvorgänge mit Scheck- und Kreditkartenzahlungen modelliert. Diese Reduktion kann den Schülern mitgeteilt werden.

Für die praktische Durchführung des Unterrichts sind Kassenbestände, Ein- und Auszahlungsvorgänge sowie das Kassenbuch und eine Bargeldaufnahmeliste zu modellieren. Bei der Einführung erscheint es sinnvoll, den Belegteil der Aufgabenstellung durch konkrete „Mo-

172

3 Didaktische Konkretisierung der „Einführung in das betriebliche Rechnungswesen"

delle", den Geldteil aber nur durch eine verbale Beschreibung zu repräsentieren, da die Arbeit mit „echtem Geld" zu sehr ablenken, mit „kopiertem Geld" nicht erlaubt und mit „Spielgeld" den professionellen Bezug stören würde. Statt einer verbalen Beschreibung des Bargeldbestands kann auch mit Beträgen auf Kärtchen (Metaplantechnik) gearbeitet werden. Bei den folgenden Übungen kann auch die Zählliste schon teilweise ausgefüllt vorgegeben werden, so dass die Schüler dort nur noch die Gesamtbeträge einer Geldsorte und die Summe des gezählten Geldes zu ermitteln haben.

Die Gestaltung des Arbeitsmittels „Kassenbuch" sollte der später praktizierten Kontenform (Folio oder tabellarisches Konto) entsprechen. Die Bargeld-Zählliste sollte die Stückelung des Geldes nach verschiedenen Nennwerten enthalten und damit den gleichen Grundaufbau wie die bei der Wareninventur einzusetzenden Zähllisten haben.

Diese erste Lektion kann durch den Einsatz des Computers mit einem auf Tabellenkalkulationsbasis erstellten Kassenbericht (vgl. Achtenhagen/Preiß et al. 1987, Bd. 1, S. 341, Bd. 2, S. 68ff ,Preiß 1988b, S. 633fF.) oder eines einfachen kommerziellen Kassenbuchftihrungsprogramms unterstützt werden. Dieser Computereinsatz kann von Beginn an parallel zur manuellen Bearbeitung erfolgen. Wichtig ist dabei, dass Programmablauf und Eingabemasken der manuellen Bearbeitung entsprechen. Vorteilhaft kann auch die Umsetzung der bearbeiteten Zahlen in grafische Repräsentationen und die Übernahme des Kassenbestandes in die Inventurdaten sein. Eine besondere Variante des Computereinsatzes stellt die Nutzung einer automatisierten Computerkasse dar. Mit dem Einsatz einer solchen Kasse wird einerseits eine höhere Authentizität, aber auch andererseits eine höhere Komplexität erreicht (vgl. hierzu M. Weber 1997, S. 17fT).

3.1.1.3

Reflexion und Systematisierung

Die verschiedenen arbeitsanalogen Lernaufgaben zum Kassenbericht sind durch Phasen der Reflexion und Systematisierung zu unterbrechen und abzuschließen. Für die Reflexion sind die Probleme der Schüler mit dem Umgang von Belegen, dem Ausfullen des Kassenbuches, insbesondere der Vornahme von Berichtigungen und dem Eintrag des Schlussbestandes aufzugreifen. Diese Reflexion kann durch Informationen über die Formulare, Arbeitsmittel und Verfahrensweisen der kaufmännischen Praxis sowie der gesetzlichen Vorschriften zum täglichen Kassenbericht (§ 146 AO) evtl. hier auch schon in Verbindung mit den Vorschriften

3.1 Erarbeitung formaler und inhaltlicher Grundlagen

173

zur Aufzeichnung des Warenein- und -ausgangs (§§ 143 und 144 AO) und deren Sinn (Problem des „Nicht-durch-die-Bücher-laufen-lassens") ergänzt werden.

"Weiterhin kann über die im Modell gegebenen absoluten Zahlen und deren Relationen zueinander und ihrer Entwicklung im Zeitablauf reflektiert werden. Dies kann durch Informationen über den U m f a n g von Kassenbeständen und Bargeldbewegungen in der kaufmännischen Praxis ergänzt werden. Insbesondere ist zu klären, zu welchen Zwecken ein Industriebetrieb Bargeld benötigt. In Verbindung damit kann auch über die Funktion des Fabrikverkaufs reflektiert und systematisiert werden. In besonderem Maße bietet sich jedoch eine Betrachtung der Ursachen (vgl. Abbildung 3-2) von Kassendifferenzen und deren Handhabung in der Praxis an. Ferner können auch moderne Kassensysteme im Hinblick auf das Grundschema des Buch-Ist-Vergleichs betrachtet werden. Das Verhältnis von Haupt- und Nebenkassen in den Betrieben kann ebenfalls betrachtet werden (vgl. hierzu v. Dobiejewski

1920).

Abbildung 3-2: Kassendifferenzen (M. Weber 1997, S. C-Ill, nach Quick 1991, S. 714f.) Informationen über die Zahlung mit Scheck und Kreditkarten sowie ausländischen Währungen sind ein weiterer Bereich. In der Vorphase der Umstellung des Bargeldes von D M auf Euro sind auch mögliche Konsequenzen fur die Kassenhaltung und Kassenbuchfuhrung zu

174

3 Didaktische Konkretisierung der „ Einführung in das betriebliche Rechnungswesen "

thematisieren. Es bietet sich auch an, Informationen über den Bargeldumlauf in der Gesamtwirtschaft, den „Eigentums-" und „Ausgaberechten" für Münzen und Scheine, deren „Nutzungsdauer" und „Herstellungskosten" einzubringen. Nicht vergessen werden sollte auch die Problematik des „Falschgeldes" und der Sicherheitsvorkehrungen beim Kassieren, den Risiken des Transports von Bargeld zur Bank, dem Verfahren bei der Einzahlung über Nachttresore. Eventuell kann auch hier die Thematik „Geldwäsche" in Verbindung mit sehr hohen Einzahlungen angesprochen werden. 3.1.1.4

Erweiterung zum privaten Haushaltsbuch

Insbesondere in vollschulischen Ausbildungsgängen kann die Grundtechnik der Führung eines Kassenbuchs auf die Problematik der Führung eines Haushaltsbuches übertragen und erweitert werden. Dazu ist dann die Problematik der Führung einer gemeinsamen Haushaltskasse und des persönlichen Taschengeldes zu beleuchten. Da die Zielsetzung der Führung eines Haushaltsbuches fur die gemeinsame Haushaltskasse nicht nur in der Bargeldkontrolle, sondern primär in der Kontrolle der Ausgaben, insbes. deren Zusammensetzung liegt, wird hier die Dimension eines Plan-Ist-Vergleiches erschlossen. Da fur das private Haushaltsbuch alle wesentlichen Merkmale eines Controllinginstruments zutreffen, kann es optimal genutzt werden, den Controllinggedanken anhand einer Vorform zu explizieren.

Aus dieser Zielsetzung des Transfers und Erweiterung der Thematik ergibt sich die technische Ausgestaltung der Haushaltsbuchführung in Form der zu modellierenden monatlichen Einund Ausgaben eines „Modellhaushalts", der einzusetzenden Formulare und Hilfsmittel, wobei auch an den Einsatz eines Computerprogramms zum privaten „Cash-Management" gedacht werden kann. Die inhaltliche Problematik liegt darin, dass in privaten Haushaltsbüchern oft Bargeld- und Buchgeldbestand (Guthaben auf einem Girokonto) aggregiert wird und von der reinen Zahlungsebene (Ein- und Auszahlungen) auf die Ebene der Einnahmen und Ausgaben, also

der Abbildung

gewechselt wird.

zu

erwartender

Zahlungen

und

eingegangener

Verpflichtungen,

3.I Erarbeitung formaler und inhaltlicher

Grundlagen

175

3.1.2 Lektion 2: Von der Inventur zur Bilanz - die monetäre Erfassung und normierte Darstellung eines Unternehmens zu einem bestimmten Zeitpunkt

3.1.2.1

Zielsetzung und Überleitung von der „täglichen" zur „jährlichen" Istaufnahme

In der zweiten Lektion „Von der Inventur zur Bilanz" mit den vier Themengebieten „Die Inventur zur Ermittlung der Ist-Bestände", -

„Das Inventar zum Nachweis des Vermögens und der Schulden", „Das Eigenkapital als Anspruch auf Reinvermögen und Gewinn" und

-

„Die Bilanz als Informationsinstrument über den monetären Status des Unternehmens"

sollen die Lernenden im Rahmen einer zusammenhängenden „arbeitsanalogen Lernaufgabe" die gegenständliche Zusammensetzung der Bilanzpositionen und die notwendigen Aggregationsschritte bei der Ermittlung ihres Gesamtwertes eines Unternehmens erfahren. Weiterhin dient diese Lektion dem induktiven Aufbau zentraler betriebswirtschaftlicher Begriffe, insbesondere der Kontenbezeichnungen im ersten Hauptbuch (Lektion 4). Dieser Begriffsaufbau soll nicht durch vorgegebene Definitionen, sondern im Sinne Aeblis ( 1981, S. 83ff.) über die Schritte „Handlung", „Operation", „Begriff' erfolgen. Handlungen und Operationen werden dabei didaktisch modelliert analog zur Berufspraxis auch im Unterricht vollzogen.

Mit Handlungen an gegenständlichen und informatorischen Objekten können nicht nur relativ abstrakte Bilanzpositionen, sondern auch die damit verbundenen Bezeichnungen der Bestandskonten mit einzelnen konkreten Sachen und Rechten verknüpft werden (vgl. Weller/ Preiß 1994 und Preiß/Weller

1996). Die konkreten Gegenstände eines Modellunternehmens

werden im Unterricht sprachlich und ergänzend real-gegenständlich oder bildhaft repräsentiert. Die primäre Zielsetzung besteht darin, von den möglichst konkret aufgeschlüsselten und anschaulich repräsentierten Vermögens- und Schuldenpositionen ausgehend zu den abstrakten Konzepten (Positionen und Gliederungsbegriffe) der Bilanz hinzuführen. Dieser Prozess sollte lerneraktiv erfolgen, d. h. durch den konkreten Umgang mit Informationsobjekten gewinnen und verarbeiten die Lernenden in mehreren Stufen Daten aus verschiedenen Quellen zu den in der Bilanz strukturiert erscheinenden Werten. Dabei erfolgt eine Orientierung an den jeweils geltenden Bilanzgliederungsvorschriften des Handelsgesetzbuchs.

Ì76

3 Didaktische Konkretisierung der „Einführung in das betriebliche Rechnungswesen "

In dem ersten Themengebiet „Inventur" steht die aktive, handelnde Erarbeitung der materiellen Basis eines Unternehmens durch Erfassung des Mengengerüsts und dessen Umsetzung in die Wertedimension im Vordergrund. Im zweiten Themengebiet „Inventar" stellt sich die Aufgabe, diese Werteabbildung des Unternehmens durch erste Klassifikationsmerkmale in eine betriebswirtschaftliche Ordnung zu bringen. Im dritten Thema „Eigenkapital" wird dieser zentrale betriebswirtschaftliche Begriff erarbeitet. Im vierten Thema „Bilanz" soll die Klassifikation unter Einbeziehung der gesetzlichen Vorschriften und der Interessenlagen verschiedener Anspruchsgruppen fortgesetzt werden. Durch die Gewinnung und Interpretation von Relationen zwischen den Bilanzpositionen können erste Beurteilungskriterien gewonnen werden. Die gesamte Lektion ist so angelegt, dass die Schüler nicht nur in weitere wesentliche Instrumente des Rechnungswesens, sondern gleichzeitig in die ökonomische Interpretation absoluter und relativer Bilanzzahlen eingeführt werden. Dies soll nicht die Thematik der Bilanzanalyse vorwegnehmen, sondern nur die erarbeiteten Begriffe festigen, ζ. B. anhand der Eigenkapital- bzw. Verschuldungsquote und der „goldenen Bilanzregel".

In dieser zweiten Lektion wird zunächst die bestands- und liquiditätsorientierte Schwerpunktsetzung des Einstiegs beibehalten, was jedoch nicht bedeutet, zu diesem Zeitpunkt den Prozess· und Erfolgsaspekt und damit auch den Gewinnbegriff fernzuhalten. Gerade wenn es um die Realisierung einer wertbezogen-betriebswirtschaftlichen Konzeption des Rechnungswesens geht, spielt die Gewinnorientierung eine zentrale Rolle. Dies lässt sich beim Vergleich des Eigenkapitals zu aufeinanderfolgenden Zeitpunkten in einer Vorform (d. h. unter der Annahme vollständiger Gewinneinbehaltung) durchführen.

Die im Unterricht simulierte Inventur muss einerseits in wenigen Stunden bewältigbar sein, andererseits aber einen Umfang aufweisen, dass die Erfassung und Bewertung aller Ist-Bestände als ein relativ aufwendiges Verfahren zur Darstellung der Vermögens- und Finanzlage sichtbar wird. Damit soll deutlich werden, dass zur Gewinnung von Informationen fur die Unternehmenssteuerung nicht immer eine Inventur durchgeführt werden kann, sondern dass eine sorgfältige buchmäßige Bestandsfortschreibung notwendig wird und dass über den Vergleich der Buchbestände auch eine Kontrolle realer Bestände möglich ist.

Der Umfang der zu bearbeitenden Vermögens- und Schuldenpositionen ergibt sich aus dem Aufbau eines einfachen und allgemeingültigen Modells für einen Industriebetrieb. Dabei sollten die Positionen so gewählt werden, dass im Vorratsvermögen die zur Abbildung des Produktionsprozesses benötigten Konten des Industriekontenrahmens (BDI 1990) erscheinen.

S. I Erarbeitung formaler und inhaltlicher Grundlagen

177

Dies bedeutet, dass die Bilanzposition „Roh-, Hilfs- und Betriebsstoffe" in die vier Positionen „Rohstoffe/Fertigungsmaterial", „Vorprodukte/Fremdbauteile", „Hilfsstoffe" und „Betriebsstoffe/Verbrauchswerkzeuge" zerlegt wird. Die Position „Vorprodukte/Fremdbauteile" dient dabei dem besseren Verständnis der „benachbarten" Positionen „Rohstoffe/Fertigungsmaterial" einerseits und „unfertige Erzeugnisse" andererseits. An dieser Position kann die ökonomische Entscheidungsproblematik „Eigenfertigung oder Fremdbezug" später anknüpfen. Die im Dienstleistungsbetrieb wichtige Position „unfertige Leistungen" bzw. „nicht abgerechnete Aufträge" muss an dieser Stelle nicht eingeführt werden. Neben den „Fertigerzeugnissen" sollte das industrielle Modellunternehmen jedoch auch die Position „Handelswaren" aufweisen, damit über den industriellen Leistungsprozess auch die verkürzte Struktur des Leistungsprozesses im Handelsbetrieb mit den Funktionen „Beschaffung" und „Absatz" erschlossen werden kann.

Nach der Bilanzmethode wird mit der Inventur als Istaufnahme des monetären Zustandes eines Unternehmens begonnen. Die Tätigkeit der Erfassung des Istzustandes wird dabei meist auf die Darstellung der handelsrechtlichen Vorschriften beschränkt. Das Inventar wird in einer extrem kurzen Form dargestellt. Die Übungsaufgaben dazu sind „Abschreibübungen ohne Problemgehalt" (stellvertretend für die vielen Lehrbücher vgl.

Schmolke/Deitermann

1996, S. 14ff). Da Buchbestände nicht zum Vergleich herangezogen werden, kommt die Kontrollfunktion der Inventur zu kurz. Das Ausmaß notwendiger Arbeiten und der Umfang eines wirklichen Inventars kann dabei kaum erahnt werden. Die Gefahren einer oberflächlichen Behandlung der Inventar- und Bilanzinhalte bei dieser Einstiegskonzeption werden von Gross (1981, S. 27ff.) aufgezeigt.

Die Aufbereitung der Inventurunterlagen erreicht in der Wirtschaftspraxis einen sehr großen Arbeitsumfang. Im traditionellen Schulunterricht werden Inventurunterlagen dagegen relativ selten eingesetzt. Ein entsprechendes Defizit weisen zahlreiche Lehrbücher auf. In dem Forschungsprojekt „Lernen, Denken, Handeln in komplexen ökonomischen Situationen - unter Nutzung neuer Technologien in der kaufmännischen Berufsausbildung" (Achtenhagen et al. 1992) wurde gezeigt, dass es möglich ist, Schüler in einer Doppelstunde Inventurarbeiten an einem Warenbestand mit ca. 450 verschiedenen Artikeln eines modellierten „Mini-Warenhauses" durchführen zu lassen. Ergänzt wurden diese Arbeiten des Zählens, Rechnens, computerunterstützten Erfassens und Kontrollierens durch eine Buchinventur mit Hilfe von Anlagekarteikarten, Saldenlisten und Kontenauszügen (dokumentiert in Achtenhagen/Preiß

et al.

178

3 Didaktische Konkretisierung der „Einführung in das betriebliche Rechnungswesen "

1987, Bd. 2). Bei einem solchen Vorgehen kann der Sinn des Inventars über die Ordnung vielfältiger Inventurunterlagen begriffen werden.

Während in der Lektion „Kassenbericht" mit den beiden Komponenten „Buch-Rechnung" und „Ist-Ermittlung" die Ganzheitlichkeit der Vorform der doppelten Buchführung bezüglich des Abschlusses eines Kontos mit dem Buch-Ist-Vergleich gegeben war, wird in dieser zweiten Lektion der Schwerpunkt einerseits auf die „Vollständigkeit" (sämtliche Vermögensgegenstände und Schulden, vgl. § 246 (1) HGB und dessen Kommentierung 44 ) und andererseits aber auch auf die „Lücken" (Humankapital etc.) der monetären Ist-Ermittlung gelegt. Dabei sollte an einem ausgewählten Artikel lediglich auf der Mengenebene exemplarisch gezeigt werden, dass es analog zum Kassenbuch auch geordnete Aufzeichnungen und Bestandsfortschreibungen im Vorratsvermögen (Lagerkartei) und darüber hinaus auch bei den anderen Vermögensgegenständen (Anlagenkartei, Kontokorrent) gibt. Diese Überleitung vom Kassenbericht zur Inventur im Bereich der Vorräte über die mengenmäßige Fortschreibung eines Lagerbestands hat sowohl die Funktion, die Notwendigkeit des Abgleichs des rechnerischen Saldos mit dem Istbestand zu vermitteln als auch das Zustandekommen von Buchbeständen zu erklären.

In dieser zweiten Lektion können die folgenden Lernziele angestrebt werden (vgl. Preiß/Tramm 1996, S. 287f): 1. Zur Thematik „Die Inventur zur Ermittlung der Ist-Bestände" Die Schülerinnen

und Schüler

sollen

die Ermittlung der Istbestände im Rahmen der Inventur beschreiben beiten ausfähren können (Leitziel);

und einfache

Mengen verschiedener Artikel erfassen und durch Multiplikation mit den jeweiligen Einzelpreisen pro Mengeneinheit den jeweiligen Gesamtwert berechnen können; Gesamtwerte

einzelner Artikel zu dem Gesamtwert

einer Artikelgruppe

addieren

anhand vorgegebener teln können;

Bankauszüge

bei Vorräten nennen

die Istbestände

die Istbestände können;

können;

von Bankguthaben

anhand vorgegebener Offenen-Posten-Listen oder Kundenkonten gen und Verbindlichkeiten durchführen können;

vorgegebenen

können;

Istbestände mit vorgegebenen Buchbeständen vergleichen und bei Abweichungen und die Berechnungen zur Ermittlung der Buchbestände systematisch überprüfen Ursachen und Folgen von Inventurdifferenzen

Inventurar-

und Bankschulden

eine Buchinventur

bei

ermitForderun-

Siehe hierzu insbes. Roland (1980) und Roß (1996), bei denen deutlich wird, dass das Postulat der „Vollständigkeit" vom Kernproblem der Auslegung des unbestimmten RcchtsbcgrifTs „Vermögensgegcnstand" abhängt.

3.1 Erarbeitung formaler und inhaltlicher Grundlagen

179

aus vereinfachten Anlagenkarten die aktuellen Werte von Gegenständen des Anlagevermögens mitteln können; Möglichkeiten können; organisatorische

der Zusammenfassung

verschiedener Artikel als Inventurvereinfachung

er-

nennen

Voraussetzungen für die Durchführung einer Inventur nennen können;

zwischen einer Stichtagsinventur und einer permanenten Inventur unterscheiden

können;

mit Hilfe des Handelsgesetzbuches Zeiträume nennen können, in denen die Stichtagsinventur dem Bilanzstichtag (und dem Tag der Aufstellung des Inventars) vor- oder nachgelagert sein kann. 2. Zur Thematik ..Das Inventar zum Nachweis des Vermögens und der Schulden": Die Schülerinnen und Schüler sollen die Funktion des Inventars als konkrete und geordnete Aufstellung Schuldenposten verstehen und ein Inventar erstellen können (Leitziel); wissen, dass die Daten der Inventur im Inventarverzeichnis zusammengefasst

der Vermögens-

und

werden;

die fachsprachliche Kurzform „Inventar" für „Inventarverzeichnis" kennen und von dem Sammelbegriff fur die dauerhaft in einem Gebäude befindlichen Gegenstände unterscheiden können; Vermögens- und Schuldenpositionen das Unternehmen ordnen können;

unter dem Gesichtspunkt der Dauerhaftigkeit der Bindung an

auf der Basis relativ ungeordneter Inventurunterlagen ein Inventar korrekt aufstellen können; wissen, welchen Umfang Inventarverzeichnisse in einem Kaufhaus);

in der Realität ungefähr annehmen können (ζ. B.

im Vergleich eines Inventars mit dem des Vorjahres die Veränderungen des Vermögens und der Schulden interpretieren können. 3. Zur Thematik ..Das Eigenkapital als Anspruch auf Reinvermögen und Gewinn": Die Schülerinnen und Schüler sollen das Eigenkapital rechnerisch ermitteln und inhaltlich mit den mit ihm verbundenen sprüchen und Risiken erklaren (Leitziel);

Rechtsan-

das Eigenkapital eines Unternehmens durch Subtraktion der Schulden vom Vermögen berechnen können; das Eigenkapital in seinem Schuldcharakter des Unternehmens gegenüber den Eigentümern des Unternehmens beschreiben können; die mit dem Eigenkapital verbundenen Rechtsansprüche auf die Geschäftsführung, tionserlös (Reinvermögen) und den Jahresüberschuss (Gewinn) nennen können;

den Liquida-

den Gewinn eines Jahres durch Subtraktion des Eigenkapitals am Jahresanfang vom Eigenkapital am Jahresende ohne die Berücksichtigung von Kapitalerhöhungen und -herabsetzungen (bzw. Privateinlagen und -entnahmen) ermitteln können; den Gewinn als Entgelt für die von den Eigentümern zunächst unentgeltlich an das Unternehmen erbrachten Leistungen interpretieren; den Gewinn in Prozent des Anfangs-Eigenkapitals Kapitalanlagen vergleichen können;

ermitteln und mit dem Zinssatz für

das „Allgemeine Unternehmerrisiko" erläutern können; Möglichkeiten der Verfügung über den Gewinn aufzeigen können.

langfristige

180

4.

3 Didaktische Konkretisierung der „Einführung in das betriebliche Rechnungswesen"

Zur Thematik ..Die Bilanz als normiertes Informationsinstrument über den monetären Status des Unternehmens":

Die Schülerinnen und Schüler sollen aus vorgegebenen Daten eine Bilanz aufstellen können und verstehen, wozu eine Bilanz benötigt wird, welche Informationen sie enthält und welche sie nicht enthält (Leitziel); die Notwendigkeit erkennen, die Informationsfülle des Inventars zu reduzieren, und erkennen, dass eine Beschränkung auf die Daten der Hauptspalte fur betriebswirtschaftliche Analysen hinreichend ist; die Zweckmäßigkeit der Gegenüberstellung von Vermögen und Kapital erkennen; Kapital- und Vermögenspositionen unterscheiden und die Begriffe Kapital und Vermögen vergangenheits- und zukunftsorientiert inhaltlich bestimmen und voneinander abgrenzen können (als Mittelherkunft und Mittelverwendung bzw. als Rechtsansprüche an die Unternehmung und Schuldendeckungspotential der Unternehmung); die Bilanzgleichung kennen und inhaltlich über die Wertgleichheil von Vermögen und Kapital begründen können; das Gliederungsprinzip der Bilanz kennen und anwenden können; -

die Notwendigkeit einer gesetzlich vorgeschriebenen einheitlichen Gliederung aus dem Informationsbedürfnis verschiedener Anspruchsgruppen begründen können; aus einem vorliegenden Inventar eine formgerechte und richtige Bilanz erstellen können;

(ohne Anlagenspiegel

und

Vorjahreswerte)

die praktische Bedeutung der Bilanz kennen und exemplarische Nutzungsfälle als internes und externes Informationsinstniment erläutern können; die Struktur zweier Bilanzen miteinander vergleichen können und begründete Aussagen zur Vermögenszusammensetzung und zur Finanzierungsstruktur machen können ; wissen, dass die Aufstellung der Bilanz bei Eröffnung eines Geschäftsbetriebes und zum Ende eines jeden Geschäftsjahres sowie bei besonderen Anlässen (ζ. B. Verkauf) gesetzlich vorgeschrieben ist. wissen, welcher Personenkreis die Bilanz eines Unternehmens aufstellt und prüft ; wissen, in welchem Zeitraum ungefähr die Bilanzen als Teil des Jahresabschlusses aufgestellt werden.

3.1.2.2

im Normalfall

Inventur beim Vorratsvermögen

Da die Unternehmen im Alltag und somit auch in der Vorerfahrung der Schüler sehr stark mit den von ihnen erzeugten Leistungen (Produkte) verknüpft werden, liegt es nahe, mit diesem Teil des Vermögens bei der Istaufnahme zu beginnen. An einem Handelsartikel kann die Überleitung der buchmäßigen Bestandsrechnung analog zum Kassenbuch erfolgen. Dabei sollte die Rechnung nur auf der Mengenebene geführt werden. Die Notwendigkeit der Inventur zur Überprüfung des Buchbestandes sollte ergänzt werden um den Hinweis, dass eine solche Mengenrechnung nicht vorgeschrieben ist, eine reine Wertrechnung über alle Vorräte

J. 1 Erarbeitung formaler und inhaltlicher

Grundlagen

18!

jedoch wegen der Wertdifferenzen beim Ein- und Verkauf zu keinem sinnvollen Ergebnis bezüglich des wertmäßigen Bestandes fuhren würde.

Die Orientierung an einer in der Berufspraxis möglichen, aber bei kleineren Unternehmen nicht realisierten, mengenmäßigen Lagerbestandsfuhrung erfolgt sowohl unter curricularen als auch methodischen Aspekten. Der curriculare Aspekt betrifft den zunehmenden Einsatz von Produktionsplanungs- und -steuerungssystemen in der Industrie oder von Warenwirtschaftssystemen im Handel und die - aufgrund der Disposition anhand der „Buch"-Daten häufiger notwendigen Inventuren. Hier kann im Rahmen einer schulischen Simulation im Rechnungswesenunterricht ein ganzheitlicher Arbeitsvollzug in vereinfachter Form vermittelt werden. Der methodische Aspekt betrifft die konkrete und anschauliche Durchführung des „Buch-Ist-Vergleichs" in dieser Anfangsphase. Ohne Lagerbuchftihrung (Artikeldatei) wäre dieser Vergleich nur bei den abstrakten Positionen „Roh-, Hilfs- und Betriebsstoffe" sowie „Handelswaren" auf der Wertebene möglich, mit ihr aber auch bei den einzelnen Artikeln auf der Mengen- und Wertebene.

Befindet sich in der Schule ein Verkaufsraum mit konkreten Exponaten, so ist es möglich, einen Teil der körperlichen Inventur dort mit den Schülern gegenständlich-konkret zu simulieren. Damit dies in einem vertretbareren Zeitumfang erfolgen kann, ist der Einsatz vorbereiteter Zähllisten erforderlich. Dabei empfiehlt es sich, diese bereits mit der Artikelbezeichnung, der Mengeneinheit und mit den Einzelwerten pro Einheit zu versehen. So können die Schüler durchgehend von der Erfassung der einzelnen Gegenstände an einem Lagerort, über die Aufzeichnung der Menge in der Zählliste, die Addition mit vorgegebenen Menge an anderen Lagerorten, die Multiplikation der Gesamtmenge mit dem vorgegebenen Einzelwert, die Summierung der Gesamtwerte einer Artikelgruppe, deren Übertragung in die Vorspalte des Inventars, deren Summierung mehrerer Artikelgruppen in der Hauptspalte des Inventars, bis zur Übertragung und Einordnung in der Bilanz durch eigenes Handeln eine geschlossene Kette von den begriffenen konkreten Artikeln zu dem relativ abstrakten Begriffen „fertige Erzeugnisse" und „Handelswaren" in der Bilanz mit ihren spezifischen Wertangaben herstellen.

182

3 Didaktische Konkretisierung der ,.Einführung in das betriebliche Rechnungswesen"

Bei der Vorbereitung der Inventur im Verkaufsraum ist allerdings zu beachten, dass das dort vorgehaltene Sortiment zu dem gewählten Modellunternehmen passt. Ein solcher Verkaufsraum ist fur einen Industriebetrieb lediglich für die Verkäufe an Mitarbeiter und Kleinabnehmer (Fabrikverkauf) plausibel; die größeren Bestände an Erzeugnissen und Waren befinden sich an anderen Lagerorten. Diese Bestände sollten auf der Zählliste als schon ermittelt und geprüft vorgegeben werden. Für die effektive Vorbereitung dieser körperlichen Inventur erscheint es sinnvoll, die Buch-Bestände einer Datei zu entnehmen, die von dem für die Ausstattung des Verkaufsraumes verantwortlichen Lehrer gepflegt wird. Obwohl die in diesem Unternehmen hergestellten Erzeugnisse und die zur Ergänzung des Produktionsprogramms zugekauften Handelswaren in der Bilanz zu einer Position zusammenzufassen sind, müssen sie auf verschiedenen Zähllisten gefuhrt werden, weil sie in Lektion 4 im Hauptbuch auf verschiedenen Bestandskonten gefuhrt werden.

Damit die Sinngebung der Inventur erfahrbar wird, sollten in jeder Artikelgruppe mindestens ein von den Ist-Beständen abweichender Buch-Bestand erzeugt werden. Die Buch-Bestände sollten den Schülern analog zur Berufspraxis erst nach dem Zählvorgang mitgeteilt werden, um damit die tatsächliche und wahrheitsgemäße Bestandserfassung zu sichern und einen Kontrollvorgang zu initiieren. Bei der computergestützten Ist-Erfassung kann die Bekanntgabe der Buch-Bestände nach der Eingabe der gezählten Bestandsmengen in Verbindung mit dem Ausdruck eines Erfassungsprotokolls geschehen. Dieses veranlasst dann die entsprechenden Nachzählungen und den Ausweis der verbleibenden Soll-Ist-Differenzen.

Die Inventur kann mit einem kurzen Verweis auf die §§ 240 und 241 H G B eingeleitet werden. Weiterhin können Inventuranweisungen, wie sie auch in der Praxis an die Mitarbeiter eingesetzt werden, den Schülern an die Hand gegeben werden. Daran schließt sich die Ausgabe der Zähllisten an einzelne „Zählgruppen" an. Die Schüler haben selbständig den jeweiligen Lagerort der zu zählenden Artikel aufzusuchen und die dort vorhandenen Bestände zu ermitteln und in die Zähllisten einzutragen. Zweckmäßigerweise sollten die Schüler in kleinen Schülergruppen (zwei oder drei Schüler) die Inventur durchführen. Bei 15 bis 45 Artikeln pro Gruppe kann der Zählvorgang, die Erfassung an einem Computer und die erforderliche Nachkontrolle in einer Doppelstunde abgewickelt werden. Es empfiehlt sich, die Artikelgruppen so zu schneiden, dass die Arbeitsgruppen unterschiedlich umfangreiche Zähllisten erhalten. Damit kann eine Warteschlange bei der Eingabe der Istbestände am Computers vermieden werden (vgl. hierzu Achtenhagen/Preiß

et al. 1987, Bd. 1, S. 347ff ).

