Deutschsprachige Exilliteratur seit 1933: Band 3/Teil 4 USA [Reprint 2014 ed.] 9783110964103, 9783908255307


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German Pages 567 [572] Year 2003

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INHALT
VORWORT
ABKÜRZUNGEN
AUTOREN
RICHARD NIKOLAUS COUDENHOVE-KALERGI
GEORGE GROSZ
ERICH HELLER
SIEGFRIED KRACAUER
HEINZ LIEPMAN
CARL MISCH
GERHART SEGER
PAUL TILLICH
EUGENE VALE (HERMANN WEISSMANN)
ERIC VOEGELIN
KARL GUSTAV VOLLMOELLER
ALEX WEDDING (GRETE BERNHEIM)
SAMMEL- UND THEMATISCHE AUFSÄTZE
DEUTSCHSPRACHIGE BUCHILLUSTRATOREN IM US-AMERIKANISCHEN EXIL
PAPAGEI UND MAMAGEI - KINDER- UND JUGENDLITERATUR IM AMERIKANISCHEN EXIL
EXIL-KABARETT IN NEW YORK
RELIGIÖSER KONFESSIONSWECHSEL IM EXIL UND APOLOGIA PRO VITA SUA ALS BEITRAG ZUR EXILLITERATUR
RECHTS-NATIONALE LITERATUR IM EXIL
DOPPELTE VERBANNUNG: POLITISCHES RENEGATENTUM IM EXIL
DAS BILD ROOSEVELTS IM DEUTSCHSPRACHIGEN EXIL IN DEN USA
DIE HOLLYWOOD ANTI-NAZI LEAGUE 1936–1940 EINE «VOLKSFRONT» IN AMERIKA
ALICE IN WONDERLAND: DEUTSCHSPRACHIGE KÜNSTLER AM AMERIKANISCHEN BLACK MOUNTAIN COLLEGE (1933–1956)
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Deutschsprachige Exilliteratur seit 1933: Band 3/Teil 4 USA [Reprint 2014 ed.]
 9783110964103, 9783908255307

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DEUTSCHSPRACHIGE EXILLITERATUR SEIT 1933 BAND 3

USA HERAUSGEGEBEN VON JOHN M. SPALEK, KONRAD FEILCHENFELDT UND SANDRA H. HAWRYLCHAK TEIL 4

K G · SAUR VERLAG ZÜRICH UND MÜNCHEN 2003

Diese Veröffentlichung wurde gefördert durch: Deutsche Forschungsgemeinschaft, Bonn-Bad Godesberg Charles and Eis Bendheim Foundation, Fort Lee, NJ

Bibliografische Information Der Deutschen Bibliothek Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet unter http://dnb.ddb.de abrufbar.

Θ Gedruckt auf säurefreiem Papier / Printed on acid-free paper Alle Rechte vorbehalten / All Rights Strictly Reserved K.G. Saur Verlag AG Zürich und München, 2003 Printed in the Federal Republic of Germany Jede Art der Vervielfältigung ohne Erlaubnis des Verlags ist unzulässig. Druck/Binden: Strauss Offsetdruck Mörlenbach ISBN 3-908255-30-9

INHALT Vorwort

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Abkürzungen

xi AUTOREN

Richard Nikolaus Coudenhove-Kalergi. Von Anita Ziegerhofer-Prettenthaler (Univ. Graz) 3 George Grosz. Von Herbert Knust (Univ. of Illinois, Urbana) 27 Erich Heller. Von Volker Dürr (Northwestern Univ.) 57 Siegfried Kracauer. Von Ingrid Belke (Stuttgart) 78 Heinz Liepman. Von Wilfried Weinke (Hamburg) 127 Carl Misch. Von Hermann Haarmann (Freie Univ. Berlin) 152 Gerhart Seger. Von Irmtraud Ubbens (Univ. Bremen) 170 Paul Tillich. Von Erdmann Sturm (Univ. Münster) 195 Eugene Vale. Von Richard Benter (Los Angeles) und Johannes Evelein (Trinity College, Hartford, CT) 225 Eric Voegelin. Von Johannes Feichtinger (Univ. Graz) 249 Karl Gustav Vollmoeller. Von Regina Weber (Stuttgart) 273 Alex Wedding. Von Susanne Alge (Berlin) 305 SAMMEL- UND THEMATISCHE AUFSÄTZE Deutschsprachige Buchillustratoren im US-Amerikanischen Exil. Von Rosamunde Neugebauer (McGill Univ., Montreal) Papagei und Mamagei - Kinder- und Jugendliteratur im amerikanischen Exil. Von Ursula Seeber (Literaturhaus, Wien) Exil-Kabarett in New York. Von Regina Thumser und Christian Klösch (Univ. Linz) Religiöser Konfessionswechsel im Exil und Apologia pro vita sua als Beitrag zur Exilliteratur. Von Robert McFarland (Brigham Young U n i v . ) . . . . Rechts-nationale Literatur im Exil. Von Uwe-K. Ketelsen (Ruhr-Univ. Bochum) Doppelte Verbannung: Politisches Renegatentum im Exil. Von Andrea Reiter (Univ. of Southampton) Das Bild Roosevelts im deutschsprachigen Exil in den USA. Von Richard Critchfield (Austin, TX) und Wulf Köpke (Roslindale, MA) Die Hollywood Anti-Nazi League 1936-1940. Eine «Volksfront» in Amerika. Von Johanna W. Roden (California State Univ., Long Beach) Alice in Wonderland: Deutschsprachige Künstler am amerikanischen Black Mountain College (1933-1956). Von Karl-Η. Füssl (Technische Univ. Berlin)

336 357 375 416 441 469 500 514

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VORWORT Der vorliegende vierte Teilband setzt die Darstellung der deutschsprachigen Exilliteratur in den USA fort. Zum Abschluß der Studienreihe soll noch ein fünfter Teilband erscheinen, der den Gesamtband USA zu Ende führt. Wie der vorhergehende dritte Teilband setzt sich auch der vorliegende Band aus monographischen und aus thematischen Aufsätzen zusammen. Wie schon in den früheren Vorworten betont wurde, wird der Begriff deutschsprachige Literatur im Exil weit gefaßt und beinhaltet Schriftsteller, Kinderbuchautoren, Publizisten, Germanisten, Drehbuchautoren und Verleger. Nach wie vor gilt für die Erforschung der Exilliteratur - beinahe sechzig Jahre nach Ende des Dritten Reiches - , daß noch immer Nachlaßfunde gemacht werden, die zu Darstellungen führen, die am Anfang des Projekts nicht eingeplant werden konnten. Da der Abschluß des USA-Bandes in Sicht rückt, ist es angebracht, für die Aufteilung der Themen und die Reihenfolge der Teilbände eine Erklärung zu geben: In der Anfangsplanung für Band ΙΠ: USA waren etwa 100 bis 110 Aufsätze vorgesehen (vergleichbar mit der Zahl der Aufsätze im New York-Band). Da die Fertigstellung und Ablieferung des New York-Bandes durch die große Zahl der Beiträge, die dafür vorgesehen waren, immer wieder aufgeschoben werden mußte, war es der Vorschlag des K. G. Saur-Verlages, den USA-Band in mehreren aufeinanderfolgenden Teilen erscheinen zu lassen. Der Vorteil dieser Vorgehensweise war es, daß unsere Ergebnisse der Öffentlichkeit vorgelegt werden konnten, sobald ein Teilband fertig war. Damit wurde, im Gegensatz zum New York-Band, eine mehrjährige Wartezeit auf die Veröffentlichung bereits fertiger Aufsätze vermieden, und es wird möglich sein, die fünf Teilbände mit insgesamt 2700 Seiten innerhalb von sechs Jahren abzuschließen. Was die Gliederung der Bände angeht, so wurden in den ersten zwei Teilbänden nur Beiträge über einzelne Autoren vorgelegt; erst mit dem dritten Teilband wurde mit der Veröffentlichung thematischer Arbeiten begonnen. Der Grund für diese Aufteilung war ein praktischer: ein Aufsatz, der einem einzelnen Autor oder einer einzelnen Autorin gewidmet ist, erfordert in der Regel einen geringeren Zeitaufwand als ein thematischer Beitrag, weil die zu berücksichtigenden Quellen (d. h. Nachlässe) größtenteils an einem Ort eingesehen und ausgewertet werden können; dagegen muß bei thematischen Aufsätzen (bei der Vielfalt der Quellen) eine längere Arbeitszeit veranschlagt werden. Was den Inhalt des jetzt vorliegenden neuen Teilbandes angeht, so sollen zunächst drei Persönlichkeiten des deutschsprachigen Exils hervorgehoben werden, die zwar nicht das literarische Exil im engeren Sinne, aber doch die deutschsprachige Emigration vertreten: der Theologe Paul Tillich, der Geschichtsphilosoph Eric Voegelin, und Richard von Coudenhove-Kalergi, der Begründer der Paneuropa-Bewegung. Von diesen Persönlichkeiten wird Paul Tillich, neben Thomas Mann und Albert Einstein, als Hauptrepräsentant der deutschsprachigen Emigration in den USA angesehen. Seine außerordentliche Wirkung beruht neben seinen Schriften auch auf seiner Rednergabe. Auf ihn wird in zahlreichen Aufsätzen unserer Reihe Bezug genommen, doch fehlte bisher eine umfassende Darstellung seiner Persönlichkeit und seiner Tätigkeit im Exil.

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VORWORT

Eine Reihe von Aufsätzen in diesem Teilband knüpft an Personen und Themen an, die schon in früheren Bänden behandelt wurden. Ein Beispiel ist das Thema der Kinderund Jugendliteratur, das schon in den Aufsätzen über Helene Scheu-Riesz, Erika Mann und Richard Plant zur Sprache kam und in diesem Band durch den Beitrag über Alex Wedding wieder aufgenommen wird. Ursula Seeber stellt dieses Thema in ihrem Aufsatz in einen größeren Zusammenhang. Eng verbunden mit der Kinderliteratur ist das Thema der ins Exil gegangenen Buchillustratoren. Dieses bisher vernachlässigte Thema untersucht in diesem Band Rosamunde Neugebauer. Die Darstellung einflußreicher Germanisten im Exil (wie in den bisherigen Aufsätzen über Bernhard Blume und Richard Alewyn) wird mit dem Aufsatz über Erich Heller fortgesetzt, dem sich im Abschlußband eine Darstellung über Karl Vietor anschließen soll. Das Bemerkenswerte an Erich Heller ist, daß er zuerst durch seine englischsprachigen Bücher bekannt wurde und sich in England und den USA einen Namen weit über den Bereich der Literaturwissenschaft hinaus machte. Nach früheren Darstellungen prominenter Publizisten wie Leopold Schwarzschild, Kurt Grossmann, Ernst Thalheimer, Waldemar Gurian und Alfred Kantorowicz folgen hier Aufsätze über Carl Misch, Heinz Liepman und Gerhart Seger. Das Thema der Kabarettisten im Exil in New York und Kalifornien wurde im ersten Teilband im Beitrag über Jimmy Berg berührt. Hier folgt eine ausführliche Darstellung von Renate Thumser und Christian Klosch, die so bekannte Namen der Kleinkunst wie Karl Farkas, Herbert und Eva Nelson, Kurt Robitschek und Gisela Werbezirk wieder ins Gedächtnis rufen. Ein Aufsatz von Karl-Heinz Füssl bringt eine detaillierte Geschichte des Black Mountain College, stellt diese Gründung in den Kontext der pädagogischen Neugründungen in den USA und weist auf die zentrale Rolle von Joseph Albers hin. Füssls Aufsatz führt weiter, was in einer früheren Arbeit von Gerhard Probst über die New School for Social Research, Roosevelt University, das Institut für Sozialforschung, das Princeton Institute for Advanced Studies sowie das Black Mountain College angeregt wurde. Johanna Rodens Arbeit über die Hollywood Anti-Nazi League zeigt die Zusammenarbeit der amerikanischen Gruppen mit den neu angekommenen Exilanten in Los Angeles im Kampf gegen den Nationalsozialismus. Damit wird eine bisher nur dem Namen nach bekannte Organisation der Exilzeit im Detail dargestellt und an eine ähnliche Zusammenarbeit im Emergency Rescue Committee in New York und dem European Film Fund in Kalifornien erinnert. Richard Critchfield und Wulf Köpke, die beiden Verfasser des Aufsatzes über Roosevelt und die Exilanten, weisen nach, daß keine andere politische Figur in den USA eine ähnliche Faszination auf die Exilanten ausübte wie Roosevelt, und zwar auf Exilautoren aller politischen Richtungen, von Thomas Mann bis Bertolt Brecht, und daß Roosevelts Tod im Jahr 1945 allgemein als weltgeschichtliche Tragödie angesehen wurde. Zwei Aufsätze stellen das Exil als persönliches Krisenerlebnis dar, das zu einer politischen oder religiösen Wende führte. Zum einen handelt es sich in dem Aufsatz von Andrea Reiter um Schriftsteller und Intellektuelle, die die Wende vom Kommunismus

