Dichtungen der T‘ang- und Sung-Zeit: Deutscher Text [Reprint 2022 ed.] 9783112678862, 9783112678855


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German Pages 182 [188] Year 1929

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Table of contents :
Vorwort
Inhalt
I. Gedichte der Vor-T'ang Zeit
II. Gedichte der T'ang Zeit
III. Gedichte der Sung Zeit
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Dichtungen der T‘ang- und Sung-Zeit: Deutscher Text [Reprint 2022 ed.]
 9783112678862, 9783112678855

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Veröffentlichungen des Seminars fflr Sprache und Kultur Chinas an der Hamburgischen Universität Nr. 3

Dichtungen der T£ang- und Sung-Zeit aus dem Chinesischen metrisch übertragen von

Professor

Alfred Forke

Direktor des Seminars für Sprache and Kultur Chinas

Deutscher Text

Hamburg F r i e d e r i c h s e n , de G r u y t e r & Co. 1929

Druck und Einband Von J , J . Augustin in Glückstadt und Hamburg.

Vorwort. Meine „Blüten chinesischer Dichtung", welche im Jahre 1898 erschienen, haben bei vielen Freunden Chinas und Verehrern der Weltliteratur Anklang gefunden. Von verschiedenen Seiten ist mir der Wunsch nach einer Fortsetzung geäußert worden. Diesem komme ich jetzt nach durch die metrische Übertragung der schönsten Lieder der T'ang und Sung Epoche, aus der Zeit vom 7. bis 13. Jahrhundert, welche als die Blütezeit der chinesischen Lyrik gilt. Für meine Übersetzung habe ich folgende chinesische Werke benutzt: Ku T'ang-schi ho-tchieh mit Kommentar von Wang Yaotch'ü, 1732. Li T'ai-po wen-tchi tchi-tschu, Kommentar des Wang Tchi, 1758. Tu kung-pu tchi mit 5 Kommentaren, herausgegeben von Lu K'un, 1834. • Tu kung-pu ts'ao-t'ang schi-tchien von Lu Yen und Ts'ai M6ng-pi, 1153. Tsch'ang-li hsien-scheng tchi (Han Yü) von Li Han. Sung schi-tsch'ao von Wu Meng-tch'ü und Wu Tse-mu, 1671. Schi-tschu Su-schi, kommentiert von Schill Yüan (Sung Zeit), Ausgabe 1699. Su wen-tschung schi ho-tchieh mit Kommentar des Feng Ying-liu, 1793. Die Gedichte des Po Tchü-i habe ich aus L. Woitsch, „Aus den Gedichten Po Chü I's", Peking 1908 und außerdem einige Gedichte dem Cursus Litteraturae Sinicae des P. Zottoli, Vol. V entnommen. Die Gedichte Li T'ai-po's, welche ich schon in den „Blüten" übersetzt habe, durften natürlich in dieser Sammlung nicht fehlen. Ich habe sie daher mit einigen Verbesserungen noch einmal aufgenommen. Als eine Art Nachlese zu den „Blüten" bringe ich noch eine Anzahl von Gedichten der Vor-T'ang Zeit, welche ich im Anhang zu der Sammlung der T'ang Dichtungen fand. Wir haben somit drei in ihrem Wesen nicht unerheblich voneinander verschiedene Gruppen von Gedichten aus der Vor-T'ang, der T'ang und der Sung Epoche. Die Lyrik der T'ang Zeit ist durch Übersetzungen einigermaßen bekannt, dagegen die Sung Epoche noch fast gar nicht. 1*

— IV — Über das Wesen der chinesischen Dichtung von der Han bis zur T'ang Zeit habe ich mich in der Einleitung der „Blüten" ausführlicher ausgesprochen. Es ist die Zeit der chinesischen Erotik und Romantik. Zurückzuweisen ist die Ansicht d'Hervey's, welcher von grober Sinnlichkeit mancher pièces galantes aus jener Epoche spricht. Sinnlich oder auch nur zweideutig ist die chinesische Poesie niemals und unterscheidet sich dadurch sehr wesentlich von der westländischen. Die Lyrik dieser vorklassischen Zeit hat den Vorzug der Natürlichkeit, der Einfachheit und Klarheit. Selbst ein Nichtchinese vermag die meisten Gedichte ohne einen Kommentar zu verstehen, denn die Dichter schwelgen noch nicht in Anspielungen und seltenen Ausdrücken. Fast jedes Gedicht hat einen Gedanken und ist nicht nur beschreibend und impressionistisch wie die Gedichte der späteren Zeit. Der Gedanke ist die Hauptsache, nicht die Form; aller gelehrter Ballast ist bei Seite gelassen. Die Liebe spielt in dieser Lyrik die Hauptrolle wie in unserer Lyrik im Gegensatz zu den späteren Epochen, wo sie fast ganz zurücktritt. Die Lyrik der T'ang Zeit ist nach der allgemeinen Ansicht der Chinesen das Schönste und Erhabenste, das der menschliche Geist hervorbringen konnte. I n den Klassikern ist die lauterste Wahrheit, in den T'ang Dichtern die reinste Schönheit zum vollendetsten Ausdruck gebracht. Die Dichtkunst, sagt ein chinesischer Schriftsteller, schlug Wurzel im Schiking, knospte und trieb Blätter unter der Han und den darauffolgenden Dynastien, und Blüten und Früchte erschienen zugleich unter der T'ang Dynastie. Das mag vom chinesischen Standpunkt und für das chinesische Kunstideal richtig sein. Dichtungen der T'ang Zeit machen auf das chinesische Gemüt einen ähnlichen tiefen Eindruck wie die Poesie unserer größten Dichter auf das unsrige. Wenn auch nicht ganz so intensiv wie die Chinesen, so empfinden doch auch wir die Schönheit dieser Lyrik. So schreibt Bethge: „Was für eine holde, lyrische Kunst t r a t mir da entgegen ! Ich fühle eine lang verschwebende Zartheit lyrischen Klanges, ich blickte in eine von Bildern ganz erfüllte Kunst der Worte, die hinableuchtete in die Schwermut und die Rätsel des Seins, ich fühlte ein feines lyrisches Erzittern, eine quellende Symbolik, etwas Zartes, Duftiges, Mondscheinhaftes, eine blumenhafte Grazie der Empfindung". Alles in allem scheint uns die Lyrik der Vor-T'ang Zeit unserem Empfinden doch näher zu stehen als die so viel berühmtere T'ang Lyrik; sie hat mehr Seele und bei allen Dichtern der T'ang Zeit, Li T'ai-po ausgenommen, überwiegt schon zu sehr die schöne Form. Es ist zu sehr Gelehrtenpoesie, gespickt mit Zitaten, Anspielungen und anderem gelehrten Krimskrams, der meist nur mit Hilfe eines Kommentars verständlich wird. Was den Dichtern an eigenen Gedanken und an tiefer Empfindung fehlt, ersetzen sie durch philologische Gelehrsamkeit. Das macht uns die meisten ihrer Gedichte ungenießbar, und es bedarf einer sorgfältigen Auswahl



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solcher, die auch unserem, sehr abweichenden Schönheitsideal entsprechen. Bei den Dichtern der T'ang Epoche tritt die Erotik fast ganz in den Hintergrund. Dadurch verzichten sie auf das fruchtbarste lyrische Motiv, dem andere Nationen ihre schönsten Dichtungen verdanken. Durch Ausscheiden desselben verliert die chinesische Poesie die Tiefe, das Feuer und die Leidenschaft, welche in der Lyrik anderer Völker lodert. Ihre Gedichte werden mehr und mehr zu kühlen Reflexions- und beschreibenden Dichtungen, die sich in der Hauptsache an den Verstand und das ästhetische Gefühl wenden, aber das Herz kalt lassen. Um den Unterschied zwischen der Lyrik der älteren Zeit und der der T'ang Epoche kurz zu charakterisieren, möchte ich jene mit den Dichtungen Ovids und Catulls, diese mit denen des Horaz vergleichen. Dabei ist nur für Chinas größten Dichter Li T'ai-po eine Ausnahme zu machen, denn dieser steht noch mit einem Fuße in der ungekünstelten, echten Lyrik der Vor-T'ang Zeit. Auch die Dichtungen der Sung Zeit, welche die Periode vom 10. bis zum 13. Jahrhundert umfassen, werden von den Chinesen sehr hoch geschätzt, wenn man sie auch nicht mit den Schöpfungen der T'ang Zeit auf eine Stufe stellt. Im Wesen unterscheiden sie sich nicht sehr von den älteren Vorbildern. Vielleicht besitzen die Sung Dichtungen nicht ganz die Feinheit und die Zartheit, welche die T'ang Dichtungen auszeichnen, und ihre Sprache ist weniger gewählt. Auch scheinen die T'ang Dichter mehr kurze Gedichte von einer oder zwei Strophen — im Deutschen wird die doppelte Anzahl daraus — zu bevorzugen, während die Sung Dichter etwas längere lieben. In der T'ang Zeit werden die Gedanken nur ganz flüchtig angedeutet, in der Sung Epoche etwas weiter ausgeführt, wenn auch nicht annähernd mit der Breite, welche europäische Dichter lieben. Das Stoffgebiet erscheint in der Sung Zeit etwas erweitert, es werden Dinge besungen, welche von den T'ang Dichtern noch nicht beachtet wurden. Schon in der T'ang Zeit finden wir bei einzelnen Dichtern wi Li T'ai-po, Tu Fu und Po Tchü-i Spuren von Humor und sanfter Ironie, in der Sung Periode ist diese Seite der Poesie noch weiter ausgebildet. Besonders Su Tung-p'o, der größte Dichter dieser Zeit, welcher fast an Li T'ai-po heranreicht, macht öfter davon Gebrauch. Eine gewisse Weiterentwicklung der Lyrik während der Sung Zeit ist also wohl zu bemerken, aber tiefgreifend sind die Neuerungen nicht. Jedenfalls steht die Sung Poesie der Dichtung der T'ang Zeit viel näher als letztere derjenigen der Vor-T'ang Zeit.

Inhalt. Vorwort Inhaltsverzeichnis I. G e d i c h t e der V o r - T ' a n g Zeit. Lied der T'ao Ying Konfuzius' Klage Lied der Tse Yü Li Yen-nien: Die Weinverkäuferin Lied vom Hahnenschrei Trennung Aus Liedern der Han Zeit I — I I I Die beiden Gattinnen Ts'ao Tschi: Die Schöne Wei Wen-ti: Herbst Yüan Tchi: Schwermut Tchi K'ang: Nächtliche Stille Die Tänzerin Tse Yeh: 1. Gedenken 2. Ausschau Die ferne Gattin Die Blüte T'ao Tch'ien: Der ferne Freund Pao Tschao: Die Pflaumenblüten Ungeduld Hsü Ling: Stetes Gedenken Heimkehr II. G e d i c h t e der T ' a n g Zeit. Wu Tch'iao: Herbstausflug Wang Tchi: Trunkenheit Su Wei-tao: Laternenfest Sung Tschi-wen: Abstieg vom Berge Tschang Tchiu-ling: . 1. Pflanzenleben 2. Seit der Trennung 3. Der Wasserfall Tschang Jo-hsü: Mondnacht MSng Hao-jan: Erwartung Wang Wei: 1. Abschied

III VII 3 3 4 4 7 7 8 11 12 14 15 15 16 17 17 17 19 19 20 20 20 20 23 23 23 24 25 25 25 26 28 28

— VIII — 2. Abend im Dorf 3. Im Bambushain •. 4. Im Walde 5. Das Kloster 6. Die Pa Schlucht 7. Herbstgedanken 8. Zur Rückkehr des Tschao Tchien nach Japan Li T'ai-po: 1. Gegen die Hsiung-nu 2. Der Nordfeldzug 3. Kampflieder I—III 4. Nach der Schlacht 5. Elend des Krieges 6. Der fahrende Ritter 7. Der Jäger 8. Die Jagd 9. Die Kameraden 10. Geleit 11. Ins Wirtshaus 12. Aufforderung zum Trinken 13. Trinklieder I—V 14. Beim Wein 15. Ein Gleiches 16. Im Rausch 17. An den Mond 18. Das Rebhuhn 19. Im Tschao-yang Palast, I—IV 20. Maku 21. Der König von Wu 22. Der Rabe 23. Im Kahn 24. Mondschein 25. Die Weinende 26. Auf der Phönixterrasse 27. Nanking, I—II Tu Fu: 1. Besteigung des Stadtturmes von Yen-tschou 2. Nächtliche F a h r t 3. An einen Freund 4. An M6ng Yün-tching 5. Nächtliches Fest 6. Bootfahrt 7. Späte Heimkehr 8. Wintersonnenwende 9. Rückkehr im Frühling 10. An Li T'ai-po I 11. An Li T'ai-po II 12. Weinlied

29 29 30 30 31 31 32 33 34 35 37 38 39 40 41 42 42 43 43 44 48 49 49 50 51 52 54 54 55 55 55 56 56 57 58 59 60 61 62 63 63 64 64 65 66 67

— IX — 13. Ein Anderes 14. In den Krieg 15. Das Kampfroß 16. Der Schimmel 17. Im Kriege 18. Im Schnee 19. An den Bruder 20. Die Schwalben 21. Die Wäscherin 22. Der leere Beutel 23. Das Flußdorf 24. Leider 25. Blüten 26. Ersehnter Regen 27. Glühwürmchen 28. Der Papagei Tchia Tschi: Auf dem Tung-t'ing See Li I : Herbstnacht im Walde Hsü An-tschen: Nächtliches Zitherspiel Wan Tsch'u: Die Tänzerin Ts'ön Ts'an: 1. In der Ferne 2. Frühlingstraum 3. Der Liang Park 4. Nächtliche Fahrt Wei Ying-wu: Beschaulichkeit Wang Han: Im Lager Tch'ien Tch c i: Rückkehr zum Gartenhaus Tsch'ang Tch'ien: Im Kloster Wang Tsch'ang-ling: Lotospflückerin Jung Yü: Der Seepavillon MSng Tchiao: Mutterliebe Han Yü: 1. Spätfrühling I 2. Spätfrühling I I 3. Frühlingsschnee 4. Frühlingsbetrachtungen 5. Der Verstoßene 6. Die Reiher 7. Nachtlied 8. Die Wildgans 9. Frühlingssehnen 10. Meng Tung-yeh's Verlust seiner Söhne Liu Yü-hsi: A-tchiao's Kummer Pö Tchü-i: 1. Verschiedenes Los 2. Winterabend 3. Aufforderung zum Trinken

67 68 70 71 71 72 72 73 73 74 74 75 75 75 76 76 77 77 78 78 79 79 79 80 80 81 81 82 82 83 83 83 84 84 84 85 86 87 87 88 88 92 92 93 93



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4. Der Spätgeborene 5. Klage um den Sohn Ts'ui 6. Der alte H u t 7. Kinderspiele 8. Das Amtshaus 9. Nächtliche Klage einer Krähe 10. Am Hsi-hu See Liu Tsung-yüan: 1. Nacht 2. Frühlingsbotschaft Tschang Tchi: Die beiden Perlen Li Tuan: Mondverehrung Liu Fang-p*ing: Im Goldpalast Ts'ui H u : Erinnerung Li SchS: Am Berge Tschu Tch'ing-yü: Das Geheimnis Meng Tsch'i: Im Tschang-hsin Palast Li Hsien-yung: Der Einsiedler Ts'ui Min-tung: Trinklied Ts'ui Hui-tung: Ein Gleiches III. G e d i c h t e der Sung Zeit. Hsü Hsüan: 1. Weidenzweige I — I I 2. Traumfahrt Wang Yü-tch'eng: 1. Auf dem Wusung Fluß 2. Im Winter Mei Yao-tsch'en: 1. Die Eifersüchtige 2. Totenklage 3. Das Aufgeben des Trinkens Ou-yang hsiu: 1. Staubsturm 2. Abend am Wasser 3. An einen fernen Freund 4. An einen Gesandten 5. Frühlingsstimmung 6. Trinkverbot 7. Die Waldtaube 8. Das japanische Schwert Su Schun-tch'in: Landregen H a n Tch'i: Sommerglut Schi Tchieh: Der Frosch Wang An-schi: 1. Einladung 2. Erinnerung

93 94 95 95 96 97 98 98 99 99 100 100 100 101 101 101 101 102 102

105 105 106 106 107 108 109 110 110 111 111 112 113 115 115 117 118 119 121 122

— XI — 3. Sommerstimmung 4. Nanking 5. Mencius 6. Auf dem Tschung Berge 7. Vorfrühling 8. Neujahr Wang Ling: 1. Die Hacke spricht zum Pfluge 2. Der Pflug spricht zur Hacke 3. Kummer Su Tung-p'o: 1. Resignation I—II 2. Abschied vom Jahr 3. Der Sternenhimmel 4. Das Söhnlein 5. Das Westzimmer 6. An Ou-yang Hsiu 7. Genügsamkeit 8. Im Garten des Einsiedlers 9. Die Macht des Weines 10. Ein treuer Freund 11. Frühlingsnacht 12. Gemalte Seerosen 13. Der Kranich 14. Frühlingswein vom Tung-t'ing See 15. Der wahre Wein 16. Der Wassermann 17. Ein Hauch, der verweht I—III 18. Zur Taufe 19. Rausch 20. Sehnsucht 21. Das Geleit 22. Im Walde 23. Das Kuangtung Mädchen 24. Auf dem Flusse . 25. Die Sophora 26. Die Verlassene, I—IV 27. Trunkenheit K'ung Wu-tschung: Ein Sohn kommt nach Haus K'ung Wen-tschung: Herbstnacht K'ung P'ing-tschung: 1. Herbstmond 2. Die Möve 3. Der Hund Tscheng Tchia: In einer Schneenacht Tschang Lei: 1. Die Prügelstrafe 2. Der Hagelschauer

124 124 125 125 125 125 126 126 128 128 129 130 131 132 133 134 134 135 135 136 136 137 138 139 140 141 142 142 143 143 144 145 145 146 146 147 148 149 149 151 152 153 153 154

— XII — 3. Winterszene 4. Unter Blüten Tch'in Kuan: 1. Die Einsame 2. Regen und Sonnenschein Huang T'ing-tchien: 1. Abend 2. Nach dem Gelage 3. Im Obstgarten 4. Vorzeitiger Frühling, I — I I Tsch'ao Pu-tschi: Zu Roß Hung Tchüeh-fan: Die Schaukel Yang Wan-li: 1. Trinkgelage 2. Nachruhm 3. Mutterbrief 4. Der Frühlingsochse Lu Yu: 1. Herbstwind 2. Die Mücken 3. Das Mädchen aus dem Volke 4. Vogelruf Fan Tsch'eng-ta: 1. Dankopfer 2. Das Seidenhaspeln 3. Morgen, I — I I 4. Die Seiden Weberin Tschu Hsi 1. Im Garten 2. Nachtgedanken 3. Frühlingsfluten Yeh Schi: 1. Sommer 2. Warnung Tai Fu-ku: 1. Selbst im Traume 2. Im Gebirge 3. Friede 4. Vor Anker 5. Nächtlicher Überfall Win T'ien-hsiang: Krankheit, I — I I

155 155 156 156 157 157 158 158 158 159 159 160 161 162 163 163 164 164 166 166 167 167 167 168 . 168 169 169 169 170 171 171 172 172

Vor Tang-Zeit 6. Jahrhundert v. Chr. bis 6. Jahrhundert n. Chr.

1

Forke.

Lied der T'ao Ying. 1 Ach, früh verwitwet ward der gelbe Kranich, Blieb gattenlos schon sieben lange Jahr'. Den Hals gebeugt, verbringt die Nacht er einsam Und hält sich fern der andern Vogelschar. Um Mitternacht hört man ihn klagend rufen: Dann denkt er an den Gatten, der nicht mehr. Früh raubte ihm das Schicksal den Gefährten, Drum wird in stiller Nacht das Herz ihm schwer. So oft ich Witwe daran denken mußte, Ein Tränenstrom aus meinen Augen rann, Und es erfaßt mich namenloser Jammer, Niemals den Toten ich vergessen kann. Wenn so ein Vogel handelt, o wie sollte Ein tugendhaftes Weib zurück dann stehn ? Und sei ein Freier noch so gut und edel, Ich werde dennoch nimmer mit ihm gehn.

Konfuzius Klage.2

Linde weht der Wind von Osten, Bringet Wolken uns und Regen. Einen Wandrer heimgeleiten Freunde fern auf öden Wegen. Und was tat der blaue Himmel, Daß er eine Stätte fände ? Durch die neun Provinzen schweift er, Und kein Ziel winkt ihm am Ende. Ohne Einsicht sind die Menschen Und erkennen nicht, wer weise. Schnell vergehen seine Jahre, Und er wird zu einem Greise. 1 2

Mit diesem Liede soll T*ao-ying, 6. Jahrh. v. Chr. deren Gatte früh verstorben war, die Bewerbungen späterer Freier zurückgewiesen haben. Dies Gedicht wird dem Konfuzius zugeschrieben und im 2. Jahrh. n. Chr. zuerst erwähnt. Nach Legge, Classics Vol. I, prolegom. p. 76 würde es Konfuzius 497 v. Chr., als er seine Heimat verließ, gedichtet haben. Andere behaupten, daß es kurz vor seiner Rückkehr nach Lu, also im Jahre 484 entstanden sei. Der Text scheint darauf hinzudeuten. E r gibt die trübe Stimmung des Philosophen wieder, der von einem Staate zum andern zog und nirgends eine dauernde Stätte fand, da die Fürsten jener Zeit ihn nicht zu würdigen wußten. 1*

Lied der Tse Yü. 1 Auf dem Südberg gibt es Vögel, Netze auf dem Berg im Norden. 2 Gerne würd' ich dir gefolgt sein, Doch ich bin verleumdet worden. Und ich wurde krank vor Kummer, Starb und ward zur Gruft getragen. Ach! Unselig war mein Schicksal; Doch was helfen meine Klagen! Phönix wird genannt der König Der beschwingten Vogelscharen. Wenn den Hahn verlor die Henne, Trauert sie noch nach drei Jahren, Würde von den vielen Vögeln Sich mit keinem wieder paaren! So auch siehst Du meinen Schatten Suchend Deines Lebens Schimmer, Nah das Herz und fern der Körper. Dich vergessen werd' ich nimmer.

Li Yen-nien 3 : Die Wein Verkäuferin. Einst zum Hause Ho befand Sich ein Mann im Hörigenrecht; Als Tse Tu war er bekannt, Fßng, so hieß man sein Geschlecht.4 Tse Yü war die Toc hterdes b e k a n n t e n Königs F u Tsch'ai von W u , der 473 v. Chr. s t a r b . Sie liebte einen Studenten H a n Tschung, k o n n t e ihn aber infolge von übelem Gerede nicht heiraten u n d s t a r b vor K u m m e r . H a n Tschung besuchte ihren Grabhügel, wo ihm ihr Geist erschien, der die obigen Verse sprach. Vielleicht s t a m m e n sie von H a n Tschung, oder sind später gedichtet worden. Nach dem K o m m e n t a r würde dieser Vers bedeuten, daß Tse Y ü nicht zu ihrem Geliebten gelangen k o n n t e , ebensowenig wie die Vögel v o m Südberg in die im Norden a u f g e s p a n n t e n Netze. Solche einleitenden Verse nach A r t des Schiking sind nicht immer leicht zu erklären. Der Dichter lebte im 2. u n d 1. J a h r h u n d e r t v. Chr. und war ein Günstling des Kaisers Wu-ti. D a s Gedicht h a t eine gewisse Ähnlichkeit m i t d e m Volkslied v o n der schönen L o f u (vgl. Blüten S. 93) aus der späteren H a n Zeit, f ü r welches es vielleicht als Vorwurf gedient h a t . Derartige Balladen sind in der chinesischen Poesie recht selten. Sein H e r r war H o K u a n g , der n a c h H a n Wu-ti's Tode, 74 v. Chr., lange Zeit die Regentschaft f ü h r t e u n d der mächtigste Mann im Reiche war. Feng, obwohl ursprünglich ein Sklave, genoß als Günstling des Regenten großes Ansehen, u n d alle B e a m t e n m a c h t e n ihm den Hof.

Auf des Marschalls, seines Herrn, Macht und großen Einfluß hin Wollte er betören gern Eine WeinVerkäuferin. Diese schöne Wirtshausmaid Mochte fünfzehn J a h r wohl sein. Auch zur holden Frühlingszeit Stand am Herde sie allein. Trug mit langem Rock ein Kleid, Das umschlang ein Gürtel nett, Und dazu mit Ärmeln weit Ein gar reizendes Jackett. Auf dem Haupte sah hervor Lan-t'ien 1 J a d ' aus ihrem Haar, Und es hingen ihr am Ohr Aus Ta-tch'in 2 zwei Perlen klar. Oh, wie waren lieblich doch Ihre Schöpfe anzusehn! Schwerlich gibt es andre noch In der Welt, die ähnlich schön. J a , ein solcher Schopf allein Fünf Millionen wert wohl war', Und die Schöpfe gar zu zwei'n — Zehn Millionen und noch mehr. 3 — „Wer wohl hätte je gedacht, Daß der stolze Kavalier So in seiner ganzen Pracht K a m ' zu meiner H ü t t e hier!" 4 „Seht den blanken Sattel an, Wie er glänzt von Silber schwer: Mit dem Federschirm voran 6 Geht er zögernd hin und her."

Ort in der Provinz Schensi, wo angeblich J a d e = N e p h r i t gefunden wirdBezeichnung für Syrien und Kleinasien. Die Münzsorte ist nicht angegeben. Es sind wohl Kupfermünzen gemeint. Diese und die folgenden Strophen sind als von der Weinverkäuferin gesprochen gedacht. Ein Ehrenschirm, der den Herren vorangetragen wird.

„Doch er naht mir und bestellt Einen Trunk von Weine pur Und aus Jad' ein Kännchen hält Er an einer Seidenschnur." „Wieder naht er und bestellt Sich ein üppiges Diner, Eine goldne Schüssel hält Man bereit für Fisch-Haschee." „Einen Kupferspiegel1 bot Er darauf mir zum Geschenk, Einen Rock aus Seide rot, Daß ich seiner eingedenk". „Oh, es kümmert wenig mich, Daß die Seide rot zerreißt, Nichts erreichet sicherlich, Wer gering und arm mich heißt". 2 „Eine neue Frau gefällt Wohl dem Manne dann und wann. Eine Frau dagegen hält Fest stets an dem ersten Mann". „Jung und alt in dieser Welt Bilden der Lebendigen Reich. Niedrig oder hochgestellt, Sind sie nicht einander gleich."3 „Darum danke ich gar sehr Meinem edlen Kavalier Für die mir erwiesene Ehr', Denn er wirbt vergebens hier."

Bis in die Neuzeit benutzten die chinesischen Damen für ihre Toilette polierte Kupferspiegel. Glas kannte man im Altertum noch nicht. Die Geschenke üben auf die Kellnerin nicht die gewünschte Wirkung aus. Es kümmert sie wenig, daß der Seidenrock zerreißt, und auch der Hinweis auf ihre Armut nützt nichts. Es ist nicht gut, die Schranken des Alters und der sozialen Stellung zu durchbrechen.

Lied vom Hahnenschrei. 1 Bald wird's hell im Osten sein; Flackernd ist der Sterne Schein, Und der Frühhahn aus Junan 2 Krähend eilt zur Tenn' hinan. Im Palast das Lied verklingt, Man die letzten Speisen bringt; Sterne schwinden, Mond erbleicht, Und empor die Sonne steigt. Jetzt tun auf sich Tür und Tor Und die Fischschlösser3 davor, Kräh'n und Elstern im Palast Flattern um den Wall in Hast.

Trennung. 4 Grün die Gräser wachsen An dem Uferrand. Endlos zieht mein Sehnen5 In ein fernes Land. Immer in die Ferne Schweifen sollt' ich nicht. Selbst des Nachts erblick' ich Ihn als Traumgesicht. Und im Traume seh' ich Ihn zur Seite mir, Wenn ich dann erwache, Ist er weit von hier. Ist in and'rer Gegend Und an anderem Ort. Nutzlos ist mein Sehnen, Denn sein Bild ist fort. Lied aus der Han Zeit, 206 v. Chr. bis 220 n. Chr. Junan in der Provinz Honan war berühmt wegen seiner Hähne. Vgl. Blüten chin. Dichtung S. 77. Schlösser, an denen Fische dargestellt waren. Da Fische die Augen nißht schließen, gelten sie als Symbole der Wachsamkeit. Gedicht aus der Han Zeit. Das Sehnen ist ohne Ende ebenso wie das Grün, welches überall das Ufer bedeckt.

Dürre Zweige fühlen Nicht des Sturms Gewalt, Und des Meeres Flut nicht, Wie die Luft so kalt. Wer im trauten-Heime, Hat Zufriedenheit,1 Könnte dem wohl sprechen Ich von meinem Leid ? Doch da kommt ein Fremdling Aus der Ferne an, Und er bringt zwei Karpfen Mir von meinem Mann. Um sie flugs zu kochen, Ich den Knaben rief, Fand aus weißer Seide Darin einen Brief.2 Niederknieend3 las ich, Was im Briefe stand. In dem seid'nen Briefe Folgendes ich fand: „Mehr auf deine Pflege Mußt bedacht du sein", Und zum Schlüsse hieß es: „Ewig denk' ich dein".

Aus Liedern der Han Zeit. I. Wohl nach dem Ostertore Den Wagen gelenkt ich hab' Und sah in der Ferne liegen Gen Norden manches Grab. Die getrennte Gattin kann der Natur nicht ihr Leid klagen, denn die Zweige und das Meer fühlen nichts, aber auch nicht den Mitmenschen, welche zufrieden in ihrem Heim sind und den Trennungsschmerz nicht kennen. Im Altertum, ehe das Papier erfunden war, schrieb man viel auf Seide. Wohl aus Ehrerbietung vor dem Herrn und Gebieter, wie chinesische Beamte auch kaiserliche Erlasse knieend zu lesen pflegen.

Es säuselte und seufzte Der weiße Pappelhain, Zypressen und Pinien schlössen Die breite Straße ein. 1 Darunter war seit Jahren Gar mancher zur Ruhe gebracht, Gebettet in tiefem Dunkel, Umgeben von ewiger Nacht. Dort schlummern sie, wo rieselt Der Gelben Quelle Lauf, 2 Und auch nach tausend Jahren Wacht keiner wieder auf. Gewaltig wogen und wallen Die Kräfte der Natur. Die Lebensjahre gleichen Dem Morgentaue nur. Kurz ist der Menschen Leben, Ein flüchtiger Aufenthalt, Nicht fest wie Erz und Felsen Die alternde Gestalt. Wohl nach zehntausend Jahren Begräbt man die Toten noch. Selbst Weise und Heilige müssen Sich beugen diesem Joch. Zwar will man durch Elixiere Erlangen göttliche Kraft; 3 Gar manchen schon hat betrogen Sein Glaube an solchen Saft. Drum laßt uns lieber statt dessen Genießen den schönen Wein Und festlich dazu uns kleiden In Seide weiß und rein.

Kirchhöfe pflegen mit Zypressen und Pinien bepflanzt zu werden. Die Gelbe Quelle fließt in der Unterwelt. Die Taoisten haben immer versucht, das Lebenselixier zu finden, das Unsterblichkeit oder wenigstens langes Leben verleihen soll, und mancher ist gerade durch den Genuß solcher Mittel zum Tode befördert worden.



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II. Jetzt hat mit eisigem Odem Der Winter schon Gewalt. Der Wind, der kommt aus Norden Und weht gar grimmig kalt. Wem voll das Herz von Sorgen, Der merkt, wie lang die Nacht; Ich blicke empor zum Himmel Und schaue der Sterne Pracht. Der Mond nach dreimal fünf Tagen In vollem Glänze steht, 1 Nach viermal fünf, Mondhase Und Kröte schon vergeht. 2 Es kam zu mir als Bote, Ein Fremdling aus fernem Land, Und brachte mir ein Schreiben Von des Gebieters Hand. Wie sehr er meiner gedenke, Am Anfang des Briefes er schreibt, Am Schluß doch heißt's, daß weiter Bestehen die Trennung bleibt. Im Busen und Ärmel trage Den Brief ich immerdar. Noch ist seine Schrift nicht erloschen, Verflossen auch drei Jahr'. Ich hege in meinem Herzen Die Liebe Tag für Tag. Ach! daß dies mein Gebieter Nicht zu erkennen vermag! 3

III. Aus fernem Lande kehrte Ein fremder Mann zurück Und brachte von meinem Gatten Ein prächtiges Seidenstück. 1 2 3

Der fünfzehnte Tag jedes chinesischen Monats ist Vollmond. Im Monde lebt ein Hase und eine dreibeinige Kröte. Sonst käme er vielleicht schneller heim.

Mag über zehntausend Meilen Von mir auch getrennt er sein, So ist doch auch jetzt noch immer Das Herz des Geliebten mein. Es sind gestickt in Seide Zwei Mandarinenten just; 1 Drum habe daraus geschnitten Ich eine Decke der Lust. Mit ewigem Gedenken Füllt' ich sie an als Flaum, Vereinigung unlösbar Näht' ich darum als Saum. So fest ist uns're Verbindung Wie Leim gemischt mit Lack, Denn keinen gibt's, der wieder Zu lösen sie vermag.

Die beiden Gattinnen. 2 Engelwurz gepflückt ich hab' Auf der Bergesmatte. Als ich stieg vom Berg herab, Kam mein früh'rer Gatte. 3 Nieder sank ich in die Knie' Und den Gatten fragt' ich Nach der neuen Gattin, wie Sie denn sei? — so sagt' ich: „Magst du deine neue Frau Noch so sehr auch schätzen, Ist sie doch der alten, schau! Niemals gleichzusetzen.'' „In dem Äußern mögen beid' Wohl einander gleichen, In der Finger Regsamkeit Muß die eine weichen." Die Sinnbilder ehelicher Treue. Gedicht eines unbekannten Verfassers der Han Zeit. Die frühere Gattin ist verstoßen.



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„Als die neue Frau in's Haus Durch die Tür gekommen, Hat die alte draus hinaus Ihren Weg genommen." ,,Doppelfädigen Brokat Kann wohl jene weben, Schlichte, weiße Seide hat Diese nur zu geben." „Von Brokat webt Tag für Tag Jene an fünf Ellen, Fünfundzwanzig Ell'n vermag Diese herzustellen." „Wenn man mit der Seide weiß Den Brokat vergleichet, Vor der alten Gattin Preis Der der neuen erbleichet."1

Ts'ao Tschi 2 : Die Schöne. Eine Schöne, hold und jung, Die den Sinn berückte, An der Wege Gabelung Maulbeerblätter pflückte. Manchen jungen, frischen Zweig Sah man unten liegen, Manches grüne Blatt zugleich Taumelnd niederfliegen. Ihre zarte, weiße Hand Aus dem Ärmel schimmert, Um das Handgelenk ein Band Hellen Goldes flimmert. In das Haar gesteckt sie hat Eine gold'ne Nadel. Ein Gehäng' aus grüner Jad' Hebt des Leibes Adel. 1 2

Der Vergleich ist nur ein Bild: Die neue Gattin kann sich trotz aller ihrei Gewandtheit mit der schlichten Tugend der alten nicht messen. Bruder des ersten Kaisers der Wei Dynastie, 192—232 n. Chr.



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Ihren Nacken aus Nephrit Perlen weiß berühren; Grüne eingereiht man sieht I n Korallenschnüren. Wie die Gaze ihres Kleid's Leicht im Winde wehet, Gleich dem Rädchen, das bereits Jeder Lufthauch drehet! Wo sie hinblickt, bleibt ein Glanz Haften in den Lüften, Ihre Seufzer füllen ganz An die Luft mit Düften. Mancher Reisende hält an, Wenn sie naht, den Wagen; Es vergißt der müde Mann Alle seine Plagen. 1 Könnte man mir sagen nicht, Wo die Schöne wohnet? — I n der Stadt, am Südrand dicht Ist es, wo sie tronet. An dem Hauptweg ragt empor Grün ihr Wohnhaus dorten, Wo ein hochgewölbtes Tor, Schließt die schweren Pforten. Dort ihr holdes Angesicht Grüßt die Morgensonne. Welcher Mann erstrebte nicht Des Besitzes Wonne 1 Eine rege Tätigkeit Mittlerinnen haben, Doch es kam noch nicht die Zeit Für die Hochzeitsgaben. Hoher Sinn und Edelmut Dieser Maid Begehr ist Und ein Mann, nur brav und gut, Der zu finden schwer ist. 1

Eine ähnliche Wirkung übte die schöne Lofu auf die Vorübergehenden aua, vgl. Blüten S. 93.



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Nutzlos ist der Männerschar1 Wirres Stimmgetöne, Da kein einz'ger des gewahr, Was ersehnt die Schöne. So die Jugend hat verbracht Sie in ihrem Zimmer. Wenn sie aufwacht in der Nacht, Seufzet schwer sie immer.

Wei Wen-ti: Herbst. 2 Der Herbstwind seufzt und stöhnet, Die Luft weht kalt und rauh, Es fallen Blätter und Zweige, Zu Reif erstarrt der Tau. Die Schwalbenzüge scheiden, Wildgänse ziehn gen Süd. Ich denke, wie einsam du wanderst, Und Schmerz erfüllt mein Gemüt. Betrübt wohl sinnst du auf Rückkehr; Dich zieht's zu der Heimat fort. Warum, mein Herr, denn zauderst Du noch an fremdem Ort ? Verlassen ist deine Gattin, Und ihre Kammer leer. Sie denkt ihres Herrn mit Schmerzen, Vergißt ihn nimmermehr. Bis auf mein Kleid hernieder Ergießt sich mein Tränenquell. Ich greif' in die Saiten der Zither Und lasse sie tönen hell. Doch kurz nur ist mein Liedchen: Viel singen kann ich nicht. Mein ödes Bett bestrahlet Des Mondes weißes Licht. 1 2

Die Schar der Freier. Der Kaiser Wen-ti der Wei Dynastie, 220—227 n. Chr. Das Gedicht ist wie fast alle chinesischen Liebesgedichte vom Standpunkte der Frau aus gedacht. Vgl. Blüten S. X I I I . Ein anderes erotisches Gedicht desselben Verfassers, Blüten S. 24.