3.1 Erarbeitung formater und inhaltlicher Grundlagen

183

A u f d e n Z ä h l l i s t e n sollte der Einzel w e r t der Artikel in H ö h e der A n s c h a f f u n g s - b z w . Herstell u n g s k o s t e n v o r g e g e b e n sein 4 5 . D e n Schülern ist an dieser Stelle nur k u r z zu erläutern, w a r u m die Artikel nicht zu ihrem V e r k a u f s p r e i s a n g e s e t z t w e r d e n . D i e Schüler e r k e n n e n somit, dass ein G e g e n s t a n d im U n t e r n e h m e n v e r s c h i e d e n e W e r t e haben kann. D i e s e „ V e r s c h i e d e n w e r t i g k e i t " e i n e s G e g e n s t a n d e s d ü r f t e vielen Schülern neu sein, da im Alltag der W e r t einer W a r e o f t mit der P r e i s a n g a b e a u f d e m Etikett gleichgesetzt wird. Hier e r w e i s t es sich als vorteilhaft, w e n n im A n f a n g s u n t e r r i c h t zur W i r t s c h a f t s l e h r e ein Planspiel e i n g e s e t z t wird, a u s d e m herv o r g e h t , dass n i c h t a b g e s e t z t e E r z e u g n i s s e nicht den g l e i c h e n W e r t h a b e n w i e d i e a b g e s e t z t e n E r z e u g n i s s e . E x e m p l a r i s c h kann bei den H a n d e l s w a r e n eine E i n g a n g s r e c h n u n g z u m N a c h w e i s d e r H e r k u n f t des W e r t e s eingesetzt w e r d e n . B e z ü g l i c h der H e r s t e l l u n g s k o s t e n f u r E r z e u g n i s s e k a n n ein V e r w e i s a u f spätere Unterrichtseinheiten z u r K o s t e n r e c h n u n g erfolgen. E s sollte a b e r hier s c h o n d i e d e m Imparitätsprinzip e n t s p r e c h e n d e p a g a t o r i s c h e G r u n d o r i e n t i e r u n g d e r B e w e r t u n g deutlich g e m a c h t w e r d e n , indem d a r a u f v e r w i e s e n wird, d a s s der W e r t d e r V o r r ä t e sich aus d e m a u f d e m M a r k t bezahlten W e r t e n der P r o d u k t i o n s f a k t o r e n ergibt. Z u r E r g ä n z u n g dieser a m B e s c h a f f u n g s m a r k t orientierten B e t r a c h t u n g kann d a r a u f h i n g e w i e sen w e r d e n , d a s s d i e B e w e r t u n g der V o r r ä t e dann an d e m A b s a t z m a r k t orientiert ist, w e n n der e r z i e l b a r e V e r k a u f s e r l ö s unter den A n s c h a f f u n g s - und H e r s t e l l u n g s k o s t e n liegt.

B e s t ä n d e an „ u n f e r t i g e n E r z e u g n i s s e n " s o w i e an „ R o h s t o f f e n " , „ F r e m d b a u t e i l e n " , „Hilfss t o f f e n " und „ B e t r i e b s s t o f f e n " w e r d e n nur über v o r g e g e b e n e und bereits a u s g e f ü l l t e Z ä h l listen e i n g e b r a c h t . A u c h hier k ö n n e n die Schüler die Addition der M e n g e n an v e r s c h i e d e n e n L a g e r o r t e n und die M u l t i p l i k a t i o n mit d e m E i n z e l p r e i s v o r n e h m e n und so die I n v e n t u r u n t e r lagen vervollständigen. Z u r T h e m a t i s i e r u n g v o n D i f f e r e n z e n k ö n n e n auch hier a b w e i c h e n d e Buchbestände herangezogen werden.

W e n n in der S c h u l e kein V e r k a u f s r a u m v o r h a n d e n ist, o d e r dieser w e g e n der S o r t i m e n t s g e staltung nicht f ü r d a s industrielle M o d e l l u n t e r n e h m e n g e n u t z t w e r d e n kann, ist bei d e n „ f e r t i g e n E r z e u g n i s s e n " und „ H a n d e l s w a r e n " w i e bei den a n d e r e n G e g e n s t ä n d e n d e s Vorratsv e r m ö g e n s zu v e r f a h r e n . Hierbei k a n n durch Mitteilungen über A b w e i c h u n g e n b e i m N a c h zählen eine B e r i c h t i g u n g der Zähllisten veranlasst w e r d e n .

45

In der kaufmännischen Berufspraxis wird auf den Zähllistcn oft der Verkaufspreis vorgegeben, damit die in der Inventur tätigen Mitarbeiter einerseits die Artikel anhand der Preisauszeichnung leichter identifizieren können und andererseits keinen Einblick in die Preisgestaltung erhalten. In manchen Unternehmen wird bei der Bewertung auch aus diesem Verkaufspreis mit Hilfe eines prozentualen Abschlags auf den Anschaffungspreis zuriickgerechnet.

¡84

3.1.2.3

3 Didaktische Konkretisierung der .. Einführung in tins betriebliche Rechnungswesen "

Inventur bei den anderen Vermögensgegenständen und Schulden

In der Einfuhrungsphase des Rechnungswesenunterrichts erscheint es zweckmäßig, das Anlagevermögen zunächst unter Vernachlässigung immaterieller Vermögensgegenstände und Finanzanlagen auf die Kategorie der Sachanlagen mit den Positionen „Grundstücke", „Technische Anlagen und Maschinen" sowie „Betriebs- und Geschäftsausstattung" zu begrenzen. Die Bestandsermittlung der Gegenstände dieser Positionen kann analog zur Berufspraxis als Buchinventur über die Anlagenkartei vorgenommen werden. Dabei sind die Karteikarten so zu gestalten, dass zwar ein konkreter Gegenstand beschrieben, darüber hinaus jedoch unnötige Komplexität durch zu viele technische Angaben und besondere Abschreibungsverfahren vermieden wird. Damit die Schüler eine Anschauung von dem Gegenstand gewinnen, kann auf der Anlagekarte ein Foto integriert werden. Die Anzahl der einer Bilanzposition zuzuordnenden konkreten Gegenstände kann gering gehalten werden. Im Hinblick auf die Aufstellung des Inventarverzeichnisses empfiehlt es sich aber, die Gliederungspositionen so zu besetzen, dass auch die Benutzung der Vorspalte sinnvoll wird.

Bei der Erfassung der Grundstücke sollte im Hinblick auf die Verknüpfung des Wissens mit dem Kaufvertragsrecht besonderer Wert auf den fachsprachlich richtigen Wortgebrauch gelegt werden. Die umgangssprachliche Gleichsetzung eines „Grundstücks" mit seiner „Grundfläche" bzw. „Grund und Boden" sollte in diesem handlungsbezogenen Kontext korrigiert werden. Unter Nutzung der Vorspalte des Inventars kann die Zusammenfassung des „Grund und Bodens" mit den „Fabrik- und Verwaltungsgebäuden" auf diesem Boden zu dem Begriff „bebaute Grundstücke" bzw. „Grundstücke mit Bauten" über die mathematische Operation der Addition der Werte vorgenommen werden. Über zusammengehörende Anlagenkarten wird deutlich, dass die Position „bebaute Grundstücke" („Grundstücke mit eigenen Bauten") sowohl abnutzbare als auch nicht abnutzbare Komponenten enthält. Diese Einsicht ist notwendig, damit die Schüler beim späteren Jahresabschluss die Abschreibungen richtig ermitteln und auch in anderen Lerneinheiten die Interessenlage bei der Aufteilung des Kaufpreises für Grundstücke auf den Gebäudeanteil und den Grundflächenanteil erkennen können. Der Erwerber eines „bebauten Grundstücks" hat dabei das Interesse, den auf das Gebäude entfallenden Wertanteil so hoch wie möglich anzusetzen, damit über die Abschreibungen eine Gewinn- und Steuerminimierung möglich ist.

Ein weiterer sorgfältig zu bedenkender Punkt ist die Einbeziehung „geringwertiger Wirtschaftsgüter". Einerseits können sie exemplarisch fur Inventurerleichterungen sowie Bilan-

3.1 Erarbeitung formaler uniI inhaltlicher Grundlagen

185

z i e r u n g s - und B e w e r t u n g s s p i e l r ä u m e stehen, andererseits k ö n n e n sie die K o m p l e x i t ä t o h n e z u s ä t z l i c h e n Strukturierungsvorteil erweitern. B e z i e h t m a n sie ein, so sollten sie a u f G e g e n s t ä n d e d e r A u s s t a t t u n g des V e r k a u f s r a u m s , d i e die S c h ü l e r g e s e h e n haben, o d e r a u f B ü r o e i n r i c h t u n g e n b e s c h r ä n k t bleiben.

A n d i e s e n beiden B e i s p i e l e n wird deutlich, d a s s im R e c h n u n g s w e s e n c u r r i c u l u m T h e m e n zu b e r ü c k s i c h t i g e n sind, die die Schüler auch in n i c h t - b e r u f l i c h e n L e b e n s s i t u a t i o n e n v e r w e n d e n k ö n n e n . K e n n t n i s s e ü b e r G e b ä u d e a b s c h r e i b u n g und g e r i n g w e r t i g e W i r t s c h a f t s g ü t e r k ö n n e n u. U. im privaten B e r e i c h bei der S t e u e r e r k l ä r u n g nützlich w e r d e n . Dies b e d e u t e t j e d o c h nicht, d a s s diese T h e m a t i k bereits im A n f a n g s u n t e r r i c h t a u f g e g r i f f e n w e r d e n muss.

D i e d e n G e g e n s t ä n d e n des A n l a g e v e r m ö g e n s b e i z u m e s s e n d e n W e r t e w e r d e n aus den Anlag e n k a r t e n ersichtlich. Dabei sollte die A b s c h r e i b u n g z u m B i l a n z s t i c h t a g bereits e i n g e t r a g e n sein. D a es sich hier u m eine B u c h i n v e n t u r handelt, k ö n n e n I n v e n t u r d i f f e r e n z e n nicht entstehen. Z u r T h e m a t i s i e r u n g der Problematik einer B u c h i n v e n t u r k ö n n t e eine A n l a g e n k a r t e in V e r b i n d u n g mit

einer Mitteilung ü b e r den D e f e k t und U n m ö g l i c h k e i t der R e p a r a t u r einer

M a s c h i n e e i n g e s e t z t w e r d e n , damit deutlich wird, dass diese e i n e m N e b e n b u c h e n t n o m m e n e n B e s t ä n d e auch ü b e r p r ü f t w e r d e n müssen. Z u r T h e m a t i s i e r u n g „stiller R e s e r v e n " k ö n n e n A n l a g e n k a r t e n v o n n o c h eingesetzten aber voll bzw. a u f den E r i n n e r u n g s w e r t v o n 1,00 D M abgeschriebenen Anlagegegenständen gegeben werden.

E i n e v e r e i n f a c h t e A n l a g e n k a r t e ist in A b b i l d u n g 3-3 dargestellt. F ü r die erste Inventur ist die A b s c h r e i b u n g bereits eingetragen. D i e s e und die anderen A n l a g e n k a r t e n k ö n n e n d a n n bei d e m A b s c h l u s s d e s ersten G e s c h ä f t s g a n g s w i e d e r eingesetzt w e r d e n . Die S c h ü l e r h a b e n d a n n eine w e i t e r e A b s c h r e i b u n g v o r z u n e h m e n .

186

3 Didaktische Konkretisierung

Invenlarposition

'Sctxuiú-

Bezeichnung: Identifikation:

Buchungsdatuni

1991-12-31

70!t

23

t

Stüd

44-Í0Í65SS

199703-20 Anschaffungswert:

Nutzungsdauer: 5

1997-12-31

Menge:

in das betriebliche Rechnungswesen

"

Anlagen-Karte

SiUca* ÇvuUctU.

Zugang:

1997-03

u*d u j j fatfu^f

der „Einführung

¡hJiic Beleg-Nr.

2S.000.00

Abschreibungsverfaliren :

fieicít OtiÁrijíetzÁyt

±

Buchungstext

Norddeutsche Bekleidungswerke GmbH 37154 Northeim Betrag

Restwert

72010

"RuÁMUíf ß«m/uUtx + "Mtätu* 25.000.00

25.000.00

H209

5.000.00

20.000.00

5.000.00

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/4ÍMttfUHf

Abbildung 3-3: Beispiel einer Anlagenkarte

Nach der realitätsanalogen Bestandserfassung bei Bargeld (in der Lektion zum Kassenbericht), Vorräten und Sachanlagen erfolgt die Einbeziehung abstrakter Vermögensgegenstände und Schulden. Dazu wird mit der Auswertung von Bankkontoauszügen für das Bankguthaben und das langfristige Bankdarlehen begonnen. Auf die Einbeziehung weiterer Bankkonten (bei anderen Kreditinstituten) sollte verzichtet werden, da in diesem Fall auch in der Lektion 4 mit verschiedenen Bankkonten zu arbeiten wäre. Dadurch entstünde die zusätzliche Problematik der Disposition über mehrere Banksalden und des Kontenclearing. Ferner würde das „Allgemeine Unternehmensmodell" (Lektion 3) unnötig erweitert.

Für die Inventur bei den Bankkonten sind somit zwei Kontoauszüge zu modellieren. Wenn Differenzen thematisiert werden sollen, bietet sich das zwischen dem Bestand auf dem Bankauszug und Buch-Bestand eines betrieblichen Gegenkontos „Bank" an. Die Entscheidung, welche Konten des Zahlungsverkehrs (Kontokorrent-, Girokonten) bei wievielen Banken und welche reinen Kreditkonten (Darlehen, Hypotheken) modelliert werden sollen, hängt auch davon ab, welche Übungsaufgaben im weiteren Verlauf des Unterrichts eingesetzt werden und dann von den Schülern ohne zusätzliche Erläuterung zu bearbeiten sind. Ist beispielsweise ein Bankgirokonto mit Schuldsaldo vorhanden, so kann der Charakter der Kontokorrentkonten bezüglich ihrer fehlenden eindeutigen Zuordnung zu Bilanzseiten deutlich werden.

187

3.1 Erarbeitung formaler und inhaltlicher Grundlagen

E s ist w i c h t i g zu erarbeiten, dass B a n k g u t h a b e n keine realen G ü t e r , sondern nur F o r d e r u n g e n g e g e n e i n e u n t e r b e s o n d e r e r A u f s i c h t stehende Institution, und d a s s B a n k s c h u l d e n

eine

F o r d e r u n g der B a n k , d. h. eine V e r b i n d l i c h k e i t des U n t e r n e h m e n s darstellen.

D i e s i m u l i e r t e I n v e n t u r wird a b g e s c h l o s s e n mit d e r B e s t a n d s e r m i t t l u n g bei „ F o r d e r u n g e n " u n d „ V e r b i n d l i c h k e i t e n " . E r f a h r u n g s g e m ä ß sind diese B e g r i f f e den Schülern a m w e n i g s t e n g e l ä u f i g (vgl. hierzu den V o r w i s s e n s t e s t von Preiß/Seemann

1990, S. 2 5 5 f f . ) und b e d ü r f e n

d e s h a l b b e s o n d e r e r Stützung. Die Interpretation des V o r w i s s e n s zu d e m B e g r i f f „ V e r b i n d l i c h k e i t e n " legt n a h e , d a s s sich die S c h w i e r i g k e i t e n d i e s e s B e g r i f f e s in erster Linie a u s der f ü r die S c h ü l e r n e u e n B e z e i c h n u n g f u r den vertrauteren B e g r i f f „ S c h u l d e n " e r g e b e n . Z u dieser s p r a c h l i c h e n U m o r i e n t i e r u n g tritt noch die U n t e r s c h e i d u n g der „ V e r b i n d l i c h k e i t e n aus Liefer u n g e n und L e i s t u n g e n " von den „ B a n k v e r b i n d l i c h k e i t e n " , die eher als „ B a n k k r e d i t " o d e r „ B a n k s c h u l d e n " b e k a n n t sein d ü r f t e n . Es s p r ä c h e d e s h a l b sehr viel d a f ü r , im U n t e r r i c h t die B e g r i f f e „ L i e f e r a n t e n v e r b i n d l i c h k e i t e n " , „ B a n k v e r b i n d l i c h k e i t e n " und a n a l o g dazu f u r die V e r m ö g e n s p o s i t i o n „ K u n d e n f o r d e r u n g e n " zu v e r w e n d e n . E i n e h a n d l u n g s o r i e n t i e r t e Erarbeit u n g d e s F o r d e r u n g s b e g r i f f s , die dessen d o p p e l t e N a t u r 4 6 als V e r m ö g e n s g e g e n s t a n d und A n spruch a u f Z a h l u n g s m i t t e l berücksichtigt, kann mit H i l f e einer O f f e n e n - P o s t e n - L i s t e erfolgen.

A b b i l d u n g 3 - 4 zeigt einen Ausschnitt a u s den im P r o j e k t „Lernen, D e n k e n , H a n d e l n ..." k o n zipierten I n v e n t u r u n t e r l a g e n zu der Position „ F o r d e r u n g e n aus L i e f e r u n g e n u n d L e i s t u n g e n " . In diesen an die K o n t e n f o r m a n g e p a s s t e n Materialien k a n n der Saldo v o r g e g e b e n sein o d e r im U n t e r r i c h t erst n o c h ermittelt w e r d e n . Z u r weiteren V e r a n s c h a u l i c h u n g der a u f diesen U n t e r lagen a u s g e w i e s e n e n „ O f f e n e n P o s t e n " k ö n n e n e x e m p l a r i s c h einige A u s g a n g s r e c h n u n g e n mit konkretisierten W a r e n gezeigt w e r d e n . Mit der P r o b l e m s t e l l u n g d e r W e r t e r m i t t l u n g dieser R e c h n u n g e n k a n n d e r V e r m ö g e n s c h a r a k t e r der F o r d e r u n g e n erschlossen w e r d e n . In ans p r u c h s v o l l e r e n K l a s s e n kann sogar der Wert in A b h ä n g i g k e i t v o m Fälligkeitstermin und d e m v e r m u t e t e n Z a h l u n g s v e r h a l t e n der K u n d e n thematisiert w e r d e n .

46

Die betriebswirtschaftlichen Konzepte „Forderungen" und auch „Beteiligungen" haben eine doppelte Natur. Sie verkörpern einerseits in ilirem Charakter als Vennögensgegenstand die erhaltene Gegenleistung fur eine abgegebene Leistung, andererseits verkörpern sie aber gleichzeitig die noch nicht erhaltene (endgültige) Gegenleistung. Sie stellen damit ähnliche kognitive Anforderungen wie die physikalischen Konzepte „Elektronen", „Photonen" u. a., die sowohl als Teilchen (Materie) als auch als Wellen (keine Materie) betrachtet werden können. Es ist ein Kennzeichen von Expcrtcnlum und grundlegendem Verständnis, über solche fachlichen Konzepte zu verfugen. In dein späteren Unterricht wird durch das Kontieren und Buchen auf den Konten das Verständnis von „Forderungen" und „Verbindlichkeiten" als vorläufige Gegenleistung fur eine abgegebene oder erhaltene Leistung erleichtert. Im cinfìilirenden Unterricht sollte diese Betrachtung vorbereitet werden.

188

3 Didaktische Konkretisierung der .. Einführung in das betriebliche Rechnungswesen "

Norddeutsche Jeansfabrik GmbH Offene-Posten-Liste der Forderungen aus Lieferungen und Leistungen Kundenname und Adresse Datum Belegtext

Stands

Rechnungsbetrag

Zahlungsbetrag

1998-12-31

fällig am

Saldo

Boutique Young Fashion Inh. Sabine Müller Northeimer Str. β 37574 Einbeck 98-11-20 98-11-23 98-11-24 98-11-25 98-12-14

Auegangsrechnung Auegangsrechnung Ausgangsrechnung Überweisung Auegangsrechnung

450 815 900

1.100,00 1.202,00 1.806,00

912

324,00

356 533 589

460,00 1.300,00 900,00

609

2.100,00

1.000,00

99-01-15 99-01-20 99-01-23 Teilzahl 99-02-24

Textilkaufhaus Arthur Wolf Breite Straße 145 37154 Northeim 98-11-15 98-11-25 98-11-22 98-11-21 98-12-05

Auegangsrechnung Auegangsrehnung Ausgangsrechnung Überweisung Auegangsrechnung

400,00

99-01-15 99-01-20 99-01-22 Teilzahl. 99-02-24 4.360,00

Abbildung 3-4: Auszug aus Inventurunterlagen zu den Forderungen D i e S c h w i e r i g k e i t e n mit der Position „ F o r d e r u n g e n a u s L i e f e r u n g e n und L e i s t u n g e n " g e h e n ü b e r die s p r a c h l i c h e K o m p o n e n t e hinaus in den V e r s t ä n d n i s b e r e i c h , da die k a u f m ä n n i s c h e E x p e r t e n s i c h t in K o n t r a s t zur Alltagssicht steht. Jeder ö k o n o m i s c h v o r g e b i l d e t e Lehrer m u s s sich d e s h a l b in die Sicht des Laien versetzen, der nur s c h w e r e i n z u s e h e n v e r m a g , w a r u m eine n i c h t b e z a h l t e R e c h n u n g ein V e r m ö g e n s g e g e n s t a n d ist. F ü r Laien und somit a u c h A n f ä n g e r in d e r k a u f m ä n n i s c h e n B i l d u n g m u s s es m e h r als b e f r e m d l i c h sein, w e n n mit d e m A b g a n g v o n G ü t e r n ein V e r m ö g e n s g e g e n s t a n d entsteht, der i. d. R. sogar noch h ö h e r b e w e r t e t wird als die a b g e g e b e n e n G ü t e r , z u m a l d a s Geld j a noch nicht e i n g e g a n g e n ist. Ü b e r die T a t s a c h e , dass ζ. B. eine f u r 5 0 , 0 0 D M a n g e s c h a f f t e (und so auch bisher b e w e r t e t e ) W a r e nach d e m V e r k a u f zu 9 0 , 0 0 D M und ihrer A u s l i e f e r u n g o h n e B e z a h l u n g ein wertvollerer V e r m ö g e n s g e g e n s t a n d a u s g e w i e s e n wird, sollten Lehrer und Schülern g e m e i n s a m staunen k ö n n e n (in A n a l o g i e zur B e t r a c h t u n g natürlicher P h ä n o m e n e vgl. Wagenschein

1990, Rumpf

1994). Z u r Hinfìihrung zu

dieser d e m A l l t a g s e m p f i n d e n w i d e r s t r e b e n d e n b e t r i e b s w i r t s c h a f t l i c h e n und rechtlichen Sicht ist d a r a u f h i n z u w e i s e n , d a s s G e g e n s t ä n d e nicht nur Sachen sondern auch R e c h t e sein k ö n n e n . D i e F o r d e r u n g als R e c h t s a n s p r u c h a u f Geld kann dann mit d e m B u c h g e l d und v e r g l i c h e n w e r d e n , w o b e i diese G e l d a r t e n auch nur F o r d e r u n g e n ( A n s p r ü c h e )

Bargeld

gegenüber

B a n k e n und N o t e n b a n k e n darstellen. Somit kann eine F o r d e r u n g g e g e n ü b e r e i n e m guten

3.1 Erarbeitung formaler und inhaltlicher Grundlagen

189

K u n d e n u. U. m e h r W e r t sein als das n o m i n e l l e G u t h a b e n bei einer n o t l e i d e n d e n B a n k o d e r B a r g e l d in einer inflationären W ä h r u n g .

Bei d e r B e t r a c h t u n g d e r F o r d e r u n g als V e r m ö g e n s g e g e n s t a n d wird a u c h die m e r k a n t i l i s t i s c h e F u n k t i o n des R e c h t s a n g e s p r o c h e n , die die F ö r d e r u n g arbeitsteiliger P r o d u k t i o n u n d g e w e r b lichen G ü t e r a u s t a u s c h s z u m Ziel hat. D i e s e B e t r a c h t u n g e n sollen den Schülern helfen eine k a u f m ä n n i s c h e Sicht zu g e w i n n e n , die darin besteht, d a s s es d a r a u f a n k o m m t , G ü t e r abzusetzen, a u c h w e n n der K u n d e nicht sofort bezahlen kann. D u r c h den A b s a t z wird der E r f o l g realisiert, nicht durch den Z a h l u n g s e i n g a n g . An dieser Stelle k a n n - m u s s j e d o c h nicht - die D o k u m e n t a t i o n s f u n k t i o n d e r B u c h f ü h r u n g ( B e w e i s m i t t e l f u r Streitfälle) deutlich g e m a c h t w e r den.

Bei d e r simulierten Inventur sind f u r die Positionen F o r d e r u n g e n und V e r b i n d l i c h k e i t e n v o r g e g e b e n e „ O f f e n e - P o s t e n - L i s t e n " zu bearbeiten. A u f diesen Listen sind A u s g a n g s - und E i n g a n g s r e c h n u n g e n und evtl. T e i l z a h l u n g e n z u m Ausgleich dieser R e c h n u n g e n ersichtlich (vgl. A b b i l d u n g e n 3 - 4 und 3-5). E x e m p l a r i s c h kann ein D e b i t o r e n k o n t o gezeigt w e r d e n , damit die I n f o r m a t i o n s r e d u k t i o n durch d i e N i c h t b e r ü c k s i c h t i g u n g der bereits a u s g e g l i c h e n e n R e c h n u n g e n ersichtlich wird. Z u den O f f e n e n - P o s t e n - L i s t e n sollten aber einige A u s g a n g s -

bzw.

E i n g a n g s r e c h n u n g e n a n g e f ü g t w e r d e n , damit der L e i s t u n g s h i n t e r g r u n d deutlich wird. Z w e c k m ä ß i g e r w e i s e sollten dies die R e c h n u n g e n sein, deren A u s g l e i c h im ersten G e s c h ä f t s g a n g im H a u p t b u c h (Lektion 5) g e b u c h t wird.

A u s den der O f f e n e n - P o s t e n - L i s t e fiir V e r b i n d l i c h k e i t e n b e i g e f ü g t e n

Eingangsrechnungen

soll deutlich w e r d e n , dass die W e r t e der Position „ V e r b i n d l i c h k e i t e n aus L i e f e r u n g e n und L e i s t u n g e n " in bereits gelieferten und eventuell im V o r r a t s v e r m ö g e n ( w e n n s c h o n v e r k a u f t , d a n n im f i n a n z i e l l e n U m l a u f v e r m ö g e n ) mitgezählten G ü t e r n ihre e n t s p r e c h e n d e G e g e n p o s i tion h a b e n . Bei B e t r a c h t u n g des einzelnen V o r g a n g s ist zu erkennen, dass es sich u m z u g e g a n g e n e V e r m ö g e n s g e g e n s t ä n d e und n o c h nicht a b g e f l o s s e n e Z a h l u n g s m i t t e l handelt, dass die Position „ V e r b i n d l i c h k e i t e n " quasi eine „ K o r r e k t u r " des V o r r a t s v e r m ö g e n s o d e r der Z a h lungsmittel darstellt und die V e r b i n d l i c h k e i t e n s o z u s a g e n in den nicht bezahlten Materialien o d e r in d e n Z a h l u n g s m i t t e l n im V e r m ö g e n „stecken". E s kann an dieser Stelle s c h o n d a s P r o b l e m der Erstellung eines Z a h l u n g s v o r s c h l a g s für die d e m n ä c h s t fälligen R e c h n u n g e n angedeutet werden.

190

3 Didaktische Konkretisierung der „Einführung in das betriebliche Rechnungswesen "

Norddeutsche Jeansfabrik GmbH Of fene-Poeten-Liste der Verbindlichkeiten aus Lieferungen und Leistungen Lieferantenname und Adresse Datum Belegtext

Zahlungsbetrag

Stand: 1998-12-31

Rechnungs- füllig am betrag

Saldo

stoffwerke Hubert Haberzettel Schwarze Heide 124 30419 Hannover 98-11-06 98-11-13 98-12-15

Eingangerechnung 538 Eingangsrechnung 585 Überweisung

1.450,00

2.450,00 3.980,00

99-01-06 99-01-13 Teilzahl

Zwirnwerke Franz Schibalski Handeleweg 84 38100 Braunschweig 98.11-08 98-11-18 98-11-21 98-12-05

Eingangsrechnung 3107 Eingangsrechnung 2766 Überweisung Eingangsrechnung 3224

3.000,00

6.250,00 5.490,00 2.199,00

99-01-06 99-01-18 Teilzahl. 99-02-05 10.939,00

Abbildung 3-5: Auszug aus den Inventurunterlagen zu den Verbindlichkeiten W e i s e n die O f f e n e n - P o s t e n - L i s t e n a u s d i d a k t i s c h e n G r ü n d e n n o c h keinen e r r e c h n e t e n S a l d o p r o K u n d e , b z w . L i e f e r a n t aus, so kann dieser j e w e i l s von den Schülern ermittelt w e r d e n . A u f j e d e n Fall a b e r erscheint es sinnvoll, die einzelnen Salden in ihrer w i r t s c h a f t l i c h e n B e d e u t u n g ( U r s a c h e n und F o l g e n ) interpretieren zu lassen. Zu e r w ä g e n ist auch eine R e f l e x i o n ü b e r den W e r t einer solchen „ F o r d e r u n g " oder „ V e r b i n d l i c h k e i t " unter B e r ü c k s i c h t i g u n g d e r Fälligkeit u n d / o d e r der Z a h l u n g s m o r a l eines K u n d e n . O b w o h l an dieser Stelle noch nicht in die W e r t b e r i c h t i g u n g s p r o b l e m a t i k e i n g e f ü h r t w e r d e n soll, sind hier j e d o c h die G r u n d l a g e n f u r deren V e r s t ä n d n i s zu legen.

Bei d e n O f f e n e n - P o s t e n - L i s t e n ist die T h e m a t i s i e r u n g von I n v e n t u r d i f f e r e n z e n nur s c h w e r m ö g l i c h , da diese Inventurunterlagen B u c h b e s t ä n d e w i e d e r g e b e n . Die Istbestände w ü r d e n aus den K o n t e n der G e s c h ä f t s p a r t n e r , b z w . den nicht m e h r üblichen

„Saldoanerkenntnissen"

ersichtlich sein. D e s h a l b m ü s s t e für eine seit längerer Zeit o f f e n e F o r d e r u n g eine Ist-Kontrolle ζ. B. in F o r m eines S a l d o a n e r k e n n t n i s s e s b z w . f u r eine seit längerer Zeit nicht b e g l i c h e n e V e r b i n d l i c h k e i t ein K o n t o a u s z u g eines L i e f e r a n t e n eingeholt w e r d e n .

N u r am R a n d e sei hier, b e z u g n e h m e n d a u f einen V o r s c h l a g Waltermanns

(1976), e r w ä h n t ,

dass es nicht sinnvoll erscheint, die B e g r i f f e „Soll" und „ H a b e n " in d i e s e m K o n t e x t mit B e -

3.1 Erarbeitung formaler und inhaltlicher

Grundlagen

191

deutungszuweisungen bei der Entstehung von Forderungen zu erläutern, die dann schon bei der Betrachtung der Bezahlung oder der Verbindlichkeiten problematisch werden.

Es stellt sich die Frage, inwieweit es zweckmäßig ist, neben den „Verbindlichkeiten aus Lieferungen und Leistungen" auch noch die Position „Sonstige Verbindlichkeiten" einzuführen. Dagegen spricht die Ausweitung der inhaltlichen Komplexität und die damit verbundene Aufblähung des „Allgemeinen Unternehmensmodells" in der Anfangsphase, dafür die schärfere Abgrenzung des Begriffes „Verbindlichkeiten aus Lieferungen und Leistungen". Bei einer Beschränkung auf fällige Abgabenzahlungen erwächst die Chance, schon in den ersten Bilanzen die Zahlungsverpflichtungen gegenüber dem Finanzamt (Umsatzsteuer-Zahllast, Lohn- und Kirchensteuer) und der Krankenkasse (Sozialabgaben) angemessen zu verankern. Ebenfalls können durch diese Einbeziehung der Abgaben die Verwaltungs- und Inkassohilfsfunktion des Unternehmens für den Staat oder eine Zahlungsfunktion für den Arbeitnehmerhaushalt und damit öffentliche und private Interessen an einer ordnungsgemäßen Buchführung thematisiert werden. Es geht bei dieser Entscheidung letztlich um die grundsätzliche Frage, welches Unternehmensmodell als Ausgangspunkt der Modellierung des Informationsinstrumentes zu Grunde gelegt wird, und in welchem Umfang schon in dieser Anfangslektion des Rechnungswesens über die Interessen der Unternehmensleitung, der Eigentümer und der Gläubiger hinaus die Interessen des Staates und der Öffentlichkeit an einer ordnungsgemäßen Buchführung mit den darauf bezogenen Rechtsvorschriften behandelt werden sollen.