VORWORT

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bzw. von einer linkspolitischen Einstellung zu einer konservativen Position vollzogen (Ruth Fischer, Willi Schlamm und Hans Sahl); über Hans Sahl und Leopold Schwarzschild sind bereits in vorangehenden Bänden Einzelstudien erschienen. Zum anderen wird die Problematik einer Glaubenskrise in einer Arbeit von Robert McFarland dargestellt, der die Wende vom liberalen oder säkularisierten Judentum zum Christentum vor allem katholischer Prägung behandelt, was auf Alfred Döblin, Karl Stern, Hermann Borchardt Josef Aufricht und andere Exilanten zutrifft, aber auch auf Karl Jakob Hirsch, der zum protestantischen Glauben übertrat. Die Autoren dieser beiden Aufsätze betonen, daß es für politische Renegaten wie auch für religiöse Konvertiten ein Bedürfnis war, diese radikale Wende («sea change») ihren Freunden und Kritikern gegenüber in autobiographischen Bekenntnisschriften zu rechtfertigen. Der früher zu wenig ernstgenommene, virulente Antisemitismus und das Exil bewirkten bei nicht wenigen Autoren und Künstlern eine Wiederentdeckung ihres Judentums im politisch-kulturellen und im religiösen Sinne, ebenso wie der Nationalsozialismus zu einer Wiederbesinnung auf das Christentum führte. Karl Wolfskehls Gedichte aus dem Exil in Neu-Seeland fanden ihren Platz in den Synagogen und wurden ins Hebräische übersetzt. Die erneute Betonung des Judentums bei Exilautoren ist schon mehrfach in Aufsätzen über Lion Feuchtwanger, H.W. Katz, Friedrich Torberg, und Alfred Döblin u.a erwähnt worden. Eine zusammenfassende Darstellung dieses Themas soll im Schlußband erfolgen. Es wird dabei deutlich, daß, wenn es auch vor 1933 im deutschsprachigen Raum eine zionistische und eine religiöse jüdische Selbstbesinnung gegeben hatte, erst das erzwungene Exil die Autoren im Hinblick auf ihr Judentum vor eine radikal neue Lage und vor existentielle Entscheidungen stellte. Was neue Themenstellungen angeht, so wird George Grosz, der vor allem als bedeutender bildender Künstler des 20. Jahrhunderts bekannt ist, in diesem Band erstmals als Schriftsteller behandelt und in den Kontext der deutschen Exilliteratur gestellt, nicht zuletzt auch wegen seiner engen Beziehungen und intensiven Korrespondenz mit Exilschriftstellern wie Hermann Borchardt, Ernst Toller und Ulrich Becher (New York-Band). In seinen New Yorker Novellen, besonders in «Nachtigall will zum Vater fliegen», stellt Becher Grosz in der Person des Exilkünstlers Böhm dar. Zwei andere Geschichten, «Der schwarze Hut» und «Die Frau und der Tod», zeigen Bechers Versuch, den graphischen Stil von Grosz in Prosa zu übertragen. Die Darstellung des Filmtheoretikers, Filmhistorikers, Essayisten und Journalisten Siegfried Kracauer macht darauf aufmerksam, daß er ebenfalls Romane geschrieben hat, die es verdienen, besser bekannt zu sein. Der Aufsatz von Uwe-K. Ketelsen zur rechtsnationalen Literatur im Exil (Karl Otto Paetel, Otto Straßer, Hermann Rauschning und u.a.) behandelt einen bisher kaum beachteten Aspekt der politischen literarischen Emigration aufmerksam. Er betont, daß auch nationalgesinnte Autoren und Intellektuelle überzeugte Gegner des Nationalsozialismus sein konnten und nach 1933 ins Exil getrieben wurden. Der Aufsatz weist darauf hin, daß rechtsnationale Gesinnung und Nationalsozialismus nicht gleichgesetzt werden dürfen. (Karl Otto Paetel wurde von den Nationalsozialisten in absentia zum Tode verurteilt und Otto Strasser befand sich ständig in Lebensgefahr.)

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VORWORT

Das Beispiel des Dramatikers und Drehbuchautors Karl Vollmoeller ist ein Grenzfall in der deutschsprachigen Exilliteratur. Er stammte aus einer wohlhabenden Familie, stand dem George-Kreis nahe, war Ubersetzer und Freund von Gabriele D'Annunzio, der als Wegbereiter des Faschismus gilt undlebte vor 1933 jahrzehntelang im europäischen Ausland. Durch Reinhardts Inszenierung des Mirakels wurde er in den USA bekannt und war als Dramatiker und Drehbuchautor tätig. Hätte er die Entscheidung getroffen, nach 1933 in Deutschland zu leben bzw. nach Deutschland zurückzukehren, so wäre er wahrscheinlich weder aus rassischen noch aus politischen Gründen verfolgt worden. Daß er zahlreichen Flüchtlingen aus Nazi Deutschland Hilfe leistete, hat ihn nicht davor bewahrt, in den USA als «Nazi sympathizer» verhaftet und verhört zu werden. Er ging nicht nach Deutschland zurück und starb 1946 in New York. Schließlich sei noch vermerkt, daß der Schlußband ein vollständiges Namen- und Sachverzeichnis für alle fünf Teilbände bringen wird, der die Benutzung des t/£4-Bandes erheblich erleichtern wird. Die Verfasser der einzelnen Aufsätzen haben Personen und Instituten, die ihnen mit Auskünften und Materialien ausgeholfen haben, bereits ihren Dank in den Anmerkungen der jeweiligen Beiträge ausgesprochen. Die Herausgeber möchten an dieser Stelle zusätzlich denjenigen Instituten und Personen danken, die das Unternehmen als Ganzes gefördert haben: Das Deutsche Exilarchiv der Deutschen Bibliothek in Frankfurt am Main, insbesondere Frau Dr. Brita Eckart, Frau Mechthild Hahner und Frau Silvia Asmus; das Department of Special Collections der State University of New York at Albany, insbesondere Frau Mary Osielski; die Stiftung Archiv der Akademie der Künste Berlin; das Leo Baeck Institute (jetzt Teil des Center for Jewish History), New York, und insbesondere Frau Renate Evers und das Filmarchiv der New York State Library, Albany, NY. An dieser Stelle möchten die Herausgeber ihren besonderen Dank an die Kollegen aussprechen, die durch kritische Lektüre und Korrekturvorschläge bei der Herstellung der Aufsätze wertvolle Hilfe geleistet haben: Dr. John Ahouse, University of Southern California; Dr. Claudia Schulze-Christophersen, München; Prof. Dr. Karl-Heinz Füssl, Berlin; Prof. Dr. Wulf Koepke, Roslindale, MA; Prof. Dr. Claus-Dieter Krohn, Hamburg und Prof. Dr. Jörg Thunecke, Köln. Ferner danken die Herausgeber Frau Nina Blockhaus, Köln, für die Durchführung der Schlußkorrekturen. Für die finanzielle Unterstützung danken die Herausgeber der Deutschen Forschungsgemeinschaft, dem Kansas University Endowment und der Charles und Eis Bendheim Foundation, insbesondere Herrn Dr. Thomas Wiemer, Herrn Prof. Frank Baron und Herrn Prof. Herman P. Salomon.

ABKÜRZUNGEN Anm. Aufbau (NY) Aufl. Ausg. Bd./Bde. Bl. CA d.i. dass. DB ders. d.h. dies. Diss. DLA ebda. f./ff. Hrsg./hrsg. N.F. Nr. NY o.D. o.J. o.O. s.

s./ss.

s.a. s.o. s.u. Sp. SUNYA tr. u. u.a. u.d.T. Übers./übers. Univ. v. Verf. vgl. zit.

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Anmerkung Außpau/Reconstmction (NY) Auflage Ausgabe Band/Bände Blatt California das ist dasselbe Die Deutsche Bibliothek, Frankfurt/M derselbe das heißt dieselbe Dissertation Deutsches Literaturarchiv, Marbach/Neckar ebenda folgende Herausgeber/herausgegeben Neue Folge Nummer New York ohne Datum ohne Jahr ohne Ort siehe Seite/Seiten siehe auch siehe oben siehe unten Spalte State University of New York at Albany translated/translator und unter anderem/und andere unter dem Titel Ubersetzer/übersetzt Universität/University von Verfasser/Verfasserin vergleiche zitiert

AUTOREN

RICHARD NIKOLAUS COUDENHOVE-KALERGI ANITA ZIEGERHOFER-PRETTENTHALER Als Richard Coudenhove-Kalergi im Januar 1926 nach einem mehrmonatigen AmerikaAufenthalt New York verließ, ahnte er noch nicht, daß ihn diese Stadt vierzehn Jahre später als Flüchtling aufnehmen würde. Die Jahre bis zu seiner Flucht widmete der umtriebige Graf vollständig seiner Idee von der Vereinigung europäischer Staaten—«Paneuropa» genannt. Paneuropa sollte zum Lebensinhalt von Richard Coudenhove-Kalergi werden. Sein gesamtes Agieren und seine Gedanken widmete er dieser Friedensidee: fünfzig Jahre seines Lebens, von 1922 bis zu seinem Tod im Jahr 1972, war er beinahe besessen von dem Gedanken, Europa den Frieden zu bringen. Während in der Zwischenkriegszeit Paneuropa als Vision und Utopie abgetan und nur von einigen Personen ernst genommen wurde, gehörte der Graf zu den wenigen, die während des Zweiten Weltkrieges unbeirrbar an der Vereinigung Europas festhielten. So wundert es auch nicht, daß er nach seiner Rückkehr aus dem amerikanischen Exil im Jahr 1946 sofort daran ging, die Vereinigung der europäischen Staaten zu bewerkstelligen. Obwohl ihm ein Agieren in der ersten Reihe nicht gestattet wurde — die Europa-Architekten distanzierten sich von der Generation vor dem Zweiten Weltkrieg—kämpfte der Graf weiterhin für sein vereintes Europa. Neben unzähligen Auszeichnungen und Ehrungen für sein Lebenswerk war es dem EuropaGrafen vergönnt, an der etappenweisen Vereinigung Europas wenigstens aus der zweiten Reihe teilzunehmen. In diesem Beitrag wird versucht, die Lebensstationen des trotzigen Optimisten, Visionärs und Kämpfers zu rekonstruieren. Nach der Darstellung des ersten Lebensabschnitts —Europäische Wanderjahre von 1922 bis 1940—folgt die Schilderung der Zeit im amerikanischen Exil von 1940 bis 1946. Der dritte Lebensabschnitt ist dem Wirken Coudenhoves in Europa von 1946 bis 1972 gewidmet. Paneuropäische Wanderjahre 1922-1940 Richard Coudenhove entstammte einer Familie, die zum nordbrabantischen Uradel zählte und sich um die Mitte des 19. Jahrhunderts mit dem griechischen Geschlecht der Kalergis durch Heirat verband. Sein Vater Heinrich war österreichischer Diplomat, der auf seinem letzten Posten in Tokio die Tochter eines angesehenen Kaufmannes — Mitsuko Aoyama—kennen lernte und nach der Geburt des ersten Kindes ehelichte. Am 17. November 1894 erblickte Richard Nikolaus in Tokio das Licht der Welt. Bereits zwei Jahre später zog die Familie in den westlichen Böhmerwald, dort besaß Heinrich die Gutsherrschaft Ronsperg. Richard wuchs in einer durchaus kosmopolitischen und aristokratisch-konservativen Familie auf. Als im Jahr 1906 der Vater plötzlich starb, ging Richard gemeinsam mit seinem älteren Bruder Hans für ein Jahr nach Brixen. Dort besuchte er das Augustiner-Gymnasium. 1908 trat er als Zögling in das Theresianum, eine international anerkannte Eliteschule ein. Nach der Matura im Jahr 1913 inskribierte