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Die Sterne im Westen versinken, Noch ist nicht die Nacht zu End'. Der „Hirt" zu dem „Webermädchen" Aus weiter Ferne entbrennt.1 Was habt ihr nur verbrochen, Daß ihr vom Strom getrennt ?

Yüan Tchi2: Schwermut.

Ich kann keinen Schlummer finden; Vorüber ist Mitternacht. Drum geh' ich, lasse mich nieder, Und spiele die Zither mit Macht. Durch meinen dünnen Vorhang Da dringt der Mondenschein. Es weht ein frischer Nachtwind, Und bläst in mein Kleid hinein. Vom Schrei'n der wilden Gänse Die einsame Heide erschallt. Die Vögel des Nordens rufen Wohl durch den öden Wald. Ich wandere umher und sinne, Was mir noch für Unglück droht, Erfüllt von trüben Gedanken, Das Herz voll banger Not.3

Tchi K'ang 4 : Nächtliche Stille.

Feierliche, nächtige Stille! Mein Balkon glänzt mondbeschienen. Leiser Wind bewegt den Vorhang, Hochgerafft sind die Gardinen.

Edlen Weins stehn voll die Becher. Wem könnt' froh ich dar sie bringen? Neben mir liegt meine Laute, Doch für wen sollt' sie erklingen ? 1

2 3 4

Zwei Sternbilder, welche vom „Himmelsstrom" = der Milchstraße getrennt werden, so daß sie nicht zueinander gelangen können. Vgl. wegen der Sage und des Grundes der Trennung, Blüten S. 6. Die Gattin denkt beim Anblick der beiden Sternbilder natürlich an ihr eigenes Schicksal. Einer der „Sieben Weisen des Bambushains", 210—263 n. Chr. Der Dichter lebte in der sehr bewegten Zeit der Drei Reiche und diente dem Kaiser Wen-ti der Wei Dynastie. Tchi K'ang, 223—262 n. Chr., großer Alchimist und einer der „Sieben Weisen des Bambushains".

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Kostbar wie der Duft der Blumen Dünket mich ein Trautgeselle. Lange Seufzer muß ich senden Nach dem Freund, der nicht zur Stelle.

Die Tänzerin. 1 Langsam wogt ihr leichter Körper Und bewegt sich frei und freier. Hoch erhebt sie beide Hände, Schwebet wie ein weißer Reiher. Schlängelt sich gleich einem Drachen Stolz das Haupt, dann tief gebücket. Lieblich strahlt ihr holdes Antlitz, Starr ihr schönes Auge blicket. Wie gestoßen und gezogen Scheint sie, muß zurück dann weichen; Ahmt sie nach die Lebensphasen, Ist sie wirklich ohne Gleichen. J a , sie tanzt mit ganzer Seele: Wer es sah, vergißt es nimmer, Während das Haus Tchin2 noch blühet, Und die Freude herrscht noch immer. Diesen Stoff hier, leicht wie Wolken Und von silberhellem Glänze Wem wohl könn't ich ihn verehren? Weih' der Schönen ihn zum Tanze. Schneidet ihn zu einem Mantel Und den Rest zu einem Tuche. Schmückt den Körper mit dem Mantel, Wehrt dem Staube mit dem Tuche. Und in diesem prächt'gen Kleide Naht sie den erlauchten Gästen. Voll vom Weine stehn die Becher, Von dem edelsten und besten. Heller Sang, erlesene Tänze Götter selbst zur Erde bringen. Sang und Spiel rings zu beschreiben, Dürfte schwerlich mir gelingen. 1 2

Gedicht eines unbekannten Verfassers aus der Tchin Zeit, 265—419 n. Chr. Die Tchin Dynastie.

Tse Yeh 1 : 1. Gedenken. Wer wird in seinem Kummer Trost nicht finden Durch den Gesang ? Wer Hunger, der ihn quält, nicht überwinden Durch Speis' und Trank ? Die Abendschatten schon herab sich senken; Am Tor ich steh'. Wie sollt ich deiner innig nicht gedenken In meinem Weh ?

2. Ausschau. Sie hält den Rock fest, dessen Faltenwogen Kein Band umschlang, Und blickt, die Augenbraun'n zusamm'gezogen Durch's Fenster lang'. Die leichte Gazekleidung sanft umweht sie, Umfließt sie lind, Und öffnet sich ein wenig, darum schmäht sie Den Frühlingswind.

Die ferne Gattin. 2 Pflaumen sieht sie blühen, Möcht' nach Hsi-tschou ziehn 3 Und die Blüten senden Nach Tchiang-pei 4 an ihn. Den orangegelben Mantel um sie tut, Glättet dann ihr Stirnhaar Schwarz wie Rabenbrut. J a , wenn sie nur wüßte, Wo dies Hsi-tschou war'. An der Liang-tchiang Brücke Sucht sie nach der Fähr'. Die Verfasserin soll in der Tchin Epoche, 265—419 n. Chr., gelebt haben. Verfasser unbekannt. Das Gedieht stammt aus der Tchin Zeit, 265—419 n. Chr. Der Ort, wo sich der Gatte aufhält. Bedeutet wohl nur die Gegend nördlich vom Yangtse. 2

Forke.



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Ach! schon sinkt die Sonne, Scheu der Würger flieht,1 Und in den Talgbäumen Singt der Wind sein Lied.2 Unter diesen Bäumen Öffnet sich die Tür, Und mit grünem Haarschmuck Tritt sie d'raus herfür.3 Steht die Tür auch offen, Bleibt ihr Mann doch aus. Rote Lotus pflücken Geht sie aus dem Haus. Pflückt am Teich im Süden. Sie zur Herbsteszeit. — Lotus überragen Menschenhäupter weit. Neigt das Haupt, um LotusKerne auszuzieh'n. — Diese Lotuskerne Sind wie Wasser grün. Packt sie in den Busen, In die Ärmel ein, Schaut tief in der Lotus Rotes Herz hinein. Ihres Gatten denkt sie, Doch der kommt noch nicht. Ein Flug wilder Gänse Kommt ihr zu Gesicht.4 Diese Gänse füllen Bald ganz Hsi-tschou an. Einen Turm besteigt sie, Späht nach ihrem Mann. Auch vom hohen Turm sie Nichts zu sehn vermag. An der Brüstung lehnt sie Wohl den ganzen Tag. 1 2 3 4

Gegen Abend fliegt der Würger. Hiermit schließt der erste Abschnitt des Gedichts. Der zweite Abschnitt beschreibt einen späteren Zeitpunkt. Hier schließt der zweite Abschnitt.



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An der Balustrade Steht sie festgebannt, Streckt dann aus die weiße Alabasterhand, Hebt empor den Vorhang. Tief der Himmel scheint, Mit des Meeres Wogen Grün sein Blau vereint. Und sie träumt vom Meere, Wie's unendlich weit; Wähnt betrübt den Gatten, Fühlt selbst Traurigkeit. Zu dem Südwind spricht sie: „Du kennst meinen Sinn. Wehe meine Träume Bis nach Hsi-tschou hin."

Die Blüte 1 . Die gelben Schlinggewächs' den Baum Umklammern und umdrängen, So daß er zu erkennen kaum. Sie wachsen an dem Ufersaum, An dem herab sie hängen. Ins Wasser eine Blüte sank. Sie ist davon geschwommen. Wie könnte sie im Wogendrang Umkehren und, wenn dies gelang, Wie einst frisch wiederkommen ?

T'ao Tch'ien 2 : Der ferne Freund. Schwirrend fliegen auf die Zweige Vor dem Haus die Vögel nieder, Ruhn mit eingezog'nen Schwingen, Singen ihre lust'gen Lieder. Habe ich nicht einen Freund auch ? An ihn denk' ich immer wieder. Ungestillt bleibt meine Sehnsucht, Und der Kummer drückt mich nieder. 1 2

Gedicht eines unbekannten Verfassers der Tchin Zeit, 265—419 n. Chr. Ursprünglich T'ao Yüan-ming genannt, 365—427 n. Chr.

2*



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Pao Tschao 1 : Die Pflaumenblüte.

Von allen Bäumen, die im Hofe stehn Den Pflaumenbaum 2 am meisten ich beklage. Und fragst du nach dem Grunde mich, ich sage: „Weil ich im Reif ihn blühen hab' gesehn." Im Reif selbst Früchte er zu treiben weiß; Er ziert den Lenz, des Hauch ihn weht gelinde. Bald fall'n die Blüten ab im kalten Winde: Er h a t vom Reif die Blüten, nicht das Eis.

Ungeduld. 3

Die Sterne schon niedergleiten, Es bleicht des Mondes Licht. 0 , sage mir bei Zeiten: Kommst oder kommst du nicht ?

Hsü Ling 4 : Stetes Gedenken.

Dein denk' ich, wenn lieblich der Frühling kam, Wein' im Traum, mein Leid will nicht schwinden. Steh' am Vorhang, am Fenster, verschlucke den Gram. Der Weidenflaum fliegt, doch kommt wieder zusamm', Sommerfäden 5 zerrissen, sich finden. Ich sähe die Blumen in Loyang gern, Doch Kansu im Schnee, der Geliebte fern! 6

Heimkehr. 7

Als die Nachricht, daß ihr Mann Heimkam', sie beglückte, Trat zum Spiegel sie heran, Daß sie neu sich schmückte. Blieb auch eine An der Wimper Spielte doch ein Auf den holden 1

Tränenspur hangen, Lächeln nur Wangen.

Hervorragender Dichter der Sung Epoche, welcher 466 n. Chr. starb. Nicht der eigentliche Pflaumenbaum, sondern ein Zierstrauch mit rosa Blüten, welcher schon im ersten Frühling, wenn es noch reift, blüht. 3 Diese Verse einer ungeduldigen Schönen sollen aus der Liang Epoche, 502 bis 557 n. Chr. stammen. 4 Hsü Ling, 507—583 n. Chr. 6 Altweibersommer. Die Einsame hofft auf Wiedervereinigung mit dem Geliebten ebenso wie sich zerrissene Sommerfäden oft wieder zusammenfinden. 6 Die Frau befindet sich im Norden und kann daher die Blumen in Loyang, Provinz Honan nicht sehen. Der Mann ist im Süden und sähe gern den Schnee in der nördlichen Provinz Kansu. ' Gedicht aus der Sui Zeit, 589—618 n. Chr. Es handelt sich um die Heimkehr eines Kriegers, die oft viele Jahre der Heimat fern blieben. 2

T'ang-Zeit 7. bis 10. Jahrhundert n. Chr.



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Wu Tch'iao 1 : Herbstausflug. Wandere in den Herbst hinein; Die Gedanken schweifen, Will mit meinem Wanderstab Durch die Wälder streifen. Kräuter samml' ich mit dem Freund, Öde Pfade schreitend, Wassernüsse8 pflücken wir, Mit dem Nachen gleitend. Abendwolken, düster schon Von den Bergen steigen, Weiden sind in Dunst gehüllt, Und die Heimchen schweigen. Doch wir leeren Glas auf Glas, Ohne heimzukehren, Bis im Dunkel wir vom Berg Klangstein Töne3 hören.

Wang Tchi4: Trunkenheit.

Es scheint mir heute in Wahrheit Benebelt alles vom Wein Und nicht auf geistige Klarheit Besonders bedacht zu sein. Ich sehe bei den Gelagen Kennt niemand die Schüchternheit. Und ich, ich sollte ertragen Als einz'ger die Nüchternheit?

Su Wei-tao5: Laternenfest6.

Das schwere Stadttor offen steht Wohl diese ganze Nacht7, Und da es in den Frühling geht,8 Grüßt nächt'ge Zauberpracht.

Wu Tch'iao, 6. und 7. Jahrh. Die eßbare Trapa bispinosa. 3 Aus irgend einem Kloster in der Nähe. 4 Wang Tchi, 6. und 7. Jahrhundert. 5 Su Wei-tao, 7. Jahrhundert. « Am 15. Tage des 1. Monats. 7 Die Bevölkerung ist die ganze Nacht auf den Beinen, deshalb bleibt das Stadttor, das sonst des Abends geschlossen wird, diese Nacht offen. 3 Mit dem 1. Monat, der etwa unserem Februar entspricht, beginnt der Frühling. 1

4



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Des Mondes blütenweißer Schein1 Weicht erst dem Frühlicht ganz. Die Sterne blicken funkelnd drein Auf den Laternenglanz. Der Jüngling auf dem Rößlein fein Den Südweg trabt entlang2, Indeß des Nachbars Töchterlein, Mit Rot sich schmückt die Wang'. Der Flöte und der Zither Klang Tönt fernher durch die Luft, Und manchem seidenen Behang Entströmt ein zarter Duft. Die Menschen stehn zusammgezwängt Da, wo ein Sänger singt, Und Wagen sind zusammgedrängt Dort, wo man kämpft und springt. Doch eh' man alles noch geschaut Und sich ergötzt genung, Verkünden Glock' und Pauke laut3 Den Tag im Tsch'ang-yang kung.4

Sung Tschi-wen5: Abstieg vom Berge. Vom Sung Berg 6 steig' ich nieder in die Flur, Gar manches denk' ich. Ich führ' ein schönes Kind und zögernd nur Die Schritte lenk' ich. Der Mond, der durch die Tannen scheint, bewahrt Dies Leuchten immer. Wann werd' lustwandeln ich in gleicher Art Bei seinem Schimmer?

1 2 3 4 6 6

A m 15. ist Vollmond. Er sieht sich zu Pferd die Illumination an. Auf dem Glocken- und Paukenturm werden die Nachtwachen angeschlagen. Name eines Palastes, so genannt nach den darin befindlichen Trauerweiden = Tsch'ang-yang. Sung Tschi-wen starb 710 n. Chr. Der mittlere der Fünf Heiligen Berge Chinas in Honan.



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Tschang Tchiu ling1: 1. Pflanzenleben. Im Frühling kommen die Blüten Der Orchideen hervor, Den Ölbaum 2 bedeckt erst im Herbste Der weiße Blütenflor. Ihr Wachsen und ihr Blühen Erfüllt sie mit Fröhlichkeit, Und für sich selber genießen Sie diese herrliche Zeit. Sie wissen nichts von den Menschen, Die leben im Walde entrückt, Und daß im Lenze das Säuseln Des Windes ihr Herz entzückt. Die Blumen und Pflanzen haben Für sich ihren eigenen Sinn Und wünschen nicht, daß nahe Die schöne Pflückerin.

2. Seit der Trennung. Seit fort mein Herr, niemals mehr Zeit gefunden Für das unfertige Gewand ich hab' 3 . Sein denkend gleiche ich dem Mond, dem runden, Des lichter Glanz von Nacht zu Nacht nimmt ab.

3. Der Wasserfall. Von dem Berge viele hundert Klafter tief die Wasser fallen. Schon aus weiter Ferne sieht man Sie als rosigen Schleier wallen, Zwischen Bäumen und Gebüschen Unaufhörlich niederfließend, Und wie aus den WTolkenhöhen Sich mit ihrem Gischt ergießend. Als ein bunter Regenbogen Drauf das Sonnenlicht erzittert; Und es braust, wie wenn's bei hellem Himmel stürmte und gewittert. 1 2 3

Tschang Tchiu-ling lebte 673—740 n. Chr. Osmanthus fragrans. Das Gewand, das die Gattin zu weben begonnen hatte.



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Üppig grünt der Berg in Farben, Die nur lebende Natur schafft; Und es strömt die Wasserfülle Nieder wie der Quell der Urkraft 1 .

Tchang Jo-hsü 2 : Mondnacht. I n dem Fluß 3 die Frühlingsfluten Ausgleich mit dem Meer erstreben, Und man sieht den hellen Mond sich Mit der Meeresflut erheben. Auf den Wellen viele tausend Meilen hell das Mondlicht flimmert. Welchen Ort am Strome gab' es, Der in seinem Glanz nicht schimmert ? In gar mannigfalt'ger Windung Fließt der Strom um blühn'de Felder, Und es fällt wie Schnee das Mondlicht Nieder auf die Blütenwälder. Durch die Luft scheint es zu rieseln Und wie Reif umherzufliegen, Auf der Sandbank, an den Dünen Nicht mehr weißer Sand zu liegen.4 Gleich gefärbt sind Strom und Himmel Und von makelloser Reine. Einsam schwebt das Rad des Mondes I n der Höh' mit bleichem Scheine. Welcher Mensch am Stromesufer Wohl zuerst den Mond erblickt hat ? Wann am Strom den ersten Menschen Wohl des Mondes Licht bestrickt hat 1 Es entstehen und vergehen Die Geschlechter seit Äonen. J a h r für J a h r vom Ufer schauten Auf den Mond Generationen. 1 2

3 1

Die Urkraft, aus welcher die Welt sich entwickelt hat, nachdem das Chaos überwunden. Tschang Jo-hsü, 7.—8. Jahrhundert, war ein Zeitgenosse des Ho Tschitschang geb. 659, des Tschang Hsü und Pao Jung, mit denen zusammen er als einer der Vier Literaten von Wu bezeichnet wurde. Es ist wohl der Yangtse gemeint, der im Frühling stark anschwillt, während auch Ebbe und Flut besonders stark sind. Im Mondschein glänzt der Sand wie Schnee.



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Wen das Licht des Mond's bescheinet An dem Strom, erfährst du schwerlich, Siehst den Strom zum Meer nur führen Seine Fluten unaufhörlich. Eine kleine, weiße Wolke Flieht, weit in die Ferne eilend. 1 Traurig steht ein Mann am Ufer, Unter grünem Ahorn weilend. Wer noch treibt zu nächt'ger Stunde In dem Strom auf kleinem Kahne ? Wo steht die, die an ihn denket, Mondbeglänzt auf dem Altane 1 Ach! der Mond bescheint den Söller, Und er weicht nicht von der Stelle, Übergießet der Verlass'nen Spiegeltisch mit seiner Helle. O, aufrollen in dem Vorhang Möchte sie des Mondes Schimmer, Reiben ihn vom Wäschesteine, Doch er kehret wieder immer. 2 Beide nur des Mondes Anblick, Doch des Freundes nicht genießen. Mit dem Mondlicht möcht' sie eilen, Den Geliebten hell umfließen. Selbst die Wildgans kann im Fluge Nicht mit fort das Mondlicht führen Noch die Fische, wenn sie tauchend, Hüpfend auf die Fluten rühren. 3 Gestern Nacht, am stillen Weiher Sie vom Fall'n der Blüten träumte; Seufzt, daß halb vorbei der Frühling, Und er heimzukehren säumte. Wie vom Strome fortgespület, Bald der Lenz sein Ende findet. Über'm Weiher steht der Mond schon, Der im Westen bald verschwindet. 1 2

3

Die Wolke gleicht dem Wanderer in der Ferne. Der Glanz des Mondes verfolgt die Verlassene überall, sie kann ihn nicht loswerden, nicht in den Fenstervorhang aufrollen, noch vom Wäschestein, auf welchen sie die Wäsche klopft, abreiben. Das Mondlicht eilt nicht fort, daher kann die Freundin nicht mit ihm zu ihrem Freund gelangen.



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Tiefer sinkt der Mond und birgt sich In des Meeres Nebelkreise. Von dem Hsiang bis hin nach Tchieh-schi 1 Scheinet endlos schier die Reise. Niemand weiß, wie viele Menschen Mit dem Monde heimwärts streben. Von des Ufers Bäumen blinkend, Macht er unser Herz erbeben. 2

Meng Hao-jan3: Erwartung. Im Am Als Die

Westen kaum die Abendsonn' Berge niedergleitet, über alle Täler schon Dunkelheit sich breitet.

Aus Tannen steigt der Kalt weht es aus den Und deutlich hört des Wie Wind und Quelle

Mond empor. Rüstern, Lauschers Ohr, flüstern.

Der Waldmann ließ die Arbeit ruhn, Ist heim schon aus dem Forste. Den ersten Schlaf die Vögel tun, Geschützt in ihrem Horste. Mein Freund versprach mir hier zu sein Zur Nacht; schon lang' ich harre Auf grün umranktem Pfad, allein Mit dir, meine Guitarre.

Wang Wei4: 1. Abschied. 0 , wie lachten heiter wir, Als wir uns gefunden! Jetzt, da du ziehst fort von hier, Kommen Tränenstunden. Traurig, daß der Abschied naht, Speisen wir gemeinsam. Ach! daß ich zur öden Stadt Bald muß kehren einsam. 1

2 3 4

Der Hsiang ist ein Nebenfluß des Yangte im Inland, in der Provinz Hunan. Tohieh-schi liegt am Meere. Der Wandrer und die verlassene Gattin sind so weit voneinander getrennt. Der Mond scheint bereits durch die Bäume und wird bald untergehen. Meng Hao-jan, 689—740 n. Chr. Wang Wei, 699—759 n. Chr.



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Es ist kalt und ferne winkt Das Gebirge gleißend. Schon die Abendsonne sinkt, Und der Strom fließt reißend. Nunmehr löset man das Tau; Fort trägt dich die Welle. Lange ich dir nach noch schau' An derselben Stelle.

2. Abend im Dorf. Dieweil im Abendsonnenschein Des Dorfes Hütten glühen, So kehren durch die Gäßchen heim Die Schafe samt den Kühen. Schon harr'n die alten Leut' im Dorf, Auf ihren Stab sich stützend, Und schauen nach den Burschen aus, Vor ihren Türen sitzend. Im Weizenfeld schreit der Fasan; Die Ähren bald sich neigen. Die Seidenraupen schlafen; 1 kahl Ist's an den Maulbeerzweigen. 2 Die Hacke auf der Schulter, stehn Die Bauern da und plaudern, Und, eh' sie auseinandergehn, Noch kurze Zeit sie zaudern. 0 , wie mir hier so wohl gefällt Die Ruhe und der Friede! Und wie es oft so schlecht bestellt, Beklage ich im Liede.

3. Im Bambushain. Im stillen Bambusdickicht, Da sitz' ich ganz allein Und spiele meine Zither, Misch' manchen Seufzer drein. 1 2

Bevor die Seidenraupen sich einspinnen, werfen sie mehrmals ihre Haut ab. Währenddessen liegen sie im Schlaf. Die Maulbeerblätter sind zum Füttern der Seidenraupen verwandt worden.



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Weil' ich im dichten Haine, So sieht die Welt mich nicht. Da naht der Mond im Glänze, Und mich bescheint sein Licht.

4. Im Walde. Auf dem öden Berg' Keine Menschenseel', Aber eine Stimm' Hört man klar und hell. In den dunkeln Wald Schlüpft ein Schatten bloß. Jetzt erscheint er klar Auf dem grünen Moos.

5. Das Kloster. Niemals hätte ich geglaubt Von des Tempels steilen Höh'n, daß Wolken ganz ihr Haupt Hüllten ein auf Meilen.1 Zwischen alten Bäumen ziehn Menschenleere Pfade; Über ferne Felspartien Tönt ein Glöcklein grade. Einer Quelle Rauschen dämpft Des Gesteines Mauer, Und den Sonnenglanz bekämpft Dunkler Fichten Schauer.Nieder sinket schon die Nacht. Bin zum Teich gegangen,2 Bänd'ge durch der Andacht Macht Meines Herzens Schlangen.3

1 2 3

Das Kloster liegt hoch am Berge, der oft von Wolken eingehüllt ist. Die Klöster haben meistens einen Teich und fließendes Wasser. Die bösen Gedanken. Der Dichter war ein gläubiger Buddhist.



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6. Die Pa-Schlucht. Durch der Pa-Schlucht Felsenmauern Tret' ich ein im Morgenschimmer. Lenz ist aus. Ich denk' noch immer An die Kaiserstadt mit Trauern. 1 An dem silberhellen Flusse Wäscht ein Mägdlein ganz alleine. Alle Vöglein im Vereine Schmettern laut zum Morgengruße. Auf dem Wasser Menschen wohnen, 2 Die im Schiff zum Markte streben. Zwischen Bergen sich erheben Brücken in der Bäume Kronen. 3 Auf die Höh'n bin ich gestiegen, Sah der Flüsse Lauf im Grunde, Und, ausspähend in der Runde, Sah ich die Gehöfte liegen. Einer andern Sprache Worte Fremd mir in den Ohren klingen. Nur die gelben Amseln singen Wie daheim an diesem Orte. 4 Lindrung hoff' ich von den Flüssen, Von den Bergen, meinem Herzen, Und daß seine Trennungsschmerzen Ihrer Schönheit weichen müssen.

7. Herbstnachtgedanken. Hier sitze ich in Einsamkeit, Betrübt, daß weiß mein Haar beschneit. Mir scheint in der Halle Leere, Als ob zweite Nachtwach' 5 schon wäre. 1 2 3 4 5

Der Dichter hat die Kaiserstadt verlassen müssen und weilt nun in der Fremde. Wie bekannt, leben viele Chinesen dauernd auf dem Wasser und halten auch auf ihren Booten Märkte ab. Hängebrücken, die namentlich in Ssetschuan und Yünnan vorkommen. Die Dialekte in den einzelnen Provinzen weichen so sehr voneinander ab, daß sie fast wie fremde Sprachen erscheinen. Die Zeit von 9—11 Uhr abends.



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Am Berge fällt mit dumpfem Schall Manch' reife Frucht im Regenfall. Es singen beim Lampenscheine Die Zirpen im Vereine. Unmöglich ich des Haares Schnee In Schwarz zurückverwandelt seh', Gerade wie Gold zu gewinnen Aus Eisen ein nutzlos Beginnen. 1 Wär's möglich, hielte ich mir gern Die Krankheit und das Alter fern. Trost kann uns die Lehre nur geben, Daß nichtiger Schein unser Leben.2

8. Zur Rückkehr des Tschao Tchien nach Japan. 3 Die riesigen Wassermassen Erscheinen unendlich schier. Des Ozeans Größe zu fassen Gen Ost, dünkt unmöglich mir. 1 2 3

Die taoistischen Alchimisten bemühten sieh vergebens mit Hilfe von Quecksilber aus Eisen Gold zu machen. Ein buddhistischer Satz. Tschao Tchien (Chökan) k a m m i t einer japanischen Gesandtschaft nach China, wo er einen Beamtenposten erhielt und m i t W a n g Wei befreundet wurde. Nach der Überschrift des Gedichts wurde er Pi-schu „Geheims e k r e t ä r " . Die chinesischen Reichsannalen berichten, daß zu Anfang der K ' a i - y ü a n Epoche 713—742 n. Chr. Schu T'ien zum zweiten Male als japanischer Gesandter nach China k a m . I n seinem Gefolge befand sich ein Attaché Tschung Man, der sich so sehr f ü r chinesische Sitten und Bildung interessierte, daß er studienhalber in China zurückblieb. Seinen N a m e n änderte er in Tschao Heng um. Dies ist Tschao Tchien. 50 J a h r e lang soll er in der H a u p t s t a d t Tch'ang-an geblieben sein, d a n n wurde er in seine H e i m a t entlassen; er zögerte aber und kehrte nicht zurück. Nach anderer Version wäre er wirklich zurückgekehrt. I m J a h r e 753 k a m eine neue japanische Tributgesandtschaft, und Tschao Heng erschien in diesem J a h r e wieder bei Hofe (als Gesandter ?). 760—761 wurde er zum Gouverneur von Tschèn-nan oder, nach anderer Quelle, von A n n a n in Kuangtung e r n a n n t . (Tchiu T'ang-schu K a p . 199a S. 24 u n d Hsin T*ang-schu K a p . 220 S. 26 v.) N a c h Tschepe: „ J a p a n s Beziehungen zu China" S. 66 wäre Tschao Heng 760 der Leiter einer japanischen Gesandtschaft gewesen, die bei Ningpo landen mußte, weil die Koreaner den nördlichen Seeweg versperrt h a t t e n . Nach japanischen von O. K ü m m e l beigebrachten Quellen ist Tschao Tchien Abe N a k a m a r o , der Keiki 2 = 716 k a u m 16jährig als A t t a c h é des Gesandten Awada Ason Mahito nach China ging, dort blieb u n d d e n N a m e n Tschao Heng a n n a h m . Als 752—53 eine japanische G e s a n d t s c h a f t u n t e r F u j i w a r a Kiyogawa an den chinesischen Hof k a m , wird ihr Nakam a r o vom chinesischen Kaiser zugeteilt. N a k a m a r o begleitet Kiyogawa nach J a p a n zurück, sie werden aber von Stürmen a n die K ü s t e von A n n a m



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Solange in China wir weilen, Ist jede Entfernung klein. Du eilst viele tausend Meilen, Wie in das Leere hinein. Zurück zur Heimat kehrst du Und nach der Sonne nur schaust. Mit vollen Segeln fährst du Und nur dem Winde vertraust. Ein schwarzes Seeungeheuer Empor taucht aus der Flut. Fischaugen sprühen Feuer Die Wellen stehn in Glut. Jenseits von Fusang umhegen Die Bäume deinen Ort. Auf ödem Eiland gelegen Erhebt dein Haus sich dort. Du wirst nach der Trennung leben Im fernen Lande allein. Und willst du auch Nachricht geben, Wer könnte dein Bote sein ?

Li T'ai-po: 1 1. Gegen die Hsiung-nu 2 . Der Yu-tschou 3 Held reitet ein Roß der Prärien, Trägt Tigerfellmütze; sein Auge ist grün. Die feindlichen Pfeile schlägt er lächelnd zur Seit'. Von zehntausend Mannen steht ihm keiner im Streit. Er trifft mit dem Bogen, den mondgleich er biegt, Die weiße Wildgans, die in Wolkenhöh' fliegt. Knallt laut er die Peitsche, zur Jagd geht es dann; Er schweift in die Ferne bis hin nach Lou-lan. 4

1 2

3 4

verschlagen und gelangen mit Mühe wieder nach China, wo Nakamaro 770 stirbt. 836 erhielt er den posthumen Rang IIa. Auch Li T'ai-po hat ein kleines Gedicht auf Tschao Tchien gemacht. Danach würde letzterer in der Nähe der Pescadoren ertrunken sein. Li T'ai-po, 698—762 n. Chr. Ein bekannter mongolischer oder türkischer Stamm, mit den Hunnen identifiziert, mit welchen die Chinesen in älterer Zeit beständig im Kriege lagen. Alte Provinz in Nordchina. Das Reich Lou-lan lag zwischen Hami und Turfan in Turkestan. 3

Forke.



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Heraus aus dem Tor, schaut er rückwärts nicht mehr. Für's Vaterland sterben, daß deucht ihn nicht schwer. Da sind die fünf Fürsten 1 der wilden Hsiung-nu, Sie wüten und morden und halten nie Ruh'. Ihr Rind und Pferd graset im Baikal-Revier. 2 Das Fleisch essen roh sie, wie reißende Tier'. Und wenn sie auch wohnen in Yen-tschi-schan's Näh', 3 So spüren doch kaum sie den eisigen Schnee. Die Mit Die Sie

Frau'n machen lächelnd zu Pferd ihren Ritt, Backen wie Schalen von rotem Nephrit. flüchtigsten Tiere ihr Pfeilschuß erlegt, taumeln im Sattel, vom Weine erregt.

Der Glanz der Plejaden 4 erstrahlt weit und breit, Da schwärmen wie Wespen die Horden zum Streit; Den blitzenden Klingen enttrieft rotes Blut. Den Sandboden färbend mit purpurner Glut. Welch' Feldherr erprobet uns führen jetzt soll! So seufzet ermattet manch' Streiter wohl. Wann endlich hört auf nur des Sirius Dräu'n, Daß Vater und Sohn sich des Friedens erfreun ?

2. Der Nordfeldzug. Wie ist der Marsch nach Norden doch quäl'- und mühevoll, Wenn das Tai-hang Gebirge man dort erklimmen soll. Ein steiler Hohlweg führet in Schlangenlinien hoch; Im Himmelsblau verlieret sich fast das Bergesjoch. Wie manchmal hat den Fuß man an einen Stein gerannt! Wie oft das Rad der Karre stieß an die Bergeswand! Zuerst nicht weit von Yu-tschou das Sandgebirg' sich zeigt. Die Reihe der Wachtfeuer bis weit nach Norden reicht. Die Mordlust von den Schwertern und Hellebarden gleißt, Zerzaust vom grimmen Nordwind manch' Kriegerkleid zerreißt. Bis an den Gelben Fluß hin zieht sich die Rebellion: Der Feind mit scharfer Wehre umlagert Loyang schon. 1

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Nach dem Tode des Beherrschers der Hsiung-nu, Schan-yü, er. 25 v.Chr. nahmen fünf Stammeshäuptlinge den Titel Schan-yü an und bekriegten sich untereinander. Die Hsiung-nu wohnten um den Bailkal-See herum. Name eines Gebirges in der Provinz Kansu. Das helle Leuchten der Plejaden und des Sirius bedeutet Krieg.



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Und weiter geht es, weiter. Wann kehret man zurück ? Gar mancher denkt der Heimat, zurückgewandt den Blick. Durch Eis und Schnee marschierend, hängt nach er seinem Schmerz. Der Klageton der Hörner, er schneidet ihm in's Herz;. Die Stücke Zeuges decken des Körpers Blöße nicht; Wie trockne Maulbeerborke zerreißt die H a u t und bricht. Man möchte Wasser schöpfen, zu tief, ach! ist die Schlucht. Nach Brennholz man vergebens auf Lößterrassen sucht. Der Tiger aufgestöret, schlägt wütend mit dem Schweif, Wild fletschend seine Zähne, weiß wie der Herbstnacht Reif. Die Bäume und die Sträucher sind aller Früchte bar; Verschmachtend schlürft die Mannschaft die Tropfen Tau sogar. Wie ist mit Qual und Leiden der Marsch gen Nord beschwert! So stöhnt der müde Kriegsmann, läßt halten sein Gefährt; Wann wird der WTeg des Kaisers geebnet wieder sein, Daß froh wir friedlich schauen den Himmel klar und rein 1

3. Kampflieder. I. Am T'ien-schan hält der Schnee noch an Im fünften Mond, kein Blümlein kann Im eis'gen Frost erstehen. Wohl spielt man auf der Flöte schon Das „Weidenlied"; von Frühlingswonn' Ist keine Spur zu sehen. Früh ruft die Pauke auf zur Schlacht, Man muß im Schlafe selbst bei Nacht Im Arm den Sattel halten. O, könnt ich aus der Scheide gleich Das Schwert ziehn und mit einem Streich Fürst Lou-lan's 1 H a u p t zerspalten. II. Der Gobi Feuerzeichen Glast Flammt auf; bis zum Kan-tch'üan Palast 2 Die Wolken davon glühen. Auf springt der Kaiser, greift zum Schwert, Heißt Li-kuang 3 , seinen Feldherrn wert, Zur Feldschlacht auszuziehen. 1

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Ein Staat in Turkestan, welcher das Vordringen Chinas in Zentralasien verhinderte, worauf Kaiser Tschao-ti, 77 v. Chr., den Fürsten von Loulan durch einen Gesandten, Fu Tchieh-tse hinterrücks ermorden ließ. Fu Tchieh-tse überbrachte dem Kaiser das abgeschlagene Haupt des Fürsten und wurde dafür in den Grafenstand erhoben. Der Palast lag in der Nähe der alten Kaiserstadt Tsch'ang-an (Hsi-an-fu). Ein berühmter Feldherr unter den Han-Kaisern Wen-ti, 179—156 v. Chr., und Wu-ti, 140—86 v. Chr., besiegte die Hsiung-nu in über 70 Schlachten. 3*



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Der Kampfruf sich zum Himmel hebt, Vom Paukenschlag die Erde bebt, Daß sich der Drache reget. Dem Feindestrotz ein Ende macht Der Krieger Mut: die erste Schlacht H a t ihn hinweggefeget. III. I n den öden Nordgefilden Lagern der Barbaren Scharen. Es entsenden die Plejaden Ihren Glanz, den leuchtend klaren. 1 Eingegang'ne Eil-Erlasse Meldeten die Schreckensnachricht. Hell die Flammenzeichen lodern, Sie erlöschen Nacht und Tag nicht. Mit dem Bambuszeichen 2 eilt man, Um das Grenzland zu befreien Aus des Feind's Gewalt; Kriegswagen Fahren auf in dichten Reihen. Und nicht länger ruhig sitzen Auf der Matte mag der Feldherr. Heftig fühlt sein Herz er schlagen; In der Hand den Schwertknauf hält er. Fortgeschoben an den Rädern Rollt des kühnen Führers Wagen. Fahnen und Standarten werden Auf das Schlachtgefild getragen. Es durchtobt die sandige Wüste Gobi wildes Schlachtgetümmel; Mordgeschrei und Kampfeswüten Dringt empor zum blauen Himmel. Unterhalb des „Roten Berges" 3 Sind die Truppen aufmarschieret, Und der Fuß der großen Mauer Durch Feldlager wird flankieret. 1 2

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Das helle Leuchten der Plejaden bedeutet Krieg. Der in den Krieg ziehende Feldherr erhielt vom Kaiser ein abgebrochenes Stück von einem Bambustäfeichen, auf welchem ein Tiger abgebildet war. Der Überbringer neuer Befehle des Kaisers mußte das andere Stück, welches beim Kaiser blieb, vorzeigen und der Feldherr konstatierte dadurch, daß er beide Stücke aneinander paßte, ob der Befehl wirklich vom Kaiser war. Berg in der Mongolei, einige tausend Li nordwestlich von Liaotung.



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Bei der starren Winterkälte Wild die Sandstürme sich hetzen. Von Standarten und Panieren Hängt das Zeug herab in Fetzen. Weithin durch die Mondnacht tönen Hörner laut mit dumpfen Klängen. I n der Kriegerkleider Falten Bleibt der weiße Nachtreif hängen. Mit dem Schwerthieb trennt vom Rumpfe Man das H a u p t dem Lou-lan König, 1 Durch den Pfeil vom krummen Bogen Fall'n der Häuptlinge nicht wenig. Röchelnd liegen hingestrecket Viele Khane der Barbaren. Da ergreift die Furcht die andern, Es entfliehen ihre Scharen. An den Sohn des Himmels sendet Eilig man die Siegeskunde, Heim nach Hsien-yang 2 geht's, es tönet Froher Sang von Mund zu Munde.

4. Nach der Schlacht. Frisch sattelt man den Braunen itzt, Manch heller Stein am Sattel blitzt. Nur der frostige Mondstrahl noch Wacht hält In der Nacht nach dem Kampf auf dem Schlachtfeld. Wie Donner von den Mauerhöh'n Tönt Pauken- und das Gonggedröhn. In den Scheiden die Schwerter schon stecken, Die noch blutige Tropfen beflecken.