Aus systemorientierter Sicht und wohl auch aus der Alltagserfahrung der Schüler heraus stellt sich die Frage, warum die personalen Systemelemente „Mitarbeiter" bei dieser Art der Bestandsaufnahme nicht berücksichtigt werden. Wenn man Schüler danach fragt, was alles zu einem Unternehmen gehört, erhält man oft die Antwort „Mitarbeiter". Die Tatsache, dass Schüler am Anfang einer beruflichen Bildung das Unternehmen als Arbeitsplatz und als soziales System sehen, wird durch die Vorwissenserhebung von S. Weber (1994, S. 87ff.) gestützt. Gelegentlich fragen auch Schüler, warum Lohn- und Gehaltszahlungsverpflichtungen nicht als Schulden ausgewiesen werden. Bei näherer Betrachtung der Frage nach der Berücksichtigung des Mitarbeiterbestandes in der Inventur wird deutlich, dass es dabei nicht um die Betrachtung der Mitarbeiter als Sache (d. h. als Sklaven) geht, sondern um deren Leistungsvermögen und vor allem um deren Know-how als Bestandteil des Leistungspotentials des Betriebes. Insofern fuhren solche Schüler durchaus plausible Überlegungen zur Unternehmensbewertung durch. Diese Problematik, die auf die grundsätzliche Nichtbilanziening der schwebenden Geschäfte und der selbsterstellten immateriellen Vermögenswerte

192

3 Didaktische Konkretisierung der „Einführung in das betriebliche Rechnungswesen "

aber auch auf die fehlende Einbeziehung des natürlichen und gesellschaftlichen Umfeldes zurückgeht, darf nicht übergangen werden, sondern bedarf einer schülerangemessenen Aufarbeitung. Gerade an diesen Aspekt wird deutlich, dass die Inventur nicht primär das Systempotential, sondern vielmehr die Schulden und das (veräußerbare) Schuldendeckungspotential erfasst, d. h. dieser Aspekt bildet die Grundlage fur die Liquidierbarkeitsüberlegungen zur Herleitung der Ordnung im Inventar und der Bilanz. Die Inventur sollte abgeschlossen werden mit der Reflexion über die in diesem Zusammenhang zu erbringenden Arbeiten des Zählens, Messens, Wiegens, Schätzens, Rechnens und Bewertens sowie der notwendigen Berichtigungen der Buchbestände. Daran anschließend sind die gesetzlichen Vorschriften mit ihren Erleichterungen zu behandeln. Als Systematisierung sollten Arten und Ursachen von Inventurdifferenzen sowie die Inventurverfahren erarbeitet werden, wobei die Hauptunterscheidung von „Stichtagsinventur" und der „permanenten Inventur" herauszustellen ist. Die Unterarten der Stichtagsinventur müssen die Schüler nicht behalten, sie sollten lediglich wissen, dass die Stichtagsinventur nicht unbedingt am Bilanzstichtag erfolgen muss. Der Zusammenhang von „permanenter Inventur über das ganze Geschäftsjahr" und „Buchinventur am Stichtag" sollte bei der Thematik „Nebenbücher" noch einmal aufgegriffen werden, da diese die Voraussetzung für dieses Verfahren sind. 3.1.2.4

D a s Inventar als Abstrahierungshilfsmittel

Inventur und Inventar sind - abgesehen von einigen früheren Stadtrechten - seit der Ordonnance de commerce von 1673 gesetzlich vorgeschriebene, aber schon bis in die Zeiten der Tempelbuchführung in Babylon (Leyerer 1929, S. I08fF.) und im alten Ägypten zurückreichende Instrumente der Rechnungslegung. Das heute in § 240 HGB vorgeschriebene Inventar dient dem von den fortgeschriebenen Daten der Buchführung unabhängigen Nachweis der Vermögensgegenstände und Schulden eines Unternehmens. Nach Eise le (1990, S. 36) ist der eigentliche Zweck des Inventars über die Mengenerfassung hinaus die Bestimmung von Werten (hierzu auch Weller 1987, S. 177). Das Inventar ist somit ein Instrument, das von konkreten Einzelheiten, den vorhandenen Gegenständen (Sachen und Rechte), über Handlungen und Operationen zu einer abstrakten Wertsumme führt. Bei der Handhabung dieses Instruments kann ersichtlich werden, dass der anzusetzende Wert nicht eine quantitative oder qualitative Eigenschaft des Gegenstandes ist, sondern der Ausdruck eines nachprüfbaren Urteils von Personen über den Nutzen, den ihnen diese Gegenstände stiften. Mit der Bestimmung von Werten ist im Sinne eines praxis- und handlungsorientierten Rechnungswesens jedoch noch

3.1 Erarbeitung formater

und inhaltlicher

Grundlagen

193

nicht der betriebswirtschaftliche Zweck des Inventars angesprochen. Dieser liegt neben der internen

Kontrolle

in

dem

Gläubigerschutz,

dem

Gesellschafterschutz

und

in

der

Gewinnermittlung. Handelsrechtlich wird dabei mehr der Gedanke des Gläubiger- und Gesellschafterschutzes verfolgt, während steuerrechtlich der Gedanke der periodenbezogenen Gewinnermittlung im Vordergrund steht (vgl. hierzu Wöhe 1992a, S. 203).

Vom Gläubiger- und Gesellschafterschutzgedanken her dient das Inventar dazu, den Anspruchsgruppen sowie den Prüfern des Jahresabschlusses nachzuweisen, welche Vermögenswerte vorhanden sind, mit denen die eingegangenen Schulden (Fremdkapital) beglichen werden können sowie die Substanz der Anteilswerte erhalten wurde. Vom Gedanken der periodenbezogenen Gewinnermittlung her ist mit Hilfe des Inventars festzustellen, welche Veränderung das Nettovermögen (vgl. hierzu die Kritik von Wedelt 1993, S. 52, an dem steuerrechtlichen Begriff des Betriebsvermögens) in einer Periode tatsächlich aufzuweisen hat.

In der kaufmännischen Berufspraxis wird das Inventar regelmäßig nicht in der im Schulunterricht üblichen Form aufgestellt (Weller/Fischer

1992a, S. 17). Die geordnete Ablage aller

Inventurunterlagen (Konten- und Depotauszüge von Kreditinstituten, Debitoren- und Kreditorenlisten mit Saldenbestätigungen, Grundbuchauszüge, Vertragsunterlagen, Protokolle, Anlagekarteikarten, Vorräteverzeichnisse) mit den dazugehörenden Additionen erfüllt voll die gesetzlich vorgeschriebene Inventarfùnktion. Obwohl es keine Formvorschriften für die Gliederung des Inventars gibt, wird von vielen Lehrbüchern und Lehrern dieser Eindruck vermittelt. Verwaltungsanweisungen (EStR 1990, Abschn. 30 und 31) und höchstrichterliche Rechtsprechung zur Ordnungsmäßigkeit des Inventars haben bisher nur wenige Formvorschriften über Vollständigkeit (BFH-Urteil v. 13.10.72: BStBl 1973,11, S. 114) oder unmittelbare Aufnahme in Reinschrift (BFH-Urteil v. 24.11.71: BStBl 1972, II, S. 234) formuliert, sondern primär Erleichterungen geschaffen. Eine besonders wichtige Anforderung an die Ordnungsmäßigkeit der Inventur wird in der Formulierung und Beachtung betriebsinterner Inventurrichtlinien gesehen (Layer 1981, S. 774). Die Inventur ist Voraussetzung für eine ordnungsgemäße Buchführung und Bilanzierung. Nur über die tatsächliche Bestandsaufnahme (Inventur) können die in der Buchführung fortgeschriebenen Daten kontrolliert und glaubhaft gemacht werden, ein Inventarverzeichnis ist jedoch nicht unbedingt erforderlich (Seicht 1970, S. 25).

Im schulischen Rechnungswesenunterricht werden hingegen die vermeintlichen „Formvorschriften" übertrieben betont, wenn ζ. B. darauf bestanden wird, dass die Positionen „Kassenbestand" und „Bankguthaben" in einer ganz bestimmten Reihenfolge aufgeführt werden. Ab-

194

S Didaktische Konkretisierung der „Einführung in das betriebliche Rechnungswesen"

f o l g e der Positionen und Gliederung des Inventars sowie die Bildung von Z w i s c h e n s u m m e n über die Vorspalte dienen der unterrichtlichen Vorbereitung der Bilanz und der Ü b e r n a h m e der Anfangsbestände in die Konten des Hauptbuchs. Im Inventar erscheinen somit die Bilanzpositionen und Kontenbezeichnungen.

Die Übertragung der Bilanzgliederungsvorschriften auf das Inventar erschwert das Erkennen der typischen M e r k m a l e der Bilanz 4 7 . Aus didaktischer Sicht sollte somit die bei der Aufstellung des Inventars zu beachtende Gliederung primär an den im ersten Geschäftsgang einzusetzenden Hauptbuchkonten - und damit an der Begrifflichkeit des IKR - orientiert sein. A u s den handelsrechtlichen Vorschriften über das Inventar lässt sich maximal eine Grobgliederung nach „Vermögensgegenständen" und „Schulden" mit der Untergliederung der Vermögensgegenstände in „Grundstücke", „Forderungen", „Bargeld" und „sonstige Vermögensgegenstände" herleiten. Einer Untergliederung dieser Positionen steht nichts im Wege. Die Unterteilung der Inventarpositionen mit einem Wertausweis in der Vorspalte sollte so erfolgen, dass die in § 266, Abs. 2 H G B aufgeführten Bilanzpositionen „Roh-, Hilfs- und Betriebsstoffe" im Inventar in der Vorspalte in die Positionen „Rohstoffe/Fertigungsmaterial", „Vorprodukte/Fremdbauteile", „Hilfsstoffe" und „Betriebsstoffe/Verbrauchswerkzeuge" aufgeteilt wird, wenn im Kontenplan des Modellunternehmens diese Positionen und die zugehörigen A u f w a n d s k o n t e n vorgesehen sind. Diese Positionen sind durch spezifische Zähllisten in der Anlage zum Inventar zu konkretisieren. Die Bilanzposition „fertige Erzeugnisse und W a r e n " ist im Inventar in der Vorspalte in ihre beiden Komponenten aufzuteilen. In ähnlicher Weise ist mit der Bilanzposition „Schecks, Kassenbestand, Bundesbank- und Postgiroguthaben 4 8 , Guthaben bei Kreditinstituten" zu verfahren. Die Entsprechung von Inventarpositionen und Hauptbuchkonten ist eine Voraussetzung zur Durchführung des Buch-Ist-Vergleichs im Rahmen der Vorbereitung des Jahresabschlusses.

W e n n das Inventar mit Hilfe von Zähllisten und Offenen-Posten-Listen erstellt wird, ergeben sich besondere Freiheitsgrade bei der formalen Gestaltung. Die einzelnen Artikelgruppen und einzelnen Forderungs- bzw. Verbindlichkeitssalden können einerseits formal in das Inventarverzeichnis eingetragen werden, andererseits aber auch pauschal mit einem Verweis auf die Anlage ü b e r n o m m e n werden. Wenn die Positionen zu umfangreich werden, sollte wegen der

47

Die Tatsache, dass handelsrechtliche Glicderungsvorschriflen bei der Aufstellung der Bilanz aus dem Inventar missachtet werden, wird dadurch verschlimmen, dass im weiteren UntcrTichtsvcrlauf das Schlussbilanzkonto noch einmal ohne Beachtung der gesetzlichen Glicdcrungsvorsclirincn als Bilanz abgeschrieben wird.

β

Infolge der Privatisierung der Postbank entfallt der AufzälUungspunkt „Postgiro".

3.1 Erarbeitung formaler und inhaltlicher Grundlagen

195

umfangreichen Schreibarbeit nur ein Verweis auf die Anlagen zum Inventar in das Inventar a u f g e n o m m e n werden.

A u s der Problemstellung, inwieweit die Rückzahlung aller Schulden gesichert ist, kann die Notwendigkeit der Inventaraufstellung und der Nettovermögensberechnung vermittelt werden. Dies bedeutet, dass die nicht immer eindeutige Interessenlage der Gläubiger (Banken und Lieferanten), der Eigentümer, Geschäftsführer und Mitarbeiter an einem Weiterbestehen des Unternehmens, aber auch an der vertraglich fixierten Erfüllung ihrer geldlichen Ansprüche, zu thematisieren ist. Die Reihenfolge der einzelnen Positionen im Inventar sollte aus diesem Gedanken der Anspruchserfullung unter dem Gesichtspunkt der Liquidierbarkeit gewählt werden. Damit sich eine fur die spätere Transformation des Inventars in die Bilanz gewünschte Reihenfolge ergibt, dürfen jedoch nicht die Mittel mit der besten Eignung zum Begleichen der Schulden (Bankguthaben und Bargeld) an den A n f a n g gestellt werden. Es muss deshalb ein Zwischenschritt erfolgen, aus dem deutlich wird, warum mit den am wenigsten „liquidierbaren" Mitteln begonnen wird. Dazu bietet es sich an, zunächst darüber nachzudenken, w a s nicht zur Schuldentilgung verwertbar ist (ζ. B. gemietete Gegenstände, Kommissionsware). A u s dem Gedanken, dass gemietete Sachen nicht zu erfassen sind, weil sie nicht veräußert werden können, kann dann hergeleitet werden, welche Gegenstände nur schwer veräußerbar sind, und damit nur begrenzt zur Erfüllung der Ansprüche zur V e r f ü g u n g stehen (das Anlagevermögen, weil bei dessen Veräußerung der Betrieb stillgelegt werden müsste). Auf die Möglichkeit des Verkaufens und Zurück-Mietens sollte hier nicht eingegangen werden.

A u s diesen Vorüberlegungen heraus wird beim Vermögen mit den Gegenständen begonnen werden, die am längsten im Unternehmen verbleiben und am wenigsten zur Schuldentilgung geeignet sind, bis hin zu der Position „Bankguthaben", mit der im Normalfall die Schulden beglichen werden. Bei den Schulden wiederholt sich dann dieses Prinzip der Bindung an das Unternehmen. Die für den Industriebetrieb typische Position „Technische Anlagen und Maschinen" kann dabei als meist nur schwer liquidierbar dargestellt werden. An dieser Position kann evtl. verdeutlicht werden, dass die Bewertung nicht nach dem „Liquidierbarkeitsaspekt" (gemeiner Wert), sondern unter dem Gedanken der „Fortfuhrung des Unternehmens" (Teilwert) vorgenommen wird.

196

3 Didaktische Konkretisierung der „Einführung in das betriebliche

Rechnungswesen"

D i e von der Gesetzesvorschrift abweichende „Ermittlung des Reinvermögens" 4 9 im „dritten Abschnitt" des schulischen Inventars wird den Schülern meist nicht oder falsch begründet. Dieser Abschnitt ist ein hervorragendes Beispiel fur die Tradierungstendenzen im kaufmännischen Curriculum. In Savarys

„Parfait négociant" ( 1 6 7 6 , S. 384ff.) bildete die Bilanz den

30

Abschluss des Inventars . Mit der Herausbildung von Form- und Veröffentlichungsvorschriften zur Bilanz wurde dieser Abschnitt im Inventar also sinnlos. Dennoch ist er über Jahrhunderte im Unterricht im Gegensatz zur kaufmännischen Praxis beibehalten worden. Teilw e i s e wurde in Lehrbüchern sogar ein weiterer Abschnitt „D. Gewinnermittlung" mit dem Nettovermögensvergleich Wewer/Becker

v o m Ende und Beginn des Geschäftsjahres hinzugefügt

1909, S. 190ff ). Ein Beispiel für eine sinnvolle Gliederung des Inventars ohne

den Abschnitt „Reinvermögen" wird von Kistner/Steven

N a c h Nicklisch

(vgl.

(1997, S. 12) gezeigt.

( 1 9 3 2 , S. 3 2 3 ) knüpft die „Rechnung zur Ermittlung des Reinvermögens"

zwar an das Inventar an, ist jedoch nicht Bestandteil dessen. „Sie stellt eine Konfusion der Begriffsinhalte .Vermögen' und .Kapital' dar; insofern nämlich, als das Vermögen durch sie nach den Quellen aufgeteilt wird, aus denen der abstrakte Wert abgeleitet ist, den e s darstellt" (ebenda). D i e s e Konfusion ergibt sich dadurch, dass mit dem „Rein-" oder „Nettovermögen" die Wertsumme bezeichnet wird, die nach einer gedanklichen Bezahlung aller Schulden in gegenständlicher Form übrigbleibt.

Als Eigenkapital

werden die

Ansprüche auf diese

49

Baetge (1996, S. 99) nennt diesen vom Gesetz nicht vorgcscliricbenen, seiner Ansicht nach aber Üblichen Abschnitt des Inventars „Ermittlung des vorläufigen" Reinvennögens. Er fuhrt an, dass in der Praxis zwei Varianten des Inventars gebräuchlich seien: der Ausweis des Vermögens und der Schulden mit vorläufigen Bewertungen und Inventare mit zusätzlichen Spalten zur Entwicklung der Bilanzansätze. Damit der Abgleich von Inventar und Bilanz erleichtert würde, sollten nach Baetges Auffassung ins Inventar „auch jene Posten mit aufgenommen werden, die keine Vennögensgcgcnstände und Schulden sind" (S. 111).

50

Die „Bilanz des Inventars" stellt im Gegensatz zu der von Pacioli beschriebenen „Bilanz des Hauptbuchs" (Penndorf 1933, S. 140ÍT.), mit der das Hauptbuch in eine neue Recluiung übertragen wurde. Der Ausdruck „Bilanz" bedeutete früher generell den Ausgleich zweier Wertreihen durch Saldieren, insbesondere auf den Kontokorrentkontcn In diesem Sinne wird die Tätigkeit des Saldicrcns mit der Waage bei Matthäus Schwan bildlich beschrieben: 'Was das Schuldbuch sey Das Schuldbuch vergleicht sich ainer wag, das nennen die walchen [Welschen, Italiener; Fußnote) bilanza. In disem buch werden alle creditores vnd debitores gehalten. Vnd diß Schuldbuch ist nun also geformiert, wie man sieht ac. 28/45, das ein jedes plat zwo seitten hat vnnd so das buch offen vor dir ligt vnd du sichts das buch an vnd nit das buch dich, so ist die seitten gegem hertzen die lingk seitten: Soll mir, das ist als vil zu dir zum hertzen. Die ander seitten haist von dir vom hertzen, diß ist die gerecht seitten vnnd haist: Soll ich. Also hat die wag auf jeder seitten ain schalen vnd In der mitt ain kloben. So man gwicht vnd wahr auflegt vnnd du steest vor der wag vnd das der tail gegem hertzen furschlecht, so haist es: Mir soll. So leg ich alßdann souil gwicht auff die recht seitten bis der klob inn steet, so haist es: Soll ich; so ist das gwicht gleich vnd verricht. Das haissen die walchen saldo. Exemplum: Ich leich ainem 100 fl; waist mein hertz wol, ob ichs geren thu So schreib ichs dem Schuldner zu auf der seitten, da das hertz ligt. Darnach zahlt er mir 80 fl Die mach ich im wider gut an den 100 fl im Wir, das haist von dir zur rechten seitten. Also schlecht die wag noch gegen mir vmb 20 fl im: Soll vns Nach disem zalt er mir auch die 20 fl; die mach ich im auch gut So wirt der conto saldo vnnd seind die 100 fl gleich wie die wag im kloben" (Text der Elbinger Handschrift des Matthäus Schwarz nach Weitnauer 1931, S. 180f).

¡97

3.1 Erarbeitung formaler und inhaltlicher Grundlagen

restliche W e r t s u m m e bezeichnet. R e i n v e r m ö g e n und Eigenkapital sind in ihrer H ö h e e b e n s o identisch w i e G e s a m t v e r m ö g e n und G e s a m t k a p i t a l , b e i d e B e g r i f f s p a a r e stellen j e d o c h andere S i c h t w e i s e n a u f d i e g l e i c h e n W e r t e dar. Die R e c h e n g r ö ß e „ R e i n v e r m ö g e n " sollte deshalb nicht als z u s ä t z l i c h e

Position

im I n v e n t a r

aufgeführt werden,

weil

sie bereits in

den

v e r s c h i e d e n e n P o s i t i o n e n d e s „ V e r m ö g e n s " enthalten ist.

D i e richtige E r m i t t l u n g d e s R e i n v e r m ö g e n s im Inventar setzte z u d e m voraus, d a s s d a s Invent a r alle zu b i l a n z i e r e n d e n V e r m ö g e n s g e g e n s t ä n d e und S c h u l d e n , also auch R ü c k s t e l l u n g e n u n d R e c h n u n g s a b g r e n z u n g s p o s t e n s o w i e die B i l a n z i e r u n g s h i l f e n 5 1 enthielte. D i e B e r e c h n u n g d e s R e i n v e r m ö g e n s im I n v e n t a r erfordert z u d e m , d a s s alle im I n v e n t a r angesetzten W e r t e mit d e n bilanzierten W e r t e n ü b e r e i n s t i m m e n . Mit einem solchen Postulat, dass das Inventar die v o l l s t ä n d i g e G r u n d l a g e der Bilanz ist, w ü r d e n sämtliche B i l a n z i e r u n g s p r o b l e m e zu Inventarisierungsproblemen.

Dies ist z w a r denkbar, j e d o c h w e d e r die Intention d e r

gesetzlichen

R e g e l u n g noch n a c h d e n G r u n d s ä t z e n o r d n u n g s m ä ß i g e r I n v e n t u r erforderlich. N a c h Hartung

Curtius-

( 1 9 9 0 , S. 2 3 7 ) m ü s s e n d i e im I n v e n t a r a n z u g e b e n d e n W e r t e nicht mit d e n endgültig

b i l a n z i e r t e n W e r t e n ü b e r e i n s t i m m e n , d. h. N i e d e r s t w e r t a b s c h r e i b u n g e n und A u s ü b u n g v o n B e w e r t u n g s w a h l r e c h t e n m ü s s e n noch nicht erfolgt sein. D i e E i n b e z i e h u n g v o n Ü b e r l e g u n g e n z u r J a h r e s a b g r e n z u n g s r e c h n u n g und B i l a n z i e r u n g s s t r a t e g i e n in das Inventar ist a u s didakt i s c h e r Sicht f ü r ein V e r s t ä n d n i s der B i l a n z als Instrument der externen R e c h n u n g s l e g u n g und a u c h d e r H a u p t a b s c h l u s s ü b e r s i c h t als I n s t r u m e n t z u r V o r b e r e i t u n g des J a h r e s a b s c h l u s s e s mit d e r A u s ü b u n g v o n B i l a n z i e r u n g s - und B e w e r t u n g s w a h l r e c h t e n abträglich.

E i n e w e i t e r e P r o b l e m a t i k des schulischen Inventars liegt in der D i m e n s i o n i e r u n g d e r W e r t a n sätze. D i e V e r m i n d e r u n g der Stellenzahl und die R u n d u n g d e r B e t r ä g e erleichtern die R e chenarbeit. V e r s c h i e b e n sich i n f o l g e d e s s e n j e d o c h auch bilanzielle W e r t s t r u k t u r e n (ζ. B. Anl a g e v e r m ö g e n : U m l a u f v e r m ö g e n ; A n l a g e v e r m ö g e n : Eigenkapital), wird eine betriebswirts c h a f t l i c h e B e t r a c h t u n g d e r erstellten I n v e n t a r e erheblich erschwert. Die W e r t s t r u k t u r e n sind d e s h a l b e n t s p r e c h e n d der b e t r i e b s w i r t s c h a f t l i c h e n P r o b l e m s t e l l u n g zu gestalten. Die a b s o luten W e r t e sollten j e d o c h auch nicht zu niedrig g e w ä h l t w e r d e n , damit die A u s w i r k u n g e n v o n alternativen B e w e r t u n g s a n s ä t z e n deutlich w e r d e n .

D i e D a t e n eines M o d e l l u n t e r n e h m e n s sollten so gestaltet w e r d e n , dass der B e t r a g der Schulden h ö h e r ist als d e r W e r t des U m l a u f v e r m ö g e n s . Damit k ö n n e n die Schüler g u t erkennen,

51

Auf die betriebswirtschaftliche Problematik, ob Recluuingsabgrenzungsposten Vermögensgegenstände bzw. Schulden oder Bilanzierungsliilfen sind, soll hier nicht cingegangcn werden.

198

3 Didaktische Konkretisierung der „ Einführung in das betriebliche Rechnungswesen "

dass eine sofortige Tilgung sämtlicher Schulden nicht ohne Eingriff in die Leistungsfähigkeit des Unternehmens möglich wäre. Unter Verzicht auf die im Unterricht notwendige Konkretisierung der einzelnen Positionen wird für die weiteren Ausführungen die in Abbildung 3-6 gezeigte Wertestruktur eines Modellunternehmens zu G r u n d e gelegt. A.

Vermögensgegenstände 1. Grundstücke mit Bauten 2. 3. 4. 5. 6.

B.

Technische Anlagen und Maschinen Betriebs- und Geschäftsausstattung Vorräte insgesamt Forderungen aus Lieferungen und Leistungen Zahlungsmittel

30.000.000 D M 9.000.000 3.000.000 39.000.000 17.000.000 2.000.000 100.000.000

Schulden 1. Langfristige Bankverbindlichkeiten 2. Verbindlichkeiten aus Lieferungen und Leistungen

DM DM DM DM DM DM

35.000.000 D M 25.000.000 D M 60.000 000 D M

Abbildung 3-6: Vereinfachte Wertestruktur eines Modellunternehmens

Bei diesem Modellunternehmen w u r d e der größte Teil der Mittel zur B e s c h a f f u n g der Vermögensteile von den Gläubigern aufgebracht. Deshalb wird der Gedanke des Gläubigerschutzes besonders deutlich. Die Relation des Eigenkapitals zum Gesamtkapital liegt nahe bei dem empirischen Wert (die Eigenkapitalquote der Aktiengesellschaften des produzierenden Gewerbes in der Bundesrepublik Deutschland lag 1955 bis 1986 zwischen 30,5 % und 42,8 %,

Quelle: Institut der deutschen Wirtschaft 1988, Tab. 77). Anhand der Daten des Modellunternehmens sollte erkannt werden, dass die von den Lieferanten und Banken bereitgestellten Mittel nicht etwa als zusätzliche, „negative Vermögensgegenstände" vorhanden sind, sondern dass die Schulden im Wert von 60 Mill. D M gegenständlich in den „mitgezählten" Vermögensgegenständen stecken. Bankdarlehen werden im Normalfall zunächst als Zahlungsmittel zur Verfügung gestellt. Mit diesen werden Gebäude und Maschinen bezahlt, d. h. die als Darlehen gewährten Mittel stecken eventuell in den Grundstücken und/oder in den Maschinen. Verbindlichkeiten gegenüber den Lieferanten entstehen normalerweise durch Warenkredite, sie sind also gegenständlich in den Vorräten enthalten. Sind die so bezogenen und verarbeiteten Materialien bereits weiterveräußert, ist dieses Fremdkapital in Forderungen oder in Zahlungsmitteln gebunden.

Der Gläubigerschutzgedanke verlangt das Erkennen, dass f r e m d e Mittel (in H ö h e der Schulden) unsichtbar in den ausgewiesenen Werten der Vermögensgegenstände gebunden sind und

3.1 Erarbeitung formaler und inhaltlicher Grundlagen

199

dass genügend monetäre Substanz vorhanden sein muss, um die Schulden bei Fälligkeit zurückzahlen zu können. Die im gesamten Vermögen gebundenen fremden Mittel können regelmäßig nicht direkt einem konkreten Vermögensgegenstand zugerechnet werden, und zwar auch dann nicht, wenn ein solcher als Sicherheit (ζ. B. ein Grundstück) dient. Reicht die vorhandene Vermögenssubstanz nicht aus, die Schulden zu begleichen, so entspricht es dem Gläubigerschutzgedanken, dass dieses Unternehmen so nicht weitergeführt werden

darf

(Überschuldung als Konkursgrund).

3.1.2.5

Erarbeitung des Kapitalbegriffs anhand einer Nebenrechnung zum Inventar

Mit dem Themengebiet „Das Eigenkapital als Anspruch auf Reinvermögen und G e w i n n " soll die Begrifïlichkeit des Inventars von den alltagssprachlichen Hauptkategorien „Vermögensgegenstände" und „Schulden" zu den betriebswirtschaftlichen Begriffen „Vermögen", „Kapital" (i. S. von „Gesamtkapital") mit dessen Unterteilung in „Fremdkapital" und „Eigenkapital geführt werden. Ergänzend dazu kann eine erste Art der Gewinnermittlung durch Vergleich des Eigenkapitals zu zwei Zeitpunkten erfolgen. Die betriebswirtschaftliche Betrachtung der V e r m ö g e n s z u s a m m e n s e t z u n g und seiner Finanzierung basiert auf einer Nebenrechnung zum Inventar und wird gestützt durch geeignete bildhafte Analogien. Dadurch wird

zu der Form

der Bilanz hingeführt.

Zentraler Bezugspunkt ist die rechnerische Erarbeitung und inhaltliche Füllung des Eigenkapitalbegriffs. Sowohl in der Buchführungsliteratur der Vergangenheit als auch im Vorwissen der Schüler 5 2 bereitet es immer wieder Schwierigkeiten, Eigenkapital von den Zahlungsmitteln einerseits als auch vom Privatvermögen andererseits (vgl. Preiß/Seemann

1990,

S. 259) abzugrenzen. In ähnlicher Weise wird der Gewinn mit dem Zahlungsmittelüberschuss gleichgesetzt. Daraus lässt sich die Notwendigkeit einer differenzierten Erarbeitung dieser Begriffe erkennen. Bei diesem wichtigen Schritt in der Anfangsphase des

Rechnungs-

wesenunterrichts sollte ein Begriffsaufbau in sachlich richtiger Weise, d. h. nicht widersprüchlich zur Berufspraxis und zur Fachwissenschaft, erfolgen. Die Auswahl und Aufbereitung der Inhalte muss dabei von einer didaktischen Argumentation her begründet werden.

52

Dem Verfasser bleibt liierzu eine Episode aus cincin Untcrrichtsbcsuch in Erinnerung, wo ein Schüler bezüglich der Unterscheidung von „Vcnnögen" und „Kapital" einwandte, dass der Unterschied nicht groß sein könne, da er gelesen habe, dass ein „Kapitalist" eine „Vermögende" geheiratet hätte.

200

3 Didaktische Konkretisierung der .. Einführung in das betriebliche Rechnungswesen "

Obwohl dem Eigenkapitalbegriff in der Modellierungsmethode nicht die Bedeutung wie in der Bilanzmethode 5 3 zur Erklärung der Erfolgsbuchungen zukommt, ist er doch fur das Verständnis der Zusammenhänge und der Interessenlage bei der Bilanzierung wichtig. In einer handlungsorientierten Unterrichtskonzeption kann der Kapitalbegriff aus betriebswirtschaftlicher Sicht sachlich richtig und in einem sinnvollen Verwendungszusammenhang aufgebaut werden, ohne leistungsschwächere Schülergruppen zu überfordern.

Um spätere Lernprozesse optimal zu fördern, kommt der ersten fachlichen Begegnung der Schüler mit dem Kapitalbegriff eine große didaktische Bedeutung zu. Im Einfuhrungsunterricht ist eine saubere, tragfähige Grundlage zu vermitteln, die auch bei der späteren Behandlung schwieriger und schwierigster Probleme nicht versagt. Eine Vernachlässigung theoretischer Zusammenhänge fuhrt zu einem rezeptartigen Unterricht und zwingt die Schüler später zum Umlernen. Dies ist „äusserst ungünstig, denn es bereitet weit mehr Mühe, etwas Einfaches, aber Falsches, aus den Köpfen der Schüler wieder herauszubringen, als von Anfang an, mit etwas mehr didaktischem Aufwand, eine weit genug gefasste Grundlage zu vermitteln" (Weilenmann

1982, S. 41).