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RICHARD NIKOLAUS

COUDENHOVE-KALERGI

Richard Coudenhove an der Wiener Universität die Fächer Philosophie und Geschichte; 1917 erfolgte die Promotion. Im Jahr 1914 vermählte er sich mit der berühmten Wiener Schauspielerin Ida Roland. Die Heirat mit einer geschiedenen nicht adeligen Frau, die um dreizehn Jahre älter war, führte zum vorübergehenden Bruch zwischen Richard und seiner Familie. Der Graf schrieb später in seinen Lebensaufzeichnungen, daß er über diese Situation nicht unglücklich gewesen war, da er durch die Heirat «mit einem Schlage von allen Bindungen an eine Familie und an ein konservatives Milieu, dem er innerlich längst entfremdet war; deren weltanschauliche und politische Ansichten von den seinen grundverschieden waren, befreit wurde».1 «Statt Mitglied einer konservativen Kaste» zu sein, wurde er plötzlich zu einem modernen Menschen, zu einem Kind des zwanzigsten Jahrhunderts: «völlig frei zu sagen und zu schreiben, was er von der Welt und von den Menschen dachte».2 Bis zur Verehelichung war Coudenhoves Leben vom konservativ-aristokratischen Milieu geprägt. Jetzt experimentierte er politisch mit allen «neuen» Parteien, konnte sich allerdings nicht festlegen und blieb daher «unparteiisch», sein Hang zur Sozialdemokratie läßt sich jedoch schwerlich leugnen. In seinen philosophischen Werken tritt dennoch seine aristokratische Gesinnung immer wieder hervor, ging es Coudenhove in erster Linie doch darum, eine neue Staatsform zu schaffen, in der «die Besten, die Schönsten und die Intelligentesten» — die Elite — die Herrschaft inne haben müßten. Diese neue Herrschaftsform nannte er Neoaristokratie: Sie würde die Demokratie ablösen, die seiner Meinung nach nur ein Ubergang zwischen der «feudalen Aristokratie des Schwertes» und der «sozialen Aristokratie des Geistes» wäre.3 Nicht nur in der kleinen Broschüre sondern auch in einigen Beiträgen beispielsweise in der Erde4 publizierte Richard seine neo-aristokratischen Gedanken. Ende der zwanziger Jahre outete er sich: Meine Gedanken sind stets aristokratisch gewesen und niemals demokratisch.5 Coudenhove sollte der Ruf, ein aristokratisches und konservatives Europa schaffen zu wollen, zeitlebens nicht verlassen. Seine Verehrung für Charles de Gaulle vor allem in den Sechzigerjahren bestätigte viele Kritiker in ihrer Auffassung, er wolle ein konservativreaktionäres Europa schaffen, das mehr aus- als einschloß.6 Seit seiner Promotion arbeitete Coudenhove als freier Schriftsteller über die damals aktuellen Themenbereiche wie etwa Pazifismus, Demokratie und Rettung des Abendlandes. Gleichzeitig versuchte er, eine neue Ethik auf ästhetischen Grundsätzen zu entwickeln.7 Neben seinen Büchern schrieb er viele Artikel, beispielsweise für den Neuen Merkur, Die neue Rundschau, Die Erde oder Zukunft; mit sehr vielen Herausgebern dieser Zeitschriften war er über Ida Roland bekannt geworden; dies gilt für Maximilian Harden (Zukunft) oder Walter Rilla (DieErde), der mit der Schwester seiner Ehefrau verheiratet war. In diesen intellektuellen Kreisen dürfte über den Sinn des Weltkrieges genauso diskutiert worden sein wie auch über den Gedanken, wie man Europa nach dem Weltkrieg neu gestalten könnte. Richard Coudenhove vermeinte den Sinn des Krieges darin zu sehen, neuen Ideen zum Durchbruch zu verhelfen. Nach dem Ende des Ersten Weltkrieges, der ihn zum tschechoslowakischen Staatsbürger machte, begann er allmählich, sich für die Schaffung

Anita Ziegerhofer-Prettenthaler

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eines dauerhaften Friedens in Europa einzusetzen. Er wurde Anhänger des 14 PunkteProgramms, das der amerikanische Präsident Woodrow Wilson für die Neuorganisation Europas vorlegte. Dieses Programm wurde im 1919 gegründeten Völkerbund nur teilweise realisiert. Coudenhove hoffte, der Völkerbund würde eine internationale Friedensorganisation werden, wurde jedoch schnell enttäuscht, da Amerika dieser Organisation fernblieb. Er erkannte, daß der Völkerbund in dieser Form für die Friedenssicherung in Europa zu schwach war und suchte nach Wegen, um die Vereinigten Staaten von Amerika vom Beitritt in den Weltareopag überzeugen zu können. Dieser Gedanke veranlaßte ihn, einen neuen Plan zu konzipieren—Paneuropa. Er dürfte Anleihen bei den großen Europa-Architekten wie Pierre Dubois, dem Herzog von Sully, Abbe de Saint-Pierre, Montesquieu Jean Jacques Rousseau oder Immanuel Kant genommen haben, 8 wenngleich er einzig das Werk «Panamerika» des österreichischen Friedensnobelpreisträgers Alfred Fried als Vorbild für «sein» Paneuropa nannte! Die Beschäftigung mit Paneuropa sollte ab jetzt das gesamte Leben von Richard Coudenhove prägen. Werkgeschichtlich beginnt die Paneuropa-Bewegung im Jahr 1922 mit der Veröffentlichung eines Artikels über «Paneuropa—ein Vorschlag». Der Text wurde gleichzeitig in der Neuen Freien Presse, Wien und in der Vossiscben Zeitung, Berlin publiziert. Im Anschluß daran suchte Coudenhove einen europäischen Politiker von Format, der seine Idee zum Leitthema der europäischen Außenpolitik machen sollte. Doch sowohl der tschechoslowakische Ministerpräsident Thomas G. Masaryk als auch Benito Mussolini lehnten ab. An den Duce hatte Coudenhove Anfang Februar 1923 öffentlich appelliert, die europäische Konferenz im Namen der Jugend einzuberufen! 9 Nach diesen Absagen schrieb der Graf das Buch Paneuropa. Damit gelang ihm schriftstellerisch im Oktober 1923 der «paneuropäische» Durchbruch. Die Monographie erschien im gleichnamigen Verlag, der von Coudenhove ebenfalls 1923 in Wien gegründet wurde. In Paneuropa skizzierte der Graf die spezielle Beziehung Europas zu Großbritannien, zur Sowjetunion, zu den Vereinigten Staaten von Amerika und dem Völkerbund. Die zentrale Frage galt der Beilegung des deutsch-französischen Konfliktes; gemeinsam mit der Abwehr der bolschewistischen Gefahr (verursacht durch die Sowjetunion) und der wirtschaftlichen Bedrohung Europas durch Amerika bildete sie einen der drei Hauptgründe für die Konstituierung von Paneuropa, das alle demokratischen Staaten Europas zu bilden hätten. Großbritannien war aufgrund seiner Mitgliedschaft im British Commonwealth of Nations, die Sowjetunion wegen der kommunistischen Regierung von Paneuropa ausgeschlossen. Coudenhove dürfte sich über eine endgültige Staatsform unschlüssig gewesen sein, er schwankte zwischen Staatenbund und Bundesstaat. Grundsätzlich ging der Graf von einer politischen Vereinigung aus, der auf wirtschaftlicher Ebene eine Zollunion folgen sollte. Paneuropa definierte er als außenpolitisches Programm, in innerpolitischen Fragen hatte Coudenhove die Neutralität zum obersten Prinzip gemacht. Das Paneuropa-Programm wurde nicht nur wegen des Ausschlusses Großbritanniens kritisiert, sondern auch wegen seiner teilweise unkonkreten Formulierungen; abgesehen davon unterlag es häufigen Korrekturen durch die Politik der damaligen Zeit:

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RICHARD

NIKOLA US

COUDENHOVE-KALERGI

Ab 1933 stand beispielsweise nicht mehr die politische Vereinigung Europas im Vordergrund der paneuropäischen Forderung, sondern die wirtschaftliche! Ein weiterer Kritikpunkt war, neben der in Erwägung gezogenen Preisgabe der Neutralität in innenpolitischen Angelegenheiten, die Nichteinhaltung der Ankündigung, Paneuropa zu einer Massenorganisation machen zu wollen. Coudenhove blieb auf der elitären Ebene der Politiker, Wirtschaftsfachleute und Intellektuellen stehen! Paneuropa wurde ein Bestseller und in fast alle Weltsprachen übersetzt. Nun ging Richard Coudenhove daran, seine Idee durch Gründung einzelner Paneuropa-Sektionen in den europäischen Staaten organisatorisch umzusetzen. Dem österreichischen Bundeskanzler Prälat Dr. Ignaz Seipel bot er die Ehrenpräsidentschaft der im Aufbau befindlichen Paneuropa-Union Osterreich an. Der Kanzler sagte zu und behielt diese Funktion bis zu seinem Tod (1932) bei. Seipel hatte Coudenhove einige Räume in der ehemaligen Kaiserresidenz in Wien, der Hofburg, angeboten. Diese Adresse sollte bis zur Auflösung der Sitz der Paneuropa-Union (Zentrale) sein. Von hier aus wurden sämtliche Kontakte zu den nationalen Komitees in Gesamteuropa hergestellt. Begleitend zum organisatorischen Aufbau traf Coudenhove Vorkehrungen für eine gezielte Propaganda:10 Ab April 1924 erschien im eigenen Verlag als offizielles Organ die Monatsschrift Paneuropa. Sie wurde zehnmal im Jahr herausgegeben; Hauptautor war Coudenhove, der zu allen aktuellen politischen Themen Stellung bezog. In der ersten Nummer veröffentlichte er das PaneuropäischeManifest und in der zweiten Ausgabe legte Coudenhove die programmatischen Schritte ausführlicher als in Paneuropa dar. Als eine weitere Public Relations Aktion entpuppte sich eine Rundfrage, die Coudenhove im Frühjahr 1925 unter einer Anzahl von europäischen Politikern veranstaltete. Sie beinhaltete zwei Fragen: Halten Sie die Schaffung der Vereinigten Staaten von Europa für notwendig? Halten Sie das Zustandekommen der Vereinigten Staaten von Europa für möglich?

Die 168 Antworten, darunter jene etwa von Konrad Adenauer, Ignaz Seipel, Arthur Schnitzler oder Franz Werfel wurden in Paneuropa publiziert und Coudenhove bewertete sie als großen Erfolg für die Paneuropa-Bewegung. Für ihn waren 168 [!] Antworten repräsentativ für Gesamteuropa! Im Jahr 1925 hatte die Paneuropa-Bewegung auch in Deutschland und in anderen europäischen Staaten wie Belgien, Frankreich, Griechenland und der Tschechoslowakei Fuß gefaßt. Sogar in New York wurde im Januar 1926 ein Cooperative Committee for Paneurope gegründet. Im Oktober 1925 hatte sich Coudenhove zusammen mit seiner Frau nach Amerika begeben. In Form von Vorträgen wollte er die amerikanische Öffentlichkeit auf seine Idee aufmerksam machen. Auf diese Zeit geht seine Bekanntschaft mit dem Präsidenten des Carnegie Endowment of Peace zurück: Nicholas Murray Butler, Philosophie- und Pädagogikprofessor an der Columbia Universität in New York, 1931 wurde er mit dem Friedensnobelpreis ausgezeichnet.11 Der «Erfolg» der Rundfrage, die steigenden Neugründungen von nationalen Paneuropa-Komitees, aber auch der Abschluß des Locarno-Vertrags12 ermutigten

Anita Ziegerhofer-Prettenthaler

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Coudenhove, seine Idee in Form eines internationalen Kongresses in Wien zu präsentieren. Anfang Oktober 1926 wurde die Veranstaltung im Wiener Konzertsaal eröffnet. Das Ehrenpräsidium hatten der tschechische Außenminister Edvard Benes, der ehemalige französische Finanzminister Joseph Caillaux, der ehemalige italienische Ministerpräsident Francesco Nitti, der deutsche Reichstagspräsident Paul Loebe, der ehemalige griechische Außenminister Nicola Politis, der ehemalige österreichische Bundeskanzler Ignaz Seipel und der ehemalige italienische Außenminister Carlo Sforza gemeinsam mit Coudenhove übernommen. 13 Sie gehörten zur ersten Garnitur der europäischen Politik, wenngleich sie zum aktuellen Zeitpunkt (bis auf einige wenige Ausnahmen) keine offizielle Funktion ausübten. Vielmehr dienten ihre Namen als Staffage für einen sehr gut inszenierten Kongreß. Insgesamt konnten 2.000 Teilnehmer aus vierundzwanzig Nationen begrüßt werden, wovon allein 1.500 Personen aus Wien kamen! Coudenhove bewertete den Kongreß als äußerst erfolgreich, das Echo in der Weltpresse war groß und reichte von freundlichen bis zu sehr kritischen Darstellungen. Der Graf meinte — optimistisch und mit einer beinahe kindlichen Naivität — daß Paneuropa nun von allen ernst genommen werde! Skeptiker und Gegner betrachteten die Union jedoch weiterhin als eine «hoffnungslose Utopie». Als konkrete Ergebnisse können das einstimmig beschlossene Statut der Paneuropa-Union erwähnt werden sowie die Schaffung eines Zentralrats, dessen Mitglieder die Vorsitzenden aller nationalen Komitees unter dem gemeinsamen Präsidenten Coudenhove bildeten. Ihn hatte man am Kongreß durch Akklamation bestellt.14 Aufgrund der großen Medienwirksamkeit des Kongresses nahm der französische Außenminister Aristide Briand im Mai 1927 die ihm von Coudenhove angebotene Ehrenpräsidentschaft der Paneuropa-Union an. Dadurch erfuhr die Bewegung eine bedeutende Aufwertung. Coudenhove erhoffte sich mit Briand den internationalen Durchbruch für Paneuropa. Wenngleich sich die Ereignisse vorerst in eine erfolgversprechende Richtung bewegten, sollten seine Erwartungen nicht erfüllt werden. Briand ließ sich von Coudenhoves beinahe penetrantem und intransigentem Verhalten nicht beeinflussen, er sprach sich erst auf der 10. Völkerbundtagung in Genf im September 1929 für die Gründung der Vereinigten Staaten von Europa aus. Im Anschluß daran baten ihn die europäischen Außenminister der Völkerbund-Mitgliedstaaten, ein Memorandum zur Gründung der Vereinigten Staaten von Europa zu verfassen. Coudenhove hatte den Durchbruch vor Augen, doch es sollte anders kommen: Gustav Stresemann, Außenminister des Deutschen Reiches, Proponent für die Aussöhnung zwischen Deutschland und Frankreich sowie für ein vereintes Europa, starb unmittelbar nach der Genfer Völkerbundtagung; in Deutschland erzielten die Nationalsozialisten erste Wahlerfolge und schließlich brach in New York im Oktober die Börse zusammen und es folgte eine weltweite Wirtschaftskrise. Briand legte erst am 17. Mai 1930 den Regierungen das gewünschte Memorandum vor; aus diesem Anlaß eröffnete Coudenhove am selben Tag den zweiten PaneuropaKongreß in Berlin. Das von Coudenhove gefeierte Meinorandum zur Errichtung einer Europäische Union, das ein europäisches Sicherheits- und Bündnissystem vorsah unter