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Vergl. Anm. zum 1. Kampflied. Hier ist der Ausdruck nur bildlich gemeint, denn der Lou-lan Fürst fiel in Wirklichkeit nicht in offener Schlacht, sondern wurde vom chinesischen Gesandten Fu Tchieh-tse bei einem Bankett trunken gemacht und dann ermordet. Stadt nahe dem alten Tseh'ang-an in Schensi.



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5. Elend des Krieges. 1 Letztes J a h r kämpfte man An der Quelle des Sang-kan, 2 Dieses J a h r aber ficht Man am Ufer des Ts'ung Fluß. 3 I n den Well'n des T'iao-tschi 4 Sees Wäscht von Blut man rein die Waffen, Und man läßt die Rosse streifen Auf T'ien-schan's beschneiten Almen. Zehntausend Li weit Wogt und tost der Kampf, Und drei Heere sind Schon zertrümmert. Mit Sengen und Morden bestell'n die Hsiung-nu ihr Feld, Die gelbe Sandwüste, Mit weißen Totenknochen besät; Seit Alters haben sie's nie anders gekannt. Gegen die Mongolen baute Das Haus Tch'in die Große Mauer, Auf den Wachttürmen entfachte Das Haus H a n die Signalfeuer. Nie erlischt die Glut Und nie ruht der Kampf. Auf dem Schlachtfeld sinkt, Zerstochen und zerhau'n, Mancher Krieger hin. Das zu Tode getroffene Roß Stößt zum Himmel seinen Schrei. Von der Brust der Leichen reißen Rabe und Sperber das Fleisch, Es im Schnabel haltend, fliegen Sie auf einen dürren Ast. Still im Grase ruhn Schon die Streiter all', Und der Feldherr steht J e t z t vereinsamt da. All dieses Elend bringt uns, ach! Das Schwert allein, das Mordwerkzeug. Drum greift danach der heilige Mann Nur in der allergrößten Not. 1 2 3 4

Das Gedicht ist in rhythmischer Prosa geschrieben. Fluß in Schansi. Fluß entspringend auf dem Ts'ung-ling Gebirge. See in Turkestan.



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6. Der fahrende Ritter.1 Ein Barett mit strupp'gem Busche Zwar der Tschao Held 2 nur besitzet; Doch wie Reif und Schnee so leuchtend Sein gekrümmtes Wu 3 Schwert blitzet. Mit dem Sattel silberstrotzend Sattelt er den prächt'gen Schimmel; Fliegt dahin mit Blitzesschnelle Wie die Sternschnuppe am Himmel. Zehn Schritt vorwärts, und schon hat er Tötlich einen Mann getroffen. Darum steht auf tausend Meilen Jeder Weg ihm frei und offen. Vom Gewand den Staub er schüttelt Nach dem Kampf, um zu verschwinden. Seine Spur, ja selbst sein Name, Ist so leicht nicht aufzufinden. Mit Hsin-ling4 in Mußestunden Er ein Glas zu leeren pfleget. Vorn quer über seine Kniee Er dabei den Degen leget. Öfter mit Tschu-hai zusammen Läßt er nieder sich zum Mahle, Oder trinkt dem Freunde Hou-ying 5 Zu aus seinem Weinpokale. Hat drei Gläser er getrunken Auf's gegebene Versprechen, Würd er eher die fünf heil'gen Berge6 stürzen, als es brechen.

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Wörtlich „Der fahrende Gast", „Yu-k'o", der Typus einer Klasse von Kriegern aus der chinesischen Feudalzeit, welche, wie unsere fahrenden Ritter, auf Kampf und Abenteuer auszogen. Aus dem Königreiche Tschao. Ein Feudalstaat in der jetzigen Provinz Kiangsu. Prinz von Wei, gest. 244 v. Chr. Gefolgsleute des Hsin-ling. Der T'ai-schan, Heng-schan, Hua-schan, Heng-schan und Sung-schan in den Provinzen Schantung, Hunan, Schensi, Tschili und Honan.



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Wenn's ihm flimmert vor den Augen Und die Wangen glühn vom Weine, Wird der Ausfluß seines kühnen Geist's zu einem Glorienscheine.1 Ein Schlag seines Eisenhammers — Und der Tschao Staat Rettung findet. Lange währt es, eh' in Han-tan Schreck und Staunen man verwindet. 2 Zwei der Helden dieses Schlages Sind es, die nach tausend Jahren Noch den Ruhm glorreicher Taten In der Stadt Ta-liang3 bewahren. Weihrauch bringt man den Gebeinen, Ob sie gleich längst sind begraben, Vor den Großen dieser Tage Sie sich nicht zu schämen haben. Möchte niemand doch vertrauern In der Bücherei sein Leben Und sich nicht mit weißen Haaren Noch dem T'ai-hsüan-tching4 ergeben.

7. Der Jäger. Nie hält der Grenzstadt Sprosse Im Leben ein Buch in der Hand; Doch auf der Jagd zu Rosse, Da ist er flink und gewandt. Dem Roß kommt der Herbst zu statten, Es nährt sich vom Gras der Prärien. Wenn sein Huf im Galopp stampft den Schatten, Wie reitet er stolz dahin! 1

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Wörtlich „weißer Regenbogen", ein etwas kühnes Bild, welches uns weniger befremden würde, wenn es von einem Priester in E x t a s e geb r a u c h t würde. Die Anspielung bezieht sich auf die Entsetzung der durch Truppen des Königs von Tchin belagerten H a u p t s t a d t von Tschao, H a n - t a n durch Hsinling (im J a h r e 260 v. Chr.). Sein königlicher Bruder, welcher Tschao ein Heer zur Hilfe geschickt h a t t e , wollte es aus F u r c h t vor der Macht von Tchin nicht in den Kampf eingreifen lassen, als Hsin-ling den Oberbefehl über das Heer von Wei an sich riß, indem er den kommandierenden General durch seinen Getreuen Tschu-hai mit einem Eisenhammer zu Boden schmettern ließ und darauf d a s Heer zum Siege f ü h r t e . Hsin-ling u n d Tschu-hai in Ta-liang, der H a u p t s t a d t von Wei. D a s Werk des Philosophen Yang-hsiung 33 v. bis 18 n. Chr., welcher vom Dichter als Typus eines Stubengelehrten hingestellt wird, der noch als Greis beständig hinter einem Vorhang sitzend studierte.



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Mit güld'ner Peitsche streift er Den Schnee; es knappt die Schnur. Halb trunken dem Falken pfeift er Und führt ihn auf die Flur. Umsonst nicht den Bogen er schießet, Den mondrund gekrümmten, ab: Auf einen Pfeil gespießet Zwei Kraniche sinken herab. Wenn Leute am Meeresstrande Ihn sehen, geben sie Raum. Sein Ruhm durcheilt alle Lande, Bis an der Gobi 1 Saum. Nie kommen die Doktoren Dem kühnen Jäger gleich. Weshalb sich in Bücher verbohren, Wenn schon das Haar wird bleich!

8. Die Jagd. Von des Präfekten Trefflichkeit Und Macht rühmt viel man weit und breit. Zur Mußezeit am Nachmittag Stellt er mit Lust dem Wilde nach. Dann fliegt auf sand'ger Uferbank Sein Jagdroß schnell am Fluß entlang. Rings auf den Höh'n der Feuerschein Scheucht auf das Wild und schließt es ein. Sein Pfeil herab den Wildschwan bringt, Der aus den Wolken niedersinkt. Sein Falke kühn empor sich hebt, Mondhasen er entgegenstrebt. 2 Und eh' er Bereits das Ncfch kurze Froh kehrt 1 2

sich's noch recht versieht, Tageslicht entflieht. Zeit, so ist es Nacht; er heim dann von der Jagd.

Die Wüste Gobi in der Mongolei. Der Falke, der namentlich zur Hasenjagd verwandt wird, fliegt so hoch in die Luft, als wollte er sich auf den Hasen im Monde stürzen.



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9. Die Kameraden. Mein Kamerad hat ein falbes Pferd, Ein weißes Roß nenn' mein ich. Ist auch unserer Tiere Farbe nicht gleich, So sind uns're Herzen doch einig. Wir haben zusammen gar manchen Ritt Gemacht wohl in der Runde, Und auf der Straße nach Loyang hin Wir traben zu dieser Stunde. Wie unser langes Schwert so hell Im Sonnenscheine flimmert! Und auf dem Haupte das hohe Barett So rötlich im Lichte schimmert! Wir tragen beide einen Pelz, Er ist der allerbeste. Bei allen Fürsten und Herr'n sind wir Stets gern geseh'ne Gäste. Gleichwie in Gruben und Fallen stürzt Nicht selten der wilde Tiger, So wird getrieben auch in die Eng' Gar häufig der kühne Krieger. Den Freund erkennt man zu Zeiten erst Der Not und des Mißgeschickes. Was nützet die Freundschaft, welche nur währt Die heiteren Tage des Glückes!

10. Geleit. Wo Berge grün die Stadt umziehn, Non Norden her umschließen, Und an der Oststadtmauer hin Die weißen Wasser fließen, Dort vor dem Tore ist der Ort Des Scheidens uns bereitet. Du schweifst in weite Ferne fort, Von nun an unbegleitet. Dein Sinn leicht wie die Wolke scheint, Da dir die Ferne winket, Dieweil daheim das Herz dem Freund, Gleichwie die Sonne sinket.



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Ein Händedruck noch, mein Genoß, E h ' wir uns trennen müssen! Mit lautem Wiehern scheint dein R o ß . Zum Abschied mich zu grüßen.

11. Ins Wirtshaus.

Am Goldmarkt 1 im Osten Man Knaben erblickt Auf Schimmeln; die Sättel Sind silberbestickt. Im Lenzwind sie mitten Durch Blütenschnee ritten. Wo kehret die lust'ge Gesellschaft wohl ein ? Zur Kellnerin geht es Ins Wirtshaus hinein.

12. Aufforderung zum Trinken. Willst du von mir beraten sein, Weis' nicht zurück den Becher Wein. Sieh! wie der Frühlingshauch erwacht, Den Menschen froh entgegen lacht! Der Wie Der Und

Pflaum- und Pfirsichbaum er schaut alte Freund' uns an so traut. Blütenzweig sich niederneigt uns die offnen Blüten zeigt.

Es tönen aus der Bäume Grün Der flücht'gen Sänger Melodien, Und in den gold'nen Weinpokal Blickt tief der helle Mondesstrahl. Der Jüngling, dessen Antlitz noch Bislang ein frisches Rot durchflog, E r wandelt heute schon geneigt, Vom Alter scheint sein H a u p t gebleicht. Mit Disteln sind bedeckt jetzt all' Die Stufen vor des Schi-hu 2 Hall'. Es halten im Ku-su Palast 3 J e t z t nur noch Reh' und Hirsche Rast. 1 2 3

Eine Örtlichkeit in Loyang. Personenname. Schi-hu gab seinen Freunden ein Gastmahl in einem alten Palast und fand dabei, daß er ganz mit Disteln bewachsen war. Im heutigen Sutschou.



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Dort, wo gethront seit alter Zeit Gar manches Kaisers Herrlichkeit, Die gelbe Erde lang schon hat Ganz ausgefüllt das Tor der Stadt. Willst wirklich du nicht trinken mehr 0 Freund, hier diesen Becher leer? Bedenke wohl, wo sind zur Zeit Die Menschen der Vergangenheit! 1

13. Trinklieder. I. Ich sitze in einem Blütenhain, Vor mir voll Wein eine Kann', Ich muß ihn trinken für mich allein, Denn es fehlt mir ein Zechkumpan. Wohlan! ich hebe den Becher empor Und lade den Mond mir ein. Sieh da! Dort kommt auch mein Schatten hervor. Hallo'! jetzt sind wir zu drei'n. Allein mein lieber Freund der Mond Versteht sich auf's Trinken nur schwach, Mein Schatten hingegen ist's besser gewohnt, Er t u t es in allem mir nach. Sobald ich ein wenig berauscht vom Wein, Der Mond den Schatten mir bringt. Drum will ich heiter und fröhlich sein, Da hold mir der Frühling winkt. Kaum laß ich ertönen meinen Gesang, So wiegt sich der Mond hin und her, Und jedesmal, wenn ich zu tanzen anfang', So hüpft auch mein Schatten umher. Wir halten zusammen fröhliche Zech', Solang wir noch nüchtern sind, Doch geht ein jeder den eigenen Weg, Sobald erst der Rausch beginnt. Wir können nicht immer beisammen sein: Möcht wandern nicht früh noch spat. Drum sei unser nächstes Stelldichein, Wenn der Mond der Milchstraße naht. 1

Der Gedanke an die Kürze des Lebens soll zum frohen Genuß desselben anspornen.



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II. Wenn nicht der hohe Himmel Dem Weine war' ergeben, Könnt es im Sterngewimmel Ein „Weingestirn" 1 nicht geben. Wenn nicht die Erd' desgleichen Vom Weine gerne schlürfte, Es auch in ihren Reichen Nicht „Weinquell'n 2 geben dürfte. Da Erd und Himmel beide Am Weine sich erfreuen, Woll'n wir der Weinesfreude Vor'm Himmel uns nicht scheuen. Die Heiligkeit erreichet, Wer klaren Wein zecht, hör ich; Und einem Weisen gleichet, Wer trüben trinkt gehörig. 3 Wenn so den Wein verehren Die heil'gen weisen Meister, Was könnt' ihnen gewähren Die Hilfe noch der Geister ? Uns Den Ein Nur

weist der dritte Becher „Großen Weg" zu wandeln: Kübel lehrt den Zecher noch spontan zu handeln. 4

Allein, was wir auch immer Im Weine mögen schmecken, Wir wollen es doch nimmer Den Nüchternen entdecken. III. Hsien-yang 5 beginnt zu blühen Zur holden Zeit der Maien: Viel tausend Blumen glühen Wie Seidenstickereien. 1 2

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Ein aus drei Sternen bestehendes Sternbild. Tchiu-tch'üan, „Weinquelle" war der Name einer Stadt in Kansu unter der Han-Dynastie. Dieselbe soll ihren Namen nach einer Quelle erhalten haben, deren Wasser wie Wein schmeckte. Acht berühmte Weintrinker der T'ang Zeit, darunter auch Li T'ai-po, wurden später als die acht Genien des Weins gefeiert. Eine Anspielung auf die Lehre der Taoisten, bei denen die schwer definierbaren Begriffe Tao „Weg" (Lehre) und die Spontaneität im Handeln eine große Rolle spielen. Stadt in der Provinz Schensi.



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Wer bleibt in diesen Tagen Des Lenz in Schmerz versunken ? Jetzt heißt's, bei froh'n Gelagen Vom Weine frisch getrunken! Mühsale, Glück und Frieden Auch kurz' und langes Leben: Es wird uns all'n hienieden Vom Schicksal nur gegeben. Ein Humpen voll! — dann achtet Man gleich: tot und lebendig, Die Dinge man betrachtet Als einerlei vollständig. Wenn man Dann hört Von dieser R u h t man

berauscht. vom Weine, man auf zu wissen Welt; alleine auf seinem Kissen.

Zum höchsten Glück erlesen Ist man, wenn man verlieret Die Ahnung, daß als Wesen Man selber existieret. IV. Wenn tausendfach auch die Sorgen sind, Und drücken sie noch so schwer, Man trinke dreihundert Becher geschwind, Dann fühlt man sie nicht mehr. So groß auch immer der Sorgen Zahl Und wenig dagegen der Wein, Sobald man hat geleert den Pokal, Stellt keine Sorge sich ein. Daran gerade erkennt man so recht, Daß der Wein etwas Heil'ges sei: Er macht, sobald man genügend gezecht, Die Seele klar und frei. Einst starben in Schou-yang den Hungertod Die Freunde Pao-schu und Kuan-yi. 1 Gar häufig darbte um's tägliche Brot Einsam der berühmte Yen-hui. 2 1 2

Ein berühmtes Freundespaar, wie Dämon und Pythias. Der Lieblingsschüler des Konfuzius.



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Es haben die Weisen im Altertum Sich nicht am Trinken ergötzt, Erwarben statt dessen eitelen Ruhm; Was nützet er ihnen jetzt! Aus den Krebsscheren 1 wir saugen woll'n Den goldenen Lebenssaft, 2 Die Hefenberge erscheinen uns soll'n Als elysische Berglandschaft. Wohlauf, ihr Freunde, schenkt euch ein Von des Weines herrlichem Naß. Wir trinken uns dann im Mondenschein Einen Rausch auf hoher Terrass'. V. Wißt, Freunde, ihr nicht, Daß das Wasser des Gelben Flusses, entströmend himmlischen Höhen, Sobald es einmal in's Meer sich ergossen, niemals zurückkehrt ? Glaubt, Freunde, ihr nicht, Daß die Väter ihr weißes Haar wehmütig im Spiegel betrachten, Das am Lebensmorgen wie schwarze Seide, am Abend wie Schnee ist ? Wissend, daß vergänglich alles, Kostet darum, wer verständig, Von der Freude bis zur Neige, Und er läßt niemals die Becher Leer im Mondenscheine glitzern. Die vom Himmel mir verlieh'nen Gaben will ich auch benutzen: Sind die Gelder all' verflogen, Werden sie schon wieder kommen. Freunde laßt uns fröhlich sein! Einen Hammel woll'n wir braten, Einen Ochsen dazu schlachten, Denn wir müssen noch dreihundert Becher Wein zusammen leeren. T'sen Fu-tse und Tan T'chiu-scheng, 3 Bitte, merket auf, ich will Euch ein Liedchen singen. Still! 1 2 3

Krebse werden zum Wein gegessen. „Goldsaft" ist eine Bezeichnung für das Lebenselixier der Taoisten. Zwei Freunde des Dichters.



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Wisset, jeder brave Mann Hält niemals im Trinken an, Möchte immer trunken sein, Nüchternheit deucht ihm nicht fein. Beim Gelage lauscht sein Ohr Paukenschlag und Glockenspiel, Was man setzt an Speisen vor, Keine kostet ihm zu viel. Weise aus dem Altertum, Heute sind sie kalt und stumm; Nur wer tüchtig trinken kunnt', Ist noch jetzt in aller Mund. T'sao 1 war so ein Fürst gar fein, Hielt Gelag im P c ing-lo Schloß, Allwo man der Kübel Wein Tausende hinuntergoß. Sagt der Wirt, das Geld sei aus. Gleich schick' er den Knaben raus, Wein zu kaufen für die Herr'n! Meinen Schecken geb' ich gern, Tausend-Gülden-Pelz sogar Tausche gern ich für den Wein. Laßt uns trinken immerdar, Spülen uns von Sorgen rein.

14. Beim Wein. Der Frühlingswind im Ost sich regt Und schnell vorübersäuselt, Im gold'nen Becher leicht bewegt, Der klare Wein sich kräuselt. Der Blüten weht herab der Wind Gar viele, die verblühet. Halb trunken ist das schöne Kind, Vom Wein die Wange glühet. Wie lang' wird Pflaum- und Pfirsichbaum Noch vor dem Fenster prangen ? Der flücht'ge Glanz, ein kurzer Traum, Wie bald ist er vergangen. 1

Der Dichter T*sao-tschi, 233 n. Chr. von seinem Bruder, dem ersten WeiKaiser, zum Fürsten von Tschen erhoben.



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Wohlauf zum Tanz! Die Sonne sinkt. Wer nicht in jungen Jahren Die Freude bis zur Neige trinkt, Vergebens einst die Hände ringt Mit seidenweißen Haaren.

15. Ein Gleiches. Horch die Zither, die in Lung-men1 Ward aus Wutung Holz geschaffen. Voll des klarsten Wein's erscheinen Leer2 die prächtigen Karaffen. In die Saiten greift die Schöne, Die ringsum den Wein kredenzet. In Smaragd verschwimmt das Rot ihr,3 Purpurn ihre Wange glänzet. Eine lieblich holde Blume Sieht die Kellnerin man stehen, Wenn sie hinter'm Schanktisch lächelt, Ist's wie lindes Frühlings wehen. Tanz im leichten Gazeflore! Lächelnd mild gleich Frühlingswehen! Willst du, Freund, bevor du trunken, Wirklich schon von dannen gehen?

16. Im Rausch. Da unser ganzes Leben Nichts ist als ein großer Traum, Weshalb dem Hasten und Streben D'rin geben so großen Raum ? Den ganzen Tag drum trink' ich, Berausche mich im Wein, Und endlich nieder sink' ich Und schlaf' auf der Schwelle ein.

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Lung-men, Ort berühmt wegen seines guten Holzes. So klar ist der Wein. Die Sängerin kann im Rausche die Farben nicht mehr unterscheiden. 4

Forke.



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Bei meinem Erwachen am Morgen Schau' ich vor dem Haus umher. Im Busch, zwischen Blüten verborgen, Ein Vöglein ich singen hör'! Ich richte daran die Frage, In welcher Zeit wir denn sei'n. Es sagt: „Es sind Maientage, Da zwitschern die Vögelein." Die Kunde drückt mich nieder, Ich möchte seufzen wohl, Doch greif ich zum Weine wieder, Schenk' einen Becher mir voll. Ich trink' und sing' meine Lieder, Bis daß der Mond sich zeigt, Das Lied verstummt, und wieder Bewußtsein mir entweicht.

17. An den Mond. Um welche Stund' muß aufgeh'n Der Mond am klaren Tag ? Ich setze nieder den Becher Und frage den Mond danach. Wie kommt's, wenn man nach ihm greifet, Daß niemand erhaschen ihn kann, Folgt doch der Mond dem Menschen Beständig auf seiner Bahn. Er schwebt wie ein weißer Spiegel Am Purpurpalaste empor; Die grünlichen Nebel zerrinnen, Und leuchtend tritt er hervor. Man sieht ihn, wie er am Abend Empor aus dem Meere steigt. Wie kommt es, daß er am Morgen In Wolken verborgen entweicht ? Der weiße Mondhase 1 stampfet In Herbstnacht Ambrosia. Im Mond lebt auch Tsch'ang-ngo 2 einsam. Wer ist wohl ihr Nachbar da i 1

Die chinesische Mythologie kennt wie die indische einen Hasen im Mond. Im Dienst der taoistischen Genien stampft er die zum Lebenselixier nötigen Ingredienzen. 2 Die Mondgöttin.



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Den Mond der alten Zeit kennen Die Leute von heute nicht, Doch hat schon der heut'ge beschienen Die Alten mit seinem Licht. Gleich Wasser zerrinnt und fließet So alte wie Neuzeit vorbei. Es schauen alle zum Mond auf, Dem alten, der ewig neu. Mein Wunsch, darum ist, daß, solange Gesang noch erfreut mich und Wein, Noch manchmal das Mondenlicht falle In die gold'nen Pokale hinein.

18. Das Rebhuhn. 1 Der Gipfel des K c u-tschu Bergs 2 verklärt I m Herbstmondglanze lieget. Herab auf ein Zweiglein am Südabhang Ein Rebhuhn niederflieget. Mit einer Wildgans der Mongolei Ist es vermählet worden. „Mein Gatte", so klagt es, „möchte mich fort Nach Yen-men führen gen Norden". „Allein ich habe vom Goldfasan Und Tatarenfasan vernommen, Wie oft durch Vögel des Nordens schon Südvögel in's Unglück gekommen". „Die grimmige Kälte im Norden soll Wie Schwert- und Lanzenstich brennen. Am Ts'ang-wu Berg 3 will ich mein Nestchen bau'n, Vermag mich davon nicht zu trennen". „Zu sterben lieber als fortzuziehn Von meiner Heimat, schwör' ich". So klagt das Rebhuhn in seiner Angst Und weinet unaufhörlich. 1

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Zur Han Zeit wurden öfter chinesische Prinzessinnen an Tatarenhäuptlinge verheiratet, welche man dadurch zu Freunden des chinesischen Reiches machen wollte, um vor ihren beständigen Angriffen sicher zu sein. Das Gedicht schildert die Empfindungen einer auf diese Weise dem Staatsinteresse geopferten Chinesin. In der Provinz Kiangsu. In der Provinz Hunan bei Tsch'ang-scha-fu. 4*



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19. Im Tschao-yang Palast, 1 I.

Zarte Blätter, goldig gelbe, Von den Weiden niederhangen. Wie mit duft'gem Schnee bedecket Birnbaumzweig' in Blüte prangen. Zwei Eisvögel 2 , Weib und Männlein, Kosen in dem Prunksaal dorten, Hinter einem Yüan-yang Pärchen Schloß die Goldhall' ihre Pforten. 3 Auserwählte, schöne Mädchen Aus den Kemenaten schreiten, Lieder trällernd, um des Kaisers Galawagen zu begleiten. Eine ist's, die über alle Andern stolz das H a u p t erhebet: Tschao Fei-yen 1 im Tschao-yang Schlosse, Die gleich einer Schwalbe schwebet. II. Auf des Parkes Bäumen ruhet Wiederum die Frühlingssonne. In des Kaisers Goldpalaste Herrschet eitel Lust und Wonne. Hinten in des Harems Räumen Will es immer noch nicht tagen, Denn des Nachts kam vorgefahren Dort der kaiserliche Wagen. Zwischen Blumen Stimmen flüstern; Lachen tönt aus jenem Zimmer. Eine Schöne stimmt ein Lied an, Und sie singt beim Kerzenschimmer. 1 2

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Das Tschao-yang-kung ist ein durch seine Pracht berühmter Palast zur Han-Zeit. Wie bei den Griechen und Römern sind die Eisvögel (alcyon) auch für die Chinesen Sinnbild treuer Liebe. Man vgl. Ovid, Metamorphosen X I , 410 fg. Ceyx und Alcyone. Viel häufiger werden allerdings von chinesischen Dichtern die Mandarinenten Yüan-yang besungen. Der ganze Vers ist bildlich von Liebespaaren zu verstehen. Berühmte Favoritin des Han-Kaisers Tscheng-ti, welcher Tschao Fei-yen im Jahre 16 v. Chr. zur Kaiserin machte.



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Mond was willst mit deinem Lichte Du schon jetzt von hinnen eilen ? Möge doch die Mondesgöttin, 1 Bis sie trunken, noch verweilen! III. In's Serail der laue Wind dringt, Leicht gewürzet mit Aromen, Rötlich ist die Fenstergaze In der Morgensonn' erglommen. Üpp'ge Blumen Hold der Sonn' An des Teiches Spürt man der

im Palaste entgegen lachen. Wasserpflanzen Natur Erwachen.

Aus der Bäume grünen Zweigen Höret man der Vöglein Lieder. Auf dem blauen Söller schweben Frau'n im Tanze auf und nieder. Dieser Monat, wenn in Tschao-yang Pflaum- und Pfirsichbaum sich schmücket, Ist's, wo hinterm Seidenvorhang Liebend Herz an Herz sich drücket. IV. Pflaumenbaum von seinen Schultern Hat den kalten Schnee geschüttelt, Und der junge Frühlingswind schon An den Weidenzweigen rüttelt. Mangovögel im Palaste Singen trunk'ne Liebeslieder, Leicht entlang am Dachgesimse, Zwitschernd fliegt die Schwalbe wieder. Von dem Licht der Abendsonne Wird ein Festgelag' beschienen; Mit dem Blumenflor wetteifert Heut' der Flor der Tänzerinnen. Abmarschiert die buntgeschmückte Garde schon, dieweil es dunkelt. Lang noch schwelgt man im Palaste, Der im Glanz der Lichter funkelt. 1

N a c h chinesischer Mythologie lebt auf dem Monde die Göttin Tsch'ang-ngo.



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20. Maku. 1 Zu einer schönen Nymphenmaid Ich mich in Lieb' verzehre. Ach! sie wohnet im Osten weit, Jenseits vom grünen Meere. Kalt ist die öde See, es stürmt; Weiße schäumende Wellen, Bergeshoch aufeinander getürmt An P'eng-hu's2 Ufern zerschellen. Hoch der Walfisch das Wasser bläst, Kein Schiff wagt sich hinüber. Halte die Hand auf's Herz gepreßt, 'S fließen die Augen mir über. Kommt vom Westen ein Vogel blau,3 Ostwärts gerichtet die Schwingen, Einen Brief ich ihm anvertrau', Soll ihn an Maku bringen.

21. Der König von Wu. Auf dem Kusu Palast geht ein Rabe zur Ruh', In dem Schloß mit Hsi-schi schwelgt der König von Wu. 4 Schaut den Tanzenden zu und den Sängern er lauscht; Die Königin ist schon vom Weine berauscht. Halb verschlingt bald der bläuliche Berg die Sonn', Der König noch schwelget in Freude und Wonn'. Aus goldener Uhr mit silbernem Pfeil Das Wasser rinnet und rinnet die Weil. Wohlan! seht den herbstlichen Mond, den hell'n, Auch er versinkt in des Stromes Well'n. Im Osten schon kehret die Sonne zurück. Und was bleibt dem König von alle dem Glück ? 1 2 3

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Maku ist eine taoistische Göttin von wunderbarer Schönheit, Schwester des Astrologen Wang Fang-p'ing. Feng-hu oder Keng-lai: Die Insel der Seligen. Zwei bläuliehe Vögel flogen zu beiden Seiten der auf dem K'un-lun Gebirge lebenden Göttin Hsi Wang-mu, als dieselbe den Han-Kaiser Wu-ti, 140—86 v. Chr. besuchte. Durch seine wahnsinnige Leidenschaft zu der schönen Hsi-schi verlor Fu-tschai, König von Wu, sein Reich. Im Jahre 473 v. Chr., v o m König von Yüeh besiegt, nahm er sich selbst das Leben.



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22. Der Rabe. Wo am Ende der Stadt sich der Staub erhebt, Zu gelben Wolken geballet, Heimkehrend zum Horste ein Rabe schwebt: „Kra, kra" von den Zweigen es schallet. Am Webstuhl webt ein Brokatgewand Dort eine Tch'in-tchuan 1 Schöne; Ein grüner Flor vor das Fenster gespannt, Wie ein Nebel dämpfet die Töne. Sie hält's Schifflein an bei des Raben Schrei'n, Denkt des fernen Gemahls mit Sehnen; Im öden Zimmer ruht nachts sie allein Und weint die bittersten Tränen.

23. Im Kahn. Auf Die Wo Ein

grünen Weiher Herbstsonn' blickt, weiße Froschbiß2 Rud'rer pflückt.

Die Lotos schauen Wie kosend ihn an. Zum Tod betrübt ist Der Mann im Kahn.

24. Mondschein. 3 Vor meinem Bett liegt Ein Mondschein Streif, Als war' der Boden Bedeckt mit Reif. 1 2 3

Eine S t a d t in Schensi. Hydroeharis morsus ranae. Sehr charakteristisch ist die K r i t i k eines chinesischen K o m m e n t a t o r s zu diesem Gedichtchen, welche wir den „Poésies de l'époque des T h a n g " des Marquis d'Hervey Saint-Denys, S. 45, entnehmen. Sie zeigt uns, was Chinesen alles zwischeu den Zeilen zu lesen und hinzuzudenken pflegen. „Li T a i - p o " , sagt der K o m m e n t a t o r , „zeichnet sich in diesem Gedicht durch außerordentliche Kürze, Klarheit u n d Natürlichkeit aus. Durch diese Natürlichkeit bringt er es zuwege, d a ß m a n sich bei seinen Worten viel mehr denken muß, als sie direkt besagen. Der helle Schein des Mondes fällt vor sein B e t t . E r ist einen Augenblick im Zweifel, ob es nicht etwa weißer Reif sei. Wir wissen, ohne d a ß es u n s der Dichter sagt, daß er schlief, aufgewacht ist u n d sich noch in dem



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Ich schau zum Mond, der Vom Berge blinkt, Und denk der Heimat, Das Haupt mir sinkt.

25. Die Weinende. Den Perlenvorhang schlug zurück die Maid, Die zarten Brauen trüb' zusamm'gepreßt, Von Tränentropfen ihre Wang' genäßt, So saß sie da in tiefer Einsamkeit. Ich möcht' wohl wissen, wem ihr Groll Gilt, dessen jetzt ihr Herz so voll.

26. Auf der Phönixterrasse. Wir lassen beim Weine uns nieder Auf Nanking's Phönixterrass', Schon werden länger und länger Die dunklen Schatten im Gras. An alten Ruinen fließen Des Yangtse Wellen vorbei, Am Himmel verschwinden die Wolken, Mein Geist wird klar und frei. Ich Als Der Für

1

möchte wohl erfahren, einst im Altertum Phönix hier ist erschienen, wen er kam und warum? 1

ersten Stadium des Erwachens befindet, in welchem die Gedanken etwas verwirrt sind. E r d e n k t sogleich an den Reif, d. h. an den Tagesanbruch, an den Augenblick, wo m a n aufbricht. I s t das nicht der erste Gedanke eines Wanderers, welcher erwacht ? E r h e b t den Kopf hoch, b e m e r k t den Mond und betrachtet ihn. Darauf senkt er ihn wieder und d e n k t an seine Heimat. E r war jedenfalls entweder ein W a n d e r e r oder ein Verbannter. Beim Anblick des hellen Lichtes d e n k t er n a t u r g e m ä ß auch d a r a n , daß dasselbe auch die Plätze beleuchtet, welche ihm teuer sind, u n d er empfindet schmerzlich, d a ß er eine so schöne N a c h t fern von seinem Heim verbringen m u ß . Der Dichter h a t uns bis hierher seinen Gedankengang so scharf vorgezeichnet, daß wir uns nicht haben davon entfernen können. Durch die W o r t e : „ I c h denk' der H e i m a t " , weist er jeden auf die traurigen Gedanken hin, die ihn selbst in der Ferne befallen würden, so d a ß jeder, der das Gedicht gelesen h a t , in Nachdenken versinkt." Der Phönix soll während der Regierungszeit eines durch Tugend h e r v o r ragenden Regenten erscheinen.



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Daß er von dannen geflogen, Ist schon so lang' jetzt her, Daß heute für seine Rückkehr Die richtige Zeit just war'. Es überstrahlt unser Kaiser Selbst Fu-hsi und Huang-ti 1 an Ruhm, Ihm steht zur Seit' seiner Räte Dreifaches Kollegium. Wir brauchen keine Helden Und tapfere Krieger jetzt; Ein Trunk aus goldenem Becher Beim Harfenklang uns ergötzt. Jetzt, wo herab von den Bergen Der Ostwind die Blüten bläst, Gibt's jemand, der im Glase Den Wein wohl stehen läßt ? Tief unter dem Rasen schlafen Die Kaiser der sechs Dynastien; 2 Versunken sind ihre Schlösser, Begraben im Moose grün. Schafft Wein herbei zum Feste! Da gibt's kein Widerwort, Gesang und Glockenspiel sollen Ertönen immerfort.

27. Nanking. I. Zwischen Hügeln eingeschlossen Die Stadt Nanking ruht, Rings ummauert und umschlossen Von des Yangtse Flut. Millionen lebten, Einst an diesem Und die Straßen Türme hier und 1 2

lachten Ort überdachten dort.

Mythische Kaiser der Urzeit. Unter Huang-ti's Regierung soll der Phönix erschienen sein. Die sechs in Nanking residierenden kleineren Dynastien der Wu, Tchin, Sung, Tch'i, Liang und Tschen 200—587 n. Chr.



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Auf des Reichs zerfall'ner Feste Sprießt das Gras jetzt nur, Und die fürstlichen Paläste Ließen keine Spur. Nur der Mond schwebt noch wie weiland Über'm Hou-hu See1 Auf den Well'n; das Geistereiland2 Glänzt in seiner Näh! II. Hier erblühten, hier vergingen Einst sechs Kaiserreich'! Ihnen will drei Glas ich bringen Und dies Lied zugleich. Wen'ger große Gärten blühen Hier als einst in Tch'in3 Zahllos sich die Hügel ziehen Wie um Loyang hin. In dem alten Wu Schloß4 kamen Blumen dicht hervor, Aus dem Tchin Palast 4 der Damen Zarter Seidenflor. Alles ist dahin, verflogen, Wie's die Menschen sind, Gleich des Yangtse flücht'gen Wogen, Der im Ost zerrinnt.

Tu Fu 5 : 1. Besteigung des Stadtturms inYen-tschou. Als in Yen-tschou6 ich zurücke, Eilt' ich durch die Hall', Ließ vom Südturm aus die Blicke Schweifen überall. 1 2

3 4 5 6

Ein See zwei Li nördlich von Nanking gelegen. Ying-tschou, eine der Inseln der Seligen, welche im Ostmeer liegen sollen. Die beiden Zeilen bedeuten wahrscheinlich nur, daß der Mond im Osten in der Nähe der Insel der Seligen aufgegangen ist. D a s Königreich Tch'in in Schensi, in welchem die alte Reichshauptstadt Tsch'ang-an lag. Vgl. Anm. zum vorletzten Gedicht. Tu Fu, 712—770 n. Chr. Stadt in Süd-Schantung, wo der Vater des Dichters Beamter war.



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Meer und T'ai-schan sah verbinden Ich ein Wolkenband 1 Und in Tch'ing und Hsü 2 verschwinden Fern das flache Land. Einsam ragt und scheint zu dauern Nur das Tch'in Tablett, 3 Und in halbzerfallenen Mauern Noch das Lu-Schloß 4 steht. Hin zum Altertume immer War mein Geist gewandt. Schau' ich jetzt die alten Trümmer, Steh' ich festgebannt.

2. Nächtliche Fahrt. In den zarten Gräsern rauschet Am Gestade leis der Wind. Einsam durch die Nacht hin gleitet. Hoch den Mast, mein Schiff geschwind. Weithin über alle Lande Wandert still das Sternenheer. In den Well'n des Großen Stromes Schwankt das Mondbild hin und her. Haben einst nicht meine Schriften Ehre mir und Ruhm gebracht ? Alt und krank mußt ich doch weichen: Habe meinem Amt entsagt. 5 Ruhelos umhergetrieben Bin ich wohl der Möve gleich: Zwischen Erd' und Himmel hat sie An dem Strand ihr ödes Reich.

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Wohl eine poetische Übertreibung, denn von Yen-tschou aus ist das Meer nicht zu sehen. Namen von zwei der alten Neun Provinzen, die bei Yen-tachou zusammenstoßen. Von Tch'in Schi-huang-ti zur Erinnerung an seine Taten aufgestellt. Erbaut vom König Kung von Lu. Der Dichter war schwindsüchtig.