„Kapital" ist ein zentraler ökonomischer Begriff, dessen Inhalt und Gebrauch in den Wirtschaftswissenschaften deutliche Unterschiede zu Alltagsvorstellungen aufweist. Dennoch gibt es weder in der Betriebswirtschaftslehre noch in der Volkswirtschaftslehre eine einheitliche Bedeutung (Schneider

1990, S. 32; vgl. auch Woll 1974, S. 194; Wossidlo

1981, S. 1674ff ).

In der kaufmännischen Berufsausbildung ist es nicht möglich - und vermutlich auch nicht sinnvoll -, die wissenschaftliche Vielfalt und Differenziertheit der Kapitalbegriffe zu vermitteln. E s erscheint aber notwendig, in der Anfangsphase eine Bedeutung aufzubauen, die den intensionalen Kern aller Kapitalbegriffe trifft. Deshalb sollte in der kaufmännischen Ausbildung von vornherein eine Verwendung des Kapitalbegriffs erfolgen, die von der Gleichsetzung mit Zahlungsmitteln abweicht, damit der Begriffsgebrauch in der weiteren kaufmännischen und politischen Bildung erleichtert wird.

Neben der hauptsächlich verwandten Definition des Kapitals als abstrakte Wertsumme des Vermögens findet sich die umgangssprachliche Gleichsetzung von Geld (Zahlungsmittel) und Kapital als eine Variante der betriebswirtschaftlichen Begriffsbestimmung (Schneider

53

1990,

Es wäre interessanl zu überprüfen, ob die rein rechciUccluiisclie Erarbeitung des „Eigenkapilals" durch Saldierung von Vermögen und Schulden und die vorn Leistungsprozess absehende Behandlung der Erfolgskonlcn in der Bilanziemngsmethode sich gegenseitig stützen.

3.1 Erarbeitung formaler und inhaltlicher

Grundlagen

201

S. 32). In der Volkswirtschaftslehre werden beide Bezeichnungen in dem Begriff „Geldkapital" verknüpft, womit die „bereitstehende Kaufkraft in Geldform" (Woll 1974, S. 194) von dem Realkapital abgegrenzt wird. Im Sinne dieses Realkapitals wird der Kapitalbegriff als volkswirtschaftlicher Produktionsfaktor verwandt. Berücksichtigt man auch die finanztechnische Unterscheidung von Geld- und Kapitalmarkt, so wird deutlich, welche begrifflichen Verwirrungen bei nicht sorgfaltig geplantem unterrichtlichen Einsatz dieses Begriffs im Kopf der Schüler angerichtet werden können. Damit bei den Schülern Verständnis fur eine exakte Begriffsverwendung geweckt wird, sollte der Unterricht auch ersichtlich machen, warum eine bestimmte Begriffsbestimmung sinnvoll ist.

Zur deutlichen Unterscheidung des Geldbegriffs vom Kapitalbegriff, sollte zunächst das Geld in seinen beiden Funktionen anhand einer Reflexion über das aufgestellte Inventar betrachtet werden. Geld ist im Inventar in seiner Doppelfunktion als Recheneinheit (oder Wertmesser) und als ein in einer sozialen Gemeinschaft akzeptiertes Tauschmittel i. S. eines allgemeinen Zahlungsmittels (vgl. Deppe 1973, S. 5) in Form von Bargeld (Kassenbestand) und Buchgeld (Bankguthaben) ersichtlich. Diese Doppelfunktion ist den Schülern aus dem Alltagsleben bekannt (zum Entwicklungsverlauf des Geldbegriffs vgl. Claar 1989, S. 106).

Dass Geld - sowohl das Buch- als auch das Bargeld - nicht etwas Stoffliches, sondern gleichzeitig auch etwas Abstraktes (ebenda, S. 9f.) im Sinne eines nicht zurückweisbaren Anspruchs auf angebotene Güter ist, dürfte schon wesentlich schwieriger bewusst zu machen sein. Aus dieser Sicht sind Scheine und Münzen nicht das Geld, sie dokumentieren nur eine dem Inhaber zustehende „Forderung an die Notenbank"; eine Forderung, die allerdings wegen der fehlenden Golddeckung von der Notenbank 54 nicht eingelöst werden muss.

Schneiders

Bemerkung: „Geld kann man beschaffen, abstrakte Wertsummen nicht" (1990, S. 32) zeigt, dass auch in der Betriebswirtschaftslehre Schwierigkeiten bezüglich der Erkenntnis der abstrakten und sozialen Natur des Geldes bestehen".

54

Aufgrund geselzliclier Vorscliriften müssen lüngegen die Anbieter von Gütern in einer Volkswirtschaft diese „Forderung an die Notenbank" einlösen, weil sie zur Aiuialunc der Zahlungsmittel in der jeweils gültigen Währung verpflichtet sind. Ökonomisch gesehen sind somit nicht die Notenbank, sondern die Unternehmen und Haushalte einer Volkswirtscliaft die Gläubiger des Bargcldinliabers. Voraussetzung fur den Erwerb von Gütern gegen Geld ist, dass sich die Wirtschaftssubjekte einer Volkswirtschaft bereit erklären, Geld in Zahlung zu nehmen, auch wcmi es in keiner Weise als Ware verwendet werden kann oder soll. Geld wird in der Gewissheit angenommen, dafür jederzeit andere Güter und Dienste eintauschen zu können (Deppe 1973,

55

Ergänzend dazu sei bemerkt, dass einerseits mit jeder „Geldbeschaffung" auch eine abstrakte Wertsumme beschafft und andererseits abstrakte Wertsummen auch durch Warenkredite oder Leasingverträge beschafft werden können.

S. 11).

202

3 Didaktische Konkretisierung der „Einführung in das betriebliche

Rechnungswesen"

Im v o l k s w i r t s c h a f t l i c h e n Unterricht ist u n t e r d e r Inflationsthematik d a r a u f z u r ü c k z u g r e i f e n , d a s s bei einer V e r m e h r u n g der G e l d m e n g e bei k o n s t a n t e r U m l a u f g e s c h w i n d i g k e i t im V e r gleich z u r G ü t e r m e n g e nur das N o m i n a l k a p i t a l , nicht j e d o c h das Realkapital steigt. D a s V e r ständnis des inneren W e r t e s des G e l d e s h ä n g t e n g z u s a m m e n mit d e m V e r s t ä n d n i s d e s Kapitals. W i c h t i g ist dabei d i e E r k e n n t n i s , d a s s Geld als A n s p r u c h a u f p r o d u z i e r t e G ü t e r d e m v o l k s w i r t s c h a f t l i c h e n Kapital g e g e n ü b e r s t e h t , um die „ W e r t l o s i g k e i t " des G e l d e s bei f e h l e n d e m G ü t e r a n g e b o t zu erkennen. O b w o h l in dieser L e k t i o n nur die b e t r i e b s w i r t s c h a f t l i c h e D i m e n s i o n d e s KapitalbegrifTs e r s c h l o s s e n w e r d e n soll, m u s s im G e s a m t c u r r i c u l u m a u c h d i e v o l k s w i r t s c h a f t l i c h e P e r s p e k t i v e erarbeitet w e r d e n . Ein erster A n s a t z p u n k t d a z u bietet sich in L e k t i o n 3, n a c h d e m a u s g e h e n d von der B i l a n z die K r e d i t b e z i e h u n g e n e i n e s U n t e r n e h m e n s zu a n d e r e n W i r t s c h a f t s e i n h e i t e n thematisiert w u r d e n .

W ä h r e n d in der ersten Lektion „ D e r K a s s e n b e r i c h t als M o d e l l des B u c h - I s t - V e r g l e i c h s " u. a. thematisiert wird, w e l c h e F u n k t i o n Bargeld f ü r einzelne W i r t s c h a f t s s u b j e k t e hat und w a r u m es b e s o n d e r s zu kontrollieren ist, sollte im A n s c h l u s s an das Inventar erkannt w e r d e n , d a s s in d i e s e m w e i t e r e B e r e i c h e des U n t e r n e h m e n s in Geld ( W e r t m e s s e r f ü n k t i o n ) a u s g e d r ü c k t sind. E s ist d e s h a l b m ö g l i c h , die K a s s e n b e r i c h t s - und K a s s e n b u c h s t r u k t u r ( E i n z a h l u n g e n und A u s z a h l u n g e n ) mit der I n v e n t a r s t r u k t u r ( V e r m ö g e n und S c h u l d e n ) zu vergleichen. D i e Schüler k ö n n e n d a n n e r k e n n e n , dass das Inventar bezüglich der V e r m ö g e n s e r m i t t l u n g eigentlich eine „ e r w e i t e r t e Z ä h l l i s t e " ist. Im A n s c h l u s s an die schon bei d e r O f f e n e n - P o s t e n - L i s t e für V e r b i n d l i c h k e i t e n e r f o l g t e n Betrachtung, d a s s die V e r b i n d l i c h k e i t e n eine „ K o r r e k t u r des M a t e rial- b z w . Z a h l u n g s m i t t e l b e s t a n d e s " darstellen, einen s c h o n erfolgten

„Vermögensabgang"

d o k u m e n t i e r e n , wird der G e d a n k e der Saldierung v o n V e r m ö g e n und S c h u l d e n zur E r m i t t l u n g d e s „ U n t e r n e h m e n s w e r t e s " nahegelegt.

A u s g a n g s p u n k t dieses T h e m e n g e b i e t s z u r E r m i t t l u n g d e s E i g e n k a p i t a l s und z u m V e r s t ä n d n i s seines Inhalts m u s s d e s h a l b eine P r o b l e m s t e l l u n g sein, die z u n ä c h s t zur S a l d i e r u n g f u h r t . D a f ü r k ö n n t e z u m Beispiel eine Ü b e r t r a g u n g der Anteile a u f einen anderen E i g e n t ü m e r (Erbfall o d e r V e r k a u f ) o d e r die Ü b e r l e g u n g e i n e s E i g e n t ü m e r s , w a s d e n n sein Anteil v o n ζ. B. 27,5 % a m U n t e r n e h m e n 5 6 ( m i n d e s t e n s ) wert sei, problematisiert w e r d e n . D a r a u s ergibt sich, d a s s z u n ä c h s t die B e z u g s g r ö ß e f u r die B e r e c h n u n g des Anteils b e s t i m m t w e r d e n muss. Falls S c h ü ler d i e s e A n t e i l s r e c h n u n g v o m G e s a m t v e r m ö g e n v o r n e h m e n wollen, sind sie d a r a u f hinzu-

56

Im Hinblick auf eine Integration der Prozentrechnung könnte sogar dieser prozentuale Anteil selbst erst aus dem Verhältnis des Nennwert des Anteils in Relation zum insgesamt gezeichneten Kapital crrcclinct werden müssen.

S. I Erarbeitung formater und inhaltlicher

Grundlagen

203

weisen, dass der in Höhe der Schulden ausgewiesene Wert schon anderen Personen (den Lieferanten und der Bank) zusteht und somit nicht auch noch den Unternehmenseignern zugerechnet werden könne.

Diese Nebenrechnungen zum Inventar bestehen aus mehreren Teilen, die abgestuft durchgeführt werden. In Abbildung 3-7 werden sie insgesamt dargestellt, wobei die Rechnung zur Gewinnermittlung durch Vergleich des Eigenkapitals entweder in der einfacheren Variante c) oder bei anspruchsvolleren Schülergruppen auch in der Variante d) durchgeführt werden kann.

Bei der Saldierung von Gesamtvermögen und Schulden (erste Rechnung in Abbildung 3-7) ergibt sich dann die Frage nach der Benennung des Saldos. Bei der hier geschilderten Problemstellung wäre es die „Summe aller Anteilswerte". Dafür wird dann der Begriff des „Eigenkapitals" vergeben. Die Bezeichnung „Rein-" bzw. „Nettovermögen" sollte nicht zur Benennung des Saldos verwandt werden, weil der Ausdruck „Reinvermögen" einen konkreten Vermögensbestand bezeichnet, der verbleibt, wenn alle Schulden bezahlt sind; das Vermögen sozusagen frei („rein") von den Ansprüchen der Gläubiger ist. Reines Vermögen i. S. eines „Freiseins" von Ansprüchen der Gläubiger gibt es in seiner gegenständlichen Form normalerweise nur bei Gründung und Liquidation eines Unternehmens. Der Ausdruck „Nettovermögen" (oder „Reinvermögen") verweist auf die substantiellen Haftungsreserven im Unternehmen. Der Ausdruck „Eigenkapital" hingegen verweist auf die Ansprüche an dieser Restsubstanz, die nach der Begleichung der Schulden verbleiben. Kapital sind also die Werte der Ansprüche, Vermögen sind die Werte der Gegenstände. Beide Werte müssen in ihrer Höhe identisch sein.

204

3 Didaktische Konkretisierung

der „Einführung in das betriebliche

a) Ermittlung des Eigenkapitals Summe des Vermögens = pigenkapital b) Ermittlung des variablen Eigenkapitals Eigenkapital insgesamt - Gezeichnetes Kaüital c) Ermittlung des Gesamtkapitals Eigenkapital + Fremdkapital (= Schulden) = (Çiesamt-1 foPÌtòl

Rechnungswesen "

100 000 000 DM 60 000 000 D M 40 000 000 D M 40 000 000 D M 40 000 000 D M

40 000 000 DM 60 000 000 D M 100 000 000 D M

d) Einfache Ermittlung des Gewinns (bei Fehlen von Kapitalerhöhung und -herabsetzung) Eigenkapital am Jahresende - Eigenkapital am Ende des Voijahres = Jahreçgçwipfi

40 000 000 DM 35 000 000 D M 5 000 000 DM

d) Komplexe Ermittlung des Gewinns Eigenkapital am Jahresende - Eigenkapital am Ende des Vorjahres = Eigenkapitalveränderung + Kapitalherabsetzung / Gewinnausschüttung - Kapitalerhöhung = Jfthresgewinn

40 000 000 DM 27 000 000 DM 13 000 000 D M 0 DM 8 000 000 DM 5 000 000 DM

Abbildung 3-7 Mögliche Nebenrechnungen zum Inventar

Besonders wichtig ist die Erkenntnis, dass das „Eigenkapital" als Restgröße errechnet wird, da es weder körperlich noch buchmäßig durch Belege festzustellen ist. Nur das gezeichnete Kapital und das Eigenkapital am Anfang des Geschäftsjahres sind durch Unterlagen einzeln nachweisbar. Dieses Einzelnachweisdefizit spricht auch dafür, das Eigenkapital nicht im Inventar, dem Instrument der Istaufnahme, auszuweisen. In der von Nicklisch (1932) geforderten Nebenrechnung zum Inventar lässt sich dies jedoch durchführen. Ein „Rei η vermögen" hingegen kann man körperlich feststellen, wenn man alle Verbindlichkeiten beglichen hat, dies bedeutet aber i. d. R. eine Teilliquidation des Unternehmens. Das Kapital einer Wirtschaftseinheit wird über Inventur und Inventar in seiner Abstraktheit festgestellt und in seiner Konkretheit im Ganzen nachgewiesen. Das Eigenkapital taucht jedoch nicht als Unterpunkt im Inventar auf. Da die Ermittlung des Reinvermögens nicht Zweck des Inventars ist (Heinen/ Kupsch

1991, S. 1353), sollte sie im Unterricht konsequenterweise nicht in diesem Instru-

ment, sondern außerhalb vorgenommen werden.

Zur Unterscheidung des aktuellen Eigenkapitals von dem über Anteile verbrieften Ansprüchen der Eigentümer wird die Nebenrechnung b) aus Abbildung 3-7 durchgeführt. Sie dient

3.1 Erarbeitung formaler und inhaltlicher Grundlagen

205

gleichzeitig dazu, die bei der späteren Bilanzaufstellung benötigten Positionen zu erarbeiten. Da in dem Ausgangsbeispiel das gesamte Eigenkapital dem gezeichneten Kapital entspricht, muss dieser Sachverhalt in der Weise interpretiert werden, dass am Ende des abgelaufenen Jahres eventuell früher entstandene Gewinne oder Verluste genau ausgeglichen sind. Den Schülern ist dies als ein Ausnahmefall zu begründen, der zum Zweck der Vereinfachung so konstruiert wurde. Es kann ihnen dabei versichert werden, dass dies in Zukunft nicht mehr vorkommen soll.

Die Betrachtung des Eigenkapitals als Rechengröße (Saldo) eröffnet auch einen Blick darauf, dass es durch Veränderungen seiner Ausgangskomponenten (Mengen- und Wertansätze im Vermögen und der Schulden) eine beinflussbare Größe ist. In dieser Anfangsphase kann nur ansatzweise der gesetzliche Bilanzierungs- und Bewertungsspielraum verdeutlicht werden. So kann an einfachen Beispielen 5 7 gezeigt werden, dass ein Preisverfall bei Rohstoffen oder Warenvorräten zwischen Anschaffungszeitpunkt und Inventurstichtag nicht nur das Vermögen mindert, sondern die gleiche Wirkung auf das Eigenkapital (und den Gewinn) hat. Weitergehend könnte demonstriert werden, wie Sonderabschreibungen auf diese Größen wirken. Es können somit die Grundlagen für das Verständnis stiller Reserven geschaffen werden, d. h. den Schülern kann dargelegt werden, wie Teile des Eigenkapitals und des Gewinns (vorübergehend) „versteckt" werden können. Diese Überlegungen können fortgesetzt werden mit der Betrachtung der Folgen, die die Nichterfassung immaterieller Vermögensgegenstände und des Humankapitals auf den Unternehmenswert als Wert der Anteile an einem Unternehmen hat. So kann Verständnis dafür aufgebaut werden, dass ein Erwerber der Anteile an einem Unternehmen möglicherweise bereit ist, mehr zu bezahlen als das auf der Basis des Substanzwertes errechnete Eigenkapital. Wenn im weiterführenden Unterricht neue Bilanzpositionen, wie Rückstellungen, Rechnungsabgrenzungsposten oder Sonderposten mit Rücklagenanteil, angesprochen werden, lassen sich diese im Anfangsunterricht vorgenommenen ökonomischen Reflexionen wieder aufgreifen und erweitern.

Das Eigenkapital darf aber nicht nur als Saldo gesehen werden, sondern es muss nun auch mit dem Wert der Ansprüche der Eigentümer auf das Vermögen des Unternehmens gefüllt werden. Dabei ist es von dem Wert der Ansprüche anderer, d. h. „fremder" Personen abzugrenzen und zusammenzufassen. Es ist auch zu verdeutlichen, dass die Ansprüche der Eigentümer sich

57

Hier bietet sich der Einsatz eines Tabcllenkalkulationsprogramms an Falls die Zahl lisien auch integriert sind, kann die Veränderung der Wertansätze schon in diesen vorgenommen werden. Die Auswirkungen können dann im Inventar und evtl. in dessen grafischer Aufbereitung bctrachtct werden.

206

3 Didaktische Konkretisierung der ., Einführung in das betriebliche Rechnungswesen "

nicht auf den N e n n w e r t der Anteile beschränken. Durch die E i n f u h r u n g des

Synonyms

„Fremdkapital" f u r „Schulden" bzw. „Verbindlichkeiten" wird auch die Errechnung des „Gesamtkapitals" und die intensionale Füllung des Begriffes „Kapital" in seiner betriebswirtschaftlichen Variante möglich. Als Unterscheidungsmerkmal des Fremdkapitals v o m Eigenkapital ist insbesondere der konkret bestimmte Fälligkeitstermin im Gegensatz zum unbestimmten Fälligkeitstermin (Unternehmensauflösung bzw.

Kapitalherabsetzungsbeschluss)

des Eigenkapitals herauszustellen. Ferner ist aus der Frage der Vergütung fur die Überlassung des „Kapitals" bis zu seinem Fälligkeitstermin ein weiteres Unterscheidungsmerkmal herauszuarbeiten: die fest vereinbarte Vergütung in Form eines Zinses vs. der Vergütung durch eine Restgröße nach einer Abrechnung in Form des Gewinnanteils.

An die rechnerische (Abschnitte a - c in Abbildung 3-7) und d e f l a t o r i s c h e Ermittlung des Eigen- und Gesamtkapitals sollte eine Reflexion über „ V e r m ö g e n " und „Kapital", deren Z u sammensetzung und Abhängigkeit anknüpfen. Zu überlegen ist, ob die Begriffsbildung durch zusätzliche Übungsaufgaben mit extremen Datenkonstellationen (keine Schulden bzw. Schulden > Vermögen) verbessert werden könnte. Auf jeden Fall erscheint aber ein Unternehmensvergleich sinnvoll, bei dem ein Unternehmen ein höheres Vermögen, aber ein niedrigeres Eigenkapital als das andere aufweist. Ein solcher Vergleich sollte jedoch nicht ausschließlich auf den Saldo abstellen; sondern auch das Leistungspotential in seiner spezifischen Z u s a m m e n s e t z u n g und der jeweiligen Restnutzungsdauer der Gegenstände einbeziehen. Mit der hier vorgeschlagenen terminologischen Unterscheidung von Vermögen als Wert der Gegenstände und Kapital als Wert der Ansprüche auf diese Gegenstände können im späteren Unterricht auch schwierige Fälle der Bilanzierung 5 8 verdeutlicht werden.

Nach der Ermittlung des Gesamtkapitals und dessen begrifflicher Erläuterung kann das Ausgangsproblem bezüglich des Wertes eines Anteils unter Einbeziehung der Vergütung fijr die Überlassung des Eigenkapitals bis zur Auflösung des Unternehmens erweitert werden. Dazu kann ein fiktives Eigenkapital vom E n d e des Vorjahres und bei anspruchsvolleren Klassen

58

Sind ζ. B. die ausgewiesenen Ansprüche der Gläubiger (Schulden) größer als das in der Bilanz zu den fortgcschriebenen AnschafTungs- oder Herstellungskosten bewertete Vermögen, wird eine Anmeldung des Konkurses wegen Überschuldung dann nicht notwendig, wenn eine Neubewertung des vorhandenen Vennögens zu den Einzelveräußcrungspreiscn (gemeiner Werl) keine Überschuldung ergibt, d. Ii. stille Reserven gegenüber dem Bilanzausweis erkennen lässt. Da die unter dem Gesichtspunkt der Untemehmensfortfuhrung und unter steuerlichen Aspekten bewerteten Verniögensgegcnstände in der Bilanz jedoch nicht neu bewertet werden dürfen, ergibt sich als Bilanzausgleich ein „nicht durch Eigenkapital gedeckter Fehlbetrag", der somit pauschal stille Reserven aufdeckt. Diese Bilanzierungshilfe kann als Vermögen interpretiert werden, wobei diese Position ihr gegenständliches Äquivalent in den anderen nach Handels- und Steucrrccht bilanzierten und bewerteten Vcrmögcnsgcgcnständen hat.

3.1 Erarbeitung formaler

und inhaltlicher

Grundlagen

207

eine evtl. erfolgte Kapitalerhöhung während des Geschäftsjahres vorgegeben werden, um die in Abbildung 3-7 d oder e gezeigte Rechnung zur Ermittlung des Gewinns durchzufuhren.

Die Ermittlung des Gewinns durch Eigenkapitalvergleich 59 kann aus der Fragestellung nach dem im abgeschlossenen Jahr vom Eigentümer erzielten Nutzen aus seinem Kapitalanteil erarbeitet werden. Hierzu ist dann ein dem Beteiligungsverhältnis entsprechender Anteil an dem ermittelten Gesamtgewinn zu errechnen. Zur Ermittlung des Zinssatzes muss eine Entscheidung über die Bezugsgröße getroffen werden. Hier bietet sich entweder das Anfangskapital oder das durchschnittliche Eigenkapital an. Beide Möglichkeiten sollten als richtig gelten. Aus betriebswirtschaftlicher Sicht ist zwar das durchschnittliche Eigenkapital vorzuziehen, aber aus Gründen des Vergleichs mit der Verzinsung einer Kapitalanlage (z. B. Sparbuch) ist das Anfangskapital die geeignete Bezugsgröße. Aus diesem Vergleich des errechneten Zinssatzes für die Eigenkapitalverzinsung mit einer alternativen langfristigen Kapitalanlage sollte die im Modellfall gegebene höhere Eigenkapitalrendite erklärt werden. Hierzu muss das „allgemeine Unternehmerrisiko" erläutert werden.

Die Nebenrechnungen zum Inventar fuhren einerseits die betriebswirtschaftliche Betrachtung des Inventars weiter, sie bereiten andererseits auch die Struktur der Bilanz vor. Zur Stützung des in diesen Berechnungen verlangten ökonomischen Denkens (zum „ökonomischen Räsonieren" vgl. Achtenhagen/Preiß

1991, S. 32; ['reiß 1992, S. 63ff.) und zur Vorbereitung des

formalen Bilanzaufbaus können die Rechenverfahren mit Hilfe des Analogiemodells der Waage veranschaulicht werden. Damit wird gleichzeitig die Einfuhrung der herkömmlichen Bilanzwaage (Abbildung 3-8) im Bilanzkontext abgelehnt (vgl. Preiß/Tramm

1990, S. 68),

weil diese zu Fehlvorstellungen über die Zusammenhänge von Vermögen und Kapital fuhren kann (vgl. Weller/Fischer

1990, S. 339). Eine andere Auffassung haben

Speth/Hubrich/Neu-

meier (1980, S. 175), die die Bilanzwaage als ausgezeichnetes Veranschaulichungsmittel ansehen, das zur „Strukturerkenntnis bleibenden Charakters" beitragen kann. Nach dieser Ansicht birgt die Bilanzwaage eine Gesetzmäßigkeit, die durch „nichts, also weder durch Gewinne noch durch Verluste, aus dem Gleichgewicht gebracht werden kann" (ebenda). Wenn sie aber durch nichts aus dem Gleichgewicht gebracht werden kann, so kann sie auch durch nichts aus einem Ungleichgewichtszustand in das Gleichgewicht gebracht werden; damit ist sie aber keine Waage mehr.

59

Die im Stcucrrechl lur diesen Sachverlialt benutzte Bezeichnung „Betricbsvcrmögcnsverglcich" ist in diesem Zusammenhang sehr irreführend (vgl. auch IVedell 1993, S. 52). Auch die Bezeicluiung „Reinvermögensverglcich" sollte liier nicht benutzt werden.

3 Didaktische Konkretisierung der „Einführung in das betriebliche Rechnungswesen "

208

AKTIVA

B i l a n z

PASSIVA

)ede Zu- und Abnahme des Vermögens automatisch eine Zu- und Abnahme dee Kapitals In gleicher Höhe Ist. Abbildung 3-8: Herkömmliche Bilanzwaage

Diese Veranschaulichung der Bilanz mit der starren Waage widerspricht jeder alltäglichen Vorstellung von einer Waage. Die hier vertretene Auffassung kommt inhaltlich der Position von Wedell (1990, S. 236f.) sehr nahe, da nach seiner Auffassung die Bilanz im Normalfall unausgeglichen ist und das Eigenkapital für den Gesetzgeber die Überdeckung der Schulden sei. Bilanzen würden durch Differenzposten zum Ausgleich gebracht (durch Eigenkapital oder durch „nicht durch Eigenkapital gedeckter Fehlbetrag") (ebenda). Diese von Wedell lierte „unausgeglichene Bilanz"

60

postu-

wird hier durch die erste Nebenrechnung zum Inventar

repräsentiert.

Die in Abbildung 3-9 gezeigte Analogie zur Waage unterscheidet sich von der traditionellen Bilanzwaage (Abbildung 3-8) dadurch, dass sie beweglich und damit funktionsanalog ist; sie kann gedankliche Operationen herausfordern und zugleich stützen. Mit einer solchen Anregung zu einer „wohldurchdachten Aktivität" (Aebli 1976, S. 21) hebt sie sich von einem der Anschauungsdidaktik folgendem „passiven Einprägen der Bilder" ab, sie kann die Schüler

60

In einer „Allgemeinen Bilanztheorie" wäre dieser Auffassung völlig zuzustimmen, da viele Bilanzen mit einer Unausgeglichcnhcit enden, z. B. Handelsbilanz, Leistungsbilanz, Ökobilanz, aber auch Berufsbildungsbilanz etc. Im Rechnungswesen-Anfangsunterricht sollte jedoch mit der „ausgeglichenen Bilanz" operiert werden, weil sonst die Gefalir bestellt, dass das Eigenkapital nur als Saldo und nicht als materieller Anspruch (ähnlich dein Fremdkapital) verstanden wird.

3.1 Erarbeitung formaler und inhaltlicher Grundlagen

209

z u m D e n k e n a n r e g e n . Damit wird sie e r f a h r u n g s o f f e n und k a n n als m e n t a l e s M o d e l l f u r die S i m u l a t i o n e i n e s S a c h v e r h a l t e s g e n u t z t w e r d e n (zur m e d i a l e n R e p r ä s e n t a t i o n v o n L e r n g e g e n s t ä n d e n vgl. Tramm

1992, S. 174fF). Mit d e m M o d e l l der traditionellen B i l a n z w a a g e k ö n n e n

die v o n DeKleer/Brown

(1983, S. 167ff.) f o r m u l i e r t e n A n s p r ü c h e der K o n s i s t e n z , K o r r e s -

p o n d e n z und R o b u s t h e i t f ü r den A u f b a u kausaler B e z i e h u n g e n in m e n t a l e n M o d e l l e n nicht erfüllt w e r d e n . D i e traditionelle B i l a n z w a a g e mit den Schalen „ V e r m ö g e n " und „ K a p i t a l " b z w . „ A k t i v a " und „ P a s s i v a " verharrt stets im G l e i c h g e w i c h t und unterstützt w e d e r den Blick d a f ü r , d a s s die in v e r s c h i e d e n e n Schalen dargestellten S y m b o l e d e n gleichen Sachverhalt repräsentieren, noch die E r k l ä r u n g e i n e s m ö g l i c h e n E i g e n k a p i t a l z u w a c h s e s d u r c h e i n b e h a l t e n e Gewinne.

A n der b e w e g l i c h e n W a a g e mit den k o n k r e t e n S y m b o l e n f ü r das V e r m ö g e n ( S k i z z e n v o n G e g e n s t ä n d e n u n d K o n t o a u s z ü g e n ) s o w i e a b s t r a k t e r e n S y m b o l e n f ü r d a s Kapital ( G e w i c h t e ) kann d i e g e d a n k l i c h e Operation des v o l l s t ä n d i g e n S c h u l d e n a u s g l e i c h s mit H i l f e w e i t e r e r „ G e w i c h t s s t e i n e " d u r c h g e f ü h r t w e r d e n . D u r c h das g e d a n k l i c h e A u f l e g e n zusätzlicher G e w i c h t steine in die „ A n s p r u c h s w a a g s c h a l e k a n n der Balken der W a a g e z u r S e n k r e c h t e n g e b r a c h t w e r d e n , die „ V e r m ö g e n s s c h a l e " und die „ K a p i t a l s c h a l e " sind im Ausgleich. A b e r auch die

210

3 Didaktische Konkretisierung der ., Einführung in das betriebliche Rechnungswesen "

Begleichung aller Schulden kann aus der Ausgangssituation veranschaulicht werden, indem aus beiden Waagschalen Werte in Höhe der Schulden gedanklich entnommen werden. Der dann senkrecht stehende Waagbalken mit dem waagrechten Zeiger lässt erkennen, dass nun 1 0 0 % des Vermögens Nettovermögen ist, das dann durch die Eigenkapitalgewichte wieder zum Ausgleich gebracht werden kann. Auch die Überschuldungssituation kann an dieser Waage gut veranschaulicht werden.