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Aufrechterhaltung der nationalen Souveränität sowie die Festlegung, daß die Politik Vorrang vor der Wirtschaft hätte, stieß bei Großbritannien, Deutschland und Italien auf Ablehnung, andere Staaten verhielten sich diplomatisch neutral: Sie antworteten ausweichend und behandelten das Anliegen dilatorisch.15 Zwei Jahre später —1932—fand die feierliche Eröffnung des dritten PaneuropaKongresses in Basel statt, auf dem der Graf die Gründung einer Europäischen Partei verkündete—die Verwirklichung scheiterte jedoch an Interesselosigkeit. Gleichzeitig rief Coudenhove zum Kampf gegen den in Deutschland immer radikaler werdenden Nationalsozialismus auf. Damit eröffnete Coudenhove einen Zweifrontenkrieg. Immerhin hatte er bereits den Kampf gegen die bolschewistische Sowjetunion im Paneuropa-Programm festgesetzt. Seit Beginn der Paneuropa-Bewegung versuchte Coudenhove die Öffentlichkeit vor den Gefahren der bolschewistischen Ideologie zu warnen, welche die persönliche Freiheit aller einschränke, ja gar abschaffen wolle. Sein Kampf gegen den Kommunismus hatte im Jahr 1931 den Höhepunkt erreicht; damals erschien Coudenhoves Broschüre Stalin & Co, die nicht nur bei den Sozialdemokraten Unmut erregte, sondern bei vielen Anhängern aller Parteien zum Bruch mit der Paneuropa-Bewegung führte. Coudenhove verlor sein Ansehen als integre und unparteiische Persönlichkeit, er hatte den Grundsatz der Neutralität gebrochen, der von der Paneuropa-Bewegung aufgestellt worden war. Die Ernennung Adolf Hitlers zum Reichskanzler am 30. Januar 1933 bedeutete nicht nur für Europa eine schicksalshafte Entwicklung, sondern auch für die PaneuropaBewegung. Als unmittelbare Folge der Machtergreifung durch Hitler wurden fast alle Bücher Coudenhoves in Deutschland verboten, Monate später erstreckte sich dieses Verbot auf die gesamte Bewegung. Handlungsbedarf war angesagt und Coudenhove überlegte, ob er sein Zentralbüro nach Basel transferieren sollte; als Alternative bot sich an, in Wien zu bleiben und für die Unabhängigkeit Österreichs im Rahmen eines freien Europas zu kämpfen. Die Entscheidung sollte bei der im September 1933 wieder ernannten Regierung Engelbert Dollfuß liegen. Als Dollfuß Coudenhove freundlich empfangen und positiv auf dessen Vorstellungen reagiert hatte, entschied sich der Paneuropa-Begründer für Wien. Dollfuß übernahm — einige Monate nach dem Tod seines Vorgängers Seipel — das Ehrenpräsidium der Paneuropa-Union. Mit Coudenhove einigte er sich auf einen Aktionsplan: Die Bundesregierung unterstütze die Union «auf jede Weise», während diese alles tun sollte, «um eine europäische Einheitsfront zur Garantie der Unabhängigkeit Österreichs zu fördern.»16 Gemeinsam hegten beide Männer «paneuropäische» Pläne, die sich allerdings nicht mehr mit der politischen Vereinigung Europas befaßten, sondern mit der wirtschaftlichen. Die politische Konstellation in Deutschland hatte eine Änderung der Zielrichtung notwendig gemacht. Coudenhove konnte sich nur noch auf Frankreich, die Kleine Entente und Italien stützen. Sein Bestreben galt nun zunehmend dem Bemühen, Mussolini für Paneuropa zu gewinnen und ihn von einer Zusammenarbeit mit Frankreich zu überzeugen, um ein «Paneuropa en miniature» zu bilden. Es hätte in weiterer Folge die Basis für den Beitritt von Deutschland bieten können. Im Mai 1933 traf Coudenhove

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erstmals den Duce, dieser stand der Idee wohl positiv gegenüber, doch entsprach sie in keiner Weise seiner «panlateinischen» Idee und schon gar nicht den realpolitischen Gegebenheiten. Mit dem Verbot der Paneuropa-Union in Deutschland im Jahr 1933 änderten sich auch die Prioritäten der Bewegung: Coudenhove wurde durch die politischen Ereignisse dazu gezwungen, das Primat der Politik durch das Primat der Wirtschaft zu substituieren. Ausdruck des neuen Profils der Bewegung war die Organisation der ersten paneuropäischen Wirtschaftskonferenz im Dezember 1933 in der Wiener Handelskammer. Neben dem österreichischen Bundeskanzler Dollfuß konnte Coudenhove viel europäische Prominenz aus Politik und Wirtschaft begrüßen.17 Das Ergebnis war die Schaffung eines Paneuropa-Wirtschaftsbüros, das Vorbereitungen für die Gründung der geplanten Wirtschaftszentrale treffen sollte. Nach dem gewaltsamen Tod von Engelbert Dollfuß im Juli 1934 wurden sämtliche Pläne, die Coudenhove mit Dollfuß geschmiedet hatte, von seinem Nachfolger am Ballhausplatz, Kurt Schuschnigg, aufgegriffen und teilweise realisiert. So fand unter Schuschniggs Ägide, der das Ehrenpräsidium von Dollfuß übernommen hatte, der IV. Paneuropa-Kongreß vom 16. bis 18. Mai 1935 im Sitzungssaal des Bundestages in Wien statt. Coudenhove charakterisierte in seiner Begrüßungsansprache den Kampf um «Paneuropa» als «Zweifrontenkrieg»; die militärische Ideologie und die Weltwirtschaftskrise seien die beiden Feinde.18 Am 15. Mai 1935 erfolgte die Gründung der Paneuropäischen Wirtschaftszentrale, deren Präsident Coudenhove wurde. Diese Einrichtung, die alle Staaten zur Mitarbeit heranziehen wollte, bezeichnete Coudenhove als ein weiteres positives Ergebnis seiner Bewegung. Ihre erste Tagung fand am 27. Januar 1936 in Wien statt, sie befaßte sich vorwiegend mit dem Agrarproblem.19 Im gleichen Jahr wurde auch der einst mit Dollfuß geplante Paneuropäische Agrar-Kongreß in Wien durchgeführt,20 der in sechs Kommissionen spezielle Fragen erörtern sollte.21 Nach dem Agrarkongreß fanden keine allgemeinen Kongresse mehr statt, sondern nur noch Fachkonferenzen. Eine davon war die im November 1937 in Wien organisierte erste Paneuropäische Schulkonferenz unter starker Beteiligung westeuropäischer Vertreter.22 Coudenhove wollte seinen Plan von der Reform des Geographie- und Geschichtsunterrichts in die Realität umsetzen, dies entsprach seinem lebenslangen Bemühen um ein Europabewußtsein! Der Anschluß Österreichs an NS-Deutschland bedeutete neben dem Ende der Union auch eine Zäsur in Coudenhoves Leben. Die für den Zeitraum vom 16. bis 19. März 1938 in Wien geplante Paneuropäische Rohstoffkonferenz, die u.a. alle Ressourcen nach Herkunfts- und Bestimmungsländern untersuchen sollte, kam aufgrund der veränderten politischen Bedingungen nicht mehr zustande. Noch in der Nacht zum 12. März 1938 gelang Coudenhove die Flucht in die Tschechoslowakei.23 Er mußte fliehen, weil er seit den Dreißigerjahren den Antisemitismus und Rassenwahn des Dritten Reiches auf das Schärfste bekämpft hatte, auch war seine Frau Ida Roland Halbjüdin. Hitler bezeichnete ihn in seinem Zimten Buch als «Allerweltsbastard».24 So floh die Familie über die Tschechoslowakei, Ungarn und Italien in die Schweiz. Das Zentralbüro der Union in der Hofburg wurde geschlossen, die Archive beschlagnahmt und ungefähr vierzigtausend Bände des Verlages vernichtet.25 Der dergestalt dezimierte Bestand des

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Zentralbüros wurde nach Berlin gebracht, von dort gelangte er durch die Rote Armee gegen Kriegsende nach Moskau, wo er im Archiv des sowjetischen Geheimdienstes deponiert wurde. 26 Die Flucht bedeutete jedoch nicht das Ende der paneuropäischen Tätigkeit von Richard Coudenhove-Kalergi — im Gegenteil: Bern wurde nun der «technische» Sitz seiner Bewegung, Paris das politische Zentrum und die Zeitschrift Paneuropa erschien unter dem Titel Europäische Briefe.27 Nach der Annexion der Tschechoslowakei —1939 —wurde Coudenhove französischer Staatsbürger, er sollte es bis zu seinem Tod bleiben. Coudenhoves paneuropäischer Optimismus war ungebrochen, 1939 veranstaltete er den achten Europatag in Paris, in London wurde das britische Paneuropa-Komitee gegründet. Unermüdlich setzte er sich für den Aufbau einer Achse Paris-London ein. Auf diese Zeit geht die freundschaftliche Beziehung zu Winston Churchill zurück. Erst als Hitler in Frankreich einmarschierte, entschied sich das Ehepaar Coudenhove zur Flucht nach Amerika. Die Einreise-Visa hatte ihnen Nicholas Μ. Butler besorgt, am 10. Juli 1940 überwies Coudenhove Präsident Butler 1.730 Dollar, damit er bei seiner Ankunft in New York bereits Geldmittel zur Verfügung hatte. 28 Im amerikanischen Exil 1940 bis 1946 Am 3. August 1940 bestiegen Richard und seine Familie den Clipper, der sie von Lissabon nach Amerika bringen sollte: «We landed smoothly at La Guardia Field — twenty six hours after leaving Europe.»29 Obwohl Coudenhove in New York einflußreiche Freunde hatte, zeigte sich sehr bald, daß sich seine Vorstellungen, die amerikanische Regierung von Paneuropa zu überzeugen, nicht erfüllten. Vielmehr sollten viele glückhafte Zufälle Coudenhoves Exil-Leben prägen. Mit dem Präsidenten des Carnegie Endowment for Peace stand Coudenhove in regem Kontakt, mit allen Sorgen, die den Emigranten plagten, wandte sich Coudenhove an Butler. Die erste Bitte, mit der Coudenhove an Butler heran trat, war jene, einen Verlag für sein Buch Totalitarian State against Men in Amerika zu suchen bzw. das Vorwort zu schreiben. Butler kam diesem Wunsch nach 30 und war dem Ehepaar Coudenhove auch bei der Wohnungssuche behilflich;31 Butler unterstützte die Veröffentlichung der amerikanischen Ausgabe von Europe must unite.32 Im November 1940 hielt Coudenhove bereits Vorträge, in denen er für die Rettung der westlichen Welt eintrat. Er appellierte an die Regierungen der Vereinigten Staaten von Amerika und Großbritannien, ihn in seinem Kampf gegen Nazi-Deutschland zu unterstützen (unter anderem durch Bildung einer amerikanischen Luftstreitmacht, die alle verbündeten Luftflotten vereinen sollte).3 Optimistisch wie eh und je machte sich Coudenhove Anfang 1941 daran, das Cooperative Committee der Paneuropa-Union, das seit seiner Gründung im Jahr 1926 nicht wirklich aktiv war, als American Committee for a Free and United Europe zu reorganisieren. Der Direktor des Internationalen Erziehungsinstituts in New York, Stephan Duggan, übernahm wie bereits 1926 den Vorsitz. Coudenhove versuchte nun — im Gegensatz zur Zwischenkriegszeit — nicht die Massen für Paneuropa zu gewinnen, sondern, wie er aus Erfahrung gelernt hatte, direkt beim amerikanischen