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3. An einen Freund. Oft kommen Freunde im Leben Nicht an denselben Ort, Wie Orion und Venus1 streben Sie von einander fort. Heut' Nacht wir beide vereinet! Sag' an, was ist geschehn ? Dieselbe Lampe bescheinet Hell unser Wiedersehn. Wie schnell vergehn die Jahre Der goldenen Jugendzeit. Schon hat uns Bart und Haare Ein leichter Reif beschneit. Viel Freunden und Bekannten Schlug schon die Todesstund'. Schreck mir und Schmerz entbrannten In tiefstem Herzensgrund.2 Wer dachte, daß nach zwanzig Jahren einst noch einmal, In vollem Lebensglanz ich Einträte in deinen Saal ? Als einst wir schieden vor Jahren, Sprachst du noch nicht vom Frei'n, Jetzt plötzlich nennst du Scharen Von Knaben und Mägdlein dein. Den Freund des Vaters empfangen Sie froh mit Höflichkeit, Fragen, wie mir's ergangen, Und ob die Reise weit. Bevor noch auf alle Fragen Die Antwort ward erteilt, Sind Wein herbeizutragen Die Knaben davongeeilt.

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Beide Sterne treffen nie zusammen. Der Dichter erfährt von dem Freunde, wieviele alte Bekannte bereits gestorben sind.



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Bei nächtigem Regen spreiten Die Kinder das Frühlingslauch;1 Zu frischem Reis bereiten Sie gelbe Hirse auch. Der Freund klagt, daß wir beide, So selten zusammen sei'n, Und trinkt in seiner Freude Mir zu zehn Becher Wein. 2 Zehn Becher ich nicht scheue Und auch nicht trunken ward, Gerührt tief durch die Treue, Die du mir hast bewahrt. Durch Bergeshöhen morgen Sind wir bereits getrennt. Die Zukunft bleibt verborgen; Keiner sein Schicksal kennt.

4. An Meng Yün-tching. Bringt der Freude Überschwang Auch mir Greis oft Schmerzen, Seh' ich doch in nächt'ger Stund' Gern die roten Kerzen. 3 Unsere Zusammenkunft Darf zu früh nicht enden, Und es soll die Trennung nicht Sich zu schnell vollenden. Fürchte nur, der Himmelsstrom4 Wird zu bald versinken. Lassen wir die Becher dann Leer, ohn' draus zu trinken ? Morgen früh schon reißet uns Fort das Weltgetümmel: Jeder seine Tränen weint Unter ander'm Himmel. 1 2 3 4

Sie holen in der Dunkelheit und bei Regen Lauch aus dem Garten. Die chinesischen Weinbecher oder richtiger Tassen sind nicht viel größer als unsere Likörbecher. Rote Kerzen werden bei freudigen Ereignissen gebrannt. Die Milchstraße.



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5. Nächtliches Fest. 1 Wer als Beamter gleichzustellen War dem Herrn Yao wohl von T'ung-tch'üen ?2 Man kann im Altertum gesellen Doch nur in T'ai-tch'iu ihm den Tsch'en. 3 In seiner Stadt von allen Gästen Zumeist geehrt ein Zensor ward: Stets hat Yao Zeit zu frohen Festen Und macht mit diesem 4 manche Fahrt. Des Ostbergs Gipfel wird erstiegen. Dort steht ein üppiges Mahl bereit. Im Tal tief sieht die Stadt man liegen; Es schwindet alle Traurigkeit. Als zu des Stromes grünen Wogen Der weiße Sonnenball sich neigt, Sind Herrn und Damen fortgezogen; Ein buntes Schiff man flugs besteigt. Schwermütig auf den Wassern klingen Und klagen Flöten und Schalmei'n. Die Schönen sich im Tanze schwingen 5 Bis in die tiefe Nacht hinein. Bei den Lampions oft hört man's rauschen: Ein großer Fisch dann taucht empor, Als wolle er den Klängen lauschen Und brächte eine Bitte vor. Zur dritten Nachtwache 6 erhebt sich Ein Wind; die Wogen rollen schwer. Vom Schrei'n der Fröhlichen belebt sich Das Schiff; man merkt, es schwankt nicht sehr. Am Himmel sieht man schon erbleichen Des Sternenstromes 7 sanftes Licht; Die Gäste nicht vom Sitze weichen, Noch fühlen sie Ermattung nicht. 1

Ein Fest, an welchem der Dichter dem Zensor Wang zu Ehren teilnahm. Ort in Ssetschuan. Tsch'en Schi, 104—187 n. Chr., berühmter Beamter der Han Zeit. 4 Mit dem Zensor Wang, mit dem er auch an dem Feste teilnimmt. 5 Tänzerinnen und Kurtisanen. Sittsame Frauen tanzen in China nicht. 6 Zwischen 11—1 Uhr. ' Die Milchstraße. 2

3



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Ich schlage vor, jetzt umzulenken Das Schiff, wo es am tiefsten fließt, Und keinen Wein mehr zu verschenken, Damit zu Pferd bald heim man ist. Mag auch der Mensch sich baß ergötzen, Die Lust schier ohne Ende sein, Scheint doch, im Morgentau zu netzen Das Kleid, 1 mir nicht besonders fein.

6. Bootfahrt. Schön ist's, wenn die Sonne sinket, Auf dem Kahn hinauszugleiten. Eine Brise treibt die Wellen Hemmend an des Schiffes Seiten. Wo am dichtesten der Bambus, Ist der Ort, zu fliehn die Schwüle, Und, wenn rein die Lotos duften, Schlürfen wir die Abendkühle. Während die Getränke mischen Unsre jungen Herrn mit Eise, 2 Sind geschäftig auch die Schönen, Spülen rein die Lotosspeise. Eine schwarze Wolke seh' ich Uns zu Häupten sich verdichten. Das gibt Regen, und es drängt mich, Schnell noch dieses Lied zu dichten.

7. Späte Heimkehr. Ich kehre heim tief in der Nacht; Der Tiger schleicht auf Beute; Der Berg ist dunkel, niemand wacht: Es schlafen meine Leute. Den Großen Bären schon ich seh' Herab zum Flusse sinken, Derweil noch hell in Himmelshöh' Die großen Sterne blinken. 1 2

Das heißt, das Fest bis gegen Morgen ausdehnen, so daß die Kleider der Heimkehrenden vom Morgentau befeuchtet werden. Die Chinesen haben schon im Altertum Eis zum Frischhalten der Speisen benutzt.



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Aus meinem Haus bei Kerzenschein Laß ich zwei Leuchter bringen, Hör' eines Affen kläglich Schrein Aus einer Bergschlucht dringen. Ein Greis, ich mich noch freuen kann, Kann tanzen noch und singen. Wenn ich nicht schlaf', ein alter Mann, Wem wird es da gelingen

8. Wintersonnenwende. Jahreszeiten, Menschenschicksal, Alles drängt und eilt und schafft. Mit der Wintersonnenwende Wächst des jungen Frühlings Kraft. Bunte Seidenstickereien Um ein Fädchen man vermehrt,2 Und man haucht auf die sechs Röhren, Daß empor die Asche fährt. 3 An dem Ufer woll'n die Weiden Grünen schon zur Winterzeit. Berggeist möcht' die Kälte brechen, Pflaum'bäum ist zum Blüh'n bereit. Wolkendunst sind alle Dinge, Wesensgleich in jedem Land. Fülle mir den Becher, Knabe! Den ich halte in der Hand.

9. Rückkehr im Frühling.4 Es führt ein moosbedeckter Pfad Zum Fluß beim Bambushaine. Weit ragt das Strohdach vor und schützt Das Blumenbeet am Raine. 1 2 3

1

Die Jugend ist noch weniger zum Schlafen aufgelegt und schwärmt die Nacht durch. Beim Längerwerden der Tage bringt man etwas mehr bei dem Seidesticken zustande. Eine alte Sitte bei der Wintersonnenwende. Man füllte Bambus- oder Jade-Röhren mit Binsenasche, welche angeblich in der Nacht der Sonnenwende explodierte und so diesen Zeitpunkt genau anzeigte. Der Dichter hatte sich in der Hauptstadt von Ssetschuan ein Landhaus erbaut, wohin er nach dreijähriger Abwesenheit im Jahre 764 zurückkehrte.



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Gar mancher Zyklus floß dahin, 1 Seitdem ich ging von hinnen. Jetzt, wo zurückgekehrt ich bin, Will just der Lenz beginnen. Gestützt auf meinen Stab sah ich Den Felsblock einsam liegen, Die Kanne leerte ich und bin Zum Strand hinabgestiegen. Die Sie Die Die

Möven schwimmen auf dem Fluß, ruhen aus und schweigen. leichten Schwalben trägt der Wind, schräg im Flug sich neigen.

Wohl führet meines Lebens Pfad Durch manche Hindernisse. Ein Trost, daß einst das Ende kommt Der Leiden, das gewisse. J e t z t ist mein Geist ganz nüchtern noch, Bald ist er wieder trunken: Es soll'n an meinem Herde sprühn Stets der Begeisterung Funken.

10. An Li T'ai-po. I. Wie von einem Ort zum andern Führt der Wolken Bahn, Mußt auch du, Freund, ruhlos wandern, Kommst am Ziel nicht an. Nacheinander jetzt drei Nächte Schaut' ich dich im Traum. Schön das Wiedersehn ich dächte; Wag's zu hoffen kaum. Wenig frommt dir meine Botschaft: „Eile schnell herbei", Die nur Mühsal dir und Not schafft, Denn du bist nicht frei. 2 1 2

Mancher Zyklus von je 60 Tagen. Li T'ai-po war in Kiang-nan in der Verbannung. 5

Forke.



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Auf dem Fluß, den Seen streiten Wind und Well'n voll Wut, Daß des Schiffes Ruder gleiten, Furcht' ich, in die Flut.1 Draußen steh ich vor den Toren, Krau' mein weißes Haar, 'S ist, als hätte ich verloren, Was mein Wunsch stets war. Ehrenschirme, höf'sche Trachten Glänzen im Palast,2 Während du mußt einsam schmachten Und zu dulden hast. Und da sagt man noch, sie hätten Fast dich schon befreit, Hält man für den Alten Ketten Stärker doch bereit.3 Ach, was nützt dir, zu erwerben Tausendjähr'gen Ruhm ? Wenn du einmal kommst zum Sterben, Wird es still ringsum.

11. An Li T'ai-po. II. In seinen Gedichten'niemand Dem Li T'ai-po je gleicht; Die Kühnheit seiner Gedanken Von niemand wird erreicht. Sie sind so frisch, so neu stets Wie die des Dichters Yü,4 Und edler und graziöser Ist Pao-tschao's5 Sprache nie. Im Norden des Wei die Bäume Im Frühlingskleide stehn,6 Und östlich vom Kiang die Sonne In Wolken will untergehn. 1

Die Stürme auf dem Yangtse und den damit zusammenhängenden Seen erschweren die Bückkehr des Freundes. Im Kaiserpalast, von dem Li T'ai-po verbannt ist. 3 Nur bildlich zu verstehen, denn Li T'ai-po war nicht in Gefangenschaft. * Yü Hsin aus dem 6. Jahrhundert. 6 Vgl. S. 20. • Dort in der Provinz Schensi weilt Tu Fu, während Li T'ai-po sich östlich vom Yangtse, also wohl in Kiangsu aufhält. 2



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Wann werden wir wieder leeren Zusammen den Weinpokal, Und über Kunst und Dichtung Ernst reden noch einmal?

12. Weinlied. Es flog vorbei ein Blütenblatt, Zeigt, daß der Lenz vorüber. Viel Blütenstern' zerstreut schon hat Der Wind, das stimmt uns trüber. Die Blumen, die dem Tod nicht fern, Erscheinen meinen Blicken; Drum möcht' ich meine Lippen gern Voll Schmerz am Wein erquicken. Eisvogel hat im kleinen Haus Am Fluß sein Nest gebauet.1 Am Gartenrand vom Grabmal aus Das ruh'nde Einhorn schauet.2 Wer klar der Dinge Wesen sieht, Wird nur der Freude pflegen Und nicht für Ruhm, der schnell entflieht, * Sich Fesseln auferlegen.

13. Ein anderes. Von Hofe kommend, häufig muß Ich mein Gewand verpfänden, Und immer pflege ich vom Fluß Mich trunken heimzuwenden. Auch Schulden hab' ich, wo ich war, Für Wein noch zu begleichen. Kurz ist das Leben, siebzig Jahr Nur wenige erreichen.3 Sieh', in den Kelch der Blumen dringt Der Schmetterling soeben. Vom Wasser die Libelle trinkt, Auf dem sie liebt zu schweben. 1 2 3

Das kleine Lusthaus ist verlassen, deshalb hat der Eisvogel es sich für seinen Nestbau ausgewählt. Das verlassene Haus und das Grabmal mahnen an die Unbeständigkeit der Dinge. Deshalb soll man sein kurzes Leben genießen und tüchtig dem Wein zusprechen. Selbst Schuldenmachen schadet nichts.

5*

So flüchtig wie ein schöner Schein 1 Zerfließt auch unser Leben. Drum laßt uns jetzt noch fröhlich sein, Dem Glück nicht widerstreben.

14. In den Krieg. ,,Ding, Ding" rollen schwer die Wagen, Und es wiehern laut die Rosse; In dem Gürtel Pfeil und Bogen, Krieger zieh'n im großen Trosse. Väter, Mütter, Frauen, Kinder Eine Strecke mitmarschieren, Und es scheint die Hsien-yang 2 Brücke Ganz im Staub sich zu verlieren. An die Kleider sie sich hängen, Schluchzend Krieger Knie' umklammern, Bis zum schwarz bewölkten Himmel Dringt ihr Weinen und ihr Jammern. Nach dem Ziel des Marsches fragen Leute, die des Weges kommen. ,,Alle sind wir ausgehoben", Wird als Antwort stets vernommen. Schon mit fünfzehn Jahren müssen Sie den Norddeich schützen wacker, Wenn schon vierzig sie geworden, Noch im Westen bau'n den Acker. 3 Bei dem Ausmarsch hat der Dorfschulz Überreicht das Kopfband 4 ihnen. Heimgekehrt mit weißen Haaren Soll'n sie noch als Grenzwacht dienen. Bei den Grenzstationen fließet Manches Blut und steht in Lachen, Dennoch will der Kriegerkaiser 5 Nicht dem Kampf ein Ende machen. Der schöne flüchtige Schein wird durch den Schmetterling und die Libelle versinnbildlicht. Ort in der Nähe von Hsi-an-fu. Bei langen Kriegen wurden die Soldaten auch zum Bebauen des Feldes verwandt, damit sie sich selbst ihren Unterhalt verschafften. Das Abzeichen der Rekruten. Der Kaiser Yüan-tsung. 727 machten die Tanguten des Kukunor Gebiets einen Einfall in China. Gegen diese richtet sich der Krieg.



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Hört man nicht, daß hundert Kreise, Tausend Weiler, Dörfer, Flecken In dem Han Land Schantung jetzo Unkraut nur und Disteln decken ? Pflug und Hacke hat die starke Gattin in die Hand genommen,1 Doch es stehen wirr die Saaten, Denn die Deiche sind verkommen. All des Krieges Elend haben Die Soldaten zu ertragen, Wie die Hunde und die Hühner Pflegt man sie umherzujagen. Fragt sie auch der Vorgesetzte, Was sie hätten auf dem Herzen, Wagen doch die Krieger nimmer Ihm zu künden ihre Schmerzen. Um den Grenzwall kämpft man weiter, Wenn es auch schon Winter heuer. Dringend heischt der Büttel Grundzoll, Doch woher nimmt man die Steuer ?2 Knaben haben, das erkennt man, Nur ein schweres Mißgeschick ist; 3 Während die Geburt der Tochter Für die Eltern noch ein Glück ist. Auf die Tochter schon des Hauses Nachbar als der Freier harret, Doch der Sohn ist bald verdorben,4 Wird im Rasen still verscharret. Rings des „Blauen Sees" 5 Ufer Sieht man starren von Skeletten, Die dort lang schon ruhn, denn niemand Denkt, in Erde sie zu betten. Neue Schatten hört man jammern Und die alten Geister stöhnen, Durch die Nacht und durch den Regen Ihren Klageruf ertönen.6 Da der Mann in Kriege. Die Familien der Soldaten im Felde sollten eigentlich steuerfrei sein. Söhne müssen in den Krieg. 4 Er fällt im Kampfe. 6 Der Kukunor. • In Sturm und Regen glaubt man Geisterstimmen zu hören. 1

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15. Das Kampf roß. Der Chef von An-hsi1 als Kampfgenoss' Hat ein graugeschecktes Mongolenroß. Der Ruhm von seinem edlen Sinn Drang windesschnell gen Osten hin. Kein Feind hielt, wenn der Kampf entbrannt, Dem Anprall dieses Rosses Stand. Ganz wie ein Mensch es stets nur sinnt, Wie's in der Schlacht den Sieg gewinnt. Zum Danke ward dem edlen Pferd Die treuste Pflege stets gewährt. Wie der Wirbelwind durchbrauset das Land, Durchsaust es im Fluge den Wüstensand.2 Daß müßig es im Stalle ruh', Das läßt sein feuriger Geist nicht zu: Der Ruhm des Schlachtfeld's scheint allein Seines Ehrgeiz's würdiges Ziel zu sein. Die Fesselgelenke regt es geschwind, Die hohen Hufe wie Eisen sind; Durch dieser Hufe harten Schlag Des Tchiao Fluß Eis sogleich zerbrach. Sein ganzer Körper ist buntgefleckt Und wie mit einer Wolke bedeckt. Durch tausend Meilen Lauf erhitzt, Sein Fell blutrote Tropfen schwitzt.3 Es wagt zu reiten kein junger Mann Das scheckige Roß in ganz Tsch'ang-an, Denn in der Stadt weiß jeder Gesell, Daß es fliegt vorbei wie der Blitz so schnell. Bis in sein Alter trägt es gern Das grünseidne Zaumzeug für seinen Herrn; Nie sträubt es sich, galoppieret hervor Stets kampfbereit aus dem Hengschen Tor.

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Ort in der Nähe von Turfan. Den Sand der Wüste Gobi. Angeblich eine Eigentümlichkeit edler Benner.



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16. Der Schimmel. Vom Nordosten sah ich wild Einen Schimmel eilen, Leer den Sattel, der durchbohrt Von zwei langen Pfeilen. Ach, wo ist der Reiter hin, Der das Roß geritten, Und der Mut, mit dem er jüngst Noch im Kampf gestritten? Selber gab der Kommandant Den Befehl zum Morden,1 Und er ist um Mitternacht Selbst getroffen worden. Manches Hauses Sohn im Kampf Hat sein Blut vergossen. Wieviel eisige Tränen, ach! Sind darum geflossen.

17. Im Kriege. Gelb sind schon des Weizens Ähren, Und die Gerste reift in Bälde: Um den Gatten, der im Felde, Fließen jetzt der Gattin Zähren. Ist gen Osten er gefahren? Westlich, bis in Liang-tschou's 2 Nähen? Wer besorgt das Sichelmähen ? Nur Tibeter und Tartaren. 3 Wohl dreitausend Mann sein müssen Dort von Schu4 die wackren Streiter, Manche Nöte hat ihr Leiter In den Bergen, an den Flüssen. Könnte, ach! auf Vogelflügeln Der Ersehnte heimwärts streben, Und auf weißen Wolken schweben Zu den heimatlichen Hügeln! 1 2 3 4

Ein chinesischer Dichter sieht im Kampf meistens nur ein Morden. Kriegsruhm gilt ihm nichts. In Ssetschuan. Diese waren in chinesisches Gebiet eingefallen und mähten die Felder, da die Einwohner in die Berge geflohen waren. Alter Name für Ssetschuan.



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18. Im Schnee. Die Geister weinen schaurig,1 Der Kampf war wild und heiß, Und einsam klag' und traur' ich, Ich altersschwacher Greis. Die Wolken schwer sich ballen, Der Abend naht geschwind, Schneeflocken niederwallen, Tanzend im Wirbelwind. Der Kürbis2 ist in Trümmer, Der Becher ohne Wein, Im Ofen nur ein Schimmer Vom roten Feuerschein. Schon längst wir ohne Kunde Aus den Provinzen sind.3 Betrübt sitz' ich zur Stunde, Schreib Zeichen in den Wind.4

19. An den Bruder. Wirst du jetzo heim wohl streben, Seit man Frieden hat, Keinem Ort den Vorzug geben Vor der Vaterstadt ? Tief bekümmert sinn' ich lange, Ob am Leben du, Ob zu dir ich erst gelange, Wenn im Tod' ich ruh' ? Deine Bücher stehn noch immer Alle an der Wand, Deine Buhle schon auf Nimmer Wiedersehn verschwand. Einer noch tut sein Verlangen, Seine Sehnsucht kund: Neben mir den Kopf läßt hangen Noch dein alter Hund. 1 2 3 4

Die Geister der im Kampf Gefallenen. Der Dichter hat den Aufstand des An Lu-shan, 756 n. Chr. im Sinn. Der Flaschenkürbis, welcher zur Aufbewahrung von Getränken dient. Der Dichter war von seiner Familie getrennt. Tu Fu schreibt seine Gedanken in die Luft.



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20. Die Schwalben. Nicht einzeln pflegen zu fliehen Die Schwalben Schnee und Eis, Auch sieht man selten sie fliegen I n Mengen und scharenweis'. 1 Der Jahreszeiten Folge Ist ihnen gar wohl bekannt: Beginnt der achte Monat, 2 Verlassen sie das Land. Wo könnten sie erkunden Des Frühlings Herrlichkeit ? Die jungen Vöglein wissen Selber die richtige Zeit. Und finden sie unversehret Ihr altes Nest am Haus, So fliegen sie um den Hausherrn Wie ehedem ein und aus.

21. Die Wäscherin. Sie weiß, im Kriege bleibet Ihr Mann zur Herbsteszeit, Reibt glatt den Stein und legt ihn Zum Waschen sich bereit. 3 Die bitterkalten Monde, Die stehen vor der Tür, Dazu fühlt sie die Schmerzen Der Trennung für und für. Die Mühen des Wäscheschlagens, Des Plättens trägt sie gern; Muß doch die Wäsche schicken Bis zu dem Grenzwall fern. 4 Wohl spannt sie im Frauengemache An ihre Kräfte all. 0 hörte durch den Luftraum Ihr Gatte den Wiederhall! 5 1 2 3 4 5

Sie fliegen meist paarweise. Der achte chinesische Monat entspricht etwa unserem September. Auf dem Stein wird die Wäsche geklopft. Dort weilt ihr Gatte. Den Wiederhall des Wäscheklopfens.



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22. Der leere Beutel.1 Bitter ist der Immergrün, Läßt sich doch genießen, Und ich trinke in der Früh'n Morgentau, den süßen.2 Herzlos sind der Menschen viel, Roh erscheint ihr Wesen; Schwer erreichbar ist das Ziel, Das ich mir erlesen.3 Meinen Born vereist ich fand, Kalt die Feuerstätte, Und ich habe kein Gewand, Frier' des Nachts im Bette. Ach! mein Beutel, der ist leer; Müßt' darob mich schämen: Einen einz'gen Käsch nur mehr Kann ich ihm entnehmen.

23. Das Flußdorf. Der klare Strom in seinem Arm Das Dörflein eng umschließet, Wo in dem Sonnenscheine warm Still hin das Leben fließet. Es nähern und entfernen sich Vom Dache frei die Schwalben; Im Wasser schwimmen einträchtig Die Möven allenthalben. Bemalt Papier zum Schachbrett hat Das Mütterchen gefüget, Indes das Söhnlein Nageldraht Zum Angelhaken bieget. Nur wenn es Krankheit gibt, dann kann Arznei'n man schwer entbehren. Was könnt' zum Wohlergehen man Noch außerdem begehren ?4

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iJer Dichter schildert sich in der Rolle eines Asketen. Um das Leben zu verlängern, aßen die Taoisten die Früchte und das Harz immergrüner Gewächse. Das Ziel der Loslösung von allem Weltlichen und der Vereinigung mit dem Absoluten. Es fehlt der glücklichen Familie nichts zu ihrem Wohlergehen, nur in Krankheitsfällen ist nicht immer Arznei vorhanden.



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24. Leider. Warum fallen ab die Blüten Und verwehen ach! so bald! Könnt' der Lenz nicht länger währen ? Alles stirbt, sobald es alt. Zwar an manchen Orten findet Freude man und Heiterkeit, Aber Kraft und Jugend dauern Überall nur kurze Zeit. Darum muß mit ganzem Herzen Huld'gen man dem edlen Saft, Und nichts scheuchet so die Sorgen Wie der Dichtkunst Zauberkraft. Diese Weisheit hat vor vielen Jahren T'ao Tch'ien1 schon gelehrt, Und ich habe als gelehr'ger Schüler mich dazu bekehrt.

25. Blüten. Vor Frau Kuang Sse's Hause blinken Blüten, und im Tal versinken Fast die Zweig' im Blütenmeer. Falter haschen sich und gaukeln, Im Gebüsch Oriolen schaukeln, Und ihr Ruf tönt sehnsuchtsschwer.

26. Ersehnter Regen. Im Süden herrschte Dürre, Kein Regen wollte fall'n. Heut' morgen aus dem Flusse Empor die Nebel wall'n. Sie dehnen sich und füllen Den ganzen Luftraum an, Und Tropfen fällt auf Tropfen Herab der Regen dann. 1

Siehe S. 19.



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Den hohen Flug vom Neste Stell'n ein die Schwalben ganz; Die Waldesblumen leuchten In frischem, feuchtem Glanz. Der Abend naht, und immer Noch strömt der Regen sacht. Man hört sein sanftes Rauschen Bis in die tiefe Nacht.

27. Glühwürmchen. Am Wu-schan 1 in der Herbstesnacht Glühwürmchen alle sind erwacht, Durchdringen Vorhänge und Ritzen Und auf den Kleidern sitzen. Im Zimmer merkt verwundert man, Kalt fühlt sich Buch und Zither 2 an. Wie vereinzelte Sterne funkeln Glühwürmchen am Dache im Dunkeln. Sie fliegen um den Brunnenbord, Eins nach dem andern setzt sich dort. Von ihrem Lichte flirren Die Blumen, die sie umschwirren. Ein Greis am großen Strom 3 ich steh', [Jnd traurig auf euer Treiben seh'. Ob heute in einem Jahre Ich wieder euch gewahre ?

28. Der Papagei. In traurigen Gedanken Sitzt da der Papagei. Er ist ein kluger Vogel Und fühlt, daß er nicht frei. Das Ihm Sein Viel 1 2 3

grünlich blaue Röckchen arg beschnitten ward, rosenroter Schnabel Weisheit offenbart.

Berg in Ssetschuan, durch welchen der Yangtse bricht. Die Zither gehört mit zu dem Hausrat des Gelehrten. Der Yangtse.



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Wird je die Tür des Bauers F ü r ihn geöffnet sein? Er harrt umsonst und hacket In seinen Zweig hinein. Die Menschen ihn bedauern Und fügen zu ihm Leid. Was nützt ihm da sein selt'nes Und prächt'ges Federkleid!

Tchia Tschi: 1 Auf dem Tung-t'ing See. An des Tung-t'ing Uferrande Dicht die Ahornblätter fallen. Erst am Abend sieht am Strande Man die Herbsteswogen wallen. Ziellos hat uns heitres Völkchen Auf den See ein Boot getragen Mit dem Mond und weißen Wölkchen Woll'n die Hsiang-ngo 2 wir beklagen. 3

Li I': 4 Herbstnacht im Walde. Halte Rast in Waldesruh, Um die Glut zu fliehen; Schau' den weißen Wolken zu, Die am Himmel ziehen. Und das Herz voll Fröhlichkeit, Freu' ich mich des Lebens. Vor mir steht der Wein bereit, Harret nicht vergebens. Nieder sinkt der Herbsttau sacht, Mond sein Licht ergießet, Bambus rauscht, in Waldesnacht Eine Quelle fließet. 1 2

3 4

Tchia Tschi, 718—772 n. Chr. Eine Gemahlin des Kaisers Schun, der am Hsiang Fluß beim Tung-t'ing See gestorben sein soll. Im See war ein Tempel für sie gebaut, denn sie galt als Schutzgöttin des Hsiang. Beklagen, daß sie gestorben, während der Mond und die Wolken noch da sind. Li I, Anfang des 8. Jahrhunderts. Er bestand 727 das höchste Examen.



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Ärmel füllt und Busen an Mir der Wind, der kühle. Niemandem ich sagen kann, Was ich denk' und fühle.

Hsü An-tschen.1 Nächtliches Zitherspiel. Schräg am Himmel hängt der „Scheffel", 2 Und die Nacht ist bald vergangen. Sinnend neigt ein Mann zum Mond sich3, In Melancholie befangen. Plötzlich hört er eine Zither Vom Balkon die Nacht durchtönen, Und er weiß, sie wird geschlagen Von des Nachbars Maid, der Schönen. Daß die dunklen Brau'n sie runzle, Denkt er, wenn das Lied zu Ende, Und beklagt beim Saitenrauschen Ihre marmorkalten Hände.4 Doch vergeblich lauscht er, daß sich Ihm das Silberschloß erschließe. Will drum schlafen, daß im Traume Ihren Anblick er genieße.

Wan Tsch'u.5 Die Tänzerin. Was preisen wir die Hsi-schi noch, Die im Lenz ihre Seide gewaschen,6 Da unsere neue Pi-yü7 doch Den Ruhm der Li-hua8 könnt' erhaschen ? Mit ihren dunklen Augenbrau'n Taglilien sie beschämet. Muß ihres Rockes Rot sie schaun, Granatblüt' zu Tode sich grämet. 1 2 3 4 5 6

7 8

Hsü An-tschen, Anfang des 8. Jahrhunderts. Das Sternbild des Großen Bären. Der Mond steht schon sehr tief. Die Nacht ist kühl. Wan Tsch'u, Anfang des 8. Jahrhunderts. Berühmte Schönheit des 5. Jahrhunderts v. Chr., von armer Herkunft, so daß sie vom Seidenwaschen lebte, später Favoritin von Fu-tschai, König von Wu, vgl. Blüten S. 144. Auch eine große Schönheit, Konkubine eines Fürsten von Ju-nan. Yin Li-hua, Gemahlin des Han Kaisers Kuang Wu-ti.



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Und singt ein neues Lied sie gar, Wer würde nicht entzücket, Wenn trunken im Tanz glänzt ihr Augenpaar Und ihr Haar an die Schläfe sie drücket. Fünf seidene Fäden meinen die Leut', Verlängern können das Leben,1 Mir aber ist es, als müßt ich noch heut' Vor ihr meinen Geist aufgeben.

Ts'ên Ts1 an. 2 1. In der Ferne. Von Tschcang-an3 zog ich nach Osten Viel tausend Li über Land, Warum keine einzige Zeile Erhielt ich von Freundes Hand ? Schau' ich vom Jad' Paß4 nach Westen, Springt fast mir das Herz entzwei, Zumal, wenn ich denke, daß morgen Bereits ein Jahr vorbei.

2. Frühlingstraum. Der Frühlingswind umspielte Im Schlaf mich gestern Nacht: Ich hab' an die ferne Geliebte Am Ufer des Hsiang gedacht. Den Augenblick, als auf dem Kissen Ich träumte den Frühlingstraum, Durcheilt' ich bis südlich vom Yangtse Viel tausend Meilen den Raum.

3. Der Liang Park. Im Liang Park5 dämmert's; es flattern In Scharen die Krähen umher; Ein paar zerfallene Hütten Erspäht das Auge nur schwer. 1

2 3 4 s

Die sogenannten Fäden des langen Lebens in fünf Farben, welche am 5. Tage des 5. Monats, dem großen Sommerfest, den Kindern um das Handgelenk gebunden werden und als Talisman wirken. Vgl. De Groot, Fêtes célébrées à Émoui S. 330. Ts'ên Ts'an, 8. Jahrhundert n. Chr. Hsi-an-fu in Schensi. Der Tchia-yii Pass in Kansu, östlich von Tsch'ang-an. Ein unter der Liang Dynastie 502—556 n. Chr. angelegter Park, der im 8. Jahrhundert verlassen und verwildert war.



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Nicht wissen die Bäume, daß längst schon Die Höfe sind menschenleer, Und tragen im Lenz ihre Blüten Noch jetzt wie von jeher.

4. Nächtliche Fahrt. Durch die Felsschlucht 1 treibt mein Schifflein, Grau der Abend sinket nieder. Bei den Fähren lärmt das Landvolk, Denn nach Hause eilt es wieder. Deutlich tönet eine Glocke Aus dem Kloster in der Nähe; In den Dörfern fern am Ufer Lichter ich entzündet sehe. Ach! die Wildgans läßt mich wissen Kunde von der Heimat Fluren. Höre ich den Schrei der Affen, 2 Rinnen meiner Tränen Spuren. Wenn ich nachts viel tausend Meilen Fern, auf ödem Schiff alleine, Kann ich nicht mehr mich begeistern An des Herbstmond's lichtem Scheine.

Wei Ying-wu 3 : Beschaulichkeit. Mögen Vornehm und Gering auch Sich in manchem unterscheiden, In dem ruhelosen Hasten Gleichen dennoch sich die beiden. Niemals laß ich fort mich reißen Von der Dinge wildem Drange. Ich genieße steten Frieden, Lebe ganz nach meinem Hange. Wenn des Nachts ein leichter Regen Auf die Erde niederfließet, Acht' ich's kaum, ob dann am Morgen Schon das Frühlingsgrün ersprießet. 1 2 3

Auf dem Yangtse, der in Ssetschuan durch Felsengebirge bricht. In den Gorges sind Affen nicht selten. Ihr klägliches Schreien stimmt den der Heimat fernen Dichter traurig. Wei Ying-wu, 8. Jahrhundert.



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Plötzlich seh' den grünen Berg ich Hell im Sonnenscheine liegen, Und ich höre Vögel singen, Die um meine Hütte fliegen.1 Häufig trifft man mich zusammen Mit dem Mann der wahren Lehre,2 Doch ich folge auch dem Waldmann Und mit Holzhauern verkehre. Und so lebe ich zufrieden, Meiner Schwächen wohl bewußt mir, Nicht als ob den Glanz des Lebens Zu verachten, eine Lust mir.

Wang Han 3 : Im Lager. Köstlich ist das Traubenblut4 Und aus weißer Jad' der Becher. Hoch zu Roß noch schmeckt's ihm gut, Spielt die-Laute noch der Zecher.5 Lacht nicht, wenn in Trunkenheit Auf dem Sand er kommt zu liegen. Wieviel sind seit alter Zeit Heimgekehrt heil aus den Kriegen? 6

Tch'ien Tch'i 7 : Rückkehr zum Gartenhaus. Im Tal geht der Lenz zu Ende, Gelbvöglein eilen davon. Noch fliegen die Mandelblüten, Verblüht sind Magnolien schon. 1 2 3 4 5 6 7

Es ist Frühling geworden, ehe der Dichter es bemerkt hat. Einem taoistischen Priester. Der Dichter befolgt die taoistische Lehre vom „Nichtstun", Wu-wei. Wang Han, 8. Jahrhundert. Trauben und Traubenwein lernten die Chinesen zuerst in Ferghana kennen, doch hat sich der Wein nie eingebürgert. Der Führer der Truppe läßt sich noch zu trinken geben, nachdem er schon zu Pferd gestiegen ist. Da der Krieger nie weiß, wie lange er noch lebt, mag er ruhig trinken. Tch'ien Tch'i, 8. Jahrhundert, gehörte zu den Zehn Genies der Periode Ta-li, 766—779 n. Chr. 6

Forke.



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Wie schaut so lieb und bescheiden1 Der Bambus durch's Fensterlein! Mit seinem kühlen Schatten Er hart der Rückkehr mein.

Tsch'ang Tch'ien 2 : Im Kloster. Ganz früh im hellen Morgenschein Tret' ich in's alte Kloster ein. Die ersten Strahlen thronen Auf hoher Bäume Kronen. Es führt der krumme Pfad mich fort An manchen tief verschwieg'nen Ort. Die Büsche und Blumen alle Umwuchern die Andachtshalle. Der Berg erglänzt im Sonnenschein, Drob freuen sich die Vögelein. Dem Weiher in seiner Stille Gleicht wunschloser, menschlicher Wille. Und alles, was sonst klingt und summt, Das ist an diesem Ort verstummt. Dem Klangstein3 nur und den Glocken Hört man noch Töne entlocken.

Wang Tch'ang-ling 4 : Lotospflückerin. Die Lotosblätter und ihr Kleid, Die schimmern beide grün, Und ihrem Antlitz sieht zur Seit' Man rote Lotos glühn. Kaum merkt man, daß im Teiche schwimmt Durch Blüten leicht ihr Kahn. 5 Erst wenn man ihren Sang vernimmt, Erspäht man ihre Bahn. 1

2 3

4 6

Der Bambus hat keine prächtigen Blüten. E r kommt zur Geltung, wenn die Blumen verblüht sind. Sein schönes Grün, seine graziöse Form und sein kühler Schatten bleibt ihm immer. Tsch'ang Tch'ien, 8. Jahrhundert. Antikes Klanginstrument bestehend aus Steinen oder Metallplatten, welche an einem Gestelle hängen und mit einem Klöppel geschlagen werden. Wang Tsch'ang-ling, 8. Jahrhundert n. Chr. Die Jungfrau in ihrem grünen Gewände und mit ihrem rosigen Gesicht gleicht so sehr den Lotos, daß man sie nicht sogleich in ihrem Kahne zwischen den Lotos bemerkt.



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Jung Yü 1 : Der Seepavillon. Wie hold umkost der Lenzwind weich Den Pavillon am See, Wie Ranken an dem Weidenzweig Hängt dran mein Trennungsweh. Mich kennen alle Vögelein, Denn hier verweilt' ich lang. Jetzt, da bald muß geschieden sein Tönt traurig oft ihr Sang.