Ferner kann durch die Aufteilung des Eigenkapitals in „Eigenkapital am Ende des Vorjahres" und „Jahrsgewinn" die Waage als Hilfsmittel zur Anzeige des Jahresgewinns oder -verlusts genutzt werden. Aus der Ausgangssituation mit Vermögen und Schulden in den Waagschalen wird zunächst ein Gewicht fur das Eigenkapital am Ende des Vorjahres in die „Kapitalschale" gelegt. Am Zeiger kann dann der erwirtschaftete Erfolg abgelesen werden. Durch Hinzulegen eines Gewichtes für den errechneten Gewinn wird diese Waage dann zum Ausgleich gebracht. Auch hiermit sollte deutlich werden, dass der „abstrakte" Jahresgewinn „gegenständlich" im Vermögen enthalten ist.

Der Sachverhalt, dass das „abstrakte" Kapital im „konkreten" Vermögen enthalten ist, kann auch durch Skizzen veranschaulicht werden. Übersteigt der Wert des vorhandenen Vermögens die Schulden (Normalfall), so sind im Vermögen neben den „fremden" Mitteln (= fremdfinanziertes Vermögen) auch „eigene" Mittel (= Nettovermögen) gebunden (vgl. hierzu Weiler/Fischer

1992b, S. 174ff). Diese von den Eigentümern des Unternehmens aufgebrachten

oder im Unternehmen belassenen Mittel sind ebenfalls i. d. R. nicht einzelnen Gegenständen zuzurechnen: sie „stecken" gegenständlich in den gleichen Vermögenswerten wie die fremden Mittel. Unter Rückgriff auf Abbildung 3-10 kann der Begriff „Nettovermögen" als das gegenständliche Äquivalent des Eigenkapitals auf der Vermögensseite beibehalten werden. Die „abstrakte Vorrätigkeit" (Kosiol 1966, S. 131) des Eigenkapitals kann so verdeutlicht werden.

3.1 Erarbeitung formaler und inhaltlicher Grundlagen

211

V e r m ö g e n 100 Mill.

Grundstücke

80 Mill.

Maschinen

60 Mill.

B.u (3 -Ausstatl.

40 Mill. Vorritt

20 Mill. Forderungen

Zahlungsmittel

Abbildung 3-10: Aufteilung des Vermögens

3.1.2.6

Aufstellung und Interpretation der Bilanz

F ü r d i e Ü b e r l e i t u n g v o n d e m I n v e n t a r z u m B i l a n z s c h e m a ist es erforderlich, a u f z u z e i g e n , w a r u m statt des I n v e n t a r s n u n m e h r eine v e r ä n d e r t e Darstellung d e s U n t e r n e h m e n s s t a t u s notw e n d i g ist. S o w o h l d e r G r u n d der I n f o r m a t i o n s r e d u k t i o n auf d a s W e s e n t l i c h e als a u c h die Z u s a m m e n s e t z u n g aller a u f das V e r m ö g e n gerichteten A n s p r ü c h e u n d damit d e r A u s w e i s v o n V e r m ö g e n s - und K a p i t a l s t r u k t u r e n g e b e n der Bilanz e i n e n Sinn, d e r l e r n f ö r d e r n d w i r k e n kann. W ä h r e n d sich der Sinn des Inventars m e h r aus e i n e m Kontroll- und D o k u m e n t a t i o n s z u s a m m e n h a n g ergibt, sollte die F o r m und G l i e d e r u n g der Bilanz aus einem R e c h e n s c h a f t s z u s a m m e n h a n g b e z ü g l i c h v e r s c h i e d e n e r A n s p r u c h s g r u p p e n v e r s t a n d e n w e r d e n . D i e ü b e r die B e t r a c h t u n g im R a h m e n der Inventur h i n a u s g e h e n d e B e h a n d l u n g der B i l a n z i e r u n g s - und B e w e r t u n g s p r o b l e m a t i k ist in dieser e i n f ü h r e n d e n Lektion fur ein erstes V e r s t ä n d n i s d e r Bilanz nicht n o t w e n d i g .

I m A n s c h l u s s an die L i q u i d i e r b a r k e i t s ü b e r l e g u n g e n bei der O r d n u n g der Inventarpositionen ist d i e T h e m a t i k d e r Bilanz durch eine Fallvorgabe, aus der die F u n k t i o n der B i l a n z und darauf b e z o g e n a u c h ihre F o r m h e r a u s g e a r b e i t e t w e r d e n können, zu strukturieren. E s kann sich

212

3 Didaktische Konkretisierung der ., Einführung in das betriebliche Rechnungswesen "

dabei um die Rechenschaft der G e s c h ä f t s f ü h r u n g gegenüber den Eigentümern und Banken, aber auch in einem systemorientierten Verständnis um die Information der Mitarbeiter und der Öffentlichkeit handeln. Das Inventarverzeichnis ist für diesen Zweck zu ausfuhrlich, zu unübersichtlich und es enthält u. U. auch Informationen, die Kreditgebern, Geschäftspartnern, Mitbewerbern oder der Öffentlichkeit nicht zugänglich gemacht werden sollen, so dass auf ein neues Instrument, das die notwendigen Informationen aggregiert, strukturiert und normiert z u s a m m e n f a s s t , erforderlich wird.

Bei der Ü b e r f u h r u n g des Inventars in die Bilanz ist sowohl deren „ K o n t e n - F o r m " als auch die Seitenbezeichnungen „Aktiva" und „Passiva" einzuführen. W i e im vorigen Abschnitt erläutert, w ü r d e es Verständnisprobleme mit sich bringen, wenn erst an dieser Stelle das Modell der zweischaligen W a a g e zur Veranschaulichung und Erklärung des Bilanzbegriffs eingeführt würde, weil damit eine Verschiedenartigkeit des Inhalts der beiden Waagschalen impliziert und die Einsicht in die lediglich aspekthafte Unterschiedlichkeit der beiden Bilanzseiten und insbesondere die Interpretation der Passivseite als Ausdruck der „Mittelherkunft" oder der „rechtlichen Ansprüche auf das konkrete Vermögen" erschwert würde. Forschungsergebnisse aus dem Bereich der mentalen Modelle zeigen, dass bestimmte Analogien unerwünschte Nebenwirkungen für die Entwicklung weiterer Erkenntnisse haben können. Die Analogie der beiden Bilanzseiten mit der Vorder- und Rückseite einer M ü n z e kann die Untrennbarkeit und Gleichheit gut ausdrücken. Die Waage als Modell ist nur dann zweckmäßig, wenn sie vorher ausgehend von den Kategorien Vermögen und Schulden, über Operationen zum Ausgleich gebracht w u r d e und diese zu einem bestimmten Zeitpunkt „ausgeglichene W a a g e " mit den Seiten V e r m ö g e n und Kapital bzw. Aktiva und Passiva (vgl. Preiß/Weller

1996) als bildhafte

Analogie zur „Jahresschluss-Bilanz" gebraucht wird.

Z u r Erklärung der Begriffe „Aktivseite" und „Passivseite" bietet sich ein Vergleich mit den grammatischen Kategorien „Aktivsatz" und „Passivsatz" anhand eines Beispiels an. So kann eine Aktivkonstruktion „Der Einkaufsachbearbeiter bezahlte die R e c h n u n g " in die Passivkonstruktion „Die Rechnung wurde (vom Einkaufssachbearbeiter) bezahlt" überfuhrt werden. Dabei kann gleichzeitig deutlich gemacht werden, dass bei der Passivbetrachtung auch ein Teil der Information über den konkreten Sachverhalt weggelassen werden kann. Wichtig ist jedoch die Erkenntnis, dass Aktiv und Passiv sich auf den gleichen Sachverhalt beziehen.

Vor diesem Hintergrund ist die Bilanz als ein Rechnungslegungsinstrument zu entwickeln, das zwei Sichtweisen auf die dahinterliegende betriebliche Realität einschließlich der Mana-

3.I Erarbeitung formaler und inhaltlicher Grundlagen

213

gementaktivitäten einer abgelaufenen Periode nahelegt. Die in Abbildung 3-10 skizzierte Vermögensstruktur kann nun zu einem zweiseitigen Gefuge entfaltet werden (vgl. Abbildung 311). So kann demonstriert werden, dass mit Hilfe der Trennung der Aspekte Strukturüberlegungen einfacher angestellt werden können. Anhand der Gegenüberstellung der Aktiv- und Passivseite sollte den Schülern deutlich werden, dass die Gesamtheit aller Werte im monetären Sinn, die in einem Unternehmen eingesetzt sind, sich in der Bilanz auf hohem Abstraktionsniveau zweifach niederschlägt: güterwirtschaftlich als Vermögenswerte auf der Aktivseite und rechtlich als Kapital auf der Passivseite {Weller/Fischer 1992b, S. 174).

100

Mill.

Aktiva

Passiva

B i l a n z

Anfangskapital 80



Darlehen Vorräte

Forderungen fiaiiMiUùian Abbildung 3-11: Bilanzstruktur

Diese duale Sichtweise auf die konkret nur einmal vorhandenen Werte - oder die „doppelte Dimension des gleichen Tatbestandes" (Kosiol 1966, S. 131) - kann durch eine neue Strukturskizze gestützt werden (vgl. Weller/Fischer 1992c, S. 2569ff. und 1992d, S. 1105ff). Die getrennte Sichtweise eröffnet die Möglichkeit, Auskunft über die Investitions- und Finanzierungsverhältnisse eines Unternehmens zu erteilen. Auch die betriebswirtschaftlich bedeutsame Frage, in welcher Höhe die Vermögensmittel aus eigenen oder fremden Quellen stammen, und in welchem Umfang über sie ohne Berücksichtigung von Rückzahlungsterminen verfugt werden kann, lässt sich so beantworten. Die zweifache Abbildung betrieblicher Realität ist die

214

J Didaktische Konkretisierung der „ Einführung in das betriebliche Rechnungswesen "

Besonderheit, wenn man die Bilanz als ein auf die monetäre Wertdimension akzentuiertes Modell eines Unternehmens (Achtenhagen et al. 1992, S. 207) verstehen will.

Damit der Sinn der Informationsreduktion in der Bilanz erkennbar wird, ist als Ausgangsmaterial ein Inventar erforderlich, das sich über mehrere Seiten erstreckt. So werden Wertstrukturen wegen der Fülle von Detailinformationen schwerer erkennbar. Hieraus ergibt sich auch der Grund, warum die Bilanz nicht beliebig weiter untergliedert werden darf.

Im Unterricht muss der Sinn der gesetzlichen Regelung des HGB fur die einheitliche Darstellung von Bilanzen deutlich werden. Dazu sind die Anspruchsgruppen, die dem Unternehmen gegenüberstehen, mit ihren Interessenlagen bezüglich einer Auskunft über den Status eines Unternehmens zu erarbeiten. Ebenso ist die Interessenlage des Unternehmens und seines Managements bezüglich der Ausführlichkeit und dem Inhalt der Darstellung zu skizzieren. Als Ergebnis dieser Thematisierung kann der Gesetzestext zum Aufbau der Bilanz im Original oder in einer aufbereiteten Form eingesetzt werden. Abbildung 3-12 zeigt eine solche Aufbereitung, in der die Positionen, die im Rechnungswesen-Grundkurs nicht beachtet werden müssen, grau hinterlegt sind.

Vor dem Einsatz dieses Gliederungsschemas kann mit den Schülern schon ein Ordnungsprinzip mit den Begriffen „Anlagevermögen", „Umlaufvermögen", „Eigenkapital" und „Fremdkapital" erarbeitet werden. Das so erarbeitete Schema kann dann mit der ausfuhrlichen gesetzlichen Regelung des § 266, Abs. 2 HGB, der in § 266, Abs. 1 HGB erlaubten Vereinfachung fur kleine Kapitalgesellschaften und der für andere Unternehmensformen geltenden allgemeinen Vorschrift des § 247 HGB verglichen werden. Ferner kann auf Sonderregelungen für einzelne Branchen (Banken, Versicherungen) hingewiesen werden. Dabei sollte überprüft werden, in welche vom HGB vorgegebene Kategorien (Unternehmensgröße: klein, mittelgroß oder groß sowie Rechtsform: Kapitalgesellschaft oder andere Unternehmensform) die im Unterricht eingesetzten Modell- und Beispielunternehmen fallen.

Die in der Gliederungsvorschrift des § 266, Abs. 2 HGB vorgegebene ausführliche Untergliederung in Verbindung mit den im Inventarverzeichnis und dessen Anlagen gegebenen konkreten Gegenständen liefert einen extensionalen Begriffsaufbau für die Begriffe „Vorräte", „Umlaufvermögen", „Sachanlagen", „Anlagevermögen", „Aktiva (Aktivseite)", „Verbindlichkeiten", „Fremdkapital", „Eigenkapital" und „Passiva (Passivseite)". Diese extensionale

3.1 Erarbeitung formaler und inhaltlicher Grundlagen

215

Begriffsbestimmung sollte durch eine intensionale ergänzt werden (zu den Dimensionen der Begriffe vgl. Achtenhagen et al. 1992, S. 115ff ).

Gliederung der Jahresbilanz nach § 266 Handelsgesetzbuch, gültig ab 1. Januar 1986 Aktiva

Passiva

A. Anlagevermögen: l Immaterielle Vennftgensstinde: l. Konzessionen, gewerbliche Schutzrechte und ähnliche Rechte und Werte sowie Lizenzen an wichen Rechten und Werten; 2. Geschäfts- oder Finnenwert; 3. geleistete Anzahlungen; Π. Sachanlagen: 1 Grundstücke, grundstücksgleiche Rechte und Bauten einschließlich der Sauten auf fremden Grundstacken; 2. technische Anlagen und Maschinen; 3. andere Anlagen, Betriebs- und Geschaflsausstattungen. 4. geleistete Anzahlungen und Anlagen im Bau, III. Finanzanlagen: 1. Anteile an veibundenea Unternehmen; 2. Ausleihungen an verbundene Unternehmen; 3. Beteiligungen, 4. Ausleihungen an Unternehmen, mit denen ein Beteiligungsvetheitnis besteht; 5. Wertpapiere des Anlagevermögens. B. Umlaufvermögen: 1. Vorräte: 1 Roh-, Hilfs- und Betriebsstoffe. 2 unfertige Erzeugnisse, unfertige Leistungen. 3 fertige Erzeugnisse und Waren; 4. geleistete Anzahlungen; 11 Forderungen und sonstige VennOgensgegensUtode 1 Korderungen aus Lieferungen und Leistungen, 2. Forderungen gegen verbündete Unternehmen; 3. Forderungen gegen Unternehmen, mit denen ein Beteiligungsverhältnis besteht; 4 sonstige VermögensgegeasUnde; ΠΙ.

A. Eigenkapital: 1. Gezeichnetes Kapital; Π. Kapitalrücklage; Gewinnrtlc klagen: III. 1. gesetzliche Rücklage, 2. Rücklage für eigene Anteile; 3. fiaaguäflige Rücklagen; 4. andere Gewinnrücklagen. Gewinnvoctrag/Verlust vortrug; m IV Jahrcsüberschuss/Jahresl'ehl betrag. B. Rückstellungen: I. Rückstellungen ftlr Pensionen und ähnliche Verpflichtungen. 2 Steuemlckstellungen; 3. sonstige Rückstellungen C. Verbindlichkeiten: 1. Anleihen, davon konvertibel, 2. Verbindlichkeiten gegenüber Kreditinstituten, 3. eihaltene Anzahlungen auf Bestellungen; 4. Verbindlichkeiten aus Lieferungen und Leistungen; 5. Verbindlichkeiten aus der Annahme gezogener Wechsel und der Ausstellung eigener Wechsel, 6. Verbindlichkeiten gegenüber verbundenen Unternehmen; 7. Verbindlichkeiten gegenüber Unternehmen, mit denen eine Beteiligungsverhältnis besteht; 8 sonstige Verbindlichkeiten, davon aus Steuern, davon im Rahmen der sozialen Sicherheit. D. Rechnungsabgrenzungsposten.

Wertpapiere: 1. Anteile an verbundenen Unternehmen; 2. eigene Anteile, 3. sonstige Wertpapiere; IV Schecks. Kassenbestand. Bundesbank- und Postbankguthabeo, Guthaben bei Kreditinstituten

C. Rechnungsabgrenzungsposten.

Große und mittelgroße Kapitalgesellschaften haben diese Posten gesondert und in der vorgeschriebenen Reihenfolge auszuweisen. Kleine Kapitalgesellschanen brauchen nur die mit Buchstaben und römischen Zahlen bezeichneten Posten in der vorgeschriebenen Reihenfolge auszuweisen. Für Einzel unternehmen und Personengesel [scharten wird die Gliederung durch § 247(1) HGB nur allgemein bestimmt: „In der Bilanz sind das Anlage- und das Umlaufvermögen, das Eigcnkapital, die Schulden sowie die Rechnungsabgrenzungsposten gesondert auszuweisen und hinreichend aufzugliedern". Abbildung 3-12 Aufbereitetes Bilanzschema des H G B

216

3 Didaktische Konkretisierung der ., Einführung in das betriebliche Rechnungswesen "

Bezüglich des „Anlagevermögens" ist dessen dauerhafte, d. h. voraussichtlich länger als ein Jahr dauernde, Betriebszugehörigkeit sowie die Absicht zu erarbeiten, es durch Gebrauch zu nutzen und es jedenfalls nicht regelmäßig weiterzuveräußern. Die intensionale Bestimmung des Begriffes „Umlaufvermögen" kann annäherungsweise über den Kreislauf „VorräteForderungen-Geld-Vorräte" erfolgen, dabei sollte aber bedacht werden, dass im Normalfall die Vorräte nicht durch Geld, sondern zunächst durch das Eingehen von Verbindlichkeiten erworben werden.

Die üblichen Interpretationen der Aktivseite als Mittelverwendung und der Passivseite als Mittelherkunft ist unter dem Gesichtspunkt der späteren Wissenserweiterung äußerst problematisch, da nicht alle Positionen auf diese Weise zu erklären sind ( Weilenmann 1982, S. 35). So ist nur schwer verständlich, inwiefern Zuschreibungen bei Vermögensgegenständen oder ausstehende Einlagen Mittelverwendungen sind. Ähnlich schwer ist zu verstehen, dass Rückstellungen und Rücklagen die Mittelherkunft aufzeigen, da die Mittel doch im Regelfall von den Kunden über die Umsatzerlöse zugeflossen sind. Durch eine solche Interpretation der Bilanz wird das Verständnis fur die Notwendigkeit einer ergänzenden Rechnungslegung über Kapitalflussrechnungen nicht gefördert. Mit der hier vorgestellten dualen monetären Interpretation betrieblicher Realität wird die Einführung der Begriffe Mittelherkunft und Mittelverwendung anhand der Bilanz überflüssig. Auch brauchen dann ausstehende Einlagen nicht nur als Korrekturposten zum Eigenkapital erklärt werden, sie können auch als in Reserve stehendes und haftendes Vermögen erkannt werden. Genau dies liefert den Sinn, fur die Art und Weise wie das in § 272 HGB gegebene Wahlrecht für den Ausweis der nicht eingeforderten Anteile der ausstehenden Einlagen genutzt wird.

Der gemeinsame Ausweis von Fremd- (Schulden) und Eigenkapital auf einer Bilanzseite bietet im Unterricht die Chance, den Schuldcharakter des Eigenkapitals (vgl. Gross 1981, S. 38 und Kosiol 1976, S. 98, der das Eigenkapital auch als „Beteiligungsschulden" des Betriebes" bezeichnet) herauszustellen. Über die Herausarbeitung des Treuhandcharakters des Eigenkapitals bei der Eigentümer-/Geschäftsfuhrungs-Trennung kann deutlich werden, dass die Eigentümer dem Management auch das Recht der Geschäftsführung abtreten. Diese Übertragung von Rechten an das Management bewirkt die Verpflichtung zur Erhaltung und Mehrung der ihm anvertrauten Vermögenswerte und zur Rechenschaftslegung. Über dieses Herausarbeiten der sich aus dem Eigenkapital ergebenden Verpflichtungen wird die Ausgeglichenheit der Bilanz nicht nur rechnerisch hergestellt, sondern auch inhaltlich gefüllt, d. h. das Eigenkapital ist nicht nur einer rechnerischen Restgröße.

3.1 Erarbeitung formaler und inhaltlicher

Grundlagen

217

Im Rahmen von „Was-wäre-wenn"-Überlegungen zur Bilanz kann herausgearbeitet werden, dass ein Abgang von Gütern unter ihrem in der Bilanz ausgewiesenen Wert nicht nur eine Vermögens- und Kapitalminderung des Unternehmens, sondern auch eine Schädigung der Eigentümer ist. Es kann weiterhin thematisiert werden, dass ein Bilanzausweis von Gütern unterhalb ihres objektiv belegbaren Wertes zu dem gleichen Ergebnis fuhrt, aber infolge der Wertaufholung bei Zuschreibung oder Veräußerung zukünftige anderweitige Verluste und damit Fehlleistungen der Geschäftsführung verschleiern kann (Gefahren stiller Reserven).

Unterricht über die Bilanz, der über die Vermittlung der Rechentechnik hinausgeht, muss also die Interessenlagen von Gläubigern, Gesellschaftern, Arbeitnehmern, Finanzverwaltung und Öffentlichkeit adressatengemäß thematisieren. Nur so kann ein Verständnis für die handelsund steuerrechtlichen Bilanzierungs- und Bewertungsvorschriften aufgebaut werden. Rechtsnormen müssen dann nicht als Anlass der Rechnungslegung eingeführt und als Faktenwissen reproduziert werden. Strengere und mildere Rechnungslegungsvorschriften in anderen Ländern werden so auch vor dem Hintergrund politischer Zielsetzungen und Machtverhältnisse interpretierbar. Bei dieser thematischen Aufbereitung des Inhaltsbereiches können vom sozialkundlich-politischen Unterricht her Verknüpfungen zum Rechnungswesen hergestellt werden. Es ist jedoch nicht Aufgabe des Rechnungswesenunterrichts, diese politische Dimension zu behandeln, wohl aber den Sachverhalt so aufzubereiten, dass von Lehrern anderer Fächer und insbesondere von den Schülern diese Verbindung vollzogen werden kann. Dies kann sowohl bei allgemeinen Fragen zu den Zielen der Wirtschafts- und Finanzpolitik als auch bei konkreteren Problemen der Arbeitnehmerbeteiligung an Unternehmensgewinnen und -vermögen geschehen. Der sachkundige und kritische Umgang mit Parteiprogrammen, Wahlkampfaussagen und Gesetzesentwürfen verlangt eine solche Verknüpfung, um die eigenen Interessen zu erkennen und Mehrheiten fur ihre Durchsetzung zu finden.

Nach den Erklärungen des Aufbaus und des Inhalts der Bilanz sollte der Bilanzbegriff auch selbst erklärt werden. Wenn das anschauliche Analogiemodell der Waage genutzt wird, muss darauf hingewiesen werden, dass die handelsrechtliche Jahresbilanz nur die bereits zum Ausgleich gebrachte Waage repräsentiert.

Als mentales Modell für den bilanziellen Sachverhalt, dass die Höhe des Vermögens nicht unabhängig von der Höhe des Kapitals verändert werden kann, bietet sich das System der kommunizierenden Röhren an (Abbildung 3-13). Anhand dieses Modells oder des von Schär (1921, S. 57ff.) entwickelten „Zeigermodells" (Abbildung 3-14) kann demonstriert werden,

3 Didaktische Konkretisierung der „Einführung in das betriebliche

218

Rechnungswesen"

dass jeder Zu- oder Abgang auf der einen Seite eine entsprechende Anpassung auf der anderen Seite bewirkt.

D

.

Vermögen 100 Mill.

Jede Zu- oder Abnahme des Vermögens verändert das Kapital in gleicher Höhe Abbildung 3-13: Kommunizierende Röhren als Analogiemodell zur Bilanz

Abbildung 3-14: Zeigermodell für die Bilanz nach Schär (1921, S. 63)

3.1 Erarbeitung formaler und inhaltlicher Grundlagen

219

E i n e w e i t e r e B i l d a n a l o g i e f u r die A b h ä n g i g k e i t von V e r m ö g e n u n d Kapital ist d e r Vergleich mit d e r V o r - und R ü c k s e i t e eines B l a t t e s o d e r einer M ü n z e , da eine Seite nicht o h n e V e r ä n d e r u n g d e r a n d e r e n Seite verkürzt o d e r verlängert w e r d e n kann. Hierzu k ö n n t e im U n t e r r i c h t eine B i l a n z o d e r ein B i l a n z s c h e m a ( w i e A b b i l d u n g 3 - 1 1 ) in d e r M i t t e gefaltet und a u f d e n Rückseiten zusammengeklebt werden.

A u f k e i n e n Fall sollten B i l a n z w a a g e n v e r w a n d t w e r d e n , bei d e n e n nicht deutlich wird, d a s s V e r m ö g e n und Kapital qualitativ unterschiedlich sind, w o also nur B l ö c k e o d e r auf beiden Seiten G e w i c h t e symbolisiert sind. S o l c h e D a r s t e l l u n g e n tragen v e r m u t l i c h mit dazu bei, d a s s d e r a b s t r a k t e C h a r a k t e r des betriebswirtschaftlichen K a p i t a l b e g r i f f s und die „ e w i g e " rechn e r i s c h e A u s g e g l i c h e n h e i t beider Bilanzseiten als W e s e n s m e r k m a l der

handelsrechtlichen

B i l a n z nicht richtig erkannt w e r d e n .

Falls nicht schon bei der Erstellung des I n v e n t a r s g e s c h e h e n , sollte d i e B e t r a c h t u n g d e r Bilanz e b e n f a l l s dazu g e n u t z t w e r d e n , zu verdeutlichen, dass eine B i l a n z die w i r k l i c h e L a g e d e s V e r m ö g e n s und K a p i t a l s nur u n g e n a u a b b i l d e n kann. W i c h t i g e V e r m ö g e n s w e r t e eines U n t e r n e h m e n s , w i e t e c h n i s c h e K o m p e t e n z , P r o d u k t p r o g r a m m , Sortiment, Marktstellung, K u n d e n t r e u e , I n n o v a t i o n s k r a f t , Fähigkeiten, Fertigkeiten und E i n s a t z f r e u d e des Personals, E f f e k t i v i t ä t d e r O r g a n i s a t i o n s o w i e L e i s t u n g s f ä h i g k e i t des M a n a g e m e n t s , bleiben im N o r m a l f a l l v e r b o r g e n ; lediglich bei der V e r ä u ß e r u n g o d e r Fusion k ö n n e n diese W e r t e im bilanzierten G e s c h ä f t s o d e r F i r m e n w e r t global z u m A u s d r u c k k o m m e n .

D i e s e r Fall e r m ö g l i c h t es dann auch, d a s Verhältnis von V e r m ö g e n und Kapital s o w i e das V e r h ä l t n i s E i g e n - und F r e m d k a p i t a l p r o b l e m b e z o g e n zu thematisieren: Die B i l a n z d e s eigenen U n t e r n e h m e n s wird mit einer a n d e r e n Bilanz (ζ. B. der eines B e k l e i d u n g s w e r k e s an e i n e m a n d e r e m O r t ) verglichen.

E i n e m a t h e m a t i s c h e B e t r a c h t u n g der Bilanz ergibt, dass alle P o s i t i o n e n der Aktivseite mit „ + " und alle P o s i t i o n e n d e r Passivseite mit „ - " zu v e r s e h e n sind. I n f o l g e der B i l a n z g l e i c h u n g sind die mit u n t e r s c h i e d l i c h e n V o r z e i c h e n v e r s e h e n e n S u m m e n b e i d e r Seiten in ihrem absoluten B e t r a g identisch. D a m i t wird deutlich, dass d i e U n t e r n e h m u n g selbst - in w e l c h e r R e c h t s f o r m a u c h i m m e r - kein V e r m ö g e n besitzt, auf das nicht a n d e r e Personen A n s p r ü c h e e r h e b e n k ö n n e n . D i e L e r n e n d e n k ö n n e n so erkennen, dass ü b e r die Positionen der K a p i t a l s e i t e sichtb a r wird, w e m d i e a u f der V e r m ö g e n s s e i t e a u f g e f ü h r t e n W e r t e g e h ö r e n ; dass d i e s e A n s p r ü c h e

3 Didaktische Konkretisierung der „Einführung in das betriebliche Rechnungswesen "

220

a b e r nicht a u f e i n z e l n e G e g e n s t ä n d e gerichtet sind, sondern nur a u f d i e in den G e g e n s t ä n d e n gebundenen Werte.

Bei einer c o m p u t e r g e s t ü t z t e n I n v e n t u r d u r c h f u h r u n g ist es nicht sinnvoll, d i e W e r t e f ü r die Bilanz n o c h m a l s e i n z u g e b e n , weil d a m i t die Vorteile d e s C o m p u t e r e i n s a t z e s und d e s s e n A u s w i r k u n g e n a u f d i e V e r ä n d e r u n g von A r b e i t s a b l ä u f e n nicht sichtbar w ü r d e n . D e s h a l b sollte n a c h d e r m a n u e l l e n E r s t e l l u n g d e s I n v e n t a r s auf Arbeitsblättern ein P r o g r a m m

eingesetzt

w e r d e n , d a s a u f die I n v e n t u r d a t e n zugreift und das I n v e n t a r a u t o m a t i s c h erstellt. D i e s e s P r o g r a m m k ö n n t e d a n n auch f u r „ W a s - w ä r e - w e n n " - Ü b e r l e g u n g e n g e n u t z t w e r d e n , i n d e m d i e A u s w i r k u n g e n v o n M e n g e n - und W e r t v e r ä n d e r u n g e n bei der Inventur schnell d u r c h g e r e c h n e t werden können.

W i r d ein V e r g l e i c h der erstellten Bilanz mit der V o r j a h r e s b i l a n z e r w o g e n , s o sollte dies durch g r a f i s c h e D a r s t e l l u n g e n unterstützt w e r d e n . Für b e t r i e b s w i r t s c h a f t l i c h e Interpretationen der B i l a n z s t r u k t u r e n k ö n n e n G r a f i k e n e b e n f a l l s nützlich sein.

Bei z u s ä t z l i c h e n , v e r t i e f e n d e n Ü b u n g e n z u m Aufstellen und zur Interpretation der B i l a n z lässt sich auch die E r ö f f n u n g s b i l a n z bei Sach- und B a r g r ü n d u n g mit der U m w a n d l u n g von Privatin B e t r i e b s v e r m ö g e n b e h a n d e l n . Hierbei k a n n auch eine S a c h g r ü n d u n g betrachtet w e r d e n , d a in e i n e m s o l c h e n Fall das „ E i g e n k a p i t a l " s c h o n bei der G r ü n d u n g b e t r a g s m ä ß i g deutlich von den e i n g e b r a c h t e n Z a h l u n g s m i t t e l n u n t e r s c h i e d e n wird.

3.1.3

Lektion 3: Das Unternehmen hinter der Bilanz - Modellierung der Finanzierungs- und Leistungsprozesse und der Beziehungen zu anderen Wirtschaftseinheiten

3.1.3.1

Zielsetzung und Teilschritte

D i e s e L e k t i o n ü b e r n i m m t die Funktion der in der B i l a n z m e t h o d e g e b r ä u c h l i c h e n „ B i l a n z v e r ä n d e r u n g s ü b u n g e n " zur V o r b e r e i t u n g der B u c h u n g s r e g e l n im H a u p t b u c h . Sie ersetzt auch die T h e m a t i k „ A u f l ö s u n g der Bilanz in K o n t e n " . D a s „ A l l g e m e i n e U n t e m e h m e n s m o d e l l " (Bes c h r e i b u n g in Abschnitt 2.3 mit A b b i l d u n g 2 - 2 0 ) liefert den B e z u g s r a h m e n , aus d e m in der F o l g e l e k t i o n die einzelnen K o n t e n und die B u c h u n g s r e g e l n f ü r die G e s c h ä f t s v o r f ä l l e a b g e leitet w e r d e n . D i e in der zweiten Lektion aufgestellte und interpretierte Bilanz dient einerseits als Hilfsmittel z u r E r k l ä r u n g d e s „ A l l g e m e i n e n U n t e r n e h m e n s m o d e l l s " , wird aber andererseits in d i e s e m M o d e l l in einer „ Z e i t r a f f e r " - V e r s i o n durch e x e m p l a r i s c h e G e s c h ä f t s v o r f ä l l e

3. / Erarbeitung formaler und inhaltlicher

Grundlagen

221

genetisch interpretiert. Die Bilanzpositionen werden dabei in ihrem funktionalen Zusammenhang als Bestände in den betrieblichen Teilprozessen gezeigt. Dabei können durch Input- und Outputbeziehungen die wichtigsten Möglichkeiten der Entstehung und Veränderung der Bilanzpositionen kenntlich gemacht werden, ohne dass eine aufgestellte Bilanz selbst verändert werden muss. Mit der schrittweisen Erarbeitung eines solchen Modells kann der grundlegende, auf Güter- und Geldbewegungen aufbauende Wertefluss durch das Unternehmen deutlich werden.