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Präsidenten Franklin D. Roosevelt vorstellig zu werden. Dieser empfing ihn jedoch nicht, obwohl der einflußreiche amerikanische Diplomat William Bullit und auch Nicholas Μ. Butler intervenierten. Bei der isolationistischen amerikanischen Außenpolitik konnte Coudenhove nicht wirklich Uberzeugungsarbeit für Paneuropa leisten, auch die Gespräche mit Finanzminister Henry Morgenthau blieben ergebnislos.34 Einzig John Foster Dulles, der spätere Außenminister, zeigte Interesse für Paneuropa. Im Gegensatz zu den Kontakten zum State Department waren Coudenhoves Verbindungen zur amerikanischen Presse hervorragend und rückblickend meinte der Graf, daß die Pressepropaganda in New York deshalb so einfach war, weil es lediglich zwei große Tageszeitungen gab: New York Times und New York Herald Tribune.35 Beide berichteten positiv über Paneuropa. Bereits im Januar 1941 unterbreitete der Graf Nicholas Μ. Butler seine Bitte, die Forschungsarbeiten über eine zukünftige Friedensordnung für Europa 36 sowie die Atlantik Union, 37 die Coudenhove propagierte, zu unterstützen. 38 Butler konnte Coudenhove beide Bitten nicht erfüllen; allerdings versuchte er für ihn eine Lehrbefugnis an der Fletcher School of Law and Diplomacy in Massachusetts zu bekommen. Seine Intervention blieb jedoch erfolglos: «The school will be so strongly reduced it will be unable to increase the staff of his teachers.»39 Erfolgreicher war Butler in einer anderen Angelegenheit: Coudenhove hatte ihn im Sommer 1941 wegen seines Ansuchens um ein unbegrenztes Emigranten-Visum um Unterstützung gebeten. Das Ansuchen war abgelehnt worden, weil Coudenhoves Mutter asiatischer Herkunft war. Jetzt mußte er den Nachweis erbringen, daß er Professor war. 40 Um eine Professur zu erhalten, war Coudenhove sogar bereit, «for a token salary» zu arbeiten.41 Präsident Buder konnte ihm im Herbst 1941 einen Lehrauftrag an der New York University vermitteln, der über ein Stipendium der Carnegie-Friedensstiftung abgegolten wurde. 42 Neben der Lösung der existentiellen Probleme widmete sich Coudenhove weiterhin seiner Lebensaufgabe. Wie schon erwähnt hatte er im April 1941 das American Committee for a Free and United Europe 43 unter den Auspizien der Graduate School of Arts and Science of New York University reorganisiert; es sollte ab Mitte Mai mit den Organisationsarbeiten für das Research Center for European Reconstruction beginnen, da man im Februar 1942 mit dem Seminar starten wollte; Ziel des Seminars war eine möglichst umfassende Untersuchung der politischen, juristischen und wirtschaftlichen Probleme einer Nachkriegsföderation. Das Seminar war für zwei Jahre ausgelegt, sechs Studenten sollten teilnehmen. Hinsichtlich der Stipendien für die Studenten wurde Coudenhove abermals bei Nicholas Μ. Butler vorstellig; er erbat sich pro Stipendiaten 800 Dollar. 44 Seiner Bitte wurde nicht stattgegeben, Butler ließ ausrichten, daß «the Endowment is not in position to make the grant you suggest».45 Nichtsdestotrotz konnte Coudenhove Anfang Februar 1942 plangemäß sein Research Center for European Federation eröffnen — 4.000 Dollar waren durch anonyme Spenden zusammengekommen. 46 Coudenhove leitete das Seminar gemeinsam mit dem damals international anerkannten Völkerrechtsexperten Dr. Arnold Zürcher. 47 Das Research Center sollte während der gesamten Exilzeit das Hauptquartier für die paneuropäischen Arbeiten bilden. Seit dem amerikanischen Kriegseintritt im Dezember 1941 stieg auch das

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Interesse Amerikas an der Organisation von Nachkriegs-Europa. Die Vereinigten Staaten von Amerika hatten noch niemals einen Krieg verloren und waren deshalb überzeugt, daß sie bei den Friedensverhandlungen eine wichtige Rolle spielen würden, 48 so Coudenhoves Einschätzung hinsichtlich dem Interesse Amerikas an seinem Research Center. Offensichtlich waren Coudenhove die vielen Bittgänge zu mühsam geworden; 1942 installierte er zwei Fonds, die von privaten Financiers ausgestaltet wurden. Der European Federation Research and Fellowship Fund diente dazu, seine Lehrtätigkeit und die Stipendien seiner Schüler zu finanzieren. 49 Der European Federation Pan-European Conference Fund galt ursprünglich der Finanzierung des geplanten fünften PaneuropaKongresses im Jahr 1943. 50 Die erste Paneuropa-Kundgebung in den USA fand anläßlich des 80. Geburtstages von Aristide Briand am 28. März 1942 in der Aula der New York University statt.51 Ein Jahr später sollte unter den Auspizien der New York University der fünfte PaneuropaKongreß in der Zeit vom 25. bis 27. März 1943 veranstaltet werden. Er stand unter denkbar guten Voraussetzungen, hatte sich doch Winston Churchill bereits Tage zuvor zur Schaffung eines vereinten Europa bekannt, wahrscheinlich aufgrund einer Intervention durch Coudenhove.52 Den Vorsitz des Kongresses übernahmen damals der ehemalige Außenminister Spaniens, Don Fernando de los Rios und Richard Coudenhove. Im Komitee befanden sich beispielsweise der ehemalige tschechische Ministerpräsident Milan Hodza und der frühere belgische Ministerpräsident Paul van Zeeland. Wie bereits die voran gegangenen Paneuropa-Kongresse war auch dieser in Kommissionen untergliedert, insgesamt drei an der Zahl: eine juristische Kommission unter dem Vorsitz von Fernando de los Rios, eine wirtschaftliche Kommission unter dem Vorsitz von Louis Marlio, einst Freund und engster Mitarbeiter von Aristide Briand und eine kulturelle Kommission unter dem Vorsitz von Coudenhove. Die Konferenzausschüsse entschlossen sich, bis zu einem europäischen Friedensschluß ständig zu tagen. Die wichtigste Tätigkeit dieses Kongresses war die Ausarbeitung einer Konstitution für das Europa nach dem Weltkrieg. 53 Den Abschluß des Kongresses bildete ein fulminantes Dinner im Hotel Waldorf-Astoria mit 500 zahlenden Gästen. Während der Kongreßvorbereitungen hatten pro-russische Kreise in den U S A versucht, den Kongreß zu sabotieren. Coudenhove setzte sich demonstrativ mit dem sowjetischen Botschafter Maxim Litwinow in Verbindung und lud ihn zum Kongreß ein. Mit dem Antwortschreiben, in dem der Diplomat bedauerte, nicht am Kongreß teilnehmen zu können, versuchte Coudenhove zu beweisen, daß der Kongreß keine antirussische Propaganda-Veranstaltung war. 54 Im Zusammenhang mit der «Sabotage» pro-russischer Kreise ist auch der Austritt des französischen Liberalen und Katholikenführers Professor Jacques Maritain sowie des früheren italienischen Außenministers Carlo Sforza aus der Paneuropa-Bewegung zu sehen. Maritain war überzeugt, daß Paneuropa antirussisch, aber auch antibritisch war; er wollte deshalb nicht mit Coudenhove zusammenarbeiten, «who is looking toward the restoration of monarchies in Europe». 55 Der Grund dafür war wohl Coudenhoves Nähe zu Otto Habsburg, aber auch die personelle Zusammensetzung des Paneuropa-Komitees. Hier waren ehemalige

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Legitimisten wie etwa der österreichische Diplomat Richard Schuller oder der frühere tschechische Ministerpräsident Milan Hodza tätig. Der Plan, die Kongreß-Ausschüsse permanent tagen zu lassen, konnte nur teilweise erfüllt werden. Anstatt der Vollversammlung trat lediglich der Board of the PanEuropean Conference zusammen, bestehend aus den drei Komiteevorständen. 56 Hauptaufgabe des Rechtsausschusses war ein Entwurf für eine europäische Verfassung, die sehr stark von Arnold Zürcher beeinflußt wurde. Schließlich veröffentlichte der Board 1944 einen Verfassungsentwurf, der als juristische Ausformulierung von Minimalzielen angesehen werden kann, die die Paneuropa-Union bereits vor dem Krieg proklamiert hatte. 57 Im März 1945 faßte Coudenhove die Leitlinien der Draft Constitution unter dem Titel Declaration of European Inter-Dependence zusammen. Diese Deklaration schickte er mit den Unterschriften von 16 Vertretern des europäischen Exils an den amerikanischen Präsidenten und an den amerikanischen Kongreß.58 Auch diese Aktion blieb ungehört und somit erfolglos. Der Kampf um die Teilung Europas in Interessensphären verdrängte Coudenhoves Gedanken über eine europäische Verfassung. Viele «Europäer» propagierten die Gliederung Europas in einen atlantischen und einen russischen Weltteil, darunter auch Coudenhoves Freund Walter Lippmann: Er befürchtete eine Dominanz von Deutschland innerhalb der europäischen Föderation. Coudenhove vertrat eine konträre Meinung, er wollte die Teilung Europas verhindern, da er darin eine Stärkung der Sowjetunion erblickte; in weiterer Folge würde Deutschland als Schiedsrichter zwischen West und Ost fungieren. Unter diesen Bedingungen könnte ein Dritter Weltkrieg ausbrechen oder Europa sowjetisch werden, befürchtete Coudenhove. Daher forderte er, wie schon in der paneuropäischen Zwischenkriegszeit, daß weder Großbritannien noch die Sowjetunion an der Organisation eines vereinten Europa teilhaben sollten. Würde die Sowjetunion der Frage einer europäischen Föderation nicht zustimmen, müßte ein atlantisches Bündnis den Weltfrieden gegen die Sowjets sichern.59 In diesem geplanten atlantischen Bündnis wies er Frankreich die Führungsrolle für Europa zu, weil Frankreich «stark» genug wäre, um Europa politisch nicht zu dominieren. Diese Frankreich-Lastigkeit hatte ihren Hintergrund darin, daß Coudenhove im Sommer 1943 mit Charles de Gaulle persönlich zusammentraf. In ihm erblickte er einen würdigen Nachfolger Briands, de Gaulle sah sich jedoch außerstande (ohne Nennung von Gründen), die ihm angebotene Ehrenpräsidentschaft der Paneuropa Union anzunehmen. Trotzdem wurde damals der Grundstein für eine Beziehung gelegt, die bis zum Tod von de Gaulle währen sollte! Coudenhoves Plan, Europa nicht in Interessensphären aufzuteilen, war sein letzter verzweifelter Versuch, Europa mit Amerika und Großbritannien zu verbinden, um eine mögliche sowjetische Hegemonie in Europa abzuwenden. 60 Während Coudenhove seiner paneuropäischen Mission nachging, widmete sich Ida Roland karitativen Aufgaben. Sie rief ein amerikanisches Hilfswerk für die notleidende österreichische Bevölkerung ins Leben, das American Relief to Austria (A.R. Α.), das vom State Department im Jahr 1944 bewilligt wurde. Für die Komitee-Gründung konnte Ida Roland die beiden großen amerikanischen Gewerkschaftsverbände C.I.O. und A.F.L. gewinnen. Für die Werbearbeit gründete sie das Co-operative Committee to the A.R. A,

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das aus Amerikanern und Österreichern bestand. Den Ehrenvorsitz übernahmen u.a. der ehemalige amerikanische Präsident Herbert Hoover, eine Tochter Theodor Roosevelts, Alice Longworth, und der Rektor der katholischen Fordham-University of New York, Father Robert J. Gannon.61 Das gemeinsame Generalsekretariat befand sich in der 43. East-Street in New York. Kleider, Wäsche, Schuhe, Lebensmittel und Medikamente wurden gesammelt und nach Osterreich verschifft. Im Mai 1942 bot die New York University Coudenhove die Ernennung zum Professor an, unter der Bedingung, daß seine Bezahlung für zwei Jahre durch das Carnegie Endowment garantiert würde. Wiederum mußte Coudenhove Butler um Geld bitten: «Not only to stabilize my situation at N. Y.U. but also to assure my living, after I have, as you know, sacrificed all I had for the cause of peace and of human liberty.»62 Obwohl auch der Dekan der Universität das beste Zeugnis über Coudenhoves Tätigkeit ausgestellt hatte, konnte das Carnegie Endowment wegen Budgetkürzungen der Bitte nicht nachkommen. Erst jetzt —1944 — erhielt Richard Coudenhove den Titel eines Visiting Professors verliehen. Als Coudenhove im Januar 1948 nach mehrmonatiger Abwesenheit wieder nach New York zurückkehrte, mußte er sich neben der Propagierung von Paneuropa auch um die leidige Angelegenheit der Finanzierung seiner Professur kümmern. Er bat den Rektor der New York University Harold Voorhis, sich für ihn bei der Carnegie-Stiftung zu verwenden mit dem Ziel, 5.000 Dollar zu bekommen. Dieses Mal schienen aber die Professoren über die Höhe der Forderung erregt und es kam zu heftigen Diskussionen, da man sich nicht als «Schatzmeister für einen Fonds sehen wollte, der lediglich den privaten Zielen von Coudenhove» diente.63 Jedenfalls mußte Voorhis in der Beschaffung des von Coudenhove geforderten Betrages taktisch klug vorgehen, wenngleich er meinte, daß «the Count is simply using us as a front for the furtherance of his own propaganda».64 Der Betrag wurde trotz allem genehmigt, Coudenhove aber folgende Bedingungen gestellt: Innerhalb des ersten Semesters (von 1948-1949) sollte er ein Buch verfassen, das die Frage der europäischen Vereinigung beinhalten mußte und die spezielle Frage einer einheitlichen europäischen Währung. Dieses Buch müßte unter dem Namen des Institute of Public Affairs erscheinen.65 Im zweiten Semester sollte er einen Kurs über die Atlantic Community halten, den er bereits vor zwei Jahren angekündigt, jedoch aufgrund seiner Abwesenheit nie gehalten hatte.66 1.000 Dollar waren für die Publikation vorgesehen, die restlichen 4.000 Dollar sollten in je zwölf Tranchen als Entschädigung für die Lehrtätigkeit am Institute of Public Affairs and Regional Studies Verwendung finden. Doch zurück in das Jahr 1943. In diesem Jahr erschien Coudenhoves Lebensgeschichte Crusadefor Pan-Europe, das u.a. im Time Magazin^1 und in der New York Times besprochen wurde als «a fascinating autobiograhy of one of the most interesting cosmopolitans that have ever tried to make the world his nation».68 Mit dieser Rezension warb Coudenhove beim Carnegie Endowment, damit es die Vermarktung des Buches übernehmen sollte wegen seiner «importance for the imminent problems of European peace and reconstruction». Präsident Butler wies den Plan von sich und Coudenhove war enttäuscht; er konnte es sich nicht erklären, warum die Stiftung andere Projekte unterstützte, die seiner Meinung nach von geringerer Bedeutung waren als seine