Meng Tchiao2: Mutterliebe. Es hält die gute Mutter Den Faden in der Hand, Will nähen ihrem Sohne, Der fortzieht, das Gewand. Sie stopft ihm vor der Reise Die Löchlein, die sie fand, Besorgt, daß spät erst kehre Er heim in's Vaterland. Wie Der Die Die

könnte je das Pflänzchen Sonne zugewandt, Strahlenflut vergelten, sie im Lenz gesandt. 3

Han Yü4: 1. Spätfrühling I. Die Bäume und Pflanzen bangen, Daß verweht bald die Frühlingsluft. In Rot und Purpur sie prangen, Wetteifernd an Schönheit und Duft. Den Blüten der Ulmen und Weiden Nur fehlt dieser kluge Sinn, Denn lose fliegen die beiden Als Schnee durch die Luft dahin.5 1 2 3

4 5

Jung Yü, Ende des 8. Jahrhundert. Meng Tchiao, Ende des 8. Jahrhundert. Die Mutterliebe wird mit der Strahlenflut der Sonne im Frühling verglichen; das Pflänzchen ist der Sohn, dem die Sonnenwärme zugute kommt, der sie aber nie vergelten kann. Han Yü, 768—824 n. Chr. Ihr weißer Flaum sieht wie Schnee aus. 6*



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2. Spätfrühling II. 1 Unter der Glyzine saß Ich mit dem Genossen, Spät im Lenz und fast vergaß, Daß er bald verflossen. Die Glyzine rings bereits Ihren Schatten breitet, Während nieder allerseits Blüt' auf Blüte gleitet. Emsig knospt es, und es drängt In dem frischen Laube, Doch verdorrt herniederhängt Manche Blütentraube. Droben wölbt des Himmels Blau Sich in weitem Bogen, Und zwei Schmetterlinge, schau'! Kommen schon geflogen. So muß sein die Frühlingszeit, Und in diesen Tagen Sollte man kein Herzeleid Mehr im Busen tragen.

3. Frühlingsschnee. Duft'ge Blüten hat noch nicht gespendet Uns das neue Jahr, Und wir werden, wenn der Mond sich wendet, Knospen erst gewahr. Es mißfällt des Frühlings langes Warten Wohl dem weißen Schnee, Drum bedeckt er ganz den Baum im Garten, Daß in Blüt' er steh'.

4. Frühlingsbetrachtungen. Ich wandele im Walde Des Morgens in der Früh'n, Wo viele hundert Blumen, Rote und weiße blühn. 1

Gedicht aus dem Jahre 816 n. Chr.



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Die Weidenzweige beugen Herab sich zart und schlank Und hängen von den Bäumen Hernieder klafterlang. Zur Rechten und zur Linken Schritt neben mir einher In Gold und Purpurkleide Manch reich' und edler Herr. Und holde Knaben ließen Ertönen den Gesang, Der tiefer noch zu Herzen Mir ging als Flötenklang. Bildhübsche Mädchen wiegen Auf Matten sich zum Tanz; Aus hellen Augen blitzt es Wie Speer- und Schwerterglanz. Und dennoch bin ich traurig, Denn eins ich sehr beklag': Von allen meinen Freunden Ist keiner beim Gelag'. Schon mancher ist gestorben, Und seine Spur verschwand, Doch die auch, welche leben, Sie sind wie fortgebannt. Die Jugend nur ist fähig Zu Freude und Genuß, Das Alter schafft Beschwerden Und hundertfach Verdruß.

5. Der Verstoßene. 1 0 Vater! sieh', es friert dein Sohn. Den Sohn, o Mutter! Hunger quält. Man schlage ihn, wenn er gefehlt, Doch nicht Verstoßung sei sein Lohn! 1

Das Gedicht lehnt sich an ein altes Volkslied an, das den Yin Po-tch'i (9. Jahrhundert n. Chr.) zum Verfasser haben soll. Dieser war auf Anstiften seiner Stiefmutter von seinem Vater Yin Tchi-fu verstoßen worden. Nach der Sage war er, bevor er von seinem Vater zurückgerufen wurde, in einen Ziegenmelker verwandelt. Die böse Stiefmutter wurde darauf von letzterem getötet.



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In dieser Öde leb' ich hier, Treib' mich tagein tagaus herum. Kein Menschenlaut ertönt ringsum, Und niemand kommt und spricht mit mir. Wo Wo Ich Die

find' ich, wenn es kalt, ein Kleid ? Speise, wenn ich hungrig bin? schweife durch die Wildnis hin. Füße sind vom Reif beschneit.

Für einen Sohn das Mutterherz Von Lieb' und Mitleid stets erwärmt. Wenn keine Mutter sich erbarmt, Dann mag er klagen seinen Schmerz.

6. Die Reiher. 1 Der Reiher trägt im Schnabel Zum Nest ein Zweiglein fein; Mit einem Stückchen Erde Kehrt heim die Gattin sein. Das Nest ist bald vollendet, Doch unfruchtbar die Eh'. Die Sitte will, daß deshalb Man auseinander geh'. O, wie sind doch die Fluten Des Kiang und Han 2 so weit, Daß ganz darauf verschwindet Des Reihers Winzigkeit. Sie würden in dem Wasser Sich finden nimmermehr, Woll'n um die Bäume fliegen Hintereinander her.3

1

2 3

A u c h diesem Gedicht liegt ein älteres Lied zugrunde. A l s Schang-ling Mu-tse fünf Jahre verheiratet war und keine Kinder hatte, wollten seine Eltern, daß er sich von seiner Frau trenne. Diese hörte davon, erhob sich des Nachts und weinte, an die Tür gelehnt. Ihr Mann merkte es, ergriff seine Laute und sang ein Lied, wodurch er ihr seine Absicht, sie nicht zu verlassen, zu erkennen gab. Der Y a n g t s e und sein großer Nebenfluß. Die beiden Reiher, d. h. M a n n und Frau, wollen zusammen bleiben.



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7. Nachtlied. Stille ist die Nacht, Rein des Mondes Schein. In dem leeren Raum Ruhe ich allein. Und ich denke nach, Daß ich frei von Pein, Daß die Wünsche mir All' erfüllet sei'n. Welcher Kummer dringt In die Freude ein ? Dies nur schmerzt mich, daß Meine Kraft zu klein.1

8. Die Wildgans.2 Klagend klingt ihr Wanderlied, Wenn vorbei die Wildgans zieht. Südwärts fliegt im Herbst sie fort Und im Lenz zurück gen Nord. Wird es kalt, ist wohl bekannt Ihr der Weg ins warme Land. Erd' und Himmel dehnt sich weit, Und zur Rast ist wenig Zeit. Bitterkalt wehn Schnee und Wind, Spärlich Reis und Hirse sind. Manche Feder sinkt herab, Und ihr Körper magert ab. Klagend flattert sie umher, Kein Genosse folgt ihr mehr. Winkt ein Eiland nur von fern, Ließe sie sich nieder gern. In Kiangnan die Wasser stehn, Drüberhin die Wolken wehn. Hoch das Gras ist, weich der Sand, Und kein Netz ist aufgespannt. 1

2

JHan Yü bedauert, daß, als um 785 n. Chr. viele Mächtige des Reiches rebellierten und den Kaiser aus seiner Hauptstadt verjagten, er nicht die Kraft besaß, zu helfen. Das Gedicht soll aus dem Jahre 799 stammen und der Dichter sein eigenes Schicksal mit dem der Wildgans vergleichen.



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Einträchtig der Gänsezug Hält dort an in seinem Flug. Alles Leid man schnell vergißt, Und das Herz zufrieden ist. Sage Freund, was meinest du ? Strebt man bald den Wolken zu?

9. Frühlingssehnen.1 Du fragst, wohin so oft sich mir Mein tiefes Sinnen wendet. Es eilet weit, weit fort von hier, Bis wo der Erdkreis endet. Nach Norden, Süden, Osten, West Möcht reisen ich von hinnen. Mich halten tausend Flüsse fest Und tausend Bergeszinnen. Der Lenzwind weht im Garten draus, Und alle Knospen springen. Die Morgensonne trifft mein Haus, Und hundert Vöglein singen. Drei Und Wie Wie

Becher sollen Trunkenheit Seelenruh' mir geben. lange währt noch Schmerz und Leid, lange noch dies Leben ?

10. Meng Tung-yeh's Verlust seiner Söhne.2 Die Söhne du verlörest. Wem mißt die Schuld du bei? Dem Himmel will ich's klagen, Daß er der Schuldige sei: „Wie kommt's, wenn du die Herrschaft Der Welt in Anspruch nimmst, Daß du stets Lohn und Strafe So ungerecht bestimmst?" 3 1 2

3

Das Gedicht wurde 806 n. Chr. gedichtet. Das Gedicht soll 807 oder 808 n. Chr. entstanden sein. Der Dichter suchte damit seinen Freund Meng Tung-yeh, welcher innerhalb weniger Tage seine drei Söhne verloren hatte, zu trösten. Der Himmel wird als Person aufgefaßt als gleichbedeutend mit Schang-ti, Gott, wie in den Klassikern.



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„Was haben jene Menschen Denn Gutes dir getan, Daß du sie reich beschenktest Auf langer Lebensbahn?" „Und welche Schuld und Sünde Der andre hier beging, Daß er nach wenig Tagen Schon ein zum Tode ging?" Der Himmel fand nicht Muße Zu hören, was ich rief. Die Träne floß zur Erde Bis zu den Quellen tief. 1 Und in der Erde klagte Darob die Geisterschar. Erfaßt von einem Schauer Sie tief ergriffen war. Man rief die große, weise Schildkröte 2 drauf hervor. Auf einer Wolke reitend Klopft sie ans Himmelstor. Sie fragt, warum des Himmels Wirken so zwiegespalt, Bisweilen voller Güte, Dann wieder hart und kalt. Der Himmel gab zur Antwort: „Vom Anbeginn der Zeit Sind Himmel, Erd' und Menschen In Unabhängigkeit." 3 „Ich häng' die Mondessichel Auf und den Sonnenball, Befestige die Sterne Am Firmamente all." „Der Mond gar oft die Sonne, Die Sonn' den Mond verschlingt. 4 Gar mancher von den Sternen Stürzt nieder und versinkt." 1 2

3 4

In der Unterwelt. Die Schildkröte gilt als eins der mit übernatürlichen Kräften begabten Tiere. Man rühmte ihr Alter und ihre Weisheit. Die Stücke ihres Panzers wurden zum Wahrsagen benutzt. Deshalb ist der Himmel für das Schicksal der Menschen nicht verantwortlich. Bei Sonnen- und Mondfinsternis.



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„Nicht ich bin es, der jemand Der Sünde klaget an: Ich kenne das Verhängnis, Er ist nicht schuld daran."1 „Den Wesen ist ihr Schicksal Vorausbestimmt von Haus. Wen gibt es wohl, der irgend Einfluß drauf übte aus ?"2 „Der eine Mensch hat Söhne, Der andre sie entbehrt, Und keiner weiß, warum ihm Freud' oder Leid beschert." „Es führt der Fisch im Magen Die Eier seiner Brut. Wer könnte jedem Fischlein Gewähren Schutz und Hut?" „Die Wespe trägt nie Kinder In ihrem dünnen Leib, Und ihre ganze Sippe Bleibt immer ohne Weib." 3 „Die Eule 4 pickt der Mutter Gehirn und frißt es auf, Und wenn die Mutter tot ist, So ist ihr Kind wohlauf." „Wenn eine giftige Natter Und eine Schlange kreißt, Das Junge schon der Mutter Das Innere zerreißt."5 „Ein guter Sohn mag sein wohl Der Eltern Glück und Glanz; Auch er kann nicht vergelten Die Lieb' und Treue ganz".

1 2 3

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Das Fatum ist nicht eine Folge menschlicher Tätigkeit, für welche der Himmel Vergeltung übte. Das Schicksal ist blind und sinnlos. Niemand hat Einfluß darauf. Nach chinesischer Auffassung gibt es bei den Wespen keine männlichen und weiblichen. Sie haben keinen Nachwuchs und ziehen deshalb die Larven von anderen Insekten als ihre Kinder auf. Sie ist berüchtigt wegen ihrer unkindlichen Gesinnung. So bösartig ist schon die kleine Natter.



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„Und über böse Söhne Man besser schweigen tut: Sie handeln wie die Eulen Und wie die Natternbrut". „Drum sollte, hat man Söhne, Man drob erfreut nicht sein, Und hat man keine Söhne, Nicht fühlen Schmerz und Pein". „Die großen Weisen Nicht Unterweisung Der Kluge hört die Und nimmt sie sich „Der Tor Und wird Was man Er ändert

brauchen mehr. Worte zur Lehr'."

vernimmt die Mahnung verwirrt und dumm. ihm auch mag raten, sich nicht um." 1

Dies alles tief sich beugend Das weise Tier vernahm, Und noch am selben Tage Mit Botschaft heim es kam. Zur klugen Schildkröt' sprachen Die Erdengeister dann: „Geh' hin und überbringe Die Kunde jenem Mann". In jener Nacht im Traume Tung-yieh hat gesehn In schwarzem Kleid und Hute Jemanden vor sich stehn.2 Durch seine Kammertüre Trat er mit hastigem Schritt Und teilte ihm die Botschaft Des Himmels dreimal3 mit. Er neigte sich zum Gruße, Sprach Dank dem schwarzen Gast Und wurde wieder heiter. Es wich des Kummers Last. 4 1

2 3 4

Die Unterscheidung der Menschen in diese drei Klassen stammt v o n Konfuzius. Die Schildkröte erschien als schwarz gekleideter Fremdling. U m die Mitteilung recht eindringlich zu machen. Dieses eine ausgeprägte Skepsis zur Schau tragende Gedicht ist ein gutes Gegenstück zu H a n - y ü ' s berühmtem E s s a y über die Verehrung eines Buddha-Knochens.



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Liu Yü-hsi 1 : A-tchiao's Kummer. Von fernher winkten glückverheißend ihr Mit buntem Federschmuck des Herrn Standarten. Schon ließ die Blumen 2 fegen sie im Garten, Wollt' öffnen ihm des Goldpalastes Tür. Auf Kundschaft schickt sie eine Sklavin aus, Um schleunigst sich're Nachricht zu erlangen. Die meldet, daß der Kaiser sei gegangen Soeben in der Fürstin Ping-yang 3 Haus.

Po Tchü-i 4 : 1. Verschiedenes Los. In dichten Scharen, mit stolzem Sinn Reiten sie auf der Straße dahin. Die Sättel, der Rosse blankes Fell Trotz dem Staube erglänzen hell. Ich möchte mich erkundigen gern, Wer wohl sind diese hohen Herrn ? Darauf erwidert mir irgendwer, Es seien Beamte vom Hofe her. Wer scharlachroten Gürtel hat Ist immer ein Geheimer Rat, Und an dem purpurfarbenen Band Wird leicht der General erkannt. Im Lager gibt man ein festliches Mahl, Zu diesem eilen die Stolzen all'. Wie eine Wolke von Mann und Roß So zieht dahin der ganze Troß. Aus Humpen, Pokalen, Kanne und Krug Strömt hervor des Weins genug. Es sendet aus weiter Ferne her Erlesene Genüsse Land und Meer. Von allen Früchten zumeist entzückt Die Orange, am Tung-t'ing See5 gepflückt, Und man servieret als Hasche Die schuppigen Fische des „Himmelssee". 1 2 3 1 5

Liu Yü-hsi, 772—842 n. Chr. Die abgefallenen Blumen. Im Hause der Prinzessin von Ping-yang hielt sich eine Rivalin auf, welcher Han Wu-ti seine Gunst zugewandt hatte. Po Tchü-i, 772—846 n. Chr. In der Provinz Hunan.



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Die üppigen Tafelfreuden just Erwecken den Frohsinn in der Brust. Weinlaune auch und Trunkenheit Vermehren noch die Heiterkeit. Und dabei eine Dürre war Im Kiang-nan Gebiet in diesem Jahr.1 In Tch'ü-tschou2 gar, wie man erfährt, Ein Mensch den andern hat verzehrt.

2. Winterabend. Grüner Wein, 3 gegoren schon, Wartet deiner heuer. Ofen ist aus rotem Ton, Und es brennt das Feuer.4 Schon der Abend bricht herein, Und es scheint, als wollt' es schnein. Trinkst du nicht? 'S ist neuer.

3. Aufforderung zum Trinken. Wohlan, füll' mir den Becher Ganz voll mit edlem Naß: Sieh', wie vom Zweig die Blüten Abfallen ohn' Unterlaß! 5 Sag' nicht, Ich sei ein Ist es von Bereits ein

daß mit dreißig Jahren Jüngling noch; hundert Jahren6 Drittel doch.

4. Der Spätgeborene. Mir achtundfünfzigjährigem Mann Ward noch ein Sohn geschenket. Ich weiß nicht, ob ich freun mich kann, Ob nicht vielmehr mich's kränket. 1 2 3 4 6 6

Die Folge der Dürre war Mißernte und Hungersnot. Präfektur in Tschekiang. Chinesischer Wein ist aus Reis oder Hirse und entspricht mehr unserem Likör. Der Wein wird warm getrunken und auf dem kleinen Tonofen gewärmt. Die Zeit der Blüte, der Jugend und des Glücks vergeht schnell. Darum muß man die Zeit genießen und trinken. Hundert Jahre gelten als die eigentliche Länge, die das menschliche Leben haben sollte.



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Daß sie nur eine Perle trug, Das t u t der Muschel wehe. Acht Jungen sind mehr als genug, Doch nicht für eine Krähe. 1 Des Zimxntbaums Früchte spät erst sind Im Herbst hervorgeschossen, Doch schon im lauen Frühlingswind Sieht man Päonien sprossen. 2 Ich nehm' den Becher in die Hand Und leer' darauf den vollen: „Nie mögest du an Unverstand Dem Vater gleichen wollen." 3

5. Klage um den Sohn Ts'ui. 4 Eine Perle hatte in den Händen Mein geliebter Sohn; er war drei Jahr. Sechzig wird sein Vater bald vollenden. Schon bedeckt der Schnee sein Schläfenhaar. Ach, wie hätte ich wohl ahnen können, Daß vor mir du würd'st von hinnen geh'n! Konnte mir der Himmel nicht vergönnen, Dich zum Manne reifen noch zu sehn ? Nicht ein Schwert in meinem Busen wühlet, Nein, vom Kummer ist es wie durchbohrt! Nicht von Staub getrübt mein Aug' sich fühlet, Nur von Thränen ist es ganz umflort. Leer ist es in meinen Armen wieder, Doch der Himmel schweigt und bleibet stumm. Seit der Schicksalsschlag mich beugte nieder, Gleiche ich dem Teng Yu 8 wiederum. 1

2 3 4 5

Die Zahl der Nachkommenschaft ist bei den verschiedenen Geschöpfen verschieden. Für eine Krähe sind acht Junge nicht zuviel, für eine Muschel ist eine Perle, die als Kind der Muschel gilt, zu wenig. So ist auch ein Sohn zu wenig und seine Geburt erweckt bei einem schon alternden Vater gemischte Gefühle. Der Dichter gleicht, da sein Sohn so spät geboren, dem Zimmtbaum. Ein Toast auf den Sohn, womit der Dichter sich selbst ironisiert. Dieser einzige, spät geborene Sohn des Dichters starb im Jahre 831 n. Chr. Dieser auf der Flucht gab seinen eigenen Sohn preis, um den Sohn seines verstorbenen Bruders zu retten, da er beide nicht fortschaffen konnte. Der Neffe sollte die Familie des Bruders fortsetzen. Teng Yu hoffte, später noch einen anderen Sohn zu erhalten, sah sich aber in dieser Hoffnung getäuscht. Er starb 326 n. Chr.



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6. Der alte Hut. Einen schwarzen Gaze-Hut Hast vor vielen Jahren Du geschenkt mir altem Mann Mit den weißen Haaren. Auf dem Haupte diesen Hut Trage ich noch heute, Doch der Geber, ach! schon längst Ward des Todes Beute! Muß ein Mensch, so scheint es mir, Seinen Geist aufgeben, Dann entsteht durch seinen Tod Neu ein Pflanzenleben. Heilige und Weise drum Stets einmütig walten, Daß harmonisch der Natur Kräfte sich entfalten. 1

7. Kinderspiele. Ein Paar frische, lust'ge Bübchen, Sieben Jahr alt oder acht, Angetan mit prächt'gen Kleidern Toll'n umher in wilder Jagd. Werfen sich mit Stückchen Erde, Stehn mit Gerten kampfbereit, Und so spielen sie und jauchzen Voller Lust die ganze Zeit. Über mich hinweggegangen Ist bereits gar manches Jahr, Und manch' weißer Seidenfaden Zeigt sich schon in meinem Haar. Werde ich der kind'schen Spiele Mit dem Bambuspferd 2 gewahr, Denk' der Zeit ich, wo ich selber So ein töricht Knäbchen war. 1

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N a c h chinesischer Anschauung ü b t das Verhalten der Weisen einen gün^ stigen Einfluß auf die Natur aus, so daß alles gut gedeiht. E i n Steckenpferd aus Bambus.



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Als ein töricht Knäbchen freute Mich unbändig Scherz und Spiel, Jetzt, nachdem ich alt geworden, Habe ich der Sorgen viel. Wenn durch Jugend mich und Alter Ruhige Betrachtung führt, Weiß ich nicht zu sagen, welcher Zeit der Torheit Preis gebührt.

8. Das Amtshaus. Erneuert sich hatten Die Blätter am Baum, Es deckten die Schatten Den unteren Raum. Wie kann man nur reden Von des Kreisamtmann's Haus ? Es sieht doch für jeden Wie des Einsiedlers aus. 1 Der Kreisamtmann 2 findet Dort Ruhe und Rast, Und ganz überwindet Die Hetze und Hast. Beim Aufstehn genießt er Etwas duftenden Tee, Im Spazierengehn liest er, Hat ein Buch in der Näh'. Als der Pflaumbaum die vielen Grünen Früchte noch trug, Roten Perlen gleich fielen Reife Kirschen genug. 3 Meine Mädchen erhaschten Die Früchte bei Zeit; Sie tollten und naschten Und zerrten mein Kleid. Am Abend des Tages War Friede und Ruh. Selbst die Vöglein des Hages Nicht riefen sich zu. 1 2 3

So einfach ist es gehalten. Der Dichter selbst. Die Kirschen waren schon reif, die Pflaumen noch nicht.



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Nur den Lockruf erklingen Ließ die Elster der Brut; Krähe „kra, kra" tat singen, Hielt die Jungen in Hut. Doch es späh'n nach den Kleinen Nicht die Vögel nur aus, Ich auch führte die meinen Am Abend nach Haus.

9. Nächtliche Klage einer Krähe. Eine Krähe die geliebte Mutter durch den Tod verlor, Und sie stieß im Klagetone Immer ihr „kra, kra" hervor. Nicht am Tage und auch nachts nicht Flog sie fort von ihrem Horst, Sondern blieb das ganze Jahr durch Unentwegt im alten Forst. Also Tag Und Hat

tönten ihre Klagen für Tag, die halbe Nacht, gar manchen, der es hörte, zu Tränen sie gebracht.

Ist es doch, als ob die Stimme Klagend diese Worte spricht: „Noch hab' ich die liebevolle Fütterung vergolten nicht". Haben nicht die andern Vögel Eine Mutter so wie du? Warum bist nur du so traurig, Daß du jammerst immerzu? Sicherlich hat deine Mutter Dich geliebet einst gar sehr; Das erkläret deinen Kummer; Deshalb ist dein Schmerz so schwer. Als vor vielen, vielen Jahren Starb die Mutter des Wu Tch'i,1 Hielt er fern sich dem Begräbnis Und betrauerte sie nie. 1

Wu Tch'i starb 381 v. Chr. Berüchtigt durch die Ermordung seiner Gattin, die er opferte, um dem Fürsten von Lu seine Treue zu beweisen. 7

Forke.



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Ach! es gibt auf Erden leider Leute auch von diesem Schlag. Menschen ohne Herzensgüte Stehn sogar den Vögeln nach. Oh, die Liebe dieser Krähe! Diese Kräh' so liebereich Ist an Treue unter allen Vögeln ganz dem Tseng-tse1 gleich!

10. Am Hsi-hu. An den See der Frühling trat, Hat sein Bild entfaltet; Um die Wasserfläche ziehn Berge, vielgestaltet. Auf den Bergen und im Tal Tannenwälder schimmern, In den Well'n vom Mond entfacht Helle Perlen flimmern. Grünen Teppichfäden gleich Sproßt das Frühgetreide2 Junge Binsen sind der Saum Eines Rocks aus Seide.3 Wirklich, ich vermag noch nicht Hangtschou preiszugeben.4 Was mich halb zurück noch hält Ist sein See ja eben.

Liu Tsung-yüan.5 1. Nacht. Ich wache auf und lausche: In Mengen fällt der Tau; Und öffnend meine Türe Ich in den Garten schau'. 1 2 3 4 6

Schüler des Konfuzius, berühmt wegen seiner kindlichen Liebe. Am Ufer. Das grüne Ufer wird mit einem seidenen Kleide verglichen, welches von Binsen umsäumt wird. Der Dichter war Gouverneur von Hangtschou, dessen herrlicher See bekannt ist. Liu Tsung-yüan, 773—819 n. Chr.



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Vom Gipfel des Bergs im Osten Blickt nieder der Mond gar kalt. Die Bambusschäfte rauschen Von seinem Glanz bestrahlt. Die Quelle hört in der Ferne Man rieseln im Gestein Und plötzlich auch am Berge Laut einen Vogel schrein. Ich lehnte an eine Säule, Bis daß es wurde licht, I n tiefes Sinnen versunken, Und Worte fand ich nicht.

2. Frühlingsbotschaft. Frühling, wenn du weiterziehst, Möcht ich eins dich fragen, Wann du wohl mein Tch'in-yüan siehst, Sag', nach wieviel Tagen. 1 Nimm den Traum der Wiederkehr Mit dir in die Ferne. 2 In dem alten Garten war' Ich zurück so gerne!

Tschang Tchi 3 : Die beiden Perlen. Daß ich einen Gatten habe, Weiß ich, ist dir wohlbekannt, Dennoch hast zwei helle Perlen Du mir zum Geschenk gesandt. Dein Gemüt erscheint verwirrt mir. 0 , es t u t mir innig leid. Hielt auch deine beiden Perlen An mein rotes Gazekleid. Dicht beim kaiserlichen Parke Raget unser Haus empor. Mein Gemahl mit Hellebarde Steht der Schloßleibwache vor. 1

2 3

Der Dichter befindet sich in Ling-ling der Provinz Hunan, in Südchina und sehnt sich zurück in seine nördlichere Heimat, wo es erst später Frühling wird als im Süden. Nur seine Gedanken, den Traum kann er in die Ferne senden, aber selber nicht folgen. Vgl. die ähnliche Wendung im letzten Vers S. 19. Tschang Tchi, 8 . - 9 . Jahrhundert. 7*



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Oh, ich kenne deine Einsicht, Die wie Sonnenlicht so klar: Meinem Gatten schwur ich Treue Bis zum Tode immerdar.1 Geb' zurück dir beide Perlen, Hab' zwei Tränen drauf geweint. Ach, daß wir uns nicht gefunden, Eh' dem Gatten ich vereint!

Li Tuan 2 : Mondverehrung. 3 Als den Vorhang sie gehoben, Sah den neuen Mond sie droben, Neigte sich ihm zugewandt Demutsvoll. Ihr leises Flehen Konnten Menschen nicht verstehen. Nordwind blies durch ihr Gewand.4

Liu Fang-p'ing 5 : Im Goldpalast. 6 Vom Fenster aus sieht man sinken Die Sonne. Der Abend graut. Die Spuren ihrer Tränen Hat niemand im Goldhaus geschaut. Lenz stirbt. Aus dem öden Palaste, Da tönt kein Laut hervor. Die Birnbaumblüten fallen; Verschlossen bleibt das Tor.

Ts'ui Hu 7 : Erinnerung. Grad' ein Jahr her ist es heute, Und es war in diesem Haus: Manch' Gesicht, das mich erfreute, Sah wie Pfirsichblüte aus. 1

Du bist so klug, daß du einsehen mußt, daß ich den einmal gegebenen Schwur der Treue nicht brechen kann. Li Tuan, 8.—9. Jahrhundert. 3 Der Mond wird speziell von Frauen verehrt. 4 Der Kommentator vergleicht dieses kleine Gedicht mit den gefühlvollen Versen der Tse Yeh. Siehe S. 17 und „Blüten" S. 35 fg. 6 Liu Fang-p'ing, 8.—9. Jahrhundert. 6 Der Palast der A-tchiao, einer Gemahlin des Kaisers H a n Wu-ti, 2. Jahrhundert v. Chr., welche später seine Gunst verlor und verlassen in ihrem Goldpalast saß. Vgl. dazu das Gedicht des Liu Yü-hsi. S. 92. Giles irrt, wenn er in seiner „Chinese Poetry in English Verse" S.154 das Gedicht „The Spinster" benennt. * Ts'ui Hu, 8 . - 9 . Jahrhundert. 2



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Weiß nicht, wohin wohl gekommen Alle die Gesichter sind. Pfirsichblüten sind entglommen, Lächeln neu dem Frühlings wind.

Li She 1 : Am Berge. Wie von trunk'nem Traum umfangen Hör' ich, daß der Lenz vergangen, Schleppe auf den Berg mich hin. Mit des Bambushaines Priester Plaudr' ich; find' im Lebensdüster Einen halben Tag Gewinn.

Tschu Tch l ing-yü 2 : Das Geheimnis.3 Still ist's trotz Frühlings weben, Das Tor bleibt zugetan. Zwei holde Frauen schweben Zum buntgeschmückten Altan. Sie wagen nicht, was geschehen, Im Schlosse, zu sagen frei, Aus Furcht, es könnte verstehen Der lauschende Papagei.

Meng Tsch'i 4 : Im Tschang-hsin Palast. Der Fürst entzog seine Gunst der Maid. Wem könnte ihr Leid sie klagen? Noch haftet sein Duft5 an ihrem Kleid, Das jüngst sie beim Tanz getragen. Ach! könnte sie In der Luft wie Dann würde sie Vor des Kaisers

den Körper leicht die Schwalbe wiegen, im Lenz vielleicht Fenster fliegen.

Li Hsien-yung 6 : Der Einsiedler. Im Wald, wo dichter Nebel steht Und kühl es ist im Sommer, Wohnt einsam ein Anachoret Schon Jahre lang, ein frommer. Li She, Anfang des 9. Jahrhunderts n. Chr. Tschu Tch'ing-yü, 9. Jahrhundert, ein Schüler des Tschang Tchi S. 99, bestand 825—827 das tchin-schi Examen. 3 Es handelt sich vermutlich um Herzensangelegenheiten der Palastdamen. 1 Meng Tsch'i, 9. Jahrhundert, tchin-schi des Jahres 845. 6 Parfüm, das der Fürst ihr früher geschenkt hat. • Li Hsien-yung's Zeit ist nicht genauer bekannt. 1

2



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Für ihn gibt's keine Steuernot: 1 Nicht viel ward ihm zum Erbe. Zumeist auf einem Angler-Boot Betreibt er sein Gewerbe. Es mag zurück der Geist von Schu 2 Den Glanz des Frühlings bringen, Der Reiher, wenn schon Abendruh, Sich durch den Nebel schwingen. 3 Nicht ficht's ihn an, wenn rings im Land Man hört die Waffen klirren. Ein Engel ist er, der verbannt, Und nichts kann ihn verwirren.

Ts'ui Min-t'ung 4 : Trinklied. Jedes J a h r pflegt uns auf's Neu' Einen neuen Lenz zu geben. Doch, wenn hundert J a h r vorbei, Sind wir all' nicht mehr am Leben. Wievielmal im Blütenhain Kannst dem Trünke du noch huldigen ? Zahle tausende für Wein: Armut kann dich nicht entschuldigen.

Ts'ui Hui-t'ung 5 : Ein Gleiches. Während eines Monats Frist Lächelst du nur wenig Male. Wenn der Zeitpunkt günstig ist, Schlürfe aus der vollen Schale. Denn du siehst die Frühlingspracht Wie das Wasser schnell zerflossen Und die Blume über Nacht Welk, die gestern sich erschlossen. 1

Er hat nichts zu versteuern. Der Geist eines Kaisers von Schu soll sich nach seinem Tode in einen Ziegenmelker verwandelt haben. Von diesem heißt es, daß er, wenn der Frühling schon im Schwinden ist, durch sein intensives Schreien, wobei sogar Blut fließt, den Frühling zurückbringen könne. 3 Trotz der Dunkelheit strebt der Reiher noch in die Höhe. Der Sinn der Strophe scheint zu sein, daß der Einsiedler nicht die Energie der beiden Vögel entfaltet, sondern, was auch geschehen mag, in Ruhe und Frieden lebt und seinen Gleichmut bewahrt. * Ts'ui Min-t'ung's Zeit ist nicht genauer bekannt. 6 Ts'ui Hui-t'ung, Bruder des Ts'ui Min-t'ung. 2

Sung Zeit 10. bis 13. Jahrhundert.

Hsü Hsüan. 1 1. Weidenzweige. I. Ich möchte dir bei einem Becher Wein Ein Liedchen von den Weidenzweigen singen. Die Saiten sollen hell dazu erklingen, Und auch die Flöte töne mit darein. Zur Frühlingszeit, da ist es unsre Pflicht, Daß Tag für Tag wir sei'n vom Weine trunken. Bedenke wohl, wie in den Staub gesunken Gar bald die Blätter, die der Herbstwind bricht. II. Am Wasserkiosk war Frühlingsherrlichkeit; Die Winterkälte plötzlich ward beendet. Die Morgentoilette war vollendet; An das Geländer stand gelehnt die Maid. Die langen Weidenzweige schwankten wild Und hin- und herbewegt die Flut sie hatten. 2 Sie wollten nicht dem schönen Kind gestatten, Daß in den Wellen es erschau' sein Bild.

2. Traumfahrt. Im Südland lebte ein Mägdelein „Nephrit",3 gar lieblich zu schauen. Wie Lotus waren die Wangen fein, Wie ferne Berge die Brauen. Zu einem Elfen in Liebe entfacht, Stand sie in heimlichem Bunde. Die Mutter hegte keinen Verdacht Und hatte davon nicht Kunde. Im Traum durchflog sie das Wolkenland, Kam heim dann in Windeseile. Er führte heimlich sie an der Hand, Die in Angst, daß zu lange sie weile.

1 2 3

Hsü Hsüan, 916—992 n. Chr. Die Weidenzweige hingen in das Wasser. Yü-erh = Nephrit war ihr Name.



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Und nach der Trennung jedesmal Stand sie am Fenster versonnen, Und hat dann eine ganze Zahl Kehrverse 1 zu weben begonnen.

Wang Yü-tschceng2: 1. Auf dem Wusung Fluß.3 Durch den dünnen Binsenvorhang4 Schräg die Sonne Strahlen sendet. Lange Zeit schon sing' ich einsam, Eh' die Flußfahrt ich vollendet. Und es scheint mir, daß der Reiher Nur versteht, was mich beweget, Der vor meines Bootes Fenster Sich emporreckt unentweget.

2. Im Winter. Daß ich Glanz und Rang verloren, Soll mich jetzt nicht weiter kränken, Will an meines kranken Körpers Pflege diesen Winter denken. Am papierbeklebten Fenster5 Schon den Schnee ich rascheln höre. Wärme gibt der rote Ofen, Als ob's Lenz und nicht mehr fröre. In den Kufen rührt den Wein man; Schon beginnt der Schaum zu zischen Und man streift die weißen Schuppen Von im Bach gefang'nen Fischen. Jetzt beim Nah'n des neuen Jahres Fast die Amtsgeschäfte ruhen: Sekretäre, Magistrate Haben kaum etwas zu tuen. 1 2 3 4 5

Verse, die von vorn und hinten gelesen werden können Wang Yü-tsch'eng, 954—1001 n. Chr. Der bekannte Fluß bei Schanghai. Der Binsen Vorhang v.or dem Fenster des Hausboots. Glasfenster sind in China sehr selten.

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Palindrom.



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Mei Yao-tsch'en 1 : 1. Die Eifersüchtige. Von Huan, dem Minister, 2 sagt man, Daß er in alter Zeit Als zweite Frau genommen Eine wunderschöne Maid. E r hatte als erste Gattin Gewählt die Prinzessin Nan. Von Eifersucht sie entbrannte, Wie nur eine Frau es kann. Sie griff nach einem Messer, Rief ihre Frauen schnell Und wollte die Rivalin Erstechen auf der Stell'. Bei ihrer Toilette Die grade am Fenster war Und kämmte vor dem Spiegel Ihr aufgelöstes Haar. Ihr Haar, das in vollen Strähnen Wie Wellen zu Boden wallt, Indes in blinkender Vase Sich spiegelt die schöne Gestalt. Und als das Nahen der Herrin 3 Bemerkt sie hatte kaum, Da raffte ihr Haar sie zusammen Und floh in den unteren Raum. Die Hände gefaltet, nannte Den Ort sie, woher sie kam, Als ihr Reich zugrunde gegangen, Vernichtet ihr ganzer Stamm. Daß sie hierher gekommen, Sei nicht ihr eig'ner Entschluß. Nie hätte gewünscht sie zu dienen Dem fremden Herrn zum Genuß. Und sollt' sie am heutigen Tage Empfangen den Todesstreich, Das Leben und das Sterben, Es sei ihr beides gleich. 1 2 3

Mei Yao-tsch'en, 1002—1060 n. Chr. Huan T'ui, Kriegsminister in Sung und Feind des Konfuzius, gegen dessen Leben er einen Anschlag machte. Lun -yü VII, 22. Die Konkubine hat der ersten Gattin gegenüber die Stellung einer Dienerin.



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Da warf die Eifersüchtige Die Klinge vor sich hin, Umarmte mit tiefem Seufzer Die Nebenbuhlerin, Und sprach zu ihr: „Deinem Anblick Zu trotzen vermag ich nicht. Was mußte da erst empfinden Der alte Bösewicht!" So wuchs aus grimmen Zorne Die reinste Freude hervor, Und inniges Mitleid erfüllte Ihr Herz wie nie zuvor. Die Eifersucht war verschwunden, Besiegt durch die Schönheit hehr, Und ihre früheren Schmerzen Quälten sie jetzt nicht mehr.1

2. Totenklage. Eben war vom Himmel schon Mir die Frau genommen, Als um's Leben auch mein Sohn Plötzlich ist gekommen. Meine beiden Augen sind Immer feucht von Tränen. Daß im Tod es Ruhe find', Ist des Herzens Sehnen. Regenflut zu Boden fließt, In die Erde dringt sie. Wenn gelöst die Perle ist, Tief im Meer versinkt sie. Tauchst du in des Meeres Nacht, Dort die Perle flimmert, Gräbst du einen tiefen Schacht, Drin das Wasser schimmert. 1

Balladenartige Gedichte wie dieses sind in der chinesischen Lyrik sehr selten.