Bei diesem Vorgehen bleibt somit der Stichtagscharakter und die Unveränderbarkeit einer aufgestellten Bilanz erhalten. Die in der Folgelektion einzuführenden Hauptbuchkonten werden nicht zu einer Nebenrechnung der Bilanz, sie bilden ein originäres Informationsinstrument für das Management des Unternehmens. Ein besonders kritischer Punkt der Bilanzmethode, der Passivtausch, ist ebenfalls nicht erforderlich. Damit der Passivtausch im Unterricht vollzogen werden kann, werden in der Bilanzmethode häufig 61 sowohl Bilanzpositionen als auch Kontenbezeichnungen des IKR umbenannt und inhaltlich bedenklich gefüllt. In den Lehrbüchern wird die Bilanzposition „Darlehen" und bei deren „Auflösung" auch ein dazugehörendes gleichnamiges Konto eingeführt, obwohl dies so den Bilanzierungsvorschriften des HGB widerspricht. Dieser Bilanzposition wird dann der langfristige Lieferantenkredit zugeordnet, der durch die Umwandlung einer kurzfristigen Lieferantenverbindlichkeit entsteht (vgl. hierzu die Kritik von Brunner

1990, S. 188f ). Ganz im Sinne formalistischer Betrach-

tung wird dieser Vorgang ohne die Betrachtung der wirtschaftlichen Notwendigkeit vollzogen. In vielen Fällen zeigt die Bilanz, an der dies vollzogen wird, dass genügend Zahlungsmittel 62 vorhanden waren, um die Lieferantenrechnung zu begleichen. Nach dem Bilanzrecht dürfte bei einem solchen Geschäftsvorfall überhaupt kein „Passivtausch" vollzogen werden, aber die Systematik der „Bilanzveränderungen" benötigt ihn zur Vollständigkeit.

61

Indem Lehrbuch fur das universitäre Grundstudium von Kistner/Steven (1997, S. 15f.) wird der Passivtausch mit den Beispielen „Zahlung an Lieferanten mit Wechsel", „Umwandlung eines Kontokorrentkredits in ein langfristiges Darlehen" und „Kapitalerhöhung aus Gescllschaftsmittcln" eingerührt. Nur das letzte Beispiel kann anhand einer nach HGB gegliederten Bilanz als Passivtausch identifiziert werden.

62

Bei Wedeil (1998, S. 88) ist ein Bankguthaben von DM 6.200 und ein Kassenbestand von DM 1.200 vorhanden. Eine fällige Lieferantenrechnung in Höhe von DM 8.000 wird in ein Darlehen umgewandelt, obwohl das Unternehmen bei einem Forderungsbestand von DM 14.200 das Bankkonto also nur geringfügig und kurzfristig hätte überziehen können. Der Fall wird sogar tnit der Bemerkung eingeleitet: „Die Fotoshop OHG ist nicht in der Lage, fällige ZalUungsverpflichtimgcn in Höhe von 8.000,- zu erfüllen". Welche Wirkungen dies auf einen Lieferanten liât und welche konkursrcchtlichen Schlüsse daraus zu ziehen wären, wird nicht bedacht.

222

3 Didaktische Konkretisierung der

Einführung in das betriebliche Rechnungswesen "

Ein w e i t e r e s Beispiel f u r die didaktisch u n d fachlich nicht a k z e p t a b l e E r k l ä r u n g d e r G r u n d l a g e n der d o p p e l t e n B u c h f ü h r u n g im H o c h s c h u l b e r e i c h liefert Wedell

( 1 9 9 8 , S. 88) in d e m

A b s c h n i t t „Bilanzielle W e r t b e w e g u n g e n " : N i c h t nur der P a s s i v t a u s c h wird e n t g e g e n h a n d e l s rechtlichen V o r s c h r i f t e n , sondern a u c h der A k t i v t a u s c h wird a m Beispiel d e s V e r k a u f s v o n H a n d e l s w a r e n als B u c h u n g „ F o r d e r u n g s k o n t o an W a r e n k o n t o " dargestellt. Natürlich ist es somit a u c h kein Z u f a l l , dass a u c h a n d e r e h a n d e l s r e c h t l i c h e G l i e d e r u n g s v o r s c h r i f t e n z u r Bilanz u n b e a c h t e t bleiben und eine e i g e n e Bilanzposition „ F u h r p a r k " e i n g e f ü h r t wird und „ K a s s e " und „ B a n k g u t h a b e n " als g e t r e n n t e Positionen a u s g e w i e s e n w e r d e n . Die B i l a n z m e t h o d e benötigt eine B i l a n z g l i e d e r u n g , die den K o n t e n d e s H a u p t b u c h s entspricht. Sie n i m m t nicht z u r K e n n t n i s , d a s s die K o n t e n d e s H a u p t b u c h s im H i n b l i c k auf d i e internen I n f o r m a t i o n s b e d ü r f n i s s e und die U n t e r n e h m e n s v e r g l e i c h e a u s d i f f e r e n z i e r t e r als die h a n d e l s r e c h t l i c h e B i l a n z g l i e d e r u n g ist. Die B i l a n z g l i e d e r u n g wird dabei d e m K o n t e n s y s t e m a n g e p a s s t , w a s b e d e u t e t , d a s s eine e i g e n e B i l a n z i e r u n g s v o r s t e l l u n g entwickelt wird. D a m i t es zu k e i n e m offenen Konflikt

mit

den

handelsrechtlichen

Bilanzierungsvorschriften

kommt,

werden

R e c h t s f o r m e n mit e n t s p r e c h e n d e n F r e i h e i t s g r a d e n bei d e r B i l a n z i e r u n g b e v o r z u g t . D i e s e Freih e i t s g r a d e b e s t e h e n a b e r im Hinblick a u f die Z u s a m m e n f a s s u n g einzelner B i l a n z p o s i t i o n e n u n d nicht im H i n b l i c k a u f deren w e i t e r e U n t e r g l i e d e r u n g . A u c h bei E i n z e l u n t e r n e h m e n und P e r s o n e n g e s e l l s c h a f t e n m u s s der G r u n d s a t z der Übersichtlichkeit beachtet w e r d e n , der einer w e i t e r e n U n t e r g l i e d e r u n g G r e n z e n setzt.

Bei d e r M o d e l l i e r u n g s m e t h o d e h i n g e g e n w e r d e n v o n vornherein die g e l t e n d e n R e c h n u n g s l e g u n g s v o r s c h r i f t e n und O r d n u n g s s y s t e m e beachtet, weil nicht die B u c h u n g s t e c h n i k , sondern d a s V e r s t ä n d n i s dieser S y s t e m e das ü b e r E l a b o r a t i o n e n der G r u n d f o r m e n a n z u s t r e b e n d e Ziel ist. Die G r u n d l a g e n d ü r f e n dabei den später zu elaborierenden F o r m e n nicht w i d e r s p r e c h e n .

D i e B i l a n z v e r ä n d e r u n g s ü b u n g e n nach d e r B i l a n z m e t h o d e sollen deutlich m a c h e n , dass j e d e r G e s c h ä f t s v o r f a l l i m m e r m i n d e s t e n s zwei B i l a n z p o s i t i o n e n ändert. Der Vorfall wird dabei nicht in seiner ö k o n o m i s c h e n D i m e n s i o n , d. h. der vorteilhaften T a u s c h r e l a t i o n betrachtet. D i e s e G e s c h ä f t s v o r f ä l l e b l e n d e n zunächst nicht nur das Ziel ö k o n o m i s c h e r Tätigkeit, die L e i s t u n g s e r s t e l l u n g und G e w i n n e r z i e l u n g aus, sie vermitteln auch ein f r a g w ü r d i g e s Bild mit der U n t e r t e i l u n g von „ e r f o l g s n e u t r a l e n " und „ e r f o l g s w i r k s a m e n " G e s c h ä f t s v o r f ä l l e n . D i e Bil a n z v e r ä n d e r u n g s ü b u n g e n b e s c h r ä n k e n sich auf G e s c h ä f t s v o r f ä l l e , die nicht das Eigenkapital v e r ä n d e r n und k e i n e K a p i t a l v e r ä n d e r u n g ( P r i v a t e n t n a h m e , - e i n l a g e ) sind. Die P r o b l e m a t i k einer solchen Sicht wird b e s o n d e r s deutlich, w e n n man b e d e n k t , dass damit s o w o h l d e r fristger e c h t e Z a h l u n g s e i n g a n g f ü r eine F o r d e r u n g als auch d a s T ä t i g e n einer (Rationalisierungs-)In-

3. / Erarbeitung formaler und inhaltlicher

Grundlagen

223

vestition als „erfolgsneutrale" Geschäftsvorfälle bezeichnet werden, obwohl hier besonders deutlich wird, dass diese Vorfälle den Erfolg eines Unternehmens beeinflussen.

Die in der Modellierungsmethode vorgenommene Transformation der Bilanz in das „Allgemeine Unternehmensmodell" zielt darauf ab, Geschäftsvorfälle als Geld- und Güterströme mit vorläufig äquivalenten Werten zu sehen. Diese mathematisch-formal äquivalenten Werteabund -Zuflüsse resultieren aus ökonomischen Vorteilhaftigkeitsüberlegungen. Die hilfsweise Annahme einer Werteäquivalenz resultiert aus der Annahme, dass die Quantifizierung des Vorteils aus einzelnen Tauschvorgängen nicht sinnvoll ist. Die „vorläufig" äquivalenten Wertströme aus bzw. in die betrieblichen Teilprozesse bilden die Grundlage für die Soll- und Habenbuchungen. Die Schüler sollen erkennen, dass jedem Werteabfluss aus einem betrieblichen Teilprozess ein entsprechender Wertezufluss in denselben oder in einen anderen betrieblichen Teilprozess entspricht. Die über die Inventur aufgestellte Bilanz wird dabei in einer neuen Perspektive als das Ergebnis bisheriger Geschäftstätigkeit betrachtet, ohne dass dabei ihr statischer Charakter aufgegeben werden muss. Während in der Bilanzmethode die Bilanz durch Geschäftsvorfälle nach dem Bilanzstichtag verändert wird, erfolgt in der Modellierungsmethode die Erarbeitung des „Allgemeinen Unternehmensmodells" anhand von Geschäftsvorfällen vor dem Bilanzstichtag.

In dieser Lektion sollen gleichzeitig die auf Leistung und Gegenleistung basierenden Beziehungen des Unternehmens zu seinem marktlichen Umsystem erschlossen werden. Dabei können über die Thematisierung der zeitlichen Differenzen von Leistung, vorläufiger Gegenleistung und endgültiger Gegenleistung bei den „Kreditbeziehungen" die Interessen der Marktpartner an einer Auskunft über den monetären Status des Unternehmens verdeutlicht werden.

Im ersten Teil dieser Lektion wird die Bilanz in das „Allgemeine Unternehmensmodell" überfuhrt. Wenn es gelingt, dabei die Bestände in den Prozessen als „zufällige Restposten" in langfristig angelegten Prozessen (Totalperiode) zu sehen, wird der Grundgedanke der dynamischen Bilanzauffassung erschlossen. Damit wird die inhaltliche Grundlage für die stato-dynamische Kontentheorie geschaffen.

Der zweite Teil dieser Lektion stellt eine fakultative Erweiterung dar. In ihm kann über die Betrachtung des Zusammenhangs der eigenen Bilanz mit den Bilanzen der Geschäftspartner in eine volkswirtschaftliche Perspektive eingeführt werden. Dabei kann der volkswirtschaftliche Kapitalbegriff und die damit verbundenen Einsichten, dass Geld und

geldliche

224

3 Didaktische Konkretisierung der „Einführung in das betriebliche Rechnungswesen "

Ansprüche in einer geschlossenen Volkswirtschaft sich aufheben und der Wert des Geldes über die Gütermenge bestimmt wird, erarbeitet werden.

Als Lernziele dieser Lektion können formuliert werden:

1. Zur Thematik ..Das Allgemeine Unternehmensmodell" Die Schülerinnen und Schüler sollen das Zustandekommen von Bilanzpositionen erklären und aufzeigen können, wie und warum die Vermögens- und Kapitalwerte einer Unternehmung verändert werden (Leitziel); wissen, dass die Bilanz ein normiertes und zeitpunktbezogenes Abbild der Vermögens- und Kapitalverhältnisse der Unternehmung am Bilanzslichtag darstellt; wissen, dass Vorgänge, die zu einer Veränderung von Positionen des Vermögens und/oder des Kapitals der Unternehmung fiihren, Werteflüsse sind und als Geschäftsvorfälle bezeichnet werden; Quellen und Ziele von Wertefliissen benennen können; reine Informationsflüsse

von güter- und geldwirischaftlichen

Wertefliissen unterscheiden

anhand von schriftlichen Unterlagen oder verbalen Schilderungen gänge im Unternehmen Werteflüsse bewirken;

können;

beurteilen können, ob Vor-

verstehen, dass jeder Geschäftsvorfall immer mindestens je einen Werteabfluss und Wertezufluss auslöst; verstehen, dass die wertmäßige Gleichsetzung der Zu- und Abgänge vorläufigen Charakter hat; erkennen, dass die Wertegleichheit von Zu- und Abgängen die Grundlage der ist.

Substanzerhaltung

2. Zur Thematik ..Der Zusammenhang von Einzelbilanzen" Die Schülerinnen und Schüler sollen beschreiben können, welche Rechte sich aus Geld, Forderungen und Beteiligungen

ergeben

(Leitziel); den betriebswirtschaftlichen

und volkswirtschaftlichen Kapitalbegriff unterscheiden können;

erkennen, dass bei der Zusammenfassung von Bilanzen nicht alle Werte addiert werden können; erkennen, dass bei einer volkswirtschaftlichen Betrachtung das Geldvermögen sich gegenseitig aufhebt; erkennen, dass in der volkswirtschaftlichen auch Investitionen sind;

Sicht die im Leistungsprozess

befindlichen

Vorräte

erkennen, dass die Ersparnisse der Haushalte in den Investitionen der Unternehmen ihr gegenständliches und wertmäßiges Äquivalent haben. 3.1.3.2

„Dynamisierung" der Bilanz mithilfe des „Allgemeinen U n t e m e h m e n s modells"

Diese Lektion beginnt mit dem Hinweis, dass die in der vorangegangenen Unterrichtseinheit aufgestellte und interpretierte Bilanz nicht nur als Abbild eines Zustandes an einem bestimm-

3.1 Erarbeitung formaler und inhaltlicher Grundlagen

225

ten Stichtag, sondern auch als das Ergebnis bisheriger Geschäftstätigkeit gesehen werden kann. Diese Betrachtung soll nun im „Zeitraffer" von der Unternehmensgründung anhand ausgewählter, wesentlicher Vorfälle betrachtet werden. Dazu wird das in Abbildung 2-20 dargestellte „Allgemeine Unternehmensmodell" mit drei Teilprozessen „dauerhaft reserviertes Leistungspotential", „Leistungsprozess" und „Finanzierungsprozess" eingebracht. In diese Teilprozesse können bereits (müssen aber nicht) die den Bilanzpositionen zugeordneten Kontenbezeichnungen und die Anspruchsgruppen aus der Unternehmensumwelt eingetragen sein. D a s skizzierte Modell sollte als Arbeitsblatt im Großformat ζ. B. auf einer Moderationstafel (Pinnwand) zur V e r f ü g u n g stehen. Im Unterricht kann diese Skizze dann schrittweise bis zu der in Abbildung 3-19 dargestellten Form vervollständigt werden, indem die Werteflüsse zur Entwicklung der Bilanzpositionen eingetragen werden.

Der schrittweise A u f b a u dieses Modells kann in genetischer Weise, wobei die Abweichungen der Begrifflichkeit im Leistungsprozess („Rohstoffe", „Fremdbauteile", „Hilfsstoffe" und „Betriebsstoffe" fur die Bilanzposition „Roh-, Hilfs- und Betriebsstoffe"; „Handelswaren" und „Fertigerzeugnisse" fur die Bilanzposition „Waren und fertige Erzeugnisse") und im Finanzierungsprozess (Zahlungsmittel mit den Unterpositionen „ B a n k " und „Kasse" statt „Kassenbestand und Guthaben bei Kreditinstituten", „langfristige Bankverbindlichkeiten" statt der Bilanzposition „Verbindlichkeiten gegenüber

Kreditinstituten", zu der auch

kurzfristige

Bankverbindlichkeiten zählen) mit einer jetzt schon vorgenommenen, betriebswirtschaftlich sinnvollen Unterteilung der Bilanzpositionen begründet werden. Dies kann insbesondere an der Trennung von Bank und Kasse verdeutlicht werden, indem darauf hingewiesen wird, dass es zwar fur einen Außenstehenden unwichtig ist, zu wissen, ob das Geld in der Kasse oder auf der Bank ist, für die Mitarbeiter, die eine Überweisung zu tätigen haben, jedoch wichtig ist, zu wissen, ob dazu noch genügend Geld auf dem Bankkonto ist.

Die Veranschaulichung der Wertströme kann anhand einer Bargründung (Pfeilpaar „1" in Abbildung 3-15) begonnen werden, bei der die Eigentümer Geld in das Unternehmen einbringen (meist auf dem W e g über die Bank) 6 3 und dafür einen nicht terminierten Rückzahlungsanspruch erhalten, der formal mit dem Betrag des „gezeichneten Kapitals" bewertet wird, sich aber inhaltlich auf alle Gegenstände erstreckt, die bei der Auflösung des Unternehmens nach der Bezahlung aller Schulden, also dem Reinvermögen, noch vorhanden sind.

63

A u f die Zwischenstufe über noch nicht eingezahlte Einlagen bei der Gründung kann liier verzichtet werden.

226

3 Didaktische Konkretisierung

der „Einführung

in das betriebliche Rechnungswesen

staatliche Einrichtungen dauerhaft reserviertes Lelstungspotentlal Grundstücke (Grund und Boden + Gebäude) Technisch· Anlagen und Maschinen Betriebs- und Geschäftsausstattung

£ SS

Leistungsprozess

S Fremd·....! Unfertige btutella E r z e u g n i s s e

. ν

•toH

.

Betrieb·· ·. •lo«·

Prodtifciion

Beschaffung Handelswaren

Finanzierungsprozess

Forderungen t u « Lieferungen und Letatungsn

Zahlungsmittel Í]

• Kasse -Bank

Verbindlichkeiten eu· LMeningen und UfctenQM Langfristige Bankverbindlichkeiten u t t T g

h

. n

" 1 3 · G e T e f c t à e s Kapital

Abbildung 3-15: Wertströme bei der Bargründung

"

3. l Erarbeitung formaler und inhaltlicher Grundlagen

227

D i e Schüler w e r d e n d a r a u f h i n g e w i e s e n , d a s s d i e s e K a p i t a l a n t e i l e in das H a n d e l s r e g i s t e r e i n g e t r a g e n w e r d e n und bei A k t i e n g e s e l l s c h a f t e n s o g a r in F o r m v o n W e r t p a p i e r e n v e r b r i e f t ( A k t i e n ) w e r d e n . E s kann ihnen mitgeteilt w e r d e n , d a s s prinzipiell a u c h die nicht v e r b r i e f t e n GmbH-Anteile

veräußert werden

können,

dies a b e r o f t im G e s e l l s c h a f t s v e r t r a g an

die

Z u s t i m m u n g d e r G e s e l l s c h a f t g e b u n d e n wird.

W i c h t i g ist, d a s s hier deutlich wird, d a s s die U n t e r n e h m e n s g r ü n d e r einen G e g e n w e r t f ü r ihre e i n g e b r a c h t e n f i n a n z i e l l e n Mittel erhalten; dass d a s U n t e r n e h m e n

z w a r G e l d erhält,

in

g l e i c h e r H ö h e a b e r V e r p f l i c h t u n g e n eingeht. Daran a n s c h l i e ß e n d k a n n d a n n thematisiert w e r den, w a r u m d i e E i g e n t ü m e r „ G e l d in ein U n t e r n e h m e n s t e c k e n " u n d w e l c h e w e i t e r e n R e c h t e sie f u r den V e r z i c h t auf einen vertraglich b e s t i m m t e n R ü c k z a h l u n g s t e r m i n

und

-betrag

erhalten. I n s b e s o n d e r e die R e c h t e z u r B e s t i m m u n g und K o n t r o l l e der G e s c h ä f t s f ü h r u n g und d e s G e w i n n a n s p r u c h s sind zu e r w ä h n e n . A u s diesen R e c h t e n h e r a u s kann d a n n a u c h die Frage nach dem „ W a r u m " beantwortet werden.

B e s o n d e r s w i c h t i g ist es, dass der C h a r a k t e r des E i g e n k a p i t a l s s o w o h l aus d e r Sicht der Eig e n t ü m e r als a u c h aus der Sicht des U n t e r n e h m e n s dargestellt wird. A u s Sicht der E i g e n t ü m e r d e s U n t e r n e h m e n s stellt das Eigenkapital einen Anteil an den V e r m ö g e n s w e r t e n d e s U n t e r n e h m e n s dar. D i e s e B e t e i l i g u n g kann e n t w e d e r u n m i t t e l b a r durch Geld- o d e r Sacheinlagen bei der G r ü n d u n g , einer späteren Kapitale r h ö h u n g o d e r durch im U n t e r n e h m e n b e l a s s e n e G e w i n n e o d e r mittelbar b e i m k ä u f l i c h e n E r w e r b v o n Anteilsrechten durch Ü b e r g a b e v o n Geld an bisherige Eigentümer g e s c h a f f e n w e r d e n . F ü r die Ü b e r t r a g u n g der u n b e f r i s t e t e n N u t z u n g s r e c h t e an d e m in Geldo d e r S a c h f o r m e i n g e b r a c h t e n Kapital und die Ü b e r n a h m e des H a f t u n g s r i s i k o s in H ö h e des j e w e i l s in d e r B i l a n z a u s g e w i e s e n e n Kapitals erwarten die E i g e n t ü m e r ein Entgelt in F o r m d e s A n s p r u c h s a u f den erzielten J a h r e s ü b e r s c h u s s ( G e w i n n ) , ü b e r dessen V e r w e n d u n g sie sich einigen m ü s s e n .

A u s der e n t g e g e n g e s e t z t e n

Sicht des U n t e r n e h m e n s hat das Eigenkapital e i n e n

Schuld-

c h a r a k t e r , da es zu dessen R ü c k z a h l u n g an die j e w e i l i g e n E i g e n t ü m e r bei A u f l ö s u n g des U n t e r n e h m e n s v e r p f l i c h t e t ist. Ein n e g a t i v e s Eigenkapital (nicht durch Eigenkapital g e d e c k t e r F e h l b e t r a g ) hat d e m e n t s p r e c h e n d F o r d e r u n g s c h a r a k t e r , w e n n das U n t e r n e h m e n f o r t g e f ü h r t wird. D e m S c h u l d c h a r a k t e r des E i g e n k a p i t a l s entspricht seine Stellung a u f d e r Passivseite der

3 Didaktische Konkretisierung der „Einführung in das betriebliche

228

Rechnungswesen"

Bilanz u n d a u c h die V e r p f l i c h t u n g zur R e c h e n s c h a f t s l e g u n g . D e r S c h u l d c h a r a k t e r wird insbes o n d e r e g e g e n ü b e r E i g e n t ü m e r n , die nicht in d e r G e s c h ä f t s f ü h r u n g tätig sind, deutlich. A u s d i d a k t i s c h e r Sicht e m p f i e h l t es sich deshalb, in den M o d e l l u n t e r n e h m e n d i e E i g e n t ü m e r v o n d e n G e s c h ä f t s f ü h r e r n personell zu trennen.

D i e H e r a u s a r b e i t u n g d e r unterschiedlichen E i g e n t ü m e r - und der

Unternehmenssichtweisen

d e s E i g e n k a p i t a l s k a n n a u c h z u m V e r s t ä n d n i s des W i r t s c h a f t s k r e i s l a u f m o d e l l s d e r V o l k s w i r t s c h a f t s l e h r e beitragen, w o dieser Sachverhalt in den B e z i e h u n g e n z w i s c h e n d e m U n t e r n e h m e n s s e k t o r und den U n t e r n e h m e r h a u s h a l t e n im H a u s h a l t s s e k t o r mit der Ü b e r t r a g u n g d e r N u t z u n g des P r o d u k t i o n s f a k t o r s „Kapital" u n d d e m d a f ü r g e w ä h r t e n Entgelt „ G e w i n n " abgebildet wird. A u c h d i e T a t s a c h e , d a s s die Ü b e r t r a g u n g finanzieller Mittel v o n den E i g e n t ü m e r n an die U n t e r n e h m e n mit gleichzeitiger R ü c k g e w ä h r u n g e i n e s w e n n a u c h u n b e f r i s t e t e n A n s p r u c h s a u f R ü c k z a h l u n g , in v o l k s w i r t s c h a f t l i c h e n K r e i s l a u f m o d e l l e n nicht abgebildet wird, k a n n d a m i t b e g r ü n d e t w e r d e n , d a s s die U n t e r n e h m e r h a u s h a l t e d u r c h dieses „ T a u s c h g e s c h ä f t " nicht ä r m e r und die U n t e r n e h m e n durch die gleichzeitig e n t s t e h e n d e „ B e t e i l i g u n g s s c h u l d " nicht reicher w e r d e n . V o l k s w i r t s c h a f t l i c h wird also kein V e r m ö g e n , s o n d e r n nur N u t z u n g s r e c h t e ü b e r t r a g e n , f u r die die U n t e r n e h m e r h a u s h a l t e als Faktorentgelt

Gewinnansprüche

erhalten.

I m zweiten Schritt wird dann erarbeitet, dass im N o r m a l f a l l die Eigenmittel d e r G r ü n d e r nicht a u s r e i c h e n , u m ein U n t e r n e h m e n a u f z u b a u e n , i n s b e s o n d e r e die relativ teuren S a c h a n l a g e n zu f i n a n z i e r e n . D e r f e h l e n d e K a p i t a l b e d a r f wird durch ein l a n g f r i s t i g e s D a r l e h e n d e r B a n k g e d e c k t . D i e s e K r e d i t a u f n a h m e wird mit d e m P f e i l p a a r „ 2 " ( A b b i l d u n g 3 - 1 6 ) im M o d e l l vera n s c h a u l i c h t . D e r Z u f l u s s w e i t e r e r Z a h l u n g s m i t t e l von d e r B a n k an das U n t e r n e h m e n f u h r t a u f d e s s e n „ B a n k k o n t o " . D e r g e g e n l ä u f i g e W e r t e f l u s s v o n der Position „ l a n g f r i s t i g e s B a n k d a r l e h e n " f u h r t z u r Bank. Diese erhält d a d u r c h einen A n s p r u c h a u f R ü c k z a h l u n g des B e t r a g e s (hier v e r e i n f a c h t in gleicher H ö h e ) , dessen Fälligkeit in e i n e m festgelegten T i l g u n g s p l a n festg e h a l t e n ist. D i e s e r A n s p r u c h auf einen späteren G e l d t r a n s f e r entsteht mit d e r A u s z a h l u n g , er v e r ä n d e r t w e d e r den N e t t o v e r m ö g e n s s t a t u s der Bank noch d e s U n t e r n e h m e n s . E r b e g r ü n d e t aber den A n s p r u c h a u f eine V e r g ü t u n g f ü r die befristete Ü b e r l a s s u n g eines K a p i t a l n u t z u n g s rechts, den Z i n s . 6 4

64

Nach der Bilanzmethode ist dies sowohl bei dem Unternehmen als auch seiner Bank ein „erfolgsneutraler" Geschäftsvorfall, obwohl des doch die Grundlage des Leistungsprozesses der Bank ist.

3.1 Erarbeitung formaler und inhaltlicher Grundlagen

229

staatliche Einrichtungen dauerhaft reserviertes

Lelstungspotentlal

Grundstück· (Grund und Boden + Gebäude) [dauerhaft genutde Otter 3

Technische Anlegen und Maschinen Betriebs- und Geschäftsausstattung

£$&

ι

.


Ito Hllfut

•tone

• --r

-

: Produktion

Umsate·

«tlÖNg

für eigen™ Erzeugnis·»

Í Absatz Beschaffung Avm«n4«g*n H a n d e l s w a r e n NrWno Umaatzerlôee

a n d e r e eigen« Leistung!

Finanzierungspro Waren Katlnenessen u. ä. Leistungen Forderungen U«l*NNE*n und Lttatunßid Forderungen an Mitarbeiter

SIN

Ansprüche auf Geld unsprucn&airreeFa~

Zahlungsmittel

Vorsteuer

Kasse Bank

USt.-Zahllast Umsatzsteuer Steuerrückstellungen SV-Vwblnd-®·^·' Verbindlichkelten IlohkiHtn au« Lieferungen und Leistung·* Langfristige Bankverbindlichkeiten Eigenkapital • Gezeichnetes Kapital • Gewinnrücklage • Jahresüberscnuss

Abbildung 4-15: Wertflüsse bei Verkäufen an Mitarbeiter

402

4.2.4

4. Curriculare Möglichkeilen zur Elaboration modellierter

Grundstrukturen

Sonstige Personalaufwendungen, insbesondere Reisekostenabrechnung

Weitere mögliche personalwirtschaftliche Ergänzungen stellen die Gruppe der „sonstigen Personalaufwendungen" dar. Hier können die Aufwendungen für Personaleinstellungen, Fortund Weiterbildung, Dienstjubiläen etc. das Kontensystem und die soziale Sicht des Unternehmens erweitern. Die Werteströme dieser Aufwendungen sind analog anderen von Lieferanten bezogenen Leistungen abzubilden.

Eine Besonderheit weisen dabei die von den Mitarbeitern verauslagten Reisekosten auf. Anhand der in Abbildung 4-16 dargestellten Werteströme wird die Problematik der Reisekostenabrechnung deutlich: Das Unternehmen bezieht Leistungen, für die das Entgelt an die Mitarbeiter ausgezahlt wird, weil diese die Leistungen vorverauslagt haben. Da in dieser „Vorverauslagung" auch pauschalierte Leistungen enthalten sein können, besteht die Möglichkeit der Ungenauigkeit der Leistungsverrechnung.

4.2 A usdijjerenzierung und Erweiterung der Modellierung in der Personalwirtschaft

staatliche Einrichtungen ¡serviertes

dauerhaft

Leistungspotential

Grund« ske (Grund und Boden + Gebäude) Te inlach· Anlagen und Maschinen itrlebs- und Geachäftaauaatattung

I

Leistungsprozess •toff*

: iemdtfremdbeuUlW wuleile

Aufwendungen

Unfertig· Erzeugnisse

: Produktion

letrlebs- ; ; «torte

' f f l S |Tr«n»port.Untert>rlngung,Verpflegu η g f»W«ren

Fertige Erzeugniese

Umtat* erlö»efc für »Iganff" Absatz

_J> Reisekosten

Umeetiarlñm 'töWare™

ïârweiswaren

:

lnanzierungsprozess

V

Forderungen au« Lkftrungtn und labtungan Vorsteuer Zahlungsmittel

Buchgeld

• Kasse I· Bank USt.-Zahllast

Umsatzsteuer

FB-Verbind- Steuerrückstellungen tïW Varhlnd llchkelten ilohíe ¡ten Verbindlichkeiten •us Lieferungen und Leistungen Langfristige Bankverbindlichkeiten Elgenkapltal

• Gezeichnetes Kapital • Gewinnrücklage • Jahresüberscnuss Abbildung 4-16: Werteflüsse bei der Reisekostenabrechnung

403

404

4.2.3

4. Curriculare Möglichkeilen zur Elaboration modellierter Grundstrukturen

Pensionszusagen und Pensionsleistungen

Eine weitere „soziale" Erweiterung des Kontensystems im Personalbereich stellen die Aufwendungen für Altersversorgung und für Unterstützung dar. In Abbildung 4-17 werden sowohl die Bildung von Pensionsrückstellungen als auch die laufenden Zahlungen der Betriebsrenten unter Abzug der Lohnsteuer dargestellt. Dabei wird der Entgeltcharakter dieser Aufwendungen für Arbeitsleistungen

und Betriebstreue durch die Werteinputs in den

Leistungsprozess modelliert. Anhand dieser Abbildung kann die Problematik einer periodengerechten Leistungsverrechnung erarbeitet werden (vgl. hierzu auch Schruff

1997).