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Paneuropa-Bewegung.69 Für ihn war die Ablehnung auch deshalb schmerzlich, weil er seit 1926 freundschaftlichen Kontakt zu Nicholas Μ. Butler pflegte. Neben den paneuropäischen Tätigkeiten kämpfte Coudenhove dafür, Osterreich als «besetztes» und nicht länger als «annektiertes» Land anzuerkennen. Unter Berufung auf die Grundsätze der Atlantik-Charta vom 14. August 194170 formulierte er ein Memorandum an Roosevelt und Churchill. Coudenhove verlangte von beiden Politikern: 1. Osterreich nicht länger als ein annektiertes, sondern als ein besetztes Land anzuerkennen und 2. die kurz zuvor erfolgte Anerkennung der tschechoslowakischen Exilregierung müsse die Anerkennung einer österreichischen Vertretung zur Folge haben. 71 Zur Umsetzung seines Planes wollte Coudenhove ein National Council for Austria gründen. Churchill begrüßte die Aktion, Roosevelt fand es nicht der Mühe wert, zu antworten. Bereits im September hatte Coudenhove mit dem österreichischen Sozialdemokraten Friedrich Adler Kontakt aufgenommen. 72 Coudenhove wollte nicht nur das rechte, sondern vielmehr das linke Lager für die österreichische Aktion gewinnen; es gelang ihm jedoch nicht, eine geschlossene und überparteiliche Front für sein Anliegen zu schaffen. Die österreichischen Sozialdemokraten konnten ihm seine Sympathie für das DollfußRegime nicht verzeihen! Die Vergangenheit haue ihn wieder eingeholt, das Projekt war gescheitert. 1945, als der Zweite Weltkrieg beendet war, vollzog sich ein Wandel hinsichtlich der Einstellung des Weißen Hauses gegenüber Paneuropa. Roosevelts Nachfolger Harry S. Truman nannte Paneuropa eine ausgezeichnete Idee. Als erster amerikanischer Staatsmann trat er öffentlich für die Gründung der Vereinigten Staaten von Europa ein: Er hatte für einen Zeitungsartikel mit dem Titel «The United States of Europe», der ausführlich über die Paneuropa-Idee informierte, sein «okay» gegeben, bald darauf wurde dieser Artikel von Reader 's Digest übernommen und weltweit verbreitet. 73 Aus dem Verlauf der Geschehnisse hatten die Amerikaner erkannt, daß die Sowjetunion nicht Verbündeter war, sondern vielmehr Konkurrent;74 durch das hartnäckige Veto legten die Sowjets die 1945 gegründete U N O als neue Weltorganisation lahm. Für Coudenhove dürfte diese Tatsache eine Genugtuung gewesen sein, immerhin hatte er seit der Gründung der Paneuropa-Bewegung vor der sowjetischen Gefahr gewarnt. Rückkehr nach Europa Am 8. Juni 1946 trat das Ehepaar Coudenhove die Reise nach Europa an. Drei Tage zuvor bedankten sie sich bei Butler für seine große Hilfe «during these dark years». Richard Coudenhove schrieb: «I shall never forget your hospitality and generosity, and if I now consider America as a second home, this is primarily due to you and your kind help.»75 Ida Roland bedankte sich bei Butlers Frau, «among these American friends we think first of all of you and your dear husband, who have been the first to welcome us when we were stranded here after the fall of France».76 In Europa angekommen, konnte das Ehepaar Coudenhove zu seiner Überraschung feststellen, daß die Idee betreffend eine Vereinigung europäischer Staaten nach wie vor aktuell war. Während seiner amerikanischen Exilzeit hatten sich Widerstandsgruppen

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gegen den Faschismus, Nationalsozialismus und die Okkupation gebildet, die eine Vereinigung Europas als Hauptziel formulierten. Ihre Initiatoren und Mitglieder bildeten eine neue Generation, so daß Coudenhove nicht mehr auf die Kontakte aus der Zwischenkriegszeit zurückgreifen konnte. Er suchte eine Leitfigur, die seine Idee propagieren würde. Für ihn kamen Charles de Gaulle oder Winston Churchill in Frage. De Gaulle lehnte höflich ab und Winston Churchill hatte sein Europa-Engagement nach seiner berühmten Zürcher Rede vom 19. September 1946, in der er für den Zusammenschluß Europas plädierte, größtenteils an seinen Schwiegersohn Duncan Sandys übertragen. Coudenhove und Sandys kooperierten anfangs miteinander; als es darum ging, die Führung innerhalb der Europa-Bewegung zu übernehmen, scheiterte diese Zusammenarbeit und schlug in «offene Feindschaft» um. 77 Im Januar 1947 gründete Sandys das United Europe Movement als europäische Plattform, die sich für die Vereinigung Europas einsetzte, Coudenhove zählte nicht zu seinen Mitgliedern. 1946 wurde in Paris die Union Europeenne des Federalistes (UEF) gegründet, mit der eine paneuropäische Zusammenarbeit aufgrund inhaltlicher Differenzen nicht möglich war.78 Obwohl die Europa-Vereine engagiert für den Zusammenschluß Europas plädierten, fehlte die «Verständigung über konkrete politische Maßnahmen zur Schaffung eines institutionellen Rahmens für Europa».79 Genau diesen Mangel behob Coudenhove, womit er, wie Posselt richtig feststellte, einen entscheidenden Beitrag zum Neuaufbau der europäischen Bewegung nach 1945 leistete. Coudenhove sondierte die grundlegende Stimmung in Europa und startete 1947 eine Fragebogenaktion unter den westeuropäischen Parlamentariern. 4.256 Parlamentarier aus zwölf europäischen Staaten erhielten einen Fragebogen, der die Frage beinhaltete: «Sind Sie für eine europäische Föderation im Rahmen der Vereinten Nationen?» 80 Coudenhove beabsichtigte die Mobilisierung parlamentarischer Mehrheiten für die Vereinigung Europas, damit sie Druck auf ihre Regierungen ausübten, um den Einigungsprozeß voranzutreiben und schließlich zu realisieren. Der Graf plante zunächst die Gründung überparteilicher Komitees für eine Europäische Föderation in den europäischen Parlamenten.81 Dann sollten parlamentarische Delegierte zu einem Kongreß eingeladen werden, der sich in weiterer Folge zu einem Europäischen Vorparlament entwickeln sollte. Das Vorparlament hätte abschließend sein Mandat an eine Europäische Verfassunggebende Versammlung zu übertragen, die von den Staatsbürgern der europäischen Demokratien zu wählen war.82 Coudenhoves Plan fand bei den Parlamentariern Anerkennung, so daß er Anfang Juli 1947 zu einer Konferenz in Gstaad verschiedene nationale Parlamentarier-Komitees einladen konnte. Hier erfolgte die Gründung der Europäischen Parlamentarier-Union (EPU), dem internationalen Dachverband der Parlamentariergruppen. Zu ihrem Präsidenten wählte man den Präsidenten des griechischen Parlaments, Leon Maccas. Einer seiner Vizepräsidenten war Georges Bohy, Sozialistenführer der belgischen Kammer,83 ein engagierter Europäer und später der Präsident des Parlamentarischen Rats der Europa-Bewegung. Da Richard Coudenhove kein Parlamentarier war, bekleidete er lediglich die Funktion des Generalsekretärs. 84 Hauptaufgabe dieser Tagung war die

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Vorbereitung für das erste Treffen eines zukünftigen europäischen Parlaments im September. Dieses Treffen wurde erneut in Gstaad abgehalten und am 8. September 1947 eröffnet. In einer Kampfabstimmung wählte man den Rat der EPU neu: Georges Bohy wurde Präsident, Leon Maccas einer seiner vier Vizepräsidenten. In der Resolution wurde bestimmt, möglichst bald eine europäische Regionalgruppe ins Leben zu rufen, unter dem Namen Vereinigte Staaten von Europa eine Völkergemeinschaft zu errichten und rasch eine Europäische verfassunggebende Versammlung einzuberufen, die eine europäische Bundesverfassung ausarbeiten sollte.85 Man wollte der Weltöffentlichkeit beweisen, daß ein übernationales Parlament konstruktiv arbeiten konnte. Am Ende des Jahres 1947 war die Rundfrage unter den Parlamentariern abgeschlossen, die Antworten waren «quantitativ und qualitativ überraschend», weil sich «die überwältigende Mehrheit» der Angeschriebenen für die Vereinigung Europas aussprach.86 Allerdings war die Beteiligung europäischer Parlamentarier an der Rundfrage sehr 87

gering. Coudenhoves Traum von einer Europäischen Versammlung schien im Mai 1948 in Erfüllung zu gehen. Am gemeinsamen Europa-Kongreß der Europäischen Bewegung in Den Haag wurde diese Frage diskutiert und man forderte die Bildung eines Europarates. Im Oktober darauf fusionierten die im Haag anwesenden Europa-Verbände zur Dachorganisation Europäische Bewegung.88 Einzig Coudenhoves EPU trat dieser Spitzenorganisation nicht bei, sie wollte ihre vollständige Unabhängigkeit wahren. Coudenhove arbeitete unermüdlich als Generalsekretär der EPU, im September 1948 fand der zweite EPU-Kongreß statt, dieses Mal in Interlaken. Erstmals nahmen auch deutsche Parlamentarier teil und man diskutierte in Anlehnung an die Haager Beschlüsse die Frage: Soll sich Europa als Staatenbund organisieren oder als Bundesstaat. Die Kongreßteilnehmer einigten sich darauf, daß ein Staatenbund lediglich eine Etappe auf dem Weg zur Schaffung eines europäischen Bundesstaates sein sollte. Zusätzlich zur Mobilisierung europäischer Parlamentarier kurbelte die politische Situation in Europa den Einigungsprozeß an; die Sowjetunion übte auf Europa einen starken Druck aus, das Spannungsverhältnis zwischen den beiden Großmächten Amerika und Sowjetunion fand im Kalten Krieg seinen Ausdruck. Im Juni 1947 entschloß sich die amerikanische Regierung, für den Wiederaufbau Europas finanzielle Hilfe zu gewähren. Der sogenannte Marshall-Plan zwang die europäischen Empfängerstaaten zur gemeinsamen Verwaltung der Hilfsgelder. Sämtliche Ereignisse und Entwicklungen mündeten schließlich in die Gründung des Europarates im Mai 1949. Coudenhoves Idee war aufgegangen, wenngleich es sich bald herausstellte, daß der Europarat wie einst der Völkerbund lediglich ein «Debattierclub»89 war: Coudenhove war enttäuscht, hatte er doch gehofft, daß der Europarat einen europäischen Staatenbund entwickeln würde. Durch die Gründimg des Europarates wäre die Tätigkeit der EPU beendet gewesen, die Parlamentarier trafen sich nicht mehr auf privat organisierten Kongressen, sondern im offiziellen Europarat. Als der dritte EPU-Kongreß einige Wochen nach der Gründung des Europarates in Venedig zusammentrat, entschied man, die EPU «als Brücke zwischen den nationalen Parlamenten und der Europarat-Versammlung»90 am Leben zu erhalten.

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Das bevorstehende Ende der amerikanischen Finanzhilfe veranlaßte die europäischen Staaten, über die Weiterfuhrung ihrer Wirtschaftsbeziehungen nachzudenken. Neben den privaten Europa-Organisationen ergriff der französische Außenminister Robert Schuman am 9. Mai 1950 die Initiative und verkündete die Gründung der Montanunion (Europäische Gemeinschaft für Kohle und Stahl-EGKS).91 Für Coudenhove war die Montanunion die Ernte seiner paneuropäischen Arbeit: «Die dreißigjährige (paneuropäische) Propaganda hatte ihre Früchte getragen.»92 Ab diesem Zeitpunkt entschieden nicht mehr die Parlamentarier über die europäischen Einigungsbestrebungen, sondern der Fortgang der Einigungsidee lag nun in den Händen einer neuen Führungselite, die Konrad Adenauer, Alcide de Gasperi, Robert Schuman und die graue Eminenz von Europa Jean Monnet bildeten. Großbritannien war im Kreis der Europa-Konstrukteure vorerst nicht vertreten, der dauernde Anspruch auf eine britische Sonderrolle war mit einer Führungsrolle auf dem Kontinent nicht vereinbar gewesen.93 Einige Tage nach Schumans Rede wurde Coudenhove eine große Auszeichnung zuteil. Er erhielt als erster den Aachener Karlspreis: «In Anerkennung seiner Lebensarbeit für die Gestaltwerdung der Vereinigten Staaten von Europa.»94 Während Coudenhove derartige Auszeichnungen in der Zwischenkriegszeit verwehrt geblieben waren, bildete der Karlspreis den Auftakt für weitere hohe Würdigungen, es folgten beispielsweise 1956 das Kreuz der französischen Ehrenlegion und das Große Verdienstkreuz des Verdienstordens der Bundesrepublik Deutschland,95 1965 der Sonnig-Preis, verliehen von der Universität Kopenhagen für außerordentliche Verdienste um die europäische Kultur, 1966 der Sudetendeutsche Karlspreis, verliehen in München. 96 Doch zurück in das Jahr 1950. Coudenhoves Reaktion auf den Schuman-Plan war die Einberufung des vierten EPU-Kongresses, der Mitte September 1950 in Konstanz abgehalten wurde; hier traten erste Zerfallserscheinungen der EPU zutage, französische Delegierte boykottierten den Kongreß; skandinavische, britische und deutsche blieben dem Kongreß wegen Coudenhoves offener Sympathie für de Gaulle fern. Mit Georges Bohy geriet Coudenhove wegen der Frage der Miteinbeziehung bzw. des Ausschlusses von Großbritannien in das Europa der Sechs (=EGKS-Europa) in arge Auseinandersetzungen.97 Im darauffolgenden Jahr (1951) traf Coudenhove ein privater Schicksalsschlag, Ida Roland starb. Coudenhove erwog, sich wieder ganz dem Verfassen philosophischer Bücher zu widmen, doch legte er diesen Plan angesichts der weltpolitischen Situation wieder ad acta. Im April 1952 heiratete Richard Coudenhove Gräfin Alix Tiele-Bally, die ihm schon zu Lebenszeit von Ida Roland eine gute Bekannte gewesen war. Im selben Jahr beendete er das Einzelkämpfertum der EPU, er fusionierte mit der Parlamentariergruppe der Europäischen Bewegung. Auf der ersten gemeinsamen Sitzung wurde Coudenhove als einzigem Privatmann neben Adenauer, Churchill, de Gasperi, Schuman und Spaak das Ehrenpräsidium der Bewegung übertragen. Erst zwei Jahre später — 1954 — erfolgte die Zusammenlegung, die neue Organisation erhielt den Namen Parlamentarischer Rat der Europa-Bewegung. Georges Bohy wurde ihr neuer Präsident und Coudenhove Mitglied auf Lebenszeit.