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Aber stieg der Mensch, o Graus, Z u den Schatten nieder, Ist für alle Zeit es aus; Nie sieht man ihn wieder. 1 W e n danach ich fragen soll Wie's im Tode gehe ? Wohl den Geist, den kummervoll Ich im Spiegel sehe. 2

3. Das Aufgeben des Trinkens. Solang' ich noch an Jahren jung, Erfreute mich ein guter Trunk, U n d wenn man gern vom Weine zecht, Trinkt man davon leicht mehr als recht. Jetzt ist es anders als zuvor, D a Zähne ich und Haar verlor. Noch immer liebe ich den Wein, Allein mein Quantum ist nur klein. So oft ich mich am Wein geletzt, Folgt Übelkeit zuguterletzt, Und widerwillig fügt sich nur Dem Rausch die innere Natur. Wenn morgens ich v o m Rausch erwach', Den Kopf ich k a u m hochheben mag. Mein Zimmer kreiset um mich her, A l s wenn's ein Wasserwirbel war. Die Lust, die ich v o m Wein begehrt, Wird so zur Krankheit mir verkehrt. U n d solches Leiden schwerlich schafft Uns Förderung der Lebenskraft. Drum ist von jetzt ab mein Entschluß, Z u meiden allen Weingenuß. Dabei nur fürcht' ich eins allein: Der andern Spott und Stichelei'n. 1 2

Der Tote hinterläßt keine Spur, wie etwa das einsickernde Wasser oder die Perle. Wohl ein Zauberspiegel, in welchem Geister in ihrer wahren Gestalt erscheinen.



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F r e u n d Fan hingegen stets nur denkt, Wie er mich wohl zum Guten lenkt, Gar manches bitt're Wort er spricht, Und billigt meine Neigung 1 nicht.

Mir scheint das beste wohl zu sein, Ich stelle ganz das Trinken ein. Was sollte daraus werden noch, Wenn ich stets weiter trinke doch ?

Ou-yang Hsiu 2 : 1. Staubsturm. Der Nordwind weht daher den Sand, Auf tausend Li ist gelb das Land. Mein Roß t r a b t auf steinichter Erde. Ich dulde gar manche Beschwerde. Zur Winterzeit die Pflanzen ganz Verlieren ihren frischen Glanz, Doch blitzen im Sonnenstrahle Der Schnee und die Eiskrystalle. Wohl hundert Tag' im Jahr vom Wind Und Staub erfüllt die Wege sind. 3 Zu wahren das Rot der Wangen Ist schwieriges Unterfangen. 4 Ich greife nach dem Sattelknauf, Treib' an mein Pferd zu schnellem Lauf. Im zweiten Monde erwarten Mich Wein und Blumen im Garten.

2. Abend am Wasser. Eis und Schnee in seinen Fluten wälzend, Rollt der Strom vorbei. Der erstarrte Bach, allmählich schmelzend, Fließet wieder frei. 1 2 3 4

Die Neigung zum Trinken. Ou-yang Hsiu, 1007—1072. In Nordchina sind die aus der Mongolei wehenden Staubstürme häufig. Das Gesieht der Reisenden wird v o n Staub bedeckt und sieht daher nicht mehr frisch rot, sondern ganz grau aus.



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In sein Heim zurück kehrt jeder wieder Wohl beim Abendrot, Und des Strandes Vögel fliegen nieder Auf des Anglers Boot.

3. An einen fernen Freund. Bis zum fernen Horizonte Wird der Lenzwind kaum gelangen, Und die Bergstadt kann im zweiten Mond noch nicht in Blüten prangen. 1 Letzter Schnee ruht auf den Zweigen, Die noch voll von Apfelsinen. 2 Kalter Donner schreckt die Sprossen, Welche gern schon möchten grünen. Hörst des Nachts den Schrei der Wildgans; Heimwärts die Gedanken lenkst du. 3 Auch im neuen Jahre schmerzvoll Nur der schönen Welt gedenkst du. Einstmals weiltest unter Blüten Du als Gast in Loyang's Mauern; Wenn's bei dir auch spät erst duftet, Solltest du darum nicht trauern.

4. An einen Gesandten. Man hieß als Han 4 Gesandten Nach Yu und Yen 5 dich gehn, Den oft von Sturm durchrannten, Wo Nebelmassen wehn. Bald hast mit deinen Zeichen 6 Du Berg und Fluß durcheilt, Bald hast in fernen Reichen I m Grenzzelt du geweilt. 1 2 3 4 5 6

Der Freund weilt an der Grenze, wo es erst später Frühling wird. Der Dichter muß in ziemlich südlicher Gegend weilen, denn in Nordchina wachsen keine Apfelsinen. Die Wildgans kommt im Frühling aus der südlichen Heimat des Freundes. Eine Bezeichnung für „Chinesisch", nach der alten Han Dynastie. Zwei Nordprovinzen in alter Bezeichnung. Abzeichen zur Beglaubigung der Mission.



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Dahin die Rosse flogen Beim Klange der Schalmei'n. Die schöngeschnitzten Bogen Spannt man im Mondenschein. Der eisigen L u f t zu wehren, Senkt man den Fächer flink, 1 Dem Gast es zu verehren, Löst man das Schwert vom Ring. 2 Man Auf Die Am

trommelt, Hörner schmettern Wällen in Wolkennäh'. Schaf' und Rinder klettern Berge, über'm Schnee.

U m hochgeschweifte Dächer Heult laut des Nordwinds W u t ; Der eisige Wein im Becher Treibt in die Wang' das Blut. Doch bald ist's Lenz, dann zeigen Die Felsen frisches Gras; Von grünen Ulmenzweigen Wird fast verdeckt der P a ß . E r s t muß gen Norden lenken Die Wildgans ihren Flug, Dann magst der Heimkehr denken Nach Süden d u mit Fug.

5. Frühlingsstimmung. Meine stille Traurigkeit Will durchaus nicht schwinden, Scheint gar durch die Frühlingszeit Nahrung noch zu finden. I n der Blumen Kelch hinein Weiche L ü f t e dringen, Blütenzweig' im Sonnenschein Auf und nieder schwingen.

1 2

Der Fächer wird nicht nur zur Kühlung gebraucht, sondern auch um die Sonnenstrahlen, Staub oder Wind abzuwehren. In einem der Quartiere, wo der Gesandte auf seiner Reise einkehrt.



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Emsig fliegt die Biene aus, Nippt von Blüten sonnig, Denn noch ist nicht voll ihr Haus Von dem klaren Honig. Doch des Frühlings Herrlichkeit, Sie vergeht geschwinde. Blüten fallen weit und breit Und verwehn im Winde. Nichts erscheint den Faltern schwer; Nur im Nichtstun tüchtig, Flattern lustig sie umher, Wie der Lenz so flüchtig. Hin und her die Vögel zieh'n, Und man hört sie singen. Ihre neuen Melodien Weich wie Flöten klingen. Sommerfäden 1 wall'n im Tanz, Sich um gar nichts kümmernd, Und im hellen Sonnenglanz Viele Fuß lang schimmernd. Also herrscht im Weltenall Schaffendes Gestalten, Und die Wesen fühlen all' Jetzt des frühlings Walten. Ich nur passe nicht hinein: Frühling lacht mir nimmer, Lange liege ich allein Krank im öden Zimmer. Ach, die schon verfloss'ne Zeit Nichts zurück kann bringen, Und es schafft nur Traurigkeit Mir mein lautes Singen.

6. Trinkverbot. 2

Freund, du hast Doch dem Weine Dafür möchte ich Mit dem Dichten 1 2

mich jüngst gebeten, abzuschwören. dir raten, aufzuhören.

Altweibersommer, der bekanntlich auch oft im Frühling fliegt. Der Dichter Mei Yao-tsch'en, mit Zunamen Scheng-yü. Sein Trinkverbot scheint nicht so ernst gemeint zu sein. Vgl. S. 109. 8

Forke.



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Vögel und Insekten fliegen Singend auf die Blütenbäume. Dauernd wechseln die Geschöpfe Und verwirren meine Träume. Morgens singe ich kopfschüttelnd, Runzele die Brau'n am Abend, Wie man Leber pflegt und Nieren Von H a n Yü 1 vernommen habend. Dieser Greis pflegt seinen Worten Aber selbst nicht nachzuleben. Ist es besser nicht im Rausche Das Bewußtsein aufzugeben 1 Wurden jene, die nicht tranken, J e befreit vom Todeszwange ? Will man gute Werke tuen, Zögere man nicht zu lange. 2 Tugendübung ist der heiligen Weisen des Jahrhunderts Stärke, Und bei andern schätzt die Nachwelt Tausend J a h r noch ihre Werke. Doch die übrigen, sie trinken Und berauschen sich an Weinen, Bis der Dinge Gegensätze Ausgeglichen ihnen scheinen. Daß der Leib, das Fleisch vergehen, Lehren beide Anschauungen. 3 Welche wird in diesem Streite Von der andern wohl bezwungen ? Von des Lebens Läng' und Kürze Lohnt sich's nicht zu diskutieren Und von hundert Jahr' 4 noch Fristen Kurz und lang zu statuieren. Deshalb trinke unverdrossen, Doch Gedichte schreib' darum nicht. Höre, Freund, auf meine Worte, Denn sie sind doch wohl so dumm nicht. 1

Vgl. S. 83. Han Yü scheint irgendwo eine besondere Diät empfohlen zu haben. Sonst wird man vom Tode ereilt. 3 Die eine will wegen der Vergänglichkeit des Lebens dauernden Ruhm erwerben, die andere das kurze Leben genießen. 4 Die Lebensdauer. Vgl. S. 93 Anm. 6. 2



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7. Die Waldtauben. 1 Will es regnen bald, J a g t der Tauber die Täubin und ruft durch den Wald. Und die Täubin schreit zornig, daß häßlich es schallt. Ist der Regen vorbei, Lockt der Tauber die Gattin, singt fröhlich und frei. Kommt heim sie nicht eilig, tönt weiter sein Schrei. Als fort sie gejagt, ihm zu langsam sie ging, J e t z t eilt auf den Lockruf nicht gern sie herbei. Ob Regen, ob Sonn', raunt mein Leiden mir zu. 2 Will abends ich schlafen, so find ich nicht Ruh'. Denn wenn trübe das Wetter, muß ich hör'n euer Schrei'n. Wann endlich hört auf ihr mit eurem „ru-ku?" Ihr seid zu den Toren zu zählen, Alle Vögel lachen euch aus; Könnt die tüchtige Gattin nicht wählen, Zusammen nicht bauen ein Haus. 3 Ihr fliegt von den Jungen im fremden Nest fort, Und die Lebensgefährtin verlaßt ihr sofort. Die Liebe des Gatten dem Bergriesen gleicht: 4 I m Nu eure Liebe und Treue entweicht. Euer Herz ist wohl jeden Gefühles nicht bar; Daß Wesen so töricht, ist traurig fürwahr. Seht Freunde ihr nicht, Wie auch Menschenherzen verschlagen gar sehr ? In Not und Gefahr, da kommt man sich näh'r, Doch wer morgens verwandt, gilt schon abends als Feind. Ach, daß Freundschaft zu wahren, seit alters so schwer!

8. Das japanische Schwert. Weit ist's bis zum Land der Kun-yi; 5 Man gelangt dahin nur schwer. Edelsteine soll'n sie schnitzen, Doch wer weiß, ob wahr die Mär'. 1 2

3

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Das Gedicht ist in unregelmäßigen Versen geschrieben, welche die Ubersetzung nachzubilden versucht. Der Dichter fühlt den Wetterumschlag in seinem Befinden vorher. Das Wetter liegt ihm in den Knochen. Daher bedarf er der Ankündigung der Waldtauben nicht. Die Waldtauben sollen nicht gemeinsam ein Nest bauen, sondern in andere Nester ihre Eier legen und ihre Jungen bald verlassen, was in Wirklichkeit nur vom Kuckuck gilt. So dauerhaft und unwandelbar ist sie. Ein Barbarenstamm in der Provinz Kansu, zu dem Wen-wang Beziehungen gehabt haben soll. Er wird hier nur als Gegenstück zu dem fernen Lande 8*



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Kürzlich kam ein Schwert gar kostbar Aus dem Lande Japan her. Es erwarb ein Yüeh 1 Kaufmann, Östlich von dem weiten Meer. Duft'ges Holz war seine Scheide; Eine Fischhaut klebte dran, Und wie Gold und Silber zierten Bronze es und Argentan.2 Hundert Unzen ein Liebhaber Für das Schwert dem Händler gab, Denn er schätzte es und wehrte Damit böse Geister ab. Jenes Land ist eine große Insel, sagt man uns, im Meer. Reich und fruchtbar ist der Boden, Und es herrscht dort Zucht und Ehr'. Einst in alter Zeit betörte Hsü Fu vieles Volk in Tch'in, Um den Lebenssaft zu suchen Führte Knaben er dorthin.3 Und es sind von fünf Gewerben Künstler auch mit ihm gereist. Ihre Werke man noch heute Als sehr schön und kunstvoll preist.4 Unter früher'n Herrschern kamen Oft Gesandte mit Tribut, Und den feinen Stil verstanden Dortige Gelehrte gut. 5

1 2 3

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Japan angeführt, von dem die Chinesen zur Sung Zeit noch nicht viel wußten. Alter Name für Tschekiang. Weiß-Silber oder Weißkupfer, eine Legierung aus Kupfer, Zink und Nickel, die wie Silber aussieht. Hsü Fu oder Hsü Schi wurde 219 v. Chr. von Tch'in Schi-huang-ti mit zahlreichen Knaben und Mädchen nach dem Osten geschickt, um die Inseln der Seligen zu suchen. Hsü Fu soll nach einer Lesart in Japan geblieben sein und dort eine Kolonie gegründet haben, welcher Japan seine spätere Kultur verdankt. Unter der T'ang Dynastie wurde chinesische Literatur und Bildung in Japan eingeführt.



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Zu der Zeit, als Hsü F u reiste, War noch nicht der Bücherbrand: 1 Viele längst verscholl'ne Werke Sind noch jetzt in jenem Land. 2 Daß man sie nach China sende, Hindert ein Verbot gar streng. Niemand ist dort, dem zu deuten Jene alte Schrift geläng'. Satzungen der alten Fürsten Birgt ein Land der Barbarei. 3 Durch die Flut der blauen Wogen Steht der Zugang uns nicht frei. Der Gedanke hat zu Tränen Manches Auge schon gerührt, Und dem rostbedeckten Kurzschwert 4 Kaum Erwähnung noch gebührt.

Su Schun-tch'in 5 : Landregen. Der Südwind bläst mit pfeifendem Ton, Vom Weizen die Blüten sanken. Man sieht auf den Bohnenfeldern schon Sich krümmen die jungen Ranken. Am Fuß des Berges um Mitternacht Ging nieder ein kräftiger Regen. Der biedere Landmann singt und lacht, Sieht freudig der Ernte entgegen. I n Strömen floß nieder der Regen traun: Die Seidenraupen schon frieren. Die Seidenzüchterin runzelt die Brau'n, Besorgt, viel Kokons zu verlieren. 1

Die bekannte von Schi huang-ti angeordnete Bücherverbrennung. Das ist wohl eine Fabel, aber später gelangten viele chinesische Werke nach Japan, die sich dort erhielten, während sie in China verloren gingen. Neuerdings sind manche derselben wieder nach China zurückgelangt. 3 Trotz aller der Vorzüge, welche der Dichter an Japan rühmt, nennt er es ein Barbarenland. Ebenso wie für die Griechen, so waren auch für die Chinesen alle fremden Völker, auch wenn sie eine hohe Kultur besaßen, Barbaren. Im vorigen Jahrhundert galten ihnen auch die Europäer dafür. 4 Der Dichter erwähnt dieses Schwert nur, um seine Betrachtungen über Japan daran zu knüpfen. 6 Su Schun-toh'in, 1008—1048 n. Chr. 2



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So ist es im Leben: des einen Begehr Ist dem andern nicht zu Gefalle: Der Herr des Himmels 1 hat es gar schwer. Daß allein er befriedige alle.

Han Tch'i 2 : Sommerglut. Sommer war's in Kaiser Huang Yo's Hsing-mao Jahr, 3 Und am ersten Juni 4 Hundstag Anfang war. In der ersten Woche Dieser Hundstagszeit Stieg der großen Hitze Unerträglichkeit. Von der Roten Sonne Fu-sang 6 schien entbrannt, Und am Mittag glühend Im Zenit sie stand. Selbst der Sonnenvogel 6 Brannt' in seinem Nest, Ließ die Flügel hangen, Eilte nicht gen West. 7 Es durchdrang die Hitze Selbst die Meeresflut. Himmel schien und Erde Wie getaucht in Glut. Tief im Wasserloche Sich der Drach' verkriecht, Schnaufend, schweißgebadet, Denkt an Regen nicht. 8 Mit dem Hammer eilet Fort der Donnerer 9 Und des Wagens Krachen Kümmert ihn nicht mehr. 1 2 3 4 5 6 1 8 9

T'ien-kung = Gott. H a n Tch'i, 1008—1075 n. Chr. Im Jahre 1051. Ungefähr unserem Anfang Juli entsprechend. Eine mythische Insel im Westen; Japan. Der angeblich in der Sonne lebende Vogel. Die Sonne schien in ihrem Laufe nach Westen still zu stehen. Der Drache ist ein Regengott. Der Donnergott, welcher mit dem Hammer und seinem Wagen den Donner Verursacht. Er eilt fort, das heißt, es donnert nicht mehr.



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Gibt es nicht im Hause Hallen, tief und kühl ? Doch darin ein Brodem Brütet schwer und schwül. Gibt es nicht Balkone Und Altane auch ? Wie Gewürm so giftig Weht der Windeshauch. 1 Die Geschöpfe alle Haben sich verschwor'n, Woll'n zu trock'nem Fleische Scheint es, all' verdorr'n. 2 In den K'un-lang 3 Bergen Hör' ich, ist ein Ort, Genien und Geister Soll es geben dort. Wettert's dort und regnet, Wäscht man fort den Schmerz, Und mit edlem Nektar Spült man rein das Herz. Dorthin möcht' ich fliegen, Dort wohl möcht 'ich sein, Wäre dort zu leben Mir vergönnt allein. 4 Menschen dieser Erde Niemals sind beschwingt, Flügel sich zu schaffen, Niemandem gelingt.

Schi Tchieh 5 : Der Frosch. Sommerregen strömte Nieder viele Fuß, Und in tiefen Sümpfen Stand der Wasserguß. 1 2 3 4 5

Auch auf dem Balkone findet man keine Kühlung. bringt keine Erquickung. Alles verdorrt durch die Hitze. Ein Gipfel des mythischen K*un-lun. Menschen können auf diesem Geisterberge nicht leben. Schi Tchieh, Anfang des 11. Jahrhunderts.

Der Windhauch



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Eine Zeit gar herrlich Für den Frosch war das: Tag und Nacht er quakte Ohne Unterlaß. Vollgefressen, wollte Sterben bald der Gauch, Und sein Leib war rundlich Wie ein Flaschenbauch. Bald t a t auf, bald schloß er Seinen großen Mund, Blies die Backentaschen, Die bald hohl, bald rund. Eine Ackersenkung Sein Quartier oft war, Draus man plötzlich glotzen Sah ein Augenpaar. 0 , wie töricht ist doch Diese Mißgestalt, Die solch' Mißgetöne Ausstößt mit Gewalt! Pfui, wie ist dein garst'ger Körper nackt und kalt, Und wie vieles fehlt noch Zu der Tiergestalt! 1 Pfui, wie deine Rauh und übel Daß ihr Klang Niemals Freude

Stimme klingt, den Menschen bringt!

Seine K r a f t nicht kennt er, Und wie weit sie reicht; Drum für Stör und Walfisch 2 E r Verachtung zeigt. Von sich selber aber Ist er überzeugt, Und der beste Sänger In der Welt sich deucht. 1 2

Der Frosch als Reptil steht sozusagen zwischen den Säugetieren und Fischen. Wasserbewohner, die den Frosch an Größe und Bedeutung weit übertreffen.



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Keiner taub vom Quaken, Scheiden noch vermag Glock' und Paukentöne Von des Donners Krach. 1 Auf den Grund des Meeres Drum der Drache sinkt, In des Äthers Bläue Sich der Phönix schwingt. 2 Und es blieben alle Selber stumm und still: Vor dem Froschgesange Jeder fliehen will. Wenn vorbei der Regen Und der Sumpf dörrt aus, Blickt aus grünem Pfuhl das Garst'ge Tier heraus. Ohne Wasser ist es Hülflos anzusehn: Mit den beiden Beinen Weiß es nicht zu gehn. Bei der Dürre dürstet Es zu Tode noch, Und sein trockner Leichnam Füllt ein Ackerloch. 3

W a n g An-schi4:

1.

Einladung.

Daß du eine Reise planst, Habe ich vernommen. In mein Häuschen sicher kannst Auf der Fahrt du kommen. Aus dem Quell am Bergesfuß Sollst du dich erlaben Und Gemüs' im Überfluß Aus dem Garten haben. 1 2 3 4

Betäubt von dem Gequak vermag man Musik vom Lärm und Geräusch nicht mehr zu unterscheiden. Beide wollen dem Gequak entfliehen. Das Gedicht ist vielleicht als eine Satire auf irgend einen eingebildeten, unerträglichen Menschen gedacht. Wang An-schi, 1021—1086 n. Chr.



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Dein Erbarmen für das Tier, Freund, gar wohl versteh' ich, Drum zum Fischeangeln hier Wärest du nicht fähig. Wisse, es gehört mein Teich Zu dem Menschenreiche, Und er ist darum nicht gleich Einem Otternteiche. 1 Würmer und Insekten auch Wirst du nicht entdecken, Die sich aus der Fäulnis Hauch Oft entgegenstrecken. 2 Nach dem Essen schaun uns laß, Wie die Fische hüpfen, Und wie sie durch Schilf und Gras Leicht beweglich schlüpfen. Es erstrahlt die grüne Flut Weiß im Sonnenglanze: Fischlein auf die Kiemen tut, Schlägt mit seinem Schwänze. Sollten denn die Fische nur Solche Lust genießen, Und uns beiden die Natur Den Genuß verschließen ? Woll'n die Erde schlagen3 und Von den Heil'gen singen. Das wird uns zur guten Stund' Lust und Freude bringen.

2. Erinnerung. Ich denke noch, wie ich einstmals Mit Hu, dem Freunde mein, Vergnügt in der Weststadt gewandert Durch öde Länderei'n. 1 2 3

Die Fische werden geschont, und man stellt ihnen nicht nach, wie es die Fischotter tun. Der Freund ist Vegetarier, daher erhält er kein Fleisch, das ihm zuwider, weil es so leicht in Fäulnis übergeht. Ein Spiel der alten Bauern zur Zeit des Yao.



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Die Diener und die Pferde, Die hatt' ich geschickt nach Haus. So zog ich frei und ledig Wohl in die Felder hinaus. Es sang an meiner Seite, Sein Lied der Ochsenknab', Den, um noch mehr zu hören, Zurück ich gehalten hab'. Und mit den Bauern ließ ich In ein Gespräch mich ein, Viel glücklicher, ach, glaubt' ich Als König und Fürst zu sein. Doch leider konnte ich ihnen Nicht folgen, wie mir beliebt: Am Abend kehrten heim sie, Darob war ich oft betrübt. Zu jener Zeit ich wenig Nach Macht und Ansehn frug. Ein Acker auf einem Hügel, Das war für mich genug. Mein Freund, der war verwundert Und meinte, ich sei noch jung Und liebte wohl deswegen Die einsame Wanderung. Konzerte mit Flöten und Pfeifen Begeisterten mich nicht, Und wenig konnten mich reizen Gelage und Schaugericht. Ich hatte geheime Schmerzen, Doch wem war das bekannt ? Denn schwächlich war mein Körper Und ohne Widerstand. Drum hatte ich für die Genüsse Des Lebens nur wenig Sinn, Und immer wieder zog es Zur Einsamkeit mich hin. Seit jener Zeit sind verflossen Jetzt wohl bereits zehn Jahr, Ich habe auf meinem Haupte Schon grau gemischtes Haar.



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Die Lust, die ich einst empfunden, Ist beinah' ganz vorbei, Und selbst im Schlafe lassen Die Sorgen mich nicht frei. Nur wenn einen Berg ich sehe Von fern oder schönen Bach, So möcht' ich zu ihm eilen, Doch läßt der Wunsch bald nach. So bin ich stets gewesen In meiner Jugendzeit, Und auch das Alter raubte Mir nicht die Empfänglichkeit.

3. Sommerstimmung. Üppig auf dem Rain in Sommerschwüle Gras jetzt steht. Sonnig liegt der Berg, von Blumenfülle Übersät. Um den Berg herum und aus dem Walde Kommt ein Fluß. Weiler liegen an des Berges Halde Und am Fuß. Hier halt' Rast ich. Um die Mittagsstunde Hähne schrein, Einsam wandr' ich, bis es spät und Hunde Bellen drein. Und ich tausche bei'm Nachhausegehen Manchen Gruß. S' ist mir grad', als hätte ich gesehen Wu-ling's Fluß. 1

4. Nanking. Moos deckt Nanking's alte Spuren, Wandrer über seine Fluren Eilen hin von Nord nach Süd.2 Lenzhauch um die Zinnen schauern Fühl' ich; über Häusermauern Aprikos' und Pfirsich blüht. 1

2

Davon handelt T'ao Yüan-ming's berühmte Parabel, die ,,Pfirsichblüten quelle". Siehe A. Bernhardi: Tau Yüan-ming in Mitteilg. d. Semin. f. Oriental. Sprachen Jahrg. X V , 1912 S. 113. Auch heute liegt ein großer Teil Nankings unbebaut.



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5. Mencius. Körper schwinden, Geist zerfließt, Und es hilft kein Flehen, Doch wer deine Werke liest, Ein Panier sieht wehen. Du, der Trost der Einsamkeit, Gehst du vielen auch zu weit, Die dich nicht verstehen.

6. Auf dem Tschung Berge. Um den Bambushain im Bogen Kommt das Bächlein still gezogen. Frühling hegt die Blümlein traut. Wo zwei Strohdächer sich neigen, Sitz' ich sinnend, Vöglein schweigen, Auf dem Berge tönt kein Laut.

7. Vorfrühling. An der Mauer seine Zweige recket Schon der Pflaumenbaum, Die im Frost zum Leben sind erwecket, Ja, man glaubt es kaum. Schon von ferne seh' ich, es sind Blüten, Und es ist kein Schnee, Denn es dringt der Duft, den zart sie hüten, Doch in meine Näh'.

8. Neujahr. Beim lustigen Knattern der Schwärmer Schon wieder ein Jahr versank. 1 Der Lenzwind weht schon wärmer, Umspielet den Neujahrstrank. An tausend Türen und Toren Hängt man von neuem an, Wenn strahlend der Morgen geboren, Den hölzernen Talisman. 2 1 2

In der Neujahrsnacht werden unzählige Raketen abgebrannt. Ein kleines Täfelchen aus Weidenholz, welches böse Einflüsse abwehren soll.



Wang Ling 1 :

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1. Die Hacke spricht zum Pfluge.2

Wenn hart auch ist dein Eisen Und nicht zerrieben noch, So ist dein Holz gebogen Und krumm gezogen doch.3 Weil Dein Und Daß

dich der Herr benutzet, Glück man preisen mag. trotzdem doch verlangst du, er dir folge nach. 4

Wenn einen trägen Pflüger Du träfst zu einer Zeit, So würd' er dich nicht nehmen Trotz deiner Tüchtigkeit. Die besten Äcker gäben Dann keine Ernte her. Wie miedest du den Tadel, Daß du gepflügt nicht mehr ?6

Der Pflug antwortet: Mein Nutzen stets, das wisse, In meinem Eisen 6 liegt. Und um es zu handhaben, Hat man's in Holz gefügt. Was schadet es, wenn brauchbar Das Eisen nur dich deucht, Wenn auch aus Holz die Stütze Ein wenig ist gebeugt. Mich freut's, daß meinen Spuren Nachfolget gern mein Herr. Die schweißbedeckte Färse, Die treibt er vor sich her. 7 Wang Ling, Schwager des Wang An-schih, 11. Jahrh. Dieses und das folgende Gedicht ist weniger des Inhalts wegen bemerkenswert als dadurch, daß darin leblose Gegenstände als beseelt und redend eingeführt werden. F ü r das 11. Jahrhundert war das jedenfalls etwas Neues. 3 Ein Schönheitsfehler nach der Ansicht der Hacke. 1 E s ist unpassend, daß der Herr dem Diener nachfolgt. 6 Der Vorwurf ist sehr wenig begründet, aber die Hacke will etwas tadeln. 6 Im Pflugsterz. ' Sie zieht den Pflug, hinter dem der Pflüger marschiert. 1

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Verlangt man, daß ich solle Marschieren hinterdrein, So könnt' ich meinem Herren Fürwahr nicht dienstbar sein. Solange noch mein Herr mich In seinen Händen hält, H a t er den guten Acker Auch nicht umsonst bestellt. Wenn mich der Herr nicht achtet, Den Beistand mein verschmäht, Dann in der Tat mein ganzer Nutzen verloren geht. Ich weiß nicht, wenn der Hunger Packt meinen Herren dann, Wie er im neuen Jahre Sich noch ernähren kann. 1 Wenn ich nicht ganz entbehren Der Menschen könnt' bisher, Bedürfen meiner Hilfe Die Menschen noch viel mehr.

2. Der Pflug spricht zur Hacke 2 : Wenn ungepflegt man liegen Läßt ein Stück Ackerland, Zu hacken und zu jäten Bist du sehr wohl im Stand. Nun aber wuchert Unkraut Auf Erden weit und breit. 0 sage mir, wo bleibt da Nur deine Trefflichkeit ?

Die Hacke antwortet: Wenn wirklich Unkraut wuchert Auf Erden weit und breit, Bin ich, wenn man mich suchet, Zu helfen gern bereit. 1 2

Ohne zu pflügen und das Feld zu bestellen. Der Pflug rächt sich, indem er seinerseits unberechtigte Vorwürfe gegen die Hacke erhebt.



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Doch hat man schon beseitigt Das Unkraut ohne mich, Was sollte denn, o sage, Noch Großes leisten ich! Wie kann man meinen, daß es Mir an Erfolg gebricht ? Mich zeitig zu benutzen, Entschließet man sich nicht.

3. Kummer. Wenn die Tränen auch im Schmerz Aus den Augen fließen, Ist die Quelle doch das Herz, Draus sie sich ergießen. In mein Antlitz strahlet hell Sonne ihre Gluten, Und sie möchte trocknen schnell Meine Tränenfluten. Aber da sie in mein Herz Nicht hinein kann scheinen, Wie kann lindern sie den Schmerz, Stillen wie mein Weinen ? Eine Wolke kommt herzu, Drin ihr Haupt verbirgt sie. Daß ich finde meine Ruh', Nimmer doch bewirkt sie.

Su Tung-p'o.1 1. Resignation. I. Das Netz vergißt das lust'ge Vögelein, Das Fischlein froh vergißt der Angel Pein. Weshalb stets suchen einen Ruheort Im Strom der Welt, der alles reißet fort ?2 1 2

Su Schi = Su Tung-p'o, 1036—1101 n. Chr. Man soll sich vom Strom der Welt forttreiben lassen und den Augenblick genießen, wie es die Vögel und Fische tun trotz der sie rings umdrohenden Gefahren.



Mag Still Seit Ein

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II. man auch schelten meiner Lieder Klang, ist mein Herz, und friedlich tönt mein Sang. Jahren fühl ich nicht mehr Weh und Ach. alter Brunnen bin ich ohne Wellenschlag. 1

2. Abschied vom Jahr. Wenn einen Freund vom andern In's Weite führt sein Pfad, So zaudern sie zu wandern, Sobald die Trennung naht. Den Freund, der von dannen gezogen, Führt heim vielleicht das Glück, Doch, wenn ein Jahr verflogen, Wer brächte es je zurück ? Ich wüßte gar zu gerne, Wohin wohl das Jahr entschwand. Ich glaube in weite Ferne, Bis an des Himmels Rand. 2 Es mag wohl nach Osten fließen, Hinter den Wassern her, Und in das Meer sich ergießen,3 Von wo keine Wiederkehr. Sieh' da, mein Nachbar im Westen Zum Fest schon geglüht hat den Wein, 4 Der Nachbar im Osten5 tat mästen Zum Schmause das fett'ste Schwein! An diesem einen Tage Herrscht eitel Freude und Lust, Und jeder vergißt der Plage, Die das Jahr er hat dulden gemußt. 6 1 2 3 4 5 6

Der Dichter hat sieh in die Stimmung der buddhistischen oder taoistischen Gläubigen versetzt. Das Jahr wird als ein in die Ferne fließender Strom vorgestellt. Alle größeren chinesischen Flüsse fließen nach Osten zum Meere. Zum Neujahrsfest. Über die Vorliebe für Bezeichnung der Himmelsrichtungen, vergl. „ B l ü t e n " S. X I V . Neujahr ist das höchste chinesische Fest. 9

Forke.



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Klag' nicht, daß vom alten Jahre Du scheiden sollst jetzund, Gar bald auch im neuen Jahre Naht wieder die Trennungsstund'. Vorüber ist vorüber; Schau' nicht dem Vergangenen nach! Ein Weilchen noch, mein Lieber, Dann bist du alt und schwach.

3. Der Sternenhimmel. Droben glänzt des Himmels Pracht, Eisig weht der Hauch der Nacht. Mondstationen1 gruppenweis Schließen sich zum festen Kreis. 2 Und der großen Sterne Strahl Blitzet wie des Pfeiles Stahl. Auch die kleinen sind erregt, Und sie kochen wild bewegt.3 Himmlisches und Menschensein Haben nichts zusamm' gemein. Ach! wir können nicht verstehn, Was am Himmel mag geschehn. Zwar die Menschheit prompt verfährt, Alles mit Gewalt erklärt, Und für jede Einzelheit Hat den Namen sie bereit. Südwärts ist das „Sieb" zu sehn, Nördlich muß der „Scheffel" stehn. Hausgeräte beide sind, Deren sich der Mensch bedient. Wie ? hat denn der Himmel auch Diese Dinge im Gebrauch? Schwerlich kennt er sie, und doch Bleibt dafür der Name noch.4 1 2 3 4

Die 28 Sternbilder, in welchen sich Sonne und Mond aufhalten. Der Tierkreis. Sie flackern. „Sieb" und „Scheffel" sind zwei chinesische Sternbilder.



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Könnte man ganz nah' sie schaun, Würd' man sie erkennen, traun. Ihre Form nur ungefähr Scheint aus weiter Ferne her. Unklar und verschwommen nur Ist für mich der Sterne Spur. Seufzend muß ich eingestehn, Wie gering all' mein Verstehn.1

4. Das Söhnlein. Da ist mein kleines Söhnlein, Es kennt noch nicht das Leid. Wo ich auch geh' und stehe, Es hängt an meinem Kleid. Fürwahr, es wird mir lästig, Möcht' schelten es darum. Da spricht die alte Mutter: „Dein Söhnlein ist noch dumm". „Doch ist auch dumm dein Söhnleiri, Du bist es noch viel mehr. Weshalb bist du nicht fröhlich, Und brummst und murrst so sehr ?'' Ich setze drauf mich nieder, Beschämt durch dieses Wort; Und vor mir fährt die Mutter Beim Tassenspülen fort. Wie sie die Frau des Liu Ling2 An Güte überwog, Die ihrem Mann engherzig Das Geld für Wein entzog!3 Die Chinesen nehmen vielfach an, daß die Sternbilder wirklich die Gegenstände sind, deren Namen sie führen. Die wahre Natur der Sterne war ihnen bis in die Neuzeit unbekannt. 2 Einer der Sieben Dichter des Bambushains, 3. Jahrh. n. Chr., und berühmter Trinker, der sogar den Opferwein austrank. 3 Die Mutter des Dichters wünscht, daß dieser fröhlich sein möge. Umgekehrt die Frau des Liu Ling, welche diesem seinen fröhlichen Rausch mißgönnt. Sie soll den Wein verschüttet, das Gefäß zerschlagen und ihm weinend Vorwürfe gemacht haben. 1

9*



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5. Das Westzimmer. Nach Westen liegt mein Zimmer, Tief ist's, doch gut erhellt. Es ist in diesem Räume, Mein Ruhbett aufgestellt. Auf diesem Bett ein Kranker Ich spät noch morgens lag, Und merkte, auf mich richtend, Wie lang bereits der Tag. Der Kopf war mir benommen, Doch war's nicht Trunkenheit, Auch ward ich nicht zum Narren I n meiner Einsamkeit. Ich hob mein Kleid, trat schweigend Ein in den Bambushain, Der sich im Winde regte, U n d sog dort Kühlung ein. Ich wandelte im Westen Dann durch den Garten auch. Den Pflanzen und den Bäumen Entströmte duft'ger Hauch. Schon sah man am Granatbaum Das erste Zweiglein blühn, Maulbeeren und Jujuben Prangten im frischen Grün. Es girrt die wilde Taube; Sie flieht der Sonne Glanz, Versteckt im kühlen Schatten, Vergißt das Fliegen ganz. Und seinen Ruf erschallen Läßt lustig der Pirol. Aus seiner Kehle quellen Die Töne rund und voll. Ich schau' der Dinge Wandel, Auf meinen Stab gebeugt, Betrachte dann mein Leben, Das mich so anders deucht. Die tausend Dinge haben All' ihre feste Zeit, U n d nur in meinem Leben Herrscht Hast und Unstätheit.