Auch bei dieser Thematik erscheint die in der gekürzten Fassung des IKR (BDI 1987) vorgenommene Vereinfachung unangebracht. Das Konto „644 Gezahlte Betriebsrenten (einschl. Vorruhestandsgeld)" des Original-IKR wird in der gekürzten Fassung als „Aufwendungen fur Altersversorgung" benannt, das Konto „645 Veränderungen der Pensionsrückstellungen" entfällt in der gekürzten Fassung. Da aber das Konto „370 Rückstellungen für Pensionen und ähnliche Verpflichtungen" in der gekürzten Fassung ausgewiesen ist, hat diese durch das Fehlen des dazugehörigen Erfolgskontos einen strukturellen Fehler.

Da die soziale Absicherung der Mitarbeiter durch betriebliche Altersvorsorge im Unterricht mit verschiedenen Möglichkeiten dargestellt werden sollte, erscheint es auch nicht zweckmäßige, die Konten „646 Aufwendungen für Direktversicherungen" und „647 Zuweisung an Pensions- und Unterstützungskassen" in einem Kontenrahmen für die Aus- und Fortbildung zu unterdrücken.

4.2 Ausdifferenzierung und Erweiterung der Modellierung in der Personalwirtschaft

staatliche Einrichtungen dauerhr| t reserviertes

Lelstungspotentlal

Grurlï itücke (Grund und Boden + Gebäude) tchnlsche Anlagen und Maschinen Betriebs- und Geschäftsausstattung

κ £ s

S

Leistungsprozess ÄSohÄi

«tolle . Ftemdbautelle

. ν " ' Kr Hllfsstóí wfcwhiBw

¿oi stoffe

Unfertige Erzeugnis·· -.f»*.·.

Fertige .Erzeu8; nlsse

: Produktion Betriebs- ; Motte

umwttz· ei!«se....fcJ für eigene Eczeugnleee 1

Beschaffut

Absatz i Umsatzerlös· jiÄWariH*"

Handelswaren Aufwendungen für —7 Unteretüzunf / Aufwendungen lär /Altersversorgung

izierungsprozess

Forderungen a u · Lieferungen und L e i t u n g e n

iteuer

Zahlungsmittel J-

Kasse Bank

USt.-Zahllast

Umsatzsteuer

•'ftiîltin Steuerrückstellungen erbindlichkeiten tingtn und L«t«tungan Pen s ions r ü çks t el I un gen Langfristige Bankverbindlichkeiten

Elgenkapital • Gezeicnrnetes Kapital uewinnrücklage Jahresüberscnuss Abbildung 4-17: Werteflüsse bei Pensionsleistungen und Pensionszusagen

405

406

4. Curriculare Möglichkeilen zur Elaboration modellierter Grundstrukturen

4.3

Umstrukturierung der Modellierung des Leistungsprozesses durch die Kostenrechnung

4.3.1

Kostenrechnung als Neumodellierung des Leistungsprozesses

In dem „Allgemeinen Unternehmensmodell" wird der betriebliche Leistungsprozess und der ihn durchfließende Güterstrom mit seinen temporären Beständen in das Zentrum der Betrachtung gestellt. Diese Modellierung (vgl. hierzu das Unternehmensmodell von Kilger 1987, S. 2) mit dem Aufwand als Input und den Erträgen als Output erfolgt auch im Hinblick auf eine damit verträgliche Einfuhrung des Kostenrechnung.

Mit der unterrichtlichen Einfuhrung dieses neuen Instruments sind zwei Umstrukturierung des bisherigen Modells erforderlich: die Separierung von Leistungen, die nicht zu dem Hauptleistungsprozess gehören, und die Umstrukturierung von pagatorischen zu kalkulatorischen Wertezu- und -abgängen, also von den Aufwendungen zu den Kosten und von den Erträgen zu den Leistungen. Dies bedeutet, dass das Instrumentarium der Kostenrechnung zu einer neuen Sichtweise auf den Leistungsprozess verhelfen muss, ohne dass die alte Sichtweise der Finanzbuchhaltung damit obsolet wird. Dabei muss auch deutlich werden, dass die Bewertung der Bestände im Leistungsprozess in der Finanzbuchhaltung weiterhin nur einen Teil der Umstrukturierung der Kostenrechnung einbezieht. Die Kosten des Absatzes (Vertriebskosten) sowie die kalkulatorischen Kosten bleiben in den Herstellungskosten der fertigen und unfertigen Erzeugnissen unberücksichtigt.

Aus wirtschaftspädagogischer Sicht ist es wünschenswert, dass das von Rickenbacher fl 991, S. 23Iff.) und Dubs (1996, S. 123) festgestellte fachdidaktische Defizit zur Kostenrechnung durch eine Konzeption mit nachfolgender Präzisierung und empirischer Überprüfung beseitigt wird. Dazu wird es notwendig sein, Gemeinsamkeiten und Unterschiede der gegenwärtigen Verfahrensweisen herauszuarbeiten und auch Alternativen dazu zu entwickeln. Einige Fragen, die sich dabei stellen, lauten: -

Muss mit der Vollkostenrechnung begonnen werden oder ist es auch möglich, mit der Teilkostenrechnung zu beginnen und die Vollkostenrechnung aus den Defiziten der Teilkostenrechnung heraus zu entwickeln. Welche kalkulatorischen Kosten sollten in die Kostenrechnung einbezogen werden oder kann man sich sogar ganz auf die pagatorischen Kosten beschränken?

4.3 Umstrukturierung der Modellierung des Leistungsprozesses durch die Kostenrechnung

-

407

Welche Elemente der Kostentheorie und mathematischer Verfahren zur Optimierung sollten in der Erstausbildung vermittelt werden? Was sind geeignete Produktionsverfahren und Produktgruppen zur Einfuhrung in die Thematik?

-

Eignet sich ein „Abrechnungs-/Kontrollzusammenhang" oder ein „Vorkalkulations-/Planungszusammenhang" besser zur Einführung in die Thematik?

-

Wie kann die industrielle Kostenrechnung auf den Handels- und Dienstleistungsbereich übertragen werden?

-

Wie intensiv soll auf die steuerliche Problematik der Berechnung der Herstellungskosten eingegangen werden? Wie sind Verfahrensweisen bei der Divisionalorganisation und im Konzern zu berücksichtigen?

-

Welche Anregungen können aus neueren Kostenrechnungsansätzen (ζ. B. der Prozesskostenrechnung) fiir den Unterricht gewonnen werden?

-

Wie sollten die ökologischen

Aspekte und Ansätze der

„Umweltkostenrechnung"

behandelt werden? Folgt man der derzeit dominierenden Verfahrensweise mit der Einfuhrung über die Vollkostenrechnung in einem Abrechnungszusammenhang, so sind folgende Schritte erforderlich: Transformation der Aufwendungen in Kosten, Trennung von Einzel- und Gemeinkosten, Zurechnung der Gemeinkosten zu Kostenstellen und Zurechnung der auf die Kostenstellen aufgeteilten Kosten zu den Kostenträgern.

Zur Stützung dieser Schritte und der formalen Modelle „Ergebnistabelle", „Betriebsabrechnungsbogen (BAB I)" und „Kostenträgerblatt (BAB II)" kann das „Allgemeine Unternehmensmodell" im Leistungsbereich umstrukturiert werden. Während in der Finanzbuchhaltung das Hauptanliegen in der Ermittlung des Gewinns als einer Differenz von allen In- und Outputs bestand, wird es zum Hauptanliegen der Kostenrechnung, den Wert einzelner spezifischer Outputs durch Zurechnung der auf sie entfallenden Werteinputs zu ermitteln.

In der Finanzbuchhaltung wurde die erstellte Leistung primär vom Absatzmarkt und nur hilfsweise für die Bestände vom Beschaffungsmarkt ermittelt. In der Kostenrechnung wird der

4. Curriculare Möglichkeiten zur Elaboration modellierter Grundstrukiuren

408

Wert der erbrachten Leistung aus einer unternehmensinternen und mehr technisch orientierten Sicht gesehen.

Eine der Leitfragen lautet etwa: „Welcher Faktoreinsatz (Werteinput) ist nötig, um eine gewünschte Ausbringungsmenge und -qualität (Werteoutput) zu erzielen?" Diese Sicht erhält allerdings auch marktbezogene Argumente, wenn gefragt wird: „Zu welchem Preis muss ich eine Leistung mindestens anbieten?" oder „Zu welchem Preis darf ich eine Vorleistung höchsten beziehen?" Mit diesen Fragen wird deutlich, dass die Kostenrechnung die pauschale Sicht der Finanzbuchhaltung auf eine spezifische Entscheidungssicht von Managern und Sachbearbeiter bringt.

4.3.2

Die Aufspaltung des Leistungsprozesses

Für die Transformation der Finanzbuchhaltungssicht in die Kostenrechnungssicht ist in einem ersten Schritt die Befreiung des Leistungsprozesses von den Komponenten notwendig, die nicht unmittelbar mit der Leistungserstellung im Sinne des Betriebszweckes zusammenhängen. In Abbildung 4-18 wird dieser erste Schritt mit Aufteilung in einen Haupt- und einen Nebenleistungsprozess gezeigt.

4.3 Umstrukturierung der Modellierung des Leistungsprozesses durch die Kostenrechnung

staatliche Einrichtungen

reserviertes

Lelstungspotentlal

Grundstück· (Grund und Boden + Gebäude) Technische Anlsgen und Maschinen Betriebs- und Geschäftsausstattung

Nebenleistungsprozess /erwertunc - aktuell nient

Dienste

- K f c Diensti Nutzungen

Nutzungen

rechentechnische Transformation •""> Vorleistungen

weitere technisch notwendige Leistungen betrlebszweckbezogener

Hauptlelstungsprozess

Rohstoffe Sachguter β Nutzungen

i Fremd-..; unfertige

bauten»

Hilfsstoffe

Sachgüter

Erzeugnisse

Fertlg-j « s erzeug- ¡ nlsse

Betrieb stoffe

Dienste

Arbeitskraft

Dienste

Handelswaren Sachgüter + Dienste

Abbildung 4-18: Aufspaltung des betrieblichen Leistungsprozesses

409

410

4. Curriculare Möglichkeilen

zur Elaboration modellierter

Grundstrukturen

Mit diesem Schritt, der fiktiv aus einem Betrieb zwei Betriebe macht, werden die Aufwendungen in Grundkosten (pagatorische Kosten) und neutrale Aufwendungen sowie die Erträge in Leistungen und neutrale Erträge aufgeteilt. Diese Aufteilung wird in der Regel nicht im Kontensystem, sondern in dem Instrument der Ergebnistabelle

mathematisch

nachgebildet. Diese Verrechnung macht ein großes unterrichtliches Problem

deutlich:

„Warum sind kalkulatorische Kosten neutrale Erträge?" An dieser Stelle werden im traditionellen Unterricht oft formale Argumente bezüglich der richtigen Ermittlung des Gesamtergebnisses eingeführt.

In der Modellierungsmethode bestehen die Outputs des Nebenleistungsbereich nicht nur aus den nicht unmittelbar mit dem Betriebszweck zusammenhängenden Erträgen (Zinserträge, Beteiligungserträge, Kursgewinne etc.), sondern der Nebenleistungsbereich stellt auch gewissermaßen einen „Vorleistungsbereich" („Zulieferer") dar, in dem für den Hauptleistungsbereich technisch notwendige Leistungen erbracht werden, die jedoch infolge finanzieller Gestaltungsmöglichkeiten nicht periodengerecht als Ausgaben anfallen.

Die Nutzung öffentlicher Güter wird im Hauptleistungsprozess nur in geringem Umfang einbezogen. Die im Form der Körperschaftsteuer umgelegte Nutzung öffentlicher Güter wird als neutraler Aufwand angesehen. Hier zeigt sich ein Defizit der klassischen Kostenrechnung, die keine „kalkulatorische Nutzung der sozialen Infrastruktur und der natürlichen Umwelt" vorsieht.

Die Schüler müssen dabei erkennen, dass die kalkulatorischen Kosten nicht nur normalisierte 91 Aufwendungen, sondern auch Gewinnanteile als Entgelt für die Überlassung von betriebsnotwendigem Kapital sowie Arbeitsentgelt für nicht über die Lohn- und Gehaltsabrechnung entlohnte Eigentümer einschließlich der darauf entfallenden Steuer darstellen. Der Nebenleistungsbereich wird also quasi zu einem „Betrieb", der schwer zu bewertende Leistungen von den Eigentümern und dem Staat bezieht und diese zu einem Verrechnungspreis an den Hauptleistungsbereich weitergibt. Der Hauptleistungsbereich bezieht von den Eigentümern nur noch das nicht mit Verrechnungspreisen belegbare und kalkulierbare „allgemeine Unternehmerrisiko". "

Der Nonnalisierungsgedanke ist eine Grujidfígur kaufmännischen Denkens. Im bisherigen Unterricht ist er schon in verschiedenen Formen aufgetreten: der linearen Verteilung von Anscliaflungskosten bei der Abschreibung, der Durchschnittsbewertung und der Verteilung von walirscheinlichcn, aber unregelmäßig und unvorhersehbar auftretenden Scliadcnslallcn auf Versicherungsprämien. In der Kostenrechnung tritt er auch noch in der Geineinkostenprobleinatik auf, er wird damit zu einem koslilutiven Element der Kostenrechnung.

4.3 Umstrukturierung der Modellierung des Leistungsprozesses durch die Kostenrechnung

411

Das Betriebsergebnis als Differenz von Leistung und Kosten repräsentiert somit nur das Entgelt fur das „allgemeine Unternehmerrisiko". Man kann ihm auch noch die anderen nicht entlohnten Produktionsfaktoren (ζ. B. externe Kosten) zurechnen. Spezielle Risiken sind durch Versicherungsaufwendungen

oder kalkulatorische Wagniszuschläge bereits in den

Kosten enthalten. Das Betriebsergebnis müsste aus didaktischer Sicht eigentlich „Managementergebnis" lauten. Dies würde nicht nur gut zu dem B e g r i f f „management accounting" passen, sondern auch deutlich machen, dass es primär durch den vorteilhaften Ein- und V e r k a u f sowie den Personal- und Maschineneinsatz erzielt wird.

D a s „neutrale Ergebnis" hingegen repräsentiert stärker die Gestaltung der rechtlichen B e z i e hungen von Unternehmen und Eigentümer, verbunden mit der Finanzierung des Unternehmens. D a es auch alle anderen unvorhersehbaren Einflüsse aus der Umwelt des Leistungsprozesses aufnimmt, müsste es aus didaktischer Sicht das „Umweltergebnis" genannt werden, wenn kalkulatorische Kosten für Infrastrukturnutzung verrechnet worden wären. B e i einer solchen Weiterentwicklung der Kostenrechnung würde dann besonders deutlich, dass der Unternehmenserfolg insgesamt a u f das Wirken des Managements und der Umwelt zurückzuführen ist. Da die traditionelle Kostenrechnung die „externen K o s t e n " jedoch nicht erfasst, ist eine solche Terminologie vorläufig nicht angebracht.

Die

hier vorgestellte Modellierung des Leistungsprozesses

mit zwei „Betrieben",

„Hauptleistungsbetrieb" und seinem Zulieferer, dem „Nebenleistungsbetrieb",

dem

macht eine

Lernschwierigkeit der traditionellen Einführung in die Kostenrechnung deutlich: der Terminus

„betriebsfremde"

Aufwendungen

und

Erträge.

Dies

wird

im

Modellunternehmen

„ G m b H " besonders deutlich, da alle sog. „betriebsfremden Aufwendungen und Erträge" durch den Betrieb veranlasst wurden und nicht Vorgänge aus der Privatsphäre der Eigentümer oder der Mitarbeiter sind. Es muss also erarbeitet werden, dass „betriebsfremd" im Sinne von „nicht direkt der Hauptleistung, d. h. dem Betriebszweck, zugehörig" bedeutet.

Die übergreifende Bezeichnung „neutrale" Aufwendungen und Erträge fur betriebs- und periodenfremde Aufwendungen und Erträge ist mit der Vorstellung von einer weder zu einem B l o c k noch zu einem Gegenblock 9 2 gehörenden Größe verbunden. Da diese Bezeichnungen j e d o c h üblich sind, können sie im Unterricht nicht vermieden werden, es muss aber ihre be-

92

Die Neutralität zwischen Betriebs- und Privatspliäre wird bei Einzcluntcnielinicn und Personengescllschaften deutlicher.

412

4. Curriculare Möglichkeiten zur Elaboration modellierter

Grundstrukturen

griffliche Differenz zu umgangssprachlichen und anderweitigen fachlichen Vorstellungen (wie Betrieb = Unternehmung) aufgezeigt werden.

4.3.3

Einzelkosten und Gemeinkosten

Nach der Aufspaltung des Leistungsprozesses und der Ermittlung von neutralem Ergebnis und Betriebsergebnis wird die Kostenrechnung mit einer weiteren Aufspaltung des „betriebszweckbezogenen Hauptleistungsprozesses" fortgesetzt. Hier ist die Trennung der den einzelnen Leistungen direkt zurechenbaren Kosten von den Gemeinkosten erforderlich. In Abbildung 4-19 wird die direkte und indirekte Kostenverrechnung, wie sie durch den einstufigen BAB vorgenommen wird, schematisch dargestellt.

Anhand dieser Abbildung kann die grundsätzliche Problematik der Aufteilungs- und Zuordnungsverfahren thematisiert werden. Die parallele Struktur zur Verrechnung der Nutzung des Anlagevermögens über Abschreibungen im „Allgemeinen Unternehmensmodell" kann hervorgehoben werden. Damit wird ein weiterer Aspekt interner Verrechnungspreise thematisiert.

4.3 Umstrukturierung der Modellierung des Leistungsprozesses durch die Kostenrechnung

kalkulatorische Gemeinkosten (indirekte Kosten) betrlebszweckbezogener

Hauptleistungsprozess

-

-

- —

. ;

Material + Arbeitskraft

Kostenträger I

Abbildung 4-19: Einstufige Trennung von Einzel- und Gemeinkosten

413

4. Curriculare Möglichkeiten

414

zur Etaboration modellierter

Grundstrukturen

Inhaltlich müssen die Begriffe „Kostenstelle", „Kostenbereiche", „Einzelkosten" („direkte Kosten") und „Gemeinkosten" („indirekte Kosten") erarbeitet und systematisiert werden. Zur Systematisierung und zur Abgrenzung der Einzel- und Gemeinkosten von den variablen und fixen Kosten bietet sich eine von Wedelt (1993, S. 287) benutzte Übersicht an (Abbildung 420). Anhand dieser Übersicht wird deutlich, dass die „unechten Gemeinkosten" als „aus Vereinfachungsgründen nicht erfasste Einzelkosten" aufgeklärt und mit Beispielen belegt werden müssen. Dies ist eine Voraussetzung, wenn kostentheoretische Überlegungen auf der Basis von variablen und fixen Kosten mit Kenntnissen der Kostenrechnung verknüpft werden sollen.

Kosten (leistungsbezogener \fcrtrauch der Periode)

aufgeteilt nach dem Verhalten bei einer

fixe Kosten

variable Kosten

Änderung der Ausbringungsmengs aufgeteilt nach der Zurechnung auf Abrechn un Reinheiten (Stellen, Stucke)

unechte

Einzelkosten

echte

Gc mein kosten

Abbildung 4-20: Untergliederung des Kostenbegriffs (Wedell 1993, S. 287) Zur Vertiefung kann dann die mehrstufige Verrechnung von Gemeinkosten erarbeitet werden. In Abbildung 4-21 werden die entsprechend ausdifferenzierten Werteströme unter Einbeziehung von Hilfskostenstellen dargestellt.

Die Thematik der mehrstufigen Verrechnung der Gemeinkosten mit Kostenstellen des Allgemeinen Bereichs und der Hilfskostenstellen bereitet auch auf die unternehmensinterne Verrechnung von Leistungen von Zentralabteilungen an Profit Center vor. Die hier angestellten Überlegungen können ebenso als Grundgedanken bei der Thematik der Prozesskostenrechnung aufgegriffen werden.

4.3 Umstrukturierung der Modellierung des Leistungsprozesses durch die Kostenrechnung

415

rm betrlebszweckbezogener

Hauptleistungsprozess

Kostenbereiche

Kostenträger A /

Kostenträger Β

Kostenträger C )

1

Material + Arb«ltrtrtft

Kostenträger D ) a

n

Abbildung 4-21: Mehrstufige Trennung von Einzel- und Gemeinkosten



4Ì6

4. Curriculare Möglichkeilen zur Elaboration modellierter Grundstrukturen

4.4

Ausdifferenzierung und Erweiterung im Zusammenhang mit langfristigen Finanzierungsentscheidungen

4.4.1

Rechtsform und Eigenkapitalveränderungen

In den bisherigen Ausführungen wurde das „Allgemeine Unternehmensmodell" in der Variante fur Kapitalgesellschaften beschrieben. Die Bezeichnung der Eigenkapitalkonten wurde in der fur A G und G m b H neutralen Variante vorgenommen (Gezeichnetes Kapital statt Grundund Stammkapital). So wird auch bei der Thematisierung einer eventuellen Umwandlung der G m b H in eine AG keine neue Struktur zu erarbeiten sein. Andere Rechtsformen fuhren zu einer geringfügigen Modifikation des „Allgemeinen Unternehmensmodells".

Bei der Einzelunternehmung ist das Privat- und Betriebsvermögen des Eigentümers nur rechentechnisch getrennt. Betriebswirtschaftlich steht das Privatvermögen als Finanzierungsreserve und Haftungsmasse zur Verfugung. Um diesen Zusammenhang darzustellen, sind in Abbildung 4-22 die Trennlinien zwischen Unternehmen und Eigentümer sowie zum Finanzierungsprozess nur gestrichelt gezeichnet. Der in Abbildung 4-22 in Anlehnung an die Verhältnisse bei Kapitalgesellschaften gezeigte Wertefluss bei der Bargründung repräsentiert die Absonderung von Vermögensteilen zu einer separaten Vermögensmasse, dem Betriebsvermögen. Der Pfeil vom „Eigenkapital" zu dem Eigentümer repräsentiert die Zurechnung dieses Sondervermögens zu dem Vermögen des Eigentümers.

Die Werteflüsse bei der Privatentnahme (Abbildung 4-23 zeigt die Entnahme von Zahlungsmitteln), die zunächst auf dem Privatkonto gesammelt werden, repräsentieren eine Minderung des Betriebsvermögens und damit der Zurechnung des Sondervermögens zu dem Eigentümer. Betriebswirtschaftlich stellt die Privatentnahme in der Regel ein Vorgriff aus die „Gewinnausschüttung" der Einzelunternehmung dar. Vor diesem Hintergrund muss den Schülern begründet werden, warum die Privatentnahme nicht direkt auf dem Eigenkapitalkonto gebucht wird.

4.4 Ausdifferenzierung

und Erweiterung im Zusammenhang mit Finanzierungsentscheidungen

staatliche Einrichtungen dauerhaft reserviertes Leistungspotential Grundstücke (Grund und Boden + Gebäude) Technische Anlagen und Maschinen Betriebs- und Geschäftsausstattung

Leistungsprozess Rohstoffe

Fremd· bauten«

Unfertig·

Erzeugnis«

•" «oft« Beschaffung Betrlebe. Produktion

Fertige Erzeugnisse

Absatz

stoffe

Handelswaren

Finanzierungsprozess

Forderungen

au· Uaferwigan und Leitungen

Zahlungsmittel Kasse Bank Verbindlichkeiten

•u« Lieferungen und L«latung«n



Prlvatver"

55 mögen Langfristige Bankverblndllchkelten Sk> " .2iiC i S Ä Ä i A a n ö s . r « I ¡Eigenkapital ^ \l ! ; Privatkonto Abbildung 4-22: Werteflüsse bei der Bargründung einer Einzelunternehmung

417

418

4. Curriculare Möglichkeiten zur Elaboration modellierter Grundstrukturen

staatliche Einrichtungen dauerhaft reserviertes Lelstungspotentlal Grundstücke (Grund und Boden + Gebäude) Technische Anlagen und Maschinen Betriebs- und Geschäftsausstattung

Leistungsprozess . ..Roh-.... stoffe Fremdbauteile

Unfertige Eueugnlss.

Hilfsstoffe Beschaffung

Betriebsstoffe

_ , , Produktion

Fen|ge

Erzaug· nlsee

w : ., i Absatz

lei Handelswaren

Finanzierungsprozess

Forderungen au· Lieferungen und Leitungen

Zahlungsmittel Kasse Bank

Verbindlichkeiten aus Ll«t*rung«n und LeUtungtn

Langfristige Bankverblndilchkelten Eigenkapital '¿Privatkonto

Abbildung 4-23: Werteflüsse bei Privatentnahme in Einzelunternehmen

4.4 Ausdifferenzierung und Erweiterung im Zusammenhang mit

Finaniierungsentscheidungen

419

In der A b b i l d u n g wird d u r c h die D a r s t e l l u n g der zu b u c h e n d e n W e r t e s t r ö m e ein V e r s t ä n d n i s p r o b l e m deutlich: D e r G e l d a b g a n g wird durch einen e n t g e g e n g e r i c h t e t e n W e r t e s t r o m v o m E i g e n t ü m e r z u m P r i v a t k o n t o ausgeglichen, w a s einen W e r t e z u g a n g symbolisiert. Im traditionellen bilanzorientierten Ansatz fuhrt der G e l d a b g a n g in E r m a n g e l u n g e i n e s V e r m ö g e n s z u g a n g s b z w . S c h u l d e n a b g a n g s zu einer M i n d e r u n g d e s Eigenkapitals. In der M o d e l l i e r u n g s m e t h o d e stellt die M i n d e r u n g des E i g e n k a p i t a l s den A b g a n g einer „ B e t e i l i g u n g s s c h u l d " d a r u n d f ü h r t damit w i e die M i n d e r u n g einer anderen Schuld g e g e n ü b e r Dritten zu

einem

Wertezugang.

In ähnlicher W e i s e w i e die P r i v a t e n t n a h m e barer Mittel wird d i e E n t n a h m e v o n E r z e u g n i s s e n und W a r e n s o w i e von N u t z u n g e n und G e g e n s t ä n d e n des A n l a g e v e r m ö g e n s g e b u c h t . Hier m u s s allerdings d i e u m s a t z s t e u e r l i c h e B e s o n d e r h e i t des E i g e n v e r b r a u c h s erarbeitet w e r d e n . Dabei ist sowohl d a s n e u e E r t r a g s k o n t o als a u c h die Frage der B e w e r t u n g der P r i v a t e n t n a h m e mit ihren steuerlichen K o n s e q u e n z e n zu erörtern. D e r E i g e n v e r b r a u c h s t a t b e s t a n d der ertragssteuerlich nicht a b z u g s f ä h i g e n R e p r ä s e n t a t i o n s a u f w e n d u n g e n wird auch f ü r die Kapitalgesells c h a f t e n relevant.

Bei d e m J a h r e s a b s c h l u s s der E i n z e l u n t e r n e h m e n ist die w ä h r e n d d e s G e s c h ä f t s j a h r e s e r f o l g t e „ u n e n t g e l t l i c h e " E i n b r i n g u n g v o n Arbeitskraft der E i g e n t ü m e r darzustellen ( P f e i l p a a r „ 3 " in A b b i l d u n g 4 - 2 4 ) . D e r rechnerisch ermittelte G e w i n n stellt somit d i e V e r g ü t u n g f u r verschied e n e „ f o r m a l u n e n t g e l t l i c h " e r b r a c h t e Leistungen dar. Ein G e w i n n trägt zur M e h r u n g (ein Verlust zur M i n d e r u n g ) des d e m E i g e n t ü m e r z u z u r e c h n e n d e n S o n d e r v e r m ö g e n s , also d e m E i g e n k a p i t a l bei. In A b b i l d u n g 4 - 2 4 wird dies und die V e r r e c h n u n g des P r i v a t k o n t o s (Pfeil „ 4 " ) als separater W e r t e f l u s s dargestellt. Dieser W e r t e f l u s s korrigiert die durch den G e w i n n e r f o l g t e E r h ö h u n g des Eigenkapitals. Er ist die V e r l ä n g e r u n g des z u m P r i v a t k o n t o f u h r e n d e n Pfeils „ 2 " aus A b b i l d u n g 4-23.

420

4. Curriculare

Möglichkeiten

zur Elaboration

modeliierter

Grundstrukturen

staatliche Einrichtungen dauerhaft reserviertes Lelstungspotentlal Grundstück· (Grund und Boden + Gebäude) Technische Anlagen und Maschinen Betriebs- und Geschäftsausstattung

« £ Sì

I

Leistungsprozess Rah,.....: sto«· : ψ

.

w.

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Fremd- . bauleil·

Unfertige Erzeugnisse

stoffe stoffe Betriebsstoffe

H Fertige Erzeugnlsse

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Finanzierungsprozess

Forderungen •ua Uaftrungcn und Lautungen

Zahlungsmittel • Kasse • Bank

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Langfristige Bankverbindlichkeiten d.Rtwnwògens-Aflspruch· ""7] E i g e n k a p i t a l Privatkonto g ν™«*™»^

Abbildung 4-24: Wetteflüsse bei der Gewinnverwendung in Einzeluntemehmen

4.4 A usdifferenzierung und Erweiterung im Zusammenhang mit Finanzierungsentscheidungen

421

Im U n t e r r i c h t sollte d e r Z u s a m m e n h a n g von P r i v a t e n t n a h m e n zur S i c h e r u n g d e s L e b e n s u n t e r halts als eine v o r w e g g e n o m m e n e „ G e w i n n a u s s c h ü t t u n g " mit einer „ A r b e i t s e n t g e l t k o m p o n e n t e " h e r a u s g e a r b e i t e t w e r d e n , damit das K o n z e p t des „ k a l k u l a t o r i s c h e n U n t e r n e h m e r l o h n s " in d e r K o s t e n r e c h n u n g verständlich wird. D i e s e b e t r i e b s w i r t s c h a f t l i c h n o t w e n d i g e P r i v a t e n t n a h m e f u r die bei a n d e r e n R e c h t s f o r m e n und F i n a n z i e r u n g s v e r h ä l t n i s s e n ü b e r M a r k t l e i s t u n g e n e n t g o l t e n e n F a k t o r e i n s ä t z e der E i g e n t ü m e r sind v o n solchen P r i v a t e n t n a h m e n zu trennen, die ü b e r die G e s c h ä f t s k o n t e n des I n h a b e r s a b g e w i c k e l t w e r d e n , w i e P r i v a t e i n k ä u f e ,

private

A l t e r s v o r s o r g e o d e r Steuerzahlungen.

D i e o b i g e n strukturellen D a r s t e l l u n g e n und E r l ä u t e r u n g e n des W e r t e a u s t a u s c h s

zwischen

Betriebs- und P r i v a t s p h ä r e eines E i n z e l u n t e r n e h m e n s zeigen, dass diese im traditionellen A n satz d e s R e c h n u n g s w e s e n u n t e r r i c h t s b e v o r z u g t e R e c h t s f o r m nicht u n b e d i n g t die e i n f a c h s t e A u s g a n g s s t r u k t u r ist. D a s V e r s t ä n d n i s der E i n z e l u n t e r n e h m u n g mit d e m „ S o n d e r v e r m ö g e n " ist s c h w i e r i g e r als das V e r s t ä n d n i s einer K a p i t a l g e s e l l s c h a f t mit einer e i g e n s t ä n d i g e n R e c h t s persönlichkeit.