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Unmittelbar vor der Fusion hatte Coudenhove am 5. Mai 1952 die PaneuropaBewegung wieder ins Leben gerufen.98 Da sich die Verschmelzung beider Verbände bis 1954 hinauszögerte, blieb Coudenhove noch bis zum endgültigen Ende der EPU in seiner Funktion als Generalssekretär tätig. Erst nach Beendigung dieser Funktion konnte er sich vollends der Reorganisation der Paneuropa-Union in Europa widmen;99 sie wurde am sechsten Paneuropa-Kongress 1954 in Baden-Baden vorbereitet und am siebenten Kongreß (ebenfalls in Baden-Baden) ein Jahr später vollzogen. Am achten PaneuropaKongreß 1958 in Bad Ragaz war auch Otto Habsburg anwesend, 100 er sollte nach Coudenhoves Tod Präsident der Union werden! Mittlerweile zeichnete sich nach dem Scheitern des Planes einer Europäischen Verteidigungsgemeinschaft (EVG, 1952) und einer Europäischen Politischen Gemeinschaft (EPG, 1954) ein Erfolg in der europäischen Integration ab: 1957 wurden die Römer Protokolle unterzeichnet, die zur Gründung der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft (EWG) führten. Coudenhove meinte, daß damit «der Rubikon überschritten wurde, der die nationalen Wirtschaften von gestern von der paneuropäischen Wirtschaft von morgen» 101 trennte. Drei Jahre nach der Gründung der EWG berief Coudenhove den vorletzten Paneuropa-Kongreß nach Nizza ein. Er versuchte die Europäische Bewegung zur Mitarbeit an der Paneuropa-Union zu bewegen. Der Versuch misslang und führte fünf Jahre später zum Bruch zwischen Coudenhove und der Europa-Bewegung. Letztere unterstützte anläßlich der französischen Präsidentschaftswahlen Frangois Mitterand, Coudenhove war aber nicht nur ein Anhänger Charles de Gaulies, sondern auch sein Freund. 102 Im Jahr 1962 kehrte Coudenhove erstmals seit seiner Flucht aus Osterreich wieder nach Wien zurück: Anlaß war die Gedenkfeier für das vierzigjährige Bestehen von Paneuropa, die an der Geburtsstätte der Bewegung veranstaltet wurde. Coudenhove sprach über die Wiedervereinigung Europas und schnitt damit das Hauptziel der Paneuropa-Bewegung an: die Uberwindung des Gegensatzes zwischen West und Ost, zwischen den Verteidigungsbündnissen N A T O und Warschauer Pakt. Im Gegensatz zur antibolschewistischen Agitation der zwischenkriegszeitlichen Paneuropa-Union forderte er die freundschaftliche Zusammenarbeit zwischen Europa und der Sowjetunion, wies jedoch weiter auf die Bedrohung durch den Kommunismus hin. Der X. PaneuropaKongreß fand Anfang Oktober in Wien statt, auf den Tag genau vierzig Jahre nach dem ersten Paneuropa-Kongreß. Es sollte der letzte für Richard Coudenhove sein und man beriet aktuelle Themen wie europäische Währungsunion, Politische Union und Erweiterung des Europamarktes. 03 Neben den aktuellen Themen der Weltpolitik der Sechzigerjahre, beispielsweise Atomenergie oder Emanzipation der Frauen, stellte die Uberwindung der wirtschaftlichen Kluft zwischen EWG-Europa und EFTA-Europa (seit 1960) ein besonderes Anliegen von Coudenhove dar.104 Aus diesem Grund versandte Coudenhove im Herbst 1969 ein Memorandum an die deutsche, französische, italienische und britische Regierung. Er setzte diesen Schritt im Vorfeld des Haager Gipfels, der den Weg zum EG-Beitritt Großbritanniens, Irlands und Dänemarks ebnen sollte. Fünf Tage vor seinem

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Tod kam es am 22. Juli 1972 nicht nur zur Erweiterung der EG durch den Beitritt der oben genannten Länder zu einer Neuner-Gemeinschaft, sondern auch zu einer Reihe von Freihandelsabkommen mit den Rest-EFTA-Staaten. Wenn dadurch auch noch kein vollständiger Brückenschlag zu einer multilateralen Assoziierung auf allen Wirtschaftssektoren erzielt werden konnte, war doch ein entscheidender Schritt in diese Richtung gesetzt worden. Richard Coudenhove-Kalergi war ein umtriebiger Geist; von seiner Uberzeugung Europa vereinen zu müssen, konnte ihn niemand abbringen. Er war eine Führernatur, der den absoluten Führungsanspruch innerhalb der privaten Europa-Verbände für sich allein beanspruchte. Gegnerschaft zu seiner Idee wertete er als persönlichen Angriff, Kritiker versuchte er mit sachlichen Argumenten zu überzeugen. Bei Paneuropa duldete er keinen Kompromiß, in der Verfolgung seines Zieles wirkte er manchmal beleidigend, stolz und arrogant — teilweise sogar unnahbar. Für seine Idee brachte er nicht nur materielle Opfer, alle Einnahmen aus seinen Vorträgen und wahrscheinlich auch die Gagen seiner ersten Gattin flössen in die Umsetzung seines Planes. Er nahm auch große persönliche Entbehrungen in Kauf: So trat er beispielsweise 1926 aus der Wiener Freimaurerloge Humanitas aus, um seine Bewegung nicht als «freimaurerische» zu stigmatisieren. Paneuropa opferte Coudenhove auch seine große Liebe, die Philosophie. Sein letztes großes philosophisches Werk Los vom Materialismus erschien 1932 im Paneuropa-Verlag. In seinen letzten Lebensjahren heiratete er nach dem Tod seiner zweiten Frau die Witwe des österreichischen Komponisten Ralph Benatzky. Coudenhove starb am 27. Juli 1972 in Schruns in Vorarlberg.

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Richard Coudenhove-Kalergi, Ein Lebenfür Europa (Köln/Wien: Kiepenheuer & Witsch, 1966), S. 77. Ebda., S. 78. Coudenhove-Kalergi, Adel (Leipzig: Neue Geist-Verlag, 1922), S. 25. Coudenhove-Kalergi, «Piatons Staat und die Gegenwart», va. Die Erde I-II (Berlin 1919/20; Liechtenstein: Kraus Reprint, 1970), S. 42-46. Coudenhove-Kalergi, «Paneuropa und Faszismus»,Pdne«ro^M (Wien), IX, Nr. 5 (1933), S. 131. Claus Schöndube, «Ein Leben für Europa: Richard Graf Coudenhove-Kalergi», in Persönlichkeiten der Europäischen Integration. Hrsg. Thomas Jansen/Dieter Mahncke (Bonn: Europa Union Verlag, 1981), S. 50. Coudenhove-Kalergi, Ethik und Hyperethik (Leipzig: Neue Geist-Verlag, 1921). Für Coudenhove stellten Ethik und Ästhetik zwei ungetrennte Lehren dar. Er vertrat die These, wenn man sich auf dieses gemeinsame Begriffspaar rückbesinnen würde, könnte man die Krise der abendländischen Weltanschauung überwinden. Vgl. Anita Ziegerhofer, Johannes W. Pichler u. Reinhard Likar, Die « Vereinigten Staaten von Europa». Dokumente eines Werdens (Wien: Verlag Österreich, 1999). Hier findet sich eine Auswahl von Europa-Plänen, die in erster Linie Verfassungsentwürfe beinhalten.

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Coudenhove-Kalergi, «Offener Brief an Benito Mussolini», Neue Freie Presse = NFP (Wien), 21. Feb. 1923. Coudenhove-Kalergi, Geschickte der Paneuropabewegung 1922-1962 (Basel/Wien: Herold-Verlag, 1962), S. 6-7; Pan-Europe(1923)etlemouvementpaneuropeen. RichardN. Coudenhove-Kalergientre l'EmpiredAutriche-Hongrie et une Europe gaullienne. Guide de recherche. Hrsg. Fondation Archives Europeennes (Geneve: Fondation Archives Europeennes, 1994), S. 9. Peter Haage, «Nicholas Murray Butler—der Friedensdenklehrer», in Der Friedensnobelpreis von 1926bis 1932. Hrsg. Harry Pross (Zug: Edition Pacis, 1989), S. 182ff u. 200. Auf Butlers Initiative wurde das Columbia College 1907 in eine Universität umgewandelt. Ihm gelang es, den amerikanischen Stahlmagnaten Andrew Carnegie 1910 zur Stiftung von 10 Millionen Dollar zu bewegen, mit diesem Geld konnte das Carnegie Endowment for International Peace gegründet werden. Im Jahr 1925 wurde der Vertrag von Locarno geschlossen: Signatarstaaten waren neben Deutschland, Frankreich, Großbritannien, Italien und Belgien. Deutschland garantierte die Unverletzbarkeit der Westgrenze, nicht für die Ostgrenze. Der Vertrag wurde als Symbol der Entspannung zwischen Deutschland und Frankreich gewertet, Gustav Stresemann, Aristide Briand und Neville Chamberlain erhielten dafür den Friedensnobelpreis. «Der erste Paneuropäische Kongress. Mitteilungen des Präsidenten Coudenhove-Kalergi», NFP, 25. Sept. 1926. Coudenhove-Kalergi, «I. Paneuropa-Kongress», Paneuropa (Wien), Π, Nr. 13/14 (1926), S. 3. Beispielsweise Anita Ziegerhofer, «Austria and Aristide Briand's 1930 Memorandum», Austrian History Yearbook, XXIX (1998), S. 139-160; und Thomas Neumann, Die Europäischen Integrationsbestrebungen in der Zwischenkriegszeit. Monographien Rechtswissenschaften, 5 (Wien: WTJV Universitätsverlag, 1999). Der Verfasser geht ausschließlich auf den Briand-Plan ein. Coudenhove-Kalergi, Eine Idee erobert Europa. Meine Lebenserinnerung (Köln: Verlag Kurt Desch, 1958), S. 204. Coudenhove-Kalergi, «Paneuropäische Wirtschaftskonferenz», Paneuropa, IX, Nr. 9/10, (1933), S. 255. Beispielsweise den ehemaligen ungarischen Außenminister Gustav Gratz, den späteren rumänischen Außenminister Michael Manoilesco, den französischen Wirtschaftsfachmann Francis Delaisi und Generalkonsul Morten Lind aus Norwegen. «Der Paneuropa-Kongress», NFP, 17. Mai 1935; «Der europäische Geist», NFP, 18. Mai 1935. «Eröffnung der Paneuropäischen Wirtschaftszentrale», NFP, 27. Jan. 1936. «Der Paneuropäische Agrarkongress», NFP, 28. Jan. 1936. Coudenhove-Kalergi, Der Kampf um Europa (Wien: Humboldt-Verlag, 1949), S. 198. Ebda. Ebda., S. 204. Hitlers Zweites Buch. Ein Dokument aus dem Jahr 1928. Eingeleitet und kommentiert von Gerhard I. Weinberg. Quellen und Darstellungen zur Zeitgeschichte, 7 (Stuttgart: Deutsche Verlags-Anstalt, 1961), S. 131. Coudenhove-Kalergi, Der Kampf um Europa, S. 205. Der Bestand der österreichischen Paneuropa-Union umfaßt ca. 1.500 Akten und wurde erstmals von der Verfasserin gesichtet. Er beinhaltet vorwiegend Korrespondenzen, Tagungsberichte und Rechnungsbücher. Der Archivbestand dient als Grundlage für die Habilitationsschrift, die die Verfasserin unter dem Titel «Botschafter Europas. Richard Coudenhove-Kalergi und die Paneuropa-Bewegung in der Zwischenkriegszeit (1923-1938)» verfaßt hat (erscheint 2003). Hier soll weiters auf ein Werk hingewiesen werden, daß sich mit Paneuropa und der österreichischen Außenpolitik, allerdings nicht unter Berücksichtigung des Moskauer Quellenbestandes, beschäftigt: Michael Gehler, Der lange Weg nach Europa.