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6. An Ou-yang Hsiu. Soll, Freund, ich dich als Jüngling preisen, Da schon dein Bart so weiß wie Schnee ? Kann sprechen ich von einem Greisen, Wenn ich dein frisches Antlitz seh' ? Komm auf den See mit, ohne Zaudern, Und trink von meinem besten Wein; Wenn wir erst trunken, wird das Plaudern Lebhafter noch und lust'ger sein. Auf Bäum' und Sträucher am Gestade Fiel schon der erste Reif bei Nacht. Hibiskus mit den Astern grade Wetteifern noch an Farbenpracht. Ich tanze, Blumen in dem Haare, Wünsch' langes Leben dir und Glück. Du aber meinst, selbst hundert Jahre Halten vor Torheit nicht zurück. Mit Tsch'i-sung 1 wandernd sich ergötzen, War' wahrlich gar so übel nicht. Doch wie soll den Ambrosia letzen, Dem es an Speis' und Trank gebricht ?2 Ob früh mein Tod, ob lang mein Leben, Vertrau' ich ganz dem Himmelsherrn; Die andern mögen hasten, streben, Ich huldige der Freude gern. Die Abendnebel werden dichter, Zur Mauer fliegt die Rabenbrut, Und Silberampeln, bunte Lichter Erhell'n des Sees klare Flut. Ich bitte dich, dem Trunk zu frönen, Verschmäh' auch nicht den heitern Sang; Es fehlt uns, unser Glück zu krönen, Nur Huan Yi 3 noch und Harfenklang. 1 2

3

Tsch'i-sung-tse, ein Genius aus der Zeit des Schen-nung, der Regen und Wind beherrschte. Dem Dichter fehlt es angeblich am Lebensunterhalt — chinesische Dichter kokettieren mit erdichteter Armut ebenso wie mit fingierter Trunksucht — er kann daher nicht an die Götterspeise denken, welche die Genien und Unsterblichen genießen. Huan Yi, ein berühmter Harfenspieler des 4. Jahrh. n. Chr.



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7. Genügsamkeit. Besser dünkt mich ein Trunk schlechter Wein, Als ein Aufguß von Tee zu sein; Besser ein Stoff, grob und gemein, Als ganz ohne Kleid zu sein; Eine häßliche Frau, eine Buhle nicht fein, Als daß ich in ödem Hause allein. 1 Früh morgens wartend in Kälte stehn, Die Schuhe bereift, ist weniger schön, 2 Als in Hundstagsglut zur Ruhe zu gehn Und vom Nordfenster her sich Kühlung zu wehn. Lieber, als daß mich im Perlenkleid, mit Kästchen voll Edelstein', Zehntausend Männer zum Mang Berg 3 geleiten und senken ins Grab hinein, Will ich im hundertfach geflickten Rocke sitzen allein Und meinen Rücken mir wärmen im Morgensonnenschein. 4 Mancher glänzte im Leben sehr, Und genoß nach dem Tode noch Ruhm und Ehr', Aber ein Jahrhundert kommt schnell daher, Und nach tausend Jahren verbleibt nichts mehr. Po Yi, Schu Tch'i 5 und den Räuber Tschi, 6 Das gleiche Schicksal ereilet sie.7 Drum nutze den Augenblick, trink, bis du trunken bist Und Gut und Böse, Kummer und Lust vergißt.

8. Im Garten des Einsiedlers. 8 Goldgelb im Aprikosenbaum Erglüht's, die Ähren schwer sich neigen. Die jungen Elstern, flügge kaum, Sich halten an den Bambuszweigen. 1

Anfang und Schluß der ersten Strophe hat der Dichter dem Ausspruche eines gewissen Tschao Ming-schu nachgebildet, welcher in Armut lebte und gern Wein trank, wobei er nicht sehr wählerisch war. 2 Hohe Beamte müssen oft, wenn sie zur Audienz befohlen, des Morgens in der Kälte warten. Besser ist es kein Beamter zu sein, dann erträgt man auch die Sonnenglut leicht. 3 Vornehme Begräbnisstätte zur Han Zeit. 4 Wie der Bauer in Sung, von dem Lieh-tse erzählt. Cfr. Faber, Licius VII, 17. 5 Zwei Brüder berühmt durch die Treue, welche sie der Yin-Dynastie nach ihrem Sturze bewahrten. Sie starben im Elend auf dem Berge Schou-yang. 6 Beliebte Figur des Tschuang-tse. Er fand trotz seiner Missetaten einen glücklichen Tod. 7 Sie mußten alle sterben. 8 Der Einsiedler, Tschang Ta-tchi mit Namen, auf dem „Wolkendrachen Berge", wird von einer lustigen Gesellschaft mit zweifelhaften Damen heimgesucht.



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Dem stillen Manne recht zur Qual, Woll'n heiter wir der Weltlust frönen. Wir reiten über Berg und Tal Auf schmuckem Roß mit unsern Schönen. Der Um Bis Uns

T c i-hu l ruft „bringt Wein herbei", immer wieder einzuschenken, daß des Ziegenmelkers Schrei mahnt, der Heimkehr zu gedenken.2

Das Hat Still Der

Fest ist aus; der Gäste Zahl aus dem Tore sich ergossen. wird's, vom letzten Sonnenstrahl Bäume Wipfel sind umflossen.

9. Die Macht des Weines. Die Jugend, wenn ein Schmerz sie drückt, Flieht ängstlich jeden Becher. Wir sind von jedem Trunk entzückt, Wir alt ergrauten Zecher. Zehntausend Zuber Herzenspein Wie Schnee sind sie zu schauen, Ein Kännchen heißer Frühlingswein3 Vermag sie aufzutauen.

10. Ein treuer Freund. Freund Ma4 ist ein Gelehrter, Dem's stets an Geld gebricht; Seit zwanzig Jahren weicht er Mir von der Seite nicht. So hofft er Tag und Nächte, Ich möcht' berühmt bald sein; Will, einen Berg zu kaufen, Das Geld von mir dann leih'n. 1 2 3 4

Ein Vogel, welcher T'i-hu „Bringt die Kanne" ruft. Der Ziegenmelker schreit gegen Abend. Bekanntlich wird chinesischer Wein nur heiß getrunken und ähnelt mehr unserem Grog oder Punsch. Ein armer Gelehrter, Ma Tscheng-tch'ing, den der Dichter in Huang-tschou (Hupei) kannte.



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Statt dessen möcht' ich selber Von ihm mir borgen Geld, Denn just sah brach ich liegen Ein wunderschönes Feld. Von Schildkröt' Rücken Haare Könnt' kämmen man noch eh'r.1 Wie lang wohl müßt' man warten, Bis es ein Teppich war' ? Des guten Freundes Einfalt Ist höchst bedauerlich: Bis jetzt preist er beständig Als einen Weisen mich. Die andern alle lachen, Er ändert nicht den Sinn, Daß sein Vertrau'n ihm bringe Noch tausendfach Gewinn.

11. Frühlingsnacht. Tausend Gulden wert ich acht' Eine Viertelstunde Einer duft'gen Frühlingsnacht Mit dem Mond im Bunde. Vom Altan zur Flöte klingt Sanft ein Lied; die Schaukel schwingt2 Noch zur Geisterstunde.

12. Gemalte Seerosen.3 Ein reiner, frischer Herbstwind weht Und braust im Walde drinnen. Das Wasser tief in Lachen steht, Die nach und nach verrinnen. Vom Ufer in den See hinein Die Wasserrosen sprießen, Die Blumen, die die Fluten rein Mit ihrem Glanz umfließen. 1 2 3

Eine Unmöglichkeit, denn die Schildkröte hat keine Haare. Nicht nur Kinder, sondern auch junge Mädchen lieben die Schaukel. Vergl. S. 159. Beschreibung eines Gemäldes, wie sie chinesische Dichter lieben.



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Vom Ruhsitz schau' ich auf den See: Die Lotos sind verglühet, Und nur die Astern noch ich seh' Bereift und halb verblühet. Es ist, als ob bescheid'ner Art Zu lächeln sie sich mühten, Indes das Schicksal naht und hart Zerzaust und knickt die Blüten. Wie arme Mädchen stehn sie da, Von kaltem Hauch umschauert. Sie fürchten, wenn die Hochzeit nah, Daß längst ihr Lenz vertrauert. Wer ist es, dessen Pinselstrich Dies Bild der Jugend malte ? „Holzhauer" nennt er selber sich Und von Tch'ien-nan der Alte.1

13. Der Kranich. Hatte einst in meinem Garten Einen Kranich klug und zahm, Der an meine Seite eilte, Wenn er meinen Ruf vernahm. Neulich blickte von der Seite Er mich an mit ernster Mien', Und mir wie der Totenvogel2 Folgendes zu sagen schien: „Kurze Zeit nur währt mein Leben; Einsam bin ich und allein, Und auf drei Fuß langen Beinen Ruht der schwache Körper mein". „Finde ich, mich niederbeugend, Etwas Futter, bin ich froh, Doch wie kommt es, daß mein Körper Kann erfreu'n den Herren so?" 3 Tchiao-jen = „Holzhauer" und Tch'ien-nan lao „Der Alte von Tch'iennan" sind Künstlernamen des Malers Tschao Tsch*ang aus Kuang-han, der besonders Blumen malte. 2 Die Toteneule, Anspielung auf das bekannte Gedicht des Tchia Y i . 3 Chinesische Gelehrte haben eine besondere Vorliebe für Kraniche, die als Geistervögel gelten, auf denen die Unsterblichen durch die Luft reiten. 1



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Jage ihn empor zur Halle. Dort bleibt er ein Weilchen stehn; Werfe vor ihm süßen Kuchen. Tut, als hab' er's nicht geseh'n. Laut aufkrächzend von den Stufen Eilet er herab sogleich. Im Notfall zurückzuweichen, 1 Darin komm' ich ihm nicht gleich.

14. Frühlingswein vom Tung-t'ing See.2 Zwei Jahre pflückt' ich im Herbste Orangen am Tung-t'ing See; Mir ist's, als ob von der Hand noch Ihr Duft mir entgegenweh'. In diesem Jahre trink' ich Vom Tung-t'ing den Frühlingswein. Er blinkt und funkelt so helle Wie flüssiger Edelstein. Indem von den weisen Schriften Des Fürsten erfüllt ich bin, 3 So eilt mein trunkener Pinsel In Drachensprüngen dahin. 4 In meinem Rausche denk' ich, Der Freund wird noch nüchtern sein, Daß er von fern mir gesandt hat Zum Wohl diesen edlen Wein. Sobald die Flasche geöffnet, Ein zarter Duft ihr entquillt, Indes am Fenster der Abglanz Des bauschigen Glases spielt. 1

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3 4

Zitat aus dem Liki, worin gesagt wird, daß es für den Gelehrten leichter sein müsse, zurückzuweichen als vorzudringen. Er müsse bescheiden sein, als ob er keinerlei Fähigkeiten besäße. Dem Naturell des Dichters entspricht mehr das Vordringen als das fluchtartige Zurückweichen des Kranichs. Der Dichter erzählt im Vorwort, daß der Fürst von An-ting aus Orangen des Tung-t'ing Sees einen Wein herstellen ließ, den er „Tung-t'ing Frühling" nannte. Seine Farbe, Duft und Geschmack waren vorzüglich. Er schenkte davon seinem Neffen Tschao Te-lin, und von diesem erhielt ihn der Dichter zugeschickt. Der erwähnte Fürst von An-ting. In der Trunkenheit schreibt der Dichter seine Verse.



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Ich schenke ein mir tüchtig Vom Wein des P'an An-jen, 1 Damit mir nicht etwa die Hälfte Wegrieche L o Kung-yüan.2 Jetzt gilt's einen Namen finden Zu dieses WTeines Preis. Ich brauche nicht erst zu trinken Ihn liter- und zuberweis. Der „Lieder Angelhaken", So sei er von mir genannt, Auch als der ,,Sorgenbesen" Sei er hinfür bekannt. Es scheint nicht sehr zu schätzen Der Freund den Rebensaft. Er hat wie die schwarze Mu-mu3 Verborgene Tugendkraft. Vom Wein füll', Freund, in den Becher Ein wogendes Meer hinein Und gieße es in den Mund mir, Für den der Himmel zu klein!

15. Der wahre Wein. 4 Als der Schnee, die Wolken wichen, Ist das süße Naß entquollen.5 Wieder scheint's, als ob die Bienen Mich betrunken machen wollen. Reis hängt nieder, Weizen reckt sich: Yin und Yang sind so geeinigt,6 Dazu frisches Quellenwasser, Die Gefäße gut gereinigt. Der Dichter vergleicht seinen Wein mit dem des P'an An-jen, eines Dichters des 4. Jahrh. n. Chr. 2 Als einmal der Kaiser Ming-huang der T'ang Dynastie Orangen essen wollte, fand er, daß an allen ein Stück fehlte. Auf seine Frage antworteten ihm die Diener, daß sie unterwegs den Magier Lo Kung-yüan getroffen hätten, welcher an den Orangen roch. 3 Die häßliche, aber kluge Gattin des Huang-ti. 4 Ein Wein, den der Dichter selbst aus Reis, Weizen und Wasser destilliert hat und der angeblich im Geschmack dem von ihm in Huang-tschou hergestellten Honigwein glich. Daher die Erwähnung der Bienen. 5 Das für den Wein benutzte Wasser. 8 Reis und Weizen stellen das weibliche und männliche Prinzip, Yin und Yang, dar. Das eine hängt herab, das andere ragt empor. 1



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Graut der Tag, so glüht mein Antlitz, Und im Kopfe fühl ich Schwere. Frühlingswehen dringt ins Mark mir, Ohne daß es hörbar wäre. Su Tung-p'o wird sein rarer Wein noch Ruhm und Ehre bringen. Mit den Tching-tschou Keltermeistern Kann er um die Palme ringen.

16. Der Wassermann. Im Brunnen hat ein alter Mann Die Jugendzeit vertrauert. Sein Haus ist aus moosgrünem Stein Und weißem Sand gemauert. Sein Kommen läßt nie eine Spur Und keine Spur sein Gehen, Am Wasserspiegel Bläschen nur Im Brunnenloch entstehen. Der Alte scheint in dieser Welt Zu schaffen nichts zu haben, Und doch erschreckt er ohne Grund Gar oft die Hirtenknaben. Sein Und Daß Von

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Aussehn' sollte ändern er; kleiden er sich müßte, auf der Erde niemand mehr seinem Dasein wüßte1.

Der Wassermann sollte sich der Welt anpassen und die Menschen nicht mehr durch seine seltsame Erscheinung erschrecken.



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17. Ein Hauch, der verweht.1 I.

Ein Hauch, der verweht2, Ist das Spinngewebe am buntgetäfelten Dom, Ist die Elsternbrücke am silbernen Himmelsstrom,3 Der Regentropfen, der spült von den Blättern den Staub, Der Reif, vom Winde geweht auf das Weidenlaub, Gefrorener Tau, der im Morgenrote zerfällt, Verbleichender Sternenglanz am dunkeln Himmelszelt, — Ein Hauch, der verweht, Und aus festerem Stoff doch als flüchtiger Ruhm und Gewinn besteht. II. Ein Hauch, der verweht, Ist die Blüte, die fliegt und nicht den Boden erreicht, Ist der Regenbogen, der einer Brücke gleicht, Der Wolkenberg in tausend Stufen, geschaut im Traum,4 Altweibersommer, der tausendfädig durchfliegt den Raum, Auf grünem Meer der Luftschlösser stolzer Bau, 5 Der Wildgansflug gezeichnet im Himmelsblau — Ein Hauch, der verweht, Und aus festerem Stoff doch als manches Menschenleben besteht. III. Ein Hauch, der verweht, Ist der kalte Wind, der die schäumenden Wogen drängt, Ist die Frühlingsflut, die des Eises Brücke sprengt, Die Tropfen, die wie Fäden herniederwall'n, Die Blätter, welche raschelnd vom Baume fall'n, Ein Bläschen, das vom Strome entführt, versprüht, Ein Wölkchen rot, das im Sturm am Himmel zieht, Ein Hauch, der verweht, Und aus festerem Stoff doch als Reichtum und Ehre besteht. 1

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Nach der Ansicht mancher Herausgeber stammt nur das erste Gedicht von Su Tung-p'o. Das zweite soll in der Zeit 1086—1094 zuerst von Huang T'ing-tchien (S. 157) gedichtet sein. Danach hätte dann später Tch'in Kuan (S. 156) das dritte und Su Tung-p'o das erste in gleichem Rhythmus und mit demselben Reim geschrieben. Die Übersetzung ist dem Original in der Form nachgebildet. Auch der Refrain: Hsü p'iao-p'iao ,,Ein Hauch, der verweht" kehrt immer wieder. Die Milchstraße. Bezüglich der Elsternbrücke siehe „Blüten" S. 6 Anm. 1. Nach einer Version gelangen der Hirt und die Weberin am 7. Tag des 7. Monats zusammen, indem sie die Milchstraße, den Himmelsstrom auf den Rücken von Elstern überschreiten, die für kurze Zeit gleichsam eine Brücke darüber bilden. Etwas ganz Wesenloses, Wolken und dann nur geträumt. Luftspiegelungen, eine F a t a morgana.



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18. Zur Taufe.1 Der Vater hofft, daß klug einst sei Der Sohn, der ihm geboren. Auch ich war klug und hab' dabei Mein Lebensglück verloren. Dem Söhnlein wünsch' Einfältigkeit Ich drum vor allen Dingen. Mög' er es ohne Schwierigkeit Bis zum Minister bringen.

19. Im Rausch. Kürzlich träumt' ich, daß ich erst In die Schul' gebracht war, Zu der Zeit, als büschelweis Noch mein Haar gemacht war. 2 Damals, als mein H a u p t noch nicht Weiße Haare deckten, Und ich in der Schule noch Las die Analekten. 3 Wie ein kindlich Spielen scheint Mir der Menschen Walten, Alles seltsam und verkehrt Wie die Traumgestalten. In der Trunkenheit allein Finde ich die Wahrheit, Und die Leere 4 nur erlöst Zweifelnde zur Klarheit. Den Betrunkenen verletzt Kaum der Fall vom Wagen, So lehrt Tschuang-tse, 5 und er wird Keine Lüge sagen. 1

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Am dritten Tage nach der Geburt wird das chinesische Kind feierlich v o n der Hebamme gewaschen. Es ist ein kleines Familienfest, bei welchem die Teilnehmer der Hebamme Geldgeschenke machen, die sie ebenso, wie es bei unseren Taufen wohl geschieht, in das Wasser des Taufbeckens legen. Chinesische Kinder haben nur ein paar zusammengebundene Haarbüschel,, im übrigen aber den Kopf glatt rasiert. Die Gespräche des Konfuzius. Die Leere, die Loslösung von allem Irdischen, spielt im Taoismus eine große Rolle. Tschuang-tse Kap. 19.



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Wegen Pinsel und Papier Meinen Knaben ruf' ich, Und in meiner Trunkenheit Diese Verse schuf ich.

20. Sehnsucht. Die Sie Ich Auf

Wolken halt' ich an im Ost, 1 blicken finster, droh'n mit Regen. seufze für den treuen Freund fernen, ungangbaren Wegen.

Mein Geist hält Einkehr im Moment, Darin eilt er wieder in die Weite. Ein Vogel fliegt die Zeit des Glück's Dahin, blickt nicht nach mir zur Seite.

21. Das Geleit. Die Frühlingsfluten erpelgrün In satter Farbe prangen. Am Wasser schon die Pfirsich' blüh'n, Des Lenzes holde Wangen. Den Gastfreund hab' ich schwacher Greis Am Ufer hingeführet. Sein schwarzer Hut vom Staub ist weiß, Den Hufe aufgerühret. Ich heb' den Kopf und frag' den Gast, Wann wohl er kehre wieder. E r sagt, „Sobald der Herbststurm rast Und Blätter wirbeln nieder". E r bind't an einen Weidenbaum Sein Roß, lacht mit dem Munde.2 Schräg fällt das Licht, man sieht noch kaum Den Berg im Hintergrunde.

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Reminiscenz an ein Gedicht des T'ao Yüan-ming. Der Dichter möchte die Wolken anhalten, um mit ihnen zu seinem Freunde zu eilen. Daher bedeutet der Ausdruck „ting yün" jetzt soviel wie „sich sehnen". Das Lachen kommt ihm nicht von Herzen.



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22. Im Walde. Mit tiefem Schnee bedecket, Der Südberg ragt empor, Doch, wo der Schnee gewichen, Scheint hell das Grün hervor. In allen Bergesschluchten Da weht die L u f t so lind, Daß alle Pflaumenbäume Bedeckt mit Blüten sind. Das Reisen als Gesandter 1 Ward mir zum Überdruß, Drum laß ich Pferd und Wagen An dieses Berges Fuß. Ich wink' mir einen Alten, Dieweil mein Lied erschallt, Mit dem ich rüstig schreite Hin durch den grünen Wald. Die hohen Tannen werfen Die langen Schatten weit. Schön ruht es auf dem Felsen Sich dort in Trunkenheit. Wie Am Auf Der

lieblich auch zu lauschen Berg der Vöglein Schlag! meiner Zither ahm' ich Quelle Rieseln nach.

Hier möcht' ich ewig weilen, Verlassen nie den Ort. Doch ach, es drängt das Leben Und reißt mich wieder fort. Bei meiner Heimkehr merkt' ich, Wie weit ich fürbaß ging, Als an dem Bergesgipfel Der helle Mond schon hing.

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Spezialgesandte wurden häufig zu den wilden Völkerschaften an der Grenze des Reichs oder auch, um irgend einen Fall zu untersuchen, im Lande selbst umhergeschickt.



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23. Das Kuangtung Mädchen. Keinen festen Platz am Markt Hat das Kuangtung Mädchen, Nimmt den Standort, wo es just Hingelangt im Städtchen. Drei bis viermal wechselt es Wohl im Tageslaufe, Bietet Fisch und Krebse aus Überall zum Kaufe. H a t ein grünes Röcklein an, Doch es fehlt an Strümpfen. Ihr Geruch nach Affen Art Läßt die Nas' uns rümpfen. Doch man schelte darum nicht Auf des Landes Sitte, Wuchs doch eine Lü-tschu einst Auf in Po-tschou's Mitte. 1

24. Auf dem Flusse. Berge sehe fort ich eilen Auf dem Schiff, gleich schnellen Pferden, Die in vielen hundert Herden Plötzlich fliehen ohne Weilen. Stark zerhackt die vordem Ketten Wechseln ständig ihr Gefüge, Und die hintern Bergeszüge Fliehn, als galt es sich zu retten. Oben sehe ich am Berge, Wie ein schmaler Pfad sich windet; In der Höhe fast verschwindet Dort ein Mann, gleich einem Zwerge.

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Und ich wink' ihm zu vom Buge, Daß wir plauderten gemeinsam; Südwärts strebt mein Segel einsam, Eilend wie im Vogelfluge.

In Po-tschou, Provinz Kuangsi, am Fuße des Schuang-tchiao schan, „Zweihorn", wuchs in der Familie Liang eine wunderschöne Tochter Lü-tschu „Grüne Perle" auf, welche der reiche Schi Tsch'ung (gest. 300 n. Chr.) für drei Scheffel Perlen als Konkubine kaufte. Später pflegten Schwangere aus dem Brunnen der Lü-tschu Wasser zu trinken, was ihren Töchtern Schönheit verleihen sollte. 10

Forke.



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25. Die Sophora. 1 0 , ich denke noch zurück An mein Heimgelangen: Bäum' und Sträucher ließen schon Dürr die Zweige hangen. Eine Sophora noch bot Trotz den Herbsteswettern, Und die Grillen hingen noch Fest an ihren Blättern. Wieviel ihrer mögen wohl Auf dem Baum noch leben ? An den Zweigen hier und dort Sieht man Kapseln schweben. Trotz der Kälte auf dem Ast Sitzt die schwarze Krähe. Klagend krächzt sie, und sie pickt Hungrig in dem Schneee. Traurig an der Sophora Hängt ihr Nest zertrümmert, Und des fahlen Mondes Bild Durch die Zweige schimmert. Hat die Krähe Flügel nicht Um davon zu eilen ? Will mir wohl Gefährtin sein, Meinen Kummer teilen.

26. Die Verlassene. I. Am Webstuhl im Lenz gewebt sie hat Ein Palindrom in den Seidenbrokat. Die Träne rinnt, und die Schminke zerläuft Und wie Tau auf den Baum am Brunnen träuft. Fern ist der Mann, dem sie Liebe geweiht, Der in einem Briefchen sie Ausdruck verleiht, Im Abendrot schimmert der Weidenflaum, Und einsam bleibt sie im öden Raum.

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Der Huai Baum, Sophora Japónica.



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II. Nur wenig schreibt sie auf rotem Papier Dem Gatten und will verzweifeln schier; Den Kehrvers 1 stickt sie in Seide ein, Das Herz zerrissen von wilder Pein. Die welken Blätter, vom Winde erfaßt, Sie stören der träumenden Falter Rast. Vom Grenzwall traf eine Wildgans ein, 2 Sie soll ihre Liebesbotin sein. III. Es wogt und wirbelt der eisige Wind, Die gelben Blätter bereift schon sind. Die Lampe erlosch, und der Mond scheint fahl; Auf das leere Bett trifft sein bleicher Strahl. Voll Und Und Von

Sehnsucht sie aus nach dem Gatten blickt hat ihm ein Verslein in Seide gestickt. jedes Zeichen erzählt von dem Schmerz, dem zerrissen ihr armes Herz.

IV. Sie zog ihre seidenen Brauen zusamm', Als sie der Schwalben Gezwitscher vernahm. 3 Es perlten die Tränen, umflort war ihr Blick, Denn sie sah, daß die Wildgans kehrte zurück. 4 Ein Weib von den Stürmen der Liebe umbraust, Ist eine Blume vom Winde zerzaust. Der Mann, gefühl- und herzlos, gleicht Dem Tau, der vor der Sonne entweicht.

27. Trunkenheit. Der Weg ist schwer, drum dünkt ihn besser, trunken sein. Auch sprechen fällt ihm schwer, drum schweigt er und schläft ein. Es ruht der Meister hier berauscht bei diesem Stein. Daß dieses Weisheit, sah'n die Alten noch nicht ein. 1

Ein Vers, der von vorn und von hinten gelesen werden kann = Palindrom. Es ist Herbst. Es erinnert sie an das Zusammensein mit ihrem Gatten und stimmt sie traurig. * Die Wildgans kehrte zurück, aber der Mann blieb fort. 2

3

10*



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K'ung Wu-tschung 1 : Ein Sohn kommt nach Haus. 2 „Ein Sohn kommt nach Haus, der andere bleibt aus". Am Morgen noch freuten sich Mutter und Sohn, Am Abend schon flog er als Vogel davon. Nicht heim kann er kehren in dieser Gestalt, Doch wo findet ein Heim er in tiefem Wald ? „Auch wenn mir nun fehlet der menschliche Ton, Denkt doch meine Mutter zu Haus an den Sohn. Wie soll ich vergessen der Mutterlieb' ? Wenn der Leib auch verwandelt, das Herz mir doch blieb".3 „Ein Sohn kommt nach Haus, der andere bleibt aus". Der Frühling vergeht, Des Morgens es weht, Viel Regen nachts fällt. Trotz der Quellen der Berge fehlt Hirse dem Feld. Es friert wohl den Sohn, doch wem klagt er die Not ? Und wem könnt' er sagen, ihn hungre nach Brot ? Um die Jungen fliegen die Vögel umher, Der Sohn hat jetzt keine Mutter mehr. „Ein Sohn kommt nach Haus, der andere bleibt aus". Jedes Jahr, wenn der dritte Mond kommt herbei, Und man Hanf pflanzt, tönt dieser traurige Schrei. Eine Mutter einst zweier Söhne war, Doch sie liebte nur den, den sie selber gebar, Beim Hanf Sprossen sollten sie kehren nach Haus: Der verhaßte nur kam, der geliebte blieb aus. 1

K ' u n g Wu-tschung, E n d e des 11. J a h r h u n d e r t s . Die beiden B r ü d e r Su Tung-p'o u n d Su Tsche u n d die drei K ' u n g , K ' u n g Wu-tschung u n d seine beiden Brüder K ' u n g Wen-tschung und K ' u n g P'ing-tschung gelten als die literarischen Sterne der Yüan-yo Periode, 1086—1094 n. Chr. 2 E s gibt einen Vogel, der im Frühling, wenn der Hanf gepflanzt wird, erscheint und seinen klagenden Ruf „Erh-kuei", den m a n mit „Der Sohn k e h r t h e i m " erklärt h a t , ertönen läßt. D a r a u s h a t sich folgende Sage entwickelt. Eine Stiefmutter wollte sich ihres Stiefsohnes entledigen und ersann d a f ü r eine List. Zur Zeit, als der Hanf gesät werden m u ß t e , verteilte sie frischen und gekochten H a n f s a m e n an ihre beiden Söhne mit der Weisung, ihn zu säen u n d nicht eher wiederzukommen, als bis der Hanf aufgegangen. Durch ein Versehen erhielt aber gerade ihr eigener Sohn den gekochten und der Stiefsohn den guten Samen. Nach längerer Zeit kehrte der verhaßte Sohn zurück, der geliebte blieb aus. E r war inzwischen in einen Vogel verwandelt, der n u r noch den Ruf „ E r h - k u e i " ausstoßen k o n n t e . Diesen h a t der Dichter als Refrain verwandt. 3 So spricht der in den Vogel verwandelte Sohn.



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Warum die Verwechslung, das sieht man nicht ein, Wie könnt' es die Absicht des Himmelsherrn sein ? Der Lohn stimmt zur Tat wie zur Flöte Schalmei. 1 Noch jetzt tönt am Berge der klagende Schrei, Stets für Mutter und Sohn eine Warnung er sei. Nicht den Wandrer allein erfüllt er mit Schmerz, Dem beim Klagelaut „Erh-kuei" erzittert das Herz.

K'ung Wen-tschung 2 : Herbstnacht. Wie endlos scheint mir die Nacht zu sein! R u h ' einsam auf meinem Pfühle. Zerbrochen ist das Fenster mein; Ich fühle des Herbstes Kühle. Ein Regenschauer bricht herein, Das meine Träume verscheuchet, Und in mein dünnes Gewand hinein Die eisige Nachtluft schleichet. Die Schneide wird schartig, die Spitze stumpf Auch bei den schärfsten Klingen; Der graue Habicht brütet dumpf, Zieht ein seine starken Schwingen. 3 Einst konnte noch mein kühner Mut Die stolze Brust mir schwellen, Draus ward jetzt eine Tränenflut Mit nie versiegenden Quellen.

K'ung P'ing-tschung. 4 Herbstmond. Dem Monde hat gegolten Stets meine Schwärmerei, Besonders jetzt im Herbste, Wenn fast die Nacht vorbei. 1

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Der Lohn harmoniert mit der Tat wie die Flöte mit der Schalmei. Deshalb ließ auch Gott die Verwechslung zu. Der Verlust des Sohnes war eine gebührende Strafe für die Bosheit der Mutter. K'ung Wen-tschung, Ende des 11. Jahrhunderts, älterer Bruder des K'ung Wu-tschung, S. 148. Der Dichter vergleicht sich selbst mit einer stumpfen Klinge und einem dumpf brütenden Habicht. K'ung P'ing-tschung, Ende des 11. Jahrhunderts, jüngerer Bruder des K'ung Wu-tschung.



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Der Wind ist sein Begleiter, Er stürmt an ihm entlang. Dicht fällt der Tau hernieder, Spült seine Scheibe blank. 1 Ich heb' das Haupt und blicke Empor zu lichten Höh'n; Von reinem Glanz umflossen Sind sie bezaubernd schön. Die vielen Sterne ziehen Die Strahlenbündel ein, Des Himmelsstromes Wellen Geben nur matten Schein. 2 Auch nicht das kleinste Wölkchen Man jetzt am Himmel sieht, Dran hängt die Mondesscheibe Weiß glänzend wie Nephrit. Still ist es in der Runde Und schimmert silberweiß. Es rauscht im kühlen Haine, Die Bäume flüstern leis'. Auf nacht'ge Ruh verzichtet Hab' für den Mond ich nur. Ich wandre auf und nieder, Bald stockt die Wasseruhr. 3 Ich bin emporgestiegen An einen hohen Ort, Und deutlich vor mir liegen Seh' Berg und See ich dort. Der kalte Hauch verdichtet Zu Eis und Schnee gefror. Aus reinem Herzen wuchsen Zwei Flügel mir hervor. Gen Himmel möcht' ich fliegen Und schweben ohne Rast, Den Weltenraum durcheilen Bis zu dem Mondpalast. 4 1 2 3 4

Der Tau und der Reif fallen nach chinesischer Auffassung vom Monde herab. Es ist schon gegen Morgen. Gegen Morgen ist das Wasser ausgelaufen. Ein Palast, der sich auf dem Monde befinden soll und den Namen Kuanghan führt.



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Den Körper würd' ich baden Wohl in dem Himmelssee Und darauf weiterfliegen In seliger Geister Näh'.

2. Die Möven. Weltvergessen schläft ein Alter Nah am Fluß, berauscht vom Weine, Zwischen roten Wasserlilien; Ruht auf einem alten Steine. Plätschernd fluten grüne Wellen, Doch die stören ihn nicht weiter. Weiße Wolken ziehn am Himmel, Wie sein Sinn, so leicht und heiter. Wohl bekannt ist Dieses Alten Tun Und sie rufen die In des Alten Näh

längst den Möven und Treiben, Genossen, zu bleiben.

Lustig trinken sie und fressen, Ohne Furcht und Scheu zu zeigen, Schwimmen oder tauchen unter, Ohne ängstlich aufzusteigen. Fischer, welche sie erspähten, Schnell beschlossen, sie zu fangen, Und mit Netzen in den Händen Zu des Alten Heim gelangen. Doch den vielen Möven scheinet Ihr Gebaren sehr verdächtig. Tausend Li weit fliehn sie flatternd, Dann erst schau'n sie um bedächtig. Nicht den Alten sie mißachten, Seinetwegen nicht in Hast sind, Doch sie merkten die Gefahr schon, Ehe sie davon erfaßt sind. Als die Fischer mit den Netzen Nicht mehr in der Nähe waren, Früh und spät umkreisten lustig Jenen Alten ihre Scharen.



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3. Der Hund. Ich hatt' einen Hund im Hause, Er war ein wilder Gesell', Und laufen könnt' er gewaltig Wie ein fliehender Hase so schnell. In seinem Ungestüme Stieß Schüsseln und Teller er um. In allen schmutzigen Ecken Des Hauses kroch er herum. Er hörte nicht auf zu bellen, Wenn jemand vorüberging. Die Hühner begannen zu schreien, Die Katze zu fauchen anfing. Ihn länger im Haus zu behalten, Ich wirklich unmöglich fand. Ich mußte fort ihn schicken Nach meinem Gut, auf dem Land'. Seit einem halben Jahre Hatt' ich ihn gesehn nicht mehr Und dachte, daß wohl ein wenig Er zahmer geworden war'. Als ich zufällig nun gestern Im Osten der Stadt mich befand, Da kam er voller Freude Schweifwedelnd herbeigerannt. Er zerrte an meinem Kleide, Schmiegte ans Knie sich dicht. Ich jagte fort ihn nochmals, Doch er verließ mich nicht. Dann sprang er mehrere Fuß hoch In einem Satze empor. Ich sah, die alte Wildheit, Sie war noch wie zuvor. „Sollt' dieses nur ein Fehler In deinem Charakter sein, Und ward nicht vom Himmel beschlossen, Dies Wesen dir zu verleihn?" 1 1

Die Wildheit ist kein Charakterfehler des Hundes, sondern eine ihm vom Himmel verliehene Eigenschaft, für die man ihn nicht verantwortlich machen kann.



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„Ich habe nie vernommen, Daß, weil es schlug und biß, Ein Roß aus edlem Stamme Man auf die Straße stieß". 1 „Und dennoch, wie könnt' ich es wagen, Dich mitzunehmen jetzt, Da du die Knaben und Mädchen Wieder in Angst versetzt".

Tscheng Tchia2: In einer Schneenacht. Der Schnee ballt sich zusammen, Und grimm kalt ist mein Haus. Ist's eisig auch im Zimmer, Ich mach mir nichts daraus. Wir haben Stund auf Stunde Mit Lesen zugebracht, 3 Geöffnet manche Flasche, Woraus der Frühling lacht. Zuerst gilt es dem Wohl des Konfuz und Mencii; Das zweite Glas wir weihen Tse Kung dann und Yen-hui. 4 Und bei dem Trinken dichten Wir manches neue Lied, Besteigen dann den Söller, Weiß leuchtend wie Nephrit.

Tschang Lei5: 1. Die Prügelstrafe. Die Knaben peitschen und prügeln gern Und machen es wie die Behörden. Sie reizen zum Spotte den alten Herrn, Daß so dumm sie und wild sich gebärden. 1

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Einem edlen Pferde verzeiht man auch böse Eigenschaften. Der Dichter würde auch über die Wildheit des Hundes hinwegsehen, aber er kann ihn nicht wieder in sein Haus nehmen, weil er zu viel Unheil anrichtet. Tscheng Tchia, 1040—1119 n. Chr. Der Dichter mit seinem Freunde Yang Tchi. Zwei Schüler des Konfuzius. Tschang Lei, 1046—1106 n. Chr. Siehe S. 157, Anm. 2.



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Der Alte ernannt wird zum Magistrat, Läßt peitschen die Leute und schmähen. Ist größere Tugend in dieser T a t Und größere Weisheit zu sehen ? Die Knabenschar spielt Beamte wohl Und des Prügeins Freude genießet, Doch wenn der Alte peitschet im Groll, Das Blut auf die Erde stets fließet. Und wenn man die beiden Spiele vergleicht, Wer ist dann der Tor, wer der Weise ? Ich lache des Alten; an Tugend erreicht Er die Knaben in keiner Weise.