A l t e r n a t i v zu der in den A b b i l d u n g e n 4 - 2 2 bis 4 - 2 4 dargestellten S t r u k t u r d e r W e r t e b e z i e h u n g e n z w i s c h e n E i g e n t ü m e r und U n t e r n e h m e n kann die D a r s t e l l u n g der W e r t e f l ü s s e in einer stärker die w i r t s c h a f t l i c h e und steuerrechtliche Einheit von U n t e r n e h m e n s - und P r i v a t s p h ä r e b e t o n e n d e n W e i s e erfolgen. Eigenkapital und P r i v a t k o n t o m ü s s e n d a n n an die Schnittstelle z w i s c h e n Privat- und B e t r i e b s v e r m ö g e n verlagert, d. h. beiden z u g e o r d n e t w e r d e n . Diese K o n t e n repräsentieren dann die Teile des P r i v a t v e r m ö g e n s , die z w i s c h e n beiden Sphären w e c h s e l n . Die W e r t e f l ü s s e w e r d e n d a n n nicht durch T a u s c h b e z i e h u n g e n ,

sondern

durch

s y s t e m i n t e r n e B e z i e h u n g e n abgebildet. In A b b i l d u n g 4 - 2 5 ist dies f u r die B a r g r ü n d u n g (Pfeil „ I " ) , die P r i v a t e n t n a h m e (Pfeil „2"), den P r o d u k t i o n s i n p u t des U n t e r n e h m e n s

(Gewinn-

e n t s t e h u n g ) (Pfeil „ 3 " ) und die V e r r e c h n u n g der g e s a m m e l t e n u n d mit den Privateinlagen saldierten P r i v a t e n t n a h m e n (Pfeil „4") dargestellt.

D a s U n t e r n e h m e n s m o d e l l bei der R e c h t s f o r m „ o f f e n e H a n d e l s g e s e l l s c h a f t " stellt nur eine g e r i n g f ü g i g e E r w e i t e r u n g des M o d e l l s der E i n z e l u n t e r n e h m u n g dar, bei der m e h r e r e E i g e n t ü m e r a b z u b i l d e n sind. Im Modell der K o m m a n d i t g e s e l l s c h a f t k o m m t dann eine M i s c h f o r m z w i s c h e n d e m K a p i t a l g e s e l l s c h a f t s - und d e m P e r s o n e n g e s e l l s c h a f t s m o d e l l z u m A u s d r u c k . In A b b i l d u n g 4 - 2 6 ist ein Modell der K o m m a n d i t g e s e l l s c h a f t mit zwei Voll- und e i n e m Teilh a f t e r dargestellt. W e n n man dort den K o m m a n d i t i s t e n entfernt, erhält m a n das M o d e l l der o f f e n e n H a n d e l s g e s e l l s c h a f t mit zwei G e s e l l s c h a f t e r n .

4. Curriculare Möglichkeiten zur Elaboration modellierter

422

Grundstrukturen

staatliche Einrichtungen dauerhaft reserviertes

Lelstungspotentlal

Grundstücke (Grund und Boden + Gebäude) Technische Anisgen und M a s c h i n e n Betriebs- und Geschäftsausstattung

S s s

Leistungsprozess

s

Rohstoffe PNMS

Fremd- . Unfertige bautelle . Erzeugnisse

Fertige Erzeug-

.

.., ^

Betriebs- : ""«tolte •'·.•'···'.

Handelswaren GuV

S •Sí fL Sí

Eigenkjl·

^

Privatkonto

Abbildung 4-25: Alternative Darstellung der Werteflüsse bei Einzelunternehmen

4.1.4 A usdijferenzierung und Erweiterung im Zusammenhang mit Finanzierungsentscheidungen

staatliche Einrichtungen dauerhaft reserviertes

Leistungspotential

Grundstück· (Grund und Boden + Gebäude) Technische Anlagen und Maschinen Betriebs- und Geschäftsausstattung

κ

£ SÌ

Leistungsprozess

S ... Fremd·! bautelle

Unfertige Eruugnl»·

stoffe Beschaffung

Fertige Erzeugnisse

Produktion

Betriebsstoffe

Absatz

Handelswaren

Finanzierungsprozess

V.

•s

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S

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•s

Zahlungsmittel • Kasse • Bank

t'l Privat- ; E I χ ver- ! 4 I mögen;

Verbindlichkeiten

ί ά Privat- ' 5 ΐ ea veril I mögen!

Langfristige Bankverbindlichkelten

au· Lieferungen und Leitungen

Eigenkapital A r Eigenkapital Β

Privatkonto A 3 Privatkonto Β

Kommanditkapltal C

Abbildung 4-26: Unternehmensmodell der Kommanditgesellschaft

423

424

4. Curriculare Möglichkeilen zur Elaboration modellierter

Grundstrukturen

D a s „ A l l g e m e i n e U n t e r n e h m e n s m o d e l l " k a n n auch dazu b e n u t z t w e r d e n , die k o m p l e x e S t r u k t u r einer G m b H & Co. K G darzustellen. In A b b i l d u n g 4 - 2 7 wird der Fall d e s U n t e r n e h m e n s a u f b a u s ( G r ü n d u n g mit E i g e n - und F r e m d m i t t e l n ) skizziert. Die K G ist dabei das U n t e r n e h m e n , das die H a u p t l e i s t u n g e n a u f d e m M a r k t bezieht und f ü r den M a r k t erbringt, die G m b H ist die G e s c h ä f t s f u h r e r i n und die Vollhafterin d e r K G . Die a b g e b i l d e t e n W e r t e f l ü s s e zeigen e i n e e i n f a c h e B a r g r ü n d u n g der G m b H ( P f e i l p a a r „ 1 " ) und die B a r g r ü n d u n g d e r K G ( P f e i l p a a r „2"). D i e G m b H selbst m u s s dabei nicht auch noch Kapital in d i e G m b H einbringen. Sie f u h r t nur die G e s c h ä f t e , hat kein A n l a g e v e r m ö g e n und nur das m i n i m a l e i n z u z a h l e n d e Kapital als Barmittel. Pfeilpaar „ 3 " repräsentiert die F r e m d f i n a n z i e r u n g der K G d u r c h einen B a n k k r e d i t . G m b H - G e s e l l s c h a f t e r und K o m m a n d i t i s t der K G k ö n n e n dabei die g l e i c h e P e r s o n ( e n g r u p p e ) sein.

staatliche Einrichtungen

4.4 Λ usdijferenzierung und Erweiterung im Zusammenhang mit

Finanzierungsentscheidungen

425

In A b b i l d u n g 4 - 2 8 w e r d e n die L e i s t u n g s b e z i e h u n g e n bei der E n t l o h n u n g der Mitarbeiter in dieser M i s c h - G e s e l l s c h a f t s f o r m dargestellt. Pfeiltripel „ 4 " bildet die E n t l o h n u n g der M i t a r beiter d e r G m b H , die die G e s c h ä f t e der G m b H und der K G f u h r e n ab (hier nicht sozialvers i c h e r u n g s p f l i c h t i g ) . P f e i l p a a r „ 5 " stellt die w e i t e r v e r ä u ß e r t e G e s c h ä f t s f u h r u n g s l e i s t u n g der G m b H an die K G und das d a f ü r g e w ä h r t e Entgelt dar. Die ü b r i g e n v o n der K G b e z o g e n e n A r beitsleistungen, E n t l o h n u n g e n u n d A b z ü g e w e r d e n d u r c h Pfeile mit der N u m m e r „ 6 " d a r g e stellt. D i e Ü b e r s c h n e i d u n g der K ä s t e n f u r E i g e n t ü m e r und A r b e i t n e h m e r hebt hervor, dass die G e s c h ä f t s f ü h r e r und a n d e r e A r b e i t n e h m e r auch G e s e l l s c h a f t e r der G m b H und der K G sein können.

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k QmbH· Qu·» ξ Kluft«

s5 &,Komm«n· •S'«Mu Abbildung 4-28: Werteflüsse bei Mitarbeiterentlohnung in einer GmbH & Co. KG

426

4.4.2

4. Curriculare Möglichkeiten zur Elaboration modellierter

Grundstrukturen

Unternehmensaufspaltung und Beteiligungen

M i t d e m „ A l l g e m e i n e n U n t e r n e h m e n s m o d e l l " k ö n n e n nicht nur die A u s t a u s c h b e z i e h u n g e n e i n e s U n t e r n e h m e n s mit seiner U m w e l t , sondern auch die k o m p l e x e n F i n a n z i e r u n g s - u n d L e i s t u n g s b e z i e h u n g e n v e r b u n d e n e r U n t e r n e h m e n dargestellt w e r d e n . E i n e s o l c h e D a r s t e l l u n g ist e b e n f a l l s n o t w e n d i g , u m ein V e r s t ä n d n i s der K o n s o l i d i e r u n g s s c h r i t t e b e i m

Konzern-

abschluss vorzubereiten.

Im R a h m e n der Strukturierung v o n A b s a t z w e g e n gibt es h ä u f i g die G r ü n d u n g e i g e n s t ä n d i g e r V e r t r i e b s g e s e l l s c h a f t e n , die auch E r z e u g n i s s e anderer ( K o n z e r n - ) U n t e r n e h m e n an k u n d e n n a hen S t a n d o r t e n anbieten. In A b b i l d u n g 4 - 2 9 wird der A u f b a u einer solchen Vertriebsgesellschaft als T o c h t e r eines Industriebetriebs abgebildet. Pfeilpaar „ 1 " stellt die v o n externen Eig e n t ü m e r n ( k ö n n e n auch die E i g e n t ü m e r der M u t t e r g e s e l l s c h a f t sein) und P f e i l p a a r „ 2 " stellt die v o n der M u t t e r g e s e l l s c h a f t eingebrachten Mittel und erhaltenen Anteile dar. P f e i l p a a r „ 3 " bildet die langfristigen B a n k k r e d i t e ab. Die B e s c h a f f u n g d e s A n l a g e v e r m ö g e n s wird durch die P f e i l e „ 4 " ( „ a " und „ b " ) dargestellt. Die E n t l o h n u n g der M i t a r b e i t e r der Tochtergesellschaft wird durch die Pfeile mit der N u m m e r 5 symbolisiert. I

tuuuücht Einrichtungen

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Forderungen

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Abbildung 4-29: Werteflüsse bei dem Aufbau einer Vertriebsgesellschaft

4.4 A usdifferenzierung

uniI Erweiterung im Zusammenhang mit

Finanzierungsentscheidungen

427

In Abbildung 4 - 3 0 wird dargestellt, wie die V e r t r i e b s g e s e l l s c h a f t in den L e i s t u n g s b e z i e h u n gen z w i s c h e n der Produktionsgesellschaft und den K u n d e n z w i s c h e n g e s c h a l t e t ist. D e r A b satzprozess des herstellenden U n t e r n e h m e n s ist ein Teil des B e s c h a f f u n g s p r o z e s s e s der V e r triebsgesellschaft, die j e t z t auch die Handelswaren direkt von externen Lieferanten bezieht. D i e vier P f e i l e mit der N u m m e r „ 6 " bilden den V e r k a u f der Produktions- und den E i n k a u f der V e r t r i e b s g e s e l l s c h a f t unter E i n b e z i e h u n g der Umsatzsteuer ab. Dabei werden die E r z e u g n i s s e j e t z t zu Handelswaren. D i e P f e i l e mit der N u m m e r „ 7 " bilden die extern b e z o g e n e n W a r e n und B e t r i e b s s t o f f e ab. D i e V e r ä u ß e r u n g der Waren an die Kunden wird durch das Pfeiltripel „ 8 " dargestellt. staatliche Einrichtungen

rtditucl» (Grund und I«

L$l$tungtpmzm Gehälter AG-Anteil SV

fiaMñm

Fimnzltningspratut Fofderur

Zahlungsmittel • Kiui - Bank

langfrtetlge Benkverbtadüchkeltefi Beteiligungen tlatnkiplHI • Gezeichnetes Kapital

!inil»rung$proiiii¡ Voreteuer Forderuneen

t

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Zahlungsmittel K«SM Bank

Langfristig* BanlcverWrKlIlchkelten Autetehend* Einlagen Elgtnkipiltl • Gezeichnetes Kapital

Abbildung 4-30: Leistungsbeziehungen einer Vertriebsgesellschaft D i e hier v o r g e n o m m e n e Aufspaltung eines Industriebetriebs entspricht betriebswirtschaftlichen Ü b e r l e g u n g e n der B e g r e n z u n g a u f K e r n k o m p e t e n z e n . D e r verbleibende Industriebetrieb konzentriert sich a u f die Produktion (inkl. der M a t e r i a l b e s c h a f f u n g ) , das Handelsunternehmen konzentriert sich a u f die Betreuung der Kunden und die Steuerung optimaler Lieferfahigkeit.

4. Curriculare Möglichkeiten zur Elaboration modellierter Grundstrukturen

428

D i e s e D a r s t e l l u n g kann nicht nur als A u s d i f f e r e n z i e r u n g im R a h m e n absatzpolitischer Ü b e r l e g u n g e n , s o n d e r n auch als Ü b e r g a n g v o n d e r I n d u s t r i e b u c h f ú h r u n g z u r H a n d e l s b u c h f u h r u n g g e n u t z t w e r d e n . D i e B i l a n z i e r u n g s - und B e w e r t u n g s p r o b l e m a t i k im K o n z e r n a b s c h l u s s mit den F r a g e n der Kapital- und S c h u l d e n k o n s o l i d i e r u n g s o w i e der Z w i s c h e n g e w i n n e l i m i n i e r u n g baut auf d e r K e n n t n i s dieser Strukturen auf.

4.4.3

Ausdifferenzierung der Eigen- und Fremdfinanzierung sowie der Finanzanlagen

W e i t e r e AusdifTerenzierungen des „ A l l g e m e i n e n U n t e r n e h m e n s m o d e l l s " im F i n a n z i e r u n g s b e r e i c h b e t r e f f e n h a u p t s ä c h l i c h d i e Fälle, bei denen nominell d i e L e i s t u n g und die G e g e n leistung nicht ü b e r e i n s t i m m t . In diesen Fällen w e r d e n n e u e K o n t e n z u m A u s g l e i c h dieser „ n o m i n e l l e n D i f f e r e n z e n " erforderlich.

Im B e r e i c h der E i g e n f i n a n z i e r u n g betrifft dies s o w o h l die K a p i t a l e r h ö h u n g mit nicht vollständiger E i n z a h l u n g als auch den e n t g e g e n g e s e t z t e n Fall der K a p i t a l e r h ö h u n g mit A u f g e l d . A u c h d i e E i n f o r d e r u n g a u s s t e h e n d e r Einlagen b e w i r k t eine E r w e i t e r u n g , m a c h t sie d o c h g e r a d e den Ü b e r g a n g v o n e i n e m K o r r e k t u r p o s t e n des a u s g e w i e s e n e n E i g e n k a p i t a l s bzw. einer F i n a n z i e r u n g s r e s e r v e zu einem V e r m ö g e n s g e g e n s t a n d ( F o r d e r u n g ) deutlich. D i e K a p i t a l e r h ö h u n g mit A u f g e l d k a n n im Hinblick a u f die Anteile an den stillen R e s e r v e n und auch b e z ü g l i c h v o r r a n g i g e r R e c h t e bei d e r G e w i n n v e r t e i l u n g ( V o r z u g s a k t i e n ) thematisiert w e r d e n .

Im B e r e i c h d e r F r e m d f i n a n z i e r u n g k a n n die P r o b l e m a t i k von Agio und D i s a g i o mit ihrem p e r i o d e n ü b e r g r e i f e n d e n A u f w a n d s c h a r a k t e r zu einer weiteren A u s d i f f e r e n z i e r u n g f u h r e n (vgl. hierzu a u c h Abschnitt 4.6.2). Auch die F i n a n z i e r u n g ü b e r den ö f f e n t l i c h e n K a p i t a l m a r k t in F o r m v o n A n l e i h e n inkl. W a n d e l - und O p t i o n s s c h u l d v e r s c h r e i b u n g e n d i f f e r e n z i e r t das K o n t e n s y s t e m w e i t e r aus.

D i e M i n d e r u n g des K a p i t a l b e d a r f über die M i e t e bzw. Pacht v o n A n l a g e g e g e n s t ä n d e n ist eine w e i t e r e V a r i a n t e im Z u s a m m e n h a n g mit F i n a n z i e r u n g s ü b e r l e g u n g e n . Im Vergleich mit d e m R a t e n k a u f k a n n auch zur B u c h u n g s - und B i l a n z i e r u n g s p r o b l e m a t i k b e i m L e a s i n g h i n g e f ü h r t werden.

M i t d e m A u s w e i s der „ B e t e i l i g u n g e n " im F i n a n z i e r u n g s p r o z e s s w u r d e die P l a t z i e r u n g d e r Fin a n z a n l a g e n im „ A l l g e m e i n e n U n t e m e h m e n s m o d e H " s c h o n a n g e d e u t e t . W ä h r e n d Beteiligung e n und A n t e i l e an v e r b u n d e n e n U n t e r n e h m e n in der Regel den H a u p t l e i s t u n g s p r o z e s s eines

4.4 Ausdifferenzierung und Erweiterung im Zusammenhang mil Finanzierungsentscheidungen

Unternehmens absichern, sind anderweitige Wertpapiere des Anlagevermögens

429

meistens

langfristige Finanzreserven, die „Nebenerträge" erbringen sollen.

Für die Wertpapiere des U m l a u f v e r m ö g e n s dominiert der Gedanke der Liquiditätsreserve, der eventuell mit einem Spekulationsmotiv verbunden ist. Aus dem Gedanken der Liquiditätsreserve sind die entsprechenden Konten dann in der Nähe von Zahlungsmitteln und Forderungen im „Allgemeinen UnternehmensmodeH" zu platzieren. Wertpapiere des Anlageverm ö g e n s hingegen sind im Sektor der „langfristigen Finanzmittel" des Finanzierungsprozesses anzusiedeln.

4.5

Ausdifferenzierung und Erweiterung der Modellierung im Rahmen der Anlagenwirtschaft

4.5.1

Anlagenwirtschaft und periodenübergreifende Modellierungen

Im Rechnungswesen-Grundkurs wurden anlagenwirtschaftliche Aspekte in der B e s c h a f f u n g von Anlagen und bei der planmäßigen Abschreibung des Anlagenbestands abgebildet. Hinzu kam in einigen Geschäftsgängen die Problematik der Finanzierung von Anlageninvestitionen. Die Ausübung von Abschreibungswahlrechten erfolgte primär über die B e s t i m m u n g der N u t zungsdauer und die Wahl zwischen zeitanteiliger oder ganzer bzw. halber Abschreibungsrate im Anschaffungsjahr. Die Problematik von Kauf oder Miete w u r d e nur angedeutet.

In der Ausdifferenzierung sind weitere Bilanzierungs- und Bewertungswahlrechte sowie Gestaltungsmöglichkeiten sowie Vorschriften im Z u s a m m e n h a n g mit dem Erhalt der Anlagen, deren Erneuerung und Erweiterung zu thematisieren.

Die Ausdifferenzierungen der Anlagenwirtschaft müssen sich mindestens über zwei Geschäftsjahre erstrecken. Dabei kann der erste Geschäftsgang derjenige sein, der bereits die Ausdifferenzierungen im Beschaffungs-, Absatz-, Personal- und Produktionsbereich enthält. In dieser Ausdifferenzierungsphase können auch immaterielle Anlagenwerte die Kategorie „dauerhaft reserviertes Leistungspotential" des „Allgemeinen Unternehmensmodells" erweitern und diese somit bis auf die „Ausstehenden Einlagen" mit der Kontenklasse 0 des IKR zur D e c k u n g bringen.

430

4.5.2

4. Curriculare Möglichkeiten zur Elaboration modellierter Grundstrukturen

Erster Geschäftsgang

Die Thematik der Aktivierung von Anschaffungsnebenkosten ist ein Aufgreifen der bereits in der Ausdifferenzierung im Beschaffungsbereich erfolgten Buchungen und Bestimmungen der Anschaffungskosten. Abbildung 4-31 zeigt diese Struktur bei der Barzahlung getrennter Rechnungen fur eine Maschine (Pfeiltripel „A") und für die Kosten des Transports und der Ingangsetzung (Pfeiltripel „B"). Bei einer recht aufwendigen Anlageninstallation kann die Problematik der Aktivierung der Anschaffungskosten im Hinblick auf eventuelle Abrisskosten und NichtVeräußerbarkeit betriebsspezifischer Installationen deutlich gemacht werden.

Mit einem Anlagenverkauf zum Buchwert wird das „Allgemeine

Unternehmensmodell"

durch eine neue Outputrelation erweitert, nämlich um den Abgang von Werten aus dem Prozess „dauerhaft reserviertes Leistungspotential". Obwohl dieser Werteabgang keine betriebliche Leistung im betriebswirtschaftlichen Sinne ist, so ist er doch umsatzsteuerpflichtig. Daraus bedingt sich die besondere Erfassung dieser Erlöse auf einem eigenen Konto. Dieses Konto „Erlöse aus Anlagenabgängen" ist nicht im Original-IKR enthalten, weil dieser von der Nettomethode mit der direkten Buchung der Anlagenabgänge auf dem Anlagenkonto ausgeht. Im Unterricht sollte jedoch auch im Hinblick auf die Umsatzsteuervoranmeldungen und den Einsatz kommerzieller Finanzbuchhaltungsprogramme die Bruttomethode der Buchung von Anlagenabgängen bevorzugt werden.

In der gekürzten Fassung des IKR wird das Konto „541 Sonstige Erlöse" in Klammern mit dem Zusatz „z. B. aus Provisionen oder Lizenzen oder aus dem Abgang von Gegenständen des Anlagevermögens" erläutert. Die im Original-IKR vorgenommene Unterteilung dieses Kontos in die Konten „5411 sonstige Erlöse aus Provisionen", „5412 - aus Lizenzen" und „5413 - aus Veräußerung von Patenten" (BDI 1990, S. 49) sollte deshalb um ein Konto „5414 sonstige Erlöse aus der Veräußerung von Sachanlagen" ergänzt werden. Dieses Konto kann als reines Verrechnungskonto genutzt werden. Es ist nicht dem Leistungsprozess zuzuordnen und stellt quasi die gesammelten „Habenseiten" der Sachanlagenkonten fur die nicht in den Leistungsprozess eingehenden Werte, also die Verkäufe, dar.

4.5 Λ usdifferenzierung und Erweiterung der Modellierung im Rahmen der Anlagen wirtschaft

431

staatliche Einrichtungen erte s Leistungspotential

dauerhaft rt rundstüa

und und Boden + Gebäude)

Transport u. Installation Anlagen und Maschinen

Maschine

und Geschäftsausstattung

tungsprozess Wj Schreibungen luf Sechanlagen

Unfertige ErisugnlsM

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i Produktion Absatz

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Langfristige Bankverbindlichkeiten Elgenkapltal • Gezeichnetes Kapital • Gewinnrücklage · Jahresüberscnus» Abbildung 4-31 : Werteflüsse bei der Anlageninvestition mit Anschaffungsnebenkosten

I δ

432

4. Curriculare Möglichkeilen zur Elaboration modellierter

Grundstrukturen

staatliche Einrichtungen dauerhaft reserviertes Lelstungsp entlal Grundstück· (Grund und Boden + Ge Technische Anlagen und Maschli

ude) r\ZJ M.-Bw. 7S»w|

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Langfristige Bankverbindlichkelten

Eiaenkapltal

• Gezeichnetes Kapital • Gewinnrücklage • Jahresiiberscnuss Abbildung 4-32'. Werteflüsse bei Anlagenverkäufen zum Buchwert

4.5 A usdifferenzierung und Erweiterung der Modellierung im Rahmen der Anlagenwirtschaft

433

In Abbildung 4-32 sind die Werteströme beim Verkauf einer Maschine mit dem Pfeiltripel „C" dargestellt. Die Buchung des Abganges zum errechneten Buchwert (Buchwert ./. Restabschreibung) am Veräußerungstag wird durch den Pfeil „D" dargestellt. Ferner ist noch der Pfeil zur Buchung der regulären Abschreibung im Veräußerungsjahr (ohne Buchstaben) abgebildet. Bei diesen Wertflüssen entspricht die planmäßige Abschreibung insgesamt exakt dem Werteinput in den Leistungsprozess. Um Verkäufe unter und über Buchwert abzubilden, erscheint es zweckmäßig, zuerst die ungenaue Abbildung der über die planmäßigen Abschreibung verrechneten Werteinputs in den Leistungsprozess und deren Anpassung über außerplanmäßige Abschreibungen und Zuschreibungen zu thematisieren.

Da die Zuschreibungen eine Korrektur vorausgegangener Abschreibungen darstellen, können sie erst nach diesen behandelt werden. Dies bedeutet, dass die Thematik „planmäßige und außerplanmäßige Abschreibungen" einen Schwerpunkt des ersten Geschäftsjahres im Bereich der Anlagenwirtschaft bilden muss. Zuschreibungen und Verkäufe über und unter Buchwert können dann im zweiten Geschäftsgang zur Thematik „Anlagenwirtschaft" behandelt werden.

Die Werteflüsse bei den planmäßigen Abschreibungen wurden schon im RechnungswesenGrundkurs erarbeitet. Dabei wurde die in der gekürzten Fassung des IKR (BDI

1987) vor-

gesehene Sammelbuchung der Abschreibungen auf einem Konto „652 Abschreibungen auf Sachanlagen" als arbeitserleichternde Vereinfachung genutzt. Bei der Erweiterung der Thematik der „planmäßigen Abschreibungen" kann die Systematik der möglichen Abschreibungsarten in Verbindung mit Nutzungsverläufen und Gesamtaufwendungen bei steigenden Reparaturkosten erarbeitet werden. In diesem Geschäftsgang sollten deshalb auch Aufwendungen für die Instandhaltung durch andere Unternehmen (Pfeiltripel „E" in Abbildung 4-33) sowie der Bezug von Reparaturmaterial (Pfeiltripel „F" in Abbildung 4-33) mit eigener Instandhaltung gebucht werden.

434

4. Curricutare Möglichkeilen zur Elaboration modellierter Grundstrukturen

staatliche Einrichtungen ervlertes

Lelstungspotentlal

(Grund und Boden + Gebäude) »che Anlagen und M a s c h l n e n ^ ^ i t e r ï be- und Geechäfteauastattung

elstungsprozess Aktivierte |fl '---•-•—ngen

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Umeati.jrelgJTe Erzeugnta·· Absatz Umaatz-

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anzierungsprozess

^/Forderungen au« Ueferiaigen und Lebtungen Vorsteuer Zahlungsmittel • Kasse • Bank Umsatzsteuer Verbindlichkeiten •IM Lieferungen und Leistungen

Langfristige Bankverbindlichkeiten Elgenkapltal • Gezeichnetes Kapital • Gewinnrücklaqe Jahresüberscnuss Abbildung 4-33: Werteflüsse bei eigener und fremder Instandhaltung der Anlagen

4.5 A usdifjerenzierung und Erweiterung der Modellierung im Rahmen der A nlagenwirtschafì

435

Die Buchung von zu aktivierenden Herstellungsaufwendungen kann im Zusammenhang mit den selbsterstellten Anlagen erfolgen. Dabei sollte auch deutlich werden, dass diese interne Leistung in dem Bezug von Materialien (Rohstoffe, Fremdbauteile) und in den Arbeitsleistungen einen entsprechenden Werteinput im Leistungsprozess aufweist.

Die in Abbildung 4-34 dargestellten Werteflüsse zeigen eine solche Zuordnung

des

exemplarischen Bezugs von Fremdbauteilen zu der Position „Aktivierte Eigenleistungen" über eine Hilfslinie, die erkenntlich macht, dass Roh-, Hilfs- und Betriebsstoffe nicht nur in den Umsatz bzw. in die Bestandsveränderungen des Vorratsvermögens gehen können. Das Konto „Aktivierte Eigenleistung" wurde hier verwandt, weil in der gekürzten Fassung des IKR nicht zwischen „selbsterstellten Anlagen" und „sonstigen anderen aktivierten Eigenleistungen" differenziert wird.

In diesem Zusammenhang sollte die Aktivierung der selbsterstellten Anlagen zu den Herstellungskosten mit der Aktivierung käuflich erworbener Anlagen zu den Anschaffungskosten verglichen werden. Dabei ist auch die Verteilung dieser Kosten auf die Folgeperioden über die Abschreibungen einzubeziehen.

4. Curriculare

436

Möglichkeilen

zur Elaboration

modellierter

Grundstrukturen

staatliche Einrichtungen dauerhaft

rt

Grundstüc Techi Bet

sr ertes

Leistungspotential

(< und und Boden + Gebäude) cf

Anlagen und Maschinen

ibi und Geschäftsausstattung

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Langfristige Bankverbindlichkeiten Elgenkapltal • Gezeichnetes Kapital • Gewinnrücklage • Jahresüberscnuss

Abbildung 4-34: Werteflüsse bei aktivierten Eigenleistungen

4.5 Ausdifferenzierung

und Erweiterung der Modellierung im Rahmen der

Anlagenwirtschaft

437

Nach den vollständig aktivierten Eigenleistungen bei fertiggestellten Maschinen können auch die in einer Periode nur teilweise fertiggestellten Anlagen sowie die in Fremdfertigung in Auftrag gegebenen und angezahlten Anlagen gebucht werden. Die Zuordnung der Positionen „Anlagen im Bau" und „geleistete Anzahlungen auf Sachanlagen" zum Anlagevermögen (dauerhaft reserviertes Leistungspotential) macht die dauerhafte Bindung von Mitteln deutlich. In Abbildung 4-35 werden die Werteflüsse des Inputs fur die Anlagen im Bau exemplarisch über bezogene Fremdbauteile (Pfeiltripel „I") und den Wertefluss vom Leistungsprozess in das Anlagevermögen (Pfeil „J") dargestellt. Die geleisteten Anzahlungen und die dafür bezahlte Umsatzsteuer werden durch Pfeiltripel „K" abgebildet. Wenn diese beiden Positionen des Anlagevermögens mit den „unfertigen Erzeugnissen" und den „Anzahlungen auf Vorräte" als Bestände des Umlaufvermögens verglichen werden, kann der Charakter der Separierung des Anlagevermögens bezüglich der Kapitalbindungsdauer

herausgearbeitet

werden.

Damit die Bilanzierungs- und Bewertungsspielräume beim Sachanlagevermögen im Unterricht hinreichend deutlich werden, ist der erste Geschäftsgang im Hinblick auf eine Zielsetzung zur Minderung des Gewinnausweises zu modellieren. Ferner verlangt die Thematisierung der Zuschreibungen, dass außerplanmäßige Abschreibungen vorausgegangen sind. Aus diesen Gründen müssen im ersten Geschäftsgang zur Anlagenwirtschaft Anlässe gegeben sein, die eine Vollabschreibung der „geringwertigen Wirtschaftsgüter" und eine „außerplanmäßige Abschreibung" ermöglichen. Für den Ausweis der „geringwertigen Wirtschaftsgüter" genügt es, wenn diese exemplarisch an der Betriebs- und Geschäftsausstattung (mit Hinweis auf ähnliches Verfahren bei den „technischen Anlagen und Maschinen) dargestellt werden. Das Pfeiltripel „L" in Abbildung 4-36 zeigt den Zugang während des Geschäftsjahres. Durch den Pfeil „M" wird dann die Vollabschreibung im Anschaffungsjahr abgebildet. Für die Thematik „außerplanmäßige Abschreibung" bietet es sich an, ein unbebautes Grundstück auszuwählen, um herauszuarbeiten, dass dieser Vermögensgegenstand auch abgeschrieben werden kann, obwohl er im Normalfall keine begrenzte Nutzungsdauer und damit keine planmäßigen Abschreibungen aufweist. Durch Pfeil „N" in Abbildung 4-36 wird dieser Wertefluss dargestellt. Gerade bei diesen beiden Abschreibungsarten kann eine Verbindung zu den Normalisierungserfordernissen der Kostenrechnung gezogen werden.

438

4. Curriculare Möglichkeilen zur Elaboration modellierter

Grundstrukturen

staatliche Einrichtungen dauerhaft

ervlertes

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(Grund und Boden + Gebäude) che Anlagen und Maschinen be- und Geachäftaauaatattung Anzahlungen auf Sa^hanlagen Anlagen Im Bau