RICHARD NIKOLA US COUDENHOVE-KALERGI Österreich vom Ende derMonarchie bis zur EU. 2 Bde. Darstellung und Dokumente (Innsbruck/ Wien/München/Bozen: Studien Verlag, 2002). Coudenhove-Kalergi, Ein Leben für Europa, S. 234. Richard Coudenhove-Kalergi an Nicholas Μ. Butler, Largo de Calhariz- Lisboa, 10. Juli 1940; Nicholas Murray Butler Papers, Rare Book and Manuscript Library, Columbia University, NY. Coudenhove-Kalergi, CrusadeforPan-Europa.AMobiographyofaMan andaMcruement (NY: G.P. Putnam's Sons, 1943), S. 219. Richard Coudenhove-Kalergi an Nicholas Μ. Butler, Edgehill Inn, NY, 18. Aug. 1940; Nicholas Murray Butler Papers. Nicholas Μ. Butler an Richard Coudenhove-Kalergi, New York-Southampton, 20. Aug. 1940. Die Coudenhoves fanden schließlich in der 16. Straße, Palisade Avenue, im Stadtteil Bronx eine Wohnung; Nicholas Μ. Butler an Coudenhove-Kalergi, New York-Southampton, 12. Sept. 1940; Nicholas Murray Butler Papers. Nicholas Μ. Butler an Richard Coudenhove-Kalergi, NY, 13. Sept. 1940; Nicholas Murray Butler Papers. «Civilization's Fate linked to air rule. Head of Pan European Union says we must aid Britain», NYT, 4. Nov. 1940; Nicholas Murray Butler Papers. Coudenhove-Kalergi, Ein Lebenfur Europa, S. 257. Coudenhove unterbreitete Morgenthau einen Plan, der den Seeweg zwischen Amerika und Großbritannien sichern sollte. Er schlug vor, Island zu besetzen. Coudenhove trat mit Morgenthau über dessen Tochter Alma in Verbindung; der Finanzminister teilte Roosevelt Coudenhoves Plan mit, woraufhin im Juli amerikanische Truppen die Insel besetzten. Allerdings konnte bis dato nicht eruiert werden, ob Roosevelt die Besetzung Islands bereits vor Coudenhove geplant hatte oder erst durch ihn diesen Schritt unternahm. Ebda., S. 266. Carnegie Endowment of International Peace Records, Dec. 1940; fortan als CEIP zitiert; Rare Book and Manuscript Library, Columbia University, NY. Bereits im Dezember 1940 formulierte Coudenhove die Pläne für ein Research Center for European Reconstruction. Seinem Plan stellte er die Überlegung voraus, daß es notwendig sei, Kriege in Friedenszeiten zu verhindern, Frieden während Kriegszeiten vorzubereiten. Daher wollte er in seinem Research Center alle jene Personen, Gruppen und Institutionen vereinen, die den Frieden für Europa nach dem Krieg vorbereiten. Das Ergebnis sollte den Politikern präsentiert werden und als Vorlage für die Friedensverhandlungen dienen. Coudenhove erstellte einen Fragenkomplex mit insgesamt einundzwanzig Fragen. Diese sollten genauest untersucht werden, die Situation im Nachkriegs-Europa hing seiner Meinung nach nicht nur davon ab, wie der Krieg beendet werden sollte, sondern vielmehr «on the initiative to prepare a better Europe by starting, without delay, the constructive work of Research Center for European Reconstruction». Beilage zum Memorandum for Prof. Shotwell and Mr. Haskell verfaßt von Malcom W. Davis, 9. Jan. 1941; CEEP. Coudenhove formulierte insgesamt sechs Punkte für die AtlantikUnion: 1. Um Europa für die westliche Zivilisation zu retten, müsse Großbritannien jede Unterstützimg erfahren. 2. Die westliche Zivilisation, das war Amerika, Europa, Afrika und Australien, sollte durch eine Union aller englisch-sprechenden Nationen verbunden werden, die Basis dieser Union sollte eine panamerikanische und paneuropäische Organisation bilden. 3. Weltfrieden und Weltsicherheit sollten von einer amerikanischen Streitmacht mit unanfechtbarer Macht gesichert werden. 4. Um allgemeinen Wohlstand zu erreichen, müßten alle künstlichen Hindernisse im Hinblick auf internationalen Handel und Verkehr beseitigt werden 5. Um die internationale Verständigung zu erleichtern, müssten jene Staaten, die

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Englisch nicht als Muttersprache haben, diese als ihre zweite Sprache lernen. 6. Der Kampf gegen Materialismus, gewaltsame Niederwerfung und Totalitarismus sollte durch Betonung der Werte einer gemeinsamen westlichen Zivilisation aufgenommen werden: Idealismus, Heroismus und persönliche Freiheit. Ebda. Richard Coudenhove-Kalergi an Nicholas Μ. Butler, NY, 16. Apr. 1941; CEIP. Richard Coudenhove-Kalergi an Nicholas Μ. Butler, NY, 28 Juli 1941; Nicholas Murray Butler Papers. Ebda. Henry S. Haskeil an Richard Coudenhove-Kalergi, NY, 29. Juli 1941; CEIP. Richard Coudenhove-Kalergi an Nicholas Μ. Butler, NY, 26. Apr. 1941; CEIP. Diesem Komitee gehörten an: Stephan Duggan, William Blakeslee, Percival Brundage, Liman Bryson, John W. Davis, Harry S. Gideonse, Robert Lamot, Gerard Swope. Richard Coudenhove-Kalergi an Nicholas Μ. Butler, NY, 25. Okt. 1941; CEIP. Henry S. Haskeil an Richard Coudenhove-Kalergi, NY, 28. Okt. 1941; CEIP. «Center of Research for Europe gets aid», NYT, 11. Feb. 1942; CEEP. CEIP. The Research Seminar for post-war European Federation, folgende Persönlichkeiten assistierten Coudenhove: Percival Brundage, Price, Waterhouse & Co; Dr. Lyman Bryson, Professor der Columbia University; Dr. Mitchell Carroll, Richter; John W. Davis, ehemaliger Botschafter; Dr. Stephen Duggan, Direktor des Institute of International Education; Dr. Clyde Eagleton, Professor der New York University; Dr. Harry Gideonse, Präsident des Brooklyn College; Colonel Greame K. Howard, ehemaliger Vizepräsident bei General Motors; Dr. Henry P. Jordan, Professor der New Yorker University; Dr. Frank Kingdon, Vorsitzender des Fight for Freedom-Committees, Henry Morgenthau, ehemaliger Botschafter; Dr. Joseph Parker, Dekan der Graduate School of Art and Science at New York University; Dr. Leland Rex Robinson, Präsident des Committee for Christian Refugees, Dr. Edward C. Smith, Professor der New York University und Dr. Rinehart Swenson, ebenfalls Professor an der New York University. Coudenhove-Kalergi, Ein Leben für Europa, S. 260. In der Zeit von 1941 bis 1943 liefen 10.435 Dollar Spenden von verschiedenen Personen ein. Voorhis an John Gerdes, NY, 27. Feb. 1948; CEIP. Auf das Konto des Pan-Europaen Conference Fund flössen in der Zeit von 1942 bis 1948 insgesamt 19.201 Dollar. Ca. 16.000 Dollar gingen für Coudenhoves Reisetätigkeit, Hotelrechnungen, Telefon und Taxispesen auf. Vgl. Earle Washburn an Voohis, 26. Feb. 1948; CEIP. James T. Shotwell an Richard Coudenhove-Kalergi, NY, 19. Feb. 1942; CEIP. Im Vorfeld gab es Differenzen, da sich die Universität nicht in politische Angelegenheiten einmischen wollte. Abgesehen davon feierte man in den USA nicht Todestage, sondern Geburtstage. Abgedruckt in Coudenhove-Kalergi, Crusade for Pan-Europa, S. 224-225. Coudenhove-Kalergi, «Toward a constituant assembly for Europe, Gstaad, 1948», S. 7, CEIP; ders., Crusade for Pan-Europa, S. 227.1. Paneuropa bekannte sich zu den Grundsätzen der Atlantik-Charta. 2. Paneuropa definiert jede europäische Föderation als regionale innerhalb einer weltumspannenden Nachkriegsorganisation auf der Grundlage der ständigen Zusammenarbeit zwischen den vier großen vereinten Nationen. 3. Bis dahin muß Europa gemeinsam mit Großbritannien, Amerika und der Sowjetunion kooperativ und freundschaftlich zusammenarbeiten. 4. Ein europäisches System kann nur dann akzeptiert werden, wenn es der Bedrohung durch deutsche Aggression und Hegemonie standhält. 5. Ein vereintes Europa muß auf der Basis demokratischer Prinzipien aufgebaut werden. Coudenhove-Kalergi, Ein Leben für Europa, S. 270.

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RICHARD NIKOLAUS COUDENHOVE-KALERGI «Jacques Maritain, Catholic Leader, quits Pan-Europa Union as illiberal Organization», PM, 24. März 1943 und «Liberal quit Pan Europa Union, call it reactionary», NYPost, 24. März 1943; CEIP. Martin Posselt, Richard Coudenhove-Kalergi und die europäische Parlamentarier-Union. Eine parlamentarische Bewegungfiir eine »EuropäischeKonstituante». Diss. Univ. Graz 1987, S. 82. «Draft Constitution of the United States of Europe issued by the Paneuropean Conference and the Research Seminar for European Federation», NY Apr. 1944. 23 SS.; Research Seminar for European Federation, New York University Ed.; vgl. auch Posselt. «Declaration of European Inter-Dependence», 14. März 1943; CEIP. Die Deklaration beinhaltete folgende Punkte: Forderung nach einem Europäischen Rat und einem Obersten Gerichtshof, weiters nach einer gemeinsamen europäischen Streitmacht; eine Deklaration der Bürgerrechte, eine Deklaration der sozialen Bürgerrechte und die schrittweise Umformung Europas in einen einzigen Markt mit gemeinsamer Währung. Das Deutsche Reich sollte als Zentralmacht liquidiert werden, erst nach Beendigung des «Hitlerism» könnte sich Deutschland der europäischen Föderation anschließen. Die Deklaration unterzeichneten neben Coudenhove u.a. Fernando de los Rios und Franz Werfel. Posselt, Richard Coudenhove-Kalergi, S. 87. Ebda. Coudenhove-Kalergi, Ida Roland in memoriam (London: Phaidon Press, 1951), S. 34. Richard Coudenhove-Kalergi an Nicholas Μ. Butler, NY, 11. Mai 1942; CEIP. Arnold Zürcher an Harold Voorhis,NY, 18.März 1948; Archives of Columbia University, NY. Voorhis an LeRoy E. Kimball, NY, 27. Feb. 1948; Archives of Columbia University, NY. Das Buch erschien unter dem Titel Europe seeks Unity, mit einem Vorwort von William Bullit (NY: New York Univ. Press, 1949). Richard Coudenhove-Kalergi an Harold Voorhis, NY, 23. Feb. 1948; Archives of Columbia University, NY. Coudenhove dürfte sich auch um Gelder bemüht haben, so geht aus einem Schreiben an Voorhis hervor, daß er 100 Dollar von Herman Waldeck, Vizepräsident der Continental Illinois National Bank und Trust Company of Chicago erhalten hatte. «One Europe», Time Magazine, Nr. 29 (1943). John Chamberlain, «Books of the Times», NYT, 13. Nov. 1943; CEIP. Richard Coudenhove-Kalergi an Nicholas M. Butler, NY, 11. Jan. 1944; CEIP. Posselt, Richard Coudenbove-Kakrgi, S. 74. Die Atlantik-Charta verfaßten Großbritannien und Amerika und hatte folgenden Inhalt: Unter Berufung auf die «Vier Freiheiten» (Freiheit der Rede, Meinung, des Glaubens und Freiheit von Not und Furcht) wurde der Verzicht auf Gebietsgewinn, territoriale Veränderungen nur im Einverständnis mit den Betroffenen, Selbstbestimmungsrecht für alle Völker, Freiheit der Meere und Verzicht auf Waffengewalt formuliert. Deutschland war von diesen Begünstigungen ausgenommen. Ebda. Stichting Internationaal Instituut voor Sociale Geschiedenis (SIIG): Coudenhove an Dr. Fritz Adler, New York, 23. Sept. 1941. Adler sollte Kontakte zu weiteren österreichischen ExilSozialisten herstellen. Coudenhove-Kalergi, Ein Lehen für Europa, S. 278. Ebda., S. 276. Coudenhove-Kalergi an Nicholas Μ. Butler, 5. Juni 1946; Nicholas Murray Butler Papers. Ida Coudenhove-Kalergi an Mrs. Nicholas Μ. Butler, NY, 5. Juni 1946; Nicholas Murray Butler Papers. Posselt, Coudenhove-Kalergi, S. 104.

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