2. Der Hagelschauer. 1 In der Nacht ein Hagelschauer Schreckte aus dem Schlaf mich auf, Beinah' faustdick große Schloßen Prasselten herab zu Häuf. Ich erhob mich, um zu lauschen: 'S schien, als ob das Haus bewegt, Und vom Dach zertrümmert mancher Ziegel kam herabgefegt. Hell gewesen war der Abend, Alle Sterne schienen licht. Spiegelklar war's viele Meilen, Selbst ein Wölkchen sah man nicht. Wer den Himmel und die Erde Zu dem Wechsel wohl bewog, Daß sich so ein wunderbarer Umschwung im Moment vollzog ? Einen alten Nachbar hab' ich, Einen Mann mit weißem Haar. Solch' ein Wetter, sprach er, habe Er erlebt schon vor zehn Jahr'. Wenn Holz schwach und übermächtig Feuers Odem ströme heiß, 2 K a m ' hervor die negative K r a f t 3 und brächte hartes Eis. 1 2 3

Das Unwetter fand statt im Jahre 1079 n. Chr. Nach der Theorie der Fünf Elemente, zu dem Holz und Feuer gehören. Vgl. meine Übersetzung des Lun Heng, Vol. II, Appendix I, p. 476. Das Yin.



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Was recht sei, was unrecht, mögen Die Gelehrten wohl verstehn, Doch wer könnte ganz ergründen Jedes Himmelsphänomen? Auf dem Dach ein junger Rabe Ach! verlor die Mutter sein. Auch er selber brach den Flügel, Und ihm ward verletzt das Bein. 1

3. Wintersonne. Dem Söhnlein macht das Lernen Des Schreibens besondern Spaß. Sein Bogen ist vollgeschrieben, Wie wenn eine Kräh' drauf saß. Die Mutter wegen der Kälte Zum Weben nicht Lust verspürt, Sie sitzt in der Nähe der Türe, Wo sie die Zither rührt. In meiner Kanne hauset Ein Wesen besonderer Art, Es quillt hervor gar hurtig Ein rosiges Wölkchen zart. Drei Becher davon genügen Dem eisigsten Gesicht, Daß aus den starren Zügen Der Glanz des Frühlings bricht.

4. Unter Blüten. Wer wohnt jenseits wohl der Mauer, Dessen Bim' und Pfirsich blühen ? Warum, wo die Blumen glühen, Geht er auf und ab in Trauer? Leichten Flaum heißt er sich schwingen,2 Daß er fort die Sorgen führet. Weiße Fäden 3 er erküret, Blüh'nden Frühling ihm zu bringen. 1 2 3

Den Grund dafür sieht man nicht ein. Flaum von Weiden und Ulmen. Sommerfäden (Altweibersommer).



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Tch'in Kuan 1 : 1. Die Einsame. Im Osten unseres Landes Da lebt eine schöne Frau. Ihr liebliches Antlitz gleichet Den Frühlingsblüten genau. Nur ihren Schatten umarmend, So harrt sie in Einsamkeit, Und starren Blickes verkündet Im Zitherspiel sie ihr Leid. Warum sind seine Töne So voll von herbem Schmerz ? Weil fern wie der Milchstrom am Himmel Der Mann, dem gehört ihr Herz. Zu baden sich und zu schmücken, Das wäre vergebliche Müh', Denn niemand ist ihr zur Seite Am Abend und in der Früh'. Des Herzens wilde Gefühle, Die preßt sie zurück mit Gewalt. Der herrliche Mond erscheinet, Auch er versinket gar bald. Doch listig blickt er im Sinken Noch in ihr Fensterlein, Es fällt auf den stillen Vorhang Der Morgenröte Schein. Die Blumen und Pflanzen blühen Und duften J a h r für Jahr, Und jede Nacht erschimmern Die hellen Sterne klar. Die Zeit wird sicher einst kommen Der Wiedervereinigung — Weshalb drum seufzen und klagen ? — Wenn sie geharrt genung.2

2. Regen und Sonnenschein. Sobald vorbei der Regen, Kommt Sonnenschein geschwind. Aus Wüsten weit entlegen Weht ein gewalt'ger Wind. 1 2

Tch'in Kuan, 1049—1101 n. Chr. Siehe S. 157, Anm. 2. Das Gedicht ist ganz in der Art der Liebeslieder der Vor-T*ang Zeit.



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Sein Zornesbrüll'n ich höre Bei Tage und bei Nacht, Wie wenn er peitscht die Meere, Und Berge stürzt mit Macht. Warum hat so geschnoben Das All, daß wild es schallt, Und niemand seinem Toben Gebieten könnte Halt ? Am Morgen alles schweiget, Sind alle Höhlen leer, 1 Und in den Äther steiget Die Sonne hell und heer.

Huang T'ing-tchien 2 : 1. Abend. Rot und purpurn um die Wette Blüht's in diesen Frühlingstagen. Abend wird es; auf den Straßen Donnern laut die Ochsenwagen. 3 Meine Ruhe und mein Frieden Wird vom Frühling mitgenommen. Vögel rufen, Blumen zittern: Werden je sie wiederkommen ?

2. Nach dem Gelage. Von des grünen Frühlings Antlitz Staub wind h a t den Glanz genommen. Schöpf' aus kaltem Born und wasche Mein Gesicht, vom Wein entglommen. Ein Gedicht gern möcht' ich schreiben, Doch es will mir nichts gelingen. Freund Tu mag die Verse suchen, S' wird ihm neue Ehre bringen. 1 2

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DieHöhlen, in denen sich derWind fing oder in denen er eingeschlossen war. Huang T'ing-tchien, 1050—1110 n. Chr., galt zusammen mit Tschang Lei S. 153, Tsch'ao Pu-tschi S. 158, und Tch'in Kuan S. 156, als einer der Vier großen Gelehrten des Reiches. Die schweren Wagen, welche vom Felde heimkommen.



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3. Im Obstgarten. Prächtig sind im diesem Herbste Deine Lo-fou 1 Obst Bestände, Dicke Büschel hängen nieder, Schlagen an die Gartenwände. Laß die Knaben ab nicht werfen Schon die sauern und die herben. Wart', bis nach dem ersten Froste Alle völlig gelb sich färben.

4. Vorzeitiger Frühling. I. Nach einem Schaltmond 2 ward's schon wieder mild Zur Sonnenwende. 3 Es regnet sacht, und Dunkelheit umhüllt Haus und Gelände. Die Ulmen knospen, und am Weidenzweig Sieht grün man's sprießen. Ich glaube beinah, durch das Fenster gleich Zwei Schwalben schießen. II. Beim Pavillon hat Sand und Staub bezwungen Des Regens Naß. Der Frühling naht. Ich bin umhergesprungen Und freu' mich baß, Frohlockend, daß, da so gering die Kälte, Der Schnee blieb aus. Ein Blümlein schaut, eh' ein der Lenz sich stellte, Am Wall heraus.

Tsch'ao Pu-tschi 4 : Zu Roß. Als fort dich dein Roß getragen, Sprach ich mit lächelndem Blick, Du mögest nach zehn Tagen Doch sicher kehren zurück. 1 2 3 4

Name eines Berges. Die Chinesen haben nicht Schalttage, sondern Schaltmonde. Die Wintersonnenwende, Ende Dezember. Tsch'ao Pu-tschi, 1053—1110 n. Chr. Siehe S. 157, Anm. 2.

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Wie du geritten kämest, Die Gräser erst knospten weiß, Doch, als du den Heimweg nähmest, Da grünte schon jedes Reis. Vorrüberreitend du sagtest, Daß des Rosses Hufe zu flink, Und bei der Heimkehr du klagtest, Daß es zu langsam ging. Das menschliche Herz nur empfindet Bald Schnelle, bald Langsamkeit. Im Hufe des Rosses nicht findet Sich solche Verschiedenheit.

Hiing Tchüeh-fan 1 : Die Schaukel. An buntbemalten Pfosten hängt Ein grünes Seil herunter, Drin schaukelt vor dem Hause sich Im Lenz ein Mägdlein munter. Wie flattert da ihr Rock blutrot Und feget auf der Erde! Dann ist's, als ob das schöne Kind E n t f ü h r t zum Himmel werde. Von roter Mandelblüten Tau Die Leisten sind befeuchtet; Durch grüner Weiden Schleier schräg Das seidne Seil hell leuchtet. Sie schwebt herab zum Ruhepunkt, Ist lächelnd stehn geblieben. Ich glaube fast, ein Engel ist's, Vom Mondpalast vertrieben.

Yang Wan-li 2 : 1. Trinkgelage. Im Seepavillon versammelt Sind wir nachts beim Bambushaine. Schwach noch ist das Licht des Mondes, Überstrahlt vom Kerzenscheine. 1 2

Hung Tchüeh-fan, 11.—12. Jahrhundert. Yang Wan-li, 1124—1206 n. Chr.



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Immerfort nach allen Regeln Lädt der Wirt uns ein zu trinken, Und ich fühle mich sehr bald schon I n Benebelung versinken. Aus dem Grase zweimal, dreimal Plötzlich Froschgequak ertönet, Grad' als ob es meine schwachen Leistungen im Trunk verhöhnet. Doch das Soll mich Kann von Flöt' und

Quaken eines Frosches weiter nicht empören, ihm ja nicht erwarten Paukenklang zu hören.

Gern stieg' ich zum Felsenhäuschen Mit den Freunden in die Höhe, Wo ich auf die Brüstung lehnend I n den grünen Bambus sehe. Wirklich bin ich eingetreten In die kühlen, grünen Hallen, Wenn ich jetzt nicht weiter trinke, Würd's dem Bambus sehr mißfallen.

2. Nachruhm. Sind die Alten längst gestorben, Oder leben sie auf Erden ? l Lebten jetzt nicht mehr die Alten, Müßt die Welt verbessert werden. Wer nie drei und Für die Nachwelt Können den nach Noch viel tausend

nie fünf Strophen 2 hat geschrieben, seinem Tode Menschen lieben ?

J e t z t verlacht man wohl die Alten Meint auch, daß sie überspannt sei'n. Daß die Alten uns verlachen, 3 Dürft' nicht jedermann bekannt sein. 1 2 3

Die Alten leben noch fort in ihren Werken. Gedichte von drei oder fünf Strophen. In ihren Werken.



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Zwischen Kommen, ach, und Gehen 1 Währt die Frist nicht gar zu lange. Blumen blühen, Blätter fallen: Alles folgt demselben Drange. Mancher führt ein scheffelgroßes Siegel wohl bei Lebenszeiten, 2 Dem man schändlich mit Brecheisen Nach dem Tod den Mund t u t weiten. 3 Können solche, die im Leben Immer nur die Brauen runzeln, Später, wenn ihr Leib zerfallen, Noch beim Glase Weine schmunzeln ? Yüan Sse-tsung 4 und Li T'ai-po, Diese beiden anders waren. Darum haben beide Alten Ihrer Mitwelt Spott erfahren. Alte Weise, alte Toren Sind nichts mehr als weiße Knochen. Von dem R u h m der beiden Dichter Wird noch überall gesprochen.

3. Mutterbrief. Wenn die Festzeit, ist's gar schwer In der Ferne weilen, Kommen doch v«n Hause her Manche liebe Zeilen. Und es fragt das Mütterlein, Ob ich heim bald fände, Wie es mit den Plänen mein Und Entwürfen stände. Ach, Mein Denn Läßt 1 2 3

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es ist zu gar nichts nutz gewaltsam Zechen, mein Kummer bietet Trutz, durch nichts sich brechen.

Leben und Tod. Er ist ein hoher Beamter. Den Leichen pflegten Edelsteine in den Mund gelegt zu werden. Um diese zu rauben, wurden öfter die Gräber erbrochen und die Edelsteine mit Gewalt herausgenommen. Yüan Tchi, vgl. S. 15. 11 Forke.



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Eh' ich trug des Amtes Fron, H a t t ' ich Not zu leiden, Doch der Vater und der Sohn Mußten sich nicht meiden. 1

4. Der Frühlingsochse. 2 Die Peitsche faßt mein kleiner Sohn, Schlägt auf den Ochsen drein aus Ton, F ü h r t nach dem Kopf den ersten Schlag Und ahmt darin den Alten nach. Der Ochs ist gelb und gelb die Bein', Weiß sind die beiden Hörner sein. Dem Hirten steht sein Mantel gut, Dazu der grüne Binsenhut. Der Ackerboden dieses J a h r Durch Regen reich gesegnet war; Drum waren heuer auch die Leut' Viel mehr als letztes J a h r erfreut. Mein Sohn hofft auf die Ernte sehr, Daß niemand braucht zu hungern mehr, Doch trübe ist des Ochsen Blick: 3 Die Ernteaussicht macht nicht dick. Die Weizenähren sehen aus So kräftig wie ein Besenstrauß. Gehäuft sind auf des Scheffels Grund Reiskörner wie die Perlen rund. H a t man gepflügt das große Feld, Wird auch das Bergland noch bestellt. Der gelbe Ochse müht sich sehr; Man gönnt ihm keine Ruhe mehr.

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Bevor der Dichter ein Amt hatte, ging es ihm schlecht, aber er brauchte sich damals nicht von seinen Eltern zu trennen. Zur Begrüßung des Frühlings wird ein Ochse und ein Hirt aus Papier oder Ton in Prozession umhergetragen und schließlich im Tempel zerschlagen. Der wirkliche Ochse, der das Feld zu pflügen hat.



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Lu Yu 1 : 1. Herb st wind. Siehst du, wie die Bäume schwanken ? Durch die Halle geht ein Sausen. Wo wohl höret unter Menschen J e man so gewaltiges Brausen ? Wenn dem Hochwasser nach Regen Morgens man die Schleusen weitet, Nachts ein Reiter nach durchtobtem Kampf zurück zum Lager reitet. 2 Und obgleich ich am geschweiften Tische lehnend lange lausche, Läßt es doch nicht nach sich ahmen, Wenn die Saiten ich durchrausche. 3 Daß der Hitze Kühle folgte, Darf uns nicht zu sehr erfreuen, Denn bevor ein J a h r zu Ende, Werden neue Gluten dräuen.

2. Die Mücken. Die winzigen Mücken kennen Das Wetter ganz genau Und ahnen, wann den Regen Verscheucht der Lenzwind lau. 4 Libellen in den Lüften, Die wissen nicht darum, Wann die von ihrem Fluge Vom Hof aus kehren um. 5 Sie schweben auf und nieder Voll Lebenslust zumal: Eh' nicht verspeist die Mücken, Droht nicht des Hungers Qual. 1 2 3 4 6

Lu Yu, 1125—1209 n. Chr. Das Rauschen des Wassers und das Galoppieren des Reiters bei Nacht gleicht dem Rauschen des Herbstwindes. Der Dichter möchte das Brausen des Windes auf seiner Zither nachahmen. Die Mücken wissen den Wetterumschlag voraus. Wir sagen auch, daß das Tanzen der Mücken gutes Wetter bedeutet. Die Libellen sind anders als die Mücken, sie leben in den Tag hinein. 11



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Doch unter'm Dach die Spinne Auch euch, Libell'n, beschleicht. Schon spinnt sie ihre Fäden; Ihr Bauch der Pauke gleicht.

3. Das Mädchen aus dem Volke. Bei der Mutter lebt ein Mädchen Mit zwei Zöpfen nah am Fluß, Welches für die Maulbeerbäume Und den Hanf stets sorgen muß. In dem Stübchen hört man klappern Ihren Webstuhl noch bei Nacht, Wenn den heim'schen Tee zu brühen, Bohnenstroh im Herd entfacht. Die Erwachs'ne hat ein Nachbar Alsobald zur Frau begehrt. Bis zum Holztor gegenüber Ist nicht nötig ein Gefährt. 1 Blauer Rock und Bambuskörbchen Ihr nie Grund zum Seufzen war, 2 Und sie schmückt mit bunten Winden Prächtig sich ihr Zöpfepaar. In der Stadt die schönen Damen Mit dem rosigen Gesicht Woll'n als Gatten nur Beamte, Sind auf Ehr' und Glanz erpicht. Mit den stolzen Rappen geht es Dann wohl in die Ferne weit. Traurig greifen sie zur Zither Jedes J a h r , wenn Frühlingszeit. 3

4. Vogelruf. Wohl hat nicht den Kalender Der Bauer stets bereit, Doch an dem Ruf der Vögel Kennt er die Jahreszeit. 1 2 3

Man kann bei der Hochzeit die wenigen Schritte bis zu ihrem neuen Heim zu Fuß gehen. Sie verlangt keine schönen Kleider und Schmucksachen. Die vornehmen Damen müssen, um ihren Gatten zu folgen, die Heimat verlassen und empfinden die Trennung besonders im Frühling.



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Hört er im zweiten Monat Des Ziegenmelkers Schrei, So weiß er, daß es Frühling Und Zeit zum Ackern sei. Sobald im dritten Monat Goldamsels Ruf erklingt, Den Seidenwürmern Futter Die junge Gattin bringt. 1 Wenn dann im vierten Monat Des Kuckucks Ruf tönt hell, Legt Haus bei Haus die Raupen Man auf das Spinngestell. 2 Hört man im fünften Monat Die Stare zwitschern laut, Weiß man, daß überwuchert Die Saat von wildem Kraut. Der Landmann scheint den Meisten In Nöten stets zu sein. Bald hofft er auf den Regen, Bald auf den Sonnenschein. Dagegen seine Freuden Sind weniger bekannt, Gerade wie dem Bauer Fremd der Beamtenstand. Wenn nur einen Chinagras 3 Rock Und Weizen und Reis er hat Und Wein vom Markt an der Brücke, Der fließt wie Öl so glatt! Kehrt nachts er gestützt nach Hause, Ist stets bezecht er schwer. Dann fürchtet er auch zu treffen Den Landgendarm nicht mehr. 4

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Im dritten Monat (April) beginnt man mit der Fütterung der dann ausgekrochenen Seidenraupen. Auf diesem sollen sie sich einspinnen. Hanfartige Pflanze, woraus ganz dünne Gewebe für den Sommer verfertigt werden. Wörtlich: Den Wachtoffizier von Pa-ling, eine Anspielung auf den General Li Kuang der Han Zeit, welcher auf einer nächtlichen Fahrt in der Betrunkenheit von dem Offizier von Pa-ling angehalten wurde.



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Fan Tsch'eng-ta 1 : 1. Dankopfer. 2 Mit Eisbein gefüllt die Schüsseln sind, Die Becher gefüllt mit Weinen. Es säuselt leise ein frischer Wind: Die Geister3 werden erscheinen. 0 , mögen die Götter uns gnädig nah'n Und gnädig von hinnen gehen! Die Knaben auf den Knie'n sie empfahn, Die Mädchen im Tanze sich drehen. Und lächelnd ein Mann spricht mit weißem Haar, Anfachend des Weihrauchs Feuer: „Viel besser als im vergang'nen Jahr Ist doch uns're Ernte heuer". „Damals wir ließen den Rock sogar Für Pachtzins an Stelle des Pfandes.4 Wir tragen ihn wieder in diesem Jahr Und opfern dem Schutzgeist des Landes".

2. Das Seidenhaspeln. Ein frisches Grün zeigt der Weizen noch, Die Gerste schon gelbe Fülle, Die Sonne stieg aus der Ebene, doch Man fühlt noch des Morgens Kühle. Laut reden Mutter und Tochter im Haus Und scheinen sich tüchtig zu rühren. Im Hinterhaus kocht die Kokons man aus Und brennt Weihrauch vor den Türen.5 Wie Regenrauschen und Windessang So surren die Haspelrädchen.6 Dick sind die Kokons und die Seide lang, Und es reißt kein einziges Fädchen. Fan Tsch'eng-ta, 1126—1193 n. Chr. Ein Dankopfer für gute Ernte. 3 Die Geister des Landes und der Feldfrüchte. 4 Die Bauern mußten den Rock verpfänden, um nur den Pachtzins bezahlen zu können. 5 Zum Dank für die gute Seidenernte. * Mit diesen Rädchen haspelt man die Seidenfäden von den in heißem Wasser schwimmenden Kokons. 1

2



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Sie haben nicht Zeit, um den Seidenflor Zu weben heuer zum Kleide, Denn morgen gehn sie zum westlichen Tor, Allwo sie verkaufen die Seide.

3. Morgen. I. Es kocht mein Tee und gibt manch wunderlichen Ton, Deck' fest mich zu und weiß, daß fünfte Nachtwach'1 schon. Schon schlagen in der Stadt die Glocken alle an, Ein Weilchen, und im hintern Gäßchen kräht der Hahn. II. Ich fahr' aus meinen Träumen auf, bin noch erwacht nicht völlig. Papier und Ziegel sehe schon am Himmelsfenster2 hell ich. Laut zwitschernd durch den Bambus fliegt die Vogelschar behende, Und vor dem Amtshaus schlägt man noch die Nachtwach', die zu Ende.3

4. Die Seidenweberin. In der Nacht noch pflegt zu weben Seidenen Brokat die Kleine. Und der Ält'ste der Gemeine Läuft, die Steuer zu erheben. S' hat ein prächtiges Jahr gegeben Für Maulbeer'n und Raupen beide. Man behält noch gelbe Seide, Um ein Sommerkleid zu weben.4

Tschu Hsi 5 : 1. Im Garten. Von jetzt ab soll im Garten mein Der Freud' und Lust kein Ende sein. Mein Haus in seiner Mitte Scheint eine Bauernhütte. 1 2 3 4 5

Die Zeit von 3—5 Uhr morgens. Das Dachfenster oder Oberlicht ist mit Papier beklebt. Der Nachtwächter schlägt das Ende der letzten Nachtwache an. Es ist 5 Uhr. Die Weberin braucht nicht alle Seide zu verkaufen, sondern behält noch genug übrig, um für sich selbst ein Kleid zu weben. Tschu Hsi, 1130—1200 n.Chr., der berühmte Kommentator und Philosoph.



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Nimmt man die Pracht in Augenschein, Darf man vergessen nicht den Wein. Will man im Schatten sitzen, Muß man den Tee erhitzen. 1 Des Morgens, wenn es frisch und kühl, Den Tau ich niedergleiten fühl'. Wenn sich der Abend neiget, Der Dunst nach oben steiget. An Eigenheiten hab' fürwahr, Ich jetzt schon eine ganze Schar, So viele wie der Blüten, Die über dir erglühten.

2. Nachtgedanken. Im Herbste durch die Pforten Dringt ein die Luft gar rauh. Schon lange sitz' ich dorten, Kalt nieder fällt der Tau. Indes ich will nicht klagen, Daß ich so einsam bin. Wem sollte ich es sagen, Denn wer kennt meinen Sinn ? Das Lesen und Studieren Längst Überdruß mir schafft. Zum Herrschen und Regieren Spür' ich noch weniger Kraft. Und einzig fühlt mein Herze Die Leiden dieser Welt, Gleicht der erlosch'nen Kerze, Von keinem Strahl erhellt.

3. Frühlingsfluten. Vergangene Nacht im Strom der Lenz erwachte; Das Wasser steigt. Die schweren Kriegsfahrzeuge gleiten sachte Und federleicht. 1

Ohne Tee wird es im Schatten zu kühl.



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Umsonst versuchte man bisher zu schieben Sie mit Gewalt. 1 Jetzt sind in Stromesmitte fortgetrieben Sie alsobald.

Yeh Schi2: 1. Sommer. Obgleich ein Teich mit Lotus bedeckt Im Osten mein Haus bespület, Hab' schlafend am Ufer niedergestreckt Ich doch die Hitze gefühlet. Die Mattigkeit zwar der Mensch verliert, Sobald im Herbste es brauset, Doch er beklagt, daß, ehe es friert, Der Wind die Blätter zerzauset.

2. Warnung. Noch rosa fließt und wie Bernstein Gold Der Wein, bevor er gekläret, Doch, ob er geschmuggelt oder verzollt, Den Frühling stets er bescheret. Ein Becher Weines ist schon genung, Um zur heitern Stimmung zu führen. Wer aber noch weiter huldigt dem Trunk, Wird bald die Folgen verspüren.

Tai Fu-ku3: 1. Selbst im Traume. Um Mitternacht da endlich Ruht jede Tätigkeit, Indes die fünfte Nachtwach' Die Träume schon zerstreut. Sobald den frühen Morgen Begrüßt der Hahnenschrei, So ist auf tausend Kissen Der Schlummer auch vorbei. 1 2 3

Das Wasser war zu seicht. Durch die Schneeschmelze im Frühling ist es angeschwollen. Yeh Schi, 1150—1223 n. Chr. Tai Fu-ku, 12. und 13. Jahrhundert.



170

Fast hundert Viertelstunden Zählt m a n an einem Tag. Wieviel davon in R u h e Man wohl genießen mag ? U n d schließet m a n zum Schlummer Die müden Augen zu, T r ä u m t m a n von tausend Dingen U n d findet keine R u h ! Vornehm und reich sich dünket D a n n mancher arme Mann, U n d wer Erfolg hat, träumet Wohl von den Geistern dann. Das H a s t e n und das Streben Verfolgt uns selbst im Traum. Wie wenig gibt das Leben Der reinen Freude R a u m !

2. Im Gebirge. Nachdem der K a m m überschritten, Gönn' meinem Pferde ich R u h ' , U n d an des Baches Ufer Schau ich dem Fischen zu. Auf eine hohe Wurzel Bequem ich mich setzen kann; Ein glatter Felsblock bietet Sich mir als Schreibtisch an. Die Vögel singen im Tale U n d t u n einander Bescheid. Hier ballen a m Berg sich die Wolken, Dort dehnen sie sich weit. Als Literat gekleidet Verkauft ein Mann mir Wein. Es könnte nach seinem Aussehn Sze-ma Hsiang-ju 1 wohl sein.

1

Der Dichter Sze-ma Hsiang-ju, 2. J a h r h u n d e r t v. Chr., war, nachdem er seine F r a u e n t f ü h r t h a t t e , eine Zeitlang Kellner, bis ihn der grollende Schwiegervater aus seiner Notlage befreite.



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3. Friede. Nahen Schmerz und Bangen, Jagt man fort sie, halt: Frieden zu erlangen Strebt man, wenn man alt. Gäste will ich bitten, Denn der Wein schon glüht, Und in unserer Mitten Nur das Dichten blüht. Wunderbar sich ballen Pflaumenblüten weiß;1 Es ist Schnee gefallen, Und des Nachts friert Eis. Eingemummt in Decken Leg' ich mich zur Ruh'. Sorgen, die mich schrecken, Sind verscheucht im Nu.

4. Vor Anker. Mit dem Boote leg' ich an Unter Weidenbäumen, Steig' zum Teehaus drauf hinan, Lächelnd, ohne Säumen. Einen Mönch der Mongolei Hab' ich dort getroffen. Glaubt nicht, daß ein Weib2 es sei, Dem dort galt mein Hoffen. Heiter schaut der Berg in's Land, Wolken ziehn von hinnen. Fest zusammen hält der Sand, Und die Well'n zerrinnen. Einsam schenke ich mir ein Nah der Flut, der klaren. Meine Freunde sind allein Weiße Möven-Scharen.

1 2

Die Pflaumen blühen oft schon, wenn es noch friert. Wörtlich: Ein Weib aus Yüeh.



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5. Nächtlicher Überfall. Schon versank des Mondes Pracht In dem finstern Walde. Heim kehr' ich um Mitternacht An der Bergeshalde. Öfter flößt mir Schrecken ein Böser Hunde Bellen. Nur ein einzig Glühwürmlein Will die Nacht erhellen. Jetzt mit meinem roten Rohr Werd' ich tüchtig wettern: „Höre, wie dein weißes Tor Kracht in seinen Brettern. 1 " „Stehe auf! denn schlafen ein Wird dir nicht gelingen. Bis erbleicht der Sterne Schein, Woll'n wir fröhlich singen."

Wen T'ien-hsiang 2 : Krankheit. I. Vierzig Tage müssen's sein, Daß ich krank gelegen, Und ich hör' durch Wies' und Hain Kühl den Westwind fegen. Auf dem Diwan ruh' ich aus; Kann die Rippen zählen. Aus dem Spiegel schau'n heraus Meine Augenhöhlen. Müd' auf meinen Stab gestützt, Meine Vers' ich singe. Oft, damit das Iking nützt, 3 Weihrauch dar ich bringe. Spät nachts opfr' ich dann und wann Frücht' und süße Speisen, Fleh' den Gott der Heilkunst an, Huld mir zu erweisen. 1 2 3

Der Dichter schlägt an das Tor, um seinen Freund zu wecken. Wen T'ien-hsiang, 1236—1283 n. Chr. Das Iking wird zum Wahrsagen benutzt.



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II. Trotz der Krankheit ist mein Sinn Doch wie sonst geblieben, Nur zu manchen Dingen bin Ich durch Ruh' getrieben. Bei mir schläft die Katze grau, Grad' wie ich so träge, Und es piepst das Mäuschen schlau, Stets behend und rege. Rühr' den Federfächer und Bei dem Schachbrett sitz' ich, Geh' mit gelbem H u t dann rund; Auf den Stab mich stütz' ich. Klage nicht, ja mich ergötzt Bei dem Lampenlichte, Daß ich in dem Siechtum jetzt Zarte Verse dichte.

Abhandlungen aus dem Gebiete der Auslandskunde Herausgegeben von der Hamburgischen Universität (Fortsetzung der Abhandlungen des Hamburgischen Kolonialinstituts) Band 1 (Reihe B.

Band 1).

Band 2 (Reihe C.

Band 1).

Band 3 (Reihe B.

Band 2).

Band 4 (Reihe B.

Band 3).

Band 5 (Reihe C.

Band 2).

Band 6 (Reihe B.

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Band 7 (Reihe C.

Band 3).

Band 8 (Reihe B.

Band 5).

Franke, Prof. Dr. O. : Studien zur Geschichte des konfuzianischen Dogmas and der chinesischen Staatsreligion. 40. V I I I u. 329 Seiten m. 11 Tafeln. 1920. RM. 15.— Schultz, Dr. Arved: Die natürlichen u. 72 Seiten m. 15 Karten. 1920

Landschaften von Russisch-Turkestan.

40. XII RM. 5.—

Björkman, Dr. Walther: Ofen zur Türkenzeit. 40. X V I I u. 77 Seiten m. I Orientierungsplan u. I Faksimile. 1920 RM. 4.— Großmann, 1920

Dr. Rudolf:

Spanien und das elisabethanische Drama. 40. V I I u. 138 Seiten. RM. 4.—

Gebien, Hans: Käfer aus der Familie Tenebrionidae. Tafeln, 6 Kartenskizzen' u. 69 Abb. im Text. 1920

40.

VIII

Westerviann, Diedrich: Die Gola-Sprache in Liberia. Grammatik, 4° VII u. 178 Seiten. 1921

u. 161 Seiten m. 2 RM. 9.— Text u. Wörterbuch RM. 10.—

Gripp, Karl: Beiträge zur Geologie von Mazedonien. 40. V I I I u. 61 Seiten mit 19 Fig. im Text u. 11 Tafeln. 1922. RM. 4.—

Schulten, Adolf: Tartessos. Ein Beitrag zur ältesten Geschichte des Westens. 40. V I I I u. 93 Seiten m. 2 Karten. 1922 Vergriffen

Band 9 (Reihe C. Band 4). Waibel, Prof. Dr. Leo: 6 Karten. 1922.

Winterregen

in Deutsch-Südwest-Afrika.

Band 10 und 16 (Reihe B.

Band 6 und 9).

Band 11 und 14 (Reihe B.

Band 7 und 8).

40.

112 Seiten mit RM. 5.—

Wirz, Dr. P.: Die Marind-anim von Holländisch-Süd-Neu-Guinea I. Band (Teil I und II in einem Bande). 40. Teil I: X I X und 130 Seiten, Teil I I : V I und 191 Seiten m. 43 Tafeln, 22 Abb. im Text u. 1 Karte. 1922 RM. 25.—. II. Band (Teil III und IV in einem Bande). 40. X I I I u. 363 S., 85 Taf., 7 Abb. im Text u. 1 Karte. 1925. RM. 30.— Vedder, H.: Die Bergdama. Teil I. 40. V I und 199 Seiten. 1923. 40. V I I und 131 Seiten. 1923.

Band 12 (Reihe A.

Band 1).

Band 13 (Reihe D.

Band 1).

Band 15 (Reihe C.

Band 5).

R M . 10.—. Teil II RM. 9.—

Schack, Dr. jur. et rer. pol. Friedrich'. Das deutsche Kolonialrecht in seiner Entwicklung bis zum Weltkriege. 40. X V I I I und 434 Seiten. 1923. RM. 15.—

Wissenschaftliche Beiträge (von Dr. CarlIttameier und Dr. Hermann Feldmann) zur Frage der Erhaltung und Vermehrung der Eingeborenen-Bevölkerung. 40. 148 S. 1923. RM. 6.—

Nissen,

Dr. Nis

Walter : Die südwestgrönländische Landschaft und das Siedlungsgebiet RM. 10.—

Friederichsen, de Gruyter & Co. m. b. H. /

Hamburg

Band 17 (Reihe C. Band 6).

Blanck, E-, und Passarge, S., unter Mitwirkung von A. Rieser und f . Heide: Die chemische Verwitterung in der ägyptischen Wüste. 4°. IX u. i io Seiten m- Ii Tafeln, 14 Abb. im Text und 2 Karten. 1925. R M . 10.—

Band 18 (Reihe B. Band 10).

Florenz, Prof. Dr. Karl: Wörterbuch zur altjapanischen Liedersammlung Kokinshu. 4". X I und 215 Seiten. 1925. R M . 16.—

Band 19 (Reihe C. Band 7).

Kanter, Dr. med. et rer. nat. Helmuth: Das Mar Chiquita in Argentinien, Provincia de Cordoba. 40. X I I und 91 Seiten mit Karten, Profilen und 31 Abb. auf 8 Tafeln. 1925. RM. 12.—

Band 20 (Reihe B. Band 11).

Krüger, Fritz: Die Gegenstandskultur Sanabrias und seiner Nachbargebiete, ein Beitrag zur spanischen und portugiesischen Volkskunde. 40. X und 322 Seiten mit 23 Abb. im Text, 26 Tafeln und einer Übersichtskarte. 1925. R M . 25.—

Band 21 (Reihe C. Band 8). Lindinger, Inseln.

Leonhard: Beiträge zur Kenntnis von Vegetation und Flora der kanarischen 40. I X und 350 Seiten mit 5 Tafeln und 2 Karten. 1926. RM. 25.—

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Heepe, M. u. Nekes, P. H.: Jaunde-Wörterbuch. 40. X V I und 257 Seiten. 1926. R M . 18.—

Band 23 (Reihe B. Band 13).

Jürgens, Oskar f : Spanische Städte, ihre bauliche Entwicklung und Ausgestaltung. Herausgegeben von Dr. Wilhelm Giese. 40. 351 S. mit 276 Abb. auf C X X Tafeln. 96 Abb. im Text u. 27 Stadtpläne in Mappe kartoniert. Text broschiert 1926. RM. 90.—

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Ahrens, Dr. rer. nat. Rudolf: Wirtschaftsformen und Landschaft. Die zur unmittelbaren Befriedigung des Nahrungsbedürfnisses dienenden Wirtschaftsformen in den außereuropäischen Erdteilen zur Zeit ihres Bekanntwerdens durch die Europäer in ihren Beziehungen zur Landschaft. 40. X I I und 97 Seiten mit 19 Wirtschaftskarten auf 5 Tafeln und 7 Textfiguren. 1927. RM. 10.—

Band 25 (Reihe B. Band 14). Forke, Prof. Dr. Alfred: 564 Seiten. 1927.

Geschichte

der alten chinesischen Philosophie.

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X V I und RM. 36.—

Festschrift für Prof. Dr. B. Nocht: Arbeiten über Tropenkrankheiten und deren Grenzgebiete. 4". X u. 463 Seiten mit Abb. im Text, 41 Tafeln u. 1 Porträt. 1927. RM. 45.—

Band 27 (Reihe B. Band 15).

Urtel, Hermann: Beiträge zur portugiesischen Volkskunde. 4 Tafeln. 1928.

Band 28 (Reihe B. Band 16).

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Björkman, Walther: Beiträge zur Geschichte der Staatskanzlei im islamischen Ägypten. V I I I und 217 Seiten. 1928 RM. 14.—

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Martini, Erich: Untersuchungen zur medizinischen Entomologie und zur Malaria-Epidemiologie des unteren Wolgagebiets. 40. X I I u. 134 Seiten und 21 Abb. im Text. 1928. RM. 1 2 . -

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Ziebarth, Erich : Beiträge zur Geschichte des Seeraubs und Seehandels im alten Griechenland. 4°. V I I I , 149 Seiten. R M . 9.— Im D r u c k b e f i n d e n sich:

Band 31 (Reihe A. Band 3). Topf, E.:

Die Staatenbildungen in den arabischen Teilen der Türkei seit dem Weltkrieg

Band 32 (Reihe B. Band 17).

Epstein, Fritz: Der Bericht Heinrichs von Staden über den Moskauer Staat des 16. Jahrhunderts.

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Veröffentlichungen über China und Japan Veröffentlichungen des Seminars für Sprache und Kultur Chinas an der Hamburgischen Universität Ku Sui-Lu, Dr. rer. pol., Die Form bankmäßiger Transaktionen im inneren c h i n e s i s c h e n Verkehr mit besonderer Berücksichtigung des Notengeschäfts. (Heft 1.) Gr. 8°, 77 Seiten.

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Bröring, Dr. Theodor, Laut und Ton in Sfid-Schantung.

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Die Töne in Nordostschantung, Peking, Sötschuen, Shanghai, Amoy und Canton.

(Heft 2.) Gr. 8°. IV und 62 Seiten. 1927. Geheftet RM. 4.50.

Forke, Prof. Dr. Alfred, Der Ursprung der Chinesen auf Grund ihrer alten Bilderschrift.

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1926.

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Hackmack, Adolf, (Tientsin), Der C h i n e s i s c h e Teppich. 2. vermehrte Auflage 1926. 8°, 3 farbige und 33 schwarze Tafeln, 5 Abbildungen im Text und 1 Landkarte. Geheftet RM. 12—, geb. RM. 15.—. Rodenberg, W e r n e r , Chinesisch-Deutsches Wörterbuch. zeichen mit ihren Einzelbedeutungen sammensetzungen.

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RM. 42.—. Nachtrag zu Rüdenbergs Chinesisch - Deutschem Wörterbuch im Hakka- und Kantondialekt. Von D. C. A. Kollecker. 4°. 75 Seiten. 1925. In Ganzleinen gebunden RM. 22.—.

Lorenzen, Dr., Die Gedichte Hitomaro's aus dem Manyoshu in Text und Übersetzung mit Erläuterungen. (Heft 1 der Veröffentlichungen des Seminars für Sprache und Kultur Japans an der Hamburgischen Universität.) Gr. 8°. 96 Seiten. 1927. Geheftet RM. 6.—.